GA 344

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE UND KURSE ÜBER
CHRISTLICH-RELIGIÖSES WIRKEN

III

Vorträge bei der Begründung
der Christengemeinschaft

Neunzehn Vorträge, Gespräche
und Fragenbeantwortungen
in Dornach vom 6. bis 22. September 1922
Mit Wandtafelzeichnungen, Notizbucheintragungen
und weiteren dokumentarischen Ergänzungen

GA 344

1994

Inhaltsverzeichnis


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ZU DIESER AUSGABE

In diesem dritten Band der Reihe «Vorträge und Kurse über christ­lich-religiöses Wirken» werden die Vorträge, Gespräche und Fra­genbeantwortungen veröffentlicht, mit welchen Rudolf Steiner die Begründung der religiösen Erneuerungsbewegung, «Die Christenge­meinschaft», begleitete.

Als Gründungstag der Christengemeinschaft wird der 16. Septem­ber 1922 bezeichnet, an welchem Friedrich Rittelmeyer zum ersten Mal eine vollständige Menschenweihehandlung zelebrierte.

Die 45 Gründerpersönlichkeiten (siehe S.278) waren am 5. Sep­tember 1922 nach Dornach gekommen, um hier mit der Hilfe Rudolf Steiners die eigentliche Begründung der religiösen Erneuerungsbewe­gung zu vollziehen. Rudolf Steiner schreibt hierüber am 24. Oktober 1924*:

«Es liegt mir ganz fern, in irgendeiner Art religionsstiftend aufzu­treten oder in irgendein religiöses Bekenntnis einzugreifen. Ich habe kein anderes Bestreben als dieses: Was mir möglich ist, in übersinn­lichen Welten zu erforschen, in Erkenntnisform mit dem rechten Verantwortungs-Sinn vor der heutigen Wissenschaft, der gegenwär­tigen Menschheit mitzuteilen. Ich bringe vor, wovon ich mir sagen darf, daß es entweder überhaupt der gegenwärtigen Menschheit bei ihrem geistigen Reifezustand angemessen ist; oder einiges andere, wofür sich einzelne Menschengruppen in einer (esoterischen) Vorschulung die Reife erst erwerben.

Wenn die Bewegung für christliche Erneuerung entstanden ist, so ist das nicht auf meine Initiative hin geschehen, sondern auf diejenige hin einer Anzahl christlicher Theologen, die einen neuen geistigen Impuls gerade aus ihrem echt christlichen Empfinden heraus suchten. Sie glaubten, denselben in den geistigen Erkenntnissen, namentlich denen, die auch über einen Kultus möglich sind, der Anthroposophie

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* Aus dem Aufsatz «Anspruchslose aphoristische Bemerkungen über das Buch: Reformation oder Anthroposophie? von Edmund Ernst», erschienen in «Das Goetheanum» 3. Jg. Nr.64 vom 26. Oktober 1924, wiederabgedruckt in GA 36, Seite 241 f.

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zu finden; und ich war verpflichtet, dieser Gruppe von Menschen aus meiner Erkenntnis heraus alles zu geben, was ich geben konnte. Ich blieb der die Erkenntnisse aus der übersinnlichen Welt Mitteilende; und die Empfangenden und in die Erkenntnis Eindringenden taten das Notwendige zur Begründung der Gemeinschaft für christliche Erneuerung. »

Der vorliegende Band enthält:

- die Vorträge, die Rudolf Steiner bei insgesamt neunzehn Zusam­menkünften mit den Gründerpersönlichkeiten gehalten hat,

- die Beantwortung von Teilnehmerfragen,

- Handschriftenwiedergaben von Texten zu kultischen Handlungen,

- Notizbucheintragungen und Tafelzeichnungen zu den Vorträgen.

Bei dieser Ausgabe innerhalb der Rudolf Steiner Gesamtausgabe handelt es sich nicht um die Darstellung des gesamten Begrün­dungsgeschehens.* Es werden vielmehr ausschließlich die Wortlaute Rudolf Steiners wiedergegeben, insoweit sie von ihm handschriftlich vorliegen oder von Stenographen mitgeschrieben wurden. (Näheres siehe unter «Textgrundlagen» auf Seite 279.)

Bei kultischen Handlungen und bei internen Besprechungen waren keine Stenographen zugezogen worden. Aus diesem Grunde liegen von diesen Zusammenkünften keine dokumentarischen Unterlagen vor. Um dem Leser gleichwohl einen Überblick über den Verlauf der Begründungstage zu geben, wird der Band mit einer chronologischen Übersicht eingeleitet, die nach den Aufzeichnungen einer Teilnehmerin erstellt wurde.

Nach dem Brand des ersten Goetheanums in der Silvesternacht 1922/1923 gedenkt Rudolf Steiner in einem Aufsatz «Das Goethe­anum in seinen zehn Jahren» - rückblickend auf die in diesem Bau stattgefundenen Veranstaltungen - der dort erfolgten Begründung der Christengemeinschaft mit folgenden Worten:

«Ende September und Anfang Oktober [1921] versammelten sich im Goetheanum eine Anzahl deutscher Theologen, die den Impuls zu

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* Siehe hierzu z. B. die Darstellung von Hans-Werner Schroeder. »Die Christen-gemeinschaft. Entstehung, Entwicklung, Zielsetzung», Stuttgart 1990.

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einer christlich-religiösen Erneuerung in sich trugen. Was hier erar­beitet wurde, fand einen Abschluß im September 1922. Ich selbst muß, was ich mit diesen Theologen in dem kleinen Saale des Südflü­gels, in dem später der Brand zuerst entdeckt worden ist, im September 1922 erlebt habe, zu den Festen meines Lebens rechnen. Hier konnte mit einer Reihe edelbegeisterter Menschen der Weg gegangen werden, der Geist-Erkenntnis in das religiöse Erleben hineinführt.»*

Die von Rudolf Steiner in den Jahren 1923 und 1924 für die Priester der Christengemeinschaft gehaltenen Vorträge erscheinen in den Bänden IV und V der Reihe «Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken».

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* Aus dem Aufsatz »Das Goetheanuni in seinen zehn Jahren», erschienen in »Das Goetheanum», 2. Jg. Nrn. 23-26, Januar-März 1923, wiederabgedruckt in GA 36, Seite 305 ff.

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CHRONOLOGISCHE ÜBERSICHT über die Tage der Begründung der Christengemeinschaft vom 5. bis 22. September 1922

erstellt nach Aufzeichnungen von Gertrud Spörri

(Anwesenheiten Rudolf Steiners, die durch einen Stenographen dokumentiert sind, sind durch Kursivstellung hervorgehoben. Die römischen Ziffern entsprechen der Wiedergabe im Band)


Dienstag, 5. September 1922

Gemeinsame Reise des Kreises der 45 Begründer der Urgemeinde von Breitbrunn am Ammersee nach Dornach.

Mittwoch, 6. September 1922

Vormittag: Besprechung (ohne Rudolf Steiner) im Glashaus über

Meditation.

Friedrich Rittelmeyer spricht über Licht, Liebe, Leben.

I Nachmittag: Im Glashaus Vorbesprechung mit Rudolf Steiner.

Donnerstag, 7. September 1922

Diese und alle folgenden Zusammenkünfte fanden im Weißen Saal des

Südflügels des ersten Goetheanums statt.

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Claus von der Decken liest zwei

Vorträge Rudolf Steiners vor: über die Manichäer und über die Kain-

und Abel-Legende.

IINachmittag: Vortrag von Rudolf Steiner.

Freitag, 8. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Vorlesen des Textes der Menschen­weihehandlung. Aussprache im Kreis über das Priestertum.

III Nachmittag: Rudolf Steiner demonstiert den Verlauf der Menschen­weihehandlung, die hier erstmals «Menschenweihehandlung» genannt wird. Die Epistel «Im Bewußtsein unserer Menschheit ...» wird gegeben. Danach kurzer Vortrag Rudolf Steiners.

In diesen Tagen werden die ersten kultischen Gewänder hergestellt.

Samstag, 9. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Emil Bock spricht von Versuchen, Evangelientexte neu zu übersetzen. Er liest den Versuch einer Uber­setzung von Johannes, Kapitel 14 vor.

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IV Nachmittag: Vortrag von Rudolf Steiner. Er gibt für die Ämter die Bezeichnungen «Lenker» und «Oberlenker» und liest den Wortlaut der Angelobung vor.

Anschließend kurze Besprechung mit Rudolf Steiner.

Abends: Friedrich Rittelmeyer und Emil Bock beraten unter sich und in Gemeinsamkeit mit Gertrud Spörri und Johannes Werner Klein die Übertragung der Ämter

Sonntag, 10. September 1922

Vormittag: Vor der Entscheidung über die Ämter beratendes Ge­spräch mit Rudolf Steiner. Mitteilung an den Kreis, daß Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Johannes Werner Klein das Amt des Oberlenkers tragen werden; zu Trägern des Lenkeramtes sind be­stimmt worden Gertrud Spörri - der der Titel «Oberlenker» zuge­schrieben wird -, Johannes Perthel, Friedrich Doldinger und Alfred Heidenreich.

V Danach kommt Rudolf Steiner: Weihe des Bildes. Beginn der Ange­lobung.

Nachmittag: Fortsetzung der Angelobung. Kurze Ansprache Rudolf Steiners.

Montag, II. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Es werden die Worte der Ansprache Rudolf Steiners vom 10. September vorgelesen und diktiert. Vorlesen des Textes der Menschenweihehandlung. Aussprache im Kreis über die Tatsache der Angelobung; über das Gelöbnis der Templer; über die Bekreuzigung.

VI Nachmittag: Vortrag Rudolf Steiners.

Dienstag, 12. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Vorlesen der Menschenweihehand­lung und der trinitarischen Epistel. Referieren des Vortrages vom Ii. September. Gespräch im Kreis über Weihe und Magie. Referate über zwei Michaelvorträge.

Nachmittag: Vorlesen der Angelobeworte und Ansprache Rudolf Stei­ners vom 10. September. Aussprache im Kreis über die Lemniskate.

VII Rudolf Steiner beschreibt den ersten Teil der Priesterweihe. Da Friedrich Rittelmeyer erkrankt ist, kann die Weihe an diesem Tag nicht beginnen

Mittwoch, 13. September 1922

Vormittags (ohne Rudolf Steiner): Vorlesen der Menschenweihehand­lung. Gespräch im Kreis über kultisches Sprechen, über Priester­würdigkeit und Priesterwürde.

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VIII Nachmittag: Weihe der Gewänder. Rudolf Steiner übermittelt den ersten Teil der Weihe an Friedrich Rittelmeyer. Er demonstriert die Menschenweihehehandlung bis zur Vollendung des Opfers und über­gibt an Friedrich Rittelmeyer Stola und Casula. Gertrud Spörri ministriert.

Donnerstag, 14. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Kurze Besprechung im Kreis.

Nachmittag: Weihe der Geräte. Rudolf Steiner ist anwesend. Fried­rich Rittelmeyer zelebriert die Menschenweihehandlung bis zur Voll­endung des Opfers. Er übergibt dabei den ersten Teil der Weihe an die übrigen Oberlenker und Lenker: an Emil Bock, Johannes Werner Klein, Gertrud Spörri, Johannes Perthel, Friedrich Doldinger, Alfred Heidenreich. - Marta Heimeran ministriert.


Freitag, 15. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Besprechung im Kreis über den weiteren Verlauf der Tage. Auf eine Anfrage über die Ausführung der Handlung sagt Friedrich Rittelmeyer, «daß man ein Zentriim für den Christus-Impuls zu sein habe».

Nachmittag (Rudolf Steiner ist anwesend): Friedrich Rittelmeyer ze­lebriert die Menschenweihehandlung bis zur Vollendung des Opfers. Er übergibt dabei den ersten Teil der Weihe an die sechs Altesten des

Kreises: Rudolf von Koschützki, August Pauli, Hermann Beckh, Heinrich Rittelmeyer, Fritz Blattmann, Hermann Fackler.

Dann demonstriert Rudolf Steiner den zweiten Teil der Menschen-weihehandlung, die Wandlung und Kommunion. Er vollendet die Übermittlung der Weihe an Friedrich Rittelmeyer durch die Aus­sendung. Marta Heimeran ministriert.

Samstag, 16. September 1922

Vormittag (Rudolf Steiner ist anwesend): Friedrich Rittelmeyer ze­

lebriert die Menschenweihehandlung. Die Weihe der ersten Zwölf

wird durch ihn vollendet. Damit ist die erste vollständige Menschen­

weihehandlung zelebriert, die erste Wandlung vollzogen.

IX Ansprache Rudolf Steiners.

Nachmittag (ohne Rudolf Steiner): Emil Bock zelebriert die Men­

schenweihehandlung und weiht zu Priestern: Wilhelm Ruhtenberg,

Claus von der Decken, Wilhelm Salewski, Otto Becher, Heinrich

Ogilvie, Kurt Philippi, Martin Borchart, Hermann Groh, Wolfgang

Schickler, Adolf Müller, Marta Heimeran, Richard Gitzke. - Gerhard

Klein ministriert.

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Sonntag, 17. September 1922

X Vormittag: Kurze Ansprache Rudolf Steiners über das Credo; dann

geht er weg.

Werner Klein zelebriert die Menschenweihehandlung und weiht zu

Priestern: Karl Stegmann, Erwin Lang, Eberhard Kurras, Arnold

Goebel, Otto Franke, Walter Gradenwitz, Joachim Sydow, Ludwig

Köhler. - Gerhard Klein ministriert.

Nachmittag (ohne Rudolf Steiner): Friedrich Rittelmeyer zelebriert die Menschenweihehandlung und weiht zu Priestern: Waldemar Mik­kisch, Gottfried Husemann, Rudolf Köhler, Jutta Frentzel, Rudolf Frieling, Thomas Kändler, Kurt von Wistinghausen, Wilhelm Kelber, Eduard Lenz, Gerhard Klein, Kurt Willmann, Harald Schilling. - Es ministrieren Gertrud Spörri und Marta Heimeran. - Damit sind alle Begründer der Urgemeinde geweiht.

Montag, 18. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Gertrud Spörri zelebriert die Men­

schenweihehandlung. Es ist die erste Menschenweihehandlung ohne

Priesterweihe. Danach wird das Credo und die Ansprache Rudolf

Steiners vom 17. September 1922 vorgelesen. Aussprache im Kreis.

XI 11 Uhr: Vortrag Rudolf Steiners. Danach Beantwortung einer Frage.

Nachmittag (ohne Rudolf Steiner): Aussprache im Kreis. Vorlesen der Fragenbeantwortung mit vom Vormittag.

XII 17.30 Uhr: Rudolf Steiner beantwortet Fragen, u. a. über die Kon­stitution der Priestergemeinschaft; er gibt den Wortlaut für ein Treue-gelöbnis.

Dienstag, 19. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Johannes Perthel zelebriert die Menschenweihehandlung. Aussprache im Kreis über die Formulie­rung des Treuegelöbnisses.

XIII 10.30 Uhr: Vortrag Rudolf Steiners mit anschließender Besprechung. Nachmittag 16.30 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Aussprache im Kreis über die Formulierung des Treuegelöbnisses.

XIV 17.30 Uhr: Besprechung mit Rudolf Steiner.

20.30 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Besprechung im Kreis über die Arbeit in den verschiedenen Städten.

Mittwoch, 20. September 1922

Vormittag (ohne Rudolf Steiner): Alfred Heidenreich zelebriert die

Menschenweihehandlung. Emil Bock liest die Zusammenstellung der

Fragen vor, die Rudolf Steiner übergeben werden sollen.

XV 10.30 Uhr: Vortrag Rudolf Steiners mit anschließender Aussprache.

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Nachmittags 16.30 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Aussprache im Kreis über einenVorschlag Friedr. Rittelmeyers zur Abänderung des dritten Absatzes im Treuegelöbnis. Emil Bock liest einen Entwurf zur Ge­meinschaftsordnung der Priesterschaft der Christengemeinschaft vor.

XVI 18.30 Uhr: Rudolf Steiner beantwortet einen Teil der am Vormittag übergebenen schriftlichen Fragen.

Donnerstag, 21. September 1922

Vormittag 9 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Aussprache im Kreis über

den von Emil Bock gemachten Entwurf einer Gemeinschaftsordnung.

10 Uhr: Friedrich Doldinger zelebriert die Menschenweihehandlung.

Karl Stegmann ministriert.

XVII 11 Uhr: Vortrag Rudolf Steiners. Anschließend weitere Beantwortung von Fragen.

Nachmittag 17.15 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Die Gemeinschafts­ordnung wird in endgültiger Fassung vorgelesen und von allen ange­nommen. Es werden Pläne für öffentliche Tagungen gemacht.

18 Uhr: Die Gemeinschaftsordnung wird mit Rudolf Steiner bespro­chen.

XVIII Danach beantwortet Rudolf Steiner einzelne Fragen.

21 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Vergleich der verschiedenen Ritual-texte.

Freitag, 22. September 1922

Vormittag: Rudolf Steiner ist an diesem Vormittag bei allem an­wesend. Die Formulierung des Treuegelöbnisses wird festgelegt.

Rudolf Steiner übergibt an Friedrich Rittelmeyer das Barett.

Friedrich Rittelmeyer zelebriert die Menschenweihehandlung. Alle

Geweihten empfangen die Kommunion. Gertrud Spörri und Marta

Heimeran ministrieren.

XIX Rudolf Steiner spricht Abschiedsworte an den Kreis.

Er geht durch die Reihen und reicht zum Abschied jedem die Hand.

Friedrich Rittelmeyer bringt in kurzen Worten Rudolf Steiner gegen­über die Empfindungen, die im Kreis da sind, zum Ausdruck.

Nachmittag 14.30 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Jeder einzelne des

Kreises unterschreibt das Treuegelöbnis.

15 Uhr: Rudolf Steiner führt den Kreis in sein Atelier und zeigt die

Holzplastik.

15.30 Uhr (ohne Rudolf Steiner): Genauer Wortlaut der Gemein­schaftsordnung und des Ergänzungsprotokolls werden diktiert. Das

Ritual des Sterbesakramentes wird von allen aufgeschrieben.

Friedrich Rittelmeyer spricht das Abschiedswort im Kreis.

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I Mittwoch, 6. September 1922, nachmittags

Friedrich Rittelmeyer begrüßt Rudolf Steiner: Wir sind hierher gekommen, um Sie zu bitten, daß Sie uns helfen wollen, damit wir der Menschheit recht helfen können. Wir kommen zu Ihnen mit vollem Vertrauen, mit einem so großen Vertrauen, wie man es zu einem Menschen nur haben kann. Dieses Vertrauen gründet sich nicht auf irgendwelche schwärmerischen Gefühle, sondern auf die klare Erfahrung, die wir selbst schon gemacht haben mit dem, was durch Sie geistgeoffenbart ist, eine Erfahrung, die uns tief ver­pflichtet, da sie uns geworden ist, sie der Menschheit nicht vorzuenthalten und so viel als in unseren schwachen Kräften liegt zu tun, um sie weiterzu­geben, weil wir viel davon für die Menschheit erwarten.

Der Kreis, der heute zu Ihnen kommt, ist kleiner, viel kleiner als der Kreis, der vor einem Jahr hier war. Kaum ein Drittel von denen, die damals hier waren, ist wiedergekommen. Einige wenige sind neu dazugekommen. Einige sind ausgeschieden, deren Ausscheiden uns ganz besonders schmerz­lich ist. Aber in uns, die wir hier sind, lebt der ganz drängende Wunsch und der feste Entschluß, so viel an uns liegt zu tun, damit es mit unserer Sache rasch und kraftvoll vorwärts gehen möge.

Einige von unseren Freunden, viele von denen, die Sie hier sehen, haben in den Sommermonaten schon zu arbeiten gesucht, und es ist manchem von ihnen gelungen, einen Kreis von sechzig bis achtzig Menschen zusammen­zubekommen, von denen sie hoffen können, den Kern der künftigen Ge­meinde zu bilden. Von einigen von uns ist schon gesagt worden, daß wir ohne allzugroße Sorge in die Zukunft blicken können.

Wir kommen von einer Tagung, die wir in Breitbrunn hatten, wo wir uns miteinander über einige Sachen verständigten aufgrund der Winke, die Sie uns gegeben haben. Und wir können sagen, es ist wohl kaum einer unter uns, dem diese Tagung nicht zu hoher Befriedigung gereichte. Wir haben die Tagung damit geschlossen, daß wir uns die Hände gegeben haben als ein Kreis von entschlossen in die Welt Tretenden, die für die Sache, die wir gemeinsam vertreten, ihr Leben und ihre volle Kraft einzusetzen sich entschlossen haben und miteinander sich bemühen wollen, das zu verwirk­lichen, was wir in die Welt stellen wollen: eine wirkliche christliche Ge­meinschaft. Darauf haben wir uns die Hand gegeben, daß wir in Dornach die Entscheidung annehmen wollen und daß wir auch in Zukunft immer die Sache über unser Persönliches setzen wollen.

So treten wir vor Sie hin und bitten Sie von ganzem Herzen: Helfen Sie uns innerlich und äußerlich, daß ängesichts des Ernstes der Weltlage und im Hinblick auf das große Geistige, das durch Sie in die Welt hinein will, eine Gemeinschaft von Menschen in die Welt treten könne, die der Menschheit wirklich helfen können wird.

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Rudolf Steiner: Mein lieber Herr Dr. Rittelmeyer, liebe Freunde! Die Worte, die soeben an mich gerichtet worden sind im Hinblick auf die große Sache, für die Sie sich hier in Dornach versammeln und für die Sie arbeiten wollen, darf ich vielleicht zunächst mit folgendem herzlich erwidern: Es war mir von Anfang an klar bewußt, als diese Ihre Bewegung sich mir offenbarte, welcher Ernst gerade durch diese Ihre Bewegung gehen muß. Nun könnte ich ja sagen, meine lieben Freunde, ich danke Ihnen für das soeben ausgesprochene Vertrauen. Aber ich meine, das wäre in diesem Augenblick durchaus nicht das richtige Wort. Ich möchte etwas anderes sagen. Ich möchte dieses sagen, daß bei solchen Tatsachen, zu denen vielleicht eben dasjenige gehört, was Sie jetzt in die Welt stellen wollen, doch offenbar dieses persönliche Vertrauen nicht eigentlich notwendig ist. Denn persönliches Ver­trauen wäre doch eine verhältnismäßig zu wenig starke Grund­lage. Was in die Menschheit kommen muß, das ist das Vertrauen in die Sache, an der Sie nun mitschaffen wollen, und diese Sache ist eine außerordentlich einschneidende für die Entwickelung der Menschheit.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, ich komme jetzt aus Oxford, das, ich möchte sagen, einen ganz bestimmten Aspekt für die gegenwärtige geistige Situation der Menschheit gibt. Wenn man eine Zeitlang in Oxford lebt, so hat man das Gefühl, daß man in einer Welt sich befindet, die mit einer Art von Mauer umgeben ist. Innerhalb dieser Mauer ist ein reges geistiges Leben, das aber durch diese Mauer in einer gewissen Weise abgeschlossen ist von der eigentlichen Gegenwart. Die jungen Menschen, die dort er­zogen werden, werden dann mit einer Erziehung in die Welt hinausgeschickt, die ja geradezu einen starken religiösen Einschlag hat; sie werden hinausgeschickt in die Welt mit einer Erziehung, die, ich möchte sagen, nicht von dieser Zeit ist, die eigentlich noch religiöse Impulse der Vergangenheit hineinstellt in eine Welt, die neue religiöse Impulse braucht. Ich hatte in Oxford ja von ganz anderen Themen zu sprechen, aber ich mußte dort [in einem Vortrag] gerade ein Bild gebrauchen, das sich mir einfach ergeben

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hat durch das Leben selbst bei einem unbedeutenden Anlaß. Ein Freund führte uns in den verschiedenen Golleges herum, ein Freund, der ein Fellow gerade von Oxford ist. Es ist üblich dort, daß bei solchen Gelegenheiten die Leute ihren Talar anziehen und ihr Barett aufsetzen müssen; alle, die Oxford einmal absolviert haben, müssen das Zeit ihres Lebens tun. Danach begegnete uns der Freund auf der Straße; er hatte noch den Talar an und das Barett auL In meinem nächsten Vortrag mußte ich dann ein Bild gebrauchen, um etwas aus dem Volkserziehungswesen zu erläu­tern. Dieses Bild kam mir ganz von selbst: Was wäre - ich habe das im Vortrag ausgesprochen, wie ich es jetzt sage - was wäre, wenn ich nun, unmittelbar nachdem ich unserm Freunde in seinem Oxforder Talar und mit seinem Oxforder Barett begegnet war, ihm hatte einen Brief schreiben wollen? Wenn ich dabei wahr bleiben wollte gegen mich selbst, so hätte ich nicht gewußt, soll ich nun als Datum schreiben 750 vor Christi Geburt oder 1250 nach Christi Geburt. Jedenfalls wäre es mir nicht eingefallen, wenn ich wahr bleiben wollte gegen mich selbst, das Datum der Gegenwart zu schreiben. Aber so ist es gerade mit dem Oxforder Geistesleben; das Oxforder Geistesleben ist ein außerordentlich ernstes, aber ein solches, das zuweilen eigentlich noch an ein mittelalterliches Geistesleben oder sogar an die Zeit vor Christi Geburt erinnert.

Hier auf dem Kontinent oder gar in Mitteleuropa - um nur ein Beispiel zu erwähnen - würde es ja einen außerordentlich schwe­ren Entschluß kosten, etwa einmal einen Vortrag in einer Kirche zu halten. In Oxford war es mir ganz selbstverständlich, als ich dazu aufgefordert wurde, an einem Sonntag in der Chapel [des Manchester Colleges] einen Vortrag zu halten, daß er innerhalb der Kirche gehalten werden mußte. Man bekommt da durch das unmittelbare Erleben einen starken Eindruck davon, wie ernst das englische Geistesleben einmal war, wenn man sieht, wie diese Dinge sogar heute noch inspirierend sind, die sich, wenn auch metamorphosiert, bis in die Gegenwart herein erhalten haben. Auf der anderen Seite bekommt man auch den starken Eindruck,

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wie notwendig ein neuer Impuls ist, denn die alten Impulse sind eben doch verbraucht. Insbesondere in Mitteleuropa ist es so, daß die alten Impulse im Grunde genommen eine so intensive Fort­setzung nicht gefunden haben wie zum Beispiel in England, wo noch ein starker religiöser Einschlag in der ganzen Kultur vor­handen ist. In Mitteleuropa ist ja das Geistesleben «entreligioni­siert» bei denjenigen, die sich als Menschen der Gegenwart von der Bildung der Zeit durchdrungen fühlen. Es ist schwerer zu nehmen, als - wie es scheint - man es heute annimmt, daß in der unmittelbaren Gegenwart ein solches Buch hat erscheinen können wie die «Geschichte des Atheismus» von Mauthner. Ich hielte es allerdings für möglich, daß in Frankreich ein ähnliches Buch erschiene, aber ich halte es für ausgeschlossen, daß in England einer ein solches Buch über die Geschichte des Atheismus schriebe, weil dort die alten Traditionen noch weiterleben.

Ich will damit nur sagen, daß es eine ernste Angelegenheit ist, in Mitteleuropa die Erneuerung des religiösen Lebens zu begin­nen. Gerade in Ländern, in denen die Traditionen noch lebendiger sind - im ganzen Westen bis wahrscheinlich nach Amerika -, wird diese Notwendigkeit nicht so empfunden werden können. Nur hier, wo wir auf einem Boden stehen, der in Wahrheit ein lebendig religiöser ist, hier kann die Notwendigkeit eines neuen Impulses intensiv genug empfunden werden. Das zur Illustration meiner Aussage, daß ich von allem Anfang an den Ernst Ihrer Ziele gewissermaßen auch auf mir habe lasten gefühlt. Und jetzt, wo wir eine Art Abschluß für den unmittelbaren Anfang Ihrer Arbeit finden wollen, werden wir uns alle von diesem Bewußtsein durchdringen mussen.

Zunächst muß wirklich darauf hingearbeitet werden, ganz wegzukommen von diesem Vertrauen, für das ich Ihnen zwar sehr dankbar bin, das aber ein persönliches Vertrauen ist, weg-zukommen von diesem persönlichen Vertrauen und hinzukommen zu einem wirklichen Vertrauen in die Sache. Dazu haben Sie als Theologen alle mehr die Möglichkeit, als es andere Menschen der Gegenwart, die innerhalb des geistigen Lebens stehen, haben

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können. Denn immerhin muß der Theologe etwas Gefühl haben von geistigem Leben, sonst wäre er eine realisierte Unwahrheit als Persönlichkeit. Hat man etwas Gefühl von dem geistigen Leben als solchem, dann muß man auch die Brücke hinüber finden zu dem, was in der unmittelbaren Gegenwart als geistiges Leben auftreten muß. Es ist durchaus eine Summe von Empfindungen und Gefühlen und Gesinnungen, aus denen heraus wir nun unsere Arbeit beginnen müssen, und auf diese Gefühle und Empfindungen und Gesinnungen wollte ich Sie zunächst hinweisen. Wir müssen ja allerdings unsere Arbeit in aller Bescheidenheit beginnen, denn zunächst wird es eine viel angefochtene Arbeit werden, dessen müssen wir uns bewußt sein. Und je weniger Sie den Glauben haben, daß Sie hindernislos mit dieser Arbeit durch die Welt schreiten, desto besser wird es im Grunde genommen sein. Je mehr Sie sich auf Hindernisse und Hemmnisse vorbereiten, desto besser wird es sein. Und so kann ich auf die lieben Worte, die soeben von Herrn Dr. Rittelmeyer gesprochen worden sind, nur erwidern: Es soll von mir alles geschehen, damit dieses unser Zusammensein hier der Ausgangspunkt sein kann für ein vom Geist der Zeit gefordertes tatkräftiges Wirken von Ihnen allen, die Sie sich dazu entschlossen haben.

Ich denke nun, wir richten die Sache so ein, daß wir heute eine Art Vorbesprechung halten und morgen mit unserer eigentlichen Arbeit beginnen. Nun fühle ich mich veranlaßt, im Anschluß an die von Herrn Dr. Rittelmeyer gesprochenen Worte und mit Rücksicht auf das, was ich selbst gesagt habe, als den ersten Punkt denjenigen zu erwähnen, der doch meiner Auffassung nach unsere Situation außerordentlich einschneidend verändert: das ist der Rücktritt des Herrn Dr. Geyer von unserer Bewegung. Herr Dr. Geyer hat einen Brief an mich gerichtet, in dem er zunächst mehr das Persönliche seiner Intentionen darlegt und auch das persön­liche Verhältnis zu mir. Ich erwähne von vornherein, daß ich ja selbstverständlich jedes Wort, das Dr. Geyer gesprochen hat, als etwas aufnehme, das in aller Liebe und Achtung empfangen wird und daß auch meinerseits nicht die geringste Änderung in dem

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persönlichen Verhältnis zu ihm eintreten kann. Also ich möchte sagen, all das Persönliche ist etwas, worüber wir wirklich nicht zu sprechen brauchen, denn ich will die Nuance, die er in seinem Briefe erwähnt, auch als die meinige empfinden. Aber in bezug auf die Bewegung ändert sich die Situation doch in einer so einschneidenden Weise, daß wir uns diese Tatsache zum Be­wußtsein bringen müssen. Nicht wahr, schon das Äußerliche, daß beim Bekanntwerden dieser Bewegung zur religiösen Erneuerung vielfach der Name von Dr. Geyer genannt worden ist, nicht zuletzt in der Richtung, daß er, der nicht zur Anthroposophi­schen Gesellschaft gehört, eingetreten ist für diese religiöse Er­neuerung, das war gerade der Umstand, daß man an vielen Orten einen gewissen Grad des Vertrauens zu dieser Bewegung der religiösen Erneuerung hatte, und weil Dr. Geyer in seinem Alter sich entschlossen hat, mit dieser Bewegung mitzutun. Das alles, zusammengehalten mit dem Umstand, daß nun in regster Weise diese Tatsache des Rücktritts überall verbreitet werden wird, das wird uns vor eine ganz ernste Situation stellen. Im Beginn einer solchen Bewegung bedeutet das etwas. Dr. Rittelmeyer hat auch von anderen Personen gesprochen, die zurückgetreten sind. Das mag ja sehr schmerzlich sein, aber das bedeutet nicht dasselbe, da Dr. Geyer im Zentralkomitee bei allen vorbereitenden Arbeiten gestanden hat. Es bedeutet dies immerhin auch, daß Sie alle in Ihren Herzen werden die Frage aufwerfen müssen, die Frage werden zu stellen haben: Was ist es nun eigentlich objektiv - von allen persönlichen Gründen abgesehen -, was den Pastor Geyer abgehalten hat, seinen doch einmal gefaßten Entschluß, mit dieser Bewegung zu gehen, aufzugeben?

Es ist für Sie wichtig, den Grad der Objektivität eines solchen Entschlusses ins Auge zu fassen. Ihre eigene Sicherheit, mit der Sie innerhalb der Bewegung stehen, wird davon abhängen, welche Gedanken Sie sich machen, welche Gefühle Sie entwickeln im Anschluß an die Tatsache, daß einer der Führer der Bewegung gerade im entscheidenden Augenblicke zurückgetreten ist. Das sagt ja nichts irgendwie über das Persönliche aus, nichts darüber,

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daß irgend jemand den Dr. Geyer nunmehr weniger lieb zu haben braucht als vorher und dergleichen. Abgesehen von allem Per­sönlichen handelt es sich aber darum, sich darüber klar zu wer­den: Was kann einen entschiedenen Mann in diesem entscheidenden Moment von seinem Entschluß abbringen? Denn die Beantwor­tung dieser Frage ist zugleich ein inneres Erlebnis, das uns be­schäftigen muß auf dem Wege zu dem Ziel, das Sie sich gesetzt haben, meine lieben Freunde. Sie werden Ihre eigene Sicherheit reifen lassen müssen, indem Sie sich diese Frage in aller Stärke und Objektivität vornehmen.

Es würde doch vielleicht notwendig sein, heute noch das eine oder andere Wort darüber zu sprechen, warum manche von denjenigen Persönlichkeiten, die das letzte Mal da waren am Ausgangspunkt der Bewegung, heute nicht da sind. Das wird zu den Vorbesprechungen gehören, und außerdem alles das, was Sie selbst auf der Seele haben. Nun wollen wir vielleicht uns über die Dinge, die zu besprechen sind, verständigen, um morgen wirklich mit der Arbeit beginnen zu können.

Emil Bock berichtet kurz über die Tätigkeit der einzelnen Glieder des Kreises. [Seine Ausführungen wurden nicht mitstenographierL]

Rudolf Steiner: Wir brauchen nur Leitlinien, damit Sie sich selbst dasjenige vor das Bewußtsein rufen, was wirklich vor dem Be­wußtsein stehen soll.

Ein Teilnehmer: [Ausführungen nicht mitstenographiert.]

Rudolf Steiner: Kann man auch von geistigen Mißerfolgen spre­chen? Ich meine jetzt nicht so sehr Mißerfolge, die sich die Freunde selbst vorwerfen in ihrer Arbeit, sondern die Mißerfolge, die in mangelnder Aufnahmefähigkeit liegen würden.

Verschiedene Teilnehmer berichten, namentlich über die Verhältnisse in Duisburg und Erfurt.

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Rudolf Steiner: Welche Gesichtspunkte haben gewaltet bei der Auslese in Breitbrunn?

Friedrich Rittelmeyer antwortet. [Die Antwort ist vom Stenographen nicht mitgeschriehen worden.]

Rudolf Stezner: Ist nichts zu sagen über den Rücktritt von Geyer?

Friedrich Rittelmeyer: Ich erwarte, daß Dr. Geyer auch jetzt noch für die Bewegung tätig sein wird, wenn man aus unserem Kreis in diesem Sinne an ihn herantritt. Wir würden selbst in dieser Form noch Vorteile von ihm baben, vorausgesetzt, daß Herr Dr. Steiner keine entscheidenden Bedenken dagegen hat.

Rudolf Steiner: Ich habe nicht entscheidende Bedenken, weil ich auch auf diesem Gebiet auf solche Entschlüsse wirklich nicht irgendeinen maßgebenden Einfluß nehmen möchte, sondern bei der Stellung bleibe, die ich zu der Bewegung von Anfang an hatte:

das, was aus der geistigen Welt gegeben werden kann, zu geben und nicht anders als ratend auf die Konstitution einzuwirken. So ist es für die Sache selbst das beste. Aber nicht wahr, wenn man auch durchaus der Meinung sein kann, daß ein solches Schreiben an Herrn Dr. Geyer gerichtet werden kann, so bleibt dennoch die Frage wichtig, welche objektiven Abhaltungen es für Dr. Geyer geben konnte, außer diesen subjektiven persönlichen, die man ja verstehen kann. Diese subjektiven Abhaltungen, daß er sich nicht selber zum Kultusträger machen kann und dergleichen, die sind ja nicht so außerordentlich wichtig; gegenüber solchen Dingen kommt man zurecht, wenn man mit der Intensität und dem Ernst die Bewegung ansieht, wie es für sie notwendig ist. Wichtig ist aber die objektive innere Stellungnahme zu der Frage: Was kann ihn abhalten, nach Ihrer Meinung?

Friedrich Rittelmeyer vermutet, daß das, was Dr. Geyer abhält mit uns zu gehen, in der Zeitströmung drin liegt und uns in der nächsten Zeit von manchen Seiten entgegentreten wird.

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Rudolf Steiner: Damit berühren Sie schon die objektive Seite, die wichtig ist für den Impuls. Wenn Sie sagen, das werde uns bei verschiedenen Menschen entgegentreten, so ist das wichtig, und umso wichtiger ist es, sich darüber ganz klar zu werden.

Friedrich Rittelmeyer und Emil Bock berichten noch über ihre Wahrneh­mungen in bezug auf Dr. Geyer in der letzten Zeit. [Die Ausführungen wurden nicht mitstenographierL]

Rudolf Steiner: Das, was für Sie alle notwendig ist, das ist, ein­zusehen - gegenüber dem, was Sie selbst sich zur Devise gemacht haben, klingt das trivial -, daß eine Erneuerung des religiösen Lebens als solchem notwendig ist. Eine Erneuerung des religiösen Lebens! Wenn religiöses Leben erneuert werden soll, dann ist in erster Linie notwendig, daß auch eingesehen wird, worin die Irreligiosität vieler gegenwärtiger religiöser Bekenntnisse liegt. Es ist im allerersten Auftreten dieser Bewegung, als diese beiden Herren zu mir gekommen sind, ein Unterton dagewesen, daß wir ja eigentlich ein religiöses Leben nicht haben unter denjenigen, auf die Sie ja zunächst rechnen, daß also das religiöse Leben nicht mehr eine Wahrheit ist.

Es ist in erster Linie notwendig, daß religiöses Leben im Innern der Persönlichkeit des Menschen eintrete. Wie Sie jetzt bei Pastor Geyer bemerken, ist dieses Bewußtsein nicht mehr vorhanden. Die Überwindung dieser Seelenstimmung, die Sie bei Pastor Geyer finden, das bedeutet ja den ersten Schritt im religiösen Leben. Wenn jemand sich eben nicht so weit ausschalten kann, daß er hinwegkommt über diese persönliche Unmöglichkeit, das Geistige zu vertreten, dann ist dies ein Grad von Irreligiosität, der ja gerade ein wichtiger Einschlag in unserem gegenwärtigen Geistes­leben ist. Dann ist eben bei denjenigen Persönlichkeiten, auf die Sie hingewiesen haben, eine solche Animosität gegen das religiöse Leben als solches vorhanden. Was Sie sagten über diese Sehnsucht, das Geistige als Unsinnliches zu erleben, es aber nicht ausdrücken zu wollen bis in die Gewänder hinein - wobei über das Praktische noch gesprochen werden kann -, das ist eigentlich nicht ein

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Vertreten des Geistigen, sondern ein Bekämpfen des Geistigen. Das ist es im Grunde, was am stärksten die Menschheit von dem Geistigen abgeführt hat, daß allmählich die Vertretung des Gei­stigen nur eine Abstraktion geworden ist, eine Sache der Lehre, eine Sache der Theorie, eine Sache, bei der man davor zurück­schreckt, mehr zu haben als höchstens ein paar Symbole. Sobald man zu der Empfindung kommt, es sei das noch eine Vertretung des Geistigen, das sich offenbaren will, und Anstoß daran nimmt, daß der Geist, wenn er zutage tritt, schöpferisch sein will, haben wir es mit einem irreligiösen Element zu tun.

Theologie braucht es ja gar nicht mit Religion zu tun zu haben. Sie kann eine Theorie über Gott und alles mögliche sein, was sich an Gott anschließt, sie kann auch außerordentlich herzhaft auftre­ten, aber sie ist doch nicht Religion. Theologie kann sehr irreligiös sein; und das ist es, was ich meine, das klar und ohne Scheu gesagt werden muß, daß Herr Dr. Geyer zurücktritt von dieser Bewe­gung, weil er doch nicht alles so tief ernst mit der Religion nahm, wie es nötig ist für Sie alle, die Sache ernst zu nehmen. Das ist das objektive, ganz von seiner Persönlichkeit absehende Element. Er kann sich nicht aufgeben; darin liegt objektiv der Grund, daß er mit der Bewegung nicht mitgehen kann. Wenn man die Sache so ansieht, wird es außerordentlich charakteristisch, wenn er redet von den zehn Jahren[, die er älter sei als Dr. Rittelmeyer]. Denn wenn man religiös empfindet, sagt man nicht, diese zehn Jahre machen das aus, was mich hindert, an der Bewegung teilzuneh­men, sondern da sagt man: ich weiß es besser, daß diese Bewegung notwendig ist, denn ich bin zehn Jahre älter; ich bin der Älteste, deshalb weiß ich auch am besten, was notwendig ist. - Das würde religiös gesprochen sein. Ich wollte gern, daß wir die Sache ganz von der Person losbringen. Ganz abgesehen davon, daß es Dr. Geyer ist, den wir alle sehr lieb haben und lieb behalten, ist es notwendig so zu fühlen, daß wir das religiöse Leben als solches heute sehr ernst nehmen, daß wir es als Substanz aufnehmen, daß wir das religiöse Leben innerhalb seiner Substanz auffassen. Es wäre mir lieb, wenn Sie sich zur Klärung aussprechen würden.

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Verschiedene Anwesende äußern sich darüber, was nach ihrer Ansicht Herrn Dr. Geyer zu seinem Schritt bewogen haben möchte. Unter anderem wird folgendes gesagt:

Vielleicht liegt in dem, was Herrn Dr. Geyer zu seinem Entschluß geführt hat, etwas von einer nicht bis ins religiöse Gebiet gedrungenen Auffassung von der Freiheit der menschlichen Persönlichkeit. Wenn man mehr nach dem Intellekt sich orientiert, glaubt man, nicht frei zu sein gegenüber dem, in das man sich hineinstellt, das man vollbringt, indem man von kultischen Gewändern bekleidet ist.

Rudolf Steiner: Um nur eines heraus zugreifen: Die Sache mit den Gewändern ist ja, wenn Sie sie objektiv nehmen, durchaus so, daß sie mit dem Gefühl für Freiheit nicht das geringste zu tun hat. Denn sowohl die Gewandfrage wie auch die übrigen Kultusfragen hangen innig zusammen mit dem Hineinwachsen des Menschen in das Geistige und mit dem Offenbaren des Geistigen in der Welt. Nun, abgesehen davon, daß ja in bezug auf die Gewänder, die Pastor Geyer in der Zukunft in der Kirche tragen wird, er doch auch nicht sagen kann, daß er darin frei ist. Davon ist doch keine Rede. Wir sind ja durchaus nicht frei in bezug auf unsere Gewänder. Aber davon können wir ganz absehen, denn das ist unbedeutend.

Man kann selbstverständlich in den Einzelheiten irren, aber im großen und ganzen ist es doch das Bestreben, diejenigen Inhalte dem Kultus zu geben, die mit dem Menschen so zusammenhän­gen wie die Haut des Menschen mit dem physischen Leib. Es wird doch nichts Ausgedachtes angezogen, sondern das, was der Mensch ohnehin an sich hat, wenn er in der richtigen Empfindung handelt. Ich will damit sagen, der astralische Leib hat ganz be­stimmte Figuren und Färbungen, wenn der Mensch in der Stim­mung ist, eine religiöse Opferhandlung zu vollbringen, und das drückt man in der Gewandung aus. So daß das Auflehnen gegen die Gewandung dasselbe wäre, wie wenn man sagte, ich will eine blaue Haut statt der Inkarnathaut. Das hat nichts zu tun mit persönlicher Freiheit. Wenn man das Kultusmäßige richtig ver­steht, muß man überhaupt ganz anders über diese Dinge denken und man kann gar nicht eine subjektive Aversion haben. Daß man

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einen Frack lieber trägt als einen Chorrock, kann man da gal nicht geltend machen, denn das hat gar keinen Sinn.

Friedrich Rittelmeyer: Wir haben in Breitbrunn darüber gesprochen - ohne das Urteil über Pastor Geyers Rücktritt zu klären -, daß wir doch die Empfindung haben, daß alles Bisherige, was nicht als Kultus in der Welt gewirkt hat, eine Art Religionsspielerei war gegenüber dem, was das Bestre­ben hat, mit dem Geiste auch bis in die äußere Natur zu wirken.

Rudolf Steiner: Es kommt darauf an, wirkliches religiöses Gefühl zu schaffen, im Gegensatz zu demjenigen, der viel redet in pas­siven Vorstellungen, der aber kein religiöses Leben führt. Was Sie sagten, ist richtig, muß aber in der Form gesagt werden: An­throposophie aufzunehmen und zu lehren, kann ganz irreligiös sein. Anthroposophie in der Seele zu finden, hat schon einen religiösen Charakter. Mit dem Verstande kann einer Anthroposo­phie aufnehmen, ganz sicher kann er das, das braucht aber noch keine Religion zu sein. Was heute viele Theologen in irgendeiner Färbung aufnehmen und lehren, das hat gar nichts irgendwie mit Religion zu tun. Ich glaube, dies können wir ganz ruhig als objektive Schwierigkeit betrachten. Ich glaube, daß wir diese Schwierigkeiten in irgendeiner Form erleben müssen. Man kann da die Empfindung haben, ja, man steht, sobald man zu den Menschen geht, wie außerhalb der Frucht, man zeigt auf die Schale einer Nuß, aber man steht nicht innen im Kern der Nuß. Man kann das, was man als Religiöses in sich gefunden hat, nicht richtig weitertragen. Ich hoffe, daß wir jetzt hier in Dornach doch einmal durchbrechen durch die Schale der Nuß in den Kern hinein, denn sonst flaut doch alles wieder ab.

Dann dürfen wir noch einige äußerliche Fragen besprechen. Wann ist es Ihnen am liebsten, wenn ich in Ihren Versammlungen zu Ihnen spreche?

Friedrich Rittelmeyer: Wir stehen ganz zu Ihrer Verfügung.

Rudolf Steiner: Dann ist es vielleicht am angemessensten, wenn wir es von Tag zu Tag bestimmen, so daß wir für morgen bei vier

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Uhr oder halb vier Uhr bleiben. Morgen früh haben wir drüben im großen Gebäude eine Rezeption, da würde es am Morgen weniger leicht gehen. Wir könnten für die anderen Tage den Morgen in Aussicht nehmen. Das wäre das Wesentliche, daß wir uns über die Stunde klar werden. Vielleicht sind noch andere Dinge festzusetzen?

Friedrich Rittelmeyer: Sind es noch Fragen oder Winke, die Sie uns zu geben haben?

Rudolf Steiner: Ich hätte eher gemeint, daß Sie mir sagen würden, was Sie erwarten.

Emil Bock: Ich möchte zunächst sagen, daß unser Kreis eigentlich innerlich ganz darauf drängt, daß wir wirklich zu einer Konstitution unserer Sache kommen, daß wir zu einem Anfang unseres Wirkens kommen dürfen. So daß wir eigentlich nicht die Erwartung im Vordergrund stehen haben -soweit wir das übersehen können -, daß wir viel Theoretisches bekommen, sondern daß wir alle darauf eingestellt sind, daß die erste Tat an uns geschieht von dem ganzen Verlauf von Tatsachen, die wir in die Welt zu tragen haben. Und dann haben wir nun auch, nach den Gesprächen, die wir vor kurzem haben durften, schon einige Vorbereitungen getroffen. Wir haben die Dinge vorzubereiten versucht und haben gefunden, daß wir noch vieles an genaueren Angaben bedürfen, damit die Dinge recht hergestellt werden können. Was wir an Theorie bekommen können, an Unterstützung bekommen können, das wollen wir von Herzen dankbar, soweit wir dazu kommen dürfen, von Ihnen annehmen. Wenn ich darüber etwas sagen darf, ist es, daß wir in unserem Arbeitskreis bei unserem Wirken überall vor ganz neuen Wissenschaftsgebieten stehen. Wir sind zum Beispiel darauf gekom­men, daß zu einem wirklichen Verständnis dessen, was wir am Kleide sehen, eine ganze kultische Chemie nötig ist, die uns über das Wesen der Materie, über Verwandlung derselben aufklärt. Der Sinn der kultischen Farben

[Lücke im Text des Stenographen]. Eine kultische Physik wird uns sagen müssen, was vorgeht durch die Wandlung im Jahreslauf hindurch. Das ist uns an der Gewandfrage klar geworden, daß wir darüber noch recht viel zu erarbeiten haben und uns sagen müssen, wie eigentlich Kultisches überall in der Sittengeschichte drinnensteckt. So daß wir eigentlich heißhungrig sind auf recht viel Material, wo uns nahegebracht wird aus der Geschichte, der Religionsgeschichte, der Sittengeschichte, was kultisch und imaginativ auf die Gewänderfrage Bezug hat.

In der seelsorgerischen Arbeit haben gewiß alle unsere Freunde daran gedacht, was man uns im vorigen Herbst gesagt hat in ganz kurzen Andeu-rungen über Pastoralpsychiatrie. Wir stehen vor ganz großen Schwierigkeiten,

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denen wir nicht gewachsen sind, weil uns noch diese ganz neue Art von Theologie fehlt. Wir verstehen die Bibel noch zu schlecht, und da möchten wir so viel wie es irgend geht noch hören und Ratschläge bekommen, um uns diese großen Gebiete der Theologie erarbeiten zu können. Das ist das, was ins Theoretische hineingeht. Zunächst kommt es uns doch darauf an, daß wir praktisch anfangen. Wenn Herr Doktor Zeit hat, möchten wir, daß er uns alles sagt, was uns als Ansporn zu eigener Arbeit und als Rüstzeug zu eigener Arbeit dienen kann. Es ist eine Unzahl von Fragen aufgeworfen worden, über die wir gern fragen möchten.

Rudolf Steiner: Ja, diese Fragen müssen natürlich erledigt werden. Dasjenige, was mir zuallererst obliegt, was ich morgen mit Ihnen absolvieren möchte, das ist zunächst die geistige Konstitution Ihrer Gemeinde als solcher. Ich meine nicht das, was die Gemeinde im weiteren Sinne ist, sondern die Gemeinde der Priester. Ich muß Ihnen doch darüber sprechen, was diese Gemeinde der Priester bedeuten wird, wie sie sich konstituieren soll, wie sie sich ein Selbstbewußtsein geben soll, denn davon hängt die Realität ab, daß diese Gemeinde der Priester eine selbstbewußte sei, um dadurch wirklich der Träger eines Geistbewußtseins der Gegen­wart zu werden. Ohne dieses wird eine Erneuerung des religiösen Lebens nicht möglich sein. Das fehlt allen neueren geistigen Bewegungen, die Aggregate sind, die auf der Erde leben, die nicht von der geistigen Welt aus konstituiert sind. Das wird morgen das erste sein, daß wir über das, was eigentlich vorgehen soll, sprechen werden. Uber diese Dinge brauchen wir gar nicht theoretisch zu sprechen, die müssen Sie ganz praktisch auffassen. Da wird es sich darum handeln, unter uns selbst den Geist zu erwecken zu einer Kultushandlung, ich möchte sagen, wenn ich den prosaischen Ausdruck gebrauchen darf, daß wir demonstrieren, wie eine Kultushandlung geschehen soll. In dieser Richtung wollen wir beginnen.

Dagegen wird dasjenige, was uns auch notwendig ist, die äußere Gemeindegliederung, sich mehr in der Form der Diskus­sion ergeben müssen, denn da stehen wir ja vor ungeheuer wich­tigen, ausschlaggebenden Sachen. Aber es handelt sich darum, daß wir da nur mit menschlichen Gründen vorwärts- oder zurückkommen,

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also zum Beispiel, was noch getan werden könnte, um die Gemeinde wirklich zu erhalten, das wäre das trocken Prosaische. Denn nun ist das Haus in Stuttgart begonnen worden zu bauen und es fehlt doch die Möglichkeit des Weiterbauens.

Friedrich Rittelmeyer: Das Geld ist da. Das Haus in Stuttgart ist, soweit es gebaut ist, bezahlt. Was noch benötigt wird, kommt.

Rudolf Steiner: Darüber werden noch andere mitsprechen müs­sen, wie Herr Leinhas. Das ist nur so weit, daß es bis zu einem gewissen Punkte reicht, aber nicht weiter.

Friedrich Rittelmeyer: Die Frage, wie die Gewänder und die Geräte zu beschaffen sind, ist eine sehr brenzliche Frage. Es ist unser aller Wunsch, möglichst bald zum Kultus zu kommen. Wir haben schon im Sommer darauf hingedrängt, daß es nicht erst in den letzten Tagen dazu kommen möge. Wenn wir einmal heran müssen an die Materie, so ist es unser aller Wunsch, möglichst bald dazu zu kommen, weil wir uns erst dann ganz hineingestellt fühlen.

Rudolf Steiner: Das wird schon gemacht werden. Sie müssen natürlich nur selber den Kultus in der Weise aufnehmen, wie er einzig und allein gemeint sein kann: mit völligem Ernst.

Friedrich Rittelmeyer: Wir haben in Breitbrunn jeden Tag die Opferfeier miteinander gehalten. Es ist ein großes Verlangen unter uns, daß es auch hier jeden Tag geschehen könne. Und wenn es in einer besseren Form geschehen könnte.

Rudolf Steiner: Sie meinen, daß einer die Messe zelebriert hat?

Friedrich Rittelmeyer: Vorgelesen, mehr konnten wir ja nicht.

Rudolf Steiner: Morgen um halb vier Uhr werden wir uns hier versammeln.

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II Donnerstag, 7. September 1922, nachmittags

Meine liehen Freunde! Was wir der Einführung und Pflege des Kultus unbedingt vorangehen lassen müssen, das ist etwas, das ja besonders in evangelisch-protestantischen Kreisen schwerer ver­standen wird, weil in diesen Kreisen Religion nicht auf den Kultus gebaut ist und das, wofür der Kultus dasteht, weniger verstanden, empfunden und gewürdigt wird. Der Kultus steht ja natürlich da als Offenbarung des Geistigen. Nun setze ich voraus, daß das, was Sie entweder direkt von mir hier gehört haben an Auseinander­setzungen, die immer eigentlich im esoterischen Sinne Ihnen gegenüber gemeint waren, oder was von solchen Auseinander­setzungen durch andere übertragen zu Ihnen gekommen ist, daß das schon mit einer gewissen Kraft, mit einer gewissen Gewalt auf Ihrer Seele liegt, und daß Sie sich bewußt sind, wie ernst diese Bewegung gemeint sein muß, wenn sie überhaupt stattfinden soll. Daher möchte ich unter dieser Voraussetzung zunächst dasjenige sagen, was heute zu sagen sein wird.

Kirchen, religiöse Gemeinschaften - in dem wahren Sinne des Wortes - sollen im Sinne der Weltenordnung immer aus der geistigen Welt heraus begründet werden, und im wesentlichen sind auch die Kirchen, sind auch die religiösen Gemeinschaften aus der geistigen Weltenordnung heraus gegründet worden. Diese geistige Weltenordnung liegt natürlich allem, was als Offenbarung des Geistigen hier auf Erden erscheint, zugrunde, wenn auch zum Beispiel in sektiererischen Bewegungen durchaus nicht eine gei­stige Mission vorzuliegen braucht, bei einer bestimmten Sekte vielleicht sogar die Illusion eines geistigen Auftrages da sein kann oder vielleicht mehr oder weniger bewußt oder auch unbewußt die ganze Begründung schwindelhaft ist. Aber Sie werden doch immer bemerken, auch in solchen Fällen, wo Unwahrheit statt Wahrheit vorliegt, daß zumeist die, welche so etwas begründen, sich wenigstens auf einen angeblichen Impuls aus der geistigen

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Welt berufen. Jedenfalls aber muß das, was als eine solche reli­giöse Gemeinschaft in die Welt geht, wie sie hier gemeint ist, den Impuls dazu aus der geistigen Welt ableiten. Es muß dies aus dem Grunde besonders betont werden, weil dagegen gefehlt haben sowohl die katholischen Gemeinschaften, also die römisch-katholische und auch die östliche katholische Gemeinschaft, als auch die evangelisch-protestantischen Gemeinschaften, nur nach zwei verschiedenen Richtungen hin: Die katholische Gemeinschaft

- die im wesentlichen, wenn auch bis zur Unverständlichkeit verwandelt, den Kultus bewahrt hat, der älter ist als das Chri­stentum auf Erden und auch älter als seine heutige Gestalt -, die katholische Gemeinschaft hat dadurch gefehlt, daß sie den Schwerpunkt allmählich hat übergehen lassen in eine weltliche Institution, die aufgebaut ist auf äußerer Herrschaft, in die selbstverständlich dann immer die persönlichen Impulse der einzelnen Machthaber hineinspielen. Sie brauchen ja nur zu­rückzugehen bis zu den Schriften des Dionysius des Areopagiten, und Sie werden sehen, daß darin der deutliche Beweis liegt, daß die Gemeinschaft der Priester - also wenn ich so sagen darf, die Priesterhierarchie auf Erden - gedacht ist als ein Abbild der geistigen Hierarchie oben. Sie ist nur als Bild gedacht, und das schließt nach der Anschauung der ersten christlichen Zeit aus, daß die Kirche eine Machtentfaltung im Sinne eines weltlichen Reichsprinzipes hier auf Erden hat. Die katholische Kirche hat zwar in sich die Möglichkeit, den einen oder anderen ihrer Priester in ein Objektives hineinzustellen und den Kultus da oder dort zu einem wahren zu machen; dagegen hat sie als Institution völlig die Möglichkeit verloren, hier auf Erden ein Abbild eines Geistigen zu sein, obwohl es innerhalb der katholischen Kirche Priester gibt, durch deren eigene Reinheit, möchte ich sagen, das Unreine, das durch das persönliche Element in den Kultus hin­einkommt, wiederum herausgeworfen wird. Die katholische Kirche hat also in einem gewissen Sinne dasjenige in die weltliche Institution heruntergezogen, was empfunden werden sollte als der ursprüngliche Impuls der geistigen Welten.

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Die evangelisch-protestantischen Kirchen - von der russischen Kirche brauchen wir hier zunächst nicht zu sprechen, weil sie für die mitteleuropäischen Gegenden keine aktuelle Bedeutung hat -haben durch das völlige Abwerfen des Kultus - denn wo er noch vorhanden ist, ist er in eine bloße Symbolik verwandelt - die gesamte religiöse Ausübung heruntergebracht bis zur einzelnen menschlichen Individualität mit ihrer [subjektiven] Überzeugung von der Wahrheit von sogenannten «Sätzen». Ich meine damit, daß der einzelne Mensch vor der Gemeinde dasjenige vertritt, was er nach seinem subjektiven Ermessen für wahr halten kann. Dadurch ist erstens der Gemeindebildung insofern entgegen­gewirkt, als ja in einem solchen subjektiven Fürwahrhalten der Anfang liegt zur Atomisierung der Gemeinschaft. Die Überzeu­gungen der einzelnen Personen werden ganz notwendigerweise, wenn sie innerlich ehrlich und aufrichtig sind, immer eine per­sönlich-subjektive Färbung annehmen, und so wird jeder Pastor seine eigene Meinung haben müssen, insbesondere dann, wenn seine religiöse Überzeugung in Zusammenhang steht mit einer Theologie, die auf Diskussionen über Sätze über die geistige Welt eingeht. Hinzu kommt dann dasjenige, was Sie alle ganz sorgfältig, tief und ernst ins Auge fassen müssen, wenn Sie wirklich zur praktischen Ausübung der Seelsorge kommen wollen: Sie müssen sich darüber klar sein, daß im evangelisch-protestantischen Kir­chenreglement heute eigentlich der notwendige Gegensatz zwi­schen dem Laiengläubigen und dem Seelenhirten verschwunden ist. Gerade das Verschwinden dieses Gegensatzes wird ja aus gewissen neuzeitlichen Überzeugungen heraus - die aber nur vor­übergehend eine Bedeutung haben können - als etwas Vorzüg­liches angesehen, aber es kann doch niemals für die Seelsorge ein wirklicher Impuls sein. Fast alles, was heute innerhalb der evan­gelischen Geistlichkeit auftaucht an Diskussionen und Auseinan­dersetzungen über das Religiöse, ist so, daß die Geistlichen so sprechen, wie der einfache religiöse Mensch sprechen muß. Ge­wiß, sie sprechen gebildeter, wissenschaftlicher, aber sie sprechen über die Anerkennung oder Nichtanerkennung dieses oder jenes

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religiösen Impulses; sie sprechen auch darüber: Was ist überhaupt Religion? Wie steht die Seele, das Herz des religiösen Menschen zu Gott, zur übersinnlichen Welt? und so weiter. Diese Färbung nehmen die Diskussionen an. Doch diese Färbung können die Diskussionen bei einfachen religiösen Menschen haben, aber nicht bei dem, der ein priesterliches Amt ausübt. Der Priester muß sich klar sein, daß er nicht der Behütete ist, sondern der Seelenhirt, daß er also nicht die Frage in den Vordergrund stellen kann: Wie verhält sich die Seele des Menschen zu Gott oder zur übersinn­lichen Welt? -, sondern er muß die Frage stellen: Wie lehre ich die Menschen, wie sorge ich für die Seelen der mir anvertrauten Menschen? - Es müssen die Religionsfragen, wenn sie für ihn Fragen sind, bei ihm sozusagen nur einen esoterischen Charakter haben, den er nie vor dem Laienpublikum zur Diskussion bringt.

Das ist natürlich etwas radikal ausgesprochen, aber es muß so radikal ausgesprochen werden, damit gefühlt werde: Wenn man eine solche Gemeinschaft heute begründen will, wie Ihr Kreis es tun will, wo Sie eben Priester werden wollen und nicht einfache Laiengläubige sind, dann muß man sich darüber klar sein, daß da nicht die Fragen nach dem besonderen Charakter der Religion und des religiösen Lebens die Rolle spielen, sondern es muß von vornherein gefühlt werden die esoterische Gemeinschaft der Seelenhirten. Man kann natürlich sagen, dies widerspreche dem demokratischen Gefühl. Aber dem demokratischen Gefühl wi­derspricht überhaupt jede Kirche, jede wirkliche religiöse Ge­meinschaft. Und wenn etwas rein demokratisch werden soll, wie es innerhalb der protestantischen Kirche versucht wird, so kommt das Absurde zustande, daß die religiöse Gemeinschaft völlig atomisiert wird dadurch, daß die Gemeinde ihren Seelenhirten nach demokratischen Rücksichten wählt. Dadurch kommt ein ganz ungeistiges Prinzip, das Prinzip einer ungeistigen Wahl in die religiöse Strömung hinein, und dadurch wird weiter atomisiert. Es muß jeder einzelne Seelenhirte seine besondere Mission aus der geistigen Welt bekommen, und es muß dazu kommen, daß die ganze Prozedur des [demokratischen] Wählens [des Seelenhirten

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durch die Gemeinde] als eine Komödie betrachtet wird, was sie ja eigentlich auch ist.

Es kommt darauf an, daß wir diese Dinge in völligem Ernste betrachten und nicht irgendwie einen Schleier über sie breiten, denn sonst brauchte man ja nicht eine neue Gemeinschaft zu begründen, sonst könnte man ja immer noch hoffen, daß die alten Gemeinschaften verbesserungsfähig sind. Aber diese neue Ge­meinschaft beruht eben auf der Überzeugung, daß dieses Alte nicht mehr verbesserungsfähig ist. Nur auf diesem Felsen kann dasjenige ruhen, was Sie begründen wollen. Dann müssen Sie aber einen solchen Zusammenhalt haben, den Sie unmittelbar als einen solchen empfinden, der Ihnen aus der geistigen Welt selber her­auskommt.

Nun können Sie natürlich einwenden: Die Anthroposophie spricht so, daß sie ihre Erkenntnisse aus Erfahrungen in der geistigen Welt herleitet; aber es gelingt nur schwer, den unmit­telbaren Zusammenhang mit der geistigen Welt so zu erhalten, daß wirklich auch in dieser religiösen Gemeinschaft aus dem Bewußtsein des Zusammenhanges mit der geistigen Welt ge­sprochen werden kann. - Aber, meine lieben Freunde, hier liegt tatsächlich etwas vor, das nicht unberührt bleiben darf. Die Erziehung der abendländischen Menschheit hat ja mancherlei menschliche Tugenden auf dem Felde äußerer Aktivität hervor­gerufen. Es hat tapfere Menschen gegeben in der äußeren Welt, auch in den letzten Jahrhunderten natürlich. Was aber durch die abendländische Erziehung - ich meine die ganze ahrimanische Erziehung der letzten Jahrhunderte - mit der Wurzel ausgerottet worden ist, das ist der Mut der Seele. Wenn man es radikal ausspricht, so muß man sagen: die Seelen sind eben feige geworden, und gerade in den geistigen Trägern der abendländischen Menschheitsentwickelung sind die Seelen feige geworden. Das heißt, sie getrauen sich nicht, die aktiven Seelenkräfte auch in wirkliche Aktivität zu bringen; sie schrecken davor zurück, das Geistige, das in der Menschenseele liegt, zu einer solchen Aktivität aufzurufen, daß der Zusammenhang mit der geistigen Welt hergestellt

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wird. Man rechnet in diesem Falle auf das Passive, man rechnet darauf, daß einem passiv Visionen zukommen, denen man sich hingibt, während der wirkliche Zusammenhang mit der gei­stigen Welt in Aktivität gesucht werden muß. Und so kann ich nicht anders sagen, als daß diese ungeheure Last, die auf dem geistigen Leben der abendländischen Menschheit ruht, allmählich eine solche Verfinsterung der Seelen hervorgerufen hat, daß diese Seelen eben wenig geneigt sind, mutig, tapfer die Aktivität zu entfalten, um auf dem Wege der Übungen hinaufzukommen in die geistige Welt.

Meine lieben Freunde, nehmen Sie nur das, was Ihnen als ein Brevier gegeben worden ist; das ist ja nur eines aus manchem, was Sie auch bekommen haben. Wenn Sie einfach mit dem ge­hörigen geistigen Mut das anwenden, was Ihnen als Brevier ge­geben worden ist, so haben Sie vollständig die Möglichkeit, in die geistige Welt hinein einen Zusammenhang zu gewinnen. Was dann dazu noch fehlt, ist lediglich der innere geistige Mut. Natür­lich ist heute ja nichts anderes zu tun möglich, als auf dem Felde den, ich möchte sagen paradoxen Weg einzuschlagen, durch Demut zum Mut zu kommen, sich zu sagen: Wir Menschen leben nun schon einmal in der Gemeinschaft; das, was allgemein ist, lebt in jedem einzelnen von uns, und so hat uns das, was allgemein ist, eben auch zunächst den Mut gelähmt; wir müssen in Demut warten, bis wir übend dazu kommen, daß dieser Mut in der Seele erwacht, und wir müssen die ersten Schritte unseres Priestertums dazu benutzen, in Demut ruhig zu warten, bis dieser Mut in der Seele erwacht. - Aber wir müssen die Demut eben durchaus in dem Sinne auffassen, daß sie ein Umweg zum Mut ist, der darin besteht, daß der Mensch sich wirklich in geistiger Gemeinschaft mit geistigen Wesenheiten weiß. Eigentlich ist dieses Wissen die Vorbedingung für ein jegliches Priesterliches. In dieser Beziehung ist vielleicht wiederum an der katholischen Kirche ein Vorbild zu gewinnen, wenn auch ein abschreckendes, so doch ein reales Vorbild. Diejenigen, die innerhalb der katholischen Kirche Kleri­ker werden, bei denen wird darauf gesehen, damit das Bewußtsein

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des Zusammenhanges mit der geistigen Welt in ihnen erwacht, daß zunächst das intellektualistische Prinzip, das den Menschen so passiv macht, ausgelöscht wird, weggelähmt wird. Das ist eigentlich etwas, was die katholische Kirche schon seit dem vierten nachchristlichen Jahrhundert befolgt: die heraufkeimende Intel­lektualität wegzufegen, abzulähmen, damit die tieferen Kräfte der Seele leichter zur Entfaltung kommen. Man könnte ja direkt sagen: Für einen Menschen, der das durchgemacht hat, was auch Sie alle schon in der Volksschule, bevor Sie überhaupt recht Mensch geworden sind, durchgemacht haben an intellektualistisch gefärbter Erziehung, für einen solchen Menschen könnten bei irgendwelcher Gelegenheit Chöre von Engeln erscheinen -, die Offenbarungen dieser Engelchöre würden keinen Zusammenhang haben zu dem Menschen, weil die Intellektualität eben einfach die Aufnahmefähigkeit ablähmt. Demgegenüber richtet sich die ka­tholische Kirche die maßgebenden Kleriker so her, daß es unter Umständen genügt, wenn ein in dieser Weise von seiner Intel­lektualität befreiter Mensch nur einmal am Ende einer Messe das «Ite missa est» hört, in der Weise, wie es in manchen Kirchen intoniert wird, daß für einen solchen Menschen durch das aus den Worten der Messe Kommende die Tore der geistigen Welt er­schlossen werden. Sie brauchen unter Umständen zu einem sol­chen Menschen nur ein einziges Wort, einen einzigen Satz zu sprechen, und der Zusammenhang mit der geistigen Welt ist da.

Das ist natürlich bei Ihnen allen im eminentesten Sinne er­schwert, weil es unmöglich ist, daß Sie sich entintellektualisieren. Sie müssen durch alles das hindurch, was gelehrt wird über alle möglichen kirchlichen Begriffe, die man im Sinne der katholischen Kirche gar nicht braucht, die in ihrem Sinne sogar schädlich sind. Aber darauf muß man hinweisen, um eben darauf aufmerksam zu machen, wie jene Kräfte der Aktivität, die ein Priester doch braucht, wenn er den Zusammenhang mit der geistigen Welt spüren will, mit einer dicken Schicht bedeckt sind. Damit aber sind ja zugleich die Prinzipien der Priesterweihe angedeutet, und es sind die Prinzipien angedeutet, die dann die Gesinnung abgeben

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zur Ausübung des Kultus. Dazu aber müssen Sie noch ein anderes verstehen.

In den geistigen Welten beginnt ja auf einem verhältnismäßig niederen Niveau die Gültigkeit der menschlichen Sprache auf-zuhören. Es ist nun einmal so, daß, wenn man den Verkehr mit einem Toten anknüpft, man zunächst ja erst die Sprache lernen muß, durch die man sich mit der in der geistigen Welt befindlichen Seele verständigen kann. Diese Seele verliert nach verhältnismäßig kurzer Zeit alles Verständnis für Substantive, das Verständnis für alles, was in Substantiven kristallisiert ist. Sie behält aber dann noch die Möglichkeit, Verben zu verstehen, also das, was auf Werdendes, auf Tätiges hinweist. Aber je mehr die Seele hinein­wächst in die geistige Welt, desto mehr verliert sie überhaupt die Möglichkeit, die Art des menschlichen Sprechens noch als ihr Eigentum zu empfinden, und man muß im Sprechen zu dem übergehen, was sich in Interjektionen ausdrücken läßt, um zu einem Gemeinsamen zu kommen zwischen den Menschen hier auf der Erde und denen in der geistigen Welt, natürlich auch mit solchen geistigen Wesenheiten, die niemals in einem menschlichen Leibe auf der Erde erscheinen. Die Sprache ist eben ein Erden-produkt, sie ist das ja auch in verschiedenem Grade als diese oder jene Sprache. Und so muß man sich klar sein, daß das, was in Worte gefaßt wird, was in Worten ausgesprochen wird - wie es das Kanzelhafte und das Theologische ist -, ja immer nur eine einseitige Darstellung der Wirklichkeit des Geistes sein kann. Sie können unmöglich in einem eindeutigen Satze den Menschen höhere geistige Wahrheiten sagen, wenn Sie nicht die Dinge von verschiedenen Seiten darstellen. Das ist keine Trivialität, sondern es gilt sogar für das Verhältnis des menschlichen Gedankens, nicht nur der menschlichen Sprache, zu der höheren, geistigen Welt. Wenn ich sage «Christus in mir» , so ist das eine Wahrheit, aber wir können es auch umkehren und sagen «ich bin in Christus», das ist auch eine Wahrheit. Beides sind in dem Sinne, wie man eine menschliche Erkenntnistheorie begründen kann, Wahrheiten, aber sie widersprechen sich. Sie können das Bild

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nicht ausführen: Christus in mir - ich bin in Christus. Wie wollen Sie das Bild ausführen, daß der Christus in Ihnen sein kann, indem Sie in ihm sind? Und dennoch sind beides Wahrheiten, das heißt, sie sind Wahrheiten gegenüber der Welt und keine Wahr­heiten gegenüber der übersinnlichen Welt. Die Wahrheit in bezug auf die übersinnliche Welt liegt zwischen den beiden Aussprüchen, die natürlich nicht ganz polarisch zueinander zu sein brauchen, sondern in einem anderen Winkel zueinander stehen können.

Was auf diese Weise unmöglich ist - religiöse Substanz an den Menschen heranzubringen -, das ist aber im Kultus möglich an den Menschen heranzubringen. Es ist auch dann möglich, wenn Sie das, was Sie aus dem Kultus gewinnen, in Ihre Predigt hinein-zutragen vermögen. Für den Laiengläubigen ist der Kultus eine Erbauung, eine Offenbarung; für den, der den Kultus ausübt, muß der Kultus eine fortwährende Quelle der Inspiration sein. Er ist dann ein wirklicher Kultus, wenn er diese Quelle der Inspiration ist, wenn also der, der den Kultus ausübt - und im höchsten Grade gilt das natürlich von dem Kultus der Messe -, in der Tat real fühlt: Du kannst nur so predigen, wenn du die Messe liest; du würdest gar nicht die geistige Substantialität in dir haben, aus der heraus du sprichst, wenn du nicht die Messe lesen würdest. Es muß ein reales Verhältnis sein zwischen dem Ausübenden und dem, was der Kultus auch als Realität ist, insbesondere der Kultus der Messe. Denn der Kultus der Messe enthält eigentlich alles, was den Menschen verbindet mit der geistigen Welt, und er ent­hält es so, daß es als fortwährende Inspiration wirken kann, in der man darinnensteht, wenn die Messe in der richtigen Weise ausübend erlebt wird.

Es ist also notwendig, daß Sie dazu vordringen, meine lieben Freunde, die Messe so aufzufassen, daß Sie sich jedesmal sagen:

Der Tag bringt den Sonnenaufgang, der Tag bringt den Sonnen­untergang; zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang liegt dann die Nacht; aber es gibt auch einen Zeitraum zwischen der Tageshelle und jener Helle, die dadurch in die Welt kommt, daß die Messe zelebriert wird. Das gehört hinein in den Ablauf der

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Ereignisse des Kosmos, so wie der Sonnenlauf hineingehört. Das Lesen, beziehungsweise das Zelebrieren der Messe ist ein Reales. Vielleicht kann man das noch in einer anderen Weise aussprechen und sagen: Wenn wir auf unsere Erde und ihre Umgebung hin­sehen, so haben wir Mineralien, Pflanzen, Tiere, wir haben weiter Sterne, Sonne und Mond, Wolken, Flüsse, Berge; aber obwohl die Physiker von einer Konstanz der Materie träumen, wird das alles einst nicht mehr da sein. Das ist alles eine temporäre Erscheinung im Weltall, das heißt, es wird anstelle dessen, was wir in unseren Mineralien, Pflanzen, Tieren und so weiter auf der Erde haben, ein Nichts sein, weniger sogar als ein Nichts. Aber wenn man dann zurückschauen würde auf die Ereignisse, die sich auf dieser Erde als Meßopfer zugetragen haben, so wären deren Wirkungen immer vorhanden. Der Kultus ist eben realer als die Natur, wenn er in der richtigen Weise ausgeübt wird. Er ist realer als die Natur. Wenn man das nicht bloß theoretisch nimmt, sondern in seiner vollen Schwere erfaßt, so bedeutet das etwas Ungeheures. Es vertieft ja noch das Wort: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen -, wobei natürlich unter «Worten» nicht das gemeint ist, was irgendeiner chinesischen, japanischen oder deutschen Sprache als Zufallsformulierung dem Kosmos gegenüber dasteht. Wenn der Christus aufgefaßt wird als in aramaischer Sprache sprechend, so ist das natürlich auch eine Zufallsformulierung. Der Logos aber ist das, was in Realität lebt und in Realität in die Weltenentwickelung übergeht, so daß man in der Tat in einem Realen drinnensteht mit der Opferhandlung, die ein Reales ist, das realer ist als irgendein Naturvorgang. Dies aber gibt uns ein Verantwortlichkeitsgefühl, und dieses Verant­wortlichkeitsgefühl braucht man, wenn man irgendwie Vermittler sein will zwischen der geistigen Welt und den Menschen, die eine solche Vermittlung gar sehr brauchen, die sie aber durch eine bloße Lehre, auch wenn sie noch so erbaulich ist, nicht bekom­men können. Damit ist aber nicht gemeint, daß nun keine Lehre gegeben werden soll; sie soll schon gegeben werden, aber diese Lehre bekommt ihre spezielle Kraft und Gewalt dadurch, daß

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sie im Rahmen des Kultusmäßigen auftritt. Dadurch werden die Dinge, die als Lehre gegeben werden, eben eingeschaltet in das, was als Realität im Kultus lebt.

Man kann sagen: Am meisten zur Verbreitung des Materialismus hat schon die Abweisung des Kultusartigen beigetragen, weil dadurch eben einfach die Menschheit beschränkt worden ist auf Anschauungen über das Göttliche, die nur im Kleide des Irdischen auftreten. Man spricht über das Göttliche in Erdenworten, in armen Erdenworten. Diese Erdenworte können reich werden dann, wenn hinter ihnen die Inspiration steht, die gewissermaßen durch den Kultus hervorgerufen wird. Es ist eben doch so, daß die Handlung das Wort tragen soll. Und so soll namentlich auch getragen werden durch die Handlung das Wort des Evangelium-lesens. Deshalb schalten wir das Evangeliumlesen ein in die Messehandlung, und dadurch erwerben wir uns das Recht, die Lesung des Evangeliums so aufzufassen und auch so zu fühlen und zu empfinden, daß mit dieser Botschaft aus der geistigen Welt, die das Evangelium darstellt, dasjenige eingeleitet wird, was dann die eigentliche Opferhandlung vorbereitet in dem Offer­torium. Denn durch das Offertorium, das ja als eine der Haupt-handlungen der Messe auf das Evangeliumlesen folgt, wird ge­wissermaßen der Schauplatz, auf dem sich die Messe abspielen soll, eigentlich erst gegeben. Wenn Sie den Inhalt des Rituals, der Ihnen allen ja wohl während Ihres Breitbrunner Aufenthaltes gut bekannt geworden ist, auf sich wirken lassen, so werden Sie sehen, daß durch den ganzen Geist des Evangeliums besonders der Schauplatz für das Offertorium geschaffen wird, und daß sogar dadurch die Geräte und so weiter soweit gereinigt werden, daß das folgende erst geschehen kann. Es ist natürlich innerhalb der katholischen Kirche die Auffassung, die man diesen Dingen ge­genüber haben soll, eigentlich vermaterialisiert worden. Man weiht dort einen Kelch oder eine Monstranz ein für allemal, so daß die Monstranz ein für allemal das Sanktissimum ist. Man weiht dort sogar auch das Wasser. Das ist keine spirituelle Realität, sondern es ist eine spirituelle Realität eigentlich veräußerlicht, vermaterialisiert.

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Das Wesentliche ist, daß durch die Menschenseele die spirituelle Realität getragen wird, und daß bei jedem einzelnen Meßopfer der Kelch und das, was dazugehört, das Brot und der Wein, während des Meßopfers erst geweiht werden muß. So ist also die Weihe eine fortlaufende Handlung, die in fortwährender Lebendigkeit erhalten werden muß, so daß erst während des Offertoriums der Weiheschauplatz für das folgende geschaffen wird. Und wenn dann die Wandlung folgt, die Transsubstantia­tion, so steht man ja drinnen in einer wirklichen, realen spiri­tuellen Gestaltung.

Nun ist es eben wirklich so, daß aus den Menschenanschauungen noch der ersten christlichen Jahrhunderte, das heißt derjenigen Menschen, auf die es ankam, über solche Dinge eigentlich nicht gestritten werden konnte, über die man dann in späteren Jahr­hunderten, seit dem Vorgehen Wyclifs und anderer, anfing zu streiten, zu diskutieren, denn diese Diskussionen verliefen ja alle schon unter dem Einfluß des Materialismus. Denken Sie doch, wenn wir den Streit in der grobklotzigsten Weise auffassen, so ist es ja so, daß die Leute sagten: In dem Brote kann doch nicht der Leib des Herrn enthalten sein, das kann doch nicht der Leib des Herrn sein! -

Ja, meine lieben Freunde, eine solche Sprache führt eben ei­gentlich doch nur derjenige, der in dieser äußeren Erscheinung, die er da vor sich hat, selber eine grobe Realität sieht. Was Sie da als Brot vor sich haben, ist ja in Wirklichkeit keine Realität; Sie müssen erst vorschreiten zu dem, was Realitäten sind, wenn Sie diskutieren wollen über solche Dinge wie die Transsubstantiation. Denn es handelt sich darum, über die triviale Ansicht hinweg-zukommen, daß das, was einem in weißlicher oder gelber Färbung als Ausfüllung des Raumes oder was dem Geschmackssinn ent­gegentritt, eine Realität ist. Solange das eine Realität sein soll, in dem sogar allerlei kleine Dämonen stecken sollen, die der Un­vergänglichkeit der Materie entsprechen sollen, solange kann man allerlei Einwände erheben in einer Diskussion. Aber das trifft nicht das, worum es sich handelt. Es handelt sich da um solche

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Dinge, die gestern hier angedeutet worden sind mit dem ja auch in der neuen Zeit angewendeten Ausdruck «spirituelle Chemie». Denn die Transsubstantiation muß eben so betrachtet werden, daß tatsächlich das, was da äußerlich am Altar für das Auge sich vollzieht, Maja ist, Schein ist, daß aber der Vorgang, der sich real spirituell abspielt, dennoch eine Wirklichkeit innerhalb dieser Gemeinschaft ist, und nicht nur innerhalb dieser Gemeinschaft, sondern innerhalb dieses Ortes. Die Transsubstantiation ist da. Und nur weil die Zuschauer ahrimanisch ausgestaltete Augen haben, die ihnen vorgaukeln, daß die äußere sinnliche Wirklich­keit eine Realität ist, sehen sie nicht, was da vorgeht. Dies ist etwas, was wir in unserem Bewußtsein haben müssen. Das müssen Sie fühlen bei dem, was ich sage und was ich jetzt, um den ganzen Ernst der gegenwärtigen geistigen Situation der Menschheit zu kennzeichnen, zuweilen da und dort sage.

Ich habe neulich in London in einem Vortrage gesagt, man müsse sich schon daran gewöhnen, daß die Dinge, die für den physischen Plan gesagt werden, unter Umständen entgegengesetzt klingen, wenn man über dieselben Sachen Aussagen macht aus der geistigen Welt heraus. Ich gebrauchte da das Beispiel: Für den physischen Plan gesprochen ist es ganz richtig, wenn wir sagen, Rousseau war aus diesem oder jenem Grunde ein großer Mann; das geht gut für den physischen Plan. Von der geistigen Welt aus betrachtet kann man aber nur sagen: Rousseau war der Gene-ralschwätzer der modernen Zivilisation, denn alles, was er gesagt hat, ist, von den geistigen Welten aus angesehen, seichtestes Geschwätz. Das heißt, man muß sich heute in einer intensiven Weise daran gewöhnen, daß die geistige Welt etwas anderes ist als diese physische Welt. Das muß gesehen werden, wenn man einen Zusammenhang mit der geistigen Welt gewinnen will.

Nun könnten Sie sagen, da tritt ja wieder das alte Geschimpfe auf über die geistige Welt, wie es im Mittelalter war. Das ist nicht richtig. Die physische Welt wird etwas ganz anderes, wenn man sie so betrachtet, wie ich es eben charakterisiert habe. Da wird jede Blume anders; aber sie verliert nichts, sie gewinnt nur das,

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daß sie ein Vermittler wird zur geistigen Welt. Verliert denn die Blume etwas, wenn ich sie zunächst einmal so bewundere, wie sie auf dem Felde dasteht, wenn ich alles mögliche Schöne über sie sagen kann, bis hin zu den Offenbarungen eines guten lyrischen Dichters -, und wenn einem dann klar wird: ja, aber nicht nur dies ist die Blume, sondern die Blume offenbart auch, daß sie nach oben in ein Astrales übergeht? - Dieses Astrale verläuft in Win­dungen (es wird an die Tafel gezeichnet), und durch diese Win- Tafel dungen kann man aufsteigen zur Planetenwelt. Das, was der Blume zugrundeliegt, ist eine Art geistige Leiter in die überirdi­sche Welt hinein, und man begegnet, indem man auf dieser geistigen Leiter hinaufsteigt, den Kräften, die die Blumen aus dem Boden heraus dem Himmel entgegenwachsen lassen. Ja, wenn Sie dies hinzufügen zu dem, was Sie über die Blume aufgrund der sinnlichen Anschauung sagen können, - leben Sie dadurch in einer mittelalterlichen Askese? Ihre Anschauung über die Blume wird ja dadurch nur reicher. In diese Stimmung muß die Seele eintauchen, wenn sie das haben will, was der Kultus ihr bringen kann, wenn sie einfach lernt, das zu sehen, was das physische Auge nicht sieht.

Diese Gefühle und Empfindungen müssen Sie mitbringen zur Kultushandlung; dann erst wird das, was geschieht, zu dem, was es sein soll; und dann kann erst davon gesprochen werden, daß Sie mit der Hostie wirklich das genießen, wovon das Ritual spricht. Und dann erst sind die vier Teile der Messe erfüllt, das Evange­lium, das Offertorium, die Transsubstantiation oder Wandlung und die Kommunion.

Das sind Dinge, die Sie nicht als Theorie nehmen sollen, sondern die ich Ihnen heute aus dem Grunde sage, damit Sie mit dem richtigen Empfinden an die Sache herangehen und dadurch erst die Dinge zur Wahrheit machen; denn ohne dieses Empfinden sind sie nicht Wahrheiten. Die Messe kann ebenso ein Teufelsopfer sein wie ein Gottesopfer. Sie ist nicht das unbedeutende Ding, das das evangelische Bewußtsein gern aus ihr machen möchte. Die Messe, die ein Priester zelebriert, ist vielleicht heute innerhalb der

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katholischen Kirche sehr selten ein Gottesopfer, aber sie ist nie das Nichts, das die Protestanten aus ihr machen möchten. Das erreichen sie ganz sicher nicht, daß die Messe bloß eine unbedeu­tende materielle Handlung ist, aber das kann man erreichen, daß sie unter Umständen ein Teufelsopfer ist. Denn das, was [in der Messe] vorgeht, ist eine Realität, das heißt, es wird orientiert die Handlung, um die es sich handelt, entweder nach der richtigen oder nach der falschen Seite, aber nicht nach einer in die Nullität gehenden; sie kann aber auch in eine sehr schlimme schädliche Richtung hineingehen. Sie müssen sich dessen bewußt sein, daß Sie sich sagen können: Neutral verhalten kann ich mich eigentlich nicht, ich kann nur Gott dienen oder dem Teufel - natürlich mit allen möglichen Zwischenstufen. Dem Teufel dienen ist ein sehr schweres Werk, dazu muß man schon ein bewußt schlechter Mensch sein; aber es gibt ja alle möglichen Mächte zwischen der göttlichen und der ahrimanischen Welt.

Das gehört zu der Gemütsverfassung, die man dem Ganzen des Kultus entgegenbringen muß. Wenn man diese Gemütsverfassung hat, jene innere Lebendigkeit, die einen hineinstellt in die geistige Welt, dann ist der Grad des Bewußtseins, den man erringt, eben eine Frage der Zeit. Denn vergessen Sie nicht, daß das, was Sie sich während des Meßopfers erringen können, Ihre Seele selbst immer hineinzieht in die geistige Welt, daß Ihre Seele auf den Schauplatz der geistigen Welt gerissen wird, daß Sie also nicht bloß etwas mit dem Munde sagen und mit den Händen machen, sondern daß Sie innerhalb der geistigen Welt drinnenstehen. Das müssen Sie schon wissen, wenn Sie sich den Begriff des Kultus vorsetzen. Das heißt, es muß Ihnen ganz scharf im Bewußtsein liegen, daß Sie mit der Kultushandlung etwas vollziehen, was eine Realität ist, und daß Sie dann, wenn Sie sprechen als der Zele­brierende, eben auch sprechen als ein Bote anderer Welten. Als einen solchen müssen Sie sich fühlen. Sie müssen sich nicht fühlen als den, der nur eine Verbindung des hier auf der Erde Vorhan­denen mit dem Himmel herstellt, sondern auch als den, der vom Himmel etwas in das Irdische hineinträgt. Das ist Ihr Unterschied

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gegenüber dem bloßen Laiengläubigen, und das ist der Ton, den Sie, wenn Sie eine zu Recht bestehende Priestergemeinschaft gründen wollen, hineinbringen müssen in die Welt. Die Welt muß etwas davon verspüren, daß Sie sich als Priester in die Impulse aus der geistigen Welt hineinstellen. Sie müssen es der Welt nicht theoretisch sagen, denn das regt sie auL Aber Sie müssen das, was Sie tun, mit Ihrem Bewußtsein tun; dann tun Sie das Rechte. Und dann können Sie zum Beispiel sagen, daß die Worte, die bei der Priesterweihe oder bei anderem vollzogen werden, das Abbild dessen sind, was sich vorher in der geistigen Welt vollzieht, indem Sie dieses Darinnenstehen in der geistigen Welt in Ihrer Seelen­verfassung selber haben. Was dann als äußere Handlung sichtbarlich für die Augen auftritt, ist ja dadurch das rechtmäßige Abbild des geistigen Geschehens; aber man darf es nicht als bloßes Symbol sehen, wenn man vor dem Gläubigen steht. Für den Gläubigen ist das, was äußerlich sich abspielt, in bezug auf das Religiöse wirMich dasselbe wie - nehmen Sie irgendein Menschenwesen, von dem Sie sagen, er sei ein großer Maler, aber er hat noch nie ein Bild gemalt. Es kann ja sein, daß für die geistige Welt einer ein großer Maler ist, aber hier für diese Welt muß ein Maler eben ein Bild gemalt haben. Sie können ja alle für die geistige Welt Priester sein; aber hier für die physische Welt müssen Sie Kultus ausüben, damit es wahr ist, daß Sie Priester sind; dann verhalten Sie sich so, wie sich der Maler zum Malersein verhält. Das ist der große Irrtum des Protestantismus, wenn er heute - im übertragenen Sinne gesagt - behauptet, es komme nicht darauf an, daß Bilder gemalt werden, sondern nur darauf, daß Maler da sind, also schaffe man das Bildermalen ab, damit nicht so schreckliche sinnliche Elemente in die Behandlung des Geistigen hineinkom­men. - Aus diesem Irrtum heraus hat der Protestantismus den Kultus abgeschafft. Es ist wirklich so. Nur sind die Dinge, wenn man sie ausspricht, heute so, daß sie dem Menschen ganz paradox vorkommen, weil selbst innerhalb der katholischen Kirche das selbstverständliche Organische des Kultus nicht mehr gefühlt wird, obwohl man auch heute noch naive Katholiken findet, die

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schon ein Gefühl haben für das Reale, das im Kultus liegt. Manchmal ist das sogar beim Gläubigen intensiver vorhanden als bei der katholischen Priesterschaft.

Das ist es, was ich Ihnen sagen wollte, weil alles, was ich zu dem bisher Gesagten noch hinzufügen könnte, eigentlich nur eine Vertiefung ins Gefühl und in die Seelenverfassung hinein sein kann. Wir müssen während der Zeit, wo wir hier versammelt sind, sozusagen Priester werden durch das, was unter uns gesprochen und getan wird. Denn das, was man wissen soll, um Priester zu werden, das ist ja alles schon gesagt worden. Dazu braucht im Grunde genommen gar nicht so außerordentlich viel hinzugefügt werden, höchstens das, was zur Verdeutlichung der einen oder anderen Stimmung gehört.

So sind wir jetzt soweit, daß ich morgen im Beginn der Stunde zuerst ausführen werde, wie wir uns nun in dieser Gemeinschaft selbst zu diesem Ganzen praktisch werden zu stellen haben, denn natürlich wird eine Art Weihe der Gemeinschaft durchgeführt werden müssen. Dazu wird notwendig sein, daß das, was bisher theoretisch als notwendig bezeichnet wurde, praktisch unmittel­bar real wird innerhalb dieser Gemeinschaft. So daß wir uns morgen zunächst mit der Frage beschäftigen werden: Wie wird nun der Einzelne zum Priester, und wie stellen sich die einzelnen Glieder der Gemeinschaft zueinander, damit ein priesterlicher Organismus aus denjenigen wird, die heute hier sitzen? Dann müssen wir übergehen zu der praktischen Übung, zur Demon­strierung dessen, was ich über das Zelebrieren eines Kultus angeführt habe, und wir werden sehen, daß wir dann dazu kommen, daß das Meßopfer in praktischer Weise wirklich vor uns auftreten kann.

Das möchte ich zur Stärkung Ihrer Seelen heute gesagt haben. Wenn Sie es in der richtigen Weise aufnehmen und die notwen­dige Stimmung dazu mitbringen, werden Sie auch wirklich das werden können, was Sie werden wollen. Sie müssen als Andere fortgehen, als Sie hergekommen sind. Das haben Sie bisher nicht gebraucht, aber das müssen Sie jetzt. Sie müssen nicht nur mit

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dem Gefühl fortgehen, daß Sie hier etwas aufgenommen haben, sondern mit dem Gefühl, Sie sind in Wahrheit etwas anderes geworden. Überlegen Sie sich, was das für das menschliche Be­wußtsein bedeutet. Wenn Sie es sich richtig überlegt haben, werden wir morgen auch in der richtigen Weise fortfahren können.

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III Freitag, 8. September 1922, nachmittags

Meine lieben Freunde! Wir wollen uns heute einmal zu der Zusammenfindung, die wir ja doch real vollziehen müssen in den ersten Tagen unseres hiesigen Zusammenseins, dadurch vorberei­ten, daß wir - wenn auch heute nur interpretierend und andeu­tend, weil ja manches dabei eben erklärt werden muß - als eine Art Demonstration die Menschenweihehandlung - so möchte ich das Meßopfer nennen - auf uns wirken lassen.

Es ist ja durchaus so, daß diese Menschenweihehandlung alles dasjenige enthält, was die Seelenhirtenstimmung und den Zu­sammenhang des Seelenhirten mit der geistigen Welt ergeben soll. In der Menschenweihehandlung lebt ja auch in fortwähren­der unmittelbarer Gegenwart die christliche Strömung, und es bewegt sich diese Strömung der christlichen Substanz durch diese Menschenweihehandlung hindurch, so daß eigentlich im Mittel­punkt des christlichen Kultus diese Menschenweihehandlung stehen muß. So lassen wir sie also zunächst einmal heute als solche auf uns wirken. Es wird sich daraus dann manches ergeben, was vielleicht mit ganz wenigen Worten noch eingefügt werden muß als eine Art Kommentar, aber wir werden ja dann in den nächsten Tagen darangehen, eine der Messe ganz adäquate Demonstration vor uns vollbringen zu können. Ich werde also das, was ich hier nicht ausführen kann, andeuten.

Begleitet von seinen Meßdienern kommt der Priester von ir­gendeiner Seite, wo er sich in entsprechender Weise vorbereitet hat, mit dem Kelch, den er überdeckt trägt, heraus. Der Meßdiener, der Ministrant zur Rechten, trägt das Meßbuch; der Ministrant zur Linken trägt eine Klingel, mit der er durch drei Klingel-schläge andeutet, daß die Menschenweihehandlung beginnen wird. Der Kelch wird zunächst auf den Altar gestellt, bedeckt gelassen. Der Priester geht die Stufen des Altars herab spricht vor dem Altar:

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Lasset uns die Menschenweihehandlung würdig vollbringen aus der Offenbarung Christi, in der Verehrung Christi, in der Andacht an Christi Tat.

Der Vatergott sei in uns

Der Sohnesgott schaffe in uns

Der Geistgott erleuchte uns.

Sich umwendend:

Christus in euch.

Der Ministrant spricht:

Und Deinen Geist erfülle Er.

Der Priester:

Der Vatergott sei in uns

Der Sohnesgott schaffe in uns

Der Geistgott erleuchte uns.

Im Bewußtsein unserer Menschheit erfühlen wir den gottlichen Vater. Er ist in allem, was wir sind. Unsere Sub­stanz ist seine Substanz. Unser Sein ist sein Sein. Er geht in uns durch alles Dasein.

Im Erleben des Christus in unserer Menschheit erfühlen wir den göttlichen Sohn. Er waltet als das Geist-Wort durch die Welt. Er schafft in allem, was wir schaffen. Unser Wesen ist sein Schaffen. Unser Leben ist sein schaffendes Leben. Er schafft durch uns in allem seelischen Schaffen.

Im Ergreifen des Geistes durch unsere Menschheit erfühlen wir den heilenden Gott. Er leuchte als das Geist-Licht durch die Welt. Er leuchte in allem, was wir schauen. Unser Schauen sei durchtränkt von seinem Geist-Lichte. Unser Erkennen nehme er wohlgefällig in sein geistleuchtendes Leben auf. Er durchgeistige alles Walten unserer Men­schenseele.

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[Rudolf Steiner liest nun den Text der Evangeliumhandlung vor (vgL GA 343, Seite 414f) und den Anfang des Johannes-Evangeliums:]

Im Urbeginne war das Wort; und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort.

Dieses war im Urbeginne bei Gott.

Alles ist durch dasselbe geworden; und außer durch dieses ist nichts von dem Entstandenen geworden.

In diesem war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

Und das Licht schien in die Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen.

Es ward ein Mensch, gesandt von Gott, mit seinem Namen Johannes.

Dieser kam zum Zeugnis, auf daß er das Zeugnis ablege von dem Licht, auf daß durch ihn alle glauben sollten. Er war nicht das Licht, sondern ein Zeuge des Lichtes. Denn das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, sollte in die Welt kommen.

Es war in der Welt, und die Welt ist durch es geworden, aber die Welt hat es nicht erkannt.

In die einzelnen Menschen kam es (bis zu den Ich-Menschen kam es) aber die einzelnen Menschen (die Ich-Menschen) nahmen es nicht auL

Die es aber aufnahmen, die konnten sich durch es als Gottes Kinder offenbaren.

Die seinem Namen vertrauten, sind nicht aus Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, und nicht aus menschlichem Willen, sondern aus Gott geworden.

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Lehre gehört; die Lehre von dem einzigen Sohn des Vaters, erfüllt von Hingabe und Wahrheit.

Johannes legt Zeugnis für ihn ab und verkündet deutlich: Die­ser war es, von dem ich sagte: Nach mir wird derjenige kom­men, der vor mir gewesen ist. Denn er ist mein Vorgänger.

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Denn aus dessen Fülle haben wir alle genommen Gnade über Gnade.

Denn das Gesetz ist durch Moses gegeben, die Gnade und die Wahrheit aber sind durch Christus entstanden.

Gott hat niemand bisher mit Augen geschaut. Der einge­borene Sohn, der im Innern des Weltenvaters war, er ist der Führer in diesem Schauen geworden.

[Rudolf Steiner verliest nun das Credo (vgl CA 343, Seite 510> und an­schließend den Text des Offertoriums, der Wandlung und der Kommunion (vgl CA 343, Seiten 416, 464 und 471) und beendet:]

Am Schluß wird rechts am Altar die Epistel des Anfangs wiederholt. Dann:

Die Menschenweihehandlung, das war sie.

Wir werden diese Handlung, die ich jetzt nur angedeutet habe, in den nächsten Tagen dann noch einmal, so gut wir können, in Vollständigkeit demonstrieren, durchführen. Es scheint mir aber, daß aus dem eben Vorgebrachten der Geist dieser Weihehandlung in Ihre Herzen fließen kann, und daß wir, indem der Geist dieser Weihehandlung in unseren Herzen lebt, in würdiger Weise das­jenige vollbringen können, was wir in den nächsten Tagen werden zu vollbringen haben.

Ich bemerke, daß in einem ursprünglichen Weihedienst an der Stelle nach der Verlesung des Evangeliums, bevor man zum Credo schritt, eine Predigt eingefügt worden ist. Diese Predigt wird von der katholischen Kirche heute vielfach von dem Meß­opfer abgesondert und für sich gehalten. Das ist begreiflich, weil ja in der modernen Zeit die Predigt doch einen mehr intellek­tuellen Charakter angenommen hat, während in den ursprüng­lichen Weihediensten gerade an der Stelle, wo das als Gottes Wort empfundene christliche Evangeliumwort gelesen wurde, in unmittelbarer Anknüpfung an dieses Wort dasjenige gesprochen werden konnte, was damals Predigt war. Sie war ja etwas, was

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fortwährend symbolische, bildhafte Einkleidungen gebrauchte, was nicht etwa nur herausgeformt war aus dem subjektiven Wil­len und der subjektiven Überzeugung des Predigenden, sondern was gefühlt wurde als etwas, das durch das Gotteswort des Evangeliums ausgelöst wurde in den Herzen, und was gewisser­maßen als eine den Menschen geschenkte Fortsetzung des Evan-geliumwortes an die Gläubigen gegeben werden konnte. Man muß sich eben nur richtig vorstellen, wie diese Menschenweihe­handlung ja aus uralten und urältesten Kulten hervorgegangen ist und eben ihren Weg herübergefunden hat zu der entsprechenden Kulthandlung für das Strömen des Christentums durch die Er-denentwickelung. Je weiter wir zurückgehen in der vorchristli­chen Zeit der Menschheitsentwickelung, desto mehr finden wir ja, daß schon der Ort, an dem Weihekulte stattfanden, als etwas galt, was sich aussonderte aus der übrigen Welt, was für sich geweiht und geheiligt war. War man also an diesem Ort, so empfand man ihn als etwas wie eine zweite Welt; das klingt bei denjenigen, die eine Ahnung von solchen Dingen haben, selbst in der äußeren Welt noch vielfach durch. Goethe spricht oftmals von der großen und der kleinen Welt. Er meint mit der «kleinen Welt» nicht eine Kirche, aber da er Freimaurer geworden war, so meinte er mit der kleinen Welt die Freimaurerloge, und die große Welt ist ihm das Universum. Denn ihm war es klar, daß dort, wo eine Kulthand­lung verrichtet wird, eine Welt ist, und er nennt sie die «kleine Welt», weil sie räumlich klein ist gegenüber der «großen Welt». Schiller meinte ein Tieferes, was damit zusammenhängt, wenn er den Ausspruch tat:

Freunde, ihr sucht das Erhabene,

Doch im Raume wohnt das Erhabene nicht.

Er meinte damit, daß im kleineren Raume, in der «kleinen Welt» das Erhabene gesucht werden sojlte, unabhängig von aller äußeren Größe, in der kleineren Welt die größere Welt.

Und so kann man sagen: Da schon der Raum als geheiligt und geweiht galt, so war es so, daß mit dem Abhalten des Weihekultus verbunden war, daß die Zelebrierenden - die aus ihrer Mitte auch

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den lehrenden Bruder, den Predigenden vor die Gläubigen hin-stellten - sich fühlten als Stellvertreter hier auf Erden, durch die die Fortsetzung des im Evangelium gesprochenen Gotteswortes dadurch fließen konnte, daß sie sich der subjektiven Formulie­rung enthielten und sich einer solchen Formulierung befleißigten, welche in Symbolen, in Bildern sich aussprach.

Für unsere Zeit wird es aber durchaus im Einklange mit der geistigen Welt sein, wenn Sie eine eigentliche Predigt neben der Menschenweihehandlung abhalten und wenn diese Einfügung gemacht wird zwischen der Evangelienlesung und dem Sprechen des Credo, und daß vielleicht etwas mehr in sinnbildliche Formen Gekleidetes, je nach den Jahreszeiten, zu den Herzen, zu den Seelen der Gemeindemitglieder gesprochen wird. Das kann ja dann kurz sein und kann darauf berechnet sein, nicht etwas zu lehren, sondern vor allen Dingen als Fortsetzung des Evange­liumwortes im Symbolum wirkend zu erbauen.

Dann hätten wir als den nächsten, ich möchte sagen vorberei­tenden Schritt, daß Sie sich diese Menschenweihehandlung - die ja in einem gewissen Sinne hier von mir zum ersten Male so in Anspruch genommen wird - vorstellen als unmittelbar aus der geistigen Welt empfangen, während alle diejenigen, welche bisher die Weihehandlungen verrichtet haben, ihre Berechtigung dazu in der kontinuierlichen Fortströmung innerhalb der christlichen [Kirche] gesucht haben, so daß die, die diese Weihehandlungen vollzogen haben, sich gesagt haben: Mich hat einer geweiht, der geweiht worden ist von einem, der wieder von einem anderen geweiht worden ist, und so fort durch die Jahrhunderte, bis der letzte geweiht worden ist von einem der Apostel, der selbst dem Christus gefolgt ist. Die apostolische Kontinuität ist ja das, worauf sich als Rechtfertigung für das Meßopfer die Zelebrierenden in den Kirchen berufen, diejenigen also, die das Meßopfer bis jetzt ausgeführt haben. Diese apostolische Kontinuität ist ja allmählich in der katholischen Kirche zu etwas geworden, was einen äußer­lichen Charakter angenommen hat. Daher wird es in der heutigen Zeit möglich, daß wir unmittelbar aus der geistigen Welt herunter

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diese Berechtigung empfangen, daß Sie das Meßopfer zelebrieren. Und daß Sie das können, das eben soll die Bemühung der nächsten Tage sein.

Sie werden an die Stelle des Empfangens des apostolischen Segens in christlicher Tradition gewissermaßen Ersatz schaffen müssen durch die Stimmung, die Verfassung Ihrer Seelen. Sie werden sich am Ausgangspunkt Ihres neuen Priesterwirkens völlig klar werden müssen, daß Ihr Wollen und Ihr Fühlen und damit das von Ihrem Fühlen und Ihrem Wollen abhängige Denken dahin gehen, daß alles das, was Sie vollbringen als Seelenhirten, zu vollbringen ist im Namen des Christus, des Christus, den Sie erkennen in derjenigen Geistigkeit und in denjenigen geistigen Welten, wie sie gerade innerhalb der anthroposophischen Bewe­gung von den verschiedensten Gesichtspunkten aus dargestellt worden sind. Aber vor allen Dingen werden Sie sich bewußt werden müssen des gegenwärtigen Christus, des Christus, der in unmittelbarer Gegenwart seine Kraft in alles das hineinsendet, was Sie im einzelnen vollbringen und der vor allen Dingen anwesend ist, wirklich anwesend ist in der Menschenweihehand­lung. Wenn Sie nicht das Bewußtsein haben würden von der Anwesenheit des Christus in der Menschenweihehandlung und von dem Sinn dieser Menschenweihehandlung, die Gelegenheit dazu herbeizuführen, daß der Christus unmittelbar anwesend ist, so würden Sie ja diese Menschenweihehandlung nicht im richtigen Sinne vollführen.

Nun wird es sich darum handeln, daß ich morgen eine Formel mitbringe, die jeder von Ihnen sprechen wird in dem Sinne, daß er durch das Sprechen dieser Formel das dann so in sein Herz aufnimmt, daß es gewissermaßen eine Art ewigen Sprechens wird, daß er durch das Sichklarmachen dessen, was in der Formel liegt, sich hineingestellt fühlt in spiritueller Art in diese Gemeinschaft, von der Sie sich vorgenommen haben, daß Sie darinnenstehen wollen. Damit wird die erste Vorbereitung zu dem gegeben sein, was für diesen Kreis die Priesterweihe sein soll, zu der ja auch während dieser Zeit geschritten werden muß. Aber es wird nötig

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sein, daß Sie zuerst durch das innerliche Sprechen einer solchen Formel sich geeint fühlen mit demjenigen Geistigen, das in Ihnen leben muß, wenn Sie in der richtigen Weise in der von Ihnen vorgenommenen Gemeinschaft zusammenleben wollen.

Dann allerdings wird es notwendig sein, daß Sie diese Ge­meinschaft so zubereiten, daß sie eine selbstverständliche Auto­rität hat, so daß bei den Gemeindebildungen nicht etwa durch Wahl der Seelenhirt gestellt wird, sondern daß - auch dann, wenn die Initiative zur Bestellung des Seelenhirten von der Gemeinde ausgeht - diese Gemeinde sich an diese nun gegründete Urgemeinde der Priester wendet, die Sie sein sollen, damit man ihr, der Gemeinde, einen Seelenhirten sende. Nur in dieser Form, daß, auch wenn von der Gemeinde die Initiative ausgeht, der Seelen-hirt von der durch Sie gegründeten Priestergemeinde erbeten wird, nur dadurch wird ja der Sinn ganz erfüllt, daß diese Ihre Priestergemeinde das Geistige aus geistigen Welten heruntertrage zu denjenigen, die Mitglieder der Gemeinde sein wollen.

Es wird dann auch notwendig sein, daß wir - nachdem wir durch die eben erwähnte Formel uns gewissermaßen selber gelobt haben, was wir sein wollen - morgen auch eine Art Hierarchie feststellen unter denen, die sich zunächst dieser Gemeinschaft gewidmet haben. Durch das schwerwiegende Ereignis des Aus­trittes von Dr. Geyer ist ja das erschüttert, was mir, wie ich glaube, im Einklang mit den geistigen Welten als ein Selbstver­ständliches erschienen war: daß Dr. Geyer, Dr. Rittelmeyer und Lizentiat Bock zunächst diese Dreiheit bilden sollten, die in gewissem Sinne tonangebend sein sollte, weil ja doch die Sache so liegt, daß ein solches Zentrum da sein muß. Ein solches Zentrum kann natürlich heute in unserer Gegenwart nicht mit derselben Jurisdiktion geschaffen werden, mit der in älteren Zeiten in ähnlichen Gemeinschaften eine solche Zentralmacht ausgestattet war. Aber dennoch werden Maßregeln notwendig sein, die den Zusammenhalt dieses Kreises als einen denkbar ernstesten er­scheinen lassen, so daß der, der sich einmal entschlossen hat, in demselben zu sein, nicht einfach wiederum austritt, ohne daß das

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Austreten eben als eine Weltentatsache gefühlt und dann auch entsprechend aufgefaßt wird. Gemeinschaften, die geistige Füh­rerschaften bilden wollen und in die man beliebig eintreten und austreten kann, tragen den Keim des Verderbens in sich. Das ist ein Gesetz der geistigen Welt. Es ist ein Gesetz der geistigen Welt, daß der Entschluß zum Eintritt in eine solche Gemeinschaft innerhalb eines Erdenlebens so stark sein soll, daß einen gleich starken man ein zweites Mal nicht fassen kann. Dies soll die Intensität der Vorstellung bezeichnen, die der Sache zugrundeliegen muß. Daher kann beliebiges Ein- und Austreten nicht zur wirk­lichen Entwickelung gerade dieser Gemeinschaft gehören. Wenn ich auch durchaus davon überzeugt bin, daß Sie sich alle sehr genau in Ihrer Seele gefragt haben, wie Sie zu dieser Ihrer Ge­meinschaft stehen, so möchte ich doch, nachdem wir heute we­nigstens den inneren Geist der Menschenweihehandlung auf uns haben wirken lassen, daß Sie sich noch einmal fragen, ob Sie nun wirklich dazugehören wollen und darüber wie in einem Selbstgespräch mit Ihrer Seele bis morgen Klarheit haben.

Dann wird morgen auch von uns die Frage gelöst werden können, wie wir die Zentralgewalt ordnen, da es ja doch nicht gut Zwei sein können. Das ist eine spirituelle Unmöglichkeit. Es ist kein richtiges Zusammenwirken der Willen, wenn es Zwei sind. Es kann Einer sein, wie es ja in der katholischen Kirche durch das Infallibilitätsdogma geworden ist; aber dann reißt sehr häufig der Zusammenhang mit der geistigen Welt ab, wenn sich äußerliche Verfügungsimpulse zu demjenigen gesellen, was Zusammenhang mit der geistigen Welt sein soll. Zwei halten sich zu sehr die Waage und geben keine Resultate, wenn das auch nicht immer ins Bewußtsein tritt. Das ist in einer geistigen Gesetzmäßigkeit begründet. Es müssen also Drei sein. Und in diesem Augenblick sind wir ja allerdings in der Lage, den Dritten aus dem Kreise heraus zu suchen. Aber wie wir das tun werden, wird sich uns vielleicht doch erst morgen ergeben können. Denn es ist die Selbstverständlichkeit ja eine andere gewesen, bevor die Sache so weit war, wie sie jetzt ist; damals hatte sich diese Dreiheit wie

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etwas Selbstverständliches ergeben. Nun muß der Austritt Dr. Geyers als ein außerordentlich schwerwiegendes Ereignis be­trachtet werden, und er zwingt uns dazu, gerade über die Frage der Zentralorientierung uns dann morgen Klarheit zu verschaffen. Ich werde versuchen, Ihnen Vorschläge für diese Angelegenheit mitzubringen, von der ich glaube, daß sie im Einklange mit den geistig führenden Mächten stehe, deren Führung wir uns ja erhal­ten müssen, wenn das, was Sie als Gemeinschaft begründen, gedeihen soll. Und im Einklange mit diesen geistig führenden Mächten, die eine neue christliche Gemeinschaft wollen, und ihren Segen erflehend, wollen wir alle unsere weiteren Schritte einrichten.

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IV Samstag, 9. September 1922, nachmittags

Meine lieben Freunde! Es wird sich darum handeln, daß wir uns heute über manches klar werden, was Sie selber in Ihrer Seele fest leben lassen müssen, und daß wir auf der anderen Seite eine Art Zentralgewalt herausfinden, wenigstens im Prinzip, wenn vielleicht auch heute dabei das Persönliche nicht abgemacht werden kann. Ich möchte zunächst hervorheben, daß heute gewöhnlich solche Dinge wie das [Gelöbnis], von dem ich hier zu sprechen habe, falsch aufgefaßt werden. Sie werden so aufgefaßt, als ob es sich handeln würde um ein Gelöbnis, das man irgend jemandem macht. Solche Auffassungen sind ja namentlich durch die katho­lische Kirche und durch die Freimaurerorden gekommen, die diese Dinge immer falsch aufgefaßt haben und umso mehr falsch aufgefaßt haben, je mehr die Zeit fortgeschritten ist und für das ganze Sein des Menschen andere Bedingungen eingetreten sind, als es für frühere Zeiten der Fall war. Heute ist es ja nur möglich, solche Dinge [wie die Angelobung], die ich hier in einer Formel zu geben habe, als eine Art Auseinandersetzung mit sich selbst aufzufassen, als etwas, das man sich in die Seele schreibt, wenn man eine so wichtige Mission übernimmt, wie Sie sie übernehmen wollen. Es wird notwendig sein, daß der, der sich in diese Mission hineinstellt, auch tatsächlich vor denjenigen, die mit ihm gehen, eine solche Sache bekundet, damit jeder, der mitgeht, weiß, mit wem er zusammengehört. Und so handelt es sich darum, daß die­se Art Gelöbnis, das man sich selbst gegenüber ablegt, die Dinge enthält, die der geistigen Welt gegenüber heute notwendig sind.

Das erste ist, daß es dasjenige enthalten muß, was man als sein Angehörigkeitsgefühl gegenüber der geistigen Welt sich klarlegen soll. Und da handelt es sich darum, daß für den, der so wirken will wie Sie, dieses Wirken durchaus spirituell anknüpfen muß an die Gestalt des Christus und an das Ereignis von Golgatha, in der Art, daß die geistige Natur des Geschehens von Golgatha auch

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wirklich anerkannt wird und daß man die ganze Wirksamkeit, die man entfaltet, im Grunde genommen entfaltet als ein Ausfüh­rer desjenigen, was durch das Mysterium von Golgatha in die Menschheitsordnung eingefügt worden ist. Man muß schon da­zu kommen, den gegenwärtigen und den zukünftigen Sinn der Erdenentwickelung anzuerkennen als herkommend von dem Mysterium von Golgatha.

Nun ist aber noch ein anderes wichtig. Es ist wichtig, daß man eine solche Sache nicht bloß persönlich oder im engeren Sinne menschlich auffaßt, sondern daß man sie auffaßt als etwas, das man vor der ganzen Welt, also auch vor den höheren Hierarchien bekennt, und daß man mit den realen Folgen sich abfindet, daß man also dasjenige in spiritueller Weise voll anerkennt, was die katholische Kirche - allerdings in veräußerlichter Weise - ja anerkennt. Sie hat ja alles veräußerlicht und für alles auch die äußeren Formen nur behalten, aber immerhin, die äußeren For­men werden von der Kirche, wenn auch nicht von dem einzelnen Priester, anerkannt. Das zeigt sich zum Beispiel darin, daß dem, der aus dem Priesterstande der katholischen Kirche austritt, weggekratzt wird die Haut von den Fingern, mit denen er die geweihte Hostie berührt hat.

Dann ist es natürlich nötig, daß man die wichtigsten morali­schen Eigenschaften in fortdauernder Übung in sich wach erhält, weil nur unter dem Einfluß dieser moralischen Eigenschaften ein wirkliches Wirken aus der geistigen Welt heraus möglich ist.

Das ist das, was die Formel, die ich Ihnen vorzulegen habe, besagt. Sie sagt es in der Form, in der, ich möchte sagen, der Kultus der geistigen Welt wirklich in Menschenworten sich aus­sprechen läßt. Ich bemerke ausdrücklich, daß es dem ganzen Geiste nach, in welchem ich zu dieser Bewegung stehe, entspricht, daß ich Ihnen diese Formel vorlege. In welcher Form Sie sie dann aktivieren, daß heißt, in welcher Form Sie dann in Gemeinsamkeit sich ein solches Gelöbnis machen - aber so, daß die anderen dabei sind -, das wird dann von Ihnen abhängen. Es muß das schon festgehalten werden, daß ich die Stellung zu dieser Bewegung

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immer beibehalte, die ich anfangs präzisiert habe, daß ich also für die äußeren Einrichtungen überall ratend da sein kann, daß aber das, was geschehen soll, aus Ihrem eigenen Kreise hervorgehen soll. Das ist nicht deshalb, weil ich ein Verantwortlichkeitsgefühl ablehnen will, denn ein solches ist ja auch verbunden mit den Ratschlägen, die ich gebe; sondern es ist deshalb, weil es sich wirklich darum handelt, nachdem diese Bewegung einmal begrün­det ist, sie als solche selbständig zu halten, so daß sie ganz gewiß die innigsten Beziehungen haben kann zur anthroposophischen Bewegung, trotzdem aber auf sich stehen muß und nicht etwas sein soll wie etwa ein Zweig oder ein Ast der anthroposophischen Bewegung. Und auch die anthroposophische Bewegung muß, weil sie ja ihrem ganzen Wesen nach eine Erkenntnisbewegung bleiben muß, von einer Religionsbegründung absehen und sich auch wiederum selbständig halten gegenüber dieser religiösen Bewegung. Die Beziehungen können die innigsten sein, alles kann miteinander getragen und ausgetauscht werden, aber nach gewissen Linien hin muß doch diese Scheidung durchaus da sein.

So werde ich Ihnen zunächst einmal diese Angelobeformel vorlesen. Sie können sich dann selbst dazu äußern, wenn irgend etwas darin Ihnen nicht klar ist, aber eine wesentliche Änderung wird von mir nicht angeraten werden können.

«Mein Ich will ich in aktiver Sehnsucht lenken nach dem Arbeiten aus der geistigen Welt heraus.

In Christus und in dem Ereignis von Golgatha will ich zu erkennen suchen, wie ein höchstes Geistiges in die Tatsachen des Erdenlebens hereinlebt.

In der Anerkennung dieses Hereinlebens will ich das Sinn-gebende für meine Wirksamkeit finden.

So will ich mich einfügen in die Menschenordnung.

Mein Ich selbst soll nur sich sinnvoll fühlen in einer solchen Einfügung.

Ich will anerkennen, daß ein Abirren von diesem Wege den Verfall meines Ich an böse Mächte der Welt bedeutet.

Ich will, weil sie den Weg bereiten zu solcher Abirrung, stets

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bekämpfen die Anwandlungen

persönlicher Eitelkeit und Ehrgeizes innerer Unwahrhaftigkeit der Seele

zommütige(r) Impulse, welche die Seele sich selbst entfremden.

Ich will fortwährend das Bewußtsein in mir erneuern, daß ich mit allem, was ich tue, vor Gottes Schauen wandle.

Dies als Inhalt meines Bewußtseins anzuerkennen und zu pflegen gelobe ich

vor dem Vatergott, der da sei in mir

vor dem Sohnesgott, der da schaffe in mir

vor dem Geistgott, der da emleuchte mich.»

Dies enthält alles das, was, wenn Sie es sich immer wieder erneut zum Bewußtsein bringen, die Wegrichtung angibt, die Sie sich selbst vomzeichnen müssen, wenn Sie sich richtig verstehen, um in die Bewegung, die Sie wollen, sich hineinzufinden. Nun wird es natürlich von Ihnen abhängen, in welchem Form Sie das ausführen. Bevor wir dazu schreiten, möchte ich noch sagen, daß ich mir viel habe durch die Seele ziehen lassen die Angelegenheit der Zentralgewalt, und daß ich meine, daß es nach den Ante­zedenzien, die vorliegen, das beste wäre, wenn sozusagen dem Rumpfvomstand, der zurückgeblieben ist, sich von sich aus ergänzen würde. Es ist ja so, daß im Anfang einem solchen Richtung alles, was geschieht, eigentlich in vollem Einklange mit allen einzelnen geschehen müßte. Es sollte nichts geschehen, womit nicht dem einzelne einverstanden ist. Aber auf der anderen Seite kann es sich wiederum nicht um Abstimmungen handeln, sondern nur darum, daß eine selbstverständliche Übereinstimmung stattfindet, daß man einfach weiß, was man nach dieser Richtung hin will. Denn Abstimmungen sind ja oftmals auch nichts anderes als etwas höchst Erzwungenes, während das, was gewissermaßen den ande­ren in dem Seele abgeschaut wird, eigentlich das Richtige ergeben kann. Wiederum muß ich es Ihnen überlassen, mit diesem Rate zu machen, was Sie daraus zu machen gedenken.

Nun ist einiges weitere zu sagen. Es handelt sich darum, daß auch eine gewisse Mauer geschaffen werde dagegen, daß derjenige,

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dem einmal in den Kreis Ihrer Seelenhirten aufgenommen ist, ohne weiteres diesen Kreis wieder verlassen kann. Es ist wirklich so, daß in einer solchen Gemeinschaft kein Gedeihen sein kann, wenn die Menschen eintreten und wieder austreten. Daher waren na­türlich in den Zeiten, bevor der Liberalismus das Geistesleben geknechtet hat, in allen solchen Gemeinschaften die Möglichkei­ten vorhanden, eine Juris diktion auszuüben gegenüber denjenigen, die abtrünnig geworden sind. Die etwas anders empfundenen älteren Formen können wir heute nicht mehr anwenden, und daher muß, da ja überhaupt diese ganze Begründung etwas Neues ist, auch hierfür eine neue Form gefunden werden. Diese Form kann kaum in etwas anderem bestehen als darin, daß, wenn nun dem Zentralvomstand gebildet ist, diesem Zentralvorstand das Spezialgelöbnis gegeben wird, daß in dem Falle, daß man austritt, man unter allen Umständen selber moralisch das anerkennt, was der Vorstand beziehungsweise ein weiterem Kreis als Urteilsspruch über den Austritt verfügt.

Damit im Zusammenhang sollte natürlich auch hier gleich am Anfang unseres Wirkens die Frage entschieden werden, wie wir die Hierarchie selbst gestalten. Da Sie bis jetzt nicht sehr viele sind, so wäre es natürlich durchaus möglich, daß der aus drei Persönlichkeiten bestehende Vorstand die volle Zentralmacht ausübt. Aber es ist vielleicht doch nicht das, was unter allen Umständen als das Richtige angesehen werden kann. Es wäre vielleicht doch gut, wenn der Beginn gleich mit einer Hierarchie gemacht würde. Später wird es ja doch so sein müssen, daß ein beträchtlicher Unterschied ist zwischen denjenigen, die schon längere Zeit wirken und denjenigen, die etwa erst angefangen haben zu wirken, die erst in Ihren Kreis eingetreten sind. Und eine Art Aufsteigen wird es schon geben müssen. Es wird sogar notwendig sein, daß man auch den einzelnen Graden, zu denen die Betreffenden aufsteigen, bestimmte Namen gibt. Dieses Na­mengeben ist ja überhaupt eine große Schwierigkeit. Wir haben davon gesprochen, wie man die älteren lateinischen Namen, die sich in protestantischen Gegenden nicht empfehlen können, durch

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deutsche ersetzen könne. Nun hat das auch wieder die Schwierig­keit, daß füm jedes Sprachgebiet, in das sich Ihre Bewegung erweitert, gesonderte Namen geschaffen werden müssen. Aber das muß eben hingenommen werden. Aber es ist schwierig, weil ja die sprachbildende Kraft für solche Dinge seit dem 15. Jahr-hundert in der ganzen zivilisierten Welt wesentlich nachgelassen hat, nicht mehr da ist, so daß, wenn man ein für die Sache adäquates Wort heute finden will, dies nicht ganz leicht ist.

Es wäre mir zum Beispiel nicht möglich, für die Messe ein anderes Wort zu finden als «Menschenweihehandlung», wobei vielleicht dann als Abkürzung «Weihehandlung» figurieren könnte. Was vorgeschlagen worden ist: «Opferfeier», das würde doch nicht den inneren Sinn der Messe treffen. Sie können das schon daraus ersehen, daß die Wortbildung «Meß-Opfer» möglich ist; wenn man aber sagt «Opferfeier», so würde das sein eine Feier des Opfers; aber das ist es ja nicht. Es handelt sich tatsächlich darum, daß durch das Meßopfer die Menschenseele in Zusam­menhang gebracht wird mit der höheren Welt. Man kann also die Messe selber als ein Opfer bezeichnen, aber man muß dann etwas hinzufügen. Sie ist ja nicht ein bloßes Opfer, sondern ein solches, das eben noch näher bestimmt wird durch das Wort «Messe». Aber alles, was die Messe ist, liegt - wenigstens in sehr hohem Grade - in dem Worte «Menschenweihehandlung». Darin liegt ja auch der mit der Messe unbedingt verbundene Begriff, daß sie eine Gemeindeangelegenheit ist und daß sie getan wird bei einem Zusammenkommen. In dem Zusammenkommen, in dem Verei­nigen liegt das Wesentliche. Allerdings könnte da eingewendet werden: Der Katholizismus hat «stille» Messen, wo der Priester, der ja als katholischer Priester verpflichtet ist, jeden Tag seine Messe zu lesen, einfach seine Messe in irgendeinem Winkel seiner Kirche liest und eine Gemeinde eigentlich nicht da ist; und in einem Kloster, wo die Mönche Priester sind, liest jedem einzelne seine Messe an einem Altar, und eine Gemeinde ist eigentlich auch nicht da. - Aber das ist eigentlich so nicht wahr. Schon aus manchem, was Ihnen innerhalb der Texte für den Kultus entgegengetmeten

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ist, werden Sie ersehen können, daß für den wirk­lichen Christen ein Unterschied zwischen Lebenden und Toten nicht gemacht wird. Ob nun der Messe die im Leibe Verkörperten beiwohnen oder, wie man anzunehmen hat, wenn eine sogenannte stille Messe gelesen wird, Tote, das ist für den wirklichen Chri­sten kein prinzipieller Unterschied. Würde man darin einen prinzipiellen Unterschied sehen, dann würde man eben die geistige Welt nicht in ihrer vollen Realität nehmen. Sie sehen das auch aus einer Formel, die innerhalb des Messerituals selber vorkommt. Man kann also sagen, wenn behauptet würde, es gäbe stille Messen, so ist das eigentlich nicht wahr; es widerspricht dem Geist des Christentums. «Stille» Messen gibt es nicht, sondern Gemeindemessen, und das Zusammenkommen gehört zur Messe. Es gehört das ja auch zu denjenigen Messen, die nun das Gegenteil einer heiligen Handlung geworden sind, zu den Jahrmarkts-messen; auch die Jahrmamktsmesse setzt voraus, daß Menschen zusammenkommen.

Das Zusammenkommen gehört zum Messe, und das liegt eben ausgedrückt in dem Worte «Menschenweihehandlung». Eine Weihehandlung ist es aber; das Wort «Weihe» hat sich noch erhalten als ein deutsches Wort für das alte Wort «Initiation». «Weihen» hängt zusammen mit «eintauchen», mit Sich-hinein­Versenken in etwas; und es ist üblich geworden, dabei die Empfindung zu haben, daß man in den Geist der Uroffenbarung eintaucht, wenn von Weihe die Rede ist, geradeso wie das be­zeichnet wird mit dem ja natürlich der Sache viel adäquateren Begriff «Initiation». Sowohl Weihe wie Initiation ist ein Zu­rückführen des Menschen zu seinem göttlichen Anfange, zu seinem göttlichen Ursprung. Das ist dasjenige, was das Wort «Menschenweihehandlung» erklärlich machen mag. Aber es hat viele Silben, und das ist etwas, woran man sich natürlich stoßen kann. Es kann ja im gewöhnlichen Sprachgebrauch dann abge­kürzt werden in «Weihehandlung»; nur «Weihe» allein kann nicht gesagt werden, weil es verschiedene Weihen gibt, nicht nur Men­schen-Weihe, sondern auch Priester-Weihe und sogar die Weihe

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von Geräten. Mit anderen Worten werden wir schon in den nächsten Tagen dann zurechtkommen.

Nun würde es mir aber sehr lieb sein, wenn Sie sich über das, was ich eben gesagt habe, Ihrerseits aussprechen würden. Es darf natürlich später nicht bei jeder Gelegenheit wegen verschiedener Meinungen in Ihrem Kreise zu Revolutionen kommen - obwohl man verschiedene Meinungen durchaus haben kann. Aber am Anfang ist es natürlich möglich, daß man aus Beratungen heraus zu Modifikationen dessen kommt, was entstehen soll oder was zuerst vorgeschlagen worden ist. Also vielleicht wäre es doch möglich, daß Sie sich an dieser Stelle äußern, damit wir dann weiterkommen und möglichst bald zu etwas Fixierterem kommen.

Emil Bock: Vielleicht ist die Bereitschaft schon so stark, dies auch schon heute nachmittag zu vollziehen, denn wir haben nach den Worten, die Herr Dr. Steiner gestern zu uns gesprochen hat, uns dazu bereit gemacht, unseren Kreis zu schließen mit einem solchen inneren Anschluß an die Sache.

Rudolf Steiner: Es war keine Ausnahme?

Emil Bock: Nein, es ist keine Ausnahme bekannt geworden. Es wäre nur unsere Aufgabe, jetzt die Form für den Augenblick zu finden, in dem wir dies als unseren Seeleninhalt zum Ausdruck bringen können.

Rudolf Steiner: Zu der Form würde doch notwendig sein, daß ein Bild des Christus herbeigeschafft würde. Daher würde ich vielleicht doch meinen, daß es besser wäre, gleich morgen damit zu beginnen. Wir schaffen dann ein Bild des Christus herbei, das dann zu dieser Handlung genommen werden kann.

Friedrich Ritte/meyer: Besteht nicht die Möglichkeit, daß wir es vor der Christus-Gestalt im Atelier machen?

Rudolf Steiner: Das ist nicht gut möglich, denn dazu muß sie erst fertig sein. Es kommt nicht darauf an, welche Gestalt des Christus es ist, es muß nur eben einfach eine Christus-Gestalt sein.

Emil Bock schlägt als Zeit vor: Morgen Sonntagvormittag.

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Rudolf Steiner ist damit einverstanden, da sich der Sonntag auch am besten dazu eignet.

Emil Bock schlägt vor, weitere Fragen zu stellen über Dinge, wo noch Unklarheiten bestehen.

Ein Teilnehmer möchte über das spezielle Gelöbnis noch einiges hören, dann auch darüber, ob das Messelesen zum Beispiel auch täglich stattfinden soll oder wie das zu handhaben wäre.

Rudolf Steiner: Sobald Sie einmal konstituiemt sind, wemden sich diese Dinge aus der Sache selbst ergeben. Ein tägliches Messe-lesen, wenigstens in meditativer Form, ist etwas, was mir schon als eine Notwendigkeit erscheint. Das andere, das Spezialgelöbnis, bezieht sich ja auf den Austritt. Der Austritt muß schon in einer gewissen Weise erschwert werden. Das ist nur dadurch möglich, daß man diesem Austreten gegenüber die Formel anwendet, über die ja natürlich jetzt im Anfange noch eine Einigung möglich ist, die aber spätem von jedem anerkannt werden muß, der überhaupt eintreten will, und daß man in die Formel aufnimmt, daß die Leitung zu entscheiden hat, wie der Schritt zu definieren ist, den jemand beim Austritt ausführt, und daß er dies von vornherein anerkennt. Also man erkennt nicht etwa nur im allgemeinen an, was das bedeutet, sondern das, was im einzelnen Falle nicht der Austretende selber über sich denkt, sondern das, was die Leitung über ihn denkt. Das würde jeder einzelne von vornherein aner­kennen für den Fall, daß er austritt. Das erscheint natürlich in der heutigen demokratischen Zeit als etwas außerordentlich Hartes, aber Sie kommen im spirituellen Leben wirklich nicht weitem, wenn Sie nicht eine solche Mauer schaffen.

Das andere, was ich Sie bitte noch zu beraten, ist dies:

Schaffen Sie erst eine Zentralgewalt von Dreien, und schaffen Sie um diese Drei herum vier andere, die einfach die Länge der Amtswirksamkeit ersetzen durch die Qualität, die Sie ihnen beilegen; kommen Sie so zu einer ursprünglichen Siebenheit und nennen Sie die Drei «Oberlenker», die vier anderen «Lenker». Für die anderen würde dann noch ein Wort zu finden sein für den

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alten Ausdruck «Priester», der Ihnen ja auch nicht gerade als der richtige erschienen ist; aber da habe ich noch keinen. «Lenkem» und «Obemlenker» würden zunächst Ausdrücke sein, die man nehmen kann. Wir vermeiden Ausdrucke wie «Bischof», « Dia­kon» und so weiter. So würde dann ursprünglich die oberste Stufenleiter sein die drei Oberlenker und die vier Lenker; eine weitere Hierarchie brauchen wir nicht. Die übrigen würden durch das Wort bezeichnet, das für den Ausdruck «Priester» zu nehmen ist. Dazu würde ich auch raten müssen.

Emil Bock glaubt, daß keine Bedenken dagegen vorliegen.

Wilhelm Kelher fragt, ob die Ernennung zu Lenkern und Oberlenkern auf eine bestimmte Zeit beschränkt wird.

Rudolf Steiner: Die Zeit kann nur so lange sein, bis ein Lenker zum Oberlenker wird, also es kann nur eine Würde sein, die auf Lebenszeit erteilt wird, weil das mit dem ganzen Wesen des Menschen verknüpft ist.

Dann noch etwas über die technische Seite dem Sache. Es handelt sich darum, daß die ursprünglichen Inauguratoren dem ganzen Bewegung mit dem Fassen des Planes eine Tat gezeigt haben, die schon eine Bedeutung hat, und aus diesem heraus wäre es anzuraten, daß gewissermaßen Um-Vorschläge für die Fragen, die jetzt aufgewoifen worden sind, gemacht werden. Diese Um-Vorschläge würden meiner Empfindung nach, so wie ich die Sache habe entstehen sehen, zu machen sein von Dr. Rittelmeyem, Herrn Bock, Fräulein Spörri und Herrn Klein. Von diesem aller-engsten Kreise würde ich meinen, daß er zusammenkommen sollte, um den anderen nach einer sehr ernsten Erwägung Um-Vorschläge zu machen, damit Rechnung getragen wird der Tat­sache, die eine Tatsache ist: der Ur-Initiation. Dann müßten diese Vorschläge dem weiteren Kreise vorgelegt werden, dem damit machen soll, was er will. Wenn man solche Vorschläge macht, ist es ja so, daß je engem dem Kreis ist, man sie mit desto größerem Verantwortlichkeitsgefühl macht. Deshalb wäre es gut, daß man

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sie auch zunächst num als Ratschläge macht. Auf diese Weise entwickelt sich am besten heraus, was einmal gewollt worden ist. Es wäre gut, wenn sich dies alles abwickelte, bevor wir morgen um 10 Uhr zusammenkommen.

Friedrich Rittelmeyer.: Wir haben uns eigentlich dahin verständigt, daß wir die ganze Konstituierung in Beratung mit Ihnen vornehmen wollen. Ein Rat, sie in irgendeiner Form vorzunehmen, wäre uns sehr erwünscht, bevor wir den Kreis fragen.

Rudolf Steiner: Gut, dann machen wir es so. Wir können ja diese Handlung, von der wir gesprochen haben, um 10 Uhr vornehmen, und was Sie im engsten Kreise als Um-Vorschläge haben, können wir dann im Anschluß an die Handlung morgen beginnen.

Emil Bock schlägt vor, um schneller zu einem Abschluß zu kommen, die Ergebnisse der Beratung noch am selben Tage Herrn Dr. Steiner mitzuteilen, der damit einverstanden ist:

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V Sonntag, 10. September 1922, vormittags und nachmittags

[Teilnehmeraufzeichnungen: Die Gemeinschaft der Begründer gab an die­sem Tag ihrer Leitung die folgende Struktur: Sie ernannte zu Oberlenkern:

Friedrich Rittelmeyer, Emil Bock und Johannes Werner Klein, ferner Ger­trud Spörri zum Titularoberlenker; und zu Lenkern: Friedrich Doldinger, Johannes Perthel und Alfred Heidenreich.

Zur Zusammenkunft an diesem Vormittag brachte Rudolf Steiner zwei Christus-Bilder mit - Bild des Redentore von einem unbekannten Meister aus der Mailänder Galerie Brera und Bild des Gekreuzigten von Matthias Grünewald (Karlsruhe). - Die Bilder wurden übereinander an der Tafel aufgehängt, und auf dem davorstehenden Redneipult mit Hilfe eines Brettes und mit Tüchern ein Altartisch improvisiert, auf welchen ein Leuchter mit sieben Kerzen gestellt wurde.

Vom Stenographen sind nur die folgenden Worte Rudolf Steiners festge­halten worden:]

Zunächst wird das Bild als Symbolum dem mit diesem Zeremonie wirksamen Kraft da sein, und wir werden die Weihe, dem sonst ein solches Bild unterliegt, eben heute dadurch ersetzen, daß wir gewissermaßen im Geiste für einen Augenblick für eine Zeremo­nie dieses Bild weihen, indem wir die Worte sprechen:

Die Kraft, das Wort und das Licht des Christus wirke, schaffe und leuchte in dem, was seine Getreuen heute hier tun.

Der Vatergott sei in uns,

Der Sohnesgott schaffe in uns,

Der Geistgott emleuchte uns.

[Die nun folgende Angelobung der Priester wurde vom Stenographen nicht mnitgeschrieben.

Am Nachmittag wurde die Angelobung fortgesetzL Anschließend hielt Rudolf Steiner folgende kurze Ansprache:]

Meine lieben Freunde! Ihr habt die Angelobung geleistet vom Gottes und Christi Angesicht und in dem Anrufung des Gottesgeistes,

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um zu sein Diener des Wortes. Wenn Ihr mit derjenigen Gesinnung, die gelegen hat in den Worten, die aus Eurem Haupte, Eurem Herzen und aus Eurem ganzen Menschen eben zu dem Christus hin gesprochen worden sind, wenn Ihr wirken werdet mit dem ganzen Geist dieser Worte, werdet Ihr in würdiger und rechter Weise Euer Amt verwalten können. Ihr müßt nur das, was als Geist in diesen Worten gewaltet hat, in Euren Herzen, in Eurem Haupte, in Eurem ganzen Menschen bewahren, in jeder Stunde Eures künftigen Erdendaseins, indem Ihr wirken werdet und wirken wollet zum Heile von Menschenseelen. Dies ist das, was in diesem Augenblicke ausgesprochen werden muß, indem wir dazu anrufen

Christi Kraft und Christi Wort und Christi Licht,

daß sie uns durchdringe,

daß es uns erfülle,

daß es uns erleuchte.

Und aus diesem Geiste heraus soll ich Euch raten zu alle dem, was Ihr hier inaugurieren wollt und Euch jetzt noch hinweisen auf den Sinn, der, gewissermaßen substantiell, das Ganze Eures Wirkens durchdringen soll so, daß Ihr fühlet: Ihr dürft wirken aus einem anderen Lichte heraus, als dasjenige ist, das Eure äußeren Augen schauen; Ihr dürft wirken aus einem Lichte, das den inneren Menschen erkraftet. Und Ihr werdet auch immer mehr und mehr fühlen, wie das Wort sich belebt und beflügelt, das zum Menschen gesprochen werden muß, wenn der im Herzen des Menschen wohnende Christus dieses Wort durchpulst, wenn er die Seele und der Geist dieses Wortes ist. Und das sollt Ihr fühlen, wenn Ihr hintretet vor die Gemeinde. Tretet Ihr hin vor die Gemeinde, so sollt Ihr fühlen:

Christi Kraft, Christi Wort, Christi Licht

wirken in mir, auf daß das, was von mir kommt,

im Sehenden lebe, auch wenn ich selbst blind bin.

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Diese Bescheidenheit unseres Bewußtseins müssen wir in uns tragen, damit all das, was ja in natürlicher und selbstverständlicher Weise im Erdenmenschen schwach ist, verstärkt werde durch die Kraft der uns innewohnenden Christus-Wesenheit. Dadurch wird unser Wirken ausgehen in seinem Geiste von dem Mysterium von Golgatha. Und Diener des Wortes, Diener des Wortes Christi, Diener des Christus selbst seid Ihr auf diese Weise.

Dies ist das, was Ihr hinzubedenken sollt zu Eurer Angelo­bung. Das ist es, was ich Euch, wenn ich Euch ein wirklicher Rater zu allen euren Taten sein soll, heute in dieser Stunde noch einmal kräftig ins Gedächtnis einschreiben soll.

Zu jedem einzelnen, zuerst zu den drei Oberlenkern, dann zu dem Titular­oberlenker und den drei Lenkern, dann zu den anderen [Wiedergabe nach der Handschrift Rudolf Steiners]:

Bedenke dies

Und auch wenn du durch dein äußeres Auge

blind wärest

Das Licht Christi in deinem Herzen leuchte.

Zu allen:

Dies alles haben wir recht bedacht, recht gefühlt, und wcr­den es recht wollen!

Die drei Oberlenker

Ja, so sei es (dreimal)

Der Titularoberlenker und die Lenker:

Ja, so sei es (zweimal)

Die anderen:

Ja, so sei es (einmal)

Rudolf Steiner:

Ja, so sei es

Ja, so werde es

Ja, so soll es immer sein.

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VI Montag, 11. September 1922, nachmittags

Meine lieben Freunde! Wir haben uns also zunächst vorbereitet in bezug auf die Ausgestaltung der Gesinnung und der Seelenver-fassung für das Amt des Seelenpflegers, des Seelenhirten. Bevor wir nun auf der Grundlage des Geschaffenen weitergehen, müssen wir uns über einiges ganz klar werden, weil die ganze Auffassung, in die Sie dadurch eingetreten sind, daß Sie gewissermaßen Ihr Ich in ein unmittelbares Verhältnis zur geistigen Welt gestern gestellt haben, eine solche ist, die schon ein einem gewissen Sinne eine geisteswissenschaftliche Grundlage notwendig macht.

Es handelt sich darum, daß ja der Begriff des «Priesters» - den Namen werden wir später noch finden - wie ich in meinen ersten Auseinandersetzungen gesagt habe, auf etwas anderes hindeutet als auf das, was in der heutigen evangelischen Auffassung gegeben ist. In dieser ist der Priester doch mehr ein Lehrer. Nun handelt es sich darum, daß es ja in einer gewissen Weise gerechtfertigt erscheinen muß, sich zu unterscheiden von dem gewöhnlichen Laien. Diese Rechtfertigung könnte es gar nicht geben, das heißt, was wir gestern getan haben, wäre eine ungerechtfertigte Tat, wenn nicht die ganze Auffassung Ihres Berufes in eine geistige Atmosphäre, wenn ich so sagen darf, gerückt würde. Und da müssen wir fragen: Können wir den Begriff der «Gemeinde» oder, wenn wir das alte Wort gebrauchen, der «Ecclesia» zu einem realen machen?

In den Gemeinden, die in der neueren Zeit begründet worden sind, auch wenn ein anderes Wollen vorlag, war ja diese Gemeinde im wesentlichen eine Vereinigung aus einzelnen Personen, und außer diesen einzelnen Personen ist eigentlich nichts anderes da, dessen man sich ganz bewußt wäre. Nun müssen Sie sich einmal erinnern - was ich jetzt sage, ist nicht mit der Absicht einer Theorie gesagt, sondern damit es Ihr Wirken durchdringe, weil dieses Wirken erst dadurch zu einem rechten wird -, Sie müssen

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sich einmal erinnern, daß ja alles Höhere, was sich in einer menschlichen Urzeit ausgelebt hat durch die einzelnen Menschen, uns zurückführt auf den Begriff einer Gruppen- oder Artseele. Nur war es in älteren Zeiten eben so, daß Menschengruppen durch die Blutsbande als Stämme oder später als größere Bluts-gemeinschaft, Verwandtengemeinschaft zusammengebunden wa­ren. Aber was da zusammengebunden war, das war nicht so, daß man es einfach hätte zählen können: eins, zwei, drei und so weiter als soundsoviele einzelne Menschen, sondern es war eine Ge­meinschaft. Niemals wurde im Mysterienwesen eine solche Ge­meinschaft als eine bloße Summe von Menschen aufgefaßt, son­dern sie wurde so aufgefaßt, daß ein realer Gemeinschaftsgeist da ist, als nicht inkarniert auf der Erde, der aber immer gegenwärtig ist, wenn es sich darum handelt, daß etwas aus der Gemeinschaft heraus geschehen soll.

Über diese Art, mit dem Geistigen in Zusammenhang zu sein, ist ja die Menschheit hinausgewachsen. Aber es liegt im Sinne dessen, was vom Mysterium von Golgatha ausströmt, auf einer höheren Stufe die Menschheit wieder zurückzuführen zu Verei­nigungen, die realen Gemeinschaftsgeist haben, so daß sie etwas entwickelt, wodurch eine Wesenheit aus höheren Welten, im Sin­ne des Christentums ein Diener des Christus selbst, herabsteigt. «Diener des Christus» heißt in diesem Falle: ein Teil des Christus, so daß die Gemeinde nicht allein ist, sondern ein Teil des Christus da ist. In den Zeiten, als das Blut das Gemeinsamkeitsband gegeben hat, war das Hinneigen zu dem Geistigen ein instinktives und bedingt durch physische Grundlage. Im Sinne des Christen­tums muß das alles zu einem geistigen Niveau heraufgehoben werden. Die Menschen müssen fühlen: wenn sie sich mit freiem Willen versammeln in der Ecclesia, so bedeutet dies, daß sie in gewissem Sinne nur Glieder sind eines gemeinsamen feineren Leibes, der aber auch wirklich beseelt und durchgeistigt ist, und derjenige, der der Priester ist, fühlt sich dann als Träger dieses Gemeinschaftsgeistes. Es ist also nicht bloß eine verstandesmäßige, theoretische, symbolische Rede, wenn in den Ritualformen immer

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wieder auf das Reale der Gegenwart des Geistigen hingewiesen wird, wenn gewissermaßen in die Gemeinschaft der Gläubigen, in die «Ecclesia» das hereingerufen wird, was aus geistigen Welten sich herunterlebt. Deshalb ist es notwendig, daß bei der Wirk­samkeit des Priesters auch äußerlich hervortrete die Abstreifung des Persönlichen. Der Priester hört bei den wichtigsten gottes­dienstlichen Handlungen eigentlich auf, in seiner Persönlichkeit eine Bedeutung zu haben. Er ist da wirklich ein Diener des Wortes, nicht ein Lehrer des Wortes, er ist ein Übertrager des Wortes aus göttlichen Höhen in das irdische Dasein. Und das Bekleiden mit den Kultusgewändern hat eben den Sinn des Aufgebens der Persönlichkeit und des Erscheinens als ein Re­präsentant einer höheren Ordnung, als es die Menschenordnung auf Erden ist.

Daher konnen wir sagen: Indem im Meßopfer, in der Men­schenweihehandlung, begonnen wird mit dem Staffelgebet, dann vorgeschritten wird bis zur Lesung des Evangeliums, haben wir es, als mit dem ersten Teil der Messe, eigentlich erst zu tun mit einer Vorbereitung. Und wenn Sie sich erinnern an die ersten Worte des Ihnen gegebenen Staffelgebetes, so werden Sie da gleich die Worte finden: Lasset uns die Menschenweihehandlung würdig vollbringen. - Auf das «würdig» kommt es ungemein viel an in der Auffassung des Priesters. Der Priester muß jedesmal, wenn er zur Messe schreitet, sich bewußt werden, daß er um die Würdigkeit, die Messe zu vollbringen, erst ringen muß. In diesem Ringen nach der Würdigkeit, die Messe zu vollziehen, liegt eben die Abstreifung des Persönlichen. Der Priester ist in Priesterkleider gehüllt und schreitet in diesen zum Altar. Das heißt, was an ihm Mensch ist, irdischer Mensch, irdische Persönlichkeit in dieser bestimmten Inkarnation, das läßt er eigentlich völlig unberück­sichtigt. Er muß das Werkzeug werden für den Geist, der sich durch ihn aussprechen soll: Daher muß er eben versuchen, jedesmal von neuem, um die Würdigkeit zu ringen. Und dann heißt es [im Staffelgebetl: Aus der Offenbarung Christi, in der Verehrung Christi, in der Andacht an Christi Tat. - Das sind Worte, die im

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unmittelbaren Anschluß an Christi Tat, an das Mysterium von Golgatha, zum Ausdruck bringen und unterstützen sollen das Ringen nach einem unpersönlichen Wirken.

Das ist das, womit die Messe beginnen muß. Man muß sich klar darüber sein, daß die katholische Kirche weitgehende Irrtü­mer in dieser Beziehung großgezogen hat. Sie hat recht damit, daß die Persönlichkeit des Priesters nicht in Betracht kommt, aber sie rechnet vielfach nicht mit dem Ringen nach Würdigkeit und mit der Schwierigkeit, diese Persönlichkeit loszuwerden; und so ist in die römisch-katholische Auffassung die Ansicht eingezogen, daß es schließlich ja nichts mache, wenn der Priester persönlich ein sündiger oder selbst ein schlechter Mensch sei, denn in dem Augenblick, wo er zelebriert, komme seine Persönlichkeit nicht in Betracht, da wirke die geistige Kraft, die geistige Gewalt. Das hat die katholische Kirche mit einem außerordentlich großen spiri­tuellen Geschick in einseitiger Weise ausgebildet, und es ist das in das Bewußtsein der Gläubigen in hohem Maße eingezogen. Selbst die einfachsten, primitivsten Katholiken unterscheiden den Geist-träger, der durch die symbolischen Gewänder vor dem Gläubigen steht, von dem lebendigen Kleiderstock unter den Gewändern, zu dem ja mancher katholische Priester wird; der mag ein sündhafter Mensch sein, aber er zelebriert ja nicht, es zelebriert der Geist, für den er bloß der Träger ist. Für diese Art katholischer Auffassung fällt natürlich jene Beziehung weg, die doch da sein muß zwischen der individuellen Persönlichkeit des Priesters und seinem prie­sterlichen Amt. Das priesterliche Amt ist etwas, was durchaus aus den höheren Welten stammt. - Aber es geht ja nicht anders, als daß mindestens in die Sprache des Priesters das hineinwirkt, was er als individueller Mensch ist, daß in seine Sprache auch hin-einwirkt sein Herz und seine Gesinnung, daß er nach Würdigkeit strebt, als dieser eine persönliche Mensch in dieser priesterlichen Kleidung darinnenstecken zu dürfen. Deshalb ist es notwendig, eine richtige Auffassung der Weihe zu haben.

Was bedeutet denn eigentlich «weihen»? Wir kommen in dieser Beziehung nicht zu einem adäquaten Begriff, wenn wir einfach

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historisch das nehmen, was sich in den letzten Jahrhunderten herausgebildet hat. Wenn wir historisch vorgehen wollen, können wir das nur, wenn wir die Weihehandlungen, wie sie seit der Ur­offenbarung bestanden haben und wie sie durch das Christentum erneuert worden sind, dem Geiste nach ins Auge fassen. Was bedeutet dann «weihen», «initiieren»? Es bedeutet, daß herunter-gesenkt wird die geistige Welt über ein Irdisches, daß man also anzuschauen hat dieses Irdische als umhüllt von der geistigen Welt. Wir könnten also, wenn wir das symbolisch zeichnen

#Tafel 2

wollen, es in der folgenden Weise tun (es wird an die Tafel gezeichnet). Ich lege Wert darauf, Ihnen diese Sache ganz klar zu machen. Nehmen wir zum Beispiel ein älteres vorderasiatisches Mysterium. Da war, sagen wir der sechste Grad der des «Son­nenhelden», der siebente Grad der des «Vaters». Was bedeutet das? Nun, wenn diese Figur einen Menschen dieses sechsten Grades darstellt, so bedeutete seine Würde das, was von oben sich heruntersenkte und ihn von oben umhüllte. Er ging als irdischer Mensch herum, doch für seine Bekenner stellte er nicht das dar, was von der Erde geschaffen war, sondern das, was von der Sonne, das heißt von der geistigen Sonne geschaffen ist. «Weihen» heißt also: etwas von der Erde wegnehmen. Das Gewand, das der Priester trägt, es umhüllt, wenn es als geweiht anzusehen ist, gewissermaßen die irdische Persönlichkeit; der Betreffende ge­hört, wenn er das Gewand angezogen hat, der geistigen Welt an. Es gibt nur eines, was davon eine Ausnahme macht, das natürlich noch nicht da war, als die persischen Mysterien eingesetzt und verrichtet wurden, und das ist das folgende: Bei den älteren Mysterien werden Sie überall finden, daß die Weihehandlung darin besteht, ein Himmlisches herunterzurufen über ein Irdi­sches. Das, was dem Irdischen aufgeprägt wird, ist auf Erden nicht da. Eine Ausnahme machte nur der Christus Jesus, der auf der Erde da war und der bei der Abendmahlsfeier nicht das sagte, was ein alter ininierter Priester gesagt haben würde: Ich bringe dar das Brot als den Leib des himmlischen Geistes, ich bringe dar den Wein als das Blut des himmlischen Geistes. - Er würde es

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natürlich etwas anders eingekleidet haben, weil er nicht hätte sagen können «Leib» und «Blut», sondern «Ätherleib», «Äther-strömung» oder dergleichen, Worte, die heute nicht mehr klingen können, die aber damals bei der sakralen Sprache möglich waren. Die einzige Ausnahme ist das, was damals bei der Einsetzung des Abendmahls von Christus gesprochen wurden: Das ist mein Leib, das ist mein Blut.

Damit haben Sie den radikalen Gegensatz zu allem, was früher an Weihehandlungen da war. Wenn Sie auf die Weihehandlungen früherer Zeiten schauen, so werden Sie sich sagen müssen, diese Weihehandlungen beruhten durchaus auf der Möglichkeit eines Hereinwirkens überirdischer Geschehnisse in das irdische Gesche­hen; sie waren also magisch. Als der Christus Jesus auf die Erde gekommen ist, wurde er Mensch unter Menschen, und die Folge davon ist, daß das Bekennerverhältnis und das Vertrauensverhältnis zu dem Christus Jesus jetzt eine solche Macht wird, wie sie früher nur in der magischen Macht dagewesen ist. So also wird jetzt eine Menschenweihehandlung möglich, die einfach beginnt mit den Worten: Lasset uns die Menschenweihehandlung würdig vollbringen aus der Offenbarung Christi, in der Verehrung Christi, in der Andacht an Christi Tat. - Ein alter Priester hätte sagen müssen:

Lasset uns die Menschenweihehandlung würdig vollbringen in der Offenbarung außerirdischer Geistigkeit, in der Verehrung außer-irdischer Geistigkeit, in der Andacht an die außerirdische Geistig­keit. - Dessen muß man sich bewußt sein; dann kommt man dazu, eben im christlichen Sinne die Trinität richtig zu fühlen und richtig zu erleben, und das soll durch das Staffelgebet ausgedrückt werden, das dann eben die Fortsetzung ist in der würdigen Vorbereitung. Sie werden es jedem Satze anhören, daß gerungen wird nach einer richtigen Auffassung der Trinität.

Ich habe Sie schon früher darauf aufmerksam gemacht, daß das Johannes-Evangelium im Grunde genommen von den meisten Theologen nicht richtig verstanden wird, denn man nennt den Vatergott den «Schöpfer» und Christus, den Logos, bloß den «Erlöser». Im Johannes-Evangelium heißt es aber ausdrücklich:

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Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort. Dieses war im Urbeginne bei Gott. Alles ist durch dasselbe geworden, und außer durch dieses ist nichts von dem Entstandenen geworden. - Der Schaffende, der in der Welt Produzierende, der eigentliche Schöpfer ist der Sohnesgott, nicht der Vater, so daß eben die Trinitätsformel das Bekenntnis zu dem Sohnesgott als dem Schöpfer zum Ausdruck bringen muß. Der Vatergott muß als die allem zugrundeliegende Substanz, als das allem zugrundeliegende Sein empfunden werden; er muß emp­funden werden in dem Satz «Der Vatergott sei in uns», wie der Sohnesgott, der durch Christus auf die Erde gekommen ist, richtig verstanden wird durch: «Der Sohnesgott schaffe in uns». Das ist einfach das Richtige im Sinne des Johannes-Evangeliums, und nach einer solchen richtigen Auffassung der Trinität muß gerungen werden im Beginne eines jeden Messelesens.

Im Bewußtsein unserer Menschheit erfühlen wir den gött­lichen Vater.

Es wird unmittelbar hingedeutet auf das Sein mit diesem «erfüh­len wir den göttlichen Vater».

Er ist in allem, was wir sind.

Er ist die allem zugrundeliegende Substanz.

Unsere Substanz ist seine Substanz. Unser Sein ist sein Sein. Er geht in uns durch alles Dasein.

Also das Seiende in dem Vater ist das, was zum Bewußtsein gebracht werden muß. Dann schreitet man vor zu dem Bekennt­nis zum Sohnesgott:

Im Erleben des Christus in unserer Menschheit erfühlen wir den göttlichen Sohn. Er waltet als das Geist-Wort durch die

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Welt. Er schafft in allem, was wir schaffen. Unser Wesen ist sein Schaffen.

Also insofern in uns Schöpfung ist, sind wir geradeso wie alles andere durch das Wort entstanden, denn außer durch das Wort ist nichts von dem Entstandenen geschaffen worden.

Unser Leben ist sein schaffendes Leben. Er schafft durch uns in allem seelischen Schaffen.

Dann, wenn man das in richtiger Weise in sein Bewußtsein auf­genommen hat, kann man zu dem Geistgott, zu dem dritten Aspekt der Gottheit, das richtige Verhältnis gewinnen.

Im Ergreifen des Geistes durch unsere Menschheit erfühlen wir den heilenden Gott. Er leuchte als das Geist-Licht durch die Welt. Er leuchte in allem, was wir schauen. Unser Schauen sei durchtränkt von seinem Geist-Lichte. Unser Erkennen nehme er wohlgefällig in sein geistleuchtendes Leben auf. Er durchgeistige alles Walten unserer Men­schenseele.

Wir haben gesehen, indem zunächst probeweise die Men­schenweihehandlung vor unsere Seele getreten ist, daß oftmals das Wort wiederkehrt «Christus in euch», worauf der Ministrant spricht: «Und deinen Geist erfülle Er». Der Priester wendet sich dabei zur Gemeinde, und es ist ja unmittelbar verständlich, was getan werden soll mit dem Aussprechen des Wortes «Christus in euch». Indem der Ministrant als der Repräsentant der Gemeinde vor dem Priester steht, ist der Ministrant gewissermaßen derjenige, der anzeigt, wo der irdische Plan, das irdische Niveau beginnt. Er spricht für die Gemeinde, und die Worte «Und deinen Geist erfülle Er» sind nicht ein Befehl der Gemeinde, auch nicht ein Wunsch der Gemeinde; wenn die Worte im Konjunktiv gespro­chen werden, so bedeuten sie dasjenige, was von der Gemeinde

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eigentlich ausgeht. Verstehen Sie nun den ganzen Sachzusammen­hang und den Konjunktiv? Was stellt der Priester dar? Der Priester ist ja nur derjenige, der den Gemeinschaftsgeist in sich darstellt, repräsentiert. In was waltet denn dieser Gemeinschafts­geist als in seinem Leibe? In den Gläubigen, die da sind, in den Teilnehmern der Ecclesia. Das also, was die Gemeinde durch den Ministranten spricht, heißt: Christus erfülle deinen Geist, den Geist der Gemeinde. Also es wird eine Angelegenheit im Sinne des Gemeinschaftsgeistes der Gemeinde ausgesprochen; es wird abgelenkt von dem Menschlichen und hingelenkt zu dem Geistigen. «Und deinen Geist erfülle Er», dieses Wort in seinem Konjunktiv müssen Sie eben nur in der richtigen Weise verstehen. Auf solche Dinge kommt es durchaus an, es muß das Bewußtsein von diesen Dingen da sein.

Wenn diese Vorbereitung vorüber ist, dann kann in der Weise, wie es angedeutet worden ist, zu der Lesung des Evangeliums geschritten werden. Die Lesung des Evangeliums ist ja die Ver­kündigung des Gotteswortes durch den Priester. Die katholische Kirche fügt vor dem Evangelium an Festtagen noch das sogenannte «Gloria» ein. Es ist durchaus im richtigen Sinne die geistige Intention erfaßt, wenn Sie möglichst wenig Rücksicht - eigentlich gar keine - auf dasjenige nehmen, was erst im Laufe der Zeit aus dem römisch-katholischen Meßopfer geworden ist. Der Fortgang im Jahreslauf muß allerdings auch dadurch gekennzeichnet wer­den, daß im Laufe des Jahres die wichtigsten Abschnitte bei der Evangeliumlesung vor der Gemeinde gelesen werden, so daß man gewissermaßen das Evangelium aufteilt und den ganzen Vorgang von der Geburt Christi bis zur Himmelfahrt im Laufe des Jahres durch das Evangeliumlesen entwickelt, wobei es ja allerdings durchaus möglich ist, sich des einen oder des anderen Evange­liums zu bedienen. Das Richtigste ist, wenn Sie am Geburtsfeste Jesu, zu Weihnachten beginnen mit der Lesung des ersten Kapi­tels des Johannes-Evangeliums, und dann wieder bis Weihnachten so weit gekommen sind, daß im Laufe des Jahres das Evangelium durch Lesen der Messe absolviert ist.

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Zum weiteren Fortgang der Messe ist dann noch zu sagen, daß, nachdem die Transsubstantiation vollzogen ist und die Kommu­nion noch bevorsteht, dann der richtige Ort in der Messe ist, um das Ritual, das wir vor drei Tagen probeweise gelesen haben, zu unterbrechen und das Vaterunser einzuschalten. Es ist ja in bezug auf das Vaterunser bei allen Konfessionen in der neueren Zeit eine große Lässigkeit eingetreten. Das Vaterunser ist ursprünglich eigentlich ein Kompendium wichtigster Weltenwahrheiten, ge­spiegelt durch das menschliche Gefühl. Im evangelischen Be­kenntnis wird das Vaterunser in einer, ich möchte sagen durchaus nicht immer genügend vorbereiteten Art gesprochen. Denken Sie nur daran, welche Feierlichkeit vorliegt für das Sprechen des Vaterunsers, wenn die Transsubstantiation vorangegangen ist und das Vaterunser an dieser Stelle eingefügt wird. Ich will nicht sa­gen, daß das Vaterunser deshalb von dem Gläubigen nicht so oft wie immer möglich gebetet werden soll. Aber selbst das einfachste individuelle Gebet, wie es das Vaterunser ist, wird - bei allen Fehlern des Römisch-Katholischen - von dem Gläubigen würdiger gebetet dadurch, daß der römische Katholik das Vaterunser hört an einer wichtigen Stelle der Messe. Das gibt der ganzen Stimmung, in der das Vaterunser gebetet wird, eine gewisse feierliche Nuance. Die katholische Kirche hat allerdings verstanden, diese feierliche Nuance bei den Gläubigen gründlich zu vertreiben, indem bei der Beichte, wenn ein Beichtkind seine Sünden dem Beichtiger bekannt hat, dieser ihm dann sagt: Bete zur Buße jeden Tag fünf Vater­unser. - Dieses Tauschgeschäft zwischen Sünde und Vaterunser-beten ist natürlich etwas Furchtbares und entheiligt alles, was das Vaterunser an heiliger Färbung bekommt, wenn es während der Messe gehört wird und dadurch immer diesen feierlichen Grundton behält. Das, was in dieser Beziehung die katholische Kirche auch noch dadurch erreicht, daß sie ja in der dem Gläubigen nicht verständlichen lateinischen Sprache spricht, das können Sie, wenn Sie während der Messe das Vaterunser rezitieren, ersetzen durch die Gewalt, mit der das Vaterunser gesprochen wird, denn ein bloßes Hersagen des Vaterunsers entspricht eigentlich nicht dem

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Grandiosen, das in dem Vaterunser liegt. Obwohl hier auch nicht in der leisesten Art dafür Stimmung gemacht werden soll, daß irgend etwas an Magie Grenzendes getan werde - das hat ja die katholische Kirche erreicht durch die lateinische Sprache -, ist dennoch zu sagen, daß die lateinische Sprache in einer gewissen Beziehung sich auch für ein unmagisches Wirken erweist als nuancierend die tiefen Wahrheiten des Vaterunsers, die niemals trivial werden sollten. Eine gewisse Berechtigung hat es ja, daß der Gebrauch der lateinischen Sprache solange fortgesetzt wurde zu gewissen Zwecken, die die Menschheit hinauslenken sollten aus dem Persönlichen. Aber heute muß das, was durch die latei­nische Sprache im Vaterunser gegeben werden konnte, bei dem Vor-der-Gemeinde-Beten des Vaterunsers ersetzt werden durch die Gewalt des Sprechens. Der Gläubige muß das Vaterunser bei der Kultushandlung, gerade weil es sein tägliches Gebet ist, in einer über das gewöhnliche Sprachmaß hinausgehenden Weise hören. Die lateinische Sprache hat ja das Vaterunser so nach­gebildet, daß es in einem gewissen Sinne ein Mantram ist:

Oremus. Praeceptis salutaribus moniti et divina institutione

formati, audemus dicere:

Pater noster, qui es in coelis:

sanctificetur nomen tuum:

adveniat regnum tuum:

fiat voluntas tua, sicut in coelo et in terra.

Panem nostrum quotidianum da nobis hodie,

et dimitte nobis debita nostra,

sicut et nos dimittimus debitoribus nostris.

Et ne nos inducas in tentationem.

Sed libera nos a malo.

Es muß von dem, was im lateinischen Vaterunser schon in einer mantrischen Weise da ist, wieder etwas übergehen in das Vaterunser, wenn es in der Messe an der Stelle zwischen der

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Transsubstantiation und der Kommunion gebetet wird. Wir wer­den ja bei der nächsten Messe-Probe diese Dinge noch einfügen in die Messe.

Die Messe wird jeder von Ihnen lesen. Damit ist zugleich das ausgedrückt, was aus jedem der Priester einen dem anderen Priester gleichen vor der geistigen Welt macht. Es ist dies die im Geiste aufgefaßte höchste Form des Demokratischen. So ist dasjenige, was im Geiste zu geschehen hat durch die Gemeindebildung, mit der Darbringung des Meßopfers erfüllt, und es ist im Sinne des Christentums die Priesterweihe eigentlich die einzige Form der Initiation. Die anderen, nicht unmittelbar im Christlichen ste­henden Kultusgemeinden, vor allen Dingen die alten Kultus­gemeinden, hatten die Grade, die Grade innerhalb der geistigen Hierarchienordnung. Man kann in einer gewissen Beziehung auch heute noch solche Grad-Initiationen einführen, sie haben ihren guten Sinn. Nur innerhalb einer christlichen Gemeindeleitung durch eine christliche Priesterschaft können sie eigentlich nicht eingeführt werden. Daher ist das, was in der christlichen Prie­sterschaft höhere Stufen sind, anders aufzufassen denn als höhere Grade. Als Priester stehen sich alle gleich. Aber was hineinkommen muß in die Kirche, das sind die menschlichen Verhältnisse. In­nerhalb der menschlichen Verhältnisse brauchen wir eine Stu­fenfolge der Ämter; so daß also da, wo einer christlichen Ge­meinschaft der recht verstandene Kultus zugrundeliegt, «Leitung» und «Oberleitung» und so weiter sich auf die Ordnung der Gemeinschaften auf Erden bezieht. Das muß sehr genau unter­schieden werden. Die katholische Kirche hat nicht verstanden, diese Unterscheidung in der richtigen Weise zu vollziehen, sonst hätte sie zum Beispiel die Jugendfeier, die Firmung, nicht als ein Monopol der bischöflichen Würde ansehen dürfen. Es müßte jeder Priester die Firmung erteilen können. In diesen Dingen müssen strenge Auffassungen herrschen. Sie sehen in der Ge­schichte manchmal die strengeren Auffassungen durchblicken, zu gleicher Zeit aber sehen Sie daneben in der Geschichte die Konfusionen.

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Unsere Zeit ist so weit vorgeschritten in der Menschheitsent­wickelung, daß Sie, meine lieben Freunde, sich Konfusionen nach dieser Richtung nicht werden gestatten dürfen. Sie werden sich zum Beispiel ganz streng folgendes sagen müssen: Wenn wir die Sache so machen, daß nun ein Priester unter uns zuerst als ge­weihter Priester erscheint und dieser die anderen weiht, so wer­den ihm in bezug auf die Weihe alle gleich. Ist er dazu Oberlenker, so liegt darin, daß er den anderen die Weihe erteilt, nicht irgend etwas Übergeordnetes. Er erteilt die Weihe den anderen, weil er eben schon Priester geworden ist. Was aber dazukommt, das ist, daß mit der Weihe zugleich der Priester in das Amt eingesetzt wird, und das ist eine irdische Tat; das ist, wenn ich es mit einem profanen Wort bezeichnen darf, eine Verwaltungstat; die muß dazukommen. So kann man zum Beispiel sagen: Da der, welcher zum Oberlenker eingesetzt ist, auch eine Überschau hat, wie die einzelnen Priester, die geweiht werden sollen, gebraucht werden, so ist es das einfachste, wenn er zu gleicher Zeit die Weihen besorgt, aber die Weihe zum Priester besorgt er als Priester, die Einsetzung ins Amt als Oberlenker. Das tönt in der Geschichte durch in jenem berühmten Investiturstreit, wo in der Art und Weise, wie die Historiker darüber reden, etwas furchtbar Konfuses zum Vorschein kommt, während eben beachtet werden muß die Unterscheidung zwischen weltlichem Amt, weltlicher Amtsertei­lung und der Einreihung in eine geistliche Ordnung. Man konnte eben nicht ordentlich unterscheiden die Erteilung der priesterli­chen Würde und die Erteilung des Amtes. Sie werden sehen, wenn die richtige Auffassung von diesen Dingen gleich von Anfang an unter Ihnen Platz greift, dann haben Sie eine Art Kitt geschaffen für all Ihr Zusammenhängen, der Ihnen sonst fehlen würde.

Was ich heute noch sagen möchte in bezug auf das Lesen der Messe, ist, daß die Einfachheit der vier Hauptteile erhalten werden sollte und nur bei den wichtigsten Jahresfesten und bei bestimmten anderen Gelegenheiten noch Einfügungen da sein müssen, von denen wir in den nächsten Tagen dann sprechen. So muß natürlich eine Weihnachtsmesse in den Teilen, die nicht die

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Hauptteile sind, noch etwas Besonderes enthalten, ebenso eine Ostermesse, eine Pfingstmesse und eine Messe, die für einen Toten gehalten wird oder eine Messe, die als ein irgendwie sonst gedachtes Fest angesehen wird.

Das ist es, was ich Ihnen heute sagen wollte.

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VII Dienstag, 12. September 1922, nachmittags

Durch Herrn Dr. Rittelmeyers Unpäßlichkeit ist es heute nur möglich, daß wir die Zeremonie, die wir sonst absolviert hätten, besprechen. Es liegt ja in der Natur der Tatsachen, daß, solange nicht alle Gerätschaften und Gewänder zur Stelle sind, wir man­ches nicht in aller Vollständigkeit machen können. Aber das ist auch nicht das Wesentliche, sondern es ist für uns ja das Wesent­liche, daß der Geist in demjenigen waltet, was wir hier vollbrin­gen, und so möchte ich Ihnen heute eben eine Art Vorbespre­chung davon geben.

Es handelt sich ja um eine Zeremonie, die sich abspielen soll für jeden einzelnen vor dem gesamten Auditorium; und wenn ich den Sinn dieser Zeremonie darstellen soll, so muß ich sagen: Diese Zeremonien, die von uns nach und nach vollzogen werden, bedeu­ten das allmähliche Priester-Werden. Heute würde die erste Etappe betrachtet werden. Da ist zunächst zu berücksichtigen, daß ja in dem Kultus, der Ihnen obliegen wird, das Menschenweiheopfer überall den Mittelpunkt bildet, so daß immer alles auf das Men­schenweiheopfer zurücktendiert. Sie müssen sich darüber klar sein, daß in der modernen Religionsauffassung ja die mehr äußerliche Auffassung des Menschenweiheopfers die übliche ist. Da faßt man eigentlich das Menschenweiheopfer nur auf als eine Art Nachwirkung des Abendmahles, das der Christus Jesus mit seinen Jüngern ge­pflogen hat, während die Messe, das Menschenweiheopfer, im Grunde ein fortwährendes Geschehen ist, das ausfließt von dem Mysterium von Golgatha. Denn in der Verkündigung des Evan­geliums, in der Opferung, in der Transsubstantiation, in der Kom­munion liegen die gesamten geistigen Geschehnisse - durch äußere Kultushandlungen ausgedrückt -, die eine Fortsetzung, eine Fort­dauer des Wirkens des Mysteriums von Golgatha sind.

Nun handelt es sich darum, daß jedes wirklich christliche Wirken an das Mysterium von Golgatha sich anschließen soll,

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sich in es hineinstellen soll. Daher ist es ganz naturgemäß, daß in das Menschenweiheopfer alles dasjenige eingeschlossen ist, was sonst innerhalb der christlichen Gemeinschaft geschieht. Gewis­sermaßen ist für alles das, was gültig geschieht, das Menschen­weiheopfer die Umhüllung. Auch für die Priesterweihe. Man könnte sagen, man liest eine Messe, in die eben die Priesterweihe eingeschlossen ist, bei der die Priesterweihe ein Bestandteil ist. Denn diese Messe ist in ihrem Grundstock dieser viergliedrige Aufbau von Evangeliumlesung, Offertorium, Transsubstantiation und Kommunion, und innerhalb dieser Teile können nun die verschiedensten Weihehandlungen geschehen, so auch die Prie­sterweihe. So daß also, wenn die Priesterweihe vollendet ist, man eine Messe gelesen hat, die in ihrer eigenen Substanz die Prie­sterweihe in sich enthalten hat. In diesem Sinne muß man auch das Menschenweiheopfer auffassen. Es umschließt alles. Es um­schließt alle Mysterien des Christentums in einer spirituellen, aber realen Gegenwart.

Und so würde dann der erste Teil der Priesterweihe sein, daß begonnen wird in der Art, wie das schon vor Ihnen gezeigt worden ist, vor dem Altar mit dem Staffelgebet:

Lasset uns die Menschenweihehandlung würdig vollbringen aus der Offenbarung Christi, in der Verehrung Christi, in der Andacht an Christi Tat.

Der Vatergott sei in uns

Der Sohnesgott schaffe in uns

Der Geistgott erleuchte uns.

Wenn heute schon die Weihe begonnen worden wäre, würde es notwendig sein, daß, gewissermaßen unmittelbar durch meine Vermittlung, Rittelmeyer aus der geistigen Welt heraus diese Weihe empfangen hätte; er würde sie dann weitergeben an die anderen. Es würde also zunächst Dr. Rittelmeyer hier gesessen haben, mit dem Gesicht zum Altar gewandt. Ich würde stellver­tretend gewissermaßen aus der geistigen Welt heraus das geholt

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haben, was sonst in persönlicher Handlung zu vollziehen ist. Vom Zweiten an wird ja alles in persönlicher Handlung vollzogen. Es würde einer der Lenker ministriert haben.

[Nun wird die Menschenweihehandlung bis zum Evangelium vorgelesen, verbun den mit den Worten der Priesterweihe (vgl. Seite 53ff und Faksimiles auf den Seiten 97 - 99, sowie GA 343, Seite 414f), sodann:]

Der Zelebrierende: Es wird nun verkündet zum ersten Male, aus diesem Geiste heraus, durch deinen Mund, das Evangelium nach Johannes im ersten Kapitel.

Der zu Weihende liest nun das Evangelium «Im Urbeginne war das Wort . . . » bis «. . . ist der Führer in diesem Schauen geworden».

Der Zelebrierende: Wir erheben unsere Seele zu Dir, 0 Christus.

Der zu Weihende: Das Wort des Evangeliums löscht aus, was unrein in unseren Worten lebt.

Meine lieben Freunde! Das wäre im wesentlichen der Inhalt des ersten Teiles der Weihe. Der zweite Teil würde dann folgen, wenn das Credo gesprochen ist und das Offertorium gesprochen ist, unmittelbar vor der Transsubstantiation. Wir werden dann, wenn die Sache real werden kann, die Weihe zuerst auf Rittel­meyer übertragen, dann wird Rittelmeyer sie weiter auf die anderen übertragen. Dadurch werden wir den Vorgang zu einem realen machen.

Damit wollen wir uns heute begnügen.

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VIII Mittwoch, 13. September 1922. nachmittags

[Der Verlauf dieser Zusammenkunft wurde vom Stenographen nur sehr lückenhaft festgehalten.]

Rudolf Steiner: Wir werden morgen zur Zeremonie wiederum den Leuchter und das Christus-Bild brauchen. Indem Sie (zu Fried­rich Rittelmeyer gewendet) dann die Zeremonie ausführen, leben Sie sich auch in diese hinein. Heute soll das gestern Gebrachte so wiederholt werden, daß Sie zunächst einmal darinnenstehen, und dann werde ich die Zeremonie fortsetzen können. Sie soll heute nicht zu Ende geführt werden, aber wir werden sehen, daß sie eine Etappe weitergebracht werden kann. Morgen werden wir nötig haben: ein Rauchfaß, die beiden Christus-Bilder, dann das Öl und die zwei Wasserkännchen mit einem Tablett und den Kelch. Brot können wir ja formen. Das müßten wir doch morgen dann haben.

Heute werde ich versuchen, alles vorläufig aus dem Geiste herauszuholen, und es braucht niemand zu denken, daß da­durch die Zeremonie nicht vollständig ist, weil einige Dinge, die drum und dran hängen[, noch fehlen]. Dr. Rittelmeyer wird sich in die Dinge schon hineinfinden. Ich habe schon gestern gesagt, wie die ganze Zeremonie zu denken ist. Es ist nicht möglich - es ist mir viel durch die Seele gegangen -, die Prie­sterweihe in [der im vergangenen Jahr angedeuteten] einfachen Weise durchzuführen; [wir führen sie so durch,] wie sie jetzt geoffenbart ist aus der geistigen Welt. Und so werde ich [den Anfang] in einem gewissen Grade ausführen, dann kann unter meiner Assistenz morgen Herr Dr. Rittelmeyer die Zeremonie weiterführen.

Das erste wird sein, daß Sie hier die Gewänder zur Verfügung stellen; zunächst ist die Aufgabe, die Gewänder selbst zu weihen, damit sie geeignet erscheinen mögen zu dem Ziel, zu dem sie

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dienen werden. Das kann in diesem Falle so geschehen, daß ich den Segen über sie versuche herabzurufen:

Im Namen des Vatergottes, der da sei in uns, Im Namen des Sohnesgottes, der da schaffe in uns, Im Namen des Geistgottes, der da erleuchte uns:

Die Kraft, die in allem Wirken derer sein soll, die sich hier dem göttlichen Dienste widmen, die Kraft Christi soll versinnlicht sein durch diese Gewänder.

Es werden nun Friedrich Rittelmeyer Talar und Alba angelegt sowie Ger­trud Spörri das Ministrantengewand.

Nun wird der erste Teil der Menschenweihehandlung gelesen [in der zur Priesterweihe erweiterten Form, wie dies bereits am Vortage angedeutet worden war: Dabei wird Friedrich Rittelmeyer die Stola übergeben: Danach liest er das Evangelium Johannes 1, 1-14 vor.]

Rudolf Steiner: Ihr lieben Freunde! Wir haben den ersten Teil der Weihehandlung vollzogen. Da die Weihehandlung ja heute nicht zu Ende gebracht wird, so wird es gestattet sein, den zweiten Teil ohne den wirklichen Vollzug der Zeremonie im Geiste hier aus­zuführen, und das soll sich nun an den ersten Teil anschließen. Es wird so, wie ich anzunehmen berechtigt bin, eine vollgültige Handlung nunmehr ausgeführt werden.

[Das Offertorium wird nun durch Rudolf Steiner vorgelesen (vgl. GA 343, Seite 416ff), verbunden mit den Worten der Priesterweihe (siehe Faksimile Seite 100), wohei Friedrich Rittelmeyer die Casula übergeben wird.]

Rudolf Steiner: Nachdem das Wort zu Dir gesprochen ist, das die Kraft gibt, habe ich Dich zu erkraften mit dem Symbolum des Lesens der Menschenweihehandlung.

[Rudolf Steiner übergibt Pfarrer Dr. Rittelmeyer die Casula. Es folgt drei-mal die Formel: Der Vatergott ...]

Rudolf Steiner: Damit ist der zweite Teil der Weihehandlung vollzogen. Der zu Weihende hat damit die Kraft bekommen,

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denjenigen Teil der Messe aus voller Rechtfertigung heraus zu lesen, der eben bis zu dieser Stelle hierher gelesen worden ist. Und es wird morgen zu erfolgen haben die Weihe der nächsten von Euch durch den eben Geweihten, und der eben Geweihte wird unter Beendigung des Meßopfers morgen die Vollendung der Weihe empfangen. Dann wird er morgen die Weihehandlung vollziehen, und es wird etappenweise das Weihen der Seelenhirten sich nach und nach vollziehen.

Es handelt sich dann darum, daß die Fortsetzung in der Art erfolgt, daß nunmehr zelebriert wird die Transsubstantiation, daß nach der Transsubstantiation das Paternoster gebetet wird, und nach dem Beten des Paternoster, vor der Kommunion, wird der dritte Teil der Priesterweihe morgen an dem eben Geweihten vollzogen werden. Wir werden aber morgen zunächst die weite­ren Weihen vornehmen, und für jeden wird die Weihe in gleicher Weise zu Ende geführt. Also nachdem der heute Geweihte die Weihe vollständig empfangen hat, wird er wiederum die Weihe für die anderen fortsetzen, so daß die vollständige Weihe zum Seelenhirten jeder von Euch von hier forttragen wird.

Das ist dasjenige, was ich heute zunächst mit Euch vollziehen wollte. Jetzt wollen wir die Handlung schließen, damit unser lieber Herr Dr. Rittelmeyer sich noch etwas erholen kann. -Morgen um ein Viertel vor drei Uhr.

Es folgt noch die Beantwortung einiger Fragen durch Rudolf Steiner. [Die Fragen selbst wurden vom Stenographen nicht notiert.]

- Derjenige, der die Weihehandlung vollzieht, muß das Gewand tragen.

- Das Öl, das eben verwendet worden ist, können Sie so aufbe­wahren, daß es bleibt zu diesem Zwecke und nicht sonst verwen­det oder gar weggeschüttet wird.

- Wir können gewöhnliches Brot verwenden.

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- Ein Kelchglas könnte benützt werden, ein kelchartiges Glas, einfaches weißes Glas, das ein bißchen unten weit ist.

- Reife Trauben auspressen? Es kann uns genügen ein achtel Liter. Man braucht nur geringfügige Tropfen verwenden. Reife Trauben sind richtig sogar.

- Es braucht nur einer zu Recht geweiht zu sein, und der kann die Weihe weitergeben. Jeder, der zum Priester geweiht ist, kann die Weihe weitergeben.

- Sie müssen jederzeit die Möglichkeit haben, den Kultus zu halten.

- Die Zeremonie, die nach dem Staffelgebet vollzogen wird, muß für jeden einzelnen sein, ebenso die Zeremonie mit dem Salben nach dem Offertorium

- Die Weihehandlung selbst wird so oft eingefügt, als zu Weihende da sind. Es wird die Messe gelesen bis zum Evangelium, dann wird die Handlung, die auf das Evangelium als eigentliche Wei­hehandlung folgt, so vollzogen, daß jeder das Evangelium liest, dann wird wiederum das Offertorium absolviert, dann folgt die kurze Weihehandlung mit dem Salben.

Auf den folgenden Seiten werden die Worte der Priesterweihe in. der Handschrift Rudolf Steiners (verkleinert) wiedergegeben.

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#Bild s. 97-102

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[Vom 14. und 15. September 1922 liegen keine stenographischen Aufzeich­nungen vor.)

IX Samstag, 16. September 1922, vormittags

[Teilnehmeraufzeichnungen: In Anwesenheit Rudolf Steiners zelebriert Friedrich Rittelmeyer die Menschenweihehandlung zum erstenmal vollstän­dig. Marta Heimeran ministriert. Während dieser Weihehandlung wird durch Rittelmeyer zugleich die Weihe der ersten zwölf Priester vollendet. Damit sind die ersten 13 UTpriester geweiht.]

Rudolf Steiner: Es ist eine erste Menschenweihehandlung hier be­gangen worden. Von dieser ersten heiligen Menschenweihehand­lung möge wirklich ausgehen all diejenige Kraft des Wortes, all diejenige Kraft der Tat und all diejenige Kraft der Heilsamkeit, die gehen soll, meine lieben Freunde, durch die Gemeinschaft, die Ihr als Ganzes gründet, durch die Gemeinden, die Ihr als einzelne gründen werdet. Ihr müßt die ganze Bedeutung und Wichtigkeit dieser Tatsache einsehen. Ihr müßt bedenken: Die katholische Kirche, die sich als die allein rechtmäßige ansieht, führt nur auf eine historische Tradition die Berechtigung zurück, solch eine Men­schenweihehandlung richtig zu begehen, nämlich darauf, daß die­jenigen, die sie begehen, immer geweiht worden sind von anderen, die wiederum von anderen geweiht worden sind, und so hinauf durch alle Jahrhunderte bis zu dem Ereignis von Golgatha. Und der erste Weihende war der Christus selber, der die Menschenweihe­handlung mit seinen Aposteln vollzogen hat. Auf diese apostolische Sukzession führt die katholische Kirche die Berechtigung zurück, die Menschenweihehandlung zu vollziehen.

Die evangelische Kirche hat es aufgegeben, diese Menschenwei­hehandlung zu vollziehen, und sie hat damit den Keim der Atomi­sierung und der Verweltlichung gelegt und sich beschränkt auf die Lehre und die Nichtvollziehung einer wirklichen Weihehandlung.

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Alles dasjenige, was ohne eine wirkliche Weihehandlung nicht ge­schehen kann, kann daher auch durch die evangelische Kirche nicht geschehen. Die katholische Kirche aber hat die lebendige Kraft, welche in der Menschenweihehandlung ist, veräußerlicht, indem sie die Kirche verobjektiviert hat und der Priester innerhalb der Ze­lebrierung eigentlich sich bloß als ein Träger dessen gibt, was magisch innerhalb der Menschenweihehandlung geschieht. Dadurch wird alles, was in der evangelischen Kirche sich abspielt, eigentlich weggenommen von demjenigen, was der Christus Jesus eingesetzt hat. Der Christus Jesus wird zwar zu dem einzigen Weltenlehrer, zu dem einzigen Menschheitslehrer gemacht, der aus göttlichen Höhen heruntergestiegen ist, aber er wird nicht als derjenige verehrt, der eine durch alle folgenden Erdenkreise fortwirkende Handlung im Mysterium von Golgatha inauguriert hat. Denn dieses Fort­dauerende der Handlung, die mit dem Mysterium von Golgatha inauguriert ist, das ist ja das Wesentliche, welches zugrundeliegt auch dem Veräußerlichten, das die katholische Kirche hat als apostolische Sukzession. So kann man sagen, daß die evangelische Kirche zwar lange Zeit mit guten Kräften gearbeitet hat. Aber aus den Zeichen, in die sie eingetreten ist in dieser Gegenwart, und die Euch, meine lieben Freunde, dazu geführt haben, aus dieser Kirche heraus nach einer Neubelebung des religiösen Lebens zu suchen, geht klar hervor, daß die evangelische Kirche, wenn sie nicht eine Erneuerung des christlichen Lebens sucht durch Aufnahme des­jenigen, was lebendig in der von dem Mysterium von Golgatha ausgehenden und sich in allen weiteren Erdenkreisen vollziehenden Menschenweihehandlung abspielt, in die Gefahr kommt, vollstän­dig in das luziferische Geschehen einzulaufen.

Auf der anderen Seite hat sich die katholische Kirche bereits seit langem in die Gefahr [der Ahrimanisierung] begeben durch die Veräußerlichung des Kultus, der nicht getragen ist von der wirklichen Forts trömung der von dem Mysterium von Golgatha ausgehenden Kraft. Indem abgelehnt wird die Erkenntnis der aus dem geistigen Kosmos herabsteigenden wirklichen geistigen Sonnenkraft, indem abgelehnt wird dasjenige, was selbst die katholische Kirche im

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Symbolum vor sich hat, hat sich die katholische Kirche längst ausgesetzt der Ahrimanisierung alles desjenigen, was in ihrem Kultus liegt. Die katholische Kirche nahm in ihre Symbole auf die Monstranz, das Sanktissimum. Ihr seht, wenn Ihr die Monstranz, das Sanktissimum anseht, ganz deutlich die Nachbildung der Sonne. Ihr seht in demjenigen, was in der Mitte der strahlenden Sonne ausgespart ist und was aufnimmt den Kern der Sonne, den geweihten Leib Christi. Ihr seht am Fuße dieses geweihten Leibes Christi den Mond. Sol und Luna seht Ihr in dem Sanktissimum, das ja bei besonders feierlichen Messen den Anfang und das Ende der Messe mit Segnung erfüllen soll. Ihr seht aber zugleich, daß dieser Zu­sammenhang des Christus mit dem Kosmos, der selbst noch im Symbolum bei der Missa solemnis vor die Christenheit hingestellt wird, nicht mehr in seiner Lebendigkeit gefühlt und erlebt wird. Das ist die Verahrimanisierung.

Das alles, meine lieben Freunde, zog durch meine Seele, als ich nach Eurem Willen den Mut zu fassen hatte, dasjenige, was eigent­lich verloren ist auch als Kultushandlung, als Menschenweihehand­lung wiederum direkt aus geistigen Welten zu Euch zu bringen.

Nehmet es so aus geistigen Welten heruntererbeten, herunterer­sehnt, heruntererkraftet hin und vollziehet es weiter im Sinne Eurer eigenen Weihe, indem Ihr Euch mit dem Bewußtsein erfüllt, das in Euren Seelen erzeugt werden sollte, in Euren Herzen erkraftet werden sollte, in Euren Willen in gesundender Weise einziehen sollte. Nehmet es hin und vollbringt es kraft Eurer eigenen Wei­hehandlung. Jede Menschenweihehandlung, die durch Euch in der Zukunft vollzogen wird, soll sein eine Wiederholung dieser ersten Menschenweihehandlung, die selbst durch Christi Kraft, die her­eingerufen ist in dasjenige, was wir heute zelebriert haben, sein sollte eine Nachwirkung der Einsetzung der Menschenweihehand­lung durch das Wort, die Kraft, den Willen Christi.

Der Vatergott sei in uns

Der Sohnesgott schaffe in uns

Der Geistgott erleuchte uns.

Der Ministrant: Ja, so sei es.

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X Sonntag, 17. September 1922, vormittags

Meine lieben Freunde! Ich möchte heute nur einiges zuerst vor-anschicken. Es ist ja so, daß es sich bei manchen Dingen, die sich im Kultus abspielen und die dann übergehen in die Lehre, wirk­lich um exakte Unterscheidungen handelt, und daß man manche Dinge eben einfach wissen und sie aus einem Wissen heraus in der richtigen Weise behandeln muß. Es ist zum Beispiel notwendig, daß Sie ins Auge fassen: So wie wir das Menschenweiheopfer bis jetzt verrichtet haben, so war es die Grundlegung und der Rah­men für die Priesterweihe, für die Weihe des Seelenhirten. Und es ist dabei ja eine Voraussetzung, die in diesem Augenblicke der Begründung Ihrer Gemeinschaft eigentlich eine selbstverständ­liche ist, die aber im Verlaufe Ihres Wirkens nicht immer eine solche Selbstverständlichkeit bleiben wird. Die Selbstverständ­lichkeit hat sich ergeben aus Ihrem Willen heraus, eine solche Gemeinschaft zu begründen, und dieser Wille ist dadurch ange­regt, daß es eine anthroposophische Bewegung gibt, die gewisse Tatsachen - nicht Ansichten, sondern Tatsachen - aus der gei­stigen Welt heraus vor die Menschen hinstellt. In der Erkenntnis der Tatsachenwelt, die durch die anthroposophische Bewegung vor die Welt hingestellt wird, lag ja der Impuls bei Ihnen, sich zu einer solchen Bewegung zu entschließen, wie es die Ihrige ist. Nun, darin liegt etwas von dem, was ein «Credo» genannt wer­den kann. Das Credo muß natürlich, wenn man von einer geisti­gen Bewegung spricht, in einem allerweitesten Sinne aufgefaßt werden, und das Credo ist also nach dem, was ich eben gesagt habe, eigentlich in Ihrem Entschlusse bereits enthalten. Gerade in Ihrem Zusammenwirken in Breitbrunn haben Sie sich ja dar-über besonnen, ob Sie mit diesem, ich möchte sagen innerlich aufgefaßten Credo einverstanden sind oder nicht, und aus diesem Einverstandensein ging das hervor. um was es sich handelt.

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Insofern nun die Menschenweihehandlung ein Rahmen ist für die Seelenhirtenweihe, kann sie natürlich das Credo nicht ent­halten. Denn bereits durchdrungen von dem Credo kommt der Seelenhirte an den Wunsch [zur Weihe] heran und bringt den Willen zur Weihe mit, den Willen, der ja substantiell von diesem Credo durchzogen ist. Daher liegt der Priesterweihe zugrunde eine Menschenweihehandlung, die durchaus von dem Standpunk­te aus vollzogen wird, daß sie aus dem Willen derer hervorgeht, welche entweder schon innerhalb der Seelenhirtenschaft stehen oder im nächsten Moment innerhalb derselben stehen werden. Die Gemeinde, die Laiengemeinde, die durchaus anwesend sein soll bei der Seelenhirtenweihe und später auch anwesend sein muß, sie ist eigentlich dabei nur Zuschauer und Empfänger der Botschaft, daß eben ein oder mehrere neue Seelenhirten aus der geistigen Welt heraus bestellt worden sind. Sie ist also bei dieser Seelenhirten­weihe etwas anderes als sie sonst ist. Daher muß in exakter Weise dieses aufgefaßt werden, daß der Zelebrierende bei der Seelenhirten­weihe durchaus Seelenhirt ist und drinnensteht in der Strömung der geistigen Welt, in der er eben drinnenstehen soll. Er ist vom Anfang bis zum Ende der Menschenweihehandlung der Priester, trägt also während der ganzen Weihehandlung den vollen Ornat des Priestertums. In dieser Form wurde und mußte die Men­schenweihehandlung für die Priesterweihe vollzogen werden.

Sie sehen daraus, daß in dem Moment, wo die Menschen­weihehandlung für die Gläubigen, für die Laiengemeinde, gehal­ten wird, sei es für die Lebenden oder für einen Toten, sie etwas anderes ist. Da steht der Priester da als die Vertretung des Ge­meindegeistes der ganzen Gemeinde, auch der Laiengemeinde, und als solcher muß er sich fühlen. Er tritt also zum Altar zunächst als Priester, damit überhaupt die Gemeinde Aufschau hat zur Welt des geistigen Daseins, und er vollzieht die Men­schenweihehandlung, indem er zunächst die Messe einleitet und sie bringt bis zur Evangeliumlesung, das heißt bis zu der Stelle:

«So lebe auf meinen Lippen würdig Dein Wort und dringe von Deinem Geist getragen zu denen, welchen es verkündet werden

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soll.» - Von da ab hat sich der Priester hineinzufühlen in den Willen und in das Gemüt der Gemeinde. Was heißt das? Das heißt, daß etwas im Äußeren zum Ausdruck, zur Offenbarung kommen muß. Deshalb legt er in diesem Augenblick das Meß­gewand ab und behält über der Alba die gekreuzte Stola und spricht dann die Eingangsworte der Evangeliumlesung «Dein Segen, o Christus, ströme lebend durch das Wort» und so weiter. Er ist jetzt zwar Seelenhirt, aber im Gemeindegeiste so drinnen, daß er aus diesem Gemeindegeiste heraus spricht: «Dein Segen, 0 Christus, ströme lebend durch das Wort» und so weiter. So liest er das Evangelium, so liest er es zu Ende, und so bleibt es bis zu den Worten: «Das Wort des Evangeliums löschet aus, was unrein in unserem Worte lebt.»

Hier liegt der Zeitpunkt, von dem ab an die Stelle des Gottes-wortes - Sie werden diesen Ausdruck nicht mißverstehen - das Menschenwort als Antwort tritt. Also es tritt an dieser Stelle das Credo als Antwort auf das Gotteswort au£ Der Priester legt daher, indem er zum Credo übergeht, die Stola ab, oder er läßt sie sich durch den Ministranten abnehmen und spricht nun das Credo nur in der Alba, beziehungsweise bei feierlichem Gottes­dienst wird dann ein Mantel umgehängt; aber das ist nicht nötig, es kann durchaus das Credo, das ja als Antwort der Menschen zu Gott gesprochen wird, in der Alba gesprochen werden. Nach dem Sprechen des Credo, das also durch den Mund des Priesters aus der Gemeinde heraus gesprochen ist, beginnt ja mit der Anlegung der Stola und des Meßgewandes erst wieder die priesterliche Handlung in der Zelebrierung des Offertoriums. In dieser Art sehen Sie, wie sich das Credo durchaus als Menschenhandlung in die Menschenweihehandlung einzuleben hat. Es muß also weg­bleiben, wenn die Messe vollzogen wird für solche, die schon Priester sind oder für solche, die es im nächsten Augenblick werden.

Nun handelt es sich ja beim Credo darum, daß der Mensch erst völlig klar werden muß, wie er sich zum Credo selber stellt. Daher ist das Credo auch derjenige Teil der Menschenweihehandlung,

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wo gewissermaßen eine Zwischenperiode, eine Pause ist. In der Messe spricht Gott zu den Menschen . . . [Lücke in den Aufzeichnungen des Stenographen). Im Credo aber ist es das menschliche Bekenntnis, der Mensch spricht eben zu Gott. Und es handelt sich darum, daß schon die äußere Möglichkeit besteht, das Credo in der verschiedensten Weise zu formulieren und von der Gemeinde aus zu sagen, in welchem Sinne man sich eigentlich zu dem göttlichen Worte bekennt, in welche Seelenkraft man es aufnehmen wird und so weiter. Allerdings muß man dies in einem gewissen Sinne auch historisch auffassen. Historisch stellen sich ja die Dinge etwas anders dar als für die spirituelle Auffassung. Das ursprüngliche Credo, das in unserem Credo wiederherzustellen versucht worden ist und von dem das unsrige nur dadurch ver­schieden ist, daß heute selbstverständlich dasjenige aufgenommen werden muß, was seit der Abfassung des alten Credo in der Menschheitsentwickelung aufgetreten ist, nämlich die Entfaltung des Ichbewußtseins, dieses alte Credo ist durchaus spirituell un­antastbar. Es waren, während es auf der Erde entstanden ist, eben durchaus noch Menschen da, welche in der Lage waren, den eigentlichen Sinn dieses Credo innerlich zu verstehen und für die es eine Torheit gewesen wäre, über dieses Credo zu diskutieren. Etwa so, wie es eine große Torheit wäre, darüber zu diskutieren, ob der Elefant zwei aus dem Munde herausgehende Zähne hat oder nicht, ungefähr so wäre es für die Zeit, in der das Credo entstanden ist, eine große Torheit gewesen, darüber zu diskutie­ren. Schon in der Zeit des Athanasius beginnt ja das Nichtverstehen derjenigen Regionen des Menschendaseins, die eben verstanden werden müßten, wenn man das Credo freihalten will von gewis­sen Dingen. - Natürlich sieht sich das vom Standpunkte des äußeren Historikers aus anders an. Ein solcher sagt, das alte Credo sei auf einer kindlichen Stufe der Menschheit entstanden, man müsse es heute so gestalten, daß Verstand darin ist. Eine solche Auffassung liegt ja allen Diskussionen über das Credo zugrunde. Vom Standpunkt der spirituellen Wissenschaft aus nimmt sich die Sache so aus, daß in dem Moment des Athanasius-Arius-Streites

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schon etwas in die Entwickelung eingeflossen war, wodurch in bezug auf die Auffassung des Credo etwas wie spirituelle Verfinsterung eingetreten ist, und darin lag der Grund der Diskussionen uber das Credo. Man kann also sagen, die Diskussionen über das Credo bedeuten für die wirkliche spirituelle Auffassung, daß die Menschen es nicht mehr verstanden haben. Darüber läßt sich auch nicht diskutieren, wenn die Dinge von innen angesehen werden. Und selbst wenn das Credo lateinisch gesprochen wird, hört doch mit der Übersetzung die Möglichkeit auf, ein höheres Verständnis zu entwickeln; und wir haben im Credo etwas vor uns, was man mit Verständnis beurteilen sollte, nicht nach der Diskussion. Alles, worüber in bezug auf das Credo diskutiert wird, ist schon mißverstanden. Und jedenfalls kann es sich auch nicht darum handeln, etwas dabei fortzulassen, denn auch ein solches Fortlassen würde zeigen, daß ein Nichtverstehen vorhanden ist.

Es ist also so, daß die katholische Kirche beim Credo nur die Folge der Worte beibehalten hat und den inneren Geist der Sache ganz ausschließt. Das ist etwas, was durch Ihre Bewegung wieder eingeführt werden muß. Sie müssen in diesem Sinne das Credo auffassen.

Dann werden wir jetzt die Priesterweihe für alle zu Ende führen und unmittelbar daran etwas anschließen, was sich ent­wickelt als eine Grundlage für das Bekenntnis, wie es weiterströmen wird durch die Bewegung, die Sie begründen wollen. Denn dieses Bekenntnis ist ja durch diese Ihre Bewegung selbst zu vertreten. Die anthroposophische Bewegung vertritt es selbstverständlich, wenn auch immanent. Aber es wird sich darum handeln, daß wir uns auf einer kurzen Konferenz darüber klar werden, wie das Credo vertreten werden muß. Die Menschenweihehandlung gibt die Grundlage, daß überhaupt ein Bekenntnis da sein kann; und in der Kultushandlung bewegt man sich ja nicht in der Sphäre, wo Menschen etwas bekennen oder nicht, sondern wo etwas abgebildet wird. Denn Kultushandlungen gegenüber würden Diskussionen nicht bloß das bedeuten, was im physisch-sinnlichen Bereich eine

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Diskussion über die Zähne des Elefanten wäre, sondern eine solche Diskussion würde dem gleichen, wenn man sagen würde: Ich bin der Meinung, daß der Elefant ein falsches Gehirn hat, das geändert werden muß. - Wir kommen also, indem wir zum Credo kommen, nicht nur in die Geschichte seiner ursprünglichen Grundlegung, sondern schon in seine Weiterführung hinein. Dies mussen wir uns zum Bewußtsein bringen.

Es folgt die Beantwortung von Einzelfragen.

Ein Teilnehmer: Wie verhält es sich mit dem Singen der Messe?

Rudolf Steiner: Heute ist es falsch, die Messe zu singen, heute muß sie gesprochen werden, weil das innerliche Bewußtsein da hereinkommen muß; es muß dadurch der Sinn ergriffen werden. Es ist das auch eine Ahrimanisierung, daß die katholische Kirche die Messe in der alten Weise weitersingt. Das geschieht jedoch nicht für alle Teile, aber für gewisse Teile, zum Beispiel beim Paternoster. Das sind Dinge, die nicht zu Recht bestehen, weil dadurch die Messe suggestiv wirkt. Das «Ite missa est» in der ka­tholischen Messe muß gesungen werden. Nun kommt es sehr häufig vor bei der katholischen Kirche, daß zum Beispiel ein Bischof die Messe zelebriert, der nicht singen kann. Dann muß ein anderer, der nächste, sich vor ihn hinstellen und für ihn singen. Wenn das nun etwa ein Domherr ist, der ein älterer Herr ist, der auch nicht singen kann, dann muß für diesen wieder ein anderer eintreten, so daß es unter Umständen vorkommen kann, daß drei oder vier hintereinanderstehen, von denen nur der erste singen kann.

Ein Teilnehmer stellt eine Frage bezüglich des Evangeliumlesens. [Der Wortlaut der Frage ist vom Stenographen nicht festgehalten worden.]

Rudolf Steiner: Man könnte das Evangelium lesen nur bis zu den Worten «Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.» Diese Worte sollten gesprochen werden bei der Prie­sterweihe.

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XI Montag, 18. September 1922, vormittags

Meine lieben Freunde! Es soll heute von mir versucht werden, zu den Zeremonien, welche Sie einführen sollten im Sinne Ihrer neuen Begründung in das Amt des Seelenpflegers, des Seelen-hirten, dasjenige hinzuzufügen, was Sie auffassen können als eine erste Belehrung gewissermaßen, die Priesterpredigt, wie sie ja auch gegeben worden ist in allen Zeiten, in denen man das Rechte über diese Dinge wußte, und wie sie heute gegeben werden muß, damit Sie im richtigen Sinne auffassen, was nunmehr durch die zeremonielle Handlung an Ihnen geschehen ist und was weiter durch Sie geschehen soll. Es soll uns nun heute besonders obliegen, einmal den ganzen Sinn dieser Zeremonie, die ja im wesentlichen eingewoben war in die Messehandlung - und die Sie, insofern sie in die Messe eingewoben ist, sich immer wiederholen sollen, wenn Sie selbst die Messe vor der Gemeinde verrichten -, auf unsere Seele wirken zu lassen.

Es handelt sich ja darum, daß die Schöpfung, vor der wir stehen, eine vollständig neue ist und doch wieder eine solche ist, die sich einfügen soll in den ganzen irdischen Zusammenhang der Erdenentwickelung seit dem Mysterium von Golgatha; und so wiederum, wie das Mysterium von Golgatha selbst sich in die Gesamterdenentwickelung seit ihrem Urbeginn hineinstellte, so ist sie ihrerseits genötigt, mit der sich fortentwickelnden Zeit zu rechnen. Das heißt aber [für Euch] nichts anderes, als den Impuls der Zeit in Euch aufzunehmen, insofern in diesem Zeitimpuls der christliche Impuls, der Christus-Impuls, gerade für die unmit­telbare Gegenwart lebt. Es ist ja so, daß in der unmittelbaren Ge­genwart dieser Christus-Impuls ganz besonders lebt. Ihr müßt Euch klar sein, daß ihr gerade mit bezug auf das, was in Eure äußere Wirksamkeit übergehen soll, manches anders macht, als es gemacht worden ist in den älteren Zeiten des Christentums, als das Christentum noch nicht römisch-katholisch geworden war,

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als es noch einen Einschlag hatte von der spirituellen Mysterien-erkenntnis, mit der der Christus-Impuls in den ersten Jahrhun­derten auf der Erde aufgenommen worden ist. Ihr müßt also manches von dem erneuern und in der erneuerten Gestalt hin-eintragen in die unmittelbare Gegenwart, damit es fortwirken kann in die Zukunft hinein.

Nun müßt Ihr vor allen Dingen verstehen, daß diejenigen Sprachen, in welchen in den ersten Jahrhunderten das Christen­tum verbreitet wurde, eine Art von Heiligung hatten. Diese Sprachen waren in Vorderasien drüben ein syrischer Dialekt, der noch einen alten Einschlag hatte, die griechische Sprache und die lateinische Sprache. In diesen drei Sprachen wurde in der Tat zuerst für die Menschheit das Christentum verkündigt. So kann man schon sagen, daß die, welche entweder die Apostel noch persönlich gekannt haben oder wenigstens an den Orten waren, von denen aus die Apostel die Verkündigung gepflogen haben und noch davon berichten konnten, daß sie Aposteischüler gesehen und von Angesicht zu Angesicht gekannt haben, daß diese als richtig erkannt haben, daß in dem alten vorderasiatisch-syrischen Dialekt, in der griechischen Sprache und in der lateinischen Sprache das Evangelium verkündigt wurde und die Zeremonien vollführt wurden. Nun müssen wir uns klar sein, daß im Laufe der Menschheitsentwickelung alles eine Metamorphose durchmacht und daß das Wesentliche dieses syrischen Dialektes, der dazumal aus noch älteren Formationen der Geistesentwickelung herüber­gekommen war - der Dialekt wurde nicht bei den Zeremonien, sondern nur bei der Predigt gebraucht, wo ja selbstverständlich die territorialen Sprachen gebraucht wurden -, daß das Wesent­liche dieses Dialektes und der griechischen und lateinischen Spra­che das war, daß der Logos selber in ihnen wirkte. Es lag in ihnen etwas, was von den Wellen der Sprache überging in den Zele­brierenden. Das ist etwas, was ihr durchaus tief verstehen solltet, daß etwas überging von dem Gefüge der Sprache, von der Ge­staltung der Sprache in den Zelebrierenden. Und bei denjenigen, die als Gläubige wirklich inbrünstig waren, war es so, daß durch

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das Inkantieren der Messe - denn es war ein altes Rezitativ, in welchem die Messe gesprochen wurde; man nennt es heute «sin­gen», aber es ist kein Singen im heutigen Sinne - auch auf sie eine Kraft überging, die heute gar nicht mehr von Mensch zu Mensch übergehen darf, denn diese Kräfte rechneten mit einer gewissen Ausschaltung des Ich-Impulses im Menschen. Es ging unmittelbar etwas über von Mensch zu Mensch, was einen suggestiven Cha­rakter hatte, und das müssen wir heute, wenn wir das Christen­tum in der richtigen Weise erneuern wollen, überleiten in eine ganz andere Art der Behandlung dieser Dinge. Jenes suggestive Verständnis, das den Alten dadurch übermittelt worden ist, daß sie anwesend waren bei suggestivem Sprechen, welches aus diesen inbrünstigen Seelen sogar herausgeholt hat, daß sie den Christus in seiner Gegenwart sehen konnten, wenn die Transsubstantiation stattfand, das muß übergeleitet werden in etwas, was für die heutige Zeit viel innerlicher sein muß. Und gerade aus diesem Grunde heraus dürfen wir auch das, was in der alten Sprache erklungen ist, der unmittelbaren Gegenwart in einer erneuerten Sprache geben. Und das haben wir getan.

Damit haben wir zunächst etwas getan, was in einer ganz besonderen Weise zeigt, daß wir, wenn wir den Christus-Impuls in der Gegenwart richtig verstehen, absehen müssen von dem nur verstorbenen Christus und uns bewußt sein müssen, daß wir das geistige Verhältnis zu dem in der Zeremonie gesprochenen Wort erst wieder durch unser inneres Seelenleben finden müssen, jenes Verhältnis, das ursprünglich zu der Sprache vorhanden war in einer Weise, bei welcher der Mensch selbst weniger mitzuwirken hatte. Heute sind wir in die Notwendigkeit versetzt, durch fort­währendes Regemachen dieses Zusammenhanges mit dem Chri­stus-Impuls in unseren Seelen dasjenige wirklich nach und nach zu erreichen, was auch in dieser neuen Sprachform erreicht werden soll und was auch erreicht werden kann, wenn die Menschen­weihehandlung in der richtigen Weise zelebriert wird. Es ist heute meine Aufgabe, diese Verwandlung in der Behandlung der christlichen Opferhandlung einmal vor Eure Seelen treten zu

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lassen, und das möchte ich möglichst anschaulich machen auf folgende Art.

Nehmen wir einmal die Messeordnung im Eingange. Da brauchen wir uns ja nur vorzustellen, wie in älteren Zeiten jene Gefühlserweckung war, die unmittelbar anknüpfte an die Erin­nerung der Erscheinung Christi auf Erden. Die katholische Kir­che erneuert das noch in einer äußeren Weise in der Messeordnung, die sie zu Weihnachten zelebriert. Es soll nun einmal der Anfang der Weihnachtsmesse gebracht werden - selbstverständlich nicht in dem alten Rezitativ, das für die neuere Zeit eigentlich ein Sakrileg wäre, sondern in der Weise, wie es gegenwärtig getan werden kann -, damit wir das, was heute vor Eure Seelen treten kann, anschaulich daran entwickeln können. Ihr werdet dasjenige erkennen, was Ihr nun selbst zu verrichten habt, aber auf eine etwas andere Art.

Rudolf Steiner liest einen lateinischen Text aus dem katholischen Meßritual vor. [Um welche Textstelle es sich handelte, ist vom Stenographen nicht festgehalten worden.]

In dieser Sprache haben wir etwas, was unmittelbar auf die Gläubigen dadurch wirken sollte, daß der Priester, indem er die Sprache intonierte, selber in eine unmittelbare Verbindung mit dem Geistigen kam, das immer durch die Sprache wallt und webt. Über dieses Wallen und Weben in der Sprache sind wir nun hinausgewachsen, indem wir uns in die Gedanken mit dem Ich­bewußtsein erhoben haben, und in dieser Erkenntnis müssen wir alle leben, wenn wir in der richtigen Weise das begründen wollen, was uns vorschwebt. In den älteren Kirchen kam es viel auf die Intonierung an, und die katholische Kirche hat dies beibehalten. Dadurch aber ist sie gegenüber der Entwickelung der neueren Zeit, wo in der Messe der Geist Christi unmittelbar walten soll­te, in ahrimanischem Rückstande. Durch diesen ahrimanischen Rückstand, in welchem die katholische Kirche geblieben ist, in­dem sie einfach das bewahrt hat, was einmal war, könnte sie es niemals dazu bringen, daß die Menschenweihehandlung das

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werde, was sie in unserer Zeit werden soll. Und wenn Ihr das, was Ihr einsetzen wollt, auch in der richtigen Weise einsetzt, dann müßt ihr Euch in die Evolution der Gegenwart so hineinstellen, daß von den Seelen ebenso wieder etwas erlebt wird, wie vor dem alten Schauen der inbrünstigen Seelen während der Transsubstan­tiation die Gloria Christi erschienen ist, so daß ein Fragen, ob der Christus im Meßopfer gegenwärtig war oder nicht, gar nicht sein konnte. Die Theorien und die Philosophien über die Transsub­stantiation sind eben erst nach dieser Zeit entstanden, in der man diejenigen, welche wirklich inbrünstige Seelen waren, einfach fragen durfte: Habt ihr gesehen, daß der Christus auf dem Altare war?, und zahlreiche sagten: Ja!, und die anderen hatten den Glauben.

Unsere Handlungen müssen eine Vorbereitung dessen sein, was einmal in der Zukunft geschehen muß. Und wenn Ihr in der richtigen Weise vor die Gemeinde hintretet mit der regenerierten Messe, dann wird sie imstande sein, so zu wirken, wie ich es eben geschildert habe. Dann aber wird vor allen Dingen in Euren Seelen leben müssen ein ganz tiefes, seriösestes Verständnis des­sen, was des Menschen Zusammenhang mit dem Christus eigentlich in der unmittelbaren Gegenwart ist und werden soll in Zukunft. Denn Ihr wißt, es soll sich schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts das vollziehen, daß der Christus - der im Angesichte verlorengegangen ist für die Seelen, weil sie verloren haben dasje­nige Schauen, das ich eben charakterisiert habe und das Diskus­sionen über die Transsubstantiation unnötig machte - wieder erscheine für die schauenden Seelen. Aber die Menschen werden etwas dazu tun müssen. Der Christus ist bereit, in ätherischer Gestalt sichtbarlich für die Menschen wieder umherzuwandeln, aber die Menschen müssen etwas dazu tun. Wenn Ihr in der richtigen Weise Eure Bewegung inauguriert und fortführt, so wird es geschehen können durch die Kraft, die in Eurer Men­schenweihehandlung liegt und die übergeht auf die Gemeinden. Dann habt Ihr das, was Ihr tut, erfaßt als ein unmittelbar spirituell Reales. Deshalb mußte ich Euch heute wenigstens in Kürze in

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anschaulicher Weise das vor Euer Seelenauge stellen, was Ihr in der erneuerten, metamorphosierten Gestalt als Messekult in den letzten Tagen vollzogen habt.

Nun handelt es sich darum, daß das, was Ihr in der richtigen Weise vollbringt, auf die Gemeinde übergeht; denn bis jetzt habt Ihr es vollzogen für Euch selbst. Vor allen Dingen handelt es sich darum, daß Ihr in der richtigen Weise dasjenige vor Eure Seelen stellen könnt, was als das Geheimnis des Christentums ausge­sprochen ist im dritten Teil des Kolosserbriefes im dritten Vers. Diese Stelle möchte ich heute so vor Eure Seele rufen, wie sie in Wirklichkeit gemeint ist:

Ihr seid gestorben, und euer Ich ist von euch getrennt und vereinigt mit Christo in der Geistwelt; wenn aber Christus, der euer Ich trägt, selber vor die Anschauung getreten ist, dann werdet auch ihr mit ihm euch offenbaren.

Ein ungeheuer Tiefes ist in diesem Worte verborgen. Es ist eigentlich fast für spätere Zeiten gesprochen als für die Zeit der Apostel. Es ist eigentlich für unsere Zeit gesprochen, damit unsere Zeit es in der richtigen Weise versteht. Denn es ist so, daß in der irdischen Menschheitsentwickelung bis ungefähr um die Zeit des Mysteriums von Golgatha die Menschen in ihrem Innern dasje­nige erlebten, was von ihrem [wahren] Selbst in diesem Innern sein konnte. Mit dem, was sie in ihrem Innern erlebten, erlebten sie zugleich etwas Reales von dem, was im vorirdischen Dasein in ihnen lebte. Man hätte zu diesen Menschen nicht sagen können:

Werdet euch durch irgend etwas eures ewigen geistig-seelischen Kernes bewußt!, denn sie hatten einfach Bewußtseinszustände, in denen dieser ewige geistig-seelische Kern aufleuchtete. Sie brauchten nur Selbsterkenntnis, so wie die Menschen heute Sin­neserkenntnis haben; und im Hinschauen auf ihr Selbst nahmen sie wahr - ohne jenes deutliche Ichbewußtsein, das sich erst später ausbildete - ihr Vorgeburtliches und ihr Nachtodliches. Und so konnten sie verstehen, wenn die Eingeweihten zu ihnen sprachen:

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Euer Leib stirbt; aber was ihr in eurem Innern erlebt, von dem wißt ihr, es stirbt nicht mit; das ist lebendig, das bleibt lebendig.

- Der Tod hatte noch kein Instrument, auch die menschliche Seele zu töten.

Das aber, was den Apostel in eine andere Lage brachte, war, daß die Seelen begonnen hatten, ungefähr um die Zeit des My­steriums von Golgatha, teilzunehmen an den Schicksalen des Leibes, und daß die Seelen [seit dieser Zeit] in der Gefahr stehen, mitzumachen die Schicksale des Leibes. In den alten Zeiten hatte die Seele nicht die Schicksale des Leibes mitgemacht. Zum Schicksal des Leibes gehört das Sterben, und die Seele war nicht mitgestorben. Das war in alten Zeiten die sehr konkrete Auffassung. Diese Tatsache ist später verabstrahiert worden, weil die Menschen sie in ihrer ganzen Intensität nicht ertragen haben. Die Menschen wollten sich nicht gestehen, daß das, was zwischen Geburt und Tod sich unter dem fortwährenden Hervordrängen des Ichbe­wußtseins entwickelt hat, nicht mehr Anteil hat an dem ewigen Seelenkern des Menschen, sondern Anteil hat an dem Leibe und teilnimmt an dem Schicksal des Leibes, daß es also mitstirbt. Dies war vor allen Dingen den ersten Christen klar, daß in der Erden­entwickelung die Zeit eingetreten war, wo die Seele zwar auf Erden Ich-begabt wird, aber dadurch mit dem Leibe stirbt. Daß der Leib stirbt, war ja nicht das, was in den ersten Evangelien­verkündigungen gesagt worden ist, sondern daß die Seele stirbt, und daß sie in den Menschen, die aus der vorchristlichen Welt-entwickelung hervorgingen, schon gestorben ist. Als ein reales Wort war es gemeint: Ihr seid gestorben. - Nicht die früheren Seelen waren gestorben, denn da hatten sie noch nicht teilge­nommen an dem Schicksal des Leibes, aber ihr gehört dem Schicksal der Generation derer an, die gestorben sind, das heißt, eure Seelen nehmen teil an dem Schicksal des Leibes; denn das, was ihr als ein Ichbewußtsein hier tragt durch euren physischen Leib, das ist nur ein Abbild eures wahren Ichs. - Vor dem Mysterium von Golgatha hatte man zwar von diesem wahren Ich nichts gewußt, wenn man hineingeschaut hat in das eigene Selbst,

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aber es war noch nicht vom Menschen getrennt. In der Zeit des Mysteriums von Golgatha ist es gerade vom Menscheninnern getrennt worden, und der Mensch ist erhoben worden in die geistige Welt, und nur den Abglanz des Ichs hat er als Ich­bewußtsein hier unten.

Wenn wir uns also das vorstellen, was der Mensch vor dem Mysterium von Golgatha erlebte, so hatte er damals sein Seelisches, in welchem er das Vorgeburtliche erlebte, und er hatte das reale Ich, das er aber zunächst nicht wahrnahm. Nach dem Mysterium von Golgatha war es so, daß der Mensch sein Seelisches hatte, aber das Vorgeburtliche erlebte er darin nicht mehr. Sein wahres Ich ist seit jener Zeit ein geistiges, das heißt, es gehört nicht der Erdenwelt, sondern der geistigen Welt an, und er hat den Abglanz dieses Ichs durch den physischen Leib, das Ichbewußtsein:

«... und euer Ich ist von euch getrennt und vereinigt mit Christo in der Geistwelt.»

Der ist nun herabgestiegen auf die Erde, so daß diese geistige Welt durch ihn die Erdenwelt durchdringen kann. Aber der Menschen wahres Ich lebt nicht in der Welt, die mit Augen ge­sehen werden kann und an die man herankommen kann mit den drei gewöhnlichen Fähigkeiten, dem Denken, dem Fühlen und dem Wollen; es lebt in einer Welt, die seit jener Zeit die irdische durchdringt, aber es ist mit dem Christus vereint. Und von dem wahren Ich kann man nur wissen, indem man zugleich von dem Christus weiß; das wahre Ich kann man nur fühlen, wenn man zugleich das Wesen des Christus und das Wesen des Mysteriums von Golgatha fühlt; das wahre Ich kann einen nur durchkraften, wenn man zugleich sich durchkraftet fühlt von demjenigen Impuls, der von dem Mysterium von Golgatha ausgeht.

Das, was bisher gelehrt werden konnte durch die Zeremonien und Ritualien, das ist etwas, was Ihr in lebendiges Geistesleben umsetzen müßt, wenn Eure Bewegung einen Sinn haben soll. Dann aber müßt ihr Euch dessen bewußt sein, daß in der Tat von seiten des Christus in unserer Zeit alles geschieht, um den Men­schen sich zu zeigen mit dem wahren Menschen-Ich zusammen,

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so daß in unserer Zeit in Erfüllung gehen soll das Wort des

Apostels:

Ihr seid gestorben, und euer Ich ist von euch getrennt und vereinigt mit Christo in der Geistwelt; wenn aber Christus, der euer Ich trägt, selber vor die Anschauung getreten ist,

- wie wir es erwarten können für die erste Hälfte unseres Jahr­hunderts -

dann werdet auch ihr mit ihm euch offenbaren.

Das heißt, dann werden die Menschen mit dem unmittelbaren Bewußtsein des wahren Ichs - nicht bloß mit jenem Abbild, das durch den physischen Leib bewirkt wird - herumgehen können. Und zu wirklichen Christen sollt Ihr die Menschen machen.

Das ist das, was Ihr Euch zur Aufgabe machen müßt, wenn Ihr einen substantiellen Gehalt mit Eurer Bewegung herumtragt. Ihr müßt klar sein darüber, was es eigentlich heißt: Mit der neueren Zeit ist immer mehr und mehr das in der Menschheit heraufge­stiegen, daß der Mensch zu seinem Ichbewußtsein gekommen ist. Das bedeutet ja zunachst nicht eine innere Durchdringung mit dem wahren Ich. Zum Ichbewußtsein gelangen bedeutet eine Trennung von dem wahren Ich, ein Sich-heraus-Erleben von dem wahren Ich. Denn dieses wahre Ich ist eins mit der Welt des Christus. Diese Welt des Christus hat er durch das Mysterium von Golgatha in die Erde hereingetragen. Heute wartet er, daß er durch die entsprechenden Vorbereitungen [der Menschen] wie­derum geschaut werde, daß er sich offenbare für die Menschen. Dann wird er begaben können das Ichbewußtsein mit dem in­nerlichen Erleben des wahren Ichs, und dann wird erfüllt sein gerade das Wort aus dem Evangelium, das in diesem dritten Kapitel des Kolosserbriefes steht und das eigentlich für unsere Zeit gesprochen ist und von unserer Zeit verstanden werden soll:

daß zuerst Ihr in Euch beleben sollt ein Verständnis für die

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Beziehung des wahren Ichs zu dem Christus, damit Ihr es dann wiederbeleben könnt durch die Menschenweihehandlung in den­jenigen, die als Laien Eurer Menschenweihehandlung beiwohnen. Denn dadurch, daß Ihr Euch mit einem solchen Verständnis durchdringt von dem Ichbewußtsein und seinen Beziehungen zur Menschenwelt, von dem Christus und seinen Beziehungen zum menschlichen wahren Ich, dadurch werdet Ihr in dem richtigen Gefühl die Menschenweihehandlung absolvieren. Und Ihr werdet durch Gefühle, die in Euch angeregt werden können durch ein Verständnis dieser Dinge, eine den Menschen allerdings herab­drückende Wahrheit von dem Sterben des Ichbewußtseins im physischen Leibe vor die Menschen hinstellen, aber auch die sie wieder erhebende Wahrheit von der Rettung des wahren menschlichen Ichs dadurch, daß der Christus die Iche durch den Tod führen kann. Ihr werdet von der Aufnahme einer solchen Wahrheit so ergriffen werden können, daß die Menschenweihe­handlung dadurch von Euch belebt werden kann und dadurch etwas vor die Gläubigen tragen, was anders begriffen werden muß als sonst, was begriffen werden muß mit dem Verständnis der geistigen Welt. Und Ihr werdet damit die Menschenweihehand­lung nicht nur anders vollziehen, sondern mit dem Verständnis der geistigen Welt, so daß man über die Dinge, die in der Transsubstantiation vor sich gehen, nicht mehr diskutieren kann, sondern sie anschauen und als eine Selbstverständlichkeit emp­finden wird, indem man empfinden wird, daß damit etwas Übersinnliches im Sinnlichen verstanden werden muß. Und des­halb, weil etwas Übersinnliches im Sinnlichen geschieht, ist es überflüssig, darüber mit dem Verstande zu diskutieren.

Das ist die Gesinnung, mit der Ihr in der Messe vor die Men­schen treten sollt, und mit dieser Gesinnung müßt Ihr die Messe durchdringen, wenn sie im rechten Sinne vollzogen werden soll vor den Mitgliedern Eurer Gemeinden. Das war ich verpflichtet, als eine erste Regel an die Zelebrierung des Meßopfers und an die Zelebrierung der Seelenhirtenweihe anzureihen. In solchen Be­trachtungen werden wir noch etwas fortfahren müssen, weil sie

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die Grundlagen sind für das, was Ihr im Worte werdet vor die Gemeinden zu bringen haben.

Jetzt wird es richtig sein, wenn Ihr die Dinge, die Euch auf den Seelen liegen, besprechen würdet, solange ich noch da bin.

Es wird eine Frage gestellt nach einer Formel zur Aufnahme in die Gemein-de und über das Credo. [Der genaue Wortlaut der Frage wurde nicht mit-stenographiert.]

Rudolf Steiner: Die Aufnahme in die Gemeinde wird ja natürlich in einer Auseinandersetzung bestehen müssen zwischen dem Aufzunehmenden und dem Aufnehmenden über das Credo. Gerade bezüglich des Credo ist natürlich nicht zu verlangen, daß es so, wie es uns in der Formel vorliegt, sogleich von demjenigen verstanden wird, der aufzunehmen ist, denn im ganzen müssen wir es doch auch weiter so halten, daß wir in einem gewissen Sinne an die alte Tradition anschließen. Wenn wir auch schon in unserer Formel dasjenige haben, was ja auf das Richtige hindeutet, so können wir doch nicht das ändern, was nun schon durch die historische Entwickelung so verläuft, daß die eigentliche Aufnah­me in die Gemeinde der Christen bewirkt wird durch die Taufe, und es wird auch unmöglich sein, die Taufe anders zu vollziehen, denn als Kindestaufe. Damit schließt Ihr Euch auf der einen Seite der Tradition an, müßt Euch aber wiederum bewußt sein, daß dies natürlich auch nicht der Gebrauch war in den ersten Zeiten des Christentums. In diesen ersten Zeiten wurde man Christ, indem man an der Messe teilnahm - nun nicht bis zum Evan­gelium, aber bis zu dem ersten Gebet, das ich als «Staffelgebet» bezeichnet habe - und dann getauft wurde. Man wurde also in dem vollbewußt getauft, das damals eben die Menschheit hatte. Es wurden eigentlich nur Erwachsene getauft, und diejenigen, die als Kinder von Getauften zur Welt kamen, waren eben Kinder der Christen, sie wurden christlich erzogen und wurden auf der Grundlage dieser christlichen Erziehung in die Taufhandlung eingeführt. Damit aber war ja jene Möglichkeit herbeigeführt, daß die, welche zur Taufhandlung geführt wurden, schon in

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genügender Weise im Zusammenleben mit ihren christlichen Vor­fahren in das Credo eingeführt waren, und man konnte einfach eine Art von Examen mit solchen Täuflingen vornehmen, wodurch sie sich noch einmal zum Bewußtsein brachten, was sie während ihrer Kindheit im Zusammensein mit den älteren Leuten erlebt hatten. Und so geschah es auch; fand man, daß sie genügend drinnenstanden in der christlichen Lehre, so konnte man sie taufen. Allerdings war dadurch das Taufen ein viel realerer Akt im Leben des Menschen, als er heute sein kann. Wir müssen heute an der Kindestaufe jedenfalls noch für lange Zeiten festhalten. Wir nehmen also das Kind zunächst in die Gemeinschaft der Christen auf, lassen allerdings dasjenige bei der Kindestaufe weg, was zur Messe gehört. Das ist dann auch berechtigt. Die Taufe ist ja ein Akt, der in völliger Unbewußtheit um das Kind herum vor sich geht. Und gerade aus diesem Grunde ist dann dasjenige, was die Konfirmation oder die Firmung ist, so umgewandelt worden, daß es heute anstelle desjenigen steht, das ursprünglich die Taufe war, und das eben in das entsprechende Lebensalter versetzt wird.

So wird also mit dem, der heute aufgenommen wird, vor allen Dingen eine Art Auseinandersetzung stattfinden über das, was eigentlich jeder Mensch vom Credo verstehen sollte. Und wenn dazu eine Formel nötig ist - und das scheint ja nach der Anfrage der Fall zu sein -, so können wir ja eine solche Formel aufstellen. Es könnte sich das aber auch in einem freien Gespräche ent­wickeln. Was sich im freien Gespräch mit dem Aufzunehmenden ohne eine Formel entwickeln soll, müßte den Inhalt haben, daß der Betreffende zu dem realen Christus, ich will nicht sagen, gleich sich bekennen kann, aber daß er zu dem realen Christus ein genügendes Verhältnis entwickeln kann, wenn man ihm von diesem realen Christus spricht. An der Art und Weise, wie der Aufzu­nehmende die Art auffaßt, wie man zu ihm über den Christus spricht, muß man erkennen, ob er in die Gemeinschaft wirklich hineingehören kann. Es ist natürlich durchaus eine Gefühlsfrage, ob jemand aufgenommen werden soll oder nicht. Und dann wird es sich eben darum handeln, daß der Aufzunehmende wirklich

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verstehen lernt, im wesentlichen wenigstens, den Inhalt der Menschenweihehandlung. Wenn es auch nicht möglich sein wird, überall die Menschenweihehandlung wirklich zu zelebrieren, so werden wir doch daran festhalten müssen, daß selbst dort, wo man mit allem Kultusartigen noch zurückhalten muß, der innere Gehalt gerade der Menschenweihehandlung zum Gemüte geführt wird, so daß man immer in der Lage ist, die Menschenweihe­handlung als etwas anzusehen, woran man in der Predigt, über­haupt in einer jeglichen theoretischen Auseinandersetzung an­knüpfen kann.

Was hiermit gemeint ist, werden Sie am besten verstehen, wenn ich das folgende sage. Denken Sie an die evangelisch-protestantische Predigt. Sie werden ja selber oftmals betont haben oder betonen gehört haben, wie die protestantisch-evangelische Predigt nicht bloß eine wissenschaftliche oder verstandesmäßige Auseinander­setzung sein soll, und es wird von den meisten Predigern heute das am meisten an der Predigt geschätzt, was gar nicht verstan­desmäßig ist, sondern was Gefühis- und Gemütsinhalt ist. Tat­sächlich ist es ja so, daß in der Predigt über alles Verstandes­mäßige hinaus in dem Gefühls- und Gemütsinhalt ein Spirituelles unmittelbar ausstrahlt. Selbst in unserer heutigen entgöttlichten Zeit versucht der evangelische Prediger noch, mit der Predigt etwas Spirituelles den Menschen zu geben, und man kann ja doch erleben, daß gut gepredigt wird in diesem Sinne. Aber das, was noch als ein Rest von Kultus in der evangelischen Kirche übrig­geblieben ist, wird mit einem ganz falsch wirkenden Pathos vorgetragen, selbst von guten Predigern. Sie fallen sofort aus der Rolle des Aus-dem-Spirituellen-Sprechens heraus, wenn sie zum Zelebrieren kommen, weil sie eben gar nicht mehr in der geistigen Welt drinnenstehen. Es ist natürlich etwas Richtiges darin, daß die Predigt durchseelt sein soll von Gemütsinhalt, daß sie zum Herzen sprechen soll und nicht zum Verstande. Aber weil dies, was da durch die Predigt geschehen soll, erkauft wird durch die Aus­scheidung alles Erkenntnisinhaltes über die spirituelle Welt - der versteinert noch in den Dogmen erhalten ist -, so kommen dann

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solche Dinge zustande wie etwa die Behauptung, daß man an das, was der Christ erleben soll, dadurch herankommen kann, daß man dem heute Lebenden fremde Wortklänge in seine Sprache einfügt. Es ist eine merkwürdige Erscheinung - ich habe Sie heute schon darauf aufmerksam gemacht -, wie in der dem heutigen Menschen nicht mehr lebendigen lateinischen Sprache noch etwas Spirituelles liegt. Der Mensch fühlt heute die lebendige Sprache so ins Profanmaterielle hinunterversetzt, daß er gar nicht mehr glaubt, damit etwas Übersinnliches zum Ausdruck bringen zu können. Und wenn er auch nicht eine Messe in lateinischer Sprache lesen will - woraus ihm noch das hervorklingt, was er im Geiste erfassen soll -, so möchte er doch wenigstens ein einziges Wort hören, das ihm unverbraucht für das Profanleben klingt, und deshalb möchte er zum Beispiel das Heilige nicht bloß ein «Heiliges» nennen, sondern ein «Numinoses» oder etwas in ähnlicher Weise. Da ist wiederum dieses unbekannte Suggestive hineingelegt in das, demgegenüber man ohnmächtig ist, es mit der Seele wirklich zu erreichen. Es werden heute Bücher geschrieben über das Heilige aus einem ungeistigen evangelischen Geiste heraus, in denen eigentlich unbewußt gesagt wird: Mit der bloßen Fort­setzung des evangelischen Geistes kommen wir nicht weiter, wir müssen schon eine Anleihe machen bei den Katholiken. - Nicht, daß man ganze Messen liest in einer noch nicht profan gewordenen Sprache, aber man nimmt nur ein Wort heraus, das so ähnlich klingt - nicht ganze Sätze -, damit wenigstens durch einen kleinen Punkt die Anleihe aus dem Katholischen ins Evangelische her­einkomme. Das ist eben das äußerste Extrem, das die nicht mehr genügende Religionsübung nun auch in die Theologie hineinträgt, weil man jede Erkenntnis des Heiligen, die inhaltvoll ist, eigent­lich abweisen will. Solche Dinge müssen ganz im richtigen Lichte gesehen werden; man muß wissen, daß es heute ein bloßer Aus­druck der Ohnmacht ist, wenn nicht versucht wird, das Heilige dadurch wiederum zu erfühlen, daß man in innerem wortlosen Erleben durchzudringen sucht von dem von der katholischen Kirche bloß im erstarrten Worte ausgesprochenen «Spiritus sanctus»

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zu dem Heilenden Geist, so wie man durch dieses Wort «Heilender Geist» ein vollständiges inneres Erleben gewinnt, wenn man die Dinge so nimmt, wie wir sie in der Ihrer Bestrebung zugrundeliegenden Lehre als spirituelle Tatsachen übermittelt erhalten.

Dadurch, daß Ihr diese Bewegung gründet, werdet und müßt Ihr die Möglichkeit gewinnen, Eure Predigt so zu gestalten, daß Ihr sie nicht mit einer furchtbaren, unwahren Sentimentalität zu einer gefühlvollen, ins Herz dringenden macht, indem Ihr gewis­sermaßen die Gefühle aus Euch herauspreßt. Das müßt Ihr nicht tun. Sondern Ihr müßt in der Menschenweihehandlung etwas sehen, was in seiner Bildlichkeit einen spirituellen Inhalt hat, und Ihr müßt diesen spirituellen Inhalt Euren Gläubigen lebendig erhalten, ihn in Lebendigkeit erregen, so daß Ihr nicht nötig haben werdet, bloß das in Eure Worte zu legen und den Gläubi­gen zu übermitteln, was Ihr aus Eurem eigenen Gemüt her­auspreßt, was höchstens eine kurze Zeit wahr sein kann, nachher aber sehr leicht als etwas Abgebrauchtes in der Predigt wirkt. In der Menschenweihehandlung, die Ihr vor die Gläubigen hinstellt, habt Ihr etwas die Menschen Erschütterndes, etwas, worauf Ihr Euch jedesmal beziehen könnt, wenn Ihr etwas zu sagen habt. Ihr habt in ihr etwas Reales, woran Ihr anknüpfen könnt, das sofort Euer Wort in ein solches verwandelt, das den Gefühlsinhalt erhält im Anhören durch den Gläubigen. Dadurch entrinnt Ihr auch der Gefahr, der der protestantisch-evangelische Prediger immer aus­gesetzt ist; diese Gefahr besteht darin, daß er genötigt ist, aus seinem Persönlichen heraus seiner Predigt den Gemütsinhalt zu geben. Dadurch benebelt er sich in einer gewissen Weise selbst. Man kann protestantische Prediger kennenlernen, die sich schon bei der Vorbereitung der Predigt benebeln und die sich erst recht benebeln, wenn sie die Predigt halten. Dadurch aber wirkt die Predigt nicht als etwas Wahres. Nun, indem der Mensch sein persönliches Fühlen aus sich herauspressen muß, nimmt er ja seine ganze Seele in Anspruch, engagiert er alle seine Seelenkräfte und hat nichts mehr frei, um den Christus einziehen zu lassen

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während des Predigtsprechens. Wenn der Prediger an den ent­sprechenden Stellen einen Hinweis geben kann auf dasjenige, was in der Kultushandlung angetönt wird und was der Gläubige anschauend kennengelernt hat, wenn er also bei der Predigt übergeht zu der Exemplifikation der Kultushandlung, die eine unendlich reiche werden kann, und wenn er dieses Anknüpfen an die Kultushandlung in der Predigt ganz bildhaft macht, dann erhebt er sich gewissermaßen über sich selbst hinaus, engagiert nicht in vollem Maße seine Seelenkräfte. Und gerade in das, wo er nicht seine Seelenkräfte engagiert, sondern was sich durch die Exemplifikation der Messe abspielt, in das zieht der Christus ein. Und aus dieser Stimmung heraus kann die Messe gesprochen werden. Der Prediger kann gerade durch dieses real den Christus sprechen lassen. Seine Worte durchwellt die Christus-Kraft, und aus den Gläubigen antwortet ihm wie ein Echo das Fühlen.

Darauf kommt es an, damit der Prediger ein wirklicher Prediger ist, daß er etwas von der Gottes-Seite aus erlebt, was der Zuhö­rende von der Welt-Seite aus erlebt. Dadurch allein, daß er etwas von der Gottes-Seite aus erlebt, daß die Hinneigung nach rück­wärts zu dem Göttlichen bei ihm vorhanden ist, dadurch allein kann durch den Prediger in den Gemütern der Gläubigen das Richtige angeregt werden.

Das ist dasjenige, was die Predigt durchziehen muß. Und wenn das, was ich jetzt auseinandergesetzt habe, eine Wahrheit in Eurer Seele geworden ist, dann werdet Ihr in ganz selbstverständlicher Weise finden, ob irgend jemand zur Aufnahme in die Gemeinde geeignet ist oder nicht. Das läßt sich nicht mit abstrakten Worten umschreiben. Das hängt davon ab, wie er selber in der Sache drinnensteht. Es kann eine «Formel» geben, aber es ist die Formel nicht das Wesentliche, sondern Euer Erkennen ist das Wesent­liche, Euer aus dem Geiste eines so erfaßten Christentums, wie es hier geschehen ist, sich gestaltendes Erkennen desjenigen Men­schen, den Ihr in die Gemeinde aufnehmen wollt, und auch desjenigen Menschen, den Ihr in Eure eigene engere Priester-gemeinschaft aufnehmen wollt. Ihr werdet dadurch dazu kommen,

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Euch rein innerlich die Fragen beantworten zu können. Erstens: Kann dieser Mensch richtig zuhören, wenn das Evangelium verkündet wird? - Habt Ihr konstatiert, daß er richtig zuhören kann, so wird er ein richtiger Gläubiger sein. Ihr werdet weiter Euch durch inneres Erleben die zweite Frage beantworten kön­nen: Kann der Mensch, der zu mir kommt, in der richtigen Weise mir aus dem Geiste heraus das Wort des Evangeliums nachspre­chen? - Kann er zu den Zuhörern so sprechen, daß nicht sein Wort, sondern das Wort des Evangeliums erklingt, dann kann ich ihn aufnehmen als einen Seelenhirten-Kandidaten.

Das muß Euch zeigen, wie Ihr nicht wieder in ein abstraktes und theoretisierendes Leben verfallen dürft, wie Ihr die Fragen des Lebens nicht mit abstrakten Sätzen beantworten sollt, son­dern so, daß auf das Leben selber hingewiesen wird, auf das Leben vor allen Dingen, das in Euch entzündet worden ist.

Das ist es, was zunächst zu sagen ist. Über das Credo soll dann noch gesprochen werden.

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XII Montag, 18. September 1922, nachmittags

Die erste Frage, die wir noch zu beantworten haben und bei der es sich nur darum handeln kann, daß ich Ihnen, meine lieben Freunde, Vorschläge mache, das ist die Frage der eigentlichen Konstitution und der fortdauernden Konstitution der Gemein­schaft der Seelenhirten selber. Ich konnte zwar auf Ihre Frage am Vormittag, nachdem ich den Sinn der Gemeinschaft Ihnen zuerst erklärt hatte, noch die Antwort geben, die eben eine mehr innere, seelische war, aber es handelt sich natürlich darum, daß vor der Welt diese Gemeinschaft mit einer wirklichen Klarheit dasteht. Und da wollen wir uns jetzt zuerst, bevor wir die anderen Dinge besprechen, über einige Grundlagen ganz klar werden.

Nicht wahr, über die Aufnahme entscheidet ja natürlich ein Seelisches. Man muß sich darüber klar sein, daß in einer anderen Weise nicht entschieden werden kann über die Aufnahme als eben durch das, was ich schon heute vormittag über diese Frage gesagt habe. Aber nun kommen doch einige natürlich schwierige Dinge in Betracht, weil insbesondere in der ersten Zeit noch keine Übung da sein wird, an die man sich halten kann. Es wäre gut, wenn Sie sich über diese schwierigen Dinge in Ihrem eigenen Zusammenhang noch ganz klar würden, während Sie hier sind, so daß wir auch zusammen noch darüber sprechen könnten.

Nicht wahr, wenn auf der einen Seite Ihre Gemeinschaft her-ausgewachsen ist aus der Überzeugung, daß sie aus der anthropo­sophischen Bewegung einen gewissen Inhalt bekommt, so muß auf der anderen Seite doch durchaus aus demselben Geiste heraus das für alle Zukunft festgehalten werden, was ich schon sehr scharf bei der Einsetzung Ihrer Gemeinschaft - die ja jetzt als eingesetzt zu betrachten ist - festgehalten habe: daß die Gemeinde sich völlig aus sich selbst konstituiert, daß sie aus sich selbst entsteht, daß sie also neben der anthroposophischen Bewegung einhergeht, daß sie also niemals so aufgefaßt werden kann, als ob

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die anthroposophische Bewegung gewissermaßen die Stifterin der Gemeinde wäre oder von sich aus mit der Stiftung Ihrer Gemein­de etwas zu tun habe. Darüber haben wir oftmals gesprochen, und das ist etwas, was klar sein sollte. Und insofern es nicht klar sein sollte, kann weiteres darüber gesprochen werden.

Nun muß aber auf der anderen Seite die Gemeinschaft aufge­faßt werden als eine im tiefsten Sinne des Wortes seriöse, ernste. Bei einer solchen Gemeinschaft kann es sich nicht darum handeln, daß man in beliebiger Weise dazutritt und wieder austritt. Das entspricht ja der Neigung der gegenwärtigen Zeit, aber es kann niemals zu einem wirklichen Gedeihen führen. Sie müssen be­denken, daß der Entschluß, der in Ihnen gereift ist, diese Ge­meinschaft zu begründen, weiter dazu geführt hat, daß Sie hier das Zeremoniell der Weihe durchgeführt haben, und daß damit die Gemeinde aus der geistigen Welt heraus als die christliche Gemeinde konstituiert ist in dem Sinne, wie das heute vormittag besprochen worden ist. Dadurch ist ja dieser ganzen Begründung das Siegel aufgedrückt. Und es darf einfach nicht die Gesinnung, die bei den Menschen der Gegenwart herrscht, in die Gemeinde einfließen: einfach mitzutun - nicht mitzutun. Bei so etwas muß man den Entschluß, den man gefaßt hat, wenn man ihn ausführt, auch als bindend für das Leben betrachten. Das ist natürlich im Zusammenhang mit dem Bewußtsein des Menschen der Gegen­wart schon mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Ich möchte sagen, die Art der Zusammengehörigkeit, die Art des Zusammen­sichfühlens tritt uns ja wohl schon in einzelnen Fällen entgegen, also zum Beispiel im Falle Korn, über den vielleicht auch hier einiges gesprochen werden sollte. Bei Korn sehen wir ja schon, daß auf der einen Seite bei ihm der Wille vorhanden ist, so zu wirken, wie Sie wirken, auf der anderen Seite aber die Meinung da ist, daß er keinen Anschluß an Sie finden könne. Und auch bei Ihnen ist die Meinung vorhanden, daß es vielleicht nicht gut wäre, wenn er innerhalb der Gemeinschaft wirken würde. Das ist etwas, was zur Besprechung führen kann, nicht so sehr wegen des Einzelfalles, der so oder so sein kann, sondern weil aus dem

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konkreten Fall das Prinzip, aus dem heraus so etwas beurteilt werden muß, auch in der richtigen Weise ersehen werden kann.

Das sind Dinge, die insbesondere am Anfang in einer, ich möchte sagen recht schweren Weise genommen werden müssen. Nun wird es sich natürlich doch darum handeln, daß für alle diejenigen, die dieser Gemeinschaft der Seelenhirten angehören oder die in Zukunft ihr angehören werden, das Bewußtsein ent­steht: Erstens, daß der Entschluß dazuzugehören, ein sehr ernster und bindender ist; zweitens aber auch, daß eine Trennung nicht so ohne weiteres erfolgen sollte; und drittens, daß in einer gewissen Weise die Zugehörigkeit auch festgelegt werde.

Wie gesagt, die Gemeinschaft begründen Sie aus sich heraus, und insofern sie jetzt im Beginne steht, bedeutet das, was ich Ihnen hier vorzulesen habe, von mir nur einen Vorschlag, der ins Auge gefaßt werden soll, aber der natürlich zunächst nur als ein Vorschlag gemeint ist. Es könnte sein, daß von Ihnen namentlich manche Satzfassung so angesehen wird, daß Sie eine bestimmtere Fassung wünschen oder dergleichen. Aber über das Prinzipielle würde es schon gut sein, sich völlig klar zu werden, so daß also dasjenige, was durch die fortdauernden Verhandlungen und die ganze Art, wie Sie sich zusammengefunden haben, ja zunächst als etwas Selbstverständliches erscheinen müßte, wenigstens in seinen Hauptteilen, das folgende ergibt. Also es würde sich darum handeln, daß jeder, der zu der Gemeinschaft hinzutritt, auch ein solches Bekenntnis ablegt:

«Ich bekenne, daß ich nach reifer Überlegung in das Amt des Seelenhirten» - wir werden in den nächsten Tagen den Namen noch festsetzen - «der ... Gemeinde getreten bin, daß ich die eingesetzte Weihe so empfangen habe, daß sie von den dazu ver­ordneten Personen, deren Auftrag zur Weihe ich anerkenne, so vollzogen worden ist, daß der Vollzug geschehen ist, als ob er aus meinem eigenen freien Entschluß geflossen wäre.» Die Betonung des freien Entschlusses muß beim Menschen der Gegenwart fest­stehen. «Ich erkläre, daß ich die Weihe als für mein künftiges Erdendasein bindend ansehe, so daß eine Trennung von der ...

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Gemeinschaft nicht in meinem gegenwärtigen Willen liegt. Sollte von mir eine Trennung herbeigeführt werden, so will ich anerken­nen, daß die gegenwärtigen Oberlenker und Lenker oder deren rechtmäßige Nachfolger in Gemeinschaft die moralische Bewer­tung dieser Trennung vornehmen, die ich anerkennen will.

Alles auf den Kultus bezügliche will ich durch meinen indivi­duellen Willen nie verändern oder anders ausführen als in der von Oberlenkern und Lenkern anerkannten Art. In der Predigt und Lehre habe ich völlige Freiheit, solange meine Lehre nicht von Oberlenkern und Lenkern in Gemeinschaft als eine solche aner­kannt wird, die dem Inhalte des von mir geübten Kultus im Sinne seiner Einsetzung widerspricht.»

Das ist nämlich sehr wichtig, daß Sie sich klar sind darüber, daß in bezug auf die Lehre dann völlige Freiheit herrscht, wenn der gemeinschaftliche Zusammenhalt im Kultus gegeben ist. Da­durch ist ja gerade die Freiheit der Predigt und der Lehre gesichert, daß der Zusammenhalt nicht abhängt von der Übereinstimmung, die Grenzen hat. Natürlich hat diese Freiheit ihre Grenzen darin, daß nicht in irgendeiner leicht durchschaubaren Weise dasjenige, was man lehrt, dem Geist und dem Sinn des Kultus widerspricht. Das wäre eine Absurdität in sich selber. Wenn also irgend jemand das Meßopfer verrichtet und zu gleicher Zeit lehren würde, daß das ein Unsinn ist, so würde er nicht innerhalb der Gemeinschaft bleiben können oder mindestens nicht lehren können. Nicht wahr, so ist in einem so weitgehenden Sinn, als es nur möglich ist, die Freiheit der Lehre anerkannt. Und, meine lieben Freunde, ohne die Freiheit der Lehre kommen wir heute tatsächlich, beson­ders in einer christlichen Gemeinschaft, nicht weiter. Es muß nur der Kultus im richtigen Sinne angesehen werden, dann ergibt sich, so möchte ich sagen, gerade aus dem Vorhandensein des Kultus die Freiheit der Lehre.

Auch von dieser Freiheit der Lehre hat ja die katholische Kirche noch etwas in sich, nur sündigt sie natürlich dagegen, ich möchte sagen, nicht nur jeden Tag, sondern jede Stunde. Aber sie hat noch etwas davon in sich. In diesem Sinne möchte ich eine Tatsache

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erwähnen, die mir vor mehreren Jahren begegnet ist, wo ich eine Frage gestellt habe an einen Wiener Professor, der katholi­scher Priester war und an der philosophischen Fakultät lehrte, der scharf überwacht worden ist [von Rom] in bezug auf das, was er als Professor lehrte über alte klassische Philosophie. Der Betref­fende war Zisterzienser. Ich fragte: Wie kommt das, daß Sie scharf überwacht werden? Niemals kommt eigentlich irgend etwas aus Ihrem Munde, was in Rom anstößig gefunden werden könnte, während der Professor Bickell in Innsbruck als Theologieprofes­sor, als Dogmatiker in allerfreiester Weise damals Dinge lehrte, denen gegenüber die Kirche eigentlich längst hätte aufmerken mussen. - Da sagte der Professor: Ja, der Bickell ist Jesuit, die Kir-che ist seiner sicher, der kann lehren, was er will. Wir Zister­zienser sind [in Rom] nicht so gut angeschrieben; von uns glaubt man, es könne sehr leicht vorkommen, daß wir uns von der Kirche trennen. - Also es kommt der römisch-katholischen Kir­che nicht darauf an, daß jemand in freier Weise Dogmatik lehrt, sondern es kommt ihr darauf an, sicher zu sein, daß der Betreffen­de nicht in der freien Lehre der Dogmatik einen Widerspruch findet zu der Kirche und etwa zu dem Gedanken einer Trennung kommt.

Das sind eben die Dinge, die da, wo ein wirklicher Kultus vorhanden ist, ja tatsächlich die Freiheit der Lehre absolut möglich machen. Denn was ist der Kultus? Der Kultus besteht in Hand­lungen, die herausgehoben sind aus dem Naturzusammenhange, in den der Mensch auf Erden verwoben ist, und die doch reale Vorgänge sind. Kultushandlungen haben nur ein einziges Reales während des Erdendaseins in der Außenwelt, und das ist das Mysterium von Golgatha. Es gibt nur eine Realität auf der Erde, eben die des Mysteriums von Golgatha, das dieselbe Rea­lität hat - trotzdem es eine physische Handlung, ein physischer Vorgang ist - wie die Kultushandlung. Wenn wir uns die Sache schematisch vorstellen wollen, so können wir sagen (es wird an die Tafel gezeichnet):

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Es gibt Geschehnisse in der physischen Welt. Diese Gescheh­nisse, die sich so abspielen, daß man sie mit den Augen sehen kann, sind bedingt durch Kräfte, die aus der Tiefe der Materie heraufkommen, die wir mit Naturgesetzen ausdrücken.

#Bild s. 134a

Was wir als Kultushandlung zelebrieren, sind auch Gescheh­nisse in der physischen Welt, aber ihnen entsprechen Kräfte, in die wir uns selber hineinstellen, die aus der geistigen Welt herun­terkommen.

#Bild s. 134b

Also dasjenige, was mit dem Kultus in Realität übergeführt wird, sind nicht die Abbilder eines stofflichen Geschehens, son­dern es ist das Abbild eines geistigen Geschehens. Wenn Sie die Messe zelebrieren, dann handelt es sich darum, daß die Gemein­schaft, die mit Ihnen vor dem Altare sitzt, die Laiengemeinschaft, teilnimmt durch ihr Anschauen an einer Handlung, an einem Vorgang, der unmittelbar vor dem Auge äußerlich offenbart, äußerlich darstellt, was in der geistigen Welt vorhanden ist, so daß also dasjenige, was sich am Altare abspielt, mit der Gemeinde zusammen als ein Vorgang der geistigen Welt vollzogen wird.

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Fassen wir das seiner Innerlichkeit nach auf. Seiner Innerlich­keit nach aufgefaßt bedeutet das im Sinne des heute vormittag Erörterten, daß während des Messezelebrierens der Christus an­wesend wird innerhalb der Gemeinschaft. Wenn der Christus gegenwärtig ist innerhalb der Gemeinschaft, so wird das wahre Ich eines jeden einzelnen, der in der richtigen Weise die Messe andächtig mitmacht, in diese Gemeinschaft hereingerufen, und es ist nun so: Nehmen wir an, wir haben den zelebrierenden Priester und, sagen wir zehn Gemeindemitglieder. Das wahre Ich dieser zehn Gemeindemitgueder ist während desjenigen Teiles der Messe anwesend, der von der Transsubstantiation bis zum Ende verläuft, wenn die Messe in der richtigen Weise vollzogen wird. Nun, da­durch wird in den Menschen etwas ähnliches bewirkt wie, sagen wir, im Schlafen und Wachen des täglichen Lebens. Wenn es so wäre, daß wir einschlafen und all dasjenige bewußt erlebten, was ich einmal in diesen Tagen hier in diesem Bau beschrieben habe als die Zustände während des Schlafens, dann würden wir ja als Menschen so fortleben, daß wir innerlich seelisch dasjenige fest­halten würden, was wir im Schlafe erlebt haben. Würden wir im Moment des Schlafens den Leib verlieren, so würden wir durch den Verlust des Leibes zu einem gewissen Bewußtsein dessen übergehen, was sonst im Schlafe unbewußt bleibt und wir würden so fortleben; es wäre sehr ähnlich dem, was ja auch zwischen Tod und neuer Geburt erlebt wird. Wir wachen aber wiederum auf, wir gehen in unseren physischen Organismus zurück und erleben in unserem physischen Organismus anderes als während des Schlafes. Aber im Laufe des Lebens summieren sich doch die Schlaferlebnisse, und wir gehen durch den Tod mit der Summe [der Schlaferlebnisse], das heißt mit einem sehr starken Einschlag des seelisch während des Schlafzustandes Erlebten.

So ist es auch, wenn wir die Menschenweihehandlung betrach­ten. Da ist es so, daß wir sagen müssen: Indem der Mensch anwesend ist bei der Weihehandlung, erscheint - wenigstens zu­nächst ideell, aber es muß natürlich gerade durch das Vollbringen der Menschenweihehandlung immer weiterkommen in Ihrer Gemeinschaft -,

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es erscheint zunächst ideell das wahre Ich jedes einzelnen. Das ist da. Es geht während des gewöhnlichen Erlebens des Tages wieder fort, so wie während des Wachens die Erlebnisse des Schlafes fortgehen. Es geht wieder fort, aber die Weihehandlung wird wiederholt, und so summiert es sich und der Mensch verbindet sich immer mehr und mehr durch dieses fortgesetzte Opfer Christi mit seinem wahren Ich. Es ist in der Tat so, daß eine immer stärkere Verbindung mit dem wahren Ich stattfindet durch eine immer stärkere Überwindung der Trennung von dem Ich, wie ich sie heute vormittag vorgebracht habe.

Nehmen wir einmal an, Sie lesen eine Menschenweihehandlung init einer bestimmten Absicht, sagen wir, mit der Absicht, sie auch für eine Reihe von Toten zu lesen. Das kann man ja. In der katholischen Kirche hat das zu dem Unfug geführt mit dem Messebezahlen für die Toten. Das meine ich nicht. Aber es kann für eine Reihe von Toten eine Messe gelesen werden, und da kann es sein, daß man durch die Messe sich in Verbindung setzt mit den wahren Ichs der Toten, daß man nicht nur deren Andenken feiert, sondern daß man sich mit den wahren Ichs der Toten in Ver­bindung setzt. Kurz, Sie werden überall darauf geführt, daß es sich bei einem zu Recht bestehenden Kultus um etwas in der physischen Welt handelt, das sich abspielt in der physischen Welt, das aber hindeutet auf geistige Grundkräfte, während die sonstigen Erscheinungen der physischen Welt auf materielle Grundkräfte hindeuten. Machen Sie sich klar, daß das wirklich mit dem ge­wöhnlichen Verstande zu verstehen ist. Es ist mit dem gewöhn­lichen Verstande zu verstehen. Wenn man sagt, man verstehe es nicht, will man nur nicht klar denken.

Sehen Sie, wenn Sie hier den Erdboden haben, aus dem eine Reihe Pflanzen herauswachsen (es wird an die Tafel gezeichnet,

#Tafel 3

links oben), und wenn wir jetzt den Moment festhalten, wo diese Pflanzen zu blühen beginnen - ich will hier noch den Samen zeichnen -, so sehen Sie, sie blühen, und die Blüte ist eine Weile da, die Blüte vergeht wiederum. Unsere Augen haben etwas gesehen, was lediglich eine Weile da ist und dann vergeht. Es

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kommt eine Zeit, wo es nicht mehr da ist; es war eine Zeit da, wo diese Erscheinung angefangen hat. Was sich erhält, ist dasjenige, was die Kraft des Samens ist; das ist etwas materiell sehr Un­scheinbares. Das ist vorhanden, solange es die betreffende Pflan­zenart auf der Erde gibt; das ist etwas, was in der Tiefe der Materie wurzelt. Was in der Blüte erscheint, ist eine vorüberge­hende Erscheinung. Schauen Sie auf das, was dem Sichtbaren zugrundeliegt, so müssen Sie auf etwas ganz anderes schauen als auf diese vorübergehende Erscheinung. Ebenso wie Sie hier das Blühen und das Verblühen der Blume eine Weile anschauen, so schauen Sie die Messe an vom Staffelgebet über das Offertorium, die Wandlung, die Kommunion bis zum «ite missa est». Das ist dasjenige, was die Augen vor sich haben; es ist genau gleich dem, was Sie in dem Blühen und Verblühen der Blume als Farbener­scheinung haben. Nur das eine Mal weisen die Farbenerscheinun­gen Sie hin auf das, was in den Samenkörnern vorgeht in der Tiefe der Materie, das andere Mal, bei der Messe, weisen die sichtbaren Erscheinungen Sie hin auf die geistige Welt. So also braucht der gewöhnliche Verstand keine anderen Ideen, um eine Kultuszere­monie zu verstehen, als er braucht, um eine physische Erscheinung zu verstehen. Daß die Menschen heute in der gegenwärtigen Zivilisation die sinnlich-physischen Erscheinungen - die ja doch die Offenbarung eines in der Materie verborgenen Kräftesystems sind - leichter zu verstehen glauben als eine Kultushandlung als Offenbarung eines Geistigen, das ist lediglich ein Vorurteil.

Wenn ich Sie auf irgend etwas hinweisen soll, was sich außer­ordentlich stark verändert hat in bezug auf das Verhältnis des Menschen zur geistigen Welt in verhältnismäßig gar nicht langer Zeit, so ist es das folgende: Sehen Sie, was geschieht heute, wenn ein evangelischer oder katholischer Geistlicher unter Freidenker versetzt wird, zum Beispiel in eine Diskussion über die Trans­substantiation? Nicht wahr, wir wollen uns objektiv über die Dinge klar werden und wollen das, was gesagt wird, nicht im kritischen Sinne auffassen. Was geschieht in einem solchen Falle heute? Gewiß, es gibt Ausnahmen, aber die Ausnahmen sind,

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möchte ich fast sagen, die Phlegmatiker. Diejenigen dagegen, die etwas intensiver in der Übung ihres Amtes drinnenstehen, werden zunächst nervös, wenn die Diskussion angeht; sie werden wirk-lich zuerst nervös, insbesondere die katholischen Geistlichen, wenn von einer solchen Sache wie der Transsubstantiation nur gesprochen wird. Warum? Weil die Menschen beim Sprechen über eine solche Sache heute jeden Boden verloren haben. Die Menschen sind so hineingewöhnt in die grob-sinnlichen Vorstel­lungen, die die Naturwissenschaft allmählich beherrschen, daß sie allen Boden verloren haben, über eine solche Sache sinngemäß zu sprechen. Nun will ich nicht etwas von mir selbst sagen, sondern ich will eine historische Tatsache erzählen. Es gab vor sechzig oder zweiundsechzig Jahren in Österreich einen katho­lischen Domherrn, der sagte über die Transsubstantiation in sei­nem Lehrinhalt das folgende: Was für Kräfte in irgendeinem materiellen Zusammenhang sind, das kann man eigentlich aus diesem materiellen Zusammenhang gar nicht wissen. Denn - so sagte er - wir brauchen nur auf den Chemiker Liebig hinzuwei­sen. - Liebig hat etwa in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhun­derts, wie man sagt «geblüht». Er hat einmal gesagt, auch drucken lassen: Wenn die Menschen behaupten, daß ein Samenkorn un-erklärlich ist in seiner Zusammensetzung, so sollen sie doch be­denken, daß ein Quarz oder ein anderer Kristall ebenso uner­klärlich ist. Das unorganische Leben, wenn es gestaltet ist, ist in bezug auf die Kräfte, die ihm zugrundeliegen, ebenso geheimnis­voll wie das Samenkorn. - Also der gute österreichische Domherr hat sich darauf berufen, daß man gar nicht wissen kann, was in einer Oblate drinnen ist, weil man überhaupt nicht weiß, was sie geformt hat. Ich will Ihnen damit nur klar machen, daß vor zweiundsechzig Jahren man auch als katholischer Domherr noch philosophische Erörterungen anstellte über das Plausible einer solchen Idee. Heute wird ein Domherr nervös, wenn er nach der Transsubstantiation gefragt wird, weil keiner mehr daran denkt, den menschlichen Verstand in Bewegung zu setzen, wenn es sich um übersinnliche Tatsachen handelt. Das ist etwas, was Sie sich

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gründlich werden abgewöhnen müssen. Sie müssen den Mut erwerben, den menschlichen Verstand in Bewegung zu setzen, wenn es sich darum handelt, übersinnliche Tatsachen zu erklären. Es ist nur ein Vorurteil, wenn gemeint wird, daß physisch-sinnliche Tatsachen besser erklärt werden können als geistige. Zunächst handelt es sich darum, daß die geistigen Tatsachen ge­funden werden; erklärt werden können sie im Grunde genommen dann ebenso leicht wie die physisch-sinnlichen Tatsachen oder ebenso schwer. Ohne die Anerkennung dieser innerlichen Ge­sinnungsfähigkeit kommen Sie natürlich Ihrem Amte nicht nach.

Durch die Anerkennung der Formen kommen Sie aber zum Kultus und zu seinem Verständnis. Sehen Sie, vorgestern hielt ich vor unseren Arbeitern drüben [im Goetheanum-Bau] eine Stunde, wie ich das eben mache bei unseren Arbeitern. Ich habe gerade bei dieser Stunde den Arbeitern begreiflich zu machen versucht, wie man allmählich, wenn man den physischen Organismus betrachtet, zur Anerkennung des Seelischen und des Geistigen kommt. Da sagte ich: Der Mensch, was ißt er hauptsächlich, was verzehrt er?

- Er verzehrt mit den verschiedenen Nahrungsmitteln zum Bei­spiel Stärke. Die Stärke wird aufgenommen vom Munde, geht durch die Speiseröhre in den Magen und den Darm; sie verwandelt sich; durch eine dreifache Einspeichelung, durch Ptyalin, Pepsin und Trypsin, wird aus der Stärke Zucker. Wir essen KartQffeln, die im wesentlichen aus Stärke sind, aber wir tragen nicht die Stärke in uns, sondern wir tragen nach der Verdauung Zucker in uns. Wir essen Eiweiß; nach einiger Zeit wird dieses Eiweiß aufgelöst, so daß es als flüssiges Eiweiß in uns ist. Da kommt nun allerdings eine Sache, die oftmals von Medizinern und Naturwis­senschaftlern irrigerweise ausgenützt wird im üblen Sinne: da wird im Zusammenarbeiten von Darminhalt und dem Trypsin der Bauchspeicheldrüse immerfort Alkohol produziert. Man kann gar nicht ganz Antialkoholiker sein. Selbst wenn man keinen Alkohol trinkt, so produziert man den nötigen Alkohol, weil das Eiweiß gerade so konserviert werden muß. Wie man Präparate aus dem Tierreich [zur Konservierung] in Spiritus setzt, so muß unser

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Darminhalt in «Spiritus» gesetzt werden, und den produzieren wir selbst. Da wird das Eiweiß getötet, dann aber konserviert und erst in den Lymphgefäßen wieder belebt. - Ich sagte weiter zu den Arbeitern: Wir essen Fette, die werden auch umgewandelt, die werden nicht einfach emulgiert. Es ist bei keinem Fettgenuß so, daß die Fette, die wir essen, sich dann einfach im Körper verteilen; sie verwandeln sich erst selber. Das Fett, das wir essen, wird in uns zu Glyzerin und zu allerlei Säuren. Nur Salze bleiben im wesentlichen unverändert. Wir essen also stärkeähnliche Stoffe. Zucker nehmen wir nur aus dem Instinkt heraus, daß wir als Mensch zu schwach sind, die Stärke zu nehmen, die zu Zucker wird; sonst würden wir keinen Zucker brauchen. Während wir also genießen Stärke, Eiweiß, Fette und Salze, die in den Mund hineingehen, haben wir im Körper nach einiger Zeit Zucker, flüssiges Eiweiß - das wesentlich anders ist als das Eiweiß in dem Zustande, in dem wir es essen -, Glyzerin, Fettsäuren und Salze. Nur die Salze gehen bis in unser Gehirn und sammeln sich dort an; das andere geht nur zum Teil in unser Gehirn. Aber im wesentlichen verwandelt sich ein Teil in phosphorige, sehr flüch­tige Teile und geht so ins Gehirn. Ich habe den Arbeitern klar gemacht anhand von diesen Vorgängen, wie das Seelische leicht zu verstehen ist, wenn sie nur den menschlichen Verstand in Bewegung setzen. Es wird noch lange Zeit gehen, bis die Menschen soweit sein werden. Man kommt auf diese Weise einfach dazu, dem einfachsten Menschen das Seelisch-Geistige gerade durch die Vorgänge des körperlichen Lebens klar zu machen.

Nun denken Sie doch einmal, was da eigentlich geschieht. Durch das Geistig-Seelische wird in uns eine völlige Verwandlung voll­zogen. Sehr stark verschieden, sehr anders sieht ja der Mensch, der vor zwei Stunden gegessen hat, nicht aus als derjenige, der noch vor der Mahlzeit steht. Sie sehen es seiner Nase, seinen Augen nicht sehr stark an, was in ihm seelisch-geistig vorgeht. Was in der Menschenweihehandlung vollzogen wird, ist eine geistige Hand­lung. Das sinnliche Abbild [bei der Transsubstantiation] braucht gar nicht so sehr verschieden zu sein von dem, was es früher war;

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was verschieden ist, ist nur in seiner feineren Struktur mit geisti­gen Instrumenten nachweisbar. Für das hellsichtige Auge schaut die transsubstantiierte Hostie anders aus als die nichttranssub­stantiierte. Sie haben also etwas, was ein fortwährendes Analogon dessen ist, was [im Physischen vor sich] geht.

Also es ist möglich, den Kultus intim innerlich zu verstehen als dasjenige, was ein geistiges Dasein unter uns hat. Wenn man sich zu dem Kultus bekennt, wenn man den Kultus unmittelbar aus­führt, dann hat man in der Ausübung des Kultus eine solche Stärke, daß man schon bauen darf auf dasjenige, worauf man bei jeder Verkündigung der Wahrheit in einer Lehre bauen muß: daß man auf dem richtigen Wege nach einer Richtung ist. Dann kann man in der Lehre selber völlig frei sein. In dem Augenblick, wo Geist unter uns ist und in dem Kultus seine Offenbarung findet, konnen wir in der Lehre als frei gelten. Denn das Leben im Kultus wird uns dazu veranlassen, diese Freiheit der Lehre nicht zu mißbrauchen. Deshalb steht hier wirklich mit einer tiefen Bedeutung: «In der Predigt und Lehre habe ich völlige Freiheit, solange meine Lehre nicht von Oberlenkern und Lenkern in Gemeinschaft als eine solche anerkannt werden, die dem Inhalte des von mir geübten Kultus im Sinne seiner Einsetzung wider­spricht.» - Dieses «im Sinne seiner Einsetzung» habe ich nur eingefügt, weil wir im Anfang stehen und weil es doch für die meisten notwendig ist, das, was als Interpretation im Laufe der Zeit gegeben wird, hier noch einzufügen. Das wird nach und nach etwas werden, was einfach durch sich selbst feststeht.

Das will ich zunächst vor Ihre Seele hinstellen. Vielleicht machen Sie es so, daß Sie diese Vorschläge als Unterlage betrach­ten, und wenn Sie etwas zu sagen haben, mir das dann morgen mitteilen. Ich kann mir ja vorstellen, daß Sie vor dieser Formu­lierung Angst haben - es würde eine unbegründete Angst sein. Und insbesondere glaube ich, daß man sich doch noch klar werden muß über solche Dinge, die, wie das bei Korn ist, dazu führen, daß er selber will und doch nicht will und man die Ansicht hat, man kann ihn doch nicht brauchen.

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Friedrich Rittelmeyer: Als wir in Nürnberg zusammen waren, hat er doch einigen von uns Schrecken gemacht.

Rudolf Steiner: Es ist so, daß diejenigen, zu denen er sich aus­spricht, sich darauf berufen, er neige sehr stark zu Extremen in seinen Entschlüssen und daß der Grund, ihn nicht hereinzuneh­men, ja gewiß der sein könne, daß er vielleicht nicht genügend Besonnenheit hat, daß er die Dinge so oder so ausspricht. Er hat es ja nicht so formuliert wie ich, aber er hat gesagt, man habe doch die Reinkarnationslehre und die müsse man einfach lehren. Er hat es anders ausgedrückt, aber das ist ganz von der Konfiguration seines Geistes abhängig. Natürlich können Sie sagen, sie fordern ein bestimmtes geistiges Gleichgewicht. Aber solche Menschen, die an zu vielem teilgenommen haben - er war am vorjährigen Kurs und er ist eigentlich zu weit gekommen beim Mitmachen -, sind in einer schwierigen Lage, und auch die Gemeinschaft ist durch ihn in einer schwierigen Lage. Und nun war er heute bei mir und sagte, er fühle sich eigentlich berufen zu lehren und Priester zu sein. Ich sagte ihm: Ja, nicht wahr, jetzt ist gerade die Gemeinschaft da; ich kann da nicht das mindeste dazu tun, sondern Sie müssen nun entweder in der Gemeinschaft drinnen-stehen und mit ihr eins werden, dann könnte alles in Ordnung sein, oder aber Sie müssen sich gleich als einzelner hinstellen und durch sich selbst Priester werden; es gibt kein drittes. - Er fordert, daß er nicht etwa bloß lehren will, er will taufen und will andere rituelle Handlungen ausführen; er will also daselbe tun, was Sie tun. Würde er es aber unrichtig tun, würde er sich selber ernennen und in keinem Zusammenhang mit Ihnen stehen, dann kommen die Schwierigkeiten. So habe ich gesagt, daß er sich mit Ihnen auseinandersetzen soll.

Ich habe gedacht, nachdem dieses Ihnen von mir vorgelegt worden ist, daß dadurch eine Art Norm gegeben ist für die Aufnahmen.

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XIII Dienstag, 19. September 1922, vormittags

Meine lieben Freunde! Ich habe in der Fortsetzung des gestern am Morgen zu Ihnen Gesprochenen zunächst das folgende vor Ihnen zu sagen. Es handelt sich ja darum, daß Sie in der rechten Weise empfinden das Hinausgesendetwerden von den in der Geisteswelt vorhandenen, mit Christi Erdendasein verbundenen geistigen Mächten, und daß Sie selber das Verbundensein mit diesen geistigen Mächten empfinden als Ihre Sendung. Und im Sinne dessen habe ich vor Ihnen die Worte aus dem Hebräerbrief Kapitel 5, Vers 9 und 10, in der Weise zu verlesen, wie sie sich ergeben, wenn wir versuchen, in unserer Sprache in ihren wirklichen Sinn einzu­dringen:

Nachdem Christus sein Körperleben zu Ende gebracht, ist er allen, die von ihm erfüllt sind, der Sündenheiler durch alle Erdenzeiten, und wird mit dem Geistes-Worte bezeichnet als der höchste Seelenheiland nach dem Ritus des Melchi­Sadek.

Nur wenn Ihr im Sinne dieser Worte, mit denen im Anfange der Christenzeit diejenigen hinausgesendet worden sind, welche in vollem Maße erfüllen sollten die Sendung Christi, Eure eigene Sendung empfindet, werdet Ihr darin sehen können eine Wieder-erneuerung des christlichen Wirkens. Nun handelt es sich aber darum, daß wir in die Lage kommen, dieses Wort - das ein altes Wort ist, aber wieder erneuert ist im fünften Kapitel des Hebräer-briefes - in der richtigen Weise auf unsere Seelen wirken zu lassen. Dieses Wört, das die eigentliche Sendung des christlichen Priestertums bezeichnet, weist uns darauf hin, daß nur diejenigen in den ersten Zeiten der christlichen Entwickelung, also in den ersten Jahrhunderten des Christentums, ihre priesterliche Sen­dung in der richtigen Weise empfunden haben, die da sagten: Wir

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wollen nicht allein im Sinne des levitischen Ritus dasjenige auffas­sen, was wir als Kultus in die Welt zu bringen haben, sondern wir wollen durch den levitischen Ritus hindurchschauen auf jenen Ritus, der näher zur göttlichen Weltordnung steht und nach dem der Priesterkönig Sadek, der Adonai Melchi-Sadek, vor dem Priesterkönig der alten Juden die Opferdienste verrichtet hat, und zwar einen Opferdienst, den auch Abraham, der alte Priester-könig der Juden, auf den der levitische Priesterdienst zurückzu­führen ist, anerkannt hat als den höheren für die damalige Zeit. Es weist uns dies darauf hin, daß der Opferdienst der Juden, insofern er zurückgeführt wird auf die Opferung Abrahams, als ein niede­rerer aufgefaßt werden mußte in den ersten Zeiten des Christentum gegenüber dem, der in seiner urbildlichen alten Art damals voll­bracht worden ist durch Melchi-Sadek, und der in einem höheren Sinne, näher der geistigen Welt, wiederum vollführt, vollzogen worden ist und weiter vollzogen werden soll durch den Christus Jesus selber. Es wird darauf hingewiesen, daß das, was das Opfer Christi ist - das auf dem Altare immer erneuert werden soll in der Weise, wie es geschehen kann -, eine höhere Handlung ist gegenüber der Handlung, die dazumal [in der Zeit] vor Abra­ham dargebracht wurde dem höchsten Gotte - nicht dem Gott Jehova - von Melchi-Sadek, und wir müssen nun verstehen, was eigentlich in diesen Worten liegt.

Es wird ja gesagt, daß Melchi-Sadek sein Opfer gebracht habe durch Brot und Wein, denen gegenüber die Opfergaben, die durch Abraham dargebracht wurden - die hier zugrundeliegende Auffassung zeigt das ganz deutlich -, als niederere aufgefaßt wurden. Allein wir mussen auch festhalten, daß diese Ausdrucks­form «Brot und Wein» schon eine solche ist, die aus dem späteren exoterischen Judentum heraus gekommen ist, und die schon nicht mehr das ursprüngliche volle Verständnis zeigt. Weil dieses ur­sprüngliche volle Verständnis bei denjenigen nicht vorhanden war, welche Anteil hatten an dem Zustandekommen des Textes des Alten Testamentes, sondern nur noch vorhanden war bei denjenigen Initiierten, die das Verständnis für die alte Initiation in

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den ersten Jahrhunderten des Christentums hatten, deswegen ist aus dem Texte des Alten Testamentes nicht mehr in voller Form herauszubekommen, was eigentlich mit diesem Opfer des Melchi­Sadek gemeint ist. Und dennoch muß von denen, die heute als Priester wieder hinausgesendet werden in die Welt, auch eine richtige Auffassung von diesen Opfergaben des Melchi-Sadek vertreten werden.

Wenn man im Sinne der Initiationserkenntnis zurückgeht zu dem, was wirklich gemeint ist, wenn gesagt wird, das Opfer des Melchi-Sadek wurde dargebracht in der Gestalt von Brot und Wein, so kommt man darauf zu sehen, daß im Brote in der richtigen Initiationserkenntnis immer gesehen worden ist ein Trä­ger des Salzes. Die Juden haben eigentlich nicht mehr im richtigen Sinne und mit richtigem Verständnis gehandelt, wenn sie das Salz vergessen haben und sogar betont haben, daß es nötig sei, unge­säuertes Brot für die heilige Opferhandlung zu verwenden. In dem Brote, das ursprünglich gemeint war, wurde gerade das Salz gesehen, geradeso wie in dem Wein nicht der Wein als solcher, wie er sich in seiner Weinsubstanz darstellt, gesehen wurde, son­dern es wurde in dem Wein gesucht der außerordentlich flüch­tige, fluktuierende Gehalt an Sulphur oder Phosphor, was ja in der alten Bezeichnung ein und dasselbe ist. Wenn man also im richtigen Sinne spricht, muß man eigentlich sagen, daß das Opfer des Melchi-Sadek - das heißt das Opfer, das nach seinem Ritus vollzogen wurde - durch Salz und Schwefel - oder durch Salz und Phosphor - dargebracht worden ist, wie sie sich in den Nah­rungsmitteln Brot und Wein finden. Das ist die ursprüngliche Auffassung, und Initiation heißt ja aus dem Grunde «Initiation», weil sie immer auf die ursprüngliche Auffassung zurückgeht. Im althebräischen Priestertum wurde schon aus einer gewissen Ab­sicht heraus, die nicht Menschenabsicht war, das wirkliche Brot, welches Salz mitenthält, durch das ungesäuerte Brot ersetzt, weil man gewisse Geheimnisse nicht mehr kannte.

Was liegt denn eigentlich in Salz und Phosphor, wenn der Mensch sie in sich aufnimmt durch das Brot und den Wein? In

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Salz und Phosphor liegt, durch das Salz, die Verbindung des Menschen mit der Erde. Je mehr der Mensch Salz in sich auf­nimmt, desto mehr verbindet er sich mit der Erde, und je mehr Phosphor er in sich aufnimmt, desto mehr entreißt er sich ihr, macht sich frei von ihr. Was sich also im menschlichen Leibe -nicht außerhalb des menschlichen Leibes - durch die Verbindung des Salzes mit dem Phosphor vollzieht, das ist ein Vorgang, der den Menschen richtig in das Erdendasein hineinstellt, aus dem Grunde, weil das Salz ihn in richtiger Weise mit der Erde verbindet, der Phosphor ihn in richtiger Weise dem Erdendasein entreißt, ihn wieder davon frei macht. Es ist so, daß der Mensch, der in richtiger Weise Salz und Phosphor in sich hat, auf der Erde in der richtigen Weise steht, richtig stark genug mit der Erde verbunden ist, aber auch die nötige ätherische und astralische Leichtigkeit erhält, um in seinem Wesen auch wiederum frei zu sein von den Erdenkräften. Dadurch, daß die Juden der späteren Zeit den Hauptwert auf das Ungesäuerte im Brote gelegt haben, haben sie eben gezeigt, daß sie nicht mehr mit der Erde in Verbindung sein wollten, sondern eben auch in dem Brote schon das haben wollten, was sie über die Erde hinausträgt. Sie wollten also ein überirdi­sches, nicht ein irdisches Priestertum, sie wollten überhaupt ein Priestertum, das die Erde von außen beherrscht. So war es mit dem Judentum insbesondere zur Zeit Christi. Weil das Judentum durch lange Zeiten hindurch in seinen Mysterien ein nicht mit der Erde in richtigem Zusammenhang stehendes Priestertum begründet hat, deshalb konnte es nicht verstehen, daß dasjenige Wesen, von dem ihm seine Eingeweihten als von dem kommenden Messias sprachen, in einem irdischen Leibe zur Vollendung kommen könnte; und es ging auch den initiierten Juden niemals auf, daß in einem irdischen Leibe, in dem Leibe des Jesus, der Christus auf der Erde hätte wandeln können. Das ging erst dem Paulus auf, als ihm die Hilfe wurde, daß sich ihm der Christus nicht im irdischen, sondern im ätherischen Leibe offenbarte.

So hängen die Dinge zusammen, und das müßt Ihr fühlen, denn die Worte aus dem fünften Kapitel des Hebräerbriefes, die

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mitgegeben wurden denen, die in den ersten christlichen Jahrhun­derten hinausgesendet wurden als Priester, diese Worte sind nur aus diesen Untergründen heraus in der richtigen Weise zu ver­stehen. Was aber wird dadurch erlangt, daß in dieser Weise zurückgegangen wird zu der eigentlichen Urform der Opfergabe «Salz und Schwefel»? Was dadurch erlangt wird, können wir uns vorstellen, wenn wir uns den Gegensatz vor unsere Seele stellen, der bestand zwischen dem Hohenpriester, zwischen Melchi-Sadek, der ja zugleich auch ein Priesterkönig, ein Adonai, war, und Abraham. In derjenigen Strömung des Geisteslebens, in der auch Melchi-Sadek drinnenstand, lebte die Anschauung von den wie­derholten Erdenleben. Sie lebte gerade in derjenigen Mysterien-gemeinschaft, der Melchi-Sadek angehörte in der Weise, daß sie vor den Uneingeweihten als ein Mysterium verborgen gehalten wurde, aber allen denjenigen, welche in diese Mysterien eingeweiht worden waren, wurde sie übergeben. Das abrahamitische He­bräertum zeichnete sich dadurch aus, daß es die menschliche Anschauung gerade auf das einschränkte, was sich als etwas Geistiges für den Menschen ergibt, wenn man absieht von den wiederholten Erdenleben, wenn man nicht auf sie eingeht, wenn man notdürftig noch berücksichtigt die dem einen Erdenleben vorangegangene vorirdische Lebenszeit und dann ins Auge faßt die nachirdische Lebenszeit.

Wenigstens in der Lehre der Pharisäer war das so. In Abraham stand also der Urvater des Judentums, der die Mission hatte, innerhalb der Erziehung der Erdenmenschheit die Lehre von den wiederholten Erdenleben zunächst nicht tätig sein zu lassen, gegenüber dem höheren Priester, den er anerkannte, der diese Lehre auf diejenigen verpflanzte, die von ihm unter Darbringung des Opfers geweiht wurden; er stand gegenüber der Auffassung des Melchi-Sadek in dem Moment, der ja vom Alten Testament geschildert wird. Diese Auffassung des Melchi-Sadek müssen wir uns in der folgenden Weise vor die Seele stellen.

Es war so, daß die, welche Schüler des Melchi-Sadek wurden -was Abraham nicht in vollem Maße geworden ist -, erkennen

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lernten, daß der Mensch, der hier auf der Erde neben dem Guten und Rechten das Unrechte, das Böse vollbringt, eine Kraft braucht, die von seinem gegenwärtigen Körper übergeht auf den Körper des nächsten Erdenlebens. Der Mensch kann nicht durch sich selbst dasjenige, was er in einem Erdenleben als Tätigkeit vollbringt, ohne weiteres hineintragen in den Körper, das heißt in die phy­sische und ätherische Organisation des nächsten Erdenlebens; er kann es hineintragen - und zwar jetzt im Sinne der Zeit der Menschheitsentwickelung vor dem Mysterium von Golgatha -dadurch, daß für ihn verrichtet wird dasjenige, was sich durch den Kultus mit Salz und Phosphor vollzieht, in dem Sinne wie Melchi-Sadek das Opfer durch Brot und Wein verrichtet hat. Dadurch wurden die Menschen der Zeit vor dem Mysterium von Golgatha fähig, in die Körper, in die sie beim nächsten Erdenleben kamen, das mithineinzunehmen, was sie in dem vorhergehenden Erdenleben an Gutem und Bösem verrichtet haben, als dessen Folgen. Mit anderen Worten: dadurch wurden die Menschen erst in die Lage versetzt, ein Karma zu entwickeln. Es würde nichts von den moralischen Betätigungen des einen Erdenlebens in das andere, zukünftige hinübergereicht haben, wenn nicht auf diese Art von Körper zu Körper das getragen worden wäre, was eben getragen werden muß, damit es ein Karma, ein Weltenschicksal des Menschen gibt.

Und was wäre denn geschehen, wenn es solche Opfer durch Salz und Phosphor nicht gegeben hätte, wenn nicht Priesterkönige dagewesen wären, die diese Opfer verrichtet hätten und so Menschen geworden wären, die sozusagen durch ihre eigene Schwungkraft und Begeisterung die anderen Körper mitgerissen haben, um so von einem Erdenleben zum anderen die Kraft des Karma zu tragen? Dann wäre das, was die Menschen in einem Erdenleben an Gutem und Bösem verrichtet haben, von ihnen abgefallen in dem betreffenden Erdenleben und eine Erbschaft derjenigen Macht geworden, die man im Sinne des Evangeliums bezeichnet als den «Fürsten dieser Welt», nicht als den Fürsten, dem ja der Mensch mit seinem innersten Wesen angehört. Es war

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ja der beständige Kampf der Zeit vor dem Mysterium von Gol­gatha, daß der sogenannte Fürst dieser Welt - ein luziferisch­ahrimanisch gewordener Geist, namentlich stark ahrimanisch ge­wordener Geist - sich desjenigen bemächtigte, was im Menschen nach dem Bösen hinneigt, so daß er die Kraft dieses Bösen für sich in der kosmischen Ordnung verwenden kann. Die Menschen wären dann immer freier geworden von diesem Bösen. Das durften sie nicht; sie durften es aus dem Grunde nicht, weil ja in jedem neuen Erdenleben ein neues Dasein ihrer selbst begonnen hätte, und sie hätten nie das, was man «Sünde» nennt, selber zum Ausgleich bringen können. Das Opfer des Melchi-Sadek besteht also darin, daß man für die Menschen die Heilung der Sünden bewahrt hat, indem man sie fortwährend dem Fürsten dieser Welt entrissen hat und so den Menschen die Möglichkeit gegeben hat, durch ihre eigene Wesenheit einen Sündenausgleich im späteren Erdenleben zu bewirken. Die katholische Kirche hat sich später wohl gehütet, dieses Geheimnis, das sie durch lange Jahrhunderte, auch noch bis ins Mittelalter, gekannt hat, und das von einzelnen Eingeweihten der katholischen Kirche auch heute noch gekannt wird, im Ernste als Religionsinhalt zu betrachten, aus dem Grunde, weil es leichter ist, den Menschen zu sagen, man vergibt ihnen ihre Sünden, das heißt, man tilgt sie aus der Erde, sogar mit dem Ablaß, man löscht sie aus, anstatt ihnen zu sagen, man bewirke gerade, daß sie nicht gelöscht werden auf der Erde und nicht eine Beute des Fürsten dieser Welt werden und dadurch den Menschen für die Ewigkeit der Welt verderben würden, anstatt ihnen zu sagen, daß die Sündenheilung gerade darin besteht, daß dem Menschen die Möglichkeit bewahrt wird, im folgenden Erden­leben die Sünden auszugleichen.

Im Opfer des Melchi-Sadek ist daher, im richtigen Sinne für die damalige Zeit, die Arznei gegeben für die Sünden, und die Hei­lung bestand darin, daß den Menschen die Kräfte gegeben wur­den, ihre Sünden zu behalten und sie nicht auszuliefern an den Fürsten dieser Welt. Alles das, was in dem Sinn dieser Worte liegt, findet Ihr, meine lieben Freunde, wieder erneuert und erhöht in

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dem, was der Christus auf Erden vollbracht hat. Und nur allein diese Beleuchtung, die jetzt gegeben wird, wird Euch auf den Pfad führen, in richtigem Sinne zu erkennen, was das Wort heißt:

Christus hat die Sünden der Menschen auf sich genommen, mit sich vereinigt. Christus ist nicht gekommen, um die menschliche Frömmigkeit mit sich zu vereinigen, sondern er ist der gewesen, der sich mit den Sünden der Menschen vereinigt hat, um die Sündenlast auf sich zu nehmen. Und wenn Paulus sagt «Nicht ich, sondern Christus in mir», so meint er: Ihr Menschen sollt den Christus in euch aufnehmen, um damit die in die Zukunft der Erde gehende Strömung in euch aufzunehmen, die euren Sün­denstrom enthält, aber den Sündenstrom, der nicht zum Tode führt, sondern zum Ausgleich der Sünden. Und ihr werdet als Priester wirkliche Sündenheiler, nicht Abstoßer der Sünden, wodurch die Menschen im Lichte des Weltendaseins verderben würden. -Wiederum wird in der Kirche dieses Mysterium nicht ausgelegt, weil sie nicht das sagen will, was zum Mute, sondern das, was zur Feigheit der Menschen spricht. Und es spricht zur Feigheit der Menschen, wenn man sagt: Eure Sünden werden euch abgenom­men. - Aber man muß zum Mute und zur Kraft der Menschen sprechen, wenn man ihnen sagt: Eure Sünden werden euch be­wahrt, ihr könnt sie hineintragen in die folgenden Erdenleben und könnt den Ausgleich dafür schaffen, so daß ihr die Erdenent­wickelung nicht verderbt, und dadurch könnt ihr das, was ihr euch erarbeitet habt, in zukünftige Erdenkreise hineintragen. -

Das ist aber das, was Ihr wieder in Würde empfindet müßt, wenn Ihr Euer priesterliches Amt in der richtigen Weise auffassen wollt. Denn dann vereinigt Ihr in Eurer Sendung die drei Dinge, die der Christus vereinigt wissen will in der Sendung derjenigen, die ihm nachfolgen und die ihn anerkennen als den richtigen Meister, der in einem höheren Sinne das Opfer des Melchi-Sadek erneuert hat, die ihn so anerkennen, daß sie sein Werk unter den Menschen weiterwirken in dem dreifachen Sinne:

Erstens: Im Namen des Vaters dadurch, daß sie sich fühlen wirklich gott- und geistdurchdrungen, daß sie sich fühlen nicht

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bloß von Beruf, von Amts wegen als Priester, sondern durch den Geist sich fühlen als Priester. Wer nicht in Begeisterung sein priesterliches Amt verwaltet, sondern es nur aus Beruf verwaltet

- welches immer ein Erbgut des Fürsten dieser Welt ist -, der verwaltet es nicht im Sinne des Christus.

Das zweite ist, daß das Evangelienwort nicht im Sinne des Fürsten dieser Welt veräußerlicht wird, sondern im Sinne des lebendigen Christus verkündigt wird, daß also der Verkündigung des Evangeliums zugrundeliegt das geistige Verständnis im Her­zen des Priesters. Die fortwirkenden Kirchen haben sehr stark gesündigt gegen das zweite, das der Christus von seinen Dienern gefordert hat; sie haben dadurch sehr stark gesündigt, daß sie Zustände herbeigeführt haben, die noch heute in ihrem Extrem sichtbar sind. Gerade von denjenigen, die Priester oder Lehrer des Evangeliums sein wollen, wird sehr häufig am meisten das geta­delt, wenn irgend jemand dem Evangelium wiederum den le­bendigen Geist zugrundelegen will. Und dann sagt man in der verführerischen Weise, die eigentlich einen luziferischen Impuls in sich enthält, man solle das Evangelium nicht «kompliziert» auslegen - es handelt sich aber nicht um ein kompliziertes Aus­legen, sondern um ein geistgemäßes -, man solle es mit schlichten Worten auslegen, wie sie dastünden. Das heißt aber nichts anderes als, man soll es überhaupt nicht auslegen. Denn so, wie es heute verkündet wird, ist es nicht das Evangelium; das heißt, es wird so, wie es verkündet wird, heute im Grunde genommen von vielen Theologen eigentlich verleugnet. - Das zweite, was Ihr als Priester einer erneuerten Priesterschaft fühlen sollt, das ist, daß Ihr mit Begeisterung Euer Amt verwalten sollt, daß Ihr den Willen habt, im geistigen Sinne die Schrift zu erfüllen.

Das dritte ist, daß Ihr im richtigen Sinne sein wollt und sollt Seelenärzte der Menschen, Seelenheiler, indem Euer Wort tatsäch­lich erfüllt sei von jener Kraft, die mit dem Auftrage, den Ihr erhalten habt, gegeben ist, von jener Kraft, durch die Ihr, wenn Ihr im richtigen Sinne den Kultus verrichtet und aus innerer Begeisterung, aus innerer Erkenntnis heraus die Schrift auslegend

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lehrt, dann in Eurer Wirksamkeit die Kräfte habt, die Seelen zu heilen, das heißt, wirklich diejenige Handlung fortzusetzen, die der Christus mit dem Mysterium von Golgatha vollzogen hat und die angedeutet ist mit den Worten, daß der, der ringt nach dem Erbgut des Bösen in der menschlichen Natur, damit diese menschliche Natur die Sünde nicht von dem einen Erdenleben in das andere hineinführen könne, durch das Mysteri um von Golgatha in dem irdischen Leben gefesselt worden ist atif tausend Jahre, das heißt, auf einen Zeitraum, an dessen Ende die Menschen so stark geworden sein sollten, daß sie ihm nicht mehr verfallen können; dann wird er wiederum los sein, und dann werden die Menschen eine größere Kraft haben müssen, um ihm ztu widerstehen.

Wir leben in der Zeit, meine lieben Freunde, in welcher auf der einen Seite der Christus sich den Menschen wiederum zeigen will, um ihre Kraft zu stärken; in dieser Zeit müssen wir uns dazu in der entsprechenden Weise vorbereiten. Wir leloen aber auch in der Zeit, wo die tausend Jahre erfüllt sind, wo der Widersacher seine Fesseln sprengen will und alle Kraft daran setzen wird, seine Ab­sichten zu erreichen. Und das ist die Zeit, wo den Menschen das eigentliche Geheimnis der Menschheitsentwickelung enthüllt wer­de, daß diejenigen, die richtig empfinden das «Christus in mir», ihre Sünden mit sich nehmen, indem sie die Absicht haben, die Sünden nicht abzustoßen und dadurch dem Widersacher zu über­liefern, sondern sie in sich aufzunehmen und durch das, was [auf Golgathaj geschehen ist, an der Menschheit heilend zu wirken.

Meine lieben Freunde, ich glaube, Ihr habt erwartet, nicht eine salbungsvolle Umgestaltung desjenigen zu erfahren, was schon gelehrt worden ist, sondern etwas, was wirklich die Initiations-geheimnisse enthält; und Ihr werdet sehen, daß vieles von dem, was bis jetzt gelehrt worden ist, geradezu das Gegenteil von dem ist, was Wirklichkeit ist. Und wenn Ihr nicht in ganz scharfer Weise empfinden könnt, daß Ihr ein Neues in die Welt zu tragen habt, das in vieler Beziehung dem gerade entgegengesetzt ist, was nicht eine Lehre von Gott, sondern eine Lehre von dem Fürsten dieser Welt ist, dann werdet Ihr nicht in richtiger Weise in das

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eintreten können, was Ihr wollt. Es ist also eine ernste Sache, um die es sich handelt. Und die Worte, die ich sozusagen als die «erste Predigt» anzuschließen habe an die erste Messe, die hier gehalten worden ist, müssen nicht nur theoretisch gesprochene Worte sein, sondern sie müssen das enthalten, was Eure Seelen in einer gewissen Weise durchrütteln kann und sie zu einer neuen Seelenverfassung bringen kann. Denn es ist die Zeit herangerückt, wo wiederum gesprochen werden muß zu den Menschen: Ändert den Sinn! - Und von denen, welche die Menschen in einem neuen priesterlichen Sinne führen wollen, muß auch so gesprochen werden, daß gesagt wird: Ändert den Sinn, durch den in Ver­kennung des Tatsächlichen der christliche Sinn den Menschen bisher verhüllt worden ist!

In dieser Art obliegt es mir, das Wort der Sendung zu Euch zu sprechen nach den Zeremonien, die vorangegangen sind, das Wort der Sendung, das im Sinne der ersten christlichen Aussendung derjenigen, die zum Apostelamt berufen worden sind, zu diesen gesprochen worden ist und das verzeichnet ist im zweiten Timo­theusbrief, Kapitel 1, Vers 6. Und dieses Wort habe ich zu Euch in diesem Augenblick zu sprechen in der Art wiederum, wie wir es uns in unserer gegenwärtigen Sprache ausdrücken können:

Ich ermahne euch, immer von neuem in euch zu beleben die erregte Geist-Kraft, die ihr erhalten habt unter Berüh­rung von der Macht der Geisteswelt.

Und ich habe hinzuzufügen das Wort aus dem ersten Timo­theusbrief, Kapitel 4, Vers 14, das wiederum in diejenige Sprache, die sich durch unsere gegenwärtigen Worte ausdrückt, mit Le­bendigkeit übersetzt, so heißt:

Verlieret aus euren Seelenaugen die erregte Geist-Kraft nicht, die euch gegeben ist durch das in die Zukunft wirkende Geistwort unter Berührung von der Macht der Geisteswelt.

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Im Sinne der in diesem Timotheusbriefe enthaltenen Wahr-worte sind diejenigen hinausgesendet worden, denen in den ersten christlichen Jahrhunderten das Apostelamt übertragen worden ist, die im rechten Sinne Nachfolger der Apostel geworden sind. Und Ihr müßt, wenn Ihr das, was Ihr Euch vorgenommen habt, in der richtigen Weise ausführen wollt, eben Nachfolger der Apostel werden. Das könnt Ihr nur dann, wenn Ihr Euch sagt: Die Apo­stel werden schon im Sinne des Christus zu uns sprechen; wir aber müssen der Sprache der Apostel das richtige Verständnis ent­gegenbringen! - Und damit Ihr der Sprache der Apostel das rich­tige Verständnis entgegenbringt, habe ich Euch im Anschluß an die feierliche Zeremonie der Seelenhirtenweihe gewissermaßen als die erste Predigt für das Apostelamt dasjenige angeschlossen, was im richtigen Sinne Euch zu einem Verständnis Eures Apostel-amtes führen kann. Aber nur, wenn Ihr wißt, daß Ihr eben in der Alchimie von Salz und Phosphor - oder Schwefel -, das heißt in Brot und Wein dasjenige erneuert, was am Kreuze und in der Folge des Kreuzestodes geschehen ist, dann werdet Ihr wissen, daß Ihr das Dritte als einen Bestandteil Eurer Sendung zu be­trachten habt. - Die drei Bestandteile eurer Sendung sind die folgenden:

Erstens, daß Ihr Euer Amt verwalten sollt in der Begeisterung, mit der die göttlich-geistige Welt uns durchdringt;

zweitens, daß Ihr im lebendigen Worte die Kraft vor die Ge­meinden tragen sollt, nicht im abgestorbenen Wort, das eigentlich den wirklichen Geist verleugnet und das man heute aus einer luzi­ferischen Anwandlung heraus das «schlichte» Wort nennt; und

drittens, daß Ihr Euch fühlt als wirkliche Heiler, als wirkliche Ärzte für die Sünden der Menschheit, das heißt, daß Ihr vollbrin­gen könnt, zu Eurer eigenen Seelenverfassung hinzu, zur Aus­legung des Wortes hinzu, das Wunder der Sündenheilung, das heißt die Umwandlung der Erbschaft des Fürsten dieser Welt in ein Gut, das der Christus durch alle folgenden Erdenzeiten und Erdenkreise zur Ausgleichung der Sünden in die Menschen­seelen trägt.

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Als gottdurchdrungen, als Gottes-Lehrer und als Sünden­heiler - in diesem Sinne müßt Ihr hinausgeben zu Euren Gemein­den und ihnen sagen, was Ihr selber erlebt in Eurer Begeisterung, was Ihr als Gottes-Lehrer in Euch erlernen könnt, und daß ihnen offenbar werde, was Ihr Euch errungen habt als die lebendige Kraft der Sündenheilung. Das ist das, was ich heute auf Eure Seelen zu legen hatte.

Ein Teilnehmer: Wie verhält es sich mit dem Ausbrechen eines Teiles der Hostie, hat das etwas zu tun mit den Wesensgliedern des Menschen?

Rudolf Steiner: Wenn wir in der Gesamthostie dasjenige sehen, was als Sonnenkraft in dem Menschen lebt, so nehmen wir zu-nächst neun Zehntel in uns auf, die wir zunächst durch ihren Salzgehalt wirken lassen. Damit verbinden wir dasjenige, was in uns ist, zu neun Zehnteln mit dem Erdendasein, in der Weise, wie ich es eben dargestellt habe. Es fragt sich: Was geschieht mit dem übrigen Zehntel? Das versenken wir in den Wein, und bevor es in unseren Organismus hineinkommt, vermischen wir es mit dem Phosphorigen des Weines. In diesem Vermischen des Phosphori­gen mit dem Salzigen liegt nun der aus dem Menschen heraus-genommene Teil der Handlung. Der andere Teil der Handlung vollzieht sich, indem wir das Salz mit dem Phosphor bloß durch die innere Alchimie sich verbinden lassen. Daß wir auch einen kleinen Anteil herausnehmen aus dieser inneren Alchimie und ihn der Kraft überlassen, die auf dem Altar lebt, das ist das, was in dem Ausbrechen des Zehntels aus der Hostie liegt.

Wenn wir den ganzen Menschen betrachten, in dem Sinne, wie ich es in meiner «Theosophie» dargestellt habe, nach seinen neun Teilen, so finden wir, wenn wir von oben heruntergehen: Gei­stesmensch, Lebensgeist, Geistselbst, Bewußtseinsseele, Verstan­desseele, Empfindungsseele, Empfindungsleib, ätherischer Leib, physischer Leib. Das sind die neun Glieder. Sie würden sich nicht mit dem Erdenleben in richtiger Art verbinden, wenn es nicht noch eine Synthese gäbe: das ist das Zehnte (siehe Zeichnung auf Tafel 3: der um die neun kleineren Kreise herum gezogene größere

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Kreis). Dadurch haben wir zehn Glieder, die auch in den zehn Sephirot der vorchristlichen Zeit erscheinen, allerdings in der Art, wie es jener Zeit entspricht, wo noch nicht das volle Ichbewußtsein vorhanden war. Wenn Sie sich nun die Hostie denken im Zusammenhang mit den zehn Gliedern des Menschen, so haben Sie darin ein Glied, das der physische Leib ist, das neunte (in der Zeichnung der kleine rote Kreis), das eigentuich das zehnte ist. Dieser physische Leib ist in einer besonderen Lage, er ist in einer anderen Lage als die übrigen Guieder der Menschen-natur. Sie müssen bedenken: Wenn Sie von der Erde aus in den weiten Weltenraum hinausschauen, so haben Sie in ihm in den an die Erde angrenzenden Partien in sehr, sehr feiner Auflösung alles enthalten, was auf der Erde ist, nur nicht das Salzartige. Das Salzartige ist ein Eigentum der Erde selbst. Es hat einmal eine Periode in der Erdenentwickelung gegeben, in der allerdings auch noch im Umkreise der Erde Salzbildungen stattgefunden haben, die sich aber nicht mehr bis zum Festen entwickelt haben, son­dern im Flüssigen oder Luftförmigen blieben. Dann trat ein Zeitpunkt in der Erdenentwickelung ein, wo die Salzbildung nur auf der Erde seubst und in ihrem unmittelbarsten Umkreis statt­fand, so daß der Äther, der die Erde wohl durchdringt, aber der sich über die Erde hinaus erstreckt, an der Salzbildung keinen Anteiu hat. Salz ist etwas, was nur eine Bedeutung für das Erden-dasein selbst hat, und das zeigt sich dadurch, daß für keinen anderen Himmelskörper als die Erde die Salzbildung das Eigen­tümliche der Planetenbildung geworden ist. Wenn Sie den phy­sischen Körper nehmen, so hat dieser, einfach durch seine Or­ganisation, Anteil an dem Salz. Und in dem Augenblick, wo Sie aus dem Gesamtmenschen, den die Hostie darstellt, herausbrechen den «physischen Leib», können Sie sagen: Diesen Leib kann ich auf keine andere Weise sich verbinden uassen mit demjenigen, in dem die anderen Teile schon drinnenstecken, als dadurch, daß ich das, was sich auf der Erde nicht mehr in der richtigen Weise vollziehen kann, was nur in dekadenter Weise sich voluzieht

- indem aulerdings phosphorsaure Salze sich biuden, die aber

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gerade den schwersten Teil des Menschen, seinen knöcherigen Teil ausmachen, der einzig und allein dem Erdendasein ange­hört -, indem ich dies in einer außerirdischen Weise sich verbinden lasse - also das Salz mit dem Phosphor, der im Wein ist, sich verbinden lasse -, indem ich durch das, was ich im Ritus verrichte, durch Christus dasjenige vollziehen lasse, was in meinem eigenen Leibe nicht bewirkt werden würde. Ich muß also einen Teil der Hostie so zu mir nehmen, daß er nicht wirkt wie das andere der Hostie; so daß [mit dem Ausbrechen eines Teiles der Hostie] gezeigt wer-den soll, daß nicht der Mensch selber der Alchimist ist, der die Umwandlung bewirkt, sondern es soll gezeigt werden, wie das, was der Mensch nicht vermag, durch die Kraft des Christus am Altare geschieht.

So stellt sich die Sache dar, wenn wir sie im Sinne der neuen spirituellen Alchimie betrachten.

Ein Teilnehmer: Wie verhält es sich mit den sieben Kerzen des Leuchters?

Rudolf Steiner: Es ist gut, wenn man alles das, was als das Gegenständliche beim Kultus vorhanden ist, in Worte kleidet, denn das Gegenständliche des Kultus sollte ja zu uns sprechen. Wenn man das, was in den sieben Kerzen enthalten ist, in einen Satz prägen wollte, würde man sagen müssen: So wie in Euch sieben menschliche Wesensglieder real sind, so erstrahlt Euch aus dem Kultus eine siebenfältige Kraft, wovon jeder Teil einem Teile eurer eigenen Wesenheit zugehört.

Ein Teilnehmer: Was kann über die Figuren auf dem Meßgewand gesagt werden?

Rudolf Steiner: Wenn man die Vorgänge betrachtet, die sich im Kosmos vollziehen und die sich so abspielen, daß sie entweder den Menschen in sich schließen, so daß er die kosmischen Vor­gänge mitmacht, oder die in anderer Weise so zum Ausdruck kommen, daß er gewissermaßen Abbilder, Nachbildungen davon entwickelt, so kann man, wenn man das in Worten ausdrücken will, es nicht anders als in folgender Weise tun:

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Man kann sagen: Im Kosmos wirken überall aufsteigende und absteigende Kräfte. Diese aufsteigenden und absteigenden Kräfte kann man sich am besten durch eine solche Linie versinnlichen:

#Bild s. 158

Wir würden dann auf der einen Seite die aufsteigenden, auf der anderen Seite die absteigenden Kräfte haben. Das kann man sich etwa in der folgenden Weise vorstellen: Wenn Ihr selbst auf einer Waagschale steht, so seid Ihr «schwer», nehmt also Teil an der allgemeinen Ponderabilität der Erde, an der Schwere, Ihr reiht Euch ein in diejenigen Kräfte, die hinunterwirken. Es sind ja noch andere Kräfte da als solche, wie wir sie uns zunächst durch die Schwere repräsentiert denken. Im Zusammenhange mit alle dem, was sich als Schwere zeigt, könntet Ihr leben, aber Ihr könntet niemals ein von Gedanken durchdrungenes Seelenleben entwickeln. Denn wenn Ihr nur diesen Kräften der Schwere ausgesetzt wäret, so wäre euer Gehirn 1500 Gramm schwer; ein Gehirn mit dem Gewicht von 1500 Gramm würde aber alle die feinen Adern, die unter ihm sind, sofort zerdrücken müssen. Würde das Gehirn mit dieser Schwere auf die untere Fläche des Kopfes drücken, so könnte der Mensch nicht denken, könnte also auch nicht ein Seelenleben entwickeln. Wodurch entwickeln wir ein Seelenleben? Ihr entwickelt ein Seelenleben, um es kraß zu sagen, durch das Archimedische Prinzip. Archimedes sagte ja, als er einmal im Bade war, habe er die Beobachtung gemacht, daß er sich leichter fühlte als außerhalb des Wassers. Und man lernt ja in der Physik das Gesetz, daß jeder Körper, wenn er ins Wasser

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getaucht wird, soviel an Gewicht verliert, als das Gewicht der von ihm verdrängten Wassermenge beträgt, so daß Ihr, wenn Ihr selbst im Wasser seid, soviel an Gewicht verliert, wie ein aus Wasser geformter Mensch wiegen würde. Nun ist eben unser Gehirn im Gehirnwasser schwimmend und dadurch verliert es soviel von seinem Gewicht, daß es anstatt mit 1500 Gramm nur noch mit einem Gewicht von 20 Gramm nach unten drückt. Was so der Schwere in der Flüssigkeit entgegenwirkt, was also jetzt hinaufwirkt und nicht hinunter, das nennt man in der Physik den Auftrieb. Der Mensch lebt also mit der Seele nicht in den Schwerekräften, den ponderablen Kräften, sondern in jenen Kräften, die hinaufziehen; er ist selbst ein physikalischer Kosmos, der in bezug auf sein Seelenleben nicht in dem lebt, was in ihm schwer ist, sondern in dem, was in ihm fortwährend der Schwere sich entreißen will.

So können wir sagen: Wir brauchen nur den Menschen ganz grob physikalisch zu betrachten, und wir können gar nicht ma­teriell denken. Der Mensch hat gerade die Eigenschaft, daß er schwer ist. Würden wir aber mit dem Stoffe denken, so müßten wir mit der Schwere denken. Wir können aber nicht mit der Schwere, sondern nur mit dem Auftrieb denken. Es ist also ein Unsinn, wenn man glaubt, daß man mit der Schwere denkt. Man denkt mit dem, was nach dem Himmel hinauftrachtet, also man gliedert sich ein in die Kräfte, die hinaufwirken. Wir leben als Menschen in den hinunterziehenden und in den hinaufwirkenden Kräften; unser Inneres steht in den hinaufwirkenden Kräften, unser Außeres in den hinunterziehenden. Der physische Leib ist schwer, der ätherische Leib ist neutral gegenüber der Schwere, der astralische Leib zieht hinauf und das Ich wird durch den astra­lischen Leib hinaufgetragen, nicht hinuntergetragen. So gliedert sich der Mensch als äußerer Mensch dem Kosmos ein. Was tut er aber als Organismus, der auch ein inneres organisches Leben hat? Da geschieht folgendes:

Alles, was sich im Kopfe abspielt, ist ein richtiges Spiegelbild dessen, was sich in der Stoffwechsel-Gliedmaßen-Organisation

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abspielt. Wenn der Mensch zum Beispiel verdaut und sein Nie­rensystem und sein Lebersystem wirken zusammen, um die Ver­dauung in der richtigen Weise zu regeln, dann geschieht im Nierensystem, im Lebersystem ein Vorgang, der sich auch in einer Art Spiegelbild im linken Teile des Gehirns abspielt. Es geht niemals bloß unten oder bloß oben etwas vor, sondern es spielen sich stets unten und oben einander entsprechende Prozesse ab. Dadurch ist der Mensch, ebenso wie er äußerlich in den Kosmos der aufsteigenden und absteigenden Kräfte eingesponnen ist, auch innerlich begabt mit diesen Kräften; diejenigen Kräfte, die im linken Teile des Gehirns sind, wirken unten in Leber und Nieren; diejenigen Kräfte, die rechts oben im Gehirn sind, wirken unten im Magen (siehe Zeichnung Tafel 3).

Und wenn wir die Wirkungen dieser Kräfte verfolgen, die aufsteigenden und die absteigenden, so bekommen wir diese zweite Linie:

#Bild s. 160

Es ist eben ein neutraler Punkt im Menschen vorhanden, wo sich diese beiden Kräfte kreuzen. Zeigt Ihr Euch als geistiger Mensch der gläubigen Gemeinde, und Ihr zeigt Euch von vorn, so zeigt Ihr Euch in dieser Gestalt (siehe Zeichnung). Dreht Ihr Euch um, dann zeigt sich das, wovon der vordere Mensch mehr ein Abbild des eigenen Innern ist, in der anderen Linie, wobei es sich dann in bezug auf den oberen, den punktierten Teil darum handelt, ihn durch Euch selber aufzunehmen, also ihn in Euch wegzulassen und es den Göttern zu überlassen, die Überführung der aufstei­genden in die absteigenden Kräfte richtig zu bewirken. So daß Ihr

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einfach zeigt, was richtig ist, wenn Ihr das Meßgewand anhabt. Ihr sprecht durch das Meßgewand die Weltengeheimnisse aus.

Man kann also nicht sagen: Warum ist das so? In der Sinnes-welt ist eben der Mensch Maja. Bei der heiligen Handlung kann er sich so zeigen, wie er ist im Verhältnis zum Kosmos und zu sich selbst. Man bewirkt da, daß sich der Mensch nicht in einer illusionären Gestalt, sondern in seiner Wahrheit zeigt. Es soll damit durch das Bild angedeutet werden, was im Menschen eine Realität im geistigen Sinne ist, was aber im physischen Menschen durchaus nachgebildet ist. Sie brauchen sich bloß ein Bild von dem zu machen, wie in der linken und der rechten Hälfte des Herzens die Blutzirkulation im Menschen verläuft, wie das Blut, ausgehend von der rechten Vorkammer zur rechten Herzkammer strömt, durchgehend durch die Lungen, zurück zur linken Vor-kammer, von dort zur linken Herzkammer, wieder den oberen Teil des Menschen versorgt, so ist das, den irdischen Verhältnissen entsprechend, in approximativer Weise sichtbar, nur daß, wenn man diese Linie verfolgt, der Schnittpunkt im Physischen etwas verschoben ist und mehr nach unten liegt.

Ein Teilnehmer: Muß zur Gemeindekommunion eine eigene Spendeformel gegeben werden?

Rudolf Steiner: Die Sache ist so: Es kann die Menschenweihe-handlung, die Messe, gelesen werden, und die Gläubigen hören bloß zu. Es kann in die Menschenweihehandlung auch eingefügt werden die Kommunion der Gläubigen; dann geschieht dies nach der Priesterkommunion. Und eigentlich sollte es daher so sein, daß in der Patene sich sämtliche Brote befinden, die dann zur Kommunion der Gläubigen verwendet werden, und daß auch im Kelch der sämtliche Wein ist, der zur Kommunion der Gläubigen verwendet wird.

Die Priesterkommunion geht also zu Ende:

Dein Leib, o Christe, den ich empfangen, und Dein Blut, das mich belebt, sie mögen mich durchdringen, auf daß geheilet

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werde die Sündenkrankheit durch die gesundende Arzenei, das Sakrament.

Es geschehe durch Dich, der Du das Leben der Welt tragest und ordnest, wie Du es vom Vater empfängst und durch den Geist gesund machest in allen folgenden Zeitenkreisen.

Ministrant: Ja, so sei es.

Jetzt ist die Priesterkommunion zu Ende; nun beginnt die

Gläubigenkommunion:

Der Leib des Christus, den ihr empfanget, und das Blut des Christus, das Euch belebt, sie mögen euch durchdringen, auf daß geheilet werde die Sündenkrankheit durch die ge­sundende Arzenei, das Sakrament.

Es geschehe durch Dich, der Du das Leben der Welt tragest und ordnest, wie Du es vom Vater empfängst und durch den Geist gesund machest in allen folgenden Zeitenkreisen.

Ministrant: Ja, so sei es.

Die Hostie wird gegeben, auf die Zunge gelegt. Der Gläubige wird mit den Fingern der rechten Hand an der linken Backe leise berührt, und es wird wiederum gesprochen:

Der Friede sei mit dir.

Dann wird der Kelch gereicht. Es wird wieder die linke Backe mit den Fingern der rechten Hand berührt, und es wird wiederum gesprochen:

Der Friede sei mit dir.

Das ist der Übergang von der Priesterkommunion zur Gläubi­genkommunion.

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Es ist natürlich nicht so, daß bei jeder Messe die Kommunion ausgeteilt werden soll, aber es sollte jedenfalls nicht geschehen, daß ohne eine Messehandlung zur Kommunion der Gläubigen geschritten werde. Nun kann es ja vielleicht so sein, daß da oder dort die Messe nicht gelesen werden kann. Dann wäre es natürlich dennoch gut, wenn, auch ohne die Messe zu zelebrieren, wenig­stens der ganze Geist der Messe entwickelt wird, so daß - da ja die Gemeinde ganz gewiß auch gleich von Anfang an die Erklärung der Messe verlangen wird - dadurch doch die Gläu­bigenkommunion wenigstens im Geiste in die Messehandlung hineingekleidet werde.

Ein Teilnehmer fragt, ob die Gläubigenkommunion auch ohne die Priester­kommunion vor sich gehen soll.

Rudolf Steiner: Die Handlung kann durchaus in sachgemäßer Weise vorgenommen werden. Es ist nicht gut, wenn die Kommu­nion der Gläubigen bewirkt wird ohne die Priesterkommunion. Die Priesterkommunion sollte vorausgehen.

Ein Teilnehmer: Wie verhält es sich mit dem Mischen von Wasser und Wein?

Rudolf Steiner: Das ist ja gegeben in der tatsächlichen Alchimie, indem der Mensch - ich habe Ihnen das gestern nur exemplifika­tiv angedeutet - fortwährend Alkohol in sich entwickelt, so wie er ihn braucht. Nun ist der Mensch ja auch zu 90% eine Wasser-säule, das andere ist dieser nur eingegliedert. Daher haben wir also im Kelche auch ein Abbild des Menschen aus Wasser und Wein, indem Sie nicht bloß den Wein nehmen, sondern den Wein, der ein Produkt des Menschen ist, mit dem Wasser vermischen.

Sie können sich ja mit Christus nur dadurch vereinen, daß Christus in das Phantom des physischen Menschenleibes über­gegangen ist. Das ist in den Worten enthalten: «... das Eingehen in die physische Erde»; und das findet der Mensch, wenn er das Physische - auch wenn es als Physisches schon verdorben ist -

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gerade an Christus anknüpft. So geschieht die Erneuerung in der Verbindung mit Christus, die als Folge des Mysteriums von Golgatha da ist.

Friedrich Rittelmeyer fragt, ob nicht auch Worte für die Anlegung der Gewänder in der Sakristei gegeben werden können.

Rudolf Steiner: Natürlich könnte man an so etwas schon denken, aber ich möchte eigentlich vor dem zu starken Katholisieren gerade warnen. Die Sache ist so: Wenn Sie ein Missale heute in die Hand nehmen - in den guten Meßbüchern ist ja überall eine Anleitung dazu vorhanden -, so haben Sie darin eine außeror­dentlich starke Veräußerlichung. Der Priester hat in jeder Sekun­de, wenn er sich anzieht oder zum Altar schreitet, etwas vor sich, was ihm vorgeschrieben ist; er kommt eigentlich gar nicht heraus aus den Worten, die in dem Missale drinnenstehen. Eine Missa solemnis ist ja etwas außerordentlich Kompliziertes, und nur da­durch, daß man zuerst die Priesteramtskandidaten außerordent­lich quält zu lernen, wie eine Messe zusammenzustellen ist, zum Beispiel zu Weihnachten, zu Ostern und so weiter, führt man die Möglichkeit herbei, daß die Sache ohne Schwierigkeiten vor sich gehen kann. Sonst würde die jedesmalige Zusammenstellung einer Messe, zum Beispiel einer Weihnachtsmesse, wo viele einzelne Priester zusammenwirken, eine ungeheuer lange Vorbereitungs­zeit in Anspruch nehmen, denn es ist ja wirklich alles veräußer­licht und muß zusammengestimmt werden. Das wird nun eben in die Kandidatenzeit verlegt, und später können die Priester es sich ersparen, da geht es eigentlich automatisch. So ist gerade in der katholischen Kirche das richtig «Katholische», daß sie alles ver­äußerlicht hat, und man muß wiederum zurück zu dem Durch-fühlen der Messehandlung mit solchen Stimmungen, wie ich sie gerade durch die zwei grundlegenden Predigten angegeben habe, so daß man nicht spezifizieren muß. Und Sie haben ja in dem Brevier, wenn es in der richtigen Weise verwendet wird und mit der Vorbereitung und Verrichtung der Messe in richtigen Zusam­menhang gebracht wird, dasjenige gegeben, was es dem Priester

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ermöglicht, daß man die Sache in Lebendigkeit erhält. Ich möchte daher davor warnen, daß die Sache zu stark ins Formelhafte übergeht. Ich muß dabei gerade das Bestreben haben, dasjenige, was im Katholischen ahrimanisch veräußerlicht ist, zurückzu­führen auf das ursprüngliche wirkliche Geistige. Ich möchte also davor warnen, zu starke katholisierende Neigungen zu empfin­den. Sie kämen dadurch tatsächlich schnell auf denselben Pfad, auf dem der Katholizismus eigentlich schon im 5. Jahrhundert, aber besonders stark zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert gewandelt ist, wo wirklich alles veräußerlicht worden ist. Das, glaube ich, müßten wir, wenn wir richtig handeln, vermeiden. Also: Nicht zu weit gehen beim Formulieren. Formulieren, was formuliert werden muß, aber nicht zu weit gehen.

In dem, was ich gestern und heute gesagt habe und vielleicht noch zu sagen haben werde, liegt die Möglichkeit, nicht nur in einer allgemeinen abstrakten Weise, sondern in einer sehr konkre­ten Weise das ursprüngliche Geistige während der Vorbereitung, der Zelebrierung und der Nachwirkung der Messe in sich selbst zu empfinden. Da wird es jeden Tag lebendig. Da kommen wir nicht in die Gefahr, in die der römisch-katholische Priester kommt, nämlich - man muß natürlich die Dinge aussprechen, wie sie sind -: Wenn Sie das, was die großen Linien des Ritus sind, zele­brieren, so ist das ja auch ein realer Vorgang. Was Sie als Ritus voll­führen, prägt sich dem Weltenäther ein; und wenn Sie das zehnte Mal eine Messe lesen, so ist es nicht dasselbe wie beim ersten Mal. Beim ersten Mal erregen Sie die Schwingungen im Weltenäther, beim zehnten Mal stellen Sie sich bereits in die Schwingungen hin­ein; also es entsteht immer mehr und mehr ein Objektives. Wenn Sie nun gar zu stark alles mit Formeln durchdringen, so bekommen Sie das heraus, was beim katholischen Priester vorgeht. Der wirkliche Ritus löst sich los vom Menschen, aber der Ritus, welcher zu stark am Menschen haften bleibt, stellt eine furchtbare Verhär­tung des Menschen dar: er genießt immer wieder dasselbe, was er schon am vorherigen Tage genossen hat, er genießt sozusagen immer wieder seinen eigenen Auswurf. Und das muß man vermeiden.

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Ein Teilnehmer: Wie ist das «rechts und links vom Altar» bei der Messe aufzufassen?

[Rudolf Steiners Antwort ist vom Stenographen nur mangelhaft festgehalten. Siehe Hinweis.]

Ein Teilnehmer fragt nach der Nüchternheit beim Zelebrieren der Men­schenweihehandlung.

Rudolf Steiner: Sie können sich ja vorstellen, wieviel ungestörter der ganze Vorgang des Vollziehens der Messe vor sich geht, wenn in Ihnen nicht eine Ernährung wirkt. Die katholische Kirche hat die Vorstellung, daß der Genuß des Sakramentes bei der Messe zum ersten Genuß des Tages gemacht wird, mit Ausnahme der­jenigen, die Dispens haben, weil sie sonst in ihrer Gesundheit Schaden nehmen würden. Nun ist eigentlich der Gedanke der, daß die Messe im Grunde genommen für die anderen vollzogen wird, sich also vom Priester loslöst, so daß eigentlich die Frage, ob der Priester die Messe nüchtern oder nicht-nüchtern absol­vieren sollte, eine persönliche Angelegenheit des Priesters ist. Sie wirkt natürlich auf ihn zurück, denn er hat sie auch für sich zu lesen. Nun kann er es sich so einrichten, wie er es zu seiner Stärkung braucht. Er muß jeden Tag die Messe lesen. Aber wenn der eine Priester sagt: ich fühle die Kraft der Messe acht Tage -, so sagt der andere: ich fühle sie durch einen Monat hindurch. Das gilt also für den Priester selbst.

Die Handlung sollte zelebriert werden bei aufsteigender Sonne, nicht bei absteigender. Eine Messe bei absteigender Sonne kann nicht als eine wirkliche Messe dem Kosmos gegenüber gelten. In der Weihnachtszeit sollte eine Messe gelesen werden um die Mitternachtsstunde, beim Übergang vom Absteigen zum Aufstei­gen der Sonne, zwischen dem 24. und 25. Dezember. So ist es jetzt; ursprünglich war es zwischen dem 22. und 23. Dezember. Das ist bei der katholischen Kirche jetzt auch richtig. Zwischen dem 24. und 25. Dezember ist eine Messe um Mitternacht zu lesen, unmittelbar da, wo die Sonne ins Aufsteigen kommt.

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Ein Teilnehmer: Wie oft soll eine Räucherung während der Handlung stattfinden?

Rudolf Steiner: Notwendig ist nur eine Räucherung. Es ist aber natürlich so: Wenn man die Messe feierlich gestalten will, kann man es selbst bis zu dreimaligem Räuchern bringen. Man muß das nicht durch eine gescheite Systematik begrenzen. Es ist ja ein Vorgang, der sich entwickelt. Man darf nicht fragen: Was ändert das, wenn ich es dreimal mache? - Das eine Mal ruft den Vorgang hervor.

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XIV Dienstag, 19. September 1922, nachmittags

[Bei dieser Besprechung war kein Stenograph zugegen. Die einzelnen Dis­kussionspunkte sind von Gottfried Husemann referiert worden und werden hier leicht gekürzt wiedergegeben. Vom Anfang dieser Diskussionsstunde liegen keine Aufzeichnungen vor.]

Zu einer Frage nach Vergrößerung des Kreises:

Rudolf Steiner: Der Kreis ist jetzt als ein geschlossener Kreis vorhanden, aber er muß sich nun durch sich selber vergrößern. An der Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Hinzukommenden kann ich ja darum nicht beteiligt sein.

Friedrich Rittelmeyer: Oberlenker und Lenker müßten zu entscheiden ha­ben, was sie eigentlich für Bedingungen zu stellen haben in bezug auf die Vorbildung eines Aufzunehmenden.

Rudolf Steiner: Gewiß muß das von Fall zu Fall, von Persönlich­keit zu Persönlichkeit entschieden werden. Innerlich ist ja natür­lich die Sache klar nach dem, was ich gestern und heute gesagt habe. Aber natürlich brauchen Sie eine Verwaltung.

Da diese Fragen an mich herankommen, so möchte ich nur bitten, zu sagen, was für Gesichtspunkte denn geltend gemacht werden. Ich mache nicht darauf Anspruch, eine Meinung zu haben und möchte sie auch nicht haben. Natürlich kann der Fall eintreten, daß Menschen, die die Ritualien haben, nun etwa ihrer­seits Kirchen gründen. Das müssen wir uns vor Augen halten, und das würde erfordern, später einmal Stellung dazu zu nehmen.

Fmil Bock.' Es liegt ja jetzt der Tatbestand vor, daß einige den Anschluß an die Urgemeinschaft nicht gefunden haben; sie sind nicht nach Breitbrunn gekommen. Jetzt müßten sie an die Gemeinschaft herantreten wie jeder andere. Und bei anderen ist es der eigene Wille gewesen, [sich nicht anzuschließen], oder man ist auf unseren Rat zurückgetreten, bevor die Urgemeinschaft konstituiert wurde. In einem Falle waren wir in einer sehr schwierigen Lage; wir meinten, wir könnten jemanden wirklich nicht gebrauchen.

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Für die Zukunft machen sich jetzt schon manche Gedanken, wie man zu klaren Gedanken in bezug auf die Aufnahme kommen kann. Das wird vielleicht mit Bezug auf den gestern vorgeschlagenen Text sein können.

Rudolf Steiner: Ich möchte nur, soweit es die Aufnahmen betrifft, nicht eine Meinung haben, weil ich glaube, daß die Festsetzung der Aufnahmen und auch die Festsetzung des Zusammenseins ganz abgesehen von mir durch Sie erfolgen sollte. Ich habe die Aufgabe, alles zu geben, was das Spirituelle der Sache ist, auch soweit sich das Spirituelle hineinerstreckt in die Organisation; ich habe die Aufgabe, zu erzählen, wie es sich hineinerstrecken kann. Ich habe die Aufgabe, zu sagen, wie es sein könnte. Was die Festsetzung der Aufnahmen betrifft, so möchte ich nach dieser Richtung überhaupt keine Meinung haben, weil ich auch keine Verantwortung dafür tragen will.

Friedrich Rittelmeyer: Die Entscheidungen sind getroffen in Gemeinschaft der sechs Vertrauensleute.

Rudolf Steiner: Und es sind nicht noch andere da, die damals in Dornach unterschrieben haben?

Emil Bock: Ja, es sind noch andere, zum Beispiel die, die meinen, sie hätten erst ihre Examina zu absolvieren, zum Beispiel Dr. Schwedes und andere. Die sind über ihre Unterschrift etwas hinweggegangen.

Rudolf Steiner: Sind nicht noch andere da, von denen also die Unterschrift vorliegt, ohne daß sie wiedergekommen sind?

Emil Bock: Ja, es kommt da noch hinein, was Klein und Heisler gemacht hatten, die Memoranda-Angelegenheit, wodurch neue Tatsachen entstanden sind.

Rudolf Steiner: Das ist aber eine irrige Auffassung. Ein Neues ist nur innerhalb der Mauer, nicht außerhalb. Das Memorandum hatte nicht den Sinn, den Kreis zu vergrößern oder zu verklei­nern, sondern nur den, daß der, der innerhalb des Kreises steht. sagt, was er will.

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Johannes Werner Klein: Wir hatten die Aufgabe uns gesetzt, aus den Leuten, die unterschrieben hatten, die zu sammeln, die jetzt schon ganz fest in ihrem Entschluß waren. Damit aber sollten die anderen nicht ausgeschlossen werden. Es sind manche da, die die Unterschrift vergessen haben.

Rudolf Steiner: Es kann nur dieses sein. Das Memorandum kann da nicht in Betracht kommen. Es müßte nur das in Betracht kommen, daß Leute von damals ihre Unterschrift nicht ernst genommen haben.

Friedrich Rittelmeyer: Ja, aber es war noch eine Auswahl getroffen worden.

Emil Bock: Diese sind aber nur jetzt nicht dabei.

Rudolf Steiner: Was hat denn aber das Schreiben des Memoran­dums zu tun mit der Unterschrift, die damals gegeben worden ist? Erklärlich wäre es, wenn die, die [im Herbst 1921) unterschrieben haben, dann aber keine Aufforderung bekommen haben, das Memorandum zu schreiben, nun gesagt hätten: Wir hören, daß da aufgefordert ist, ein Memorandum zu schreiben; was ist das? Wir protestieren dagegen! - Das wäre möglich gewesen. Aber wegen der Nichtaufforderung, das Memorandum zu schreiben, nun nicht zu kommen, das ist nicht etwas, was daraus hätte folgen können. Es hätte also gut das geschehen können, daß Klein gesagt hätte:

Ich suche mir fünfzehn Mann beliebig heraus, von denen ich das Memorandum schreiben lasse. - Das wäre ein Akt gewesen, der einfach ganz auf sich selbst steht, denn es ist ja nur auf eigenes Mandat geschehen.

Emil Bock: Es sind ja auch nachträglich alle davon orientiert worden.

Rudolf Steiner: Es ist das ja natürlich nicht eine Sache, wegen der wir jetzt die Zeit verbringen müssen. Nur meine ich, wir mussen uns doch das merken, daß eine Reihe von Persönlichkeiten da sind, die damals mit ihrer Unterschrift eigentlich für sich einge­treten sind und die aber gegenwärtig einfach nicht da sind.

Emil Bock: Die haben auch die Ritualien bekommen und alles, was damals gegeben worden ist, so daß immerhin die reale Möglichkeit vorliegt, daß

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damit jemand von sich aus irgend etwas macht. Es würde uns ja auch der Text der Weihehandlung stenographiert und gestohlen werden können. Aber ich weiß nicht, ob wir uns dagegen anders wappnen können, als daß unsere Wirksamkeit recht kräftig dasteht.

Rudolf Steiner: Sie meinen den Text der Weihehandlung?

Emil Bock: Ja, er könnte doch in Mißbrauch kommen.

Rudolf Steiner: Es ist eine merkwürdige Tatsache, die ich Sie bitte ins Auge zu fassen, daß der Text der katholischen Messe an so und so vielen Orten gestohlen werden konnte und eigentlich bis jetzt nicht gestohlen worden ist, mit Ausnahme derjenigen, die schwarze Messen gelesen haben. Es werden eigentlich keine unrichtigen Messen gelesen.

Ein Teilmehmer fragt nach schwarzen Messen.

Rudolf Steiner: Schwarze Messen sind eine Art von schwarzer Magie, die eben zu den vielen Erscheinungen gehören, die es auch in der Welt gibt. Das Schwarze-Messen-Lesen ist sogar eine Sache, die vor dem Kriege in Europa ziemlich verbreitet war.

Ein Teilnehmer: Um dadurch übernatürliche Kräfte zu gewinnen?

Rudolf Steiner: Ja, ebenso um dadurch eben dem Teufel zu dienen, wie durch die richtige Messe Gott gedient werden soll.

Emil Bock erinnert an den Text des «Bekenntnisses«, der gestern besprochen wurde.

Friedrich Rittelmeyer: Wir haben uns ziemlich viel darüber ausgesprochen, sind aber über den einen Satz noch nicht zu einem Ergebnis gekommen. Es ist der Satz: «Sollte von mir eine Trennung herbeigeführt werden, ... an­erkennen will.» Nun denke ich dabei nicht an mich, sondern ich will an die denken, die das unterschreiben sollen, und ich komme nicht ganz über den Gedanken weg, der gestern angedeutet wurde: daß sie damit etwas verspre­chen für einen [späteren] Zeitpunkt, wo es wirklich geschehen könnte, daß die Trennung eintritt. Statt der Worte «so will ich anerkennen» möchte ich lieber vorschlagen «Ich erkenne es an.» Wir haben uns nun entschlossen, darüber zu hören, wie Sie das Ganze beurteilen.

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Rudolf Steiner: Ich würde gerne bei einer so wichtigen Sache möglichst viele Stimmen hören, denn es handelt sich da um etwas, was mindestens von diesem geschlossenen Kreise mit einer Ein­stimmigkeit gewollt werden sollte, ohne Zwang. Ich habe schon einmal zu Ihnen Dreien über die Schwierigkeit dieser Sache gesprochen. Die Schwierigkeit liegt eben darin, daß in unserer Gegenwart dem Menschen seine augenblickliche, gegenwärtige Überzeugung ungeheuer starke Streiche spielt, daß man also wirklich zu rasch sich anschließt an irgend etwas oder sich Ideale vorsetzt, die man dann wieder verläßt. Das ist für den einzelnen Menschen ja selbstverständlich nur etwas, was er mit seinem Karma ausmachen muß. Aber die Sache wird sofort anders, wenn eine Gemeinschaft bestehen soll, die als Gemeinschaft auch einen gemeinsamen Kultus hat. Da ist doch schon die Notwendigkeit vorhanden, daß die Gemeinschaft selber auch etwas zu sagen hat über eine Trennung, sowohl über die Trennung, die durch den einzelnen herbeigeführt wird, als auch über die Trennung, die durch die Gemeinschaft herbeigeführt wird. Aber wir [können uns] beschränken auf den [ersten] Punkt, denn die Gemeinschaft sollte kaum die Möglichkeit haben, jemanden aus einem anderen Grunde als diesem auszuschließen. Ich kann mir nicht gut einen anderen Grund denken; es sollte nicht gut andere Gründe geben als diesen.

Ein Teilnehmer: Bei Geisteskrankheit?

Rudolf Steiner: Dann liegt bloß der Grund dazu vor, ihn nicht zelebrieren zu lassen und ihn nicht lehren zu lassen, aber gar kein Grund, ihn auszuschließen. Das würden ja die weiteren Dinge sein, [die zu besprechen wären]. Denn wie eine gewisse Disziplin gehandhabt werden muß, das würde ja erst auf Grundlage dessen zu beantworten sein, was überhaupt nun über den Ausschluß zu entscheiden wäre. Also nehmen wir an, es träte der Fall ein, daß jemand, der schon aufgenommen ist, später Ihnen entgegenwirke, so dürfte das nicht der geringste Grund sein, ihn auszuschließen. Deshalb sage ich, wenn das nicht ein Grund ist, ihn auszuschließen,

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wäre es auch kein Grund, ihm die Aufnahme zu verweigern. Geisteskrankheit, wie andere Krankheiten, kann nicht ein Aus­schließungsgrund sein, sondern nur ein Grund dafür, dem Betref­fenden die Funktionen zu entziehen. Aber natürlich kann er ja immer selbst bei sich Gründe finden, sich von der Gemeinschaft zu trennen.

Nun sagte ich damals im Atelier, was ich jetzt auch wiederum vorschlagen mußte, daß doch etwas da sein müsse, wodurch demjenigen, der austritt, entzogen ist, ein beliebiges Urteil zu fällen, und daß die Gemeinschaft das Recht hat, den Austritt moralisch zu bewerten. Da ist aber etwas, was in der Luft schwebt, wenn der Betreffende diese Bewertung nicht anerkennt. Ich sagte da­mals auf Ihre damaligen Einwände: Das verhindert natürlich den einzelnen noch immer nicht, auszutreten und zu sagen: Ich erkenne der Gemeinschaft wohl zu, daß sie meinen Austritt moralisch bewertet, aber ich werde jetzt den Kampf dagegen beginnen und werde sehen, ob ich eine andere moralische Bewertung herbeifüh­ren kann, die gegen die moralische Bewertung der Gemeinschaft siegt. - Man müßte nur ein Äquivalent dagegen finden. Wenn einer austritt, so wird er ja in der Regel immer es gerechtfertigt finden, daß er austritt. Davon kann das Urteil also gar nicht ab­hängen, sondern es muß das Urteil, die moralische Bewertung seines Austrittes von etwas anderem abhängen als von ihm.

[Es wird weiter über Formulierungen des Treuegelöbnisses diskutiert.]

Ein Teilnehmer schlägt vor, bei dem Treuegelöbnis die Formulierung auf­zunehmen «aus dem Geiste der Gemeinschaft heraus».

RudolfSteiner: Da kommt man auf die Schwierigkeit, die Instanz ausfindig zu machen, die entscheidet.

Derselbe Teilnehmer: Eine schlechte äußere Instanz gibt es ja doch nicht, sondern nur eine spirituelle Instanz.

Rudolf Steiner: Es ist da eben die Schwierigkeit, zu entscheiden, ob die Leitung schlecht ist oder nicht. Das ist zum Beispiel die

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Schwierigkeit bei einem, der eine päpstliche Entscheidung anfech­ten will. In den geistigen Welten ist natürlich die Entscheidung klar, aber wer sollte sie auf der Erde zur Entscheidung bringen? Es gibt kein Mensch eine Gewähr dafür, daß unsere Wahrneh­mung nicht auch einmal entarten könnte, so wie anderes. Dann könnte auf der Seite derjenigen, die Opposition machen, die Spi­ritualität sein. Das könnte vorkommen. Mit Bezug auf die Zu­kunft müßte daher so etwas in dem Wortlaut drinnenstehen, daß jemand sagt: Wenn ich Opposition mache, dann täte ich es aus Gründen, weil die Leitung nicht mehr auf dem rechten Wege ist.

Ein Teilnehmer: Die meisten von uns sind Protestanten gewesen. Wenn wir jetzt die neue Gemeinschaft begründen, lösen wir uns dann nicht von der protestantischen Kirche los, obwohl wir mit unserem Herzen früher der protestantischen Kirche zugestimmt haben? Wir lösen uns los, weil wir überzeugt sind, daß jetzt etwas Höheres, etwas Wertvolleres gegeben worden ist.

Rudolf Steiner: Von der protestantischen Kirche können Sie sich loslösen, weil dort keine spirituellen Grundlagen gegeben sind. Es handelt sich also nur darum, daß man das Spirituelle noch in den Text hineinbringt. Wir haben ja schon besprochen, wie das gehandhabt werden soll, daß nicht in leichtsinniger Weise eben ausgetreten wird. Wir werden uns die weitere Formulierung über­legen. Es ist ja nicht notwendig, daß wir jetzt zu weiteren Ent­scheidungen kommen. Vielleicht liegen noch andere Dinge vor.

Emil Bock: Ich möchte noch einmal auf das Beispiel eingehen, daß man jemandem verbieten kann, seine priesterlichen Funktionen auszuüben, daß man damit rechnet, jemanden von der Lehre oder vom Zelebrieren fernzu­halten. Wie ist da die Form des Ausschlusses? Müßte sie nicht irgendwie zum Ausdruck kommen? Was kann in bezug auf die Ausschlußmöglichkeit, soweit sie vorhanden ist, noch in der Formulierung drinnen sein? Und in bezug auf die Persönlichkeit noch die Frage: Ist es nicht doch so, daß man ein Urteil wenigstens riskieren muß über die Geeignetheit einer Persön­lichkeit? Wenn einer bei uns mitarbeiten will, besteht da nicht die Not-wendigkeit, daß man gewisse Menschen, soweit man sie beurteilen kann, ehrlich sich selbst gegenüber, nicht für geeignet hält und sie dann auch zurückhält? Gibt es Richtlinien dafür, um die Dinge konkreter zu fassen?

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Rudolf Steiner: Wie ich schon sagte, es erscheint dies eigentlich als eine seelische Frage, nicht als eine Sache, die formuliert werden kann. Man muß sich eben einfach im einzelnen Falle eine Ansicht an dem betreffenden Menschen darüber bilden können, ob man ihn ordinieren kann oder nicht.

Emil Bock: Ich bringe es nicht ganz mit dem zusammen, daß Sie sagten, etwas, was nicht Grund genug ist, einen Menschen auszuschließen, das könnte auch kein Grund sein, jemanden nicht aufzunehmen. - Es könnte jemand bei uns sein, er könnte auch zelebrieren und er verfällt moralischen Versuchungen - dann können wir ihn nicht exkommunizieren, wie ich jetzt überschaue. Aber wenn das kein Grund wäre, ihn auszuschließen, so wäre es auch kein Grund, ihn nicht aufzunehmen.

Rudolf Steiner: Es wäre auch kein Grund vorhanden, ihn nicht aufzunehmen.

Emil Bock: Welches ist dann der Maßstab dafür, daß man einen Menschen, den man aufnehmen soll, jetzt als würdig anerkennt?

Rudolf Steiner: Es fragt sich, ob Sie glauben, daß er in richtiger Weise seine priesterlichen Funktionen ausüben kann oder nicht. Darum kann es sich nur handeln. Sie werden gar keinen Grund haben, jemanden nicht aufzunehmen, von dem Sie voraussetzen können, daß er seine priesterlichen Funktionen in der richtigen Weise ausüben kann, so daß also auch die Bedingungen erfüllt sind, die ich heute morgen als die «drei Punkte» angeführt habe. Diese Grundformel müßte den eigentlichen Geist für die Aufnah­me bilden. Sie werden ja gar kein Interesse daran haben, jemanden nicht aufzunehmen, der diesen drei Punkten genügen kann. Die Sache ist so, daß natürlich eine Differenz bestehen könnte. Sie könnten sagen: von jemandem, der solche Eigenschaften in sich hat wie die, die in diesem Falle vorliegen, von dem glauben wir nicht, daß er die priesterlichen Funktionen in den einzelnen Fällen ausführen kann. Ich würde es negieren, ich würde es nicht glauben, daß er es nicht kann.

Emil Bock: Es ist so gewesen, daß wir gerade hierüber Ihr Urteil gerne erbitten würden, weil wir darüber nicht urteilen können.

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Rudolf Steiner: Ja, wenn der Betreffende sonst fähig wäre, die priesterlichen Funktionen auszuführen, so halte ich die genannten Eigenschaften nicht für ein Hindernis. Und wenn das kein Hin­dernis, kein Ausschließungsgrund ist, so könnte es auch kein Grund sein, ihn nicht aufzunehmen. Er müßte unfähig sein, die priesterlichen Funktionen auszuüben.

Emil Bock: Müßte nicht darüber irgend etwas vorhanden sein, wie die Leitung jemandem eine Zeitlang eine Enthaltung von der Ausübung der priesterlichen Funktionen auferlegen kann?

Rudolf Steiner: Das müßte als eine Art «Disziplinarordnung» ausgeführt werden; und das wird ja wahrscheinlich etwas sein, was sich fortlaufend entwickelt, denn man wird an das denken müssen, was alles vorkommen kann. Aber daß jemand wegen dieser oder jener Dinge suspendiert werden kann, vor der Ge­meinde [das Meßopfer zu lesen], das muß selbstverständlich aus­geführt werden. Man kann ihn aber zum Beispiel nicht davon abhalten, daß er das Meßopfer für sich liest.

Emil Bock: Da haben wir eine ganze Reihe von Punkten, die wir noch alle gemeinsam besprechen müssen.

Rudolf Steiner: Ich werde Ihnen dann ganz offen das, was aus der spirituellen Welt dazu zu sagen ist, schon sagen. Aber gerade das, was die Verwaltungssachen betrifft, sollten Sie in dem Geiste, der hier angegeben ist, selber stipulieren, damit es, bevor Sie von hier weggehen, auch wirklich in dieser gemeinschaftlichen Initiative drinnen steckt.

Friedrich Rittelmeyer: Es ist nur ein bißchen viel, was jeder unterschreiben muß, wenn er auch noch eine Disziplinarordnung unterschreiben soll.

Rudolf Steiner: Sie brauchen nur hinzuzufügen: «Außerdem er­kenne ich die Disziplinarordnung, mit der ich bekannt gemacht worden bin, an.»

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Friedrich Rittelmeyer: Es ist für uns nun noch die Frage: Wer hat das Recht,

Priester aufzunehmen und zu weihen?

Rudolf Steiner: Das ist eine Frage, die schon in Betracht kommt. Und da wäre vielleicht festzusetzen, daß ohne Beschluß der Oberleitung keine Priester aufgenommen werden können.

Friedrich Rittelmeyer: Die Oberleitung könnte also dann das Recht zu weihen an jemanden abgeben?

Rudolf Steiner: Das ist nun auch etwas, worüber Sie eigentlich, da Sie eine Urgemeinde sind, beraten müßten. Sie sind eine Ur­gemeinde und müßten darüber beraten, und dann müßte es natür­lich so bleiben, wie es jetzt stipuliert worden ist. Aber jetzt ist es doch noch möglich, daß Sie als Urgemeinde darüber beraten, wie eventuell die Nachfolgerschaft zustande kommen soll, ob durch bloße Zuwahl oder ob Sie in einem bestimmten Grade eine Mitbestimmung einer größeren Gemeinschaft in irgendeiner Form gelten lassen. Auf eine gewöhnliche demokratische Abstimmung darf es natürlich nicht dabei hinauskommen. Aber es sind ja noch verschiedene andere Fälle denkbar, zum Beispiel der, daß, wenn ein Oberlenker ernannt werden soll, sich etwa Gruppen bilden könnten, die, wenn sie groß genug sind, Vorschläge machen könnten, so daß also einfach diese Vorschläge vorlägen. Und ohne daß die Oberkenker verpflichtet wären, unter allen Umständen einen dieser Namen zu berücksichtigen, könnte es noch immer sehr lehrreich sein zu erfahren, wen man anerkennen will. Das wäre keine demokratische Abstimmung, aber es wäre noch immer denkbar, daß man irgendwie Mittel und Wege fände, in größerem Umfange die Stimmung entweder bloß der Priesterschaft oder aber etwa auch der Gemeinde zu erfahren.

Friedrich Rittelmeyer: Wir würden auch sehr gerne etwas über die Städte-verteilung sprechen, ebenso darüber, wann etwa nach Ihrer Meinung der Kultus beginnen kann und welche Vorbedingungen dazu noch zu erfüllen waren.

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Rudolf Steiner: Wir wollen also das morgen noch erledigen, wie­der um halb 11 Uhr. Da werden wir dann zu sprechen haben über das Bußsakrament und die letzte Ölung.

Es gehört noch dazu, daß zur Priesterweihe gesprochen wer­den muß der Hebräer-Spruch und die beiden Timotheus-Sprüche, nicht zur Zeremonie, sondern zu einer nachfolgenden Ansprache, wenn die Zeremonie zu Ende ist

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XV Mittwoch, 20. September 1922, vormittags

Meine lieben Freunde! Das erste, das Sie auf den Weg zu Ihrem Wirken mitnehmen müssen, das ist ja die Begeisterung; das muß in Ihnen allen leben durch den Entschluß, den Sie gefaßt haben. Das zweite ist die Durchlebung des Wortes mit dem Geistigen; und das ist ja gerade derjenige Punkt, der Ihr freies Verhältnis zur Anthroposophie begründen wird. Denn im Grunde genommen ist es ja die Anthroposophie, die Sie angeregt hat zu einer solchen Neugründung, zu einer religiösen Erneuerung überhaupt. Und es ist ja immerhin vieles, was Sie zur Belebung des Evangeliumwor­tes durch die Anthroposophie gewinnen können, was Sie gewiß in der einen oder anderen Weise für Ihre Ziele werden umgestalten, in eine andere Form gießen müssen, was aber eben die Grundlage für ein fortdauerndes, gewissermaßen freundnachbarliches Ver­hältnis zur Anthroposophie wird sein müssen. Und das dritte, von dem ich gestern gesprochen habe, ist das, was man, im richtigen Sinne verstanden, zu nennen hat die Sündenheilung. Denn erst wenn Sie alles, was Sie aus der Menschenweihehand­lung schöpfen, das, womit Sie Ihre Lehren durchdringen, das, was in Ihrem eigenen Herzen lebt, gipfeln lassen in der Sündenheilung, wird ja Ihr Amt zu einem eigentlich priesterlichen. Deshalb mußte ich Ihnen auch gestern auseinandersetzen, worin die Sündenheilung besteht.

Stellen wir uns nun von einem anderen Gesichtspunkt aus noch einmal vor Augen, worin diese Sündenheilung besteht. Wir blicken in die Menschennatur zunächst und vergleichen sie mit demjenigen, was sie in der irdischen Umgebung ist. Stellen wir uns für einen Augenblick diese Zweiheit vor die Seele: irdische Menschennatur, also das Innere der irdischen Menschennatur, und nun die ganze irdische Umgebung. Wir können nicht anders, wenn wir besonnen vorgehen, als uns im Sinne einer wirklich geistdurchtränkten Kosmologie - die auch eine christliche Kosmologie

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ist - vorzustellen, daß diese unsere Umgebung, wenn wir jetzt religiöse Ausdrücke gebrauchen wollen, eine Offenbarung des Göttlichen ist, das diese irdische Umgebung durchdringt. Aber es wird Ihnen nicht schwer sein sich vorzustellen, daß in­nerhalb der Menschennatur noch etwas anderes wirkt als in der irdischen Umgebung des Menschen. Der Mensch hat eigentlich in seiner inneren Wesenheit nur dasjenige vollständig ähnlich mit der äußeren Welt, was mittlere Erdenprozesse sind, was sich etwa abspielt zwischen dem Wasser und der Luft auf der einen Seite und zwischen dem Wasser und dem festen Irdischen auf der anderen Seite. Es finden fortwährend in der Außenwelt Prozesse statt zwischen dem Luftförmigen und dem Flüssigen, die hin-einspielen in das Tierreich, Pflanzenreich und Mineralreich. Es finden Prozesse statt, die sich abspielen zwischen dem Wasser und der Erde, äußere Prozesse, die die Naturwissenschaft als Geologie, Geognosie, Mineralogie, Paläontologie, aber auch als Biologie verfolgt, und die, insofern sie sich zwischen dem Festen und dem Wässrigen abspielen, fast unverändert in die Men­schennatur hineinspielen. Das alles, was so in diesem Zusammen­spielen zwischen dem Luftförmigen und dem Wässrigen und zwischen dem Wässrigen und dem Festen vor sich geht und was sich in dieser Beziehung auch in der Umgebung des Menschen abspielt, bezeichnete eine frühere hellseherische Kunst, die diese Dinge aber in einem höheren Grade durchschauen konnte, als das Merkurialische.

Nun haben wir aber auch diejenigen Prozesse, die sich abspielen zwischen der Luft und der Wärme, der Luft und dem Lichte, die gewissermaßen über dem Merkurialischen liegen. Es sind das Prozesse, die sich vorzugsweise im menschlichen Haupt abspie­len und die ganz anders sind als diejenigen Prozesse, die sich zwischen Luft, Wärme und Licht außerhalb des Menschen ab­spielen. Nur die mittleren irdischen Prozesse, die merkurialischen, sind außerhalb und innerhalb des Menschen fast dieselben. Was sich dagegen abspielt in den suiphurischen Prozessen, wie man sie in früheren Zeiten nannte - denn der feste Schwefel ist ja ein

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Maja-Abbild der eigentlichen Schwefelwirkungen -, die im we­sentlichen zwischen Luft, Wärme und Licht und auch in dem Lebensäther sich abspielen, das sind Prozesse, die innerhalb der menschlichen Natur in ganz verschiedener Weise vor sich ge­hen. Und die Prozesse, die sich im mittleren Menschen abspielen und die äußeren Naturvorgängen ziemlich ähnlich sind, machen eine starke Metamorphose im menschlichen Kopfe durch, so daß im Kopfe etwas ganz anderes vor sich geht als außerhalb des Kopfes.

Ebenso gehen in den Stoffwechselvorgängen, die sich in die Bewegungsvorgänge der Gliedmaßen hineinerstrecken, ganz an­dere Prozesse vor sich als außerhalb in der Natur. Die äußeren Naturprozesse, die zum Beispiel dazu führen, daß in der Natur phosphorsaurer Kalk entsteht, sind ganz andere als diejenigen Prozesse, die innerhalb des Menschen zur Bildung von phos­phorsaurem Kalk in den Knochen oder in den Zähnen sich abspielen. Solche Prozesse, die zum Beispiel einen menschlichen Oberschenkelknochen so entstehen lassen, daß er als ein wunder­bares Balkenwerk erscheint, diese Prozesse, die da den phos­phorsauren Kalk, den kohlensauren Kalk als mineralische Prozes­se im Menschen bilden, sie finden sich in der äußeren Natur nicht. Aber solche Prozesse, die sich in der Natur nicht finden, die im Menschen in den Kopfprozessen und in der Bewegungsorganisa­tion sich finden, die sind, weil sie ja auch im Zusammenhange stehen mit dem Seelischen und Geistigen des Menschen, nun auch wieder diesem Seelischen und Geistigen gefährlich, und zwar werden die Kopfprozesse im luziferischen Sinne gefährlich, die Stoffwechsel-Gliedmaßen-Prozesse im ahrimanischen Sinne, und die äußere Heilung kann nur dadurch herbeigeführt werden - wie ich es gestern geschildert habe -, daß den Kopfprozessen zuge­führt werde das im menschlichen Ernährungsvorgang fast unver­änderlich bleibende Salz und den Gliedmaßenprozessen der im Traubensaft vorhandene flüchtige, fluktuierende Phosphor, der dann in der Stoffwechselorganisation weiterwirkt und das Glied­maßensystem durchsetzt.

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So haben wir Lbeim Menschen] eine Chemobiologie, welche etwas ganz Wunderbares bewirkt, nämlich, daß mit dem Salz etwas vor sich geht, was eigentlich in der äußeren Welt nur die Götter gemacht haben. Denn wir mussen uns vorstellen, daß in der Umwelt des Menschen das Luziferische und Ahrimanische nicht in derselben Art vorhanden sind wie im Menschen; es wirkt ja vom Menschen aus in die Natur hinein und ist in den Salz-wirkungen [der Natur] vorhanden. Durch die Verzehrung des Salzes senden wir daher in unser Haupt hinein eine entschiedene Bekämpfung der luziferischen Vorgänge, während wir dadurch, daß wir das Phosphorige aufnehmen und zum Überfließen in die Gliedmaßen bringen, in diese eine Bekämpfung des Ahrimanischen senden. Das ist der äußere Vorgang, den auch der gläubige Mensch natürlich verfolgen muß in seinen inneren Seelenprozessen. Wenn es also der äußere Vorgang ist, den Sie in den Seelen der Gläubi­gen durch die Kommunion bewirken, so kann die Kommunion natürlich nur dann in der richtigen Weise wirken, wenn auch die innere Beseelung von Zeit zu Zeit immer wieder erneuert wird. Das muß dadurch geschehen, daß eben die Sündenheilung im weitesten Sinne aufgefaßt wird, daß also alles, was als Anfechtung der Sünde durch das Ahrimanische und das Luziferische in der Menschennatur sein kann, nun wirklich durch das priesterliche Wirken geheilt wird.

Und so muß das priesterliche Wirken zu der Kommunion -wenn auch nicht zu jeder, so doch ab und zu - dasjenige hin­zufügen, was ja in der katholischen Kirche nicht mehr in seiner Reinheit erhalten ist, sondern nur noch in einer furchtbaren Verzerrung vorhanden ist: es muß hinzugefügt werden die Beratung des Menschen, die der Kommunion vorangeht, das also, was in der katholischen Kirche zur Beichte, vor allem zur Ohrenbeichte geworden ist, die durchaus eine ahrimanische Verzerrung dessen ist, was gewollt werden muß. Das macht ja die Schwierigkeit gegenüber dem Katholizismus aus. Wenn man zum Beispiel von einem katholischen Anthroposophen gefragt wird, ob er die Gesamtpraxis der katholischen Kirche mitmachen kann, dann.

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steht man immer vor dem Ahrimanischen der Ohrenbeichte, die man eben dem [anthroposophischen] Katholiken nicht anraten kann; dadurch aber entzieht man ihm das Abendmahl, weil ja die katholische Kirche das Zwangsgesetz hat, daß die Kommunion nur dann erteilt werden kann, wenn die Ohrenbeichte voran­gegangen ist. Das ist ja gegenüber den spirituellen Anforderungen das allerallerschwierigste. Wird aber die Beratung, die in gewissen Abständen mit der Kommunion verbunden sein muß, von Ihnen richtig gehandhabt, so werden Sie nicht nur als begeisterte, das Wort verkündende, sondern auch als sündenheilende Priester auftreten können, und Sie werden sich klar sein müssen, was Sie auch als ein Berater Ihrer Gemeinden sein können. Sie werden es nötig haben, Stellung zu nehmen zu dem, womit Ihre Gemeinde-mitglieder als ihren inneren Seelenangelegenheiten zu Ihnen kommen. Sie werden selbstverständlich keine Zwangsbeichte ein­führen, aber Sie werden schon bemerken, wenn die Gemeinde richtig begründet ist, wie sehr die Gemeindemitglieder mit Ver­trauen zu Ihnen kommen werden und Ihnen gerade die ver­schiedensten inneren Angelegenheiten anvertrauen werden, und wie die meisten dadurch sogar schon eine gewisse Erleichterung verspüren, daß sie Ihnen die Sachen anvertrauen können.

Das ist alles das, was Sie - hinausgehend über das, was An­throposophie als Lehre und Erkenntnis im wesentlichen bleiben wird und was nicht in irgendeinem Grade auf das Individuelle der einzelnen Menschen eingehen sollte - in Ihrer Bewegung treiben müssen: die Beratung der einzelnen Menschen in bezug auf das, was aus der sündigen Menschennatur heraus den Menschen in­nerlich in seiner Seelenverfassung beunruhigen kann. Sie werden natürlich am wenigsten ausrichten, wenn Sie bei der der Kom­munion vorangehenden Beratung Ihren Gemeindemitgliedern gegenüber sich zu sehr in allgemeinen theoretischen und lehrhaften Redensarten ergehen. Alles was Lehre ist, ist eigentlich in diesem Moment am wenigsten angebracht. Diese Beratung absolviert nur derjenige Priester in völliger Richtigkeit, der sich, wenn er ein solcher gewissermaßen «Beichteabnehmer» ist, in die Lage versetzen

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kann, wie die Schwierigkeiten in der Seele des Beichtkindes eigentlich entstanden sind, welche Rolle sie spielen, wie weit sie in der Zeit zurückliegen. Kurz, Sie werden, ich möchte sagen, dasje­nige ins Reine umzusetzen haben, was heute schon in der Kultur-entwickelung als Unfug hervorgetreten ist, weil die Kirchen sich davor zurückgezogen haben. Die katholische Kirche hat die Beichte wirklich so stark ahrimanisiert, daß die Kindesbeichte, die Beichte des jüngeren Menschen, eigentlich oftmals in der katholischen Kirche sogar eine Quelle von moralischen Seelenverirrungen ist. Es gibt Gegenden, in denen dasjenige, was in der sogenannten Gewissenserforschung von den katholischen Kindern geleistet werden soll, vorgedruckt ist - in kleinen «Broschüren» kann ich nicht sagen, weil es gewöhnlich vier Seiten sind -, wo die mög­lichen Sünden, die jemand haben kann, vorgedruckt sind, so daß manche Buben, die diese Dinge durchschauen, einfach ausstrei­chen, was sie nicht gesündigt haben wollen und dann nur ihre Beichte ablesen nach dem Vordruck. Aber es führt dies auch in mancher anderen Beziehung zu großen Schädlichkeiten. In diesen Vordrucken steht zum Beispiel oftmals, daß das Kind sich fragen soll, ob es die Gewohnheit hat, die Hände unter der Bettdecke zu halten. Sie können sich denken, daß da das Kind in sehr frühem Lebensalter gerade durch die Verpflichtung, die von ihm durch die Beichte verlangt wird, auf sexuellen Unfug hingewiesen wird. Kurz, was die Ohrenbeichte geworden ist, das ist schon eine große, große Schwierigkeit. Das ist die eine Seite, die andere ist das folgende.

Die Menschen leben ja merkwürdig blind in der Welt. Sie wissen ja, daß in Spenglers «Untergang des Abendlandes» gesagt wird, daß der Priester eigentlich gar keinen Einfluß auf die Weltereignisse hat, daß er eine Art theoretisierender, kontempla­tiver Mensch ist, und daß die Welt im Grunde genommen von Menschen aus dem Adelsstand, den Fürsten und so weiter geleitet wird. Es wird von Spengler wirklich so gesprochen, wie wenn er nicht wüßte, daß es Beichtväter gibt, daß die Fürsten, bevor sie zu ihren Entschlüssen kommen, vorher bei ihren Beichtvätern sitzen,

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und daß von der Art, wie da die Ohrenbeichte gehandhabt wird, der denkbar größe Einfluß ausgeht auf die großen Weltangelegen­heiten. Sie müssen sich klar sein, daß in der Welt für die wichtig­sten Ereignisse die Ursprünge bei den Beichtvätern gesucht werden müssen. Aber die Menschen sind blind; sie beschreiben das, was äußerlich vorgeht und haben keine Empfindung dafür, woher die Dinge kommen. Nicht wahr, Sie müssen nicht vergessen, daß dies etwas außerordentlich zu sekretem Behandeln Neigendes ist und daß es etwas ist, durch das man die Welt behrrschen kann auf eine ganz wunderbar sekrete Weise. Der Papst sitzt in Rom, der Erzbischof N.N. in irgendeinem sehr entfernten Ort und hat seine Archidiakone, Domherren, Pröpste und die untere Geist­lichkeit; die alle stehen auf dem Umwege durch den Beichtstuhl in Zusammenhang mit den allerintimsten Angelegenheiten derjeni­gen Menschen, die ihnen untertan sind. Der Papst in Rom braucht selbstverständlich nicht zu wissen, was das einzelne Beichtkind dem Beichtiger sagt, aber er weiß, daß er an diesen Orten jemanden sitzen hat, der mit ungeheuer tiefgehendem Wissen die römischen Befehle ausführt. So hat die katholische Kirche die Beichte zu etwas außerordentlich Schwierigem gemacht, sowohl für den einzelnen Menschen wie für den ganzen Weitzusammenhang.

Und die evangelische Kirche? Es ist nicht ein evangelischer Prediger, sondern es sind eine ganze Reihe, die im Laufe meines Lebens bei mir waren und gesagt haben: Wir sehnen uns danach, etwas zu haben, was so wie die katholische Beichte ist, wir brauchen eine Methode, um in die Herzensangelegenheiten, mit denen die Menschen zu uns kommen, in einer taktvollen Weise hineinzukommen; wir brauchen eine Art tätiger Katechetik. -Das haben mir manche evangelische Seelsorger klar vorgebracht. Ich habe ihnen dann geraten, dasjenige nach einer bestimmten Seite hin auszubilden, was in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» steht, wodurch man, wenn man es von der priesterlichen Seite aus übernimmt, tatsächlich zu einer taktvollen Beichte schon gelangen könnte. Das war ihnen zu schwierig. So kamen einige zu mir und sagten: Ja, insofern diese Anleitungen

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moralisch zwingen, kann ich mich damit einverstanden erklären, aber wo das eine innerliche technische Angelegenheit für einen Menschen wird, haben wir ja so etwas in der Religion nicht nö­tig. - Kurz, die Schwierigkeit ist die: Man wird erst gefragt: was sollen wir tun? -, man sagt es, und dann erwidert der Betreffende:

Wir haben es «nicht nötig».

Das zeigt, daß gerade diese innersten Dinge hinweisen auf etwas, was da kommen muß. Und weil es weder von katholischer noch von evangelischer Seite den Menschen geboten wird, so machen es die Psychoanalytiker. Machen Sie sich bekannt mit den Methoden der Psychoanalytiker, zu denen heute die Menschen in ganzen Scharen laufen, und sehen Sie, wie die Psychoanalyse von hervorragendsten Literaten gepriesen wird. Sie werden sehen:

Was die Psychoanalyse in einer grobklotzigen Weise den Menschen geben will, das ist das, was ihnen eigentlich die Kirchen aller Konfessionen vorenthalten. Wir haben heute eine Psychoanalyse, die sich mit jedem Tage mehr ausbreitet, aus einer Vernachlässi­gung, die den Kirchen zuzuschreiben ist. Nehmen Sie irgendeine englische Wochen- oder Monatsschrift zur Hand. Ich habe mich davon überzeugt: einen Aufsatz über Psychoanalyse finden Sie fast jedesmal darin. Das ist die materialistische Ausartung dessen, was Pflicht der Seelsorge hätte sein sollen, und die Sache bekommt ihren ernsten Charakter, wenn man dann auf das kommt, was beim Psychoanalytiker an die Stelle der Kommunion tritt. Man kann nicht an die Entwickelung des Christentums denken, ohne an alles das zu denken, was unterblieben ist aus der Bequemlichkeit der Menschen in der Entwickelung der Konfessionen.

Diese Dinge müssen Sie sich klarmachen. Sie müssen sich selbst dazu erziehen, leben zu können mit dem, womit die Menschen als mit ihren inneren Schwierigkeiten an Sie herankommen. Das kann man nur, wenn man an alles Menschliche emotionsfrei herangeht, wenn sowohl die Freude wie die Entrüstung im wesentlichen schweigt, und wenn man die Beurteilung dessen, an das man heranzugehen hat, sofort in eine höhere Sphäre, in die Sphäre des geistigen Lebens rücken kann. Dann finden Sie auch schon im

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einzelnen Konkreten die Möglichkeit, nun nicht Theorien oder Lehren dem Beichtkinde beibringen zu wollen, sondern nach und nach das, was allerdings Lehre ist, stets im konkreten Falle zu formulieren und so in Ihre Lehren hineinzubringen. Sie müssen natürlich dem Beichtkinde das klarmachen, inwiefern es im Innern die Anlage zur Sünde im ahrimanischen und luziferischen Sinne hat, aber nicht jedesmal von Luziferischem und Ahrimanischem reden; sondern die Behandlung jedes einzelnen Falles muß im Grunde immer eine ins Konkrete umgeschriebene individuelle Angelegenheit sein. Sie müssen dem Beichtkinde klarmachen, wie der Mensch einer anderen Erde angehört, von der er sich das Ahrimanische und Luziferische als Anlage hereingebracht hat, und wie er sich dadurch, daß er die Mittel seiner Religions­gemeinschaft wirklich erlebt, hinüberhilft über das, was ihm in seinem Inneren Schwierigkeiten gibt.

In dieser Richtung müssen Sie Berater werden. Sie müssen in die Lage kommen, dem Beichtkinde für irgendeine Schwierigkeit dasjenige anraten zu können, wodurch es über diese Schwierig­keiten hinauskommt. Das wird sich Ihnen ergeben, wenn Sie ein fortwährendes sorgfältiges Studium auf die Menschennatur verwenden, in dem Sinne, wie es ja heute schon möglich ist. In den verschiedenen Darstellungen, die auf anthroposophischer Grundlage gegeben worden sind, ist so viel an Hinweisen enthal­ten, wie das eine oder das andere der Menschennatur karmisch, individuell-schicksalsmäßig zusammenhängt selbst mit der phy­sischen Menschenorganisation, daß Ihnen das über vieles Licht verbreiten wird, wenn Sie die Dinge nicht nur so studieren, daß Sie ein Buch oder einen Zyklus nehmen, darin lesen und dann das sagen können, was Sie gelesen haben, sondern wenn Sie es so studieren, daß Sie, unmittelbar nachdem Sie es gelesen haben, es in Ihren eigenen Gedanken lebendig machen, sich verlebendigen, wie das in dem einen oder anderen Fall während des Erdendaseins lebt, wenn Sie es also lebendig studieren. So will Anthroposophie studiert werden. Ich mußte oftmals zu den Menschen sagen: Ein anthroposophisches Buch soll man eigentlich nicht so lesen wie

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ein anderes Buch, sondern so, daß man das Gefühl hat, man möchte es «aufessen», so daß es in einem dann als Kraft wirkt. Wobei wirklich der Vergleich bis ins Äußerste getrieben werden kann: Was man aufgegessen hat, ist für die anderen verschwun­den. So möchte man es am liebsten haben, daß ein anthroposo­phisches Buch verschwindet, nicht mehr da ist, aber im Menschen einen Prozeß durchmacht. Wird es so gelesen, so lernt man kon­kret die Menschennatur verstehen.

So wird in der Beratung außerordentlich viel zur Vorbereitung der Kommunionshandiung getan werden können. Und jede sol­che Beratung sollte eigentlich, ich möchte sagen halb oder drei­viertel kultisch auslaufen, indem in einer lebendigen Weise der Beichtende entlassen wird mit einem Gedanken, den ich etwa in den folgenden sechs Zeilen vor Ihre Seelen hinstellen möchte. Es ist nicht notwendig, daß Sie - wie es die katholische Kirche macht - diesen Gedanken formelhaft nach jeder Beichte an den Menschen heranbringen, aber die Richtung, die das Ende einer jeden Kommunionsberatung nehmen soll, ist in diesen sechs Zeilen angegeben.

Lerne deine Gedanken dem Göttlichen opfern

Und deinen Willen durch Gottes Gnade empfangen.

Dann wird deine Seele Frieden fühlen;

du wirst Gottesoffenbarung liebend bewundern und den

Menschen liebevoll dich erweisen.

Liebe zu Gott wird in dein ganzes Wesen,

Liebe zu den Menschen in dein Herz einziehen.

Wenn durch Sie das Beichtkind das erlebt, was in diesen Worten lebt, so haben Sie mit der Beichte ganz sicher etwas erreicht. Sie haben auf diese Weise den ganzen Sinn gerade des johanneischen Christentums am Ende einer jeden Beichte ent­wickelt und können dann Ihre Beichtkinder mit demjenigen vor die Kommunion führen, was ihnen wirklich diese Kommunion dann beseelt.

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Das ist das, was im wesentlichen über das zu sagen ist, was die Beichte durch Sie werden soli, was die Beichte im Zusammenhang mit der Kommunion zu einem wirklichen Sakrament macht.

Es wird dann morgen noch meine Aufgabe sein, Sie bekanntzu­machen mit demjenigen, was die letzte Ölung betrifft und vielleicht mit einigem, was Sie selber noch notifiziert haben. Dann aber ist von meiner Seite aus dasjenige gegeben, von dem ich meine, daß es Sie wirklich geeignet machen kann, Ihre Tätigkeit aufzunehmen. Es wird dann nur noch die Notwendigkeit vorliegen, daß wir außer der morgigen Stunde dasjenige absolvieren, was wir in gemeinsa­mer Beratung als Grundlegendes besprochen haben, und es wird notwendig sein, daß vor Ihrem Weggange dann noch eine Messe gelesen wird mit der Kommunion für die anderen.

Ein Teilnehmer stellt eine Frage zur Bekenntnisformel. [Der Wortlaut der Frage wurde vom Stenographen nicht notiert.]

Rudolf Steiner: Der schwierige Satz der Bekenntnisformel ist von mir in seiner Schwierigkeit schon empfunden worden, aber er hatte von uns aus schon eine kleine Geschichte. Es handelt sich darum, daß wir ihn so formulieren - beim Realen handelt es sich nicht um Spintisierereien, sondern um Aktivität -, daß durch einen Satz in der Bekenntnisformel dies zum Ausdruck kommt:

Der, der dieser Gemeinschaft beitritt, anerkennt, daß er das, was er durch diese Gemeinschaft geworden ist, eben nur durch diese Gemeinschaft zunächst werden kann; das heißt also, daß er die Ritualien und was von den Ritualien ausstrahlt, von dieser Ge­meinschaft bekommt und auch das Recht von ihr bekommt, im Sinne dieser Ritualien Gemeinden zu gründen. So daß also der Betreffende für alles, was er im Auftrage dieser Gemeinschaft tut, die Bewertung eben von den Oberlenkern und Lenkern dieser Gemeinschaft erhalten hat, und daß er anerkennt, daß er keine Berechtigung hat, diese Ritualien anders denn als Mitglied dieser Gemeinschaft auszuführen. Das müßt Ihr aber nicht von dem abhängig machen, ob sein Wille heute der ist, dies anzuerkennen und in drei Jahren ein anderer sein kann -, sondern darüber müßt

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Ihr heute Euch entscheiden, daß sein Wille in drei Jahren kein anderer sein darf. Darüber müßte also nicht er, sondern die Gemeinde entscheiden. Er müßte anerkennen, daß in bezug auf alles, was er im Auftrage der Gemeinde bekommen hat, die Gemeinde in ihren Oberen entscheiden kann, und auch, daß er verzichtet, in aller Zukunft selbst darüber zu entscheiden. Das ist der Sinn der Sache. Um diesen Sinn kommen wir nicht herum, sonst machen Sie die Ritualien zu einem Freigut, sonst begründen Sie nicht etwas, sondern lehren Sie etwas, und es wird nach und nach in Verwässerung, in Veränderung, ohne Zusammenhang mit dem, wovon es ausgegangen ist, in die Weit getragen. Also dem, was ich jetzt sage, müßte doch in irgendeiner Weise Rechnung getragen werden. Ich will aber in diesen Dingen nur mit meinem Rate zur Verfügung stehen.

Dann hat mich jemand gefragt, wie das Verhältnis der Gemein-de zu den Waldorfschullehrern sein wird, die ja auch nicht nur den Kindern Unterricht erteilen oder erteilen werden, sondern die auch in gewissem Sinne im Kultus tätig sind in den Sonntags- und anderen Feiern; und da ja beim Beginn dieses Kurses die Ansicht vorlag, daß Herr Uehli nicht an diesem Kurs teilnehmen solle, so war darin etwas Zweifelhaftes in bezug auf dieses Verhältnis. Es müßte auch schon für solche Dinge eine reale Grundlage inner­halb der Konstitution gefunden werden. Ich stelle es nicht fest, aber es müßte im Innern der Gemeinde dafür eine Regel noch da sein. Denn es ist ja ohne Zweifel so, daß die Waldorfschule - und bei anderen Schulen, die in diesem Sinne errichtet werden, würde es ganz ähnlich werden - schon einen Religionsunterricht in dem Sinne hat, wie er hier gesucht wird und auch eine Religionsübung. Dabei müssen Sie wissen, daß der ganze Waldorfschulunterricht davon durchtränkt ist, so daß auch in dieser Beziehung wenigstens etwas angeschlagen werden müßte.

Ein Teilnehmer: Wie hätte man sich den Verlauf der Arbeit in der Gemeinde in der ersten Zeit zu denken? Wie wäre die Gemeinde zu führen, und wer dürfte am ersten Kultus teilnehmen? Wie wäre dem Vorwurf des Diebstahls der Messe aus der katholischen Kirche entgegenzutreten?

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Rudolf Steiner: Bei solchen Dingen muß man sich klarmachen, wie der natürliche Verlauf sein wird. Gehen wir also von diesem Fall mit der Messe aus. Da müssen wir uns ganz auf realen Boden stellen. Die katholische Kirche betrachtet das Messelesen als et­was, was ein Ausfluß der apostolischen Sukzession ist, sie erkennt also nur demjenigen das Recht zu, gültige Messen zu lesen, der seine apostolische Sukzession beweisen kann und zwar in der Art beweisen kann, wie die katholische Kirche diese apostolische Sukzession auffaßt. Die katholische Kirche faßt die Sukzession so auf, daß sie sie nur gelten läßt, wenn sie selbst sie bewirkt, so daß im Sinne der römisch-katholischen Kirche nur derjenige Messen lesen kann, der seine Befugnis dazu zurückführen kann auf einen von der Kirche selbst geweihten Priester. Bei den Altkatholiken wird von den altkatholischen Priestern selber geltend gemacht, daß sie ja eben auch die apostolische Sukzession, auch im Sinne der römisch-katholischen Kirche erfüllen, daß sie sie zurückfüh­ren auf solche, die von der römisch-katholischen Kirche im Sinne der apostolischen Sukzession geweiht worden sind. Das ist das, was dazu führen wird, daß die katholische Kirche Ihre Messen nicht als gültige anerkennen wird. Das können Sie aber auch nicht erwarten. Da unter Ihnen selber kein Katholik ist oder, insofern hier einer ist, er kein Priester ist - ein katholischer Priester ist ja nicht bei Ihnen, sonst hätte sich die ganze Sache anders abspielen müssen, wir hätten mit dem katholischen Priester rechnen müs­sen, das aber brauchten wir nicht -, so handelt es sich also darum, daß die katholische Kirche überhaupt nicht in die Lage kommen kann, diejenigen Disziplinarmaßregeln anzuwenden, die sie ge­genüber einem abtrünnig gewordenen katholischen Priester hat, dem sie das Recht aberkannt hat, die Messe zu lesen und der sie dann doch liest. Es bleiben also die Katholiken, die innerhalb Ihrer Gemeinschaft sind; solche werden Sie schon haben. Diese Katholiken setzen sich selbstverständlich der Exkommunikation aus. Das muß man sich ganz klar vorstellen, daß die katholische Kirche Disziplinarmaßregeln, die sie hat, auch anwenden wird, und es gibt auf dem Boden der katholischen Kirche gar keine

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Einwendungen gegen das Exkommunizieren wegen des Messe-lesens und Beichtens. Findet nun die katholische Kirche, daß es klug wäre, kein Aufhebens davon zu machen, so wäre das von ihr klug. Das wird vielleicht der Fall sein, solange Sie das dritte Tausend nicht überschritten haben, weil sich die katholische Kirche mit Kleinigkeiten nicht abgibt. Wenn Sie nicht zu viel oder zu stark auf einem Punkt zusammensitzen, sind Sie für die katho­lische Kirche eine Bagatelle. Sie hat schon 1909 gesagt: Solange die anthroposophische Bewegung klein ist, werden wir sie nur be­obachten, uns aber nicht mit ihr befassen. - Aber sie hat eben bereits im Jahre 1919 gefunden, daß sie sich sehr stark mit ihr befassen muß. Und es wird sich auch ergeben, daß alle die Katholiken exkommuniziert werden, welche [bei Ihnen] die Messe lesen oder Beichten abnehmen. Natürlich wird sie auch bei der Priesterweihe in erster Linie einhaken, während sie an allen anderen Zeremonien weniger Anstoß nehmen wird.

Das ist das eine, was geschehen kann, und eine theoretische Rechtfertigung, daß die katholische Kirche selbst die Messe von woanders her hat, ist ja von gar keiner Bedeutung; das erkennt sie nicht an und sie entscheidet es als eine bloße Machtfrage. Irgend­welche theoretischen Einwendungen würden also von der ka­tholischen Kirche selbstverständlich mit einer Handbewegung ignoriert werden. Da handelt es sich darum, daß Sie die Ex­kommunizierung einfach über sich ergehen lassen müssen und darauf rechnen, daß die, welche Ihre Anhänger sind, es bleiben, trotzdem sie exkommunizierte Katholiken sind. Das ist der reale Vorgang. Sie müssen sich überhaupt, je mehr Sie in die reale Religionsübung hineingehen, umso mehr das evangelische Theo­retisieren abgewöhnen, das darauf ausgeht, jemandem etwas zu beweisen. Das hat gegenüber der Kirche noch viel weniger zu bedeuten als bei den Wissenschaften. Irgend etwas zu «beweisen» hat ja im Realen im Grunde genommen keinen rechten Sinn. Davon können Sie also gar nichts abhängig machen, daß Sie etwa der katholischen Kirche beweisen wollen, daß Sie «mit Recht» die Messe lesen. Sie lesen sie im Sinne der katholischen Kirche absolut

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zu Unrecht, und Sie können die schiauesten oder spirituellsten Beweise vorbringen, so würde Ihnen das in diesem Punkte nicht das aliergeringste nützen können. Sie können überhaupt gar keine andere Richtung nehmen als einzig und allein die, daß es Ihnen eben gelingt, immer mehr und mehr Menschen zur Anerkennung dessen zu bringen, daß Sie eben die Messe mit Recht lesen. Das können Sie auf keine andere Art, als daß Sie durch die drei Mittel, von denen ich gesprochen habe, Ihre Anhänger gewinnen. Im allgemeinen wird Ihnen das in der Gegenwart gar nicht besonders schwer werden. Denn, sehen Sie die Sache äußerlich an, so werden Sie finden, daß eine sehr starke Sehnsucht nach Kultus in der heutigen Menschheit durch die ganze zivilisierte Weit hin vor­handen ist, nur daß eben dieser Sehnsucht nach Kultus und auch nach der Beichte von den Religionsbekenntnissen gar nicht in der richtigen Weise entgegengekommen wird.

Dem Gläubigen gegenüber kommen Sie natürlich dadurch zurecht, daß Sie durch Ihr ganzes Verhalten, durch die Art Ihres Wirkens und durch die Beseelung Ihres Wirkens den Eindruck der Wahrheit machen, wenn Sie ihnen in der entsprechenden Weise sagen: Das Eigentum der katholischen Kirche ist die la­teinische Messe; diese hat dadurch, daß die lateinische Sprache selber tot ist, einen toten Charakter angenommen. Wir leugnen nicht im geringsten, daß die lateinische Messe einmal die richtige Messe war; wir müssen aber darauf hinweisen, daß nur die deutsche Messe - oder die französische Messe oder die englische Messe und so weiter -, die wir lesen, die gegenwärtige Form der Messe ist, und daß wir diese im Sinne des lebendigen Christus eben so halten, wie die römisch-katholische Kirche die lateinische Messe im Sinne der bloßen Erinnerung an den Christus liest. - Und Sie müssen mit dieser Auffassung durchdringen. Es kommt darauf an, daß Sie alles so machen, daß Sie mit dieser Auffassung einfach durchdringen. Das ist gar nicht so schwierig. Denn es ist ein tiefes Bedürfnis in der Menschheit nach einer Erneuerung der Kultfor­men vorhanden. Es wird die lateinische Messe als etwas Ungenü­gendes auch von katholischer Seite heute empfunden. Das einzige,

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was Sie zu leisten haben, ist, daß Sie durch Ihr ganzes Verhalten zeigen, daß Sie einen spirituellen Einschlag haben, daß also Ihr Messehalten nicht von den Menschen, sondern von Gott ist.

Sie haben bezüglich der Messe nur eine Aufgabe gegenüber denen, die sich Ihnen als Gemeindeglieder anschließen. Noch zu Luthers Zeiten war es möglich, daß man mit der römisch-katholischen Kirche diskutieren konnte, wie Luther es getan hat. Das kann man heute natürlich nicht mehr, sondern man kann nur Anhänger sammeln, die das geltend machen, was man selbst. geltend macht. Die katholische Kirche läßt sich heute auf eine Diskussion nicht mehr in derselben Weise ein, wie sie das zu Luthers Zeiten getan hat. So meine ich, daß eben alles von Ihrer Kraft abhängt, ob Sie das Messelesen auch zur Anerkennung bringen oder nicht zur Anerkennung bringen können.

Das eine habe ich Ihnen ja im Zusammenhang mit anderen Dingen vor ziemlich langer Zeit schon gesagt. Sie müssen sich klar sein: Eine solche Bewegung, die Sie sich vornehmen, hat die Eigentümlichkeit, daß sie nur dann angefangen werden soll, wenn man das Bewußtsein hat, sie gelingt! Und soweit sich dieses Bewußtsein auf die eigene innere Kraft bezieht, kommt es darauf an, daß man eben einfach nicht nachläßt. Dieses Bewußtsein müssen Sie haben. Und dazu werden Sie heute eine gewisse Weitherzigkeit haben müssen, sowohl in der Behandlung des Kultusmäßigen wie in der Behandlung der Gläubigen, und na­mentlich in Verwaltungsfragen. Ich kann ja solche Dinge nur radikal aussprechen, sie sind in der Wirklichkleit vielleicht etwas sanfter. Sie denken sich heute, Breitbrunn hat Sie zusammen-gebunden. - Das hat es getan, daran müssen Sie festhalten. Wenn Sie aber nicht selbst immerfort das fortsetzen, was Sie in Breit­brunn begonnen haben, dann ist das Bild, daß sich ein größer Teil von Ihnen in gar nicht so langer Zeit selbst an die Köpfe kom­men wird, gar nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen. Sie müssen sich also denken, daß Sie es nötig haben, dasjenige, von dem Sie glauben, daß es fest gebunden ist, in fortwährender Übung und Lebendigkeit zu erhalten. Denn denken Sie sich

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selbst, wie das bei denen ist, die sich Ihnen angliedern - Sie werden ja nicht immer nur diese Vierzig bloß bleiben. Das müssen Sie im Auge haben, wenn Sie anfangen, Ihre Gemeinden zu gründen. Sie haben schön angefangen. Ein großer Teil von Ihnen wird zu diesen Gemeinden zurückgehen, für einen anderen Teil werden die Gemeinden gesucht werden müssen. Und Sie werden vor allen Dingen zuerst die Aufgabe haben, in einer etwas freieren Weise die Verkündigung des Wortes zu behandeln in Verbindung mit dem Beraten der Leute, die zu Ihnen kommen. Und wenn es Ihnen gelingt, so von dem Christus zu sprechen, wie Sie sprechen, wenn Sie alles das beachten, was wir seit langer Zeit, besonders in diesen Tagen, haben vor unsere Seelen ziehen lassen, dann werden Sie sehen, daß Sie durch Ihr Sprechen eben Ihre Anhänger ge­winnen werden, viel leichter, als auf dem Böden der Anthropo­sophie Anhänger zu gewinnen sind, wo man in anderen Formen sprechen muß. Und Sie werden finden, daß eben dadurch, daß Sie zugleich die Sündenheilung übernehmen, Sie sich diese An­hänger auch als sehr treue werden erhalten können.

Sie müssen mit jeder kleinen Schar zufrieden sein, denn nur dadurch, daß Sie mit einer kleinen Schar zufrieden sind, wird diese kleine Schar allmählich eine größere. Auf keinem anderen Wege ist das möglich. Wer gleich eine große Schar haben will, bekommt keine. Sie müssen also mit allem zufrieden sein, was sich Ihnen als eine Möglichkeit aus der Welt heraus ergibt, und Sie werden sehen, was zunächst mit dieser Treue gemeint sein kann. Und Sie werden, wenn Sie vorsichtig genug mit der Lehre und mit der beichteartigen Behandlung der Gläubigen sind, sehr bald übergehen können zu den Kultushandlungen. Es ist viel leichter, zu den Kultushandlungen überzugehen, als es der pro­testantische Prediger öder der, der einer hat werden wollen, sich vorstellt. Je selbstverständlicher Sie die Gemeinde entstehen lassen, desto besser wird es sein.

Das ist es, [was dazu zu sagen ist,] wie gerade so etwas zu behandeln wäre, was in solchen Fragen liegt, wie sie hier gestellt worden sind. Die anderen Fragen werde ich heute abend anfan­gen, Ihnen zu beantworten.

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Ein Teilnehmer: Wie verhält es sich mit den Kriterien des Kultus und was wäre anzuraten für den Beginn des Kultus? In Bremen sind zum Beispiel schon Menschen dazu vorbereitet, sogar eine Kirche steht zur Verfügung. Wäre Ausschluß der Öffentlichkeit zu empfehlen?

Rudolf Steiner: Die ersten Christen haben schön auch Richtlinien gehabt, aber sie haben sie nicht formuliert, denn es ist für die ersten Christen oftmals notwendig gewesen, die Gottesdienste sogar unter der Erde zu halten, um eben die Möglichkeit herbei­zuführen, sie überhaupt zu halten. Es ist vorgekommen, daß eine solche Sehnsucht bei den ersten Priestern vorhanden war, Got­tesdienste zu halten, daß sie noch, als sie an Händen und Füßen gefesselt waren, den Gottesdienst gehalten haben, aber umgeben waren von einer Mauer von Gläubigen, die verhindert haben, daß man hat zuschauen können. Und erst allmählich hat sich dies -eigentlich erst in der nachkonstantinischen Zeit - herausgestellt, daß man die Gottesdienste öffentlich halten konnte.

Ich kann mir schwer denken, daß Sie besonderes Glück haben werden, wenn Sie in einer öffentlichen Kirche vor nichtvorberei­teten Menschen eine deutsche Messe lesen. Dagegen halte ich es für sehr gut, daß Sie vor Leuten, die alle Ja sagen, diese Messe möglichst bald lesen. Also vorbereiten müssen Sie Ihre Leute, und für längere Zeit werden Sie einfach in die Notwendigkeit versetzt sein, Ihre Messe so zu halten, daß Sie sie nur vor vorbereiteten Leuten halten und nur solche zulassen. Denn natürlich, wenn heute ein handfester atheistischer Sozialdemokrat in Ihre Messe hineingeht und nachher seine Dinge anfängt, die er ganz sicher anfangen wird, dann werden Sie sehen, daß Sie ganz sicher Schwierigkeiten haben, die Sie eigentlich vermeiden sollten. Sie müssen solche Dinge berücksichtigen und Sie müssen eben in die Welt hinausschauen bei dem, was Sie jeden Tag tun. Je kleiner die Bewegung noch ist, desto mehr werden Sie das tun können. Je mehr sie rasch wächst, desto mehr werden die anderen das tun, was man nicht tun soll.

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KATALOG DER TEILNEHMERFRAGEN

[Für die folgende Zusammenkunft wurden Rudolf Steiner eine Reihe von schrzftlich formulierten Fragen übergeben. Dieser «Fragenkatalog» liegt in Handschr£ft von Emil Bock vor und hat folgenden Wortlaut:]

1. Der Wechsel der Kultfarben (besonders auch in der festlosen Hälfte des Jahres) und ihr Sinn im Verhältnis zum Jahreslaufe in dessen seelischer Beziehung (kultische Optik)? Farben der Ministrantengewänder, der Altardecken, des Meßgewandes, der Figuren und Ränder des Meßgewan­des im Verhältnis zu den Grundfarben des Meßgewandes selbst? Farben bei der Taufhandlung (rot und blau)?

2. Der spirituelle Sinn der Gewänder, soweit dieser noch nicht angedeutet ist. Ist aus der Geschichte des menschlichen Gewandes überhaupt in­nerhalb der Sittengeschichte eine Hinleitung zum Verständnis der Kultgewänder möglich (kultischer Ursprung aller Gewänder überhaupt, Unterschied von Männer- und Frauenkleidung)? Sinn der Ministranten-gewänder? In welchem Gewand ministriert der Priester? Wann wird das Barett getragen und warum gerade nur in diesen Fällen? Form der Stola, ihre spirituelle Begründung? Gewänder bei Casualien (Taufe Begräbnis usw.)?

3. Was kann noch über die im Kultus verwandten Stoffe gesagt werden? Weihrauch, Öl, Wein, Brot, Salz, Asche, Wasser, Mercur, Sulfur, Sal (kultische Alchimie)? Welche Stoffe und Gegenstände werden geweiht vor kultischem Gebrauch, bei welcher Gelegenheit und durch welche Worte? Wasser, Salz, Asche beim Taufritual in Beziehung zur Trinität. Es werden Wasser - Vatergott, Salz - Sohnesgott in Verbindung ge­bracht, während wir das Umgekehrte erwarten. Zusammenhang der vier Messeteile mit den vier Elementen? Weihwasser und Weihrauch am Grabe?

4. Einzelheiten über kultische Formen, Geräte und Gebärden. Verwendung einer Monstranz und welche Verwendung? Verwendung von Holzkel­chen möglich (soziale Gründe)? Warum Berührung der linken Backe bei Gemeindekommunion? Warum Zeichen auf Stirn, Kinn, Brust des Säug­lings? Ist Räucherung möglich durch Schalen statt des üblichen Rauch-fasses oder kann wenigstens für dieses eine vereinfachte Form in Betracht kommen? Die rechte und linke Seite des Altars in ihrem Wechsel während der Weihehandlung. Welche Richtung sollte der Altar haben und warum?

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5. Welches ist die genauere Verteilung der Perikopen für die Evangelien-lesung durch den Jahreslauf? Verwendung der Paulusbriefe, der Apo­kalypse usw.? Dürfen wir auf Übersetzung einzelner Perikopen durch Dr. Steiner hoffen?

6. Gemeindeordnung und Seelsorge: Welche Bedingungen müssen zur er­sten Ausübung der Kultushandlungen in den einzelnen Städten erfüllt sein? Unter welcher Öffentlichkeit soll der Kultus eingeführt werden?, ganz öffentlich oder in geladenen Kreisen? Wer kann kommunizieren? Nur Gemeindemitglieder? Pflicht der Gemeindeglieder zu kommunizie­ren? Möglichkeit des Ausschlusses von Gemeindegliedern von der Kom­munion. Ist es ratsam, den Gemeindegliedern die Ritualtexte zugänglich zu machen? (Das Credo?)

Fragen über die Bibel:

Was ist über Textverderbnis im Neuen Testament zu sagen? Wie ist sie entstanden und aus welcher Absicht? Wie ist sie als Fehlerquelle auszu­schalten? Die synoptische Frage: Wörtliche Übereinstimmung der drei ersten Evangelien bis in Kleinigkeiten hinein und Widersprüche in An­gaben über Tatsächliches (Todestag Jesu usw.)?

Geschichtliche Fragen:

Über die Kirchengeschichte hörten wir gerne soviel als nur irgend möglich, weil uns da die heutige Forschung so sehr im Stich läßt. Im einzelnen: Wie und wo läßt sich exoterisch die Herkunft der Messe aus den Mysterien studieren und aufweisen zur Abwehr des Vorwurfes des Diebstahls? Die Zeitalter des Petrus, Paulus und Johannes bei Schelling usw. und die Andeutung Dr. Steiners von den Perioden der Kirchen-geschichte nach den zwölf Aposteln (Judaszeit usw.)? Esoterisches in der katholischen Kirche?

Einzelnes:

Musik und Choräle im Kultus. Vorbildung der Priester und wichtige Bücher (Studienplan).

Praktisches:

Unser Entwurf über Aufnahmebedingungen und Disziplinarordnung. Finanzierung. Richtlinien für die Differenzierung der Seelsorge nach Be­rufen, Temperamenten und Lebensaltern, vor allem im Religionsunter­richt, über den wir noch gern viel hörten, abgesehen von dem, was wir durch Waldorflehrer erfahren können. Vorbereitung auf die Jugendfeier bei solchen Kindern, die schon das in Frage kommende Alter erreicht ha­ben und bisher nur den konfessionellen Religionsunterricht empfingen? Wie lange Zeit hindurch wird ein Kind an der Jugendfeier teilnehmen?

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Richtlinien für Pastoralpsychologie und -pathologie?

Auf welche Krankheiten ist besonders zu rechnen? Wie ist dabei Medi­tation als Heilmittel zu verwenden? Die sexuelle Frage in seelsorgerlicher Beziehung: Was liegt karmisch und physiologisch der Homo-sexualität zugrunde, wie kann zu ihrer Überwindung geholfen werden? Können für unsere seelsorgerliche Tätigkeit besondere Gebete gegeben werden (Morgen-, Abend-, Tisch-, Kindergebete)?

7. Fragen über die Sakramente:

Warum keine Erwachsenentaufe (Übertritte von Juden)? Das Sakra­ment der Ehe. Auflöslichkeit der Ehe, Ehescheidung? Sinn der darüber handelnden Bibelstellen Genesis II, 1. Kor. 6 und 7, Römer 7, Matth.

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8. Fragen über die Texte:

Im Credo: «Um die Sündenkrankheit von dem Leiblichen der Mensch­heit geistig zu heilen» oder «um das Leibliche der Menschheit von der Sündenkrankheit geistig zu heilen»? Brevier: Warum Monatssprüche als Wochensprüche?

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XVI Mittwoch, 20. September 1922, abends

Rudolf Steiner: Es scheint mir, diese Fragen, die Sie aufgeschrie­ben haben, haben zum großen Teil doch ihre Wurzeln in Dingen, die schon besprochen sind.

Zum Wechsel der Kultfarben [1. Frage]: Es handelt sich darum, wie ich Ihnen sagte, daß der Zyklus der ist, daß die Zeit vor Weihnachten im wesentlichen blaue Farben hat, daß man dann zu Weihnachten die helle Farbe hat; dann bleibt die helle Farbe bis zur Fastenzeit, wo sie schwarz wird. Dann hat man hauptsächlich rot zur Osterzeit, dann geht man zu hellen Farben über zur Pfingstzeit. So war es das letzte Mal dargestellt. Dann bleibt ja für das, was ich festlose Zeit nenne, die helle Farbe während des Sommers; wenn keine besonderen Anlässe sind, bleibt die Farbe weiß. Zu Pfingsten ist es weiß mit gelben Rändern. Das bleibt im wesentlichen, bis man überzugehen hat zur blauen Farbe.

Emil Bock: Die Farbe, die wir jetzt benützen, ist schon eine helle.

Rudolf Steiner: Was ich Ihnen jetzt vorgeschlagen habe, ist das­jenige, wovon ich raten würde, daß Sie es überhaupt zu der normalen Messe verwenden, weil dieses Violett, das Sie jetzt haben, die Farbe ist, die Sie eigentlich das ganze Jahr hindurch bei jeder Gelegenheit verwenden können, während Sie das nicht bei irgendeiner anderen Farbe machen könnten.

Emil Bock fragt über das Seelische der Farben. Warum diese Farben nicht verwendet werden können.

Rudolf Steiner: Gehen wir von der roten Farbe aus, die also auftreten würde bei der Auferstehung am Ostersonntag, so haben wir in der roten Farbe dasjenige gegeben, was die Aktivität aus der geistigen Welt heraus charakterisiert, und wir haben in dem Gegensatz zur roten Farbe in der blauen Farbe den allmählichen

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Untergang des Physischen in der geistigen Welt zu sehen. Das sind die beiden Farbengegensätze; daher ist der Advent blau, die Zeit unmittelbar nach Ostern bis Himmelfahrt rot, als der Ge­gensatz. Dann haben wir die anderen Farben so, daß sie immer irgendeinen anderen Gesichtspunkt haben. Wir haben die uni­verselle Farbe weiß respektive hell zu Weihnachten, was die katholische Kirche als die Farbe der unschuldigen Kindlein auf­gefaßt hat, was aber falsch ist, da weiß überhaupt das Licht als solches darstellt, also das Wiedererscheinen der Sonne, die Son­nenwende. Dann haben wir die schwarze Farbe, diejenige Farbe, die gegen die Passionszeit hingeht, die die Verdunkelung darstellt, die kulminiert mit dem Tode. Dann haben wir im Sommer nicht eigentlich weiß, aber helle Farben. Wenn man nicht auf das alte Mysterienwesen zurückgeht, so haben wir natürlich eigentlich nicht grün. Wenn wir zurückgehen würden auf das, was Sie «kultische Optik» nennen - man müßte es das kultische Gloria nennen -, dann würden Sie ein helles Grün haben zum Sommer, etwa zu Johanni. Das wird aber nie mehr angewendet. Aber es könnte wiederum eingeführt werden, ein helles Gelbgrün. Dann haben Sie aber eigentlich alle Farben. Die Sache ist so, daß alles übrige sich nach der Farbe des Meßgewandes richtet, alles übrige.

Nun fragen Sie hier auch nach den anderen Gewändern [2. Fragenabschnitt]. Sie haben an anderen Gewändern für den Priester das Gewand für den Nachmittagsgottesdienst an Sonntagen. Habe ich das noch nicht auseinandergesetzt? Das ist so: Ein Mantel von diesem Zuschnitt (siehe Zeichnung Seite 202), der hat hier unten die Farbe des Meßgewandes, das getragen wird. Bei Ihnen müßte er, weil Sie doch noch eine Zeitlang das Urgewand tragen, das immer getragen werden kann bei jeder Gelegenheit, die Farbe der Borten haben.

Unter dem Mantel wird die Stola getragen. Es ist besser, wenn Sie bei Taufen und bei der Abnahme der Beichte nicht die Alba, sondern eine verkürzte Alba tragen, so daß Sie eine Alba bis hierher zum Knie haben. Das ist das Priestergewand für diese Handlungen wie Taufe, Beichtehören, Ölung. Begräbnisse sollten

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eigentlich in diesem Mantel gemacht werden. Unter diesem Man­tel wird die Alba getragen und die Stola. Nun, was ich noch bemerkt habe: Die Alba hat den Gürtel hier herum und dieser Gürtel hat auch die Farbe des Meßgewandes, und dies macht Ihnen dann möglich, die Stola, wo sie getragen werden sollte, vorne zu kreuzen. Aber das wären alle die Bekleidungsstücke, die Sie brauchen.

#Bild s. 202

Die Ärmel sind nicht wichtig, aber es ist schwierig, für jede einzelne Sache jetzt ein Gewand anzuschaffen. Daher stelle ich die Dinge hier zusammen, die ich praktisch für möglich halte und die ganz korrekt dienen können. Die Ärmel sind wirklich nicht wichtig. Sie könnten ja taufen natürlich auch in einer Art Chor-hemd, das ärmellos ist. Das kann man alles einmal einrichten. Aber jetzt genügt Ihnen, wenn Sie Alba und ein Chorhemd haben, das natürlich Ärmel haben kann, das Meßgewand und einen solchen Mantel für den Sonntagnachmittags-Gottesdienst, der im wesentlichen besteht in der Verlesung einer kurzen Evangelienstelle und einer kurzen Predigt, wobei der Mantel abgelegt wird. Dann wird er wiederum angezogen und es wird ein Psalm gelesen. Das wird der Sonntagnachmittags- oder -abend-Gottesdienst sein. Alles übrige richtet sich nach der Farbe des

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Meßgewandes, also die Bedeckung des Kelches, die Decke des Altares; ebenso der Ministrant. Jetzt haben Sie ein Meßgewand, von dem ich mir vorgestellt habe, daß Sie zunächst jede Messe in diesem Meßgewand lesen können. Sie können ja ziemlich lange noch nicht daran denken dazu überzugehen, die ganze Entwik­kelung durchzumachen. Ein Meßgewand kostet ja heute schon ein kleines Kapital in Deutschland. Also ich glaube, Sie tun am besten, wenn Sie diese Farbe, die etwas heller sein kann - sie ist etwas dunkel geraten -, verwenden und jede Messe darin lesen.

Emil Bock: Es ist unsere Orienterung eine sicherere, wenn wir einiges hören, ob Violett anstelle von Blau treten soll und zu Ostern Gelbrot.

Rudolf Steiner: Ich sagte, daß zu Weihnachten ein helles Weiß maßgebend ist; vielleicht ein ganz helles Violett. Ich sagte, daß zu Weihnachten der Gesichtspunkt immer gewechselt hat. Im we­sentlichen hat man festzuhalten, daß Weiß den Aufgang der Sonne charakterisieren soll; das ist ein anderer Gesichtspunkt. Das Hell-violett eintreten zu lassen, hat den Gesichtspunkt: Sie lesen zu Weihnachten die Urmesse; die lesen Sie in Hellviolett. Gelbrot habe ich nur gesagt, weil ich es unterscheiden wollte von Violett-rot. Man hat diese zweierlei Rot: Zinnoberrot, damit meine ich das ganz helle leuchtende Rot im Gegensatz zu dem mehr Blauen des Karminrot.

Die Farbe der Borte? Es ist am besten, Sie wählen die Borte, die die Gegenfarbe darstellt, wie Sie es jetzt auch haben. Und die Länge des Mantels: Bis etwas über das Knie. Das Chorhemd geht bis an die Knie. Unter diesem Mantel tragen Sie die Alba. Das Chorhemd tragen Sie nur, wenn Sie fungieren. Talar, Chorhemd, Stola. Dann tragen Sie das Barett. Das Barett ist eigentlich das äußerliche Zeichen der priesterlichen Würde. Das Barett tragen Sie nicht als ein Kultgewand, sondern als ein äußerliches Abzei­chen. Das Barett ist eigentlich ein Amtsabzeichen, nicht ein priesterliches Abzeichen. Sie brauchen es während des Kultes nicht zu tragen. Im Alten Testament mußte man es tragen, weil man da bedeckt sein mußte. Aber Sie tragen es, wenn Sie in der

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Kirche herumgehen bis zum Altar und legen es ab, wenn Sie zum Altar kommen. Es ist eigentlich dasjenige, was Ihnen, wie der Athene der Helm, nach außen hin die Würde dokumentiert. - Bei der Predigt? Ja, man trägt es bei der Predigt. Man predigt auch damit. Predigen tut man mit dem Barett. Wären wir dazu ge­kommen, daß Einzelne von Ihnen Predigten gehalten hätten, dann hätten Sie es gebraucht. Bei Beerdigungen trägt man das Barett, ebenso bei der Taufe, nur legt man es bei der Zeremonie ab. Man geht zur Zeremonie mit Barett und geht von der Zeremonie weg mit Barett.

[Zum dritten Fragenabschnitt:] Über das Öl werde ich morgen reden; über Wein und Brot habe ich gesprochen, über Salz auch. Auch über Merkur und so weiter habe ich schon gesprochen. -Asche? Nun, da ist die Sache so, daß die wirkliche Asche auf dem Wege ist zu ihrer Zerkleinerung in atomistische Gestalt. Wenn Sie bei der Verbrennung irgendeines Stoffes Asche erzeugen (die Zeichnung hat sich nicht erhalten), so ist diese Asche auf dem Wege der Materie, sich vorzubereiten, wiederum für den Geist empfänglich zu werden. Das heißt, die Asche, genügend weit getrieben in ihrem Veraschungsprozeß, wird fähig, aufzunehmen ein Abbild des Universums und eine Art Zelle zu bilden. [Lücke in den Aufzeichnungen des Stenographen.] Es ist so, daß die Asche das ist, was im Punkte der Regeneration des Kosmos dient.

[Zu der Frage: Welche Stoffe und Gegenstände werden geweiht vor kultischem Gebrauch, bei welcher Gelegenheit und durch welche Worte?] - Das sagte ich schon. Geweiht sollte eigentlich alles werden. Aber wir brauchen eben doch nichts anderes, als die Weihe als eine völlig freie zu lassen, wie ich es auch getan habe, also in ähnlicher Weise wie bei den Meßgewändern. Also in dieser Weise soll alles geweiht sein.

Zwischenfrage: Wasser und Wein?

Rudolf Steiner: Nein, das nicht, aber alles, was als Hilfsgegen­stände kultisch gebraucht wird.

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Emil Bock: Wie ist es mit Wasser, Salz und Asche beim Taufritual?

Rudolf Steiner: Das ist bei der Taufe. Es ist notwendig, daß Sie in die Taufe die ganze Veränderung hereinnehmen, die in der Er­denentwickelung durch das Mysterium von Golgatha vorgegan­gen ist, darauf kommt es in dieser Sache an.

Emil Bock: Daß zuerst auf den Christus hingewiesen wird durch das Was­ser. dann erst auf den Weltengrund durch das Salz?

Rudolf Steiner: Durch das Wasser ist hingewiesen auf den Vater-gott. Es ist derselbe Vorgang, der durch eine wirklich tiefsinnige Tatsache sich vollzogen hat, indem der weibliche Mond und die männliche Sonne übergegangen sind in der neueren Zeit in die weibliche Sonne und den männlichen Mond. So haben Sie einen Übergang, eine Metamorphose, die liegt darin.

Emil Bock: Einmal muß man beim Salz an den Vatergott denken, hier aber beim Wasser. Wasser - Gebärungskraft, Salz - Erhaltungskraft, Asche -Erneuerungskraft. Sie haben das Wasser auf den Vater bezogen, das Salz auf den Christus, die Asche auf den Geist.

Rudolf Steiner: Da liegt ein wenig eine Schwierigkeit vor, weil man das, was da ist, in der Zeit nicht richtig ausdrücken kann. Wenn ich schildere: Physischer Leib, Ätherleib, Astralleib, Emp­findungsseele, Verstandesseele, Bewußtseinsseele, Geistselbst, Lebensgeist, Geistesmensch, so reihe ich das auch so aneinander; es schaut so aus, als ob ich es hintereinanderreihe.

#Bild s. 205

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Das stimmt aber nicht. Ich müßte hier zwei Strömungen inein­andergehen lassen (es wird an die Tafel gezeichnet), wenn ich es richtig zeichnen will. Ich müßte es so machen: Physischer Leib, Ätherleib, Astralleib; Empfindungsseele, Verstandesseele, Be­wußtseinsseele; und jetzt müßte ich gar nicht mehr in einer Ebene damit das Geistselbst zeichnen, sondern in einer anderen Rich­tung, hier umbiegen und das dreimal in eine andere Richtung hinein zeichnen. Ich müßte das so machen:

#Bild s. 206

So ist es auch in der Formel [des Taufrituals]. Nehmen Sie dieselbe Reihenfolge: Wasser - Vater, Salz - Christus, Asche -Geist; da kriegen Sie nicht die reale Tatsache, die Sie haben wollen. Sie müssen [denken], Sie leben in der Gemeinschaft des Christus durch des Wassers Gebärungskraft, durch des Salzes Erhaltungsmacht, durch der Asche Erneuerungskraft. Jetzt biegen Sie den ganzen Gedanken um, Sie kommen von einer ganz anderen Seite her: In des Vaters Weltensubstanz, in des Christus' Wortes-Strom, in des Geistes Lichtesglanz. - Es geht nicht, daß Sie das geradewegs aufeinander beziehen, es steht schief zueinander.

[Zu der letzten Frage des dritten Abschnittes:] Weihwasser und Weihrauch beim Grabe? - Weihrauch ist nur da, um die Leitung nach oben zu übernehmen. Es wird geräuchert. Sie verfolgen von dem physischen Leib den Weg der Seele, bis die Seele oben ist. Sie verfolgen ihn im Wege des Weihrauchs. Sie gehen von dem, was noch unten ist, zu dem, was oben ist. Und im Weihwasser haben wir wieder die Regeneration.

[Zu der 4. Frage:] Verwendung einer Monstranz. - Haben Sie wirklich das Bedürfnis nach diesen Geräten? Dies waren eigent­lich ursprünglich Geräte, die fest blieben, die also einfach zur

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Architektur des Altars gehörten und darstellen die Sonne mit dem Monde, und die dann umgeformt wurden in ein Behältnis, das bei feierlichen Messen verwendet wurde, um die Messe einzuleiten und zu schließen, und das bei den Katholiken auf Prozessionen getragen wurde.

Emil Bock: Ich glaube, daß wir das Bedürfnis nicht haben, aber wir haben uns erinnert, daß Sie gesagt haben, dieses Symbolum sollten wir zuerst

anstreben.

Rudolf Steiner: Ich habe für die Predigt gesagt, daß Sie dieses Symbolum als Richtsymbolum haben sollen: Sonne und Mond, weil Sie dadurch den Willen haben, den physischen Kosmos mit dem geistigen Kosmos in einem Punkte zu verbinden. Es kann ja auch in Ihrem Kultus, wenn Sie den Kultus ausführen, als ein festes Symbolum angebracht werden, entweder architektonisch oder gemalt: die Monstranz als die Verbindung der Sonne mit dem Monde. Sie haben dasselbe Symbolum zum Beispiel auch unter den «Siegeln und Säulen», und Sie werden es auch wieder­um in der Apokalypse finden: das Weib, das auf dem Monde ist, die Sonne vor dem Sternbilde der Jungfrau, was hindeutet auf den Hochsommer, wo es gegen die Weihnachtszeit zuerst zugeht. Hier haben Sie auch die Sonne, unter ihr den Mond. Das ist dasselbe wie die Monstranz. So habe ich gemeint, Sie müssen auf dieses Symbolum hinarbeiten. Sie finden überall die Möglichkeit, dieses Symbolum zu gebrauchen, in der Rede und in der Darstel­lung. Aber ich glaube, das ist einer der Punkte, wo im Gebrauch dieses Symbolums ... [Lücke in den Aufzeichnungen des Steno­graphen]. Die katholische Kirche gibt heute diesen ganzen Zu­sammenhang nicht zu und gebraucht die Monstranz wie ein Götzenbild, das angebetet wird, das seinen Mittelpunkt da hat, wo die geweihte Hostie getragen wird. Ich glaube nicht, daß Sie ein Bedürfnis danach haben. Sonst kommt das zustande, weshalb ich sagte, Sie brauchen nicht gar zu stark zu katholisieren. Aber das Symbolum ist etwas, worauf Sie ein besonderes Augenmerk verwenden sollen.

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[Die nächste Frage im vierten Abschnitt:] Ist Verwendung von Holzkelchen möglich? - Natürlich können Sie Holzkelche ver­wenden.

Emil Bock: Wo soll die Beichte stattfinden?

Rudolf Steiner: Sie kann überall stattfinden. Es ist sehr schwer, diese halbe Kultushandlung ohne Stola vorzunehmen, und die Stola können Sie nicht ohne etwas anderes als wenigstens ein Chorhemd tragen. Sie können zunächst zu den Leuten sprechen, das ist eine Beratung, aber dann, damit die priesterliche Würde gewahrt wird, legen Sie Chorhemd und Stola an, bevor Sie die Sache zusammenfassen in die Sätze, in denen sie gipfeln soll. So soll es sein, Sie können es aber vorerst vereinfachen. Sie können das so machen, daß Sie die Beratung ohne die Stola machen und dann die Stola anziehen, indem Sie das gipfeln lassen in einer Kultushandlung. Das macht einen sehr feierlichen Eindruck.

[Die nächsten Fragen:] Warum Berührung der linken Backe bei der Gemeindekommunion? - Es ist dies eine besondere Form des Handauflegens. - Und: Warum Zeichen auf Stirn, Kinn und Brust des Säuglings? - Das ist die Aufnahme in die drei Gewalten der Trinität. Das ist vielleicht überhaupt noch zu sagen, daß Sie die Gemeinde gewöhnen müssen, daß, während Sie dieses Zeichen machen [Kreuzeszeichen], die Gemeinde die drei Kreuze macht an Stirn, Kinn und Brust. Die [Zeichen] machen Sie dem Täufling zuerst bei der Taufe.

Emil Bock: Warum diese drei Körperstellen?

Rudolf Steiner: Diese drei Körperstellen drücken aus - natür­lich, auch hier haben wir es wiederum zu tun mit einer Verschie­bung -, daß wir, wenn wir das Dreieck auf die Stirn machen, es zu tun haben mit dem Kopfsystem des Menschen, mit der Ver­gangenheit, wenn wir das Viereck machen auf das Kinn, es zu tun haben mit der Zukunft, weil das hier eigentlich repräsentiert das Stoffwechselsystem, und unter diesem liegend haben wir es zu

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tun mit dem Brustsystem, mit der Gegenwart. Allerdings in der Wirklichkeit verschieben sich diese Dinge, sie sind nicht so [sche­matisch] angeordnet. Aber eine Dreiheit ist es überall. Sie finden dies sogar bei Abbildungen in der katholischen Kirche. Sie finden dort häufig abgebildet oben den Vater, darunter die Taube, und unten den Kruzifixus, was nicht bedeutet, daß das eine systema­tische Reihenfolge ist. Sobald man an ein Geistiges herankommt, ist man nicht imstande, die räumliche oder zeitliche Systematik immer festzuhalten. Ich glaube, ich habe Ihnen einmal klar ge­macht, daß [im Geistigen] die Zahlen überhaupt nicht unseren Zahlen entsprechen. Man macht da merkwürdige Erfahrungen, zum Beispiel daß zweimal zwei nicht vier ist in der spirituellen Welt.

Die nächste Frage: Ist Räucherung möglich durch Schalen statt des üblichen Rauchfasses? - Sie können natürlich mit allem, was Sie handhaben können, räuchern. Diese Form des Rauchfasses ist die bequemste zum Handhaben. Hat man sich einmal die Technik angeeignet, hat man es ungemein leicht; man kann es so leicht dirigieren. Sie können mit allem räuchern, womit Sie räuchern können, ohne sich zu verbrennen; denn mit dem Rauchfaß ver­brennt man sich nicht, es ist sehr bequem. Sobald man etwas Übung hat, ist es ausgezeichnet. Für die Form des Rauchfasses habe ich niemals irgendwo eine Vorschrift gefunden. Die Vor­schrift besteht in dem Räuchern, nicht in dem Rauchfaß. Nur das ist Vorschrift, daß Sie räuchern.

Ein Teilnehmer: Kann man die Räucherschale auf den Altar stellen?

Rudolf Steiner: Sie müssen schon selbst räuchern, es muß Ihre

Tat sein. Aber die Form des Rauchfasses, darüber gibt es keine

Vorschrift.

[Zu der Frage:] Die rechte und linke Seite des Altars in ihrem Wechsel während der Weihehandlung. - Das ist so: Gehen Sie aus von der Evangelienlesung an der rechten Seite des Altars, [das heißt von den Gläubigen aus gesehen links], so verkünden Sie - in

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der Auffassung, daß die Verkündigung über Kreuz geht - dahin, wohin das Auge schaut; rechts aktiv, links passiv. Die übrigen Dinge richten sich danach, ob man mehr zum Gemüt spricht, dann spricht man links, oder zum Verstande, dann spricht man rechts. Die Wandlung ist an der rechten Seite des Altares, das heißt links von den Gläubigen [aus gesehen].

Emil Bock: Die Wandlung ist an das Denken gerichtet?

Rudolf Steiner: Die Wandlung ist an das Gemüt gerichtet. Das Meßbuch liegt an der rechten Seite. Die Wandlung selbst ge­schieht in der Mitte. Das Buch liegt, wo das Evangelienbuch liegt. Aber um sie zu verstehen, dazu gehört die höchste Klarheit. Die Handlung ist schon an das Gemüt gerichtet. Sie müssen auch da die Sache so betrachten, daß Sie unterscheiden müssen, ob bei einer Handlung mehr der Gläubige in Betracht kommt wie bei der Evangelienlesung, oder der Priester, der ja immer nach der an­deren Seite sieht. Was für den Gläubigen rechts und links ist, ist es ja nicht für den Priester. Das Licht kommt aus dem Osten. Also handelt es sich darum, daß dem entweder die Urauffassung zugrundeliegt, daß man den Altar selbst nach Osten legt, oder die neuere Auffassung, daß man den Kirchenchor im Osten hat. Das Richtige ist, den Altar nach Osten zu orientieren, daß der Altar der Osten der Kirche ist und daß der Gläubige nach Osten schaut. Schon in der allerersten Zeit des Christentums war der Altar im wesentlichen immer errichtet über dem Grabe irgendeines Be­gründers einer Gemeinde oder eines Märtyrers, so daß eigentlich in der christlichen Kirche nie ein anderer Altar war als ein solcher, der gedacht war als ein Grabstein. Man liest die Messe über dem Grabe einer verehrten Person. Der Altar hat auch die Form eines Grabsteines, ist also fest gedacht.

Emil Bock: Für uns ist nichts dagegen einzuwenden, daß wir einen beweg­lichen Tisch haben?

Rudolf Steiner: Sie werden so lange einen beweglichen Altar haben, solange Sie nicht die Hauptmesse in einem eigens dazu

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errichteten Gebäude haben. Sie haben ja in großen Kirchen viele Altäre, die sind nach allen möglichen Richtungen [gerichtet]. Ob Sie einen Altar in den Raum stellen oder viele, das ist einerlei.

[Zu der fünften Frage:] Welches ist die genauere Verteilung der Perikopen für die Evangelienlesung durch den Jahreslauf? - Sie tun gut, die Evangelien im Jahr so zu lesen, daß Sie sie auf [das Kirchenjahr] verteilen. Die Briefe, die Apostelgeschichte und die Apokalypse lassen Sie für diejenigen Teile des Jahres, die durch die Evangelien nicht erschöpft werden. Sie können nichts aus dem Evangelium verlegen auf die Zeit des Juli oder August. Da paßt nichts aus den Evangelien.

Ein Teilnehmer: Da wird die Epistel gelesen anstelle des Evangeliums?

[Es wird eine weitere Frage gestellt, wobei vom Stenographen nur notiert wurde:] wegen des Namens?

Rudolf Steiner: Das Evangelium ist das ganze Neue Testament. Ich habe [den Ausdruck] auch so gebraucht. Bis zum Ende der Apokalypse nenne ich es das «Evangelium». Die Evangelien ge­hen bis Pfingsten. Nicht wahr, wenn sie weitergehen, dann bedeu­ten sie nichts, was auf den Tag fällt. Eine einheitliche Perikopen­ordnung würde ich für unrichtig halten. Die katholische Kirche hat das getan, weil sie eine hierarchische Gewalt haben wollte. Sie werden das gar nicht nötig haben. Paulusbriefe und Apokalypse werden außerhalb des Kirchenjahres gebraucht. Dann werden Sie einige Anhaltspunkte finden bei den Festen, die ich in meinem Kalender festgehalten habe. Da habe ich Feste festgehalten, die als christliche Feste, nicht als römisch-katholische anzusehen sind. Da werden Sie einiger Anhaltspunkte gewahr. Sonst müßte man erst die Sache sorgfältig studieren. Die katholische Kirche hat ja alles einfach verteilt. Sie sollten sich nicht daran halten, sondern Sie sollten da mit der Lehrfreiheit beginnen.

[Zu Ihren Fragen:] Pflicht der Gemeindemitglieder zu kom­munizieren? - Ich würde es nicht für richtig halten, eine Pflicht einzuführen, aber ich würde es für das Richtige halten, daß Sie so

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wirken, daß keiner das Kommunizieren unterläßt. - Möglichkeit des Ausschlusses von Gemeindegliedern von der Kommunion? -Was soll das für einen Zweck haben?

Emil Bock: Wir haben nur diese Dinge durchdenken wollen. Es haben einige überlegt, daß man einmal einen Menschen aufgenommen hat in die Gemeinde, den man zu einem anderen Zeitpunkte nicht als Mitglied aufgenommen hätte. - Wenn der nun zur Kommunion kommen will, kann man den immer zulassen?

Rudolf Steiner: Es ist ja vorauszusetzen, daß Sie in den Fällen, die eben nicht, ich möchte sagen selbstverständliche Fälle sind, doch immer die Gelegenheit haben, mit diesen Menschen irgendwelche Beratung zu haben. Das wird sich von selbst ergeben, und dann werden Sie ihn in der richtigen Weise vorzubereiten haben. Wenn Sie einen Mörder haben, der am nächsten Tage hingerichtet werden soll, so werden Sie ihm deshalb die Kommunion nicht verweigern. Das ist so ziemlich der radikalste Fall. Das kann nicht gut zu den Disziplinarverfahren gehören, die Kommunion zu verweigern. Es wird Ihnen überhaupt sehr schwierig sein, irgendeine Jurisdiktion über die Gemeinde zu haben - die hatte die Kirche niemals, immer hat sich die politische Gemeinde dazu hergegeben -, die werden Sie niemals haben. Niemals hat die Kirche einen Ketzer verbrannt; sie hat nur gesagt, daß er ein Ketzer ist und des Todes würdig. Durch die Kirche selbst wurden nie Ketzer verbrannt.

Ein Teilnehmer fragt nach der Kirchenzucht. Wenn ein Gemeindemitglied ein unmoralisches Leben fortsetzt und zum Abendmahl gehen will, hat man gewiß das Recht, ihn auszuschließen?

Rudolf Steiner: Das würde sich meiner Ansicht nach nur so machen lassen, daß Sie ihn verpflichten, wenn er das Abendmahl haben will, Beratung von Ihnen anzunehmen, nicht in Gemein­schaft mit den übrigen Gläubigen. So daß Sie auf diese Weise Disziplinargewalt ausüben, die mehr darauf abzielt, daß er nicht den Zusammenhalt mit der Gemeinde verliert, daß er zum Bei­spiel nur an einer bestimmten Stelle sitzen darf, abgesondert von

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den übrigen, wenn die Messe gelesen wird. Nicht wahr, wenn er es sich gefallen läßt, wird es schon wirken. Die andern treten ja aus, die es sich nicht gefallen lassen wollen. Das ist eine andere Art Strafe. Für diejenigen, die sich das nicht gefallen lassen, wirkt auch die Verweigerung der Kommunion nicht.

[Ihre nächste Frage:] Ist es ratsam, den Gemeindegliedern die Ritualtexte zugänglich zu machen? Das Credo? - Das Credo muß man selbstverständlich allen Gemeindemitgliedern zugänglich machen, das übrige sollen sie nur hören.

Ein Teilnehmer: Kann man in Gemeindeversammlungen den Text verlesen?

Rudolf Steiner: Das braucht man nicht auszuschließen, jedoch sollte man den Sinn dafür rege machen, daß ein Kultustext zum Hören ist und nicht zum Lesen. Ich gab den Freunden, die es haben wollten, Gebete für kleine Kinder. Bei diesen Gebeten gab ich die Anweisung, daß die Kinder sie nicht auswendig lernen oder lesen sollten; sie werden vor den Kindern gesprochen. Auf dem Wege des Anhörens sollen sie es aufnehmen, nicht auf dem Wege des Lernens, weil: soviel es auf diesem Wege gelernt wird, soviel ist es unwirksam. Es muß ein Prozeß sein, der nur durch das Anhören wirkt. So sollte auch der Kultustext gesehen und gehört werden. Sie können ihn natürlich erklären, aber man muß das Verständnis dafür erwecken, daß der Kultustext gehört wer­den soll, so daß der Kultustext gar keine Bedeutung hat, wenn er nicht gehört wird. Wenn ihn einer liest, so ist es gar kein Kul­tustext, er muß ihn von einem anderen hören. Wenn er ihn liest, würde es nur dann ein Kultustext sein, wenn er ihn zu gleicher Zeit hören würde aus der übersinnlichen Welt; dann würde es für ihn ein Kultustext. Aber wenn einer als auf dem physischen Plan lebend den Text liest, dann ist es kein Kultustext.

Ein Teilnehmer: Wenn ein Gemeindemitglied verlangt, es möchte den Text haben?

Rudolf Steiner: Das kann nur dann eine Bedeutung haben, wenn Sie es für gut halten für seine Seelenentwickelung. Dann wird es nicht als Kultustext verwendet, sondern als Meditation.

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XVII Donnerstag, 21. September 1922, vormittags

Nun, meine lieben Freunde, es obliegt mir noch, Ihnen zu spre­chen von der sogenannten letzten Ölung. Die letzte Ölung soll ja so ausgeführt werden, daß sie sich anschließt an eine abgelegte Beichtberatung und Kommunion. In einem solchen Falle, wo die Kommunion außerhalb der Messe erteilt wird, ist es ja natürlich, daß die Kommunion von dem Priester angeschlossen wird an den Gedanken an die eigene Kommunion und daß sie ebenso zelebriert wird, wie sie sonst innerhalb der Messe zelebriert wird, aber eben nur im Gedanken an die Messe. Nach dieser Kommunion würde also die Ölung zu erfolgen haben, in dem Ornat, von dem wir schon gestern sprachen. Es ist natürlich so, daß dieses Sakrament der Ölung ein solches ist, das mit größter Zartheit ausgeführt werden muß, damit es den Menschen, dem diese Ölung erteilt wird, nicht aufregt, ihm nicht schadet, und auch, damit sie nicht unbedingt in einen solchen Zusammenhang hineingestellt wird, der auf allen Seiten das Bewußtsein hervorrufen würde: das ist nun eben ein sterbender Mensch. Denn er kann ja auch wieder gesunden.

So schließt man an die Erteilung der Kommunion an. Der Priester erscheint zu der Ölung mit seinem Ministranten und schließt an die Kommunion an eine Anzahl von Sätzen aus dem 17. Kapitel des Johannes-Evangeliums, die in der Fassung, die Sie erhalten sollen, aus dem Urtexte heraus so lauten müßten. Ich bemerke dabei in Parenthese, daß ja ein wirkliches Übersetzen des Evangeliums nur möglich ist, wenn dieses Übersetzen geschieht aus dem Weltbewußtsein heraus, aus dem diese Sätze einmal nie­dergeschrieben beziehungsweise gesprochen worden sind, und daß spätere Übersetzungen von vornherein darunter litten, daß eben derjenige, der übersetzte, dieses Weltbewußtsein nicht in sich hatte, aus dem heraus diese Sätze geschrieben worden sind. Es ist einfach eine sehr äußerliche Redewendung, zu sagen, das

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Evangelium sei in späterer Zeit «schlicht» übersetzt worden, denn diese Schlichtheit ist eben eine Unwahrheit, und es muß heute mit aller Kraft dem entgegengeschafft werden; so daß also dieses 17. Kapitel des Johannes Evangeliums so lautet:

Jesus versetzte sich in die Geistesschau

und sprach: Väterlicher Weltengrund:

lasse offenbar werden Deines Sohnes Schaffen,

damit durch Deines Sohnes Schaffen auch Du offenbar

[werdest.

Du hast ihn zum Schaffenden gemacht

in allen fleischlichen Menschenleibern,

daß er in die Zukunft lebend führe alle,

die durch Dich zu ihm kamen.

Sie werden in der Zukunft leben dadurch,

daß ihr Seelenauge bereitet ist,

Dich zu schauen als den wahrhaft Einigen Weltengrund

und den schaffenden Christus Jesus, den Du zu ihnen gesandt

[hast.

Durch mich wurdest Du im Erdensein wieder offenbar,

als die Erde Deine Offenbarung umwölkte.

Solches war Dein Wille,

der durch mich wirkte.

So auch, väterlicher Weltengrund,

lasse jetzt erstrahlen die Offenbarung,

die durch mich schon ward,

ehe Du in der Erdenwelt offenbar wurdest. -

Durch mich ward das Wort,

das Dich offenbart, in Menschenseelen offenbar,

die durch Dich zu mir kamen.

Du warst in ihnen, durch Dich kamen sie zu mir,

und sie haben in sich genommen die Erkenntnis von Dir.

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Von ihnen ward erkannt,

daß, was ich zu ihnen sprach,

von Dir durch mich

zu ihnen gesprochen ward.

Väterlicher Weltengrund, das erflehe ich,

daß sie, die durch mich zu Dir gekommen sind,

immer sein mögen lebend bei Dir, wie ich bei Dir bin,

und daß sie da schauen Deine Offenbarung,

die Du liebend vor mir erstrahlen ließest,

bevor die Erde noch war.

Durch mich ward offenbar das Wort,

das Dich offenbart,

und ich will tragen dies Wort in Menschenseelen,

auf daß die Liebe, mit der Du mich liebest,

in ihnen sich bewahre,

und so auch mein ewiges Leben

ihr Leben ewig bewahre.

Der Ministrant spricht: Ja, so sei es.

Dann wird aus einer kleinen Kapsel, in der man das Öl mitge­bracht hat, das Öl mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand genommen und die Worte gesprochen:

In dem heilenden Öle

Das außer deinem Leibe

- damit ist der Kranke gemeint -

Den Geist in die Höhen trägt

Erfühle dich lebend-webend

- man macht ein Kreuzzeichen über dem rechten Auge mit dem Öl, der Ministrant spricht:

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Ja, so sei es.

Man setzt fort:

Christi Segen empfange

als lebentragende Kraft

In ihr weset das Leben,

Das alles Tote besiegt.

- man macht ein Kreuzeszeichen über das linke Auge auf die Stirn, der Ministrant spricht:

Ja, so sei es.

Man setzt fort:

Christi starkes Seelenleben

Führet im schwachen Leibe*

Von Dasein zu Dasein

Durch alle Weltenkreise.

Der Ministrant: Ja, so sei es.

Man macht mit dem Öl ein Kreuzeszeichen oben an der Stirn, zwischen den Augen, aber oben. Jedesmal, nachdem man die vier Zeilen gesprochen hat, sagt der Ministrant:

Ja, so sei es.

Das ist die Zeremonie, und wenn sie in dieser Weise richtig ausgeführt wird, so hat die Zeremonie jene Zartheit, die sie haben muß, wenn eben nicht Verwirrung oder wenigstens eine Art Aufregung in der Seele des Kranken hervorgerufen werden soll. Daß sich eine solche Zeremonie vollziehen läßt, ohne daß eine solche Aufregung in der Seele des Kranken herbeigeführt wird,

- - -

* Siehe Hinweis.

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das wäre eben die Aufgabe des Seelenhirtenamtes für das Leben, so daß der Kranke genügend vorbereitet ist, um in Gedanken auch eine solche Zeremonie in der richtigen Weise aufzunehmen.

Nun sind in diesem Zusammenhang, meine lieben Freunde, noch einige Worte zu sprechen über die eine Frage, die Sie an mich gerichtet haben in bezug auf die drei Zeitalter des Petrus, des Paulus und des Johannes. Ja, und dann fragten Sie auch über die Perioden der Kirchengeschichte nach den zwölf Aposteln.

Nun sind diese Dinge ja so, daß sie immer nur den Kern von Lehren gebildet haben, die überliefert worden sind, und die man ja selbstverständlich in der verschiedensten Weise aussprechen kann. Daß sie bei Schelling auftreten, das rührt nun davon her, daß Schelling einmal eine Schrift gelesen hat etwa aus dem 13. Jahrhundert, in der von solchen Dingen noch als von etwas Selbstverständlichem gesprochen worden ist. Inhaltlich kann man sich das dadurch klarmachen, daß man etwa das folgende sich sagt: Wir haben es zunächst zu tun mit der Erscheinung des Christus Jesus auf Erden, mit seiner Passionsgeschichte, mit dem Mysterium von Golgatha, mit der Auferstehung und mit der Erscheinung des Christus im atherischen Leibe vor denjenigen, die ihn in einem solchen Ätherleibe erkennen konnten. In dieser Art wirkte zunächst auf die dem Christus Jesus nahestehenden Schüler das Mysterium von Golgatha, so daß es ihnen erschien als der Abschluß der alten Zeit. Vor allen Dingen sahen sie in dem ersten Menschen Adam dasjenige, was innerhalb der physischen Organisation dieses Adam durch die kosmischen Ereignisse -wobei jetzt der geistige Kosmos gemeint ist mit allen Widersachern

- so geworden war, daß es im Lauf der Erdenentwickelung bis zum Mysterium von Golgatha immer brüchiger und kranker werden mußte. Und sie sahen in dem Mysterium von Golgatha -auch nach der Lehre, die ihnen nach der Auferstehung zuteil geworden ist - dasjenige, was den Menschen wiederum heilt, so daß sein brüchiger Leib die Sünden nicht entfallen läßt in die Erde, die dadurch verdorben würde, sondern daß die Sünden bewahrt werden zur Erlösung. Sie sahen also im eminentesten

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Sinne in dem Christus Jesus den Menschen, wie er jetzt auf der Erde erschien, um die Menschheit dasjenige Stück wiederum hinaufzubringen, das der Mensch herunterfallen mußte durch die besondere Art des Eintritts in das irdische Dasein durch Adam.

Das war die allerwesentlichste Vorstellung, von der genährt wurde die Lehre, welche da genannt werden kann auf den Namen des Petrus. Petrus sprach in dem Sinne, er faßte diese Lehre so auf, daß man eigentlich im esoterischen Sinne das Petrinische Zeitalter rechnen kann von dem Beginne der Erde, wo die Menschen durch die Mysterien dazu geführt worden sind, den Christus zunächst als ein überirdisches Wesen anzusehen, und das seinen Abschluß gefunden hat damit, daß der Christus auf Erden erschienen war; so daß Petrus in schier selbstverständlicher Weise lehrte, wie der Christus auf die Erde heruntergestiegen ist.

Dem stand gegenüber die Lehre des Saulus. Die Lehre des Saulus beginnt damit, daß der Christus allerdings auf dem Wege ist von überirdischen Welten zur Erde herunter, daß aber die­ses Ereignis sich gar nicht so vollziehen könne, wie es sich als Mysterium von Golgatha in Palästina eben vollzogen hat. Denn aus denjenigen Einweihungsstätten heraus, die der Saulus durch­gemacht hatte, kam die Anschauung, daß der Christus ohne weiteres auf der Welt in Herrlichkeit erscheine und nicht durch dasjenige gehen dürfe, was den Juden als schändend erschien: den Kreuzestod. An dem Kreuzestod nahm Saulus Anstand, und er kam erst dazu, sich zu dem Christus zu bekennen nach dem Ereignis von Damaskus, durch das ihm auf eine Weise, die nicht irdisch war - also auch nicht aus den Mysterien -, aus dem Ätherischen heraus klar wurde, daß das Mysterium von Golgatha wirklich die Erscheinung des Christus auf Erden ist. Von da an entstand die Notwendigkeit, das Ereignis von Golgatha immer mehr und mehr mit dem menschlichen Verstande zu verstehen. Nur war dieser menschliche Verstand in der Zeit, in der Paulus auf Erden lebte, allerdings noch so, daß er durch eine leichte Entfaltung in der Lage war, solche Dinge zu verstehen, wie wir sie dann als die Interpretation des Mysteriums von Golgatha in allen

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Paulusbriefen finden, wo auch durchscheint die Auffassung von der Wiederaufrichtung der menschlichen Natur, die als adamiti-sche Natur heruntergefallen war, durch den Christus Jesus.

Die gerade Fortsetzung dessen, was da in den Paulusbriefen ist, bildet alles dasjenige, was dann als abendländische Theologie aufgetreten ist, über Augustinus und die anderen Kirchenlehrer, und setzt sich fort bis herauf in unsere Zeit; so daß man sagen kann, auch die evangelische Theologie ist durchaus eine Fortset­zung des Paulinismus, wenn auch der Paulinismus da schon sehr stark verhüllt ist. Ja bis ins 19. Jahrhundert herein und bis in unsere Zeit natürlich, setzte sich diese paulinische Interpretation durch; in unserer Zeit gab es allerdings dann unter katholischen Priestern eine ziemlich starke Opposistion gegen diese paulinische Auffassung, indem von vielen katholischen Priestern, deren Lehre als rechtgläubig gilt, gegenüber dem paulinischen wiederum das ursprüngliche petrinische Christentum hingestellt wird. Man kann sagen: Der Petrinismus schließt mit Petrus selber, es beginnt dann der Paulinismus wirksam zu werden. Und das abendländische Christentum wartet nun auf das johanneische Christentum, das ein Christentum sein wird, das auf dem Geiste beruht. - So hat es Schelling in seinen reiferen Jahren, mit vierzig, fünfzig Jahren aufgefaßt.

Die andere Frage war die nach den Perioden der Kirchen-geschichte nach den zwölf Aposteln. - Eine solche Einteilung ist nicht nur dem Christentum, sondern im Grunde genommen allem Mysterienwesen eigen. Es ist die, daß die Weltenentwickelung, in die auch die Erdenentwickelung eingeschlossen ist, abläuft nach Perioden von je zwölf Epochen, daß sich nach einem Ablauf von zwölf Epochen die erste Epoche wiederholt und wiederum zwölf Epochen auf einer höheren, auf einer veränderten Stufe durchlaufen werden. Man kann sagen, daß in der Zeit, als das Mysterium von Golgatha in gewisser Weise am intensivsten durch seine unmittel­bare irdische Gegenwart im Physischen auch hineinleuchten sollte in das physische Erdenschauen, da war für die äußere Welt eine Zeit der Verfinsterung. Und man kann sagen: Eben demgegenüber,

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was als ein Licht hineinleuchten soll in die Seelen der Apostel, stand die Verfinsterung des Judas aus Iskariot. Der kosmische Aspekt ist derjenige, der den abtrünnigsten Geist in dieser Zeit als den Weltenregierer sieht, jenen abtrünnigen Geist, der immer auf eine Zeit des Michael folgt. Dieser Kreis, der immer ungefähr etwas über drei Jahrhunderte einnimmt, ist so, daß er in unserer Zeit angekommen ist an demjenigen Punkte, wo der Übergang stattgefunden hat von einem gabrielischen kosmi­schen Zeitalter, vom Zeitalter des Gabriel, zu dem Zeitalter des Michael, das ja wiederum etwa drei Jahrhunderte währen wird. Es verschlingt sich dabei die Entwickelung in mannigfaltiger Weise, so daß, wenn man die Sache durch eine Rechnung ausdrückt, eben doch nichts vollständig Adäquates herauskommt. [Es wird an die Tafel geschrieben: 330 mal 12 - 3 960]

#Tafel 5

Das sind Dinge, die innerhalb der katholischen Kirche auch durchaus als eine esoterische Weisheit gewußt werden. Aber ich glaube nicht, daß es im gegenwärtigen Augenblick eine besondere Bedeutung für Sie hätte, wenn außer dem, was ich Ihnen im Lauf der Vorträge über manches Esoterische der katholischen Kirche gesagt habe, noch irgendetwas anderes hinzugefügt würde. Na­türlich wäre sehr viel über die Esoterik der katholischen Kirche zu sagen, vor allen Dingen das, daß die katholische Kirche sehr gut weiß, daß, wenn heute ein neues Helisehen auftritt, damit etwas zutage tritt, was sie vor ihren Gläubigen kaschieren will, und daß sie sich vor allen Dingen zur Aufgabe setzt, jenes neu auftretende Hellsehen zu bekämpfen. Das gehört zu den Lehren, die die Eingeweihten unter der katholischen priesterschaft heute schon bekommen.

Nun, wenn es sich um die Frage handelt, die Sie bewegt, die Sie noch gestellt haben: Musik und Choräle im Gottesdienst -, so wäre es sehr schön gewesen, wenn so etwas schon jetzt in Angriff hätte genommen werden können. Wenn bei feierlichen Gelegen­heiten die Messe zelebriert wird, ist es so, daß diese Messe eingeleitet werden kann, bevor das Staffelgebet gebetet wird, durch eine entsprechende Chormusik, durch eine Instrumental­musik,

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in der auch Gesang sein kann, die auf das Motiv des Staffelgebetes hinweist, und daß dann jeder einzelne Teil der Messe in der entsprechenden Weise kommentiert werden kann. Ebenso kann die Messe wiederum ausklingen in einer Komposi­tion des «Die Menschenweihehandlung, das war sie». Also es ist so, daß vor der Kommunion alles in der Musik ein Vorbereitendes sein müßte, nach der Kommunion müßte man eine abklingende Musik haben, so daß die Kommunion eingeleitet würde durch ein Musikalisches, dann das Motiv als ein abklingendes, ein endendes erklingen würde, und dann hier anschließen würde das Wort «Die Menschenweihehandlung, das war sie».

Das ist etwas, was Sie studieren können. Und diejenigen, die aus dem Geiste der Messe versuchen zu komponieren und eine musikalische Anregung suchen, werden die intensivste Anregung bei Bruckner gewinnen können, den das Motiv der Messe gereizt hat. Seine Kompositionen der Messe bieten mehr als die von Beethoven und Brahms. Sie werden auch hier sehr viel gewinnen, wenn Sie sich an ältere [Komponisten] anlehnen, werden sich aber bewußt sein müssen, daß in dieser Richtung manches neu gemacht werden muß. Namentlich ist zu berücksichtigen, daß die Bruck­nerschen Kompositionen der Messe eigentlich bewußt für das Nichtkirchliche komponiert worden sind, so daß man in ihnen vollständig adäquate Vorbilder nicht sehen kann.

Dann ist noch die Frage gestellt worden - die anderen Fragen, die mehr praktischer Natur sind, werden sich am besten heute abend beantworten lassen - über die Bibel: Was ist über Textverderbnis im Neuen Testament zu sagen? Wie ist sie ent­standen und aus welcher Absicht, und wie sind die Fehlerquellen auszuschalten?

Sie sehen ja am besten, immer wenn Proben von Übersetzungen gegeben werden, auch an der heutigen Probe, wie verklungen ist in der Menschheit das Bewußtsein von dem Zusammenhang der menschlichen Seele mit den kosmischen Welten. Geradesowenig wie ein Blinder, wenn er nicht von außen davon hört, Bäume, Flüsse, Wolken beschreiben könnte, so wenig kann der heutige

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Mensch, wenn er einen Text vor sich hat, ihn interpretieren mit dem, was er sieht; er wird das heraus interpretieren, was er nicht sieht. So ist aus der Ohnmacht gegenüber dem, was in den Evangelien liegt, allmählich der Mangel der Übersetzungen ge­kommen. Und da dann im intellektualistischen Zeitalter von der Mitte des 15. Jahrhunderts ab zu diesem Mangel eine ungeheure Überhebung, eine Hoffart sich geltend gemacht hat, so ist die Ansicht entstanden, die eine rein überhebliche Hoffart ist, man müsse das ausschalten, was aus dem Kosmischen heraus in den Evangelientexten steht, man müsse zu den schlichtesten Menschen sprechen.

Ja, meine lieben Freunde, in der Zeit, in der man offiziell so übersetzt hat, wie Sie es heute in der lutherischen Übersetzung haben, in der Zeit hat zu den schlichtesten Menschen nicht diese Evangelienübersetzung gesprochen, sondern dasjenige, was Jakob Böhme oder Paracelsus gesprochen haben. Die haben die Evan­gelien anders übersetzt und haben sie richtig verstanden, und die haben sie für die schlichten Gemüter in der richtigen Weise übersetzt, ganz anders als diejenigen, die damit prunkten, sie würden zum schlichten Gemüte sprechen. Sie haben in Paracelsus eine Persönlichkeit, für welche Religion als etwas galt, das einen viel weiteren Sinn hat, als die Religion gerade im Zeitalter des Intellektualismus bei denjenigen gewinnen muß, die diesen Intel­lektualismus des Kopfes durch einen sehr starken Intellektualis­mus des Gemütes ersetzen wollen, indem sie den Gottesbegriff frei machen von allem, gegenüber dem ja auch frei zu machen ... [hier hat der Stenograph eine Lücke gekennzeichnet]. Das ist das, was am allerunchristlichsten geworden ist in dem modernen Chri­stentum. Bedenken Sie nur einmal, daß in Paracelsus eine Per­sönlichkeit lebte, für die die Religion so weit gilt, daß sie die Medizin mitumfaßt. In Paracelsus lebte eine Auffassung der Re­ligion, die es ihm möglich machte, an dem Geistigen so festzuhal­ten, daß man sich mit ihm durchdringen kann bis in die Krankheit hinein, so daß der Arzt derjenige ist, der den Willen Gottes auf Erden ausführt in bezug auf den Kranken. Für ihn war medizinischer

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Dienst religiöser Dienst. Und das ist das, was heute durch­aus nötig ist: nicht nur ewig zu reden über das Ewige, sondern dieses Ewige hineinzutragen in alles Leben und es in allem Le­bendigen regsam, wirksam zu machen.

Nun ist hier noch die synoptische Frage berührt in bezug auf die bekannte Übereinstimmung der drei ersten Evangelien bis in Einzelheiten hinein und die Widersprüche zu dem vierten, dem Johannes-Evangelium [2. Abschnitt des 6. Fragepunktes].

Nun, Sie werden begreifen, daß diese Umstände so sein mus­sen, wenn Sie das folgende bedenken: Gerade über das Mysterium von Golgatha und über alles, was mit ihm zusammenhängt, wurde ja in den ersten Jahrhunderten des Christentums als von etwas Sekretem gesprochen. Wie man in den älteren Zeiten mit der Mysterienweisheit verfahren ist, das wissen Sie. Diese Mysterien-weisheit galt eben nicht für etwas, was man unmittelbar auf die Straße trug, sondern man hielt die Mysterienweisheit für etwas -ich habe das anschaulich zu beschreiben gesucht in meinem Buch «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» -, das man nur an jemand gab, der in der richtigen Weise mit dem ganzen Menschen darauf vorbereitet war. So wurde auch noch in den Resten der Mysterienweisheit, in der ja das Christentum vor den intimsten Bekennern in den ersten christlichen Jahrhunderten zuerst auftrat, auch gelehrt über das Mysterium von Golgatha selbst, indem man aber namentlich mit allem Tatsächlichen nicht so vorging, wie es heute in der äußeren Wissenschaft selbstverständlich ist, wo man nach den sogenann­ten historischen Quellen vorgeht, sondern man legte einen gro­ßen Wert darauf, den Todestag Jesu nicht aus einer historischen Quelle, sondern aus der Sternenweisheit zu bestimmen, also zu sagen: bei dieser und dieser Sternenkonstellation tritt der Tod des Jesus ein. So war die Form.

Aber diese Sternenweisheit war nicht mehr sehr lebendig in der Zeit, als die Evangelien in der Form niedergeschrieben wurden, in der sie jetzt vorhanden sind, und daher können Sie sehr leicht finden, daß der eine die Sache so sah, der andere so. Was dagegen

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die Übereinstimmungen anbetrifft, so beziehen sie sich zumeist auf den Lehrgehalt. Da ist die Sache so, daß in dieser Zeit, als dieser Lehrgehalt von Persönlichkeit zu Persönlichkeit überlie­fert wurde, die Menschen ein ganz anderes Gedächtnis hatten als heute, und dasjenige, was sie immer wieder gesagt bekommen haben und wieder weiter sagten, das setzte sich ja natürlich in zukünftige Zeiten fort. Man muß das erklären, weil man sonst in die alten Zeiten zurückfällt, was nicht sein darf. Man muß das, was in alten Zeiten üblich war, auf einer höheren Stufe zu überwinden suchen. In der heutigen Zeit ist es nötig, alles dasjenige aufzuschreiben, was gesagt wird; selbst die Zuhörer hier sitzen da und schreiben, horribile dictu. Man darf sich nicht denken, daß etwa die Aussprüche, die in den Evangelien mitgeteilt werden, von einem Stolze-Schrey-Stenographen aufgezeichnet worden wären. Das war auch damals nicht nötig, die Gedächtnisentwik­kelung war eine ganz andere, und der Mensch merkte sich alles viel treuer, als er es heute kann. Das Gehirn des Menschen, das physische Gehirn, ist heute viel brüchiger, als es in jenen Zeiten war. Es lebten in jenen Zeiten die Gehirnzellen in gewissen Stunden des Tages fast bis zu einem wirklichen Leben, bis zu dem Leben, das eben nur noch das Bewußtsein trübte - diejenigen Zellen, die das Bewußtsein trüben, die dem Wollen zugrundeliegen, das sind die weißen Blutkörperchen -, nicht nur in der Nacht, sondern auch bei Tage, in der Nacht sogar schwächer. Die Ge­hirnzellen bekamen nicht ein so intensives Leben wie die weißen Blutkörperchen, aber ein gewisses Leben hatten sie schon, und das bewirkte, daß ein ganz anderes Gedächtnis vorhanden war als heute, so daß es das Gelernte und das, was gelernt werden sollte, sich treu bewahrte. Wer diese Tatsache weiß, der weiß auch, daß durch das getreue Gedächtnis alter Zeiten die synoptische Frage der Evangelien sich beantwortet.

Das waren die Fragen, die erheischen, daß ich sie vortragsmä­ßig beantwortete, insofern die Antwort noch nicht in dem bisher Gesagten gegeben war. Die weiteren Fragen sollten eigentlich in der Diskussion entwickelt werden, daher sollte wirklich die Diskussion

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so begonnen werden, daß sie dann während Ihres Hier-seins noch fortgesetzt werden kann. Es ist besser, die Dinge, die hier noch als Fragen sind, in Rede und Widerrede zu entwickeln. Ich weiß sehr wohl, meine lieben Freunde, daß über solche Fragen wie die geschichtlichen Fragen, Fragen über die Bibel und so weiter sehr vieles noch gesagt werden könnte, aber hier muß ja einmal geschlossen werden. Gewiß, es bleiben noch sehr viele Fragen zu beantworten, die im Laufe der Zeit bei anderen Ge­legenheiten beantwortet werden können, aber denjenigen, die da ins Fragen kommen, denen möchte ich doch auch raten, eine Selbsterkenntnis anzustellen, die etwa in der richtigen Orientie­rung gemacht werden kann durch folgende kleine Erzählung, die ich wirklich ganz ohne Anspielung angebe, die aber schon, in richtiger Weise in Selbsterkenntnis verwertet, einen dazu bringen kann, mit bezug auf gewisse Fragen die Zukunft zu erwarten.

Es war einmal ein kleiner Knabe, der über alles Fragen stellte, und sein Vater war darüber schon ganz trostlos und sagte eines Tages: Ich erwarte sehnsüchtig den Tag, da mein Sohn zu fragen aufhört, denn sonst werde ich noch verrückt über dieser Frage­stellerei. - Da fand sich eine andere Person, eine der Familie befreundete Persönlichkeit, die nahm sich vor, solange zu ant­worten auf die Fragen, die das Söhnlein stellte, bis das Söhnlein selber in die Lage versetzt sein würde, keine Fragen mehr stellen zu können, also bis ihm keine Fragen mehr einfallen würden. Das dauerte sehr lange, es nahte schon die Gefahr, daß dem Söhnlein nichts mehr einfiel, aber es fragte immer weiter: Warum ist der Freitag Mittag vor dein Freitag Abend? Warum scheinen die Sterne am Abend? - Und so weiter. Nun nahte dennoch die Gefahr, daß dem Söhnlein nichts mehr zu fragen einfiel, aber uber diese Gefahr wollte es hinwegkommen, und so stellte es endlich die furchtbare Frage: Warum ist das Was ? -

Nun, wir sollten eine solche Erzählung ein bißchen in unsere Seele einfügen, wenn wir traurig sein sollten, daß in diesen Tagen die Zeit naht, wo das Fragen für einige Zeit nicht mehr möglich ist. - Aber wir wollen trotzdem die Fragen, die in Rede und

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Gegenrede zu behandeln sind, jetzt noch behandeln. Also von jetzt ab werde ich wiederum mehr Zuhörender sein und nur manchmal Ihnen ins Wort fallen.

Ein Teilnehmer: Ich möchte fragen, warum Lukas den Auferstandenen essen läßt.

Rudolf Steiner: Die Sache ist so, daß sie nur richtig verstanden werden kann, wenn man sich klar darüber ist, daß es, um solche Dinge aus dem Bewußtsein der damaligen Zeit heraus in der richtigen Weise zu interpretieren, wirklich nötig ist, die Vorstel­lung wieder zu erwecken, welche in der damaligen Zeit mit dem Begriffe des Essens verbunden war. Wir stellen uns heute das Essen einfach so vor, daß wir physische Materie zu uns nehmen und daß diese physische Materie in den Menschenleib übergeht. Nun, so wie es die heutige Physiologie sagt, war der Begriff des Essens nicht immer, sondern in der Zeit, in der das Lukas­Evangelium niedergeschrieben wurde, war noch vielfach die alte Weisheit geltend, daß der Mensch das, womit er seinen Leib aufbaut, auch aus der ätherischen Welt nimmt, und daß dasjenige, was er aus der ätherischen Welt nimmt, auch im Bilde des Essens erscheint, wenn man den ätherischen Leib sieht. Also man sieht auch das, was für das Essen das Korrelat in der ätherischen Welt ist, in dem Bilde des physischen Essens. Wenn Sie diese Interpre­tation zugrundelegen, werden Sie sehen, daß die Stelle natürlich in einer ganz anderen Weise ausgedrückt werden könnte, als sie ausgedrückt ist, daß sie aber durchaus nicht eliminiert zu werden braucht. Das ist bei vielen Stellen so.

Ein Teilnehmer stellt eine Frage über das Ehe-Ritual [der Wortlaut der Frage wurde nicht mitstenographiert].

Rudolf Steiner: Natürlich handelt es sich hier um das, was die Ehe als Sakrament ist. Sie müssen dabei bedenken, was der Inhalt der kirchlichen rituellen Handlung des Sakramentes der Ehe bedeutet. Der Inhalt des kirchlichen Ehesakramentes ist ebensowenig der

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Vollzug der Ehe, wie zum Beispiel das Segnen des Reifens der Früchte im Jahreslaufe der Realität des Früchtereifens entspricht. Der Vollzug des Ehesakramentes ist in christlicher Auffassung der, daß das, was mit der Ehe im bürgerlichen Sinne vollzogen ist, in das Kirchliche, in das Zeremonielle heraufgehoben wird. So daß also mit bezug auf die Auflösung oder die Unauflöslichkeit der Ehe innerhalb des Inhalts des Sakramentes nichts gegeben ist, weil ins Sakrament das heraufgehoben wird, was jeweils als das gilt, was die Ehe umschließt. Die katholische Kirche hat sich das auch bewahrt; sie hat ja natürlich ursprünglich durchaus den vom Zivilgesetz vollzogenen Eheschluß anerkannt und ihn dann kirch­lich eingesegnet. In der neueren Zeit, wo die Emanzipation des [kirchlichen von dem zivilgesetzlichen] Eheschluß aufgetreten ist ... [vom Stenographen in der Nachschrift gekennzeichnete größe­re Lücke]. Die katholische Kirche betrachtet dasjenige, was zwi­schen den Ehegatten abgemacht ist, als das Kirchliche und segnet das ein. In bezug auf diese Sache steht die Kirche auf dem allerfreiesten Standpunkt, nur daß sie das verwirrt hat und allerlei redet über die Ehe, weil sie in der neuesten Zeit sich angemaßt hat, die Ehe nicht zu segnen, sondern zu vollziehen, das heißt, die Funktion der weltlichen Gewalt des Fürsten dieser Welt an­zunehmen ... [weitere Lücke]. Da liegt der Tatbestand vor, daß die Kirche, indem sie in das Weltliche hineingekommen ist, auch die Sakramente verweltlicht hat und dann diese verweltlichten Sakramente entsprechend vom Staat übernommen worden sind. Mit diesen Ausführungen werden Sie auch die betreffenden Stel­len des Testamentes in Einklang sehen.

Ein Teilnehmer stellt eine Frage über die Nottaufe [Wortlaut nicht notiert].

Rudolf Steiner: So wie die Sache liegt, kann die Nottaufe in jeder Lebenslage erteilt werden. Sie ist ja etwas anderes als die Kultus­taufe. Man führt sie herbei, wenn Gefahr vorliegt für das Leben des Täuflings, ein Priester aber nicht rechtzeitig gerufen werden kann. Da gibt es ja die Möglichkeit, daß auch von Laien die Taufe

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vollzogen werden kann. In welcher Weise sie vollzogen wird, ist gleichgültig. Sie muß nur durch den Priester rektifiziert und durch die Gemeinde anerkannt werden. Was weiter geschehen kann, ist, daß der Priester bei der nächsten Messe bei der Kom­munion die Taufe mit einschließt, sie gewissermaßen zu einer idealen macht, falls der Tod eingetreten ist; sonst wird sie rituell nachvollzogen.

Friedrich Rittelmeyer: Wir haben einen Mitarbeiter, der Jude ist. Wie ist die Erwachsenentaufe vorzunehmen?

Rudolf Steiner: Eigentlich nicht anders als die Kindestaufe. Das Ritual widerspricht dem durchaus nicht. Er muß zuerst getauft werden, ehe er zum Priester geweiht wird.

Ein Teilnehmer: Warum ist für die nächste Zeit die Kindestaufe notwendig und nicht die Erwachsenentaufe? Früher war es doch so, daß man erst die Erwachsenen taufte.

Rudolf Steiner: Ich habe gesagt, daß das nicht zu umgehen ist in der heutigen Zeit. Wir können nicht in der heutigen Zeit einfüh­ren, Erwachsene zu taufen. Das müssen Sie schon berücksichti­gen, sonst gehen Sie mit dem Kopf durch die Wand oder wenn nicht, zerschellen Sie sich den Kopf. Ich meine, daß wir die Kindestaufe beibehalten müssen, und nachdem sie einmal vollzo­gen ist, können wir sie nicht wiederholen. Wir müssen die Taufe vor der Konfirmation eintreten lassen.

Friedrich Rittelmeyer: Wie unterscheidet sich das, was heute notwendig ist, um Heilstatsachen an die Menschen heranzubringen, von der Verkündi­gung, wie sie vor einigen Jahrhunderten möglich war?

Rudolf Steiner: Alle Heilstatsachen an die Menschen heranbrin­gen, das wird den Verlauf nehmen müssen, daß Sie zunächst das tun werden, was möglich ist, um immer mehr überzugehen zu dem, was notwendig ist. Das Notwendige ist schon dargestellt worden, aber es wird wirklich selbst an einem und demselben Orte verschieden sein, wie Sie anfangen müssen, je nachdem Sie

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da oder dort die eine oder andere Gemeinde haben werden. Nehmen wir an, der eine findet eine Gemeinde aus lauter Sozia­listen. Da wird er etwas anders vorgehen müssen als derjenige, der eine Gemeinde findet aus alten entthronten deutschen Fürsten. [Die folgenden Ausführungen sind vom Stenographen nur bruch­stückhaft festgehalten.] In der Scholastik kommt diese Art der Diskussion sehr häufig vor. Das ist etwas, was die Sache klärt, wenn man sie radikal sagt. Das müssen Sie miterleben. Mit dem, was sich daraus ergeben kann, kommt man an das Differenzieren.

[Es werden Fragen gestellt über die Treu eformel. Friedrich Rittelmeyer schlägt eine Abänderung vor. Die Formulierung der Frage und das Votum von Rittelmeyer sind vom Stenographen nicht mitgeschrieben worden.]

Rudolf Steiner: Was ich für nötig halte, ist dieses: Zunächst rein intellektuell gefaßt könnte mancher glauben, daß sich jemand [von der Gemeinschaft] trennen kann, indem er einfach nach der Trennung dasselbe weitermachen kann, was er innerhalb der Gemeinschaft gemacht hat. Nun ist dieses gegen die Überliefe­rung des Kultus. Die Erteilung des Rechtes, diesen Kultus aus­zuüben und ebenso das Sprechen aus der vermittelten Christus-Kraft, das zu diesem Kultus gehört, das muß als dasjenige an­gesehen werden, was zu dieser Gemeinschaft gehört. Also hat die Gemeinschaft das Recht, jedem das Recht abzusprechen, den Kultus auszuüben oder im Zusammenhang mit diesem Kultus zu lehren. Er kann natürlich lehren, aber nicht in Zusammenhang mit diesem Kultus. Also es verfällt einfach das Recht, dasjenige, was er übernommen hat, innerhalb des Kultus weiter zu vollziehen. Die moralische Bewertung liegt darin, daß die Konferenz, die Zusammenkunft, die Gemeinschaft der Lenker und Oberlenker, auszusprechen hat, wie nun sein Verhältnis zu dieser Gemein­schaft aufgefaßt werden kann in bezug auf die realen Dinge, also daß er das Recht verliert, das und das zu tun und so weiter. Der natürliche Zusammenhang mit dieser Gemeinschaft ist so, und das kommt [in der Formel] ja zum Ausdruck. Man kann es anders formulieren. man kann es klarer fassen, wenn Sie sich bewußt

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sind, daß es so ist. Es muß sich auch die Interpretation fortpflan­zen. Also insofern könnte ich nichts gegen diese Formulierung einwenden, aber sie muß nicht von mir, sondern von der Gemein­schaft anerkannt werden.

[Es wird gefragt nach Möglichkeiten der Verteilung auf einzelne Städte. Die Fragen wurden vom Stenographen nicht notiert.]

Rudolf Steiner: Es liegt kein Grund vor, Wien auszuschließen. Daß es geographisch abliegt? Nun, schließlich liegt Wien von Stuttgart geographisch nicht weiter ab als Königsberg. Das ist eine Frage, die lediglich damit zusammenhängt, ob Sie von Anfang an die Möglichkeit finden, Wien zu besetzen. Daß es gut ist, es zu besetzen, ist etwas, was ich durchaus annehme. Es liegt erstens gar kein Grund vor, Wien nicht zu besetzen, andererseits liegen die Verhältnisse in Österreich so, daß die Konfiguration des religiö­sen Lebens, das Sie jetzt in Österreich finden, eigentlich erst circa fünfzig Jahre alt ist und in den vorangegangenen Jahren eine ganz andere Konfiguration dieses religiösen Lebens vorhanden war. Gerade Österreich wäre ein außerordentlich günstiger Boden für eine solche Erneuerung des Christentums gewesen, wenn sie sorgfältig ins Werk gesetzt worden wäre, weil der Orthodoxismus der katholischen Priester vielen Leuten sehr fremd geworden ist, nicht nur den Laien, sondern auch Priestern. Nun ist über das alles, was in Österreich bis in die achtziger Jahre war, hinüberge­zogen das ganz unwahre christlich-soziale Element - das ist eine verkörperte Lüge. Das hat auch das religiöse Element ergriffen, und heute sind die Zustände so, daß man glaubt, in Österreich sei gar keine Empfänglichkeit für die Erneuerung des Christentums. In Österreich konnte man über Anthroposophie ziemlich frei sprechen, wenn man nicht dasjenige berührte, was an Katholizis­mus erinnerte ... [vom Stenographen gekennzeichnete Lücke im Text]. Dann wurde ja behauptet, daß Anthroposophie nur ein etwas verkappter Jesuitismus sei. Aber tatsächlich ist latent diese frühere Strömung noch immer da und ist, wenn man es richtig anfängt, ein guter Boden.

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[Es wird eine weitere Frage gestellt, die vom Stenographen nicht notiert worden ist.]

Rudolf Steiner: In solchen Gegenden stellt sich gerade sehr häufig als Reaktion das Bedürfnis nach Kultus ein. Im Osten und im Norden ist sehr vieles niedergehalten, was in den Gemütern der Menschen lebt. Daß Sie im Norden und im Osten keine Sehn­sucht nach Kultus finden würden, das nehmen Sie nicht mit Be­rechtigung an.

Ein Teilnehmer: Schlesien ist, wie ich glaube, ein ganz gutes Feld. Ich habe von den Leuten der sozialen Arbeitsgemeinschaft gehört, daß sie in Breslau, in Schlesien, viel mehr Anklang finden als in Berlin.

Rudolf Steiner: Ich bin sehr überrascht, daß Sie meinen, daß das evangelische Wesen in Nord- und Nordostdeutschland einen so tiefen Einfluß genommen hat. Das ist eigentlich unmöglich. Der Einfluß geht nur im Norden und Osten deshalb so weit, weil er künstlich erzeugt worden ist und erzeugt wird. Das ist die preußische Staatsmacht, die so außerordentlich gewirkt hat, die das hervorgerufen hat, was da ist, und unterdrückt hat die reli­giöse Neigung des Volkes. Was diese im Grunde zurückhält, das ist der preußische Militarismus und der assessorale Geist und nicht der Volksgeist. Es ist nicht von vornherein die Möglichkeit abzuweisen, daß gerade auf dem Wege nach dem Osten hin wie­derum etwas von dem auflebt, was es möglich gemacht hat, in früheren Jahrhunderten Ostpreußen zu christianisieren.

Marie Steiner: Ich meine, in solche Orte wie Essen und Bochum sollten Sie gehen. Ich wüßte keine Orte, die mehr geistiges Leben brauchten als diese. Ich habe so Mitleid gehabt mit diesen Menschen aus den Fabriken.

Rudolf Steiner: Diese Frage ist eine solche, deren Beantwortung von der Lage abhängt, ob es möglich ist, diese Stellen zu besetzen.

Ich muß sagen, mir hat es manchmal durch die Seele geklun­gen, wenn ich zu Ihnen heraufgekommen bin: Warum haben Sie jetzt keinen Schweizer in Ihrem Kurs? Als wir das letzte Mal hier

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waren, waren noch Schweizer unter Ihnen. Also mit dem allge­meinen Ausscheidungsprozeß sind sämtliche Schweizer wegge­gangen. Das, was Sie jetzt haben, ist eingeschlossen innerhalb der deutschen Reichsgrenzen, und es kann doch natürlich dabei nicht bleiben, sonst würden Sie ja eine deutsche Kirche gründen. Das Christentum kann nicht in Landesgrenzen, auch nicht in politi­sche Landesgrenzen eingeschlossen werden. Wir müssen unser Vorhaben nicht enger, sondern viel weiter denken. Es ist durchaus etwas, was mich bedrückt, daß Sie so allein gelassen worden sind von den außerhalb der deutschen Reichsgrenzen lebenden Mit­gliedern. Es sind ja diejenigen unter Ihnen, die schon Pfarrer waren, der Zahl nach gering. Die Schweizer Pfarrer haben ja ausscheiden müssen. Das ist bei der besonderen Art dieser Per­sönlichkeiten sehr begreiflich. Aber es ist die Tendenz da, daß auch die jüngeren schweizerischen Leute nicht zu dieser Arbeit herankommen, die als Schweizer ebenso in der Schweiz Gemeinden gründen könnten, wie Sie in Deutschland Gemeinden gründen können. Es liege dies daran, daß unter den schweizerischen jun­gen Leuten nicht so viele Idealisten seien wie unter den deutschen. Sie wüßten, daß sie auf dem zu betretenden neuen Weg nicht so ihre Gehälter bekommen wie auf dem alten Weg. Der Altkatho­lizismus hat den Fehler, daß er nicht ein neues Element in sich aufgenommen hat in ganz unbefangener Weise, sondern daß er im wesentlichen wiederum zurückgehen will zu dem, was durch den Ultramontanismus verfälscht wurde. Der Altkatholizismus leidet an seiner Negation, er ist eigentlich nur anti-ultramontan.

Gertrud Spörri ist zwar Schweizerin, zieht es aber zunächst vor, in Deutsch­land und nicht in der Schweiz zu wirken.

Rudolf Steiner: Aber von selbst kommen auch die Schweizer nicht nach. Und daß sie auch einen Krieg bekommen, damit sie das nachholen, was die anderen [während des Krieges] mitgemacht haben, das werden Sie nicht als Ideal hinstellen. Es wäre gerade bei den Schweizern notwendig, irgend etwas zu tun. Ich will das nur gesagt haben. Ich sehe ein, daß so, wie Sie jetzt sind, es nicht

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gemacht werden kann. Aber es dürfen Landesgrenzen nicht Gren­zen des Wirkens sein.

Friedrich Rittelmeyer regt an, an die Universitäten zu gehen und zu versu­chen, Studenten zur Mitwirkung zu erringen.

Rudolf Steiner: Es kommt eigentlich die ganze Welt in Betracht, wo heute nur jenes Namenchristentum ist. Wo ist heute wahres Christentum? Es kommt die ganze Welt in Betracht. Als in früherer Zeit eine solche Bewegung, wie es die jetzige sein soll, angefacht worden ist, mußte sie notwendigerweise einen ganz anderen Charakter haben: es ist die hussitische Bewegung; nur ist sie dazumal abgeschnitten worden. Aber die hussitische Bewe­gung hatte neben den negativen Elementen, die in der Geschichte erwähnt werden, auch ihre positiven Elemente. Uberall sind schon die Bedingungen da unter einer oberen Schicht, die eben ganz ahrimanisch geworden ist.

Es wird gefragt nach Thüringen und Erfurt. Ist es wichtig, sofort zu beginnen oder erst später an Thüringen zu denken?

Rudolf Steiner: Thüringen hat natürlich die eine Eigenschaft, daß die Bevölkerung die unintelligenteste von ganz Deutschland ist. Es gibt in Thüringen viel Mutterwitz in bezug auf das alltägliche Leben, aber in bezug auf die Auffassung aller höheren Fragen ist Thüringen durchaus zurückgeblieben. Deshalb ist es schwer, dort zu wirken. Aber warum soll man diese Schwierigkeiten nicht gerade auf diese Art überwinden? Thüringen braucht keine Ausnahme zu machen. Ich könnte mir durchaus ganz gut vorstellen, daß zum Beispiel in Erfurt ein Zentrum geschaffen werden kann. In Weimar kann ich das nicht glauben, weil man da auch heute noch in re­ligiösen Dingen blasiert ist. Weimar hat die schädliche Nachwir­kung dessen, daß Goethe und Schiller dort gewohnt haben. Es ist so, daß Goethe und Schiller, die doch dem Namen nach ganz gut bekannt sind, im Grunde genommen in Weimar aber doch zwei Gipsfiguren sind. Damit ist man befriedigt unter der Bevölkerung.

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Ein Teilnehmer: Ist es Zeit, in München anzufangen?

Rudolf Steiner: Nicht wahr, in München ist es schon noch so, wohl auch heute - obwohl heute vieles in Unwahrheit getaucht ist -, daß noch alles möglich ist, wie vor dem Kriege, wo München diejenige deutsche Stadt war, in der alles möglich war. Dieses München, in dem konnte man wirklich alles betreiben. Nur führt dort in den meisten Fällen entweder ein sehr offener oder doch ein verborgener Weg von allem ab ins Hofinräuhaus; selbstverständlich ins republikanische Hofbräuhaus, so wie man in Wien auch überrascht wurde, daß man anstelle der Kaisersemmel die repu­blikanische Semmel bekam. In München führt von allem ein Weg ins Hofbräuhaus. Das ist die Schwierigkeit. Und so hat in München auch die katholische Bewegung eine Überflutung durch jenes Standard-Life, jenes Standard-Leben, das mächtige Hofbräuhaus. Aber ich glaube, andererseits handelt es sich bei dieser Ihrer Bewegung gerade um die nötige Kraft und Energie. Man wird es in anderen Bewegungen viel schwerer haben als gerade in dieser Ihrer Bewegung. Es würde sich also gar nicht darum handeln zu sagen, wir können München nicht besetzen, sondern zu fragen, wie man München richtig besetzen soll respektive wen man Herrn Klein als Helfer zugeben soll, weil er in München Anstoß erregen wird durch seine zu starke Jugendlichkeit. Das wird etwelche Schwierigkeiten machen. Aber er wird unterstützt werden.

Emil Bock: Das ist gerade bei den großen Städten unsere Sorge. Wir haben nach unserer Überzeugung nicht genügend ältere Persönlichkeiten, die eine größere Stadt so in Angriff nehmen könnten, daß man in der Öffentlichkeit darauf aufmerksam werden kann. Deshalb haben wir gerade bei Klein und München die Frage: Wie wollen wir damit zurechtkommen, wer würde dafür am besten passen? Wir sind ein so kleiner Kreis und haben schließlich nicht so viele verschiedenartige Menschen unter uns, daß eigentlich für diese Städte eine ausreichende Versorgung von uns aus möglich erscheint. Deshalb haben wir geschwankt, ob wir die großen Städte auslassen wollen, weil wir sie nicht richtig besetzen können.

Rudolf Steiner: Was waren die Schwierigkeiten? Objektive Schwierigkeiten? Die waren nicht da. Es ist gerade in katholischen

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Städten - beide Städte, München und Köln, sind katholische Städte, obwohl sich der Katholizismus in beiden Städten ganz verschieden auslebt -, es ist gerade in solchen katholischen Städ­ten das Eigentümliche, daß man dort auf Menschen trifft, die zuerst wirklich von einem hohen Grad von neutralem Empfinden ausgehen. Es ist ihnen zuerst alles mehr oder weniger gleich, weil sie abgestumpft sind; dann allmählich werden sie erfaßt. Man kann da sehr viel erreichen. Darauf rechne ich gerade in München und Köln sehr viel, daß die Leute allmählich erfaßt werden. Es könnte zum Beispiel auch in Wien passieren, daß eine größere Anzahl von Leuten einfach aus Neugierde zunächst dahin ge­hen, was nicht das Schlimmste sein sollte, sondern das Beste. So könnte es auch in Köln sein. Der Katholizismus schafft den Boden, daß die Leute zunächst abgestumpft werden aus Ge­wohnheit gegenüber der Kirche, aber doch eigentlich den tiefen Drang haben, etwas Wahres zu erleben. Unter der alten katholi­schen Bevölkerung sind viele, die zu einer religiösen Erneuerung hinstreben. Die Frage ist nur die: Haben wir die benötigten Persönlichkeiten, und wenn nicht, wie verschaffen wir sie uns?

[Es wird noch eine Frage gestellt nach den Gefahren des Sektierertums.]

Rudolf Steiner: Es kommt auf den Geist an, auf die Ernsthaftig­keit, nicht auf das Äußere. Sektierertum wird sofort entstehen, wenn Sie in der Abgeschlossenheit etwas sehen, was eine Gefahr für die Sache ist. Warum soll es sektiererisch sein, wenn man höhere Einsichten unter den Leuten verbreitet?

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XVIII Donnerstag, 21. September 1922, nachmittags

[Zu Beginn der Zusammenkunft wurde die vom Gründerkreis entworfene] «Gemeinschaftsordnung für die Seelenhirten der Christen gemeinschaft» be­sprochen. [Zunächst wurde der Entwurf für Punkt 1 vorgelesen:]

«Zugehörigkeit. Die Christengemeinschaft konstituierte sich in Dornach in der Zeit vom 6. - 22. September 1922 als eine Urgemeinde, bestehend aus 45 Priestern, die zur Ausübung der der Christengemeinschaft anvertrauten Ritualien bevolimächtigt sind.

Die in der freien Waldorfschule zu Stuttgart und in Schwesternschulen im Auftrage Dr. Steiners den freien Religionsunterricht erteilenden und Kultushandlungen zelebrierenden Persönlichkeiten erkennt die Christen-gemeinschaft als zur Erteilung des Religionsunterrichtes und zur Ausübung der drei Ritualien bevollmächtigte Helfer an.»

Ernst Uehli [Religionslehrer an der Waldorfschule] macht darauf aufmerk­sam, daß die Persönlichkeiten die zur Zeit an der Waldorfschule den Religionsunterricht erteilen von Herrn Dr. Steiner eingesetzt sind. Da Herr Dr. Steiner die Oberleitung der Waldorfschule hat, wird er auch darüber zu entscheiden haben, durch wen der Kultdienst daselbst fernerhin auszuüben sein wird.

Rudolf Steiner: Ich meine, die Waldorfschule wird ja immer zu gelten haben als eine Art Musterschule für diese pädagogische Richtung, die innerhalb der anthroposophischen Bewegung ge­pflegt wird. Und für den Teil, der da als Religionsunterricht figuriert, muß natürlich der vollständige Gedanke der Waldorf­schulpädagogik ins Auge gefaßt werden, so daß allerdings die bisherige Gepflogenheit dort fortgesetzt werden muß. Für die­jenigen, die man noch genötigt ist als Religionslehrer zu ernennen, muß genau dasselbe gelten, was für die bisherigen Religionslehrer gilt. Das müßte schon so sein. Es ist ja auch kaum etwas in Widerspruch mit dem, was Sie hier haben. Nur möchte ich nicht, daß ich selber beschränkt werde für den Fall, daß ich jemand für einen richtigen Religionslehrer halte und für den Betreffenden dann nicht dasselbe gelten sollte wie für die jetzigen Waldorflehrer.

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Das ist schon etwas, was ich gar nicht ins Auge fassen kann. Ich kann bei der Ernennung nur die persönliche Eignung ins Auge fassen. So daß es sich hier darum handelt, ob Sie mit dem Satze meinen, daß die nachfolgenden Religionslehrer Mitglieder der Christengemeinschaft sein sollten. Ist da schon irgend etwas geschehen?

Emil Bock: Vielleicht ist diese Formulierung doch noch nicht klar genug. Dieser Satz könnte vielleicht so heißen: Bei solchen, die von Dr. Steiner eingesetzt werden in diese Funktionen, wird die Anerkennung ausgespro­chen werden, ohne daß diese Bedingungen erfüllt sind. - Nur in bezug auf solche Schulen, die vielleicht eine andere Leitung bekommen, ist der Satz gedacht, daß der Religionsunterricht und die Ritualien nicht ausgeführt werden sollen von allen denen, die nicht von Dr. Steiner eingesetzt sind.

Rudolf Steiner: Nicht wahr, es handelt sich darum, daß nur die Schulen in Frage kommen werden für diesen Ihren Paragraphen, die als Waldorfschulen anerkannt sind. Und für diese werde ja bis zu meinem Tode ich die Leute ernennen, [die Religionsunterricht erteilen und die Handlungen zelebrieren]. Also bis dahin wird es sich darum handeln, daß die, die ich ernenne, anerkannt werden. Und nachher wird vielleicht auch die Anerkennung eingeholt werden nach dem Maße dessen, was nach meinem Tode für die Konstitution verfügt wird, insofern ich es nicht geregelt habe.

[Weitere Punkte des Entwurfs der Gemeinschaftsordnung werden vorgele­sen. Vom Stenographen wurde dies nur teilweise festgehalten. Zu Punkt 2c:]

«Die Bestellung von Nachfolgern und die Erweiterung der Oberlenkerschaft und Lenkerschaft erfolgt durch Zuwahl aus dem Kreise der Weiheträger, und zwar für das Amt des Oberlenkers durch die Oberlenker, für das Lenkeramt durch Oberlenker und Lenker in Gemeinschaft. - Bei sich herausgestaltender territorialer Gliederung der Arbeit sollen vor jeder Zu-wahl eines Oberlenkers oder Lenkers für ein bestimmtes Gebiet die Vor-schläge der in diesem Gebiet arbeitenden Weiheträger von den Zuwählenden eingeholt werden.«

Rudolf Steiner: Das geht ganz gewiß. Eine Schwierigkeit ergibt sich nur in dem einen Punkte, dem allerletzten Paragraphen, den Sie verlesen haben. Es ist nicht ganz klar, ob in den Paragraphen

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eingeschlossen werden kann, daß die Ernennung beziehungsweise Zuwahl der Oberlenker und Lenker geändert werden kann. Wenn es jederzeit geändert werden kann, dann ist das etwas, das den Sinn dieses Paragraphen, den Sie aufstellen, damit nicht etwas an­deres stattfindet als das, was Sie wollen, gerade vereitelt. Wenn Sie den letzten Paragraphen in dieser Allgemeinheit fassen, stellt gerade dieser Paragraph etwas in Frage, was sonst recht deutlich ist. Es könnte dann jedes Jahr geändert werden. Nachdem dieser Zuwahlmodus doch von Ihnen als etwas angesehen wird, was sehr heilsam ist, setzen Sie sich in Widerspruch, wenn Sie dem Para­graphen nicht einen Zusatz machen dahingehend, daß dieser Zu­wahlmodus nicht geändert werden kann oder nur in sehr großen Zwischenräumen, also irgend etwas, was ihn schützt; sonst haben Sie sehr leicht nach kurzer Zeit eine demokratische Wahl.

[Hier zeigt die Nachschr'ft des Stenographen eine Lücke.]

Rudolf Steiner: Ich habe höchstens vielleicht bevor Sie weggehen, ein paar Worte zu sagen. Das kann morgen geschehen.

Es wird noch um Aufschluß über das Credo gebeten.

Rudolf Steiner: Was ich über das Credo sagen wollte, das ist zum Teil bei anderen Dingen schon gesagt worden. Dieses Credo, das ich Ihnen gegeben habe, das ist herausgenommen aus wirklicher spiritueller Erkenntnis. Es liegt in diesem Credo etwas anderes vor als in den Ritualien. Die Ritualien sind gegeben als etwas, was sich jetzt ergibt als die Form des Zeremoniellen. In diesem Credo ist etwas gegeben, was der religiöse Mensch der Gegenwart als sein Bekenntnis darstellt. Mit dem kann man übereinstimmen oder nicht übereinstimmen. Oder Sie können sich vielleicht heute sagen, Sie haben Vertrauen dazu, daß ich dieses Credo gegeben habe. Sie wollen sich heute mit diesem Credo einverstanden erklären und dieses Einverständnis zunächst als ein Zustimmen zur Lehre betrachten. Es wird ja kaum gegen das Credo irgend etwas eingewendet werden können. Nur glaube ich, daß Sie einen

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Satz, der aus dem Credo stammt, als unklar bezeichnet haben, den Satz «um die Sündenkrankheit von dem Leiblichen der Mensch­heit geistig zu heilen». Sie haben gefragt, ob es da nicht heißen müsse «um das Leibliche der Menschheit von der Sündenkrank­heit geistig zu heilen».

Gemeint ist dieses: Um die Sündenkrankheit an dem Leiblichen der Menschheit geistig zu heilen - die an dem Leiblichen befindliche Sündenkrankheit geistig zu heilen. Das ist der Sinn. «Um das Leibliche der Menschheit von der Sündenkrankheit geistig zu heilen», nun, das würde nicht den Sinn geben. Man könnte auch sagen «um die Sündenkrankheit des Leiblichen der Menschheit geistig zu heilen». Mir würde besser gefallen: «an dem Leiblichen».

- «Um die Sündenkrankheit des Leiblichen der Menschheit geistig zu heilen», das ist ein Genitivus objectivus. Ich habe es deshalb umschrieben, weil diese zwei Genitive hintereinander stehen, aber sie sind durch den Text einfach gegeben. Sonst habe ich in bezug auf das Credo nichts zu sagen.

[Sie haben noch die Frage gestellt:] Warum Monatssprüche als Wochensprüche? - Die Begründung dafür muß von einem höheren Gesichtspunkt aufgefaßt werden. Nehmen Sie an, ich erkläre die menschliche Seele, so sage ich: Wille, Gefühl und Denken sind die drei Glieder des Seelischen, wenigstens die äußere Offenbarung desselben. (Es wird an die Tafel - Mitte - geschrieben: Wille -Gefühl - Denken.) Nun darf ich das nicht so darstellen, daß ich das so aufzeichne: hier Denken, Fühlen, Wollen.

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so daß also im Kopfe Denken, Fühlen und Wollen ist, nur das Wollen am schwächsten. Im Stoffwechsel-Gliedmaßenorganismus des Menschen ist das Wollen vorherrschend. Es gibt immer eines, das die anderen übergreift. Und so müssen Sie bei spirituellen Verrichtungen etwas haben, was von einer höheren Stufe aus die unteren Stufen übergreift.

Ein Teilnehmer: Wann wird das Barett beim Einsetzen des Priesters in das Amt übergeben?

Rudolf Steiner: Diese Zeremonie des Übergebens des Barettes möchte ich gern im Anschluß an die Zeremonie ausführen. Die Übergabe würde sich ergeben, wenn der Betreffende die erste Messe liest, dann, wenn Sie die Zeremonie weiter ausführen. Dann wird er das Barett einfach bekommen mit den Worten, die ich morgen sprechen werde. Das ist die Übergabe der Amtswürde. Sonst würde man ein Diplom übergeben, hier übergibt man das Barett. Das wird, wenn Sie die erste Messe lesen, mit einigen Worten übergeben, die nach der Kommunion gesprochen werden.

Ich habe mich bemüht um den Namen als Ersatz für das Wort «Priester», aber außer den Namen «Seelenhirte» oder «Seelenpfle­ger» habe ich bisher doch keinen herausbekommen. Es ist in der

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neueren deutschen Sprache kaum eine Wortbildung möglich für das Wort «Priester». «Seelenhirte» erscheint zu sentimental, aber Sie werden nicht leicht ein unsentimentales Wort finden.

[Aus dem Kreis der Teilnehmer wird] angeregt, das Wort «Priester« bei­zubchalten.

Rudolf Steiner: Das ist das einfachste. Aber das ist etwas, was in evangelischen Kreisen als anstoßerregend empfunden worden ist. Es ist im Grunde genommen «Priester» auch ursprünglich auf «Seelenhirte» zurückgehend. Objektive Gründe[, den Namen «Priester» nicht zu verwenden,] sind natürlich keine vorhanden. Es ist nur der Grund, daß alle diese Dinge vermieden werden sollen, die im römischen Katholizismus üblich sind. Für «Messe» ist «Menschenweihehandlung» eine ganz adäquate Bezeichnung, aber für «Priester» müßte man das Wort «Seelenpfleger» nehmen, was auch sentimental klingt. Und ein Wort, das nicht so sehr das Priesteramt bezeichnen würde als vielmehr die Priesterwürde, würde das Wort «Weiheträger» sein, das einen bezeichnet, der geweiht ist. «Weiheträger» ist etwas, was ganz adäquat wäre, nicht so sehr dem Worte «Priester», als dem Worte, welches in den alten Mysterien gebraucht wurde.

Ein Teilnehmer: Bestehen irgendwelche Vorschriften über die Art des Räucherwerkes?

Rudolf Steiner: Man verwendet den gewöhnlichen Weihrauch. Das Wesentliche ist, daß der Weihrauch diese Art des ätherischen Geruches verbreitet. Das ist schon wesentlich bei der Sache. Es ist nicht richtig, daß Weihrauch nur in katholischen Gemeinschaften verwendet wird; er wird überall da verwendet, wo überhaupt Zeremonien gemacht werden, die eine reale spirituelle Grundlage haben. Sie meinen, ob man ein Räucherwerk nehmen kann, das nicht diesen ätherischen Geruch hat, weil der Weihrauch dahinge­hend verleumdet werden könnte, daß er die Leute einschläfere? Da gibt es keine andere Möglichkeit, solange dieses Vorurteil

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bekämpft werden muß, als eben nicht zu räuchern. Sie können die Räucherung weglassen.

Werner Klein: Würde dadurch an den spirituellen Tatsachen nicht Wesent­,iches geändert werden?

Rudolf Steiner: Dadurch, daß Sie die Räucherung nur imaginieren, wird sie um einen Grad weniger real sein. Aber solche Wege werden Sie überhaupt in bezug auf verschiedenes machen müssen. Ich kann nicht sehen, wenn Sie das Ideal erfüllen wollen, wie Sie das machen wollen. Überall haben Sie das Räuchern. Ich habe auch schon die Freimaurer erwähnt, auch die Inder haben es. Man hat es überall, wo ernsthafte okkulte Verrichtungen in Betracht kommen. Nur in protestantischen Kreisen sagt man, wenn ge­räuchert wird, da riecht es katholisch. - Man könnte auch sagen, da riecht es freimaurerisch oder indisch.

Ein Teilnehmer: In Frankfurt können wir eine kleine Kapelle bekommen für unseren Kultus. Gibt es da bestimmte Dinge zu beiücksichtigen, wenn man die Kirche einrichtet? Welche Farbe für die Wände oder die Einzelheiten?

Rudolf Steiner: Ich würde mich da doch nicht allzusehr extremie­ren. Ich würde es bei einem matten Lila halten, nicht ein zu schrei-endes, aber ein mattes Lila. Da bekommen Sie die Stimmung am besten heraus. Die Dinge, die abweichen, macht man dunkler lila.

Ein Teilnehmer: Könnten auch andere Räume in Betracht kommen, zum Beispiel Kultusräume der Freimaurer oder ähnliches?

Rudolf Steiner: Von den Freimaurern könnten Sie nur diejenigen Räume bekommen, die nicht ihre Symbole haben, also den Fest­saal. Den Festsaal könnten Sie unter Umständen ohne weiteres nehmen. Das ist eine Frage der Opportunität. Ich könnte mir vorstellen, daß gar kein Hindernis ist, den Festsaal der Freimaurer für Ihre Zwecke zu benützen.

Friedrich Rittelmeyer: Aulen und Schulen gingen natürlich auch. Für kleine­re Gemeinden hielte ich sogar Privaträume für das allergeeignetste. Aber die

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Menschen haben jetzt nicht mehr viel Räume. Nur wenige Menschen in Deutschland haben noch größere Privaträume. Die Räume der anthroposo­phischen Gesellschaften sind auch immer mehr gefährdet. In München gibt es keine solchen Räume mehr. Wo sie noch vorhanden sind, würden sie natürlich nach Übereinstimmung mit den Vorständen verwendbar sein. Auch Volksbildungsräume kämen in Betracht.

Rudolf Steiner: In diesen Dingen, muß ich sagen, bin ich nur bekannt mit einer Volksbildungsstätte, mit der ich einmal in Berührung gekommen bin. Volksbildungsräume sind solche, die zugleich einen öffentlichen Charakter haben. Der Volksbildungs-verein, der von Raphael Löwenfeld geleitet war, hatte seinen Vortragsraum im Berliner Rathaus. Natürlich kann man diese Räume benützen. Man könnte auch den Saal des Bernoullianums in Basel verwenden, wenn man ihn kriegt. Ich würde nur in solchen Fällen, wenn ich den Saal als Verantwortlicher überneh­men würde, sagen: Bitte erschrecken Sie nicht; wir haben Zeremo­nien, in denen wir Weihrauch benützen. - Den Saalvergebern müßte man das immer sagen.

Ein Teilnehmer: Hier ist kein Geruch von Weihrauch am andern Morgen mehr wahrzunehmen.

Rudolf Steiner: Das kommt ganz auf die Nase derer an, die dann hineinkommen. Sie werden natürlich Leute finden, die den Ge­ruch noch nach Tagen herausfühlen.

Ein Teilnehmer: Wie soll sich unser Kreis zur Freimaurerei stellen? Ver­schiedene von uns sind der Freimaurerei nähergetreten.

Rudolf Steiner: Der Kreis als solcher stellt sich gar nicht zur Freimaurerei. Ich betrachte das lediglich als Angelegenheit des einzelnen. Es kann nicht sein, daß irgend etwas aus der Freimau­rerei als solcher hereingetragen wird, weil die Freimaurerei in Wirklichkeit ja kein Christliches mehr hat. Das ist etwas, was wir hier gar nicht zu diskutieren brauchen. Die Freimaurerei hat als solche nichts Christliches.

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Ein Teilnehmer: Könnte von uns Einfluß genommen werden auf die Frei­maurerei?

Rudolf Steiner: Ich halte das für kaum möglich. Anders ist es, wenn jemand mit den Impulsen, die er durch diese Ihre Gemein­schaft hat und erhält, auch in der Freimaurerei wirkt. So kann er sie beeinflussen. Aber auch das ist nicht sehr leicht möglich. Nun halte ich das auch nicht gerade für etwas so Wünschenswertes. Das Wünschenswerte ist, daß diese Gemeinschaft sich möglichst stark ausbreitet und daß alles geschieht, diese Ausbreitung zu fördern. Bei der Freimaurerei werden Sie am allerwenigsten fin­den, daß sie fortschreitend wirkt. Ich glaube auch nicht, daß Sie da in eine Pflichtenkollision kommen können. Ich wüßte nicht, wo diese liegen könnte. Aber ich will Sie nicht fragen, wenn Sie den Konflikt nicht andeuten wollen.

Ein Teilnehmer: Ich meine, daß eben unsere Bewegung hier, unser Kreis, sehr viel wertvoller ist als das, was die Freimaurerei geben kann. Ich war schon Freimaurer, ehe ich mich unserem Kreis angeschlossen habe. Jetzt habe ich das Bestreben, alle Kraft unserer Bewegung zu widmen. Da glaube ich, daß ich nicht die Kraft und Zeit haben werde, um auch der Freimaurerei das sein zu können, was sie verlangt.

Rudolf Steiner: Das gibt keinen wirklichen Pflichtenkonflikt. Das würde höchstens möglich machen, daß Sie weniger in der Loge tätig sind. Aber einen richtigen inneren Pflichtenkonflikt gibt das nicht. Wenn Sie aber römisch-katholischer Priester würden, dann wäre der Pflichtenkonflikt da. Aber so ist für Sie gar kein Pflichtenkonflikt da, außer daß Sie nicht so viel in der Loge sein können. Das könnte auch durch etwas anderes verursacht sein.

Emil Bock: Wir wären sehr dankbar, wenn Sie uns wenigstens einige Winke geben könnten zur Pastoralpsychologie und -pathologie. Dann hatten wir gefragt wegen der sexuellen Frage in seelsorgerlicher Beziehung, nach Richtlinien für die Seelsorge auf diesem Gebiet.

Rudolf Steiner: Das ist kaum auf einem anderen Wege zu errei­chen als vielleicht so, daß Sie versuchen, mit unseren Arzten

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zunächst gemeinsam einige Erkenntnisse zu erwerben über die Psychiatrie im allgemeinen und wie sie bei uns getrieben wird. Das muß dann in die Beichte hinein. Denn Sie können nur so weit gehen, als es ein Gegenstand der Beichte ist. Sonst werden Sie kaum etwas machen können. Alle physische Behandlung müssen Sie ja wohl vorläufig dem Arzte überlassen. Aber die Beichte muß darauf abzielen, daß sie wirklich ein Beruhigungsmittel ist für diejenigen, die irgendeinen Defekt haben. Das wird ein Gegen­stand sein, der in Stuttgart nach und nach ausgearbeitet werden muß. In ein paar Minuten kann das nicht geschehen. Sie müßten aber auch von einer Pastoraltherapie reden. Es ist durchaus mög­lich, daß Sie da Kenntnisse nötig haben, wenn Sie soweit sind, Dorfgemeinden zu gründen. Da die Pfarrer in den Dörfern oft zu gleicher Zeit physische Medizin geben, erwerben sie sich Kennt­nisse, die sie dann verwerten können in der Seelsorge.

[Es wird eine Frage gestellt, die vom Stenographen nicht festgehalten wurde.]

Rudolf Steiner: Die Frauen der Verheirateten können bei der morgigen Feier anwesend sein, aber nicht die Kommunion emp­fangen.

Ein Teilnehmer: Wie können wir uns amtlich bei den Behörden bezeichnen? Rudolf Steiner: Ist der Pfarrername monopolisiert?

Emil Bock: Ich glaube, der ist rechtlich belegt. Nur Träger der Pfarrerwürde in den anerkannten Konfessionen dürfen ihn führen.

Rudolf Steiner: Sobald ich für «Priester» einen Namen finde, können Sie den auch als amtlichen Titel führen. Aber ich muß ihn erst finden; vielleicht ergibt es sich noch, solange Sie hier sind. Vorläufig ist es nicht möglich gewesen, außer diesen drei Namen «Seelenpfleger», «Seelenhirte», «Weiheträger» etwas zu finden. Das sind adäquate Namen aber sie klingen in moderner Sprache etwas sentimental.

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Friedrich Rittelmeyer: Gibt es für «Hostie» einen deutschen Namen?

Rudolf Steiner: Warum brauchen Sie da einen deutschen Namen? Ein Wort ist nur dann anzustreben, wenn es wirklich ein Wort sein kann. Bei einer so feierlichen Sache wie der Messe geht es an, daß man ein Wort wie «Menschenweihehandlung» nimmt, bei der Hostie ist es natürlich schwer, ein anderes Wort dafür zu ge­brauchen. «Altarbrot» und «Altarwein» ist ein ganz adäquater Name, der ganz gut geht, aber es ist ein langer Name. Nur für «Priester» und «Pfarrer» kann ich nicht ein Wort finden. «Pfar­rer» würde ich sogar sehr schmerzlich empfinden, wenn es nicht gebraucht würde. Es wäre vielleicht sogar darauf zu sehen, daß Sie den Amtstitel «Pfarrer» führen könnten. Ich meine, «Priester» ist etwas anderes als «Pfarrer». «Priester» bezeichnet die Weihe, «Pfarrer» bezeichnet aber direkt denjenigen, der Beamter ist als Seelenhirte.

Ein Teilnehmer fragt, ob nicht das Wort «Geistlicher» verwendet werden könne.

Rudolf Steiner: Natürlich ist gegen das Wort «Geistlicher» nichts einzuwenden. Aber Dr. Rittelmeyer hat den Kopf geschüttelt?

Friedrich Rittelmeyer: Mir sind alle diese Worte zu sehr belastet

Rudolf Steiner: «Geistlicher» auch? «Weiheträger» ist die für den Priester zu gebrauchende Bezeichnung. Nach außen ist es doch eine Deklassierung, wenn Sie den Namen «Pfarrer» nicht tragen können. Warum ist das nicht möglich? Haben Sie selber etwas gegen den Titel «Pfarrer»? «Pfarrer» ist ja vorläufig ein Titel, der sowohl die katholischen wie die evangelischen Geistlichen umfaßt.

Emil Bock: Der Titel «Geistlicher» wurde uns nicht als Amtstitel bestatigt werden.

Rudolf Steiner: Die deutsche Sprache gibt kein klares Wort, daher ist schon das Wort «Pfarrer» anzustreben.

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Es wird eine Frage über die Prädestinationsiehre gestellt. [Der Wortlaut der Frage wurde vom Stenographen nicht festgehalten, die nachfolgenden Aus­führungen Rudolf Steiners nur lück enhaft mitgeschrieben.]

Rudolf Steiner: Das ist eine Frage, die nicht so leicht in die Seel­sorge hineinzutragen ist, weil sie im Grunde eine tiefe Weltan­schauungsfrage ist. Es bedeutete Prädestination in alten Zeiten die Namen derjenigen, die in dem Buch der Schöpfung eingetragen sind. Nun müssen Sie sich aber klar sein darüber, daß eigentlich noch bis zum 5., 6. Jahrhundert, also jedenfalls bis in die Zeit des Augustinus hinein, das gesamte Denken, das auf die geistige Welt selber sich bezog, gedacht ist von der geistigen Welt nach der physischen Welt gerichtet und nicht umgekehrt. Erst seit wenigen Jahrhunderten wird von unten nach oben gedacht und nicht mehr von oben nach unten. Wenn Sie also die Art des Denkens nehmen, wie sie bei Augustinus selbstverständlich war, von dem Moment an, da er überhaupt philosophisch hat denken können, da bedeutete Prädestination die Namen derer, die von Gott auserwählt waren, in das Buch des Lebens eingeschrieben zu werden, sie bedeuteten eine Konfiguration der Welt, wo die Namen da waren. Also Sie würden das Schema bekommen: Das Himmlische; nun kommt der erste Name: diejenigen, die da Almosen gegeben haben, also wir haben die Almosengeber. Als ein zweites diejenigen, die Kranke gepflegt haben; und als einen dritten Namen: diejenigen, die ge­lehrt haben. Und nun haben Sie bei dem, was von oben herunter gedacht ist, ja die Menschen noch gar nicht drin; die müssen sich selber erst den Anspruch auf diese Namen erwerben, müssen sich erst eingliedern. Bei all diesen Bezeichnungen haben Sie es mit Typenbezeichnungen zu tun, die sich von oben herunter senken, so daß die Menschen erst den Anspruch auf diese Typenbezeich­nungen sich erwerben müssen. Es sind nicht die Menschen Kran­kenpfleger, es sind nicht die Menschen Almosengeber, Seelenhir­ten und so weiter; das sind die Namen - das sind aber nicht Namen, die der Einzelne trägt -, die muß man sich erst erwerben.

Es ist die ganz andere Art zu denken, aus der heraus man ein solches Wort wie «Prädestination» zu verstehen suchen muß. Wie

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kommen Sie sonst zurecht mit der Lehre des Augustinus und mit dem ganzen damaligen Streit der Geister über die Prädestination? Sie kommen nicht zurecht. Sie können unmöglich dem Augusti­nus zuschreiben, daß er die Menschheit der Erde in zwei Gruppen geteilt habe, die eine zum Guten, die andere zum Bösen vorbe­stimmt. Was er gemeint hat, ist, daß er auf der einen Seite die Typen, auf der anderen Seite die anderen Typen hingestellt hat. Aber die Menschen selber gehören nicht von vorneherein einem Typus an, sie mussen sich erst ihren Anspruch erwerben auf einen Namen.

Gnostiker? Da ist es im eminentesten Sinne so, daß nur der­jenige, der sich im Laufe des Erdenlebens die Möglichkeit dazu erwirbt, zu denen gehört, die man so bezeichnen kann. Selig wird jeder, der sich im Erdenleben den Namen erwirbt; wer dies nicht tut, wird nicht selig. Man muß durch den Namen zur Seligkeit kommen. Das ist ein gnostischer Grundsatz. Wenn Sie in der Sprache der älteren Zeit das Wort «Name» vernehmen, werden Sie das äußerlich finden, [Lücke].

Nehmen Sie diese zwei Dinge zunachst in meiner «Theosophie». Da ist der Mensch, der bis zur Bewußtseinsseele hinauf geht; er will bis zum Geistesmenschen kommen, da wird der Einschlag aus der geistigen Welt «herübergekippt», und der Keim des «Ich» liegt in diesem, was da herübergekippt wird. Das stimmt auch mit der indischen Terminologie überein. Der Inder gebraucht das Wort «Nama», das indische Wort für «Name». Nama, das weist hinauf auf «Manas», nicht auf das, was unten ist. Auch im Ägyptischen ist es so. Also das, was dem Namen entspricht, ist vorgezeichnet. Wenn ich mich ganz grob ausdrücken darf, könnte man sagen, es gibt eine Landkarte des Himmels, da sind alle aufgeschrieben, die selig werden und alle, die verdammt werden können; nur muß man dasjenige erwerben, was dem entspricht, was da als Name aufgeschrieben ist. Eine Typologie ist da, die nichts anderes ist als der Ausdruck der Prädestination. Augusti­nus ist nicht anders zu verstehen; er ist wirklich ein Anhänger der absoluten Prädestination.

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[Bei der Prädestinationslehre des] Calvin kennt man sich wirk-lich nicht aus, was er will; er beendet sie ziemlich verworren. Ich denke mir - ich habe das nicht untersucht, es hat mich nie sehr interessiert, ich habe mich nicht mit Calvin beschäftigt -, aber ich denke mir, daß es bei ihm so ist, daß er ausgegangen ist von einem Moment, wo er etwas ahnt, und dem er dann nicht gewachsen war, es klar auszusprechen. Seine Anhänger fühlten das Bedürfnis, es zu einem Verständnis zu bringen. Heute behandeln die Men­schen solche Dinge so, als ob sie sie überhaupt nichts angingen. Ich glaube nicht, daß [die Lehre] des Augustinus in derselben Weise behandelt werden kann wie die der Gnostiker. Augustinus ist doch als ein ausgezeichneter Mensch anzusehen.

Friedrich Rittelmeyer: Worin besteht die Auferstehung des Christus nach drei Tagen?

Rudolf Steiner: Drei Tage war es unentschieden, ob er auch ster­ben könne. Es war ein dreitägiger Kampf mit dem Tode. Es ist also so aufzufassen, daß die Dinge, die da sind [in den Evange­lien], Realitäten sind. Es ist nicht etwa so, daß der Christus den Schmerz, der zu erleiden war, nicht wirklich durchgemacht hätte bei der Geißelung und der Kreuzigung. Es ist so aufzufassen, daß die drei Tage lang die Möglichkeit vorhanden war, daß er den Tod nicht überwunden hätte. Es dauerte der Kampf so lange. Sie können sagen, von einem höheren Gesichtspunkte kommt das nicht in Betracht. Aber er mußte drei Tage mit dem Tode kämp­fen und hatte dieses Tableau des vergangenen Lebens und führte den Kampf gegen die Auflösung [des Leibes], den er mit seiner göttlichen Natur durchmachte wie der Mensch in seiner mensch­lichen Natur. Der menschliche Leib zerfällt mit dem Tode. Der Leib des Christus Jesus hat sich aufgelöst in der Erdensubstanz. Das können Sie ebensogut «Vergehen» nennen wie «Auflösen» und «Bestehenbleiben».

Etwas Erlösendes geschieht, eine Wirkung auf Elementargeister wird ausgeübt durch das Hineinziehen in ihr Reich.

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XIX Freitag, 22. September 1922, vormittags

[Zu Beginn der Zusammenkunft wurde nochmals über Formulierungen des Treuegelöbnisses gesprochen. Das Gespräch wurde vom Stenographen nicht festgehalten. - Vor der Barettübergabe an Friedrich Rittelmeyer spricht Rudolf Steiner:]

Es ist dies also die letzte Handlung, die aus dem Geiste heraus vorzunehmen ist, aus dem heraus der Versuch von mir unternom­men worden ist, unmittelbar aus der geistigen Welt heraus diese Bewegung als eine ritustragende in der Welt zu verwirklichen. Diese Zeremonie soll in Zukunft vorgenommen werden, jedesmal bevor die erste Messe von dem zum Priester Geweihten verrichtet wird. Sie soll eine andersartige Handlung sein als alle übrigen, daher weniger in feste Formen gekleidet. Aber dem Geiste nach soll sie doch kurz dasjenige enthalten, was ich nun mit den folgenden Worten zum Ausdruck bringen will. Sie wird deshalb auch nicht eingekleidet durch die zeremoniellen Worte des Kreuzmachens oder des «Christus in euch», sondern sie wird unmittelbar ohne Einleitung und ohne den üblichen Schlußsatz vorgenommen. Sie wird in der Weise vollzogen, die ich mit den Worten bezeichne:

Alles dasjenige, was Dir bisher geworden ist an Sinnbildern Deines Handelns im Sinne dieser spirituellen Bewegung, drückt aus Deine Gemeinschaft mit den göttlichen Welten, die über der Erde walten. Das Sinnbild, das Du jetzt empfängst, drückt aus Dein anderes Verhältnis von Dir aus zu den Menschen, für die Du Dein Amt verwaltest. Das heißt, Du hast durch die vorhergehen­den Ritualien Deine Gemeinschaft mit der göttlichen Wesenheit erhalten. Durch dieses Zeichen erhältst Du Deine Macht über diejenigen, die sich Dir anvertrauen als Gemeindeglieder. Du führest sie kraft des Amtes, das symbolisiert ist in dieser Behü­tung Deines eigenen Hauptes.

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Das Barett wird dem Neu geweihten aufgesetzt.

Du trägst dieses immer, um auszudrücken dieses Dein Verhältnis zu der Laiengemeinschaft; Du trägst es auf dem Wege zum Altar, Du trägst es auf dem Wege vom Altar; Du trägst es überall da, wo Du zu einer feierlichen Zeremonie oder einem Sakrament schrei­test. Dieses Abbild Deiner Amtsgewalt, einer Amtsgewalt, inner­halb der Du die priesterlichen Handlungen ausführst, nehme hin.

Wenn der Priester am Altar ankommt, wird das Barett dem Ministranten übergeben; der legt es auf das Seitentischchen bis zum Schluß. Wird die Messe unterbrochen bei irgendeiner Sache, also überall da, wo man vom Altar weg- oder zum Altar hin-schreitet, wird es aufgesetzt, nie am Altar selbst. Am Schlusse der Messe, nach dem Worte «Die Menschenweihehandlung, das war sie», nimmt der Priester den Kelch in die linke Hand, mit der rechten Hand setzt er das Barett auf und geht dann weg, indem die rechte Hand nun wieder auf dem Kelche ruht.

[Nun zelebriert Friedrich Rittelmeyer die Menschenweihehandlung. Nach ihrer Beendigung spricht Rudolf Steiner:]

Meine lieben Freunde! Die letzte zeremonielle Handlung, die hier an diesem Orte zur Inaugurierung Eurer Sendschaft für die Welt vollzogen werden sollte, ist verrichtet und Ihr werdet nun aufneh­men das hier Vollzogene in Eure Gedanken, in Euer Fühlen, in Euern Willen, und Ihr werdet nach Eurem eigenen Ermessen und nach Eurer eigenen Einsicht in Hinkunft alles dasjenige voll­ziehen, was aus dem Geiste durch Euch gezogen ist, was hier eingeleitet, inauguriert worden ist.

Es sind nur wenige Worte, die am Schlusse von mir zu Euch zu sprechen sind. Ihr werdet finden, daß Ihr einen schweren Weg zu gehen habt. Auf die Schwierigkeiten im einzelnen, von denen gesprochen worden ist, hat sich Euer Blick ja bereits gelenkt. Aber sicher ist es gut, wenn Ihr jetzt, bevor Ihr hinausgeht in die

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Welt zu eigenem Wirken, Euch unbefangen und unumwunden vor die Seele stellt, daß dasjenige, was Ihr zu unternehmen ge­denkt, heute in der Erdenwelt draußen nicht umfriedet ist, son­dern umkämpft ist, und Ihr werdet zu all dem, was Ihr unternehmet aus dem Geiste heraus, der hier beginnen soll durch Euch zu wirken, was Ihr unternehmet für diejenigen, die sich Euch an­vertrauen werden, Ihr werdet zu all dem hinzu ein waches Auge haben müssen für das Umkämpftwerden desjenigen, was Ihr zur Seele Eures Wirkens machen wollt. Wir könnten auch heute bei dieser Gelegenheit, wo es sich darum handelt, das wache Auge für die Welt zu dem von Gott begeisterten Herzen hinzuzufügen, vieles anführen, aber ich will nur eines der Zeugnisse Euch vor die Seele führen, das Euch bedeuten wird, wie stark Ihr selber werdet dastehen müssen, wenn Ihr gegen all das hindurchdringen wollt, was an Urteil die Welt heute gegen das vorlegt, was Ihr als die Seele, die lehrende Seele in Eure Wirksamkeit aufgenommen habt, was vordringt gegen das, was hier anthroposophische Weltan­schauung genannt wird.

Wir sehen ja, nicht wahr, wie sehr man manchmal mit gerade­zu teuflischem Wirken gegen anthroposophische Weltanschauung kämpft. Wir wollen heute nicht darauf unser Augenmerk richten, wir wollen aber unser Augenmerk darauf lenken, wie schwer es in unserer Zeit selbst denjenigen wird, die wenigstens einen geringen Grad von Unbefangenheit sich bewahren möchten, es aber absolut nicht können, aus dem Grunde, weil dasjenige, was durch Jahr­hunderte heraufgeströmt ist, die Seelen der Menschen heute durchaus umspielt und ihnen den freien Ausblick gerade in die geistigen Kräfte wirklich verdunkelt. Ihr werdet daher durch­dringen müssen durch dieses Dunkel, denn Ihr dürft mir glauben, dieses Dunkel wird in manchen Stunden auch Eure Seelen um­schweben. Dieses Dunkel wird an Euch herankommen und wird an Euch gar manche Frage stellen, die dahin geht: Ist es wirklich so, daß die geistige Welt von den letzten drei bis vier Jahrhunder­ten an in einer neuen Weise begonnen hat, zu den Menschen zu sprechen? Es ist so! Und ihr werdet Euch durchringen müssen zu

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der Erkenntnis, daß es so ist. Aber Ihr werdet stark sein mussen, um Euch durchzuringen.

Und deshalb möchte ich Euch ein gerade in diesem Augenblick sich bietendes Beispiel vor die Seele führen, welches Euch zeigen wird, wie diese verfinsternden Wolken auf die Seelen der Menschen kommen und ihnen den weiteren Ausblick in die heute auf die Erde hereinströmende Geistigkeit verdunkeln.

Es ist noch nicht lange her, da hat aus der katholischen Kirche heraus ein Benediktinerordenspriester, also einer derjenigen, die in der katholischen Kirche in der freiesten Weise ihre Gedanken äußern, ein schönes Büchelchen geschrieben über das Wandeln der Menschenseele im göttlichen Angesicht, und dieses Büchelchen, das in deutscher Sprache in einer billigen Büchersammlung er­schienen ist, könnte eigentlich manchem viel nützen. Nicht den­jenigen, die das Wandeln im Lichte des Geistigen im Sinne unse­rer Zeit suchen, aber denen, die sich eine wirkliche Anschauung davon verschaffen wollen, wie in jener Zeit, in welcher sich schon abdunkelte, was in den ersten christlichen Jahrhunderten von älteren Mysterien noch vorhanden war, die besseren Seelen ihr Gemüt zu vertiefen gesucht haben, indem sie sich stets vor Augen geführt haben das immerwährende Wandeln der menschlichen Seele im Antlitz Gottes. In dieser Beziehung ist die Erzählung des Benediktinerpaters ja gerade ein Geständnis dafür, daß selbst ein vorzüglicher Mensch sich heute nicht mehr retten kann aus der Öde der verfinsterten Welten. Derselbe Mensch, der dieses in mancher Beziehung gute Büchlein über das Wandeln der Men­schenseele im Angesicht Gottes geschrieben hat, hat vor kurzer Zeit eine Verurteilung der Anthroposophie geschrieben, in dem Sinne, daß er der heutigen Menschheit ausnahmslos überhaupt die Möglichkeit abspricht, auf den Wegen, die die Menschenseele gehen kann, zu dem Geistigen zu kommen. Er stellt sich vor, daß das Göttlich-Geistige in einer gegenüber der Menschenseele kos­mischen Ferne liegt, daß in der Menschenseele stets vorhanden ist das Sehnen nach dem Zusammenleben mit diesem Göttlich-Geistigen, aber er behauptet, daß nur in zwei Fällen es einem

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Menschen möglich gewesen sei, für ganz kurze Zeit und in einer ungenügenden Weise, aber doch immerhin in deutlicher Weise, sich von der menschlichen Seele aus zu verbinden mit der gött­lich-geistigen Welt. Diese zwei Fälle nimmt er an bei Plotin und bei Buddha. Der Benediktinerordenspriester stellt also heute die Behauptung auf, es hätten nur diese zwei menschlichen Persön­lichkeiten durch eine besondere Fügung in der Entwickelung der Erde es dahin gebracht, ihre Seele in die Nähe der göttlich-geistigen Welt bringen zu können und dadurch in einem gewissen Sinne eine göttlich-geistige Erleuchtung für die übrigen mensch­lichen Persönlichkeiten haben können. Damit aber, so behauptet er, sei die Kraft der Menschheit erschöpft, welche aus der menschlichen Seele heraus irgend etwas tun könne, um in die Nähe der göttlich-geistigen Welt zu kommen. Daher sei - abge­sehen von diesen zwei Persönlichkeiten - alles ein Irrglaube, was mit der Behauptung auftritt, die göttlich-geistige Welt, das spiri­tuelle Dasein wirklich durch Menschenkräfte mit der Erde ver­binden zu können. Es bleibe der schwach gewordenen Mensch­heit nichts anderes übrig, als die historische Erscheinung des Jesus von Nazareth hinzunehmen und in dem unerleuchteten Glauben durch die Kraft Christi dasjenige in der Finsternis zu erringen, was im Lichte nicht zu erringen ist. In einer ziemlich starken Weise erklärt Mager dies. Er faßt die Situation der Menschheit gegenüber der göttlich-geistigen Welt auf wie die Situation eines Heeres, das die Stätte des Göttlich-Geistigen erstürmen wolle. Es sei, als hätte sich ein Heer die Aufgabe gestellt, eine Festung zu erstürmen, nur ein paar der Kühnsten erstürmen die Mauer, damit bricht der Angriff in sich zusammen. Und so bleibt dem Menschen nichts anderes übrig, als zu verzichten auf eine Verbindung seines Bewußtseins mit der göttlich-geistigen Welt.

Aus einer solchen Anschauung heraus kann Mager, der Bene­diktinermönch, ja selbstverständlich nicht anders, als in der An­throposophie das sehen, was er eben in ihr sieht. Es sind allerdings charakteristische Worte, die er spricht, aber es sind dies Worte der vollständigen Verfinsterung der menschlichen Seele. Es sind die

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folgenden Worte, die er spricht: «Meine innerste wissenschaftliche Überzeugung ist es, daß die Anthroposophie Steiners nicht anders charakterisiert werden kann, denn als die geschickte Systematisie­rung von Halluzinationen zu einem Weltbilde.» - Und das, was in solcher Weise aus der Anthroposophie hervorgeht, das muß er, als von Halluzinationen herrührend, ablehnen. Er kann in den an­throposophischen Bestrebungen keine wirkliche «religiöse Volks-erneuerung» finden und muß daher die warnende Stimme dagegen erheben. Das ist das Urteil eines katholischen Volkserziehers. Zahlreiche andere Urteile lauten ganz ebenso, auch das Urteil zahlreicher evangelischer anerkannter Seelenhirten, die nicht oft genug die warnende Stimme erheben können.

Nun, meine lieben Freunde, diese warnenden Stimmen werden auch wider Euch erhoben werden. Ihr müßt Euch klar sein, daß es selbst denjenigen, die die Dinge betrachten wie sie sind, durch die Verfinsterungen, die heute in den Seelen der Menschen sind, nicht leicht ist einzusehen, daß es in der Weltentwickelung in derjenigen Zeit, in der die Menschheit im Laufe der neuzeitlichen Entwickelung zur Freiheit den ersten Impuls erhalten soll, immer Seelen gegeben hat, die den Weg zu der göttlich-geistigen Welt gefunden haben. Die Stimmen, die daher kommen, werden nur einfach nicht gehört, weil sie von keinem Lichte erhellt werden. Denn um sie erklingen zu machen, müssen sie vom rechten Lichte erhellt werden. Die Finsternis nimmt zugleich von den Menschen auch dasjenige weg, was zu ihnen ertönen möchte als die Stimme des Geistigen. Ihr möget daher zu all dem, was Ihr an Begeiste­rung durch das Erfülitsein mit dem lebendigen Worte, was Ihr an Kraft der Sündenheilung hinaustraget in die Welt, was Ihr gewis­sermaßen einzuschließen habt in das, was die Menschheit ihr Ge­bet, ihre Meditation nennt, Ihr möget zu alldem die Wachsamkeit aufnehmen in Euch, damit Eure Wahrheit wirksam sein kann.

Ihr werdet wachsam sein müssen, erstens darauf, wie stark der Geist der Verfinsterung die Seele selbst verfinstert, und Ihr wer­det wachsam sein müssen, daß in keiner Stunde, in keiner Minute, in keiner Sekunde Eures wirksamen Daseins Euch der Geist der

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Verfinsterung selbst ergreift. Deshalb sage ich Euch, meine lieben Freunde, da ihr Euch hinauszugehen entschließen müßt zu Eurer Sendung, indem ich nochmals die Worte spreche, die ja oft gesprochen worden sind, aus diesem Geiste heraus, der nun Eure Bewegung inaugurieren soll:

Wachet und erhebet Eure Seelen zu dem Geiste, der da waltet durch alle Weltenräume, durch alle Zeitenkreise. Wenn Ihr die Stärke dazu entwickelt, so werdet Ihr es können, dann werdet Ihr nicht allein sein. Es werden Euch helfen diese geistigen Mächte selber. Sie werden Eure Gedanken erleuchten, sie werden Euer Gemüt durchkraften, sie werden Euren Willen erstarken. Und mit von der geistigen Welt aus erleuchteten Gedanken, mit von der geistigen Welt aus erkrafteten Gefühlen, mit dem aus der geistigen Welt heraus erstarkten Willen werdet Ihr wirken können. Neh­met die Versicherung mit, daß meine Gedanken Euch immer begleiten werden und daß, wo Ihr im rechten Sinne Hilfe braucht, Ihr mich immer zu dieser Hilfe bereit finden werdet.

Das sind die Worte, die ich Euch jetzt am Schluß mitgebe, wenn Ihr den Weg antretet zu der von Euch selbst gewählten, aus der Kraft des Christus gewollten Sendung.

Friedrich Rittelmeyer: Es ist uns ein Bedürfnis, ein kurzes Wort zu sagen über das, was sich eigentlich mit Worten gar nicht aussprechen läßt: über den tiefen und großen Dank, den wir alle gegen Sie im Herzen tragen. Sie sind uns ein starker, ein außerordentlicher Vermittler zu Christus hin geworden, und ich glaube, ich kann im Namen von uns allen das Gelöbnis ablegen, daß wir kämpfen werden wie die Löwen für das, was durch Sie uns geworden ist und für das, was uns noch weiter von Ihnen her kommen wird. Zunächst stehen wir alle unter dem Eindruck der großen Güte, die wir von Ihnen erfahren haben. Wenn wir zurückdenken an die Stunden, die wir in Dornach erlebt haben, von der ersten ernsten Stunde im Glashaus, wo wir über den Abschied unseres Freundes Geyer gesprochen haben, durch die feierliche Handlung, die Sie mit uns gefeiert haben, durch die Vorträge hindurch, in denen Sie so gütig uns das Beste und Tiefste, was uns erschlossen werden kann, erschließen wollten, bis zu diesem letzten Tag, den wir heute mit Ihnen erleben dürfen, so steht uns vor der Seele das Gedächtnis an eine ganz einzigartige Weisheit und Güte und ein außerordentlicher Ernst, mit dem Sie uns von Tag zu Tag geführt haben. Die mögen uns das Vorbild werden für unser eigenes seelsorgerisches Wirken.

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Wir haben öfters im Freundeskreis nach Vergleichen gesucht für das, was wir erlebt haben, um es in seiner ganzen Bedeutung doch möglichst nicht zu verschlafen, während wir darinstehen. Wir haben an dies und das gedacht, das uns aus der Geschichte bekannt ist. Wir haben nichts gefunden, das sich vergleichen ließe seit der Zeit, da der Christus auf die Erde gekommen ist. Wir empfinden ganz tief, daß wir, die wir nun durch die Vorsehung dazu berufen worden sind, das durchzukämpfen, wir empfinden in der tiefsten Ehrfurcht, daß wir mit Aufopferung unseres ganzen selbständigen Wesens ganz dafür einzutreten haben für das, was uns geworden ist, und daß wir unsere Freiheit darin sehen müssen, die Größe dessen einzusehen, was über uns gekommen ist.

In diesem Sinne wollen wir weiter wirken. Wir sind uns bewußt, daß wir durch uns allein das nicht können. Außer der Hilfe der geistigen Welt und des Christus selbst, die wir selbst täglich suchen wollen, bitten wir, daß auch Sie uns, wie Sie so verheißungsvoll zugesagt haben, mit Ihrem Rat und Ihrer Tat jederzeit beistehen mögen Wir fühlen uns viel zu schwach und klein, um das zu vertreten, was wir vertreten wollen.

In diesem Sinne wollen wir unsere Tagung beschließen, indem wir unseren tief empfundenen Dank aussprechen, mit schwachen Worten aussprechen und Sie von ganzem Herzen um Ihre weitere Unterstützung bitten.

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WANDTAFELZEICHNUNGEN UND -ANSCHRIFTEN bei den Zusammenkünften in Dornach vom 6. bis 22. September 1922

zur Begründung der Christengemeinschaft


Tafel 1 II 7. September 1922 nachmittags

Tafel 2 VI 11. September 1922, nachmittags

Tafel 3 XII 18. September 1922 nachmittags

XIII 19. September 1922 vormittags

Tafel 4 XVI 20. September 1922 abends

Tafel 5 XVII + XVIII 21. September 1922 vormittags + nachmittags

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VERZEICHNIS DER ORIGINALHANDSCHRIFTEN RUDOLF STEINERS

Die in den Vortragen besprochenen Elemente kultischer Handlungen und Übersetzungen von Evangelientezten sind wiedergegeben nach den im Archiv der Rudolf Steiner Nachlaßverwaltung liegenden Originalhand­schriften Rudolf Steiners

Anfang der Menschenweihehandlung und trinitarische Epistel NZ 3521 besprochen am 8. September 1922, nachmittags

Johannes 1, 1-14 NZ 3477

besprochen am 8. September 1922, nachmittags

Mein Ich NZ 3520-3520a

besprochen am 9. September 1922, nachmittags

(Original im Besitz der Christengemeinschaft)

Ewiger Grund (zur Priesterweihe) NZ 3515-3518

Handschrift auf den Seiten 97-102

Ihr seid gestorben (Kol. 3, 3-4) NB 287

besprochen am 18. September 1922, vormittags

Handschrift auf Seite 268

Ich bekenne NZ 3519

besprochen am 18. September 1922, nachmittags

Notizbucheintragungen zum 19. September 1922 NB 287

Handschrift auf den Seiten 269/270

Nachdem er sein Körperleben (Hebr. 5, 9-10) NZ 4436

besprochen am 19. September 1922, vormittags

Handschrift auf Seite 271

Ich ermahne dich (2. Tim. 1, 6) NZ 4436

besprochen am 19. September 1922, vormittags

Handschrift auf Seite 272

Verliere aus deinem Seelenauge (1. Tim. 4, 14) NZ 4436

besprochen am 19. September 1922, vormittags

Handschrift auf Seite 272

Lerne deine Gedanken («Sündenheilung») NB 287

besprochen am 20. September 1922, vormittags Handschrift auf Seite 273

Anfang Joh. 17: (1922). Jesus versetzte sich in die Geistesschau NB 288

besprochen am 21. September 1922, vormittags

Handschrift auf den Seiten 274/275

In dem heilenden Öle NB 288

besprochen am 21. September 1922, vormittags

Handschrift auf Seite 276

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NOTIZBUCHEINTRAGUNGEN

zu den Zusammenkünften vom 6. bis 22. September 1922

zur Begründung der «Christengemeinschaft»

Die Einzel- und Doppelseiten sind gegenüber

den Originalen um ca. 20% verkleinert

268

-276

#Bild s. 268-276

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ÜBERSICHT ÜBER DIE VORTRÄGE UND KURSE

die Rudolf Steiner den Mitarbeitern

der Bewegung für religiöse Erneuerung gehalten hat

12. bis 16. Juni 1921

In Stuttgart gibt Rudolf Steiner einen ersten Kurs für Theologiestudie­rende: Sechs Vorträge und zwei Besprechungen. (Anthroposophische Grundlagen für ein erneuertes christlich- religiöses Wirken, GA 342)

26. September bis 10. Oktober 1921

Auf Bitten der Teilnehmer des ersten Kurses gibt Rudolf Steiner für einen nun wesentlich erweiterten Kreis von ca. 120 Teilnehmern in Dornach einen umfassenden Kurs von 29 Vorträgen und Diskussions-stunden.

(Spirituelles Erkennen - religiöses Empfinden - kultisches Handeln, GA 343)

6. bis 22. September 1922

Rudolf Steiner gibt in Dornach einen Vortragskurs anläßlich der Begrün­dung der Christengemeinschaft.

(Vorträge bei der Begründung der Christengemeinschaft, GA 344)

11. bis 14. Juli1923

Rudolf Steiner hält in Stuttgart vier Vorträge für die Priester der im

Vorjahr begründeten Christengemeinschaft.

(Vom Wesen des wirkenden Wortes, GA 345>

5. bis 19. September 1924

In Dornach hält Rudolf Steiner achtzehn Vorträge für die Priester der Christengemeinschaft über die Apokalypse des Johannes (GA 346)

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DIE GRÜNDER DER CHRISTENGEMEINSCHAFT

Friedrich Rittelmeyer

Emil Bock

Johannes Werner Klein

Gertrud Spörri

Johannes Perthel

Friedrich Doldinger

Alfred Heidenreich

Rudolf von Koschützki

August Pauli

Hermann Beckh

Heinrich Rittelmeyer

Fritz Blattmann

Hermann Fackler

Wilhelm Ruhtenberg

Claus von der Decken

Wilhelm Salewski

Otto Becher

Heinrich Ogilvie

Kurt Philippi

Martin Borchart

Hermann Groh

Wolfgang Schickler

Adolf Müller

Marta Heimeran

Richard Gitzke

Karl Stegmann

Erwin Lang

Eberhard Kurras

Arnold Goebel

Otto Franke

Walter Gradenwitz

Joachim Sydow

Ludwig Köhler

Waldemar Mickisch

Gottfried Husemann

Rudolf Köhler

Jutta Frentzel

Rudolf Frieling

Thomas Kändler

Kurt von Wistinghausen

Wilhelm Kelber

Eduard Lenz

Gerhard Klein

Kurt Willmann

Harald Schilling

Biographisches über diese Persönlichkeiten findet sich in dem Buch «Die Gründer der Christengemeinschaft» von Rudolf F. Gädeke, Dornach 1992.

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HINWEISE

Die Vorträge und Besprechungen wurden mitstenographiert von Waltet

Vegelahn aus Berlin und von Rudolf Hahn aus Reinach bei Basel. Die bei­den schrieben jedoch nicht gleichzeitig mit, sondern wechselten tageweise.

Im einzelnen liegen folgende Nachsehriften vor:

Rudolf Hahn: 6., 13., 16., 21. (vor- und nachmittags) und 22. September 1922.

Walter Vegelahn: 7., 8., 9., 10., 11., 12., 17., 18. (vor- und nachmittags), 19. (nur vormittags) sowie 20. September 1922 (vor- und nachmittags).

Die Fragenbeantwortungen vom 19. September 1922 nachmittags sind nur in Form eines Referates von Gottfried Husemann festgehalten worden.

Sowohl Rudolf Hahn wie Walter Vegelahn hatten langjährige Erfahrun­gen im Mitschreiben von Vorträgen Rudolf Steiners. Der von ihnen überlie­ferte Text kann als absolut zuverlässig gelten. Probleme oder auch Lücken­haftes in den Nachschriften ergaben sich dennoch, und zwar aus folgenden

Gründen:

1. Die Stenographen waren gar nicht bei allen Zusammenkünften zugegen. So wurden zum Beispiel bei kultischen Handlungen oder bei internen Besprechungen keine Stenographen zugezogen. In der gesamten Darstel­lung des Begründungsgeschehens sind deshalb einige Tage nicht durch stenographische Mitschriften dokumentiert.

2. Das Mitschreiben von Diskussionen oder Besprechungen bietet auch dem geübten Stenographen gewisse Schwierigkeiten. Oft sind ihm die Teilnehmer nicht namentlich bekannt, manchmal sind diese akustisch schlecht zu verstehen, sei es, daß sie ihre Plätze entfernt vom Stenogra­phen haben, sei es, daß sie schnell oder undeutlich sprechen, oder anderes mehr. Diese Schwierigkeiten sind auch den hier vorliegenden Nach-schriften anzumerken. So haben die Stenographen Fragen, Zwischenrufe oder auch längere Voten oft nur mit Stichworten festgehalten und sich darauf konzentriert, nur die Antworten oder Stellungnahmen Rudolf Steiners wörtlich mitzuschreiben. Die Nachschriften Rudolf Hahns wei­sen in dieser Hinsicht stärkere Kürzungen auf als die von Walter Vegelahn. Einiges konnte für die Herausgabe anhand der Liste der gestellten Fragen geklärt werden, die sich in Handschrift Emil Bocks erhalten hat (siehe Seite 197).

3. Wo nicht nur gesprochen, sondern auch etwas gezeigt wird, ist ein Stenograph zumeist überfordert. Dies gilt schon für das Zeichnen an der Tafel, besonders dann, wenn Zeichnungen im Verlaufe eines Vortrages

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entwickelt oder ergänzt werden. Noch schwieriger ist es, wenn etwas demonstriert wird, zum Beispiel in bezug auf kultische Handlungen. Bei den hier vorliegenden Nachschriften haben die Stenographen sich da­durch geholfen, daß sie dem Text gelegentliche Zwischenbemerkungen einfügten. Diese Zwischenbemerkungen sind für die Herausgabe über­nommen worden, ebenso wie die Kurzzusammenfassungen von Teilneh-mervoten. Einiges weniges wurde durch die Herausgeber ergänzt. Zur Unterscheidung von den Zufügungen der Stenographen ist alles von den Herausgebern Ergänzte in eckige Klammern [ ] gestellt.

Zu den Tafelzeichnungen: Die fünf Originaltafelzeichnungen Rudolf Stei­ners bei diesen Vorträgen haben sich erhalten, da die Tafel damals mit schwarzem Papier bespannt worden war. Sie sind diesem Band im Anhang beigefügt. Auf Tafel V sind die Kreidezeichen zum Teil verwischt und daher nicht mehr klar erkennbar.

Dem Vortragstext wurden zum besseren Verständnis an einigen Stellen Detailzeichnungen aus den Wandtafeln eingefügt.

Hinweise zum Text

Werke RMdoIfSteiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA> werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.

zu Seite

20 ich komme jetzt aMs Oxford: Rudolf Steiner hatte im August 1922 an der «Oxford Holiday Conference» einen Vortragazyklus gehalten, tDie geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst« (GA 305). Vgl. seine Schilderungen im Oxforder Vortrag vom 26. August 1922, GA 305, und im Stuttgarter Vortrag vom 3. Oktober 1922, in «Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation», GA 217.

21 ich habe das im Vortrag ausgesprochen: Im Oxforder Vortrag vom 26. August

1922, in «Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehung», GA 305.

als ich dazM aufgefordert wurde, an einem Sonntag in der Chapel... einen Vortrag zu halten: Am 20. August 1922. Der Vortrag ist gedruckt im Band »Das Geheimnis der Trinität», GA 214.

22 Fritz Mauthner, 1849-1923, »Der Atheismus und seine Geschichte im Abend-lande», 4 Bände, Stuttgart 1920-1923, Nachdruck Frankfurt/Main 1989.

23 Herr Dr. Geyer hat einen Brief an mich gerichtet: Christian Geyer (1862-1929), Hauptprediger an der Sebalduskirche in Nürnberg. Sein Brief an Rudolf Steiner, datiert vom 4. September 1922, ist abgedruckt in «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe» Nr.110, Ostern 1993, S. 44f.

27 im allerersten Aufireten der Bewegung, als diese beiden Herren zu mir gekom­men sind: Damit sind wohl Werner Klein und Martin Borchart gemeint, die im

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Februar 1920 in Dornach waren, wo Klein das erste Gespräch mit Rudolf Steiner führte. Siehe hierzu die »Chronologische Übersicht» in Band 1 der «Vorträge und Kurse über christlich-religiöses Wirken», GA 342, sowie die Darstellung von Hans Werner Schroeder in »Die Christengemeinschaft. Ent­stehung, Entwicklung, Zielsetzung», Stuttgart 1990, Seite 52-56.

33 das Haus in Stuttgart: Zu dieser Zeit war in der Urachstraße in Stuttgart mit dem Bau eines Hauses für die Christengemeinschaft begonnen worden. Mit Herrn Leinbas war durch einen Vertrag die Vorfinanzierung durch den ,Kom­menden Tag' geregelt worden (siehe Emil Bock, »Leben und Werk«, Stuttgart 1993, Seite 304).

35 Schrften des Dionysius des Areopagiten: Die Schriften »Über die himmlische Hierarchie» und »Uber die kirchliche Hierarchie». Uber Dionysios Areopagita vgl. den Dornacher Vortrag vom 2. Juni 1921, in «Perspektiven der Mensch­heitsentwickelung, GA 204.

41 die Sprache ..., durch die man sich mit der in der geistigen Welt befindlichen Seele verständigen kann: Über das Sprachverstehen der Toten vgl. den Dorn­acher Vortrag vom 28. März 1919, in »Vergangenheits- und Zukunftsimpulse im sozialen Geschehen", GA 190, sowie die beiden Ozforder Vorträge vom 22. und 28. August 1922, in «Das Geheimnis der Trinität», GA 214.

45 seit dem Vorgehen Wydifi und anderer: John Wyelif (ca. 1320-1384), forderte für die Sakramentslehre eine klare biblische Begründung und bekämpfte die Transsubstantiationslehre - sie spreche den Priestern die Macht zu, den Leib Christi zu erzeugen und erhebe damit das Geschöpf über den Schöpfer.

46 in London in einem Vortrage: Vortrag vom 30. August 1922, enthalten im Band «Das Geheimnis der Trinitätt, GA 214, Scite 193.

54 Im Urbeginne war das Wort: Für den Beginn der Johannes-Evangeliums hatte

Rudolf Steiner schon viele Jahre zuvor eine eigene Übertragung gegeben. Die

Originalhandsehrift - sie ist nicht datiert und dürfte etwa aus dem Jahr 1906

stammen - umfaßt Johannes 1, 1-14. Die hier gegebene Fassung Johannes

1, 1-18 entspricht der bereits im Vortrag vom 2. Dezember 1906 über «Das

Mysterium von Golgathat vorgetragenen, enthalten im Band «Das christliche

Mysterium», GA 97. Von den letzten Zeilen (15-18) liegt keine schriftliche

Unterlage vor.

56 Goethe spricht oftmals von der großen und der kleinen Welt: Zum Beispiel in «Faust I», Walpurgisnacht, Vers 4044. Worte des Mephisto:

Es ist doch lange hergebracht,

Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.

Friedrich Schiller, »An die Astronomen»:

Schwatzet mir nicht so viel von Nebelflecken und Sonnen!

Ist die Natur nur groß, weil sie zu zählen euch gibt?

Euer Gegenstand ist der erhabenste freilich im Raume;

Aber, Freunde, im Raum wohnt das Erhabene nicht.

65 zornmütige(r) Impulse: In der Handschrift ist das »r» durchgestrichen.

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67 Was vorgeschlagen worden ist: «Opferfeier»: Friedrich Rittelmeyer hatte vor-geschlagen, die neue Messehandlung »Opferfeier» zu nennen.

73 Das Bild des Redentore aus der Galerie Brera in Mailand (siehe Ida Wyss, «Der Maler des Redentore-Bildes» in »Die Christengemeinschaft» Nr.7/1954), sowie das Bild des Gekreuzigten von Matthias Grünewald (Badische Kunst-halle, Karlsruhe).

97 Text zur Priesterweihe: Nach den Worten »Der zu Dir Kommende» hat Rudolf Steiner beim Vorlesen des Textes noch die Worte »die Handlung» hinzugefügt.

109 Das ursprüngliche Credo: Siehe hierzu Adolf Müller/Arnold Suckau, »Wer­destufen des christlichen Bekenntnisses», Stuttgart 1974.

«von gewissen Dingen»: Vermutlich ist dies eine Art Hilfsformulierung des Stenographen, weil er beim Schreiben nicht mitgekommen ist.

109/110 Athanasius-Arius-Streit: Streit über das Wesen des Vatergottes und des Sohnesgottes im 4. Jahrhundert.

125 ein »Numinoses»: Dies bezieht sich auf das Buch von Professor Rudolf Otto «Das Heilige», Breslau 1917. Vgl. auch Rudolf Steiners Vortrag vom 7. Sep­tember 1917, enthalten im Band »Menschliche und menschheitliche Entwick­lungswahrheiten. Das Karma des Materialismus», GA 176.

130 + 141f. Peter Korn war Lehrer, später Heilpädagoge. Lebensdaten sind nicht bekannt.

133 ein Wiener Professor, der katholischer Priester war und an der philosophischen Fakultät lehrte: Um welche Persönlichkeit es sich hier handelt, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Vgl. den ersten Hinweis zu Seite 112 in GA 342.

Professor Bickell: Siehe den zweiten Hinweis zu Seite 112 in GA 342.

135 was ich einmal in diesen Tagen hier in diesem Bau beschrieben habe: Im Vortrag vom 10. September 1922, enthalten im Band »Die Philosophie, Kos­mologie und Religion in der Anthroposophie», GA 215.

139 vorgestern . . . vor unseren Arbeitern: Im Vortrag vom 16. September 1922, enthalten im Band »Die Erkenntnis des Menschenwesens nach Leib, Seele und Geist. Über frühe Erdzustände», GA 347.

155 in meiner «Theosophie»: «Theosophie. Einführung in die übersinnliche Welt-erkenntnis und Menschenbestimmung» (1904), GA 9.

166 Der vom Stenographen nur man gelhafr festgehaltene Text lautet: Man steht auf der obersten Stufe des Altars. «Rechts und links» heißt nur, daß der Ministrant das Evangeliumbuch hält, daß man schief zum Altare steht und zugewendet ist den Gläubigen. Beim Offertorium liegt das Missale rechts und man steht in der Mitte. Der Unterschied zwischen dem ersten Teil des Lesens der Messe und dem späteren ist der, daß man beim Staffelgebet das Missale rechts, beim Evangelium links und bei allen folgenden Teilen der Messe so liegen hat, daß man es von der Seite ablesen kann.

283

169 die Memoranda-Angelegenheit: In einem Gespräch mit Hermann Heisler, Jo­hannes Werner Klein und Martin Borchart - im Januar 1922 in Mannheim -hatte Rudolf Steiner vorgeschlagen, von allen, die gewillt sind, sich der Bewe­gung zur Verfügung stellen, eine Art Memorandum schreiben zu lassen. Einige dieser Memoranden sind abgedruckt in dem Buch »Die Gründer der Christen­gemeinschaft» von Rudolf F. Gädeke, Dornach 1992.

172 Ich habe schon einmal zu Ihnen Dreien über die Schwierigkeit dieser Sache gesprochen: Vermutlich in einem der Gespräche, die Rudolf Steiner im August 1922 in Dornach mit Friedrich Rittelmeyer, Christian Geyer und Emil Bock geführt hatte.

184 daß in Spenglers «Untergang des Abendlandes» gesagt wird ...: Oswald Spengler (1880-1936), «Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Mor­phologie der Weltgeschichte». 2. Band, München 1922, 4. Kap.: «Der Staat. Das Problem der Stände: Adel und Priestertum».

185 »Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904/05), GA 10.

190 Ernst Uehli, 1875-1959, Religionslehrer an der Freien Waldorfschule in Stuttgart, und seit Herbst 1921 Mitglied des Zentralvorstandes der Anthroposophischen Gesellschaft. Er hatte auch an den beiden ersten Theologenkursen teilgenom­men.

207 zum Beispiel auch unter den «Siegeln und Säulen»: Bei den Reproduktionen der Siegel in dem Band «Bilder okkulter Siegel und Säulen. Der Münchner Kongreß Pfingsten 1907 und seine Auswirkungen», GA 284.

209 Ich glaube, ich habe Ihnen einmal klar gemacht, daß im Geistigen die Zahlen überhaupt nicht unseren Zahlen entsprechen: Im Vormittagsvortrag vom 8. Oktober 1921, in GA 343.

217 im schwachen Leibe: In der Textwiedergabe des Stenographen heißt es an dieser

Stelle: »in schwachen Leibern».

218 daß Schelling einmal eine Schnfr gelesen hat etwa aus dem 13. Jahrhundert: In der letzten Vorlesung seiner «Philosophie der Offenbarung» weist Schelling auf die von Joachim von Fiore begründete Lehre von den drei Zeitaltern hin.

224 »Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums»

(1902), GA 8.

225 Stolze-Schrey-Stenographen: Die Stenographen, die die Vorträge Rudolf Stei­ners mitschrieben, verwendeten das System Stolze-Schrey.

233 Die Schweizer Pfarrer haben ja ausscheiden müssen: Die beiden christkatholi­schen (altkatholischen) Pfarrer Constantin Neuhaus und Hugo Schuster. Siehe

hierzu die entsprechenden Hinweise zu Seite 105 in GA 342 und zu Seite 250

in GA 343.

235 Herr Klein: Gerhard Klein.

254 Es ist noch nicht lange her, da hat . . . ein Benediktinerordenspriester . . . ein schönes Büchelchen geschrieben: Alois Mager O.S.B. (1883-1946), «Der Wandel in der Gegenwart Gottes», Augsburg/Stuttgart 1921.

284

254 Derselbe ... hat vor kurzer Zeit eine Verurteilung der Anthroposophie geschrie­ben: »Theosophie und Christentum», Berlin 1922.

Über die beiden Bücher von Alois Mager spricht Rudolf Steiner auch in dem Dornacher Vortrag vom 23. September 1922, in »Die Grundimpulse des weitgeschichtlichen Werdens der Menschheit», GA 216, sowie im Stuttgarter Vortrag vom S. Oktober 1922, in »Geistige Wirkenskräfte im Zusammenwir­ken von alter und junger Generation», GA 217; siehe ferner seinen Aufsatz «Alois Magers Schrift ,Theosophie und Christentum'. Mein Erlebnis beim Lesen dieser Schrift», enthalten im Band »Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart», GA 36.

285

NAMENREGISTER

(* = ohne Namensnennung)

Die Kursteilnehmer sind kursiv gesetzt

Abraham 144, 147

Archimedes 158

Arius 110

Athanasius 109

Augustinus 220, 248-250

Bickell, Gustav 133

Bock, Emil 25, 27, 31, 32, 59, 69-73, 168-171, 172*, 174-176, 197, 200, 203, 205, 207, 208, 212, 235, 238, 245-247

Böhme, Jakob 223

Borchart, Martin 27*

Calvin 250

Dionysius Areopagita 35

Doldinger, Friedrich 73

Geyer, Christian 23-30, 59

Goethe, Johann Wolfgang von 56, 234

Heidenreich, Alfred 73

Husemann, Gottfried 168

Kelber, Wilhelm 71

Klein, Gerhard 235

Klein, Johannes Werner 27*, 71, 73, 170, 172*, 243

Korn, Peter 130, 141f.

Liebig, Justus von 138

Löwenfeld, Raphael 244

Mager, Alois 254-256

Mauthner, Fritz 22

Melchi-Sadek 144f., 147-150

Otto, Rudolf 125

Paracelsus 223f.

Paulus 146, 150, 219

Perthel, Johannes 73

Petrus 219f.

Rittelmeyer, Friedrich 19, 20, 23, 26-28, 30-33, 59, 71-73, 90-95, 103, 142, 164, 168-171, 172*, 17f., 229f., 234, 247, 257

Rousseau, Jean-Jacques 46

Saulus, siehe Paulus

Schelling, Friedrich Wilhelm von 218

Schiller, Friedrich von 56, 234

Schwedes, Hans 169

Spengler, Oswald 184

Spörri, Gertrud 71, 73, 233

Steiner, Marie 232

Steiner, Rudolf (Werke) Das Christentum als mystische Tatsache (GA 8) 224

Theosophic (GA 9) 155 Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (GA 10) 185 Bilder okkulter Siegel und Säulen (GA 284) 207

Uehli, Ernst 190, 237 Wyelif, John 45

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.