GA 321

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE ÜBER NATURWISSENSCHAFT

Geisteswissenschaftliche Impulse
zur Entwickelung der Physik

Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs
Die Wärme auf der Grenze positiver
und negativer Materialität

Vierzehn Vorträge, gehalten
in Stuttgart vom 1. bis 14. März 1920

GA 321

1972

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Stuttgart, 1. März 1920

Die naturwissenschaftlichen Betrachtungen, die bei meinem letzten Aufenthalt hier gepflogen worden sind, sollen jetzt eine Art von Fortsetzung erfahren. Ich werde ausgehen diesmal von demjenigen Kapitel physikalischer Betrachtungen, das insbesondere wichtig sein kann für die Grundlegung einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung überhaupt, nämlich von der Betrachtung der Wärmeverhältnisse der Welt. Ich werde heute in einer Einleitung versuchen, Ihnen gerade darzulegen, inwiefern durch eine solche Betrachtung, wie wir sie jetzt pflegen wollen, eine Anschauung geschaffen werden kann für die Bedeutung der physikalischen Erkenntnisse innerhalb einer allgemein menschlichen Weltanschauung und wie dadurch der Grund gelegt werden kann zu einer Art pädagogischer Impulse für den naturwissenschaftlichen Unterricht. Wie gesagt, heute wollen wir von einer Art prinzipieller Einleitung ausgehen und sehen, wie weit wir damit kommen.

Die sogenannte Wärmelehre hat ja im 19. Jahrhundert eine Gestalt angenommen, durch die einer materialistischen Betrachtung der Welt außerordentlich viel Vorschub geleistet worden ist. Aus dem Grunde Vorschub geleistet worden ist, weil die Wärmeverhältnisse in der Welt vor allen Dingen Veranlassung dazu geben, den Blick abzuwenden von der eigentlichen Natur der Wärme, von der Wärmewesenheit, und ihn hinzulenken auf die mechanischen Erscheinungen, die aus den Wärme-verhältnissen sich ergeben.

Wärme, sie kennt der Mensch zunächst dadurch, daß er die Empfin-dungen hat, die er mit kalt, warm, lau und so weiter bezeichnet. Allein, die Menschen werden sehr bald darauf aufmerksam, daß mit dieser Empfindung etwas zunächst Vages gegeben zu sein scheint, etwas jedenfalls Subjektives. Wer das einfache Experiment macht - wir brauchen es hier nicht zu machen, es würde uns nur aufhalten, aber es kann es jeder für sich selber immer machen -, kann sich von folgendem überzeugen:

Denken Sie sich, Sie haben hier ein Gefäß, mit Wasser gefüllt, von

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irgendeiner ganz bestimmten Temperatur t, rechts davon haben Sie ein Gefäß, ebenfalls mit Wasser gefüllt, mit einer bestimmten Temperatur t - t, das heißt, mit einer Temperatur, die wesentlich niedriger

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ist als jene in dem ersten Gefäß. Dann haben Sie weiter ein Gefäß mit Wasser der Temperatur t + t'. Wenn Sie nun Ihre beiden Arme nehmen und die Finger eintauchen in die zwei äußeren Gefäße zunächst, so nehmen Sie empfindungsgemäß den Wärmezustand der zwei Gefäße wahr. Sie können dann die eben eingetauchten Finger in das mittlere Gefäß eintauchen, und Sie werden sehen, daß dem Finger, der in die Flüssigkeit niedriger Temperatur eingetaucht war, die Temperatur im mittleren Gefäß verhältnismäßig warm erscheint, während dem Finger, der in die wärmere Flüssigkeit eingetaucht war, die Temperatur kalt erscheint. So daß also dieselbe Temperatur verschieden erscheint für die subjektive Empfindung, je nachdem man vorher der einen oder anderen Temperatur subjektiv ausgesetzt war. Jeder Mensch weiß ja auch, daß, wenn er in einen Keller geht, das verschieden sein kann, je nachdem ob er im Sommer oder im Winter in den Keller geht. Geht er im Winter hinein, so kann ihm unter Umständen, selbst wenn das Thermometer dieselbe Temperatur zeigt, der Keller warm erscheinen, während, wenn er im Sommer hineingeht, ihm der Keller kühl erscheint. Und daraus schließt man zunächst nur: Ja, die subjektive Empfindung von Wärme ist nicht maßgebend; es handelt sich darum, irgendwie objektiv feststellen zu können, wie der Wärmezustand irgendeines Körpers oder irgendwo ist. Nun, ich brauche ja hier nicht auf die elementaren Erscheinungen einzugehen, und auch nicht auf die elementaren Werkzeuge des Wärmemessens. Die müssen als bekannt vor-ausgesetzt werden. Daher kann ich einfach sagen: Wenn man nun

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objektiv mit dem Thermometer den Stand der Temperatur eines Körpers oder eines Raumes mißt, so hat man das Gefühl: Ja, da mißt man eben die Grade vom Nullpunkt nach aufwärts oder abwärts, und man bekommt ein objektives Maß für den Wärmezustand. Man macht dann in seinen Gedanken einen wesentlichen Unterschied zwischen dieser objektiven Feststellung, an der gewissermaßen der Mensch nicht beteiligt ist, und der subjektiven Feststellung durch die Empfindung, an der der Mensch beteiligt ist.

Nun, für alles das, was man während des 19. Jahrhunderts ange-strebt hat, kann man sagen, ist diese Auseinanderhaltung etwas ge-wesen, was in einer gewissen Beziehung fruchtbar war, was seine Erfolge gezeitigt hat. Aber wir sind jetzt in einer Zeit, wo man auf gewisse Dinge durchaus aufmerksam werden muß, wenn man in fruchtbarer Weise auf diesem oder jenem Gebiet des Wissens oder der Lebens-praxis vorwärtskommen will. Und daher müssen heute aus der Wissenschaft selbst heraus gewisse Fragen gestellt werden, die man einfach unter dem Einfluß solcher Konklusionen, wie ich sie dargelegt habe, übersehen hat. Eine Frage ist die: Ist ein Unterschied, ein wirklich objektiver Unterschied zwischen dem Konstatieren durch meinen Organismus gegenüber der Temperatur eines Raumes oder Körpers und dem Konstatieren dieser Temperatur durch das Thermometer, oder täusche ich mich - es kann mir nützlich sein für das Leben, diesen Unterschied zu machen -, wenn ich diesen Unterschied in meine Ideen und Begriffe, die dann die Wissenschaft ausbauen soll, hineintrage? - Es wird der ganze Kursus dazu dienen müssen, zu zeigen, wie heute solche Fragen aufgestellt werden müssen. Denn ich werde, ausgehend von den prinzipiellen Fragen, aufzusteigen haben zu denjenigen Fragen, die heute, weil man solche Dinge nicht berücksichtigt hat, einfach dem praktischen Leben in wichtigen Gebieten entgehen. Wie sie auf dem Gebiete der Technik dem Leben entgehen, werden Sie noch sehen. Jetzt will ich nur prinzipiell auf folgendes aufmerksam machen: Unter den Betrachtungen, die ich gleich nachher charakterisieren will, ist eigentlich ganz verlorengegangen die Aufmerksamkeit auf das Wärmewesen selbst. Und dadurch ist verlorengegangen die Möglichkeit, dieses Wärmewesen in ein Verhältnis zu bringen zu derjenigen Organisation, mit

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der wir es in bestimmten Gebieten der Lebenspraxis vor allen Dingen in ein Verhältnis bringen müssen: zum menschlichen Organismus selbst. Wenn wir heute bloß roh - es soll ja nur einleitungsweise sein -charakterisieren, auf was es ankommt, so müssen wir aufmerksam machen darauf, daß wir ja in ganz bestimmten Fällen verpflichtet sind heute, die Temperatur des eigenen menschlichen Organismus zu messen, zum Beispiel wenn er in Fieberzuständen ist. Daraus können Sie ersehen, daß das Verhältnis des unbekannten, zunächst unbekannten Wärmewesens zum menschlichen Organismus eine gewisse Wichtigkeit hat. Das Radikalste, wie es sich bei chemischen und technischen Prozessen verhält, will ich später betrachten. Aber man wird niemals seine Aufmerksamkeit in der richtigen Weise auf diese Beziehung des Wärmewesens zum menschlichen Organismus richten können, wenn man von einer mechanischen Auffassung des Wärmewesens ausgeht, weil sich einem dann die Tatsache entzieht, daß im menschlichen Organismus, je nach den Organen, eine ganz verschiedene Wärmeempfänglichkeit besteht für das Wärmewesen selbst, daß das Herz, die Leber, die Lunge ganz verschiedene Kapazitäten haben, sich zum Wärmewesen zu verhalten. Daß man daher ein wirkliches Studium gewisser Krankheitssymptome ohne diese verschiedenen Wärmekapazitäten der einzelnen Organe nicht pflegen kann, das entzieht sich der Betrachtung einfach dadurch, daß durch die physikalische Anschauung von der Wärme keine Grundlage dazu geschaffen ist. Wir sind heute nicht in der Lage, die physikalische Anschauung, die wir im Laufe des 19. Jahrhunderts von der Wärme ausgebildet haben, hineinzutragen in das Gebiet des Organischen. Das ist heute demjenigen bemerklich, der ein Auge hat für die Schäden gegenwärtiger physikalischer sogenannter Forschungen für die höheren Zweige, sagen wir der Erkenntnis des organischen Wesens selber. Deshalb müssen gewisse Fragen aufgeworfen werden, Fragen, die vor allen Dingen bezwecken klare, durchschaubare Begriffe. An nichts leiden wir heute mehr, gerade in den sogenannten exaktesten Wissenschaften, als an unklaren, undurchschaubaren Begriffen.

Was heißt es denn eigentlich, wenn ich sage: Wenn ich den Finger hier eingetaucht habe rechts und links (siehe Zeichnung Seite 12), so

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habe ich, wenn ich die beiden Finger dann in ein Gefäß mit einer Flüssigkeit von bestimmter Temperatur eintauche, verschiedene Empfindungen; was heißt es denn? Ist wirklich objektiv in der Begriffsfeststellung ein Unterschied gegenüber der sogenannten objektiven Feststellung durch das Thermometer? Denken Sie sich doch einmal: Sie tauchen statt des Fingers hier (siehe Zeichnung, rechts) das Thermometer ein und Sie tauchen es da (Mitte) ein, so werden Sie verschiedene Thermometerstände bekommen, je nachdem Sie hier oder da eintau-, chen. Wenn Sie die beiden Thermometer nehmen statt der beiden Finger, so wird auch die Quecksilbersäule andere Tatsachen vollziehen in dem einen und in dem anderen Thermometer. Sie werden hier (rechts) einen tieferen und hier (links) einen höheren Therometerstand haben, der eine wird dann heraufgehen, der andere wird hinuntergehen. Sie sehen, die Thermometer machen nichts anderes, als was Ihre eigenen Empfindungen machen. Für die Feststellung eines Anschauungsbegriffes besteht kein Unterschied zwischen den beiden Thermometern und den Empfindungen Ihrer Finger. Da und dort wird genau dasselbe festgestellt, nämlich: Der Unterschied gegenüber dem früheren Stand. Und das, worauf es ankommt bei unserer Empfindung, das ist, daß wir nur in uns keinen Nullpunkt tragen. Würden wir einen Nullpunkt in uns tragen, würden wir also nicht bloß das, was unmittelbare Anschauung ist, konstatieren, sondern eine Vorrichtung in uns haben, die Temperatur, die wir subjektiv empfinden, auf einen Nullpunkt in uns selbst zu beziehen, dann würden wir durch das, was eigentlich nicht dazu gehört, was mit den Vorgängen nichts zu tun hat, dasselbe konstatieren können, was wir durch die Thermometer konstatieren können. Sie sehen also, für die Feststellung des Begriffs liegt ein Unterschied nicht vor.

Das ist dasjenige, was als Frage heute gestellt werden muß, wenn man überhaupt in der Wärmelehre auf klare Begriffe kommen will. Denn all diese Begriffe, die da existieren, sind im wesentlichen unklar. Aber glauben Sie nicht, daß das keine Folgen hat. Daß wir keinen Nullpunkt in uns feststellen können, hängt zusammen mit unserem ganzen Leben. Könnten wir einen Nullpunkt in uns feststellen, so würden wir einen ganz anderen Bewußtseinszustand, ein ganz anderes Seelenleben

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haben müssen. Gerade dadurch, daß sich dieser Nullpunkt bei uns verbirgt, gerade dadurch leben wir in unserem Leben.

Denn sehen Sie, vieles im Leben beruht ja darauf beim mensch-lichen Organismus - und beim tierischen Organismus schließlich auch -, daß wir gewisse Prozesse in uns nicht wahrnehmen. Wenn Sie alles dasjenige in subjektiven Empfindungen erleben müßten, was in Ihrem Organismus vorgeht, denken Sie, was Sie da alles zu tun hätten. Denken Sie an den ganzen Verdauungsprozeß, wenn Sie den in allen Einzelheiten mitmachen müßten. Vieles von dem, was zu unseren Lebensbedingungen gehört, beruht gerade darauf, daß wir gewisse Dinge nicht in unserem Bewußtsein mitmachen, die sich in dem Organismus vollziehen. Dazu gehört einfach, daß wir keinen Nullpunkt bewußt in uns tragen, daß wir kein Thermometer sind. So daß eine solche Unterscheidung des Objektiven und Subjektiven, wie sie gemacht wird, einfach für die weitergehenden Betrachtungen des Physikalischen nicht mehr ausreicht.

Das ist dasjenige, was eigentlich im Grunde genommen eine Frage ist, die locker ist in der menschlichen Betrachtungsweise seit dem alten Griechentum, die aber locker gelassen werden konnte. Nicht mehr locker bleiben kann sie für die Zukunft. Denn schon die alten Griechen-philosophen, Zeno vor allen Dingen - ich muß heute darauf aufmerksam machen, trotzdem es Ihnen pedantisch erscheinen wird -, sie haben auf gewisse Vorgänge im menschlichen Denken hingewiesen, die in einer eklatanten Weise in Widerspruch stehen mit dem, was äußere Wirklichkeit ist. Ich brauche nur an den Achillesschluß zu erinnern, auf

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den ich oftmals aufmerksam gemacht habe. Nehmen wir an, wir ha-ben hier den Weg s, den der Achilles (A) durchmacht, sagen wir in einer bestimmten Zeit. So schnell kann er laufen. Und hier haben wir die Schildkröte (S). Die hat den Vorsprung (AS). Achilles läuft der Schildkröte

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nach. Nehmen wir den Moment, da Achilles hier in S ankommt. Die Schildkröte läuft weiter. Der Achilles muß ihr nachlaufen. In der Zeit, in der er diese Strecke (A S) durchläuft, ist die Schildkröte hier angekommen (in 1), und in der Zeit, in der er diesen nächsten Raum (S 1) durchläuft, ist sie hier angekommen (in 2). Und so läuft immer die Schildkröte ein kleines Stückchen vorwärts. Der Achilles muß erst hinter ihr her laufen, was sie schon durchlaufen hat. Und Achilles kann der Schildkröte nie nachkommen.

Dieses wird gewöhnlich nun von den Menschen so behandelt, wie ganz gewiß manche Gemüter auch derer, die jetzt hier sitzen, die Sache behandeln. Ich sehe es Ihnen an. Sie denken: Das weiß ich ja ganz genau, der Achilles hat ganz natürlich die Schildkröte bald eingeholt, und die Sache ist einfach dumm, wenn man die Schlußfolgerung macht:

Der Achilles muß immer das frühere Stück durchlaufen, die Schild-kröte ist voraus, er kommt nie nach. Es ist einfach dumm - sagen die Leute. Das geht aber nicht, daß man so sagt, denn die Schlußfolgerung ist absolut zwingend und bindend, es läßt sich dagegen nichts sagen. Und es ist nicht etwa dumm, wenn dieser Schluß gemacht worden ist, sondern es ist ein außerordentlich - in der menschlichen Ratio - gescheiter Schluß, denn er ist absolut bindend, und man kommt nicht über ihn hinweg. Worauf beruht denn aber das Ganze? Solange Sie bloß denken, können Sie nicht anders denken, als dieser Schluß besagt. Aber Sie denken nicht so, weil Sie einfach die Wirklichkeit anschauen und wissen: Der Achilles kommt der Schildkröte selbstverständlich bald nach. Und da verwuseln Sie das Denken mit der Wirklichkeit, lassen sich auf das Denken nicht mehr ein. Den Menschen ist es ja nicht darum zu tun, sich auf das Denken einzulassen, und dann sagen sie: Der, der so denkt, ist einfach dumm. - Durch das Denken kriegt man nichts anderes heraus, als daß der Achilles der Schildkröte nicht nachkommt. Worauf beruht das aber? Das beruht darauf, daß, wenn wir unser Denken gerade konsequent auf die Wirklichkeit anwenden, dann das, was wir konstatieren, falsch wird gegenüber den Tatsachen der Wirklichkeit. Es muß falsch werden. Sobald wir unser rationalistisches Denken auf die Wirklichkeit anwenden, hilft uns nichts darüber hinweg, daß wir falsch sogenannte «Wahrheiten» konstatieren. Denn wir müssen

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einfach schließen, daß, wenn der Achilles der Schildkröte nachläuft, er jeden Punkt zu durchmessen hat, den die Schildkröte auch durchgemacht hat. Das ist ideel durchaus richtig. In Wirklichkeit aber macht er das nicht, er berührt nicht die Punkte. Seine Beine schreiten weiter aus als die der Schildkröte. Er macht das nicht durch, was die Schild-kröte durchmacht. Wir müssen uns also anschauen, was der Achilles tut. Wir können uns nicht darauf einlassen, bloß darüber zu denken. Dann kommen wir zu anderen Resultaten. Diese Dinge berühren das Gewissen der Menschen manchmal recht wenig, in Wahrheit aber sind sie außerordentlich bedeutsam. Und gerade heute, in der gegenwärtigen Zeit wissenschaftlicher Entwickelung, sind sie von der allergrößten Be-deutung. Dann erst, wenn wir einsehen, wieviel Wirklichkeit in unserem Denken über die Naturerscheinungen ist, wenn wir übergehen von den Anschauungen zu der sogenannten Erklärung, dann kommen wir mit den Dingen zurecht.

Nicht wahr, das Anschauliche, das ist etwas, was einfach beschrie-ben zu werden braucht. Daß ich folgendes machen kann, das braucht einfach beschrieben zu werden: Hier habe ich eine Kugel. Wenn ich sie durch dieses Loch werfe, geht sie durch. Das ist jetzt die Anschauung. Wir wollen jetzt einfach diese Kugel etwas erwärmen. Sie sehen, ich kann die Kugel jetzt auf das Loch legen, sie geht zunächst nicht durch. Sie wird erst wiederum durchfallen, wenn sie genügend abgekühlt ist. In dem Augenblick, wo ich sie abkühle, indem ich Wasser darauf gieße, geht sie wieder durch. Das ist die Anschauung. Das ist dasjenige, was ich einfach zu beschreiben brauche. Nehmen wir aber an, ich fange jetzt an zu theoretisieren. Ich will es zunächst ganz roh machen, es

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handelt sich ja um eine Einleitung: Das wäre also die Kugel, die Ku-gel bestünde aus einer gewissen Anzahl von kleinen Teilen, von Molekülen, Atomen - wie Sie wollen. Das ist etwas, was nicht mehr Anschauung

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ist, was ich dazutheoretisiere. In diesem Augenblick bin ich verlassen von der Anschauung. Und in diesem Augenblick bin ich in einer außerordentlich tragischen Rolle. Die Tragik empfinden nur diejenigen, die auf solche Dinge eingehen können. Denn wenn Sie untersuchen, ob Achilles die Schildkröte erreichen kann oder nicht, so können Sie anfangen zu denken: Der Achilles muß den Weg der Schildkröte durchmessen, also wird er sie nie einholen. Das kann man strikte beweisen. Nun machen Sie das Experiment. Sie setzen die Schildkröte hin und den Achilles oder jemand anderen, auch wenn er nicht so schnell läuft wie Achilles. Sie können jederzeit beweisen, daß die Anschauung Ihnen das Gegenteil von dem liefert, was Ihnen die Schlußfolgerung liefert. Sie werden sehr bald die Schildkröte einholen.

Wenn Sie aber nun über die Kugel theoretisieren wollen, wie ihre Atome und Moleküle angeordnet sind, wo Sie auch die Anschauung verläßt, da können Sie nicht hineinschauen und nachsehen, da werden Sie nur theoretisieren können, und das ist auf diesem Gebiet nicht besser als das, was Sie gegenüber dem Wegstück, das von Achilles nicht durchmessen ist, anführen. Das heißt: Sie tragen die ganze Unvollkommenheit Ihrer Ratio hinein in Ihr Nachdenken über dasjenige, was nicht mehr anschaulich ist. Das ist das Tragische. Wir bauen und bauen Erklärungen auf, indem wir das Anschauliche verlassen, und glauben es dadurch gerade erklären zu können, daß wir Hypothesen und Theorien aufstellen. Und die Folge davon ist, daß wir dann genötigt sind, unserem bloßen Denken zu folgen, daß dieses Denken uns aber in dem Augenblick verläßt, wo wir über die Anschauung hinauskommen. Es stimmt nicht mehr mit der Anschauung überein.

Auf diesen Unterschied habe ich schon im vorigen Kursus hinge-wiesen, indem ich die scharfe Grenze gesetzt habe zwischen dem Phoronomischen und dem Mechanischen. Die Phoronomie beschreibt bloß Bewegungsvorgänge oder Gleichgewichtsvorgänge, aber sie beschränkt sich darauf, das Anschauliche zu konstatieren. In dem Augenblick, wo Sie von der Phoronomie zur Mechanik übergehen, wo der Kraft- und Massebegriff einzuführen ist, in dem Augenblick können wir nicht ausreichen mit dem bloßen Denken, sondern wir beginnen einfach abzulesen von dem Anschaulichen, was vorgeht. Wir können in den

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einfachsten physikalischen Vorgängen, in denen die Masse eine Rolle spielt, mit dem bloßen Denken nichts mehr anfangen. Und diejenigen Theorien, die im Laufe des 19. Jahrhunderts aufgebaut worden sind, trotzdem sie sich - das macht nichts aus - für eingeschränkte Gebiete als praktisch erwiesen haben, sind so entstanden, daß eigentlich, um sie zu verifizieren, notwendig wäre, bis in die Moleküle und Atome hinein Experimente zu machen. Das gilt in bezug auf das Kleine, das gilt aber auch in bezug auf das Große. Sie erinnern sich, daß ich in meinen Vorträgen oftmals aufmerksam gemacht habe auf etwas, das uns jetzt mit einem ganz wissenschaftlichen Charakter in diesen Betrachtungen ent-gegentreten wird. Ich habe oftmals gesagt: Aus dem, was der Physiker heute über Wärmeverhältnisse und auch über einige andere Dinge, die damit verknüpft sind, heraustheoretisiert, macht er sich gewisse Vorstellungen über die Sonne. Er beschreibt mit einem gewissen Anspruch darauf, daß die Sache stimme, wie die physikalischen Verhältnisse, wie er sagt, auf der Sonne sind. Nun habe ich immer gesagt: Die Physiker würden außerordentlich erstaunt sein, wenn sie das Experiment ausführen könnten, wirklich zur Sonne hinauf zu kutschieren und sähen, wie nichts von dem, was sie aus irdischen Verhältnissen heraus rechnen oder theoretisieren, mit den Wirklichkeiten der Sonne übereinstimmt. Heute haben die Sachen tatsächlich schon eine ganz bestimmte praktische Bedeutung, namentlich gegenüber der wissenschaftlichen Zeit-entwickelung. Erst in diesen Tagen ging ja die Nachricht durch die Welt, daß mit großen Mühen die Ergebnisse englischer Forschungen über die Ablenkung des Sternenlichtes im Weltenraum auch in Berlin vor einer Gelehrtengesellschaft vorgeführt werden konnten. Da wurde mit Recht auf folgendes hingewiesen. Es wurde gesagt: Ja, die For-schungen von Einstein und anderen über die Relativitätstheorie haben eine gewisse Bestätigung erfahren, aber etwas Endgültiges würde man erst sagen können, wenn man soweit wäre, daß man spektralanalytisch untersuchen könnte, wie es sich eigentlich mit dem Sonnenlicht letztlich, namentlich bei Gelegenheit der Sonnenfinsternis, verhält. Da würde man nämlich etwas sehen, was heute noch nicht mit den gangbaren physikalischen Instrumenten konstatierbar ist. - Das war die Nachricht, die sich anknüpfte an die letzte Sitzung der Berliner Physikalischen

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Gesellschaft. Das ist außerordentlich interessant. Denn es muß natürlich der nächste Schritt der sein, nach einer Möglichkeit zu suchen, wirklich spektralanalytisch das Sonnenlicht zu untersuchen. Der Weg muß der nach Meßinstrumenten sein, die heute noch nicht da sind. Dann wird man gewisse Dinge, die heute aus geisteswissenschaftlichen Grundlagen heraus schon gewonnen werden können, einfach nachträglich bestätigen können, wie das ja bei vielen Dingen der Fall war, die im Laufe der Jahre entstanden sind, die auch, wie Sie wissen, durch physikalische Experimente in der letzten Zeit herausgekommen sind. Dann wird man einsehen lernen, daß es einfach unmöglich ist, dasjenige, was man imstande ist herauszurechnen aus den Beobachtungen namentlich der Wärmeerscheinungen in der irdischen Sphäre, auf die Verhältnisse des Weltraumes, auf die Sonnenverhältnisse zu übertragen und sich vorzustellen, daß die Sonnenkorona und dergleichen entsteht aus Antezedenzien heraus, die entnommen sind der Betrachtung der irdischen Verhältnisse. Gerade wie uns unser Denken irreführt, wenn wir das Anschauliche verlassen und in die Welt der Moleküle und Atome hineintheoretisieren, so führt es uns auch irre, wenn wir ins Makrokosmische hinausgehen und das, was wir durch An-schauung in irdischen Verhältnissen festsetzen, auf so etwas wie die Sonne übertragen. Da glaubt man, daß man in der Sonne etwas wie eine Art glühenden Gasballes habe. Von einem glühenden Gasball kann nicht die Rede sein bei der Sonne. Man hat etwas ganz anderes in der Sonne vorliegend. Denken Sie sich einmal: Wir haben irdische Mate-rie. Jede irdische Materie hat einen bestimmten Intensitätsgrad ihres Wirkens, ob man den auf diese oder jene Weise mißt, auf Dichtigkeit oder dergleichen, darauf kommt es nicht an. Sie hat eine gewisse Intensität des Wirkens. Diese kann auch zu Null werden, das heißt, wir können dem scheinbar leeren Raum gegenüberstehen. Aber damit hat es nicht seinen Schluß, ebensowenig wie es einen Schluß hat - nun, schauen wir einmal auf das Folgende; denken Sie sich, Sie sagen: Ich habe einen Sohn. Der Kerl ist eigentlich ein leichtsinniges Tuch. Ich habe ihm ja ein kleines Vermögen übergeben, aber nun hat er ange-fangen, es auszugeben. Mehr als bis Null kann er nicht heruntergehen. Er kann einmal nichts mehr haben, damit tröste ich mich, er kommt

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eben einmal bei Null an. - Ja, aber nachher kann ich eigentlich eine Enttäuschung erleben: Der Kerl fängt an, Schulden zu machen. Dann bleibt er nicht bei Null stehen, dann wird die Geschichte noch schlimmer als Null. Und das kann eine sehr reale Bedeutung haben. Denn als Vater werde ich eigentlich weniger haben, wenn der Kerl Schulden macht, als wenn er bei Null stehen bleibt.

Sehen Sie, dieselbe Betrachtungsweise liegt zugrunde gegenüber den Sonnenverhältnissen. Man geht nicht einmal zur Null, sondern nur bis zur größtmöglichen Verdünnung; man spricht von dünnem, glühendem Gas. Aber man müßte erst bis Null gehen und dann darüber hinaus. Denn das, was man in der Sonne finden würde, wäre überhaupt nicht vergleichbar mit unserem Materiellen, wäre auch nicht vergleichbar mit unserem leeren Raum, der der Null entspricht, sondern es geht darüber hinaus. Es ist in einem Zustand negativer materieller Intensität. Da, wo die Sonne ist, würde man ein Loch finden, in den leeren Raum hineingehend. Es ist weniger als leerer Raum da. So daß alle Wirkungen, die auf der Sonne zu beobachten sind, als Saugwirkungen betrachtet werden müssen, nicht als Druckwirkungen oder dergleichen. Die Sonnenkorona darf also nicht so betrachtet werden, wie heute der Physiker sie betrachtet, sondern sie muß so betrachtet werden, daß man das Bewußtsein hat, es geschieht nicht dasjenige, als was es sich darstellt, etwa Druckwirkungen mit dem Index nach außen, sondern es liegen Saugwirkungen von dem Loch im Raum, von der Negation der Materie vor. Da verläßt uns die Ratio. Da verläßt uns unser Denken gegenüber dem Makrokosmischen, wie es uns ver-läßt gegenüber dem Mikrokosmischen. In dem Falle, den ich ange-deutet habe, können wir nur theoretisieren über das Atomistische.

Wir erleben, indem wir subjektiv die Wärmezustände unserer Um-gebung beurteilen, gar nicht wirkliche Wärmezustände, sondern wir erleben Differenzen. Das Thermometer zeigt auch Differenzen, es ist kein Unterschied. Wir erleben die Differenzen zwischen unserem eigenen Wärmezustand und demjenigen, in den wir hineinkommen. Den Tatsachen nach tut das auch das Thermometer. Nur haben wir durch Dinge, die nichts mit diesen vorliegenden Tatsachen zu tun haben, durch die Feststellung eines Nullpunktes, die Sache kaschiert. Hier

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liegt etwas vor, was außerordentlich wichtig ist zu berücksichtigen. Wenn wir unsere Aufmerksamkeit den Lichterscheinungen zuwenden, so liegt die Sache so, daß wir die Lichterscheinungen im wesentlichen verfolgen mit einem Organ, das sehr stark isoliert ist in unserem Organismus. Ich habe das im vorigen Kursus charakterisiert. Dadurch beobachten wir eigentlich niemals Licht - Licht ist Abstraktion -, sondern wir beobachten Farbenerscheinungen. Wenn wir Wärme beobachten, subjektiv, so ist dasjenige, was Empfindungsorgan bei uns ist, was Auf-fassungsorgan ist, unser ganzer Organismus. Unser ganzer Organis-mus entspricht da unserem Auge. Er ist nicht ein isoliertes Organ. Wir setzen uns als Ganzes dem Wärmezustand aus. Indem wir mit einem Glied, zum Beispiel mit einem Finger, uns der Wärme aussetzen, ist das nichts anderes als wie ein Teil des Auges gegenüber dem ganzen Auge. Während also das Auge ein isoliertes Organ ist und dadurch sich für uns die Welt des Lichtes in den Farben verobjektiviert, ist bei der Wärme ein solches nicht der Fall. Wir sind gleichsam ganz Wärme-Organ. Aber dadurch tritt uns auch nicht so isoliert von draußen entgegen dasjenige, was die Wärme macht, wie uns isoliert entgegentritt dasjenige, was das Licht macht. Unser Auge ist objektiviert in unserem Organismus. Was die Wärme Analoges macht - weil wir es selbst sind, können wir es nicht erleben. Denken Sie einmal, Sie würden mit dem Auge keine Farben sehen, sondern nur Helligkeit unterscheiden, und die Farben als solche würden ganz subjektiv bleiben, bloß Gefühle bleiben: Sie würden niemals Farben sehen. Sie würden von Hell-Dunkel reden, aber die Farben würden nichts in Ihnen bewirken. So ist es bei der Wahrnehmung der Wärme. Jene Differenzierungen, die Sie beim Licht wegen der Isolierung des Auges wahrnehmen, die nehmen Sie in der Welt der Wärme nicht mehr wahr. Die leben aber in Ihnen. Wenn Sie also von Blau und Rot sprechen bei der Farbe, so haben Sie dieses Blau und Rot außen. Wenn Sie von dem Analogen bei der Wärme sprechen, so haben Sie, weil Sie das Wärmeorgan selbst sind, das, was analog bei der Wärme blau und rot wäre, in sich, Sie sind es selbst. Daher sprechen Sie nicht davon. Und das macht, daß für die Betrachtung des objektiven Wärmewesens eine ganz andere Methode notwendig ist als für die Betrachtung des objektiven Lichtwesens. Und nichts

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hat, ich möchte sagen, so verführend in der Betrachtungsweise des 19. Jahrhunderts gewirkt, als überall schematisch zu vereinheitlichen. Sie finden überall in den Physiologien eine «Sinnesphysiologie». Als ob es so etwas überhaupt gäbe! Als ob es etwas gäbe, wo man einheitlich sagen kann, es gilt für das Ohr wie für das Auge oder gar für den Gefühls- oder Wärmesinn. Es ist ein Unding, von einer Sinnesphysiologie zu sprechen und zu sagen, eine Sinneswahrnehmung ist dies oder jenes. Man kann nur sprechen von der isolierten Wahrnehmung des Auges, von der isolierten Wahrnehmung des Ohres, von der isolierten Wahr-nehmung unseres Organismus als Wärmeorgan und so weiter. Das sind ganz verschiedene Dinge, und man kann nur wesenlose Abstraktionen aufstellen, wenn man von einem einheitlichen Sinnesvorgang spricht. Aber Sie finden heute überall die Neigung dazu, diese Dinge zu vereinheitlichen. Und so kommen dann Schlüsse zustande, die eigentlich, wären sie nicht so schädlich für unser ganzes Leben, im Grunde genommen humoristisch wären. Wenn einer sagt: Da ist ein Bub, ein anderer Bub hat ihn durchgeprügelt. - Und daneben wird behauptet:

Gestern hat er Schläge bekommen von seinem Lehrer, der Lehrer hat ihn durchgeprügelt. Ich habe in beiden Fällen das Prügeln beobachtet. Es ist kein Unterschied. Ich schließe daraus, daß der Lehrer von gestern und der böse Bub, der heute die Prügel austeilte, von derselben inneren Wesenheit sind. - Das wäre ein Unding, nicht wahr, das wäre ganz unmöglich. Aber man macht folgendes Experiment. Man weiß, daß, wenn man Lichtstrahlen in einer gewissen Weise auf einen Hohlspiegel fallen läßt, sie parallel gehen; wenn man sie durch einen weiteren Hohlspiegel auffangen läßt, sie sich im Brennpunkt vereinigen und Lichterscheinungen hervorrufen. Man macht dasselbe mit den sogenannten Wärmestrahlen. Man kann wiederum konstatieren: Man läßt die Strahlen durch Hohlspiegel auffangen, sich im Brennpunkt ver-einigen - man kann es mit dem Thermometer konstatieren, daß da eine Art Wärmebrennpunkt entsteht. Das sei dieselbe Geschichte wie beim Licht, also beruhe das Licht und die Wärme auf ein und demselben. Die Prügel von gestern und die Prügel von heute beruhen auf ein und demselben. Wenn man im Leben eine solche Schlußfolgerung ausführen würde, würde man ein Tor sein. Wenn man sie in der Wissenschaft

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ausführt, wie es heute überall gemacht wird, ist man kein Tor, sondern oftmals eine tonangebende Persönlichkeit.

Dennoch, es kommt heute darauf an, nach klaren, durchschaubaren Begriffen zu streben, und ohne diese klaren, durchschaubaren Begriffe kommen wir nicht weiter. Sonst wird niemals durch eine physikalische Weltanschauung eine Grundlage geschaffen werden für eine universelle Weltanschauung, wenn man nicht gerade auf physikalischem Gebiet versucht, zu klaren, anschaulichen Begriffen vorzudringen. Sie wissen ja, und es ist auch durch meinen letzten Kursus hier klar geworden, bis zu einem gewissen Grade wenigstens klar geworden, daß auf dem Gebiete der Lichterscheinungen Goethe ein wenig Ordnung geschaffen hat, daß aber diese Dinge nicht anerkannt sind.

Auf dem Gebiet der Wärmeerscheinungen ist es nun ganz besonders schwierig, weil in der nachgoetheschen Zeit ja die Wärmeerscheinungen vollständig in das Chaos der theoretischen Anschauungen eingelaufen sind und im 19. Jahrhundert die sogenannte mechanische Wärmetheorie Unfug über Unfug gestiftet hat; auf der einen Seite dadurch, daß sie Anschauungsbegriffe geliefert hat auf einem Gebiet, wo die Anschauung nicht hinreicht, und für jeden, der glaubt, auch denken zu können, aber es in Wirklichkeit nicht kann, leicht erlangbare Begriffe geliefert hat. Es sind die Begriffe, durch die man sich vorgestellt hat:

Ein Gas in einem allseitig geschlossenen Gefäß besteht aus Gasteilchen,

#Bild s. 25

aber diese Gasteilchen sind nicht in Ruhe, sondern sie sind in fort-währender Bewegung. Und natürlich, wenn diese Gasteilchen in fortwährender Bewegung sind, wird in den meisten Fällen, da die Gasteilchen klein sind und ihre Entfernungen verhältnismäßig groß vorgestellt werden, so ein Gasteilchen sich durchschlängeln, wird lange nicht auf ein anderes auftreffen, aber zuweilen dann doch. Es prallt

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dann zurück, und so stoßen sich dann da drinnen die Gasteilchen. Sie kommen in eine Bewegung. Sie bombardieren sich fortwährend gegenseitig. Da geben sie, wenn man die verschiedenen kleinen Stöße summiert, einen Druck auf die Wand. Anderseits hat man die Möglichkeit zu messen, wie hoch die Temperatur ist. Dann sagt man sich: Nun ja, da sind die Gasteilchen drinnen in einem bestimmten Bewegungszustand, sie bombardieren sich. Das Ganze ist in aufgeregter Bewegung. Das stößt sich gegenseitig und stößt auf die Wand. Erwärmt man, so kommen sie immer schneller und schneller in Bewegung, stoßen immer stärker und stärker an die Wand, und man hat die Möglichkeit, zu sagen: Was ist also Wärme? - Bewegung der kleinsten Teile. Es ist gewiß, daß heute unter der Macht der Tatsachen solche Vorstellungen schon etwas abgekommen sind, allein sie sind nur äußerlich abgekommen. Die ganze Denkweise ruht doch noch auf demselben Grunde. Man ist sehr stolz geworden auf diese sogenannte mechanische Wärme-theorie, denn sie soll ja außerordentlich viel erklären. Sie soll zum Beispiel erklären: Wenn ich einfach mit dem Finger über irgendeine Fläche streiche, so wird die Anstrengung, die ich anwende, die Arbeit, die Wucht verwandelt in Wärme. Ich kann zurückverwandeln Wärme in Arbeit, zum Beispiel bei der Dampfmaschine, wo ich durch die Wärme Vorwärtsbewegungen bewirke. Und man hat sich die gangbare, höchst bequeme Vorstellung gebildet: Ja, wenn ich äußerlich das beobachte, was da im Raum geschieht, so sind es mechanische Vorgänge. Die Lokomotive und die Waggons bewegen sich vorwärts und so weiter. Wenn ich dann, sagen wir, durch irgend etwas Arbeit leiste und daraus Wärme entsteht, so ist eigentlich nichts anderes geschehen, als daß die äußerlich wahrnehmbare Bewegung sich verwandelt hat in die Bewegung der kleinsten Teilchen. Das ist eine bequeme Vorstellung. Man kann sagen: Alles in der Welt beruht auf Bewegung, und es verwandelt sich bloß die anschauliche Bewegung in die unanschauliche Bewegung. Diese wird dann als Wärme wahrgenommen. Aber die Wärme ist doch nichts anderes als Stoßen und Drängen der kleinen Gasrüpel, die sich stoßen, die an die Wand stoßen und so weiter. Es ist die Wärme allmählich verwandelt worden im Wesen in das, was jetzt geschehen würde, wenn diese ganze Korona plötzlich

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anfinge, sich gegenseitig in Bewegung zu setzen, wenn sie sich fort-während stoßen würde, an die Wand stoßen würde und so weiter. Das ist die C!ausiussche Vorstellung von dem, was in einem gasgefüllten Raum vorgeht. Das ist die Theorie, die herausgekommen ist dadurch, daß man den Achillesschluß angewendet hat auf Unanschauliches, und nicht bemerkt, wie man derselben Unmöglichkeit unterliegt, wie wenn man das Denken anwendet auf Achilles und die Schildkröte. Das heißt, es wird nicht so, wie man denkt. Im Inneren eines gaserfüllten Raumes geht es anders zu, als wir uns ausmalen, wenn wir die unanschaulichen Begriffe auf Anschauung übertragen.

Das wollte ich heute einleitungsweise sagen. Sie werden daraus er-sehen, daß im Grunde genommen die ganze methodische Art der Betrachtung, die namentlich im Laufe des 19. Jahrhunderts sich herausgebildet hat, in ihren Grundfesten wankt. Denn es beruht ein großer Teil dieser Betrachtungsweise darauf, daß man einfach dasjenige, was man beobachtet als anschauliches Faktum, sich so vorstellt, daß man den Ausdruck, auch den rechnerischen Ausdruck des Anschauens, so überleitet, daß man Differentialvorstellungen daraus bekommt. Wenn man das, was man als konstatierbares Faktum hat gegenüber einem gasgefüllten Raume unter einem bestimmten Druck, rechnerisch ausdrückt, so kann man dadurch, daß man die Vorstellung zugrunde legt:

Da geschehen die Bewegungen der kleinsten Teile, es in Differential-vorstellungen umwandeln und kann sich dann dem Glauben hingeben, daß, wenn man wiederum integriert, man etwas über die Realität herausbekomme. Man muß einsehen, daß, wenn man den Ubergang voll-zieht von gewöhnlichen rechnerischen Vorstellungen zu Differential-gleichungen, daß man diese Differentialgleichungen, ohne aus der Wirklichkeit vollständig herauszufallen, nicht wiederum in Integralrechnungen behandeln darf. Das liegt der Physik im 19. Jahrhundert zugrunde, daß man durch ein falsches Verständnis über die Beziehung der Integrale zu den Differentialen sich gegenüber der Wirklichkeit falschen Vorstellungen hingegeben hat. Man muß sich klar darüber sein: In gewissen Fällen darf man differenzieren, aber was die Diffe-rentialzustände ergibt, darf nicht gedacht werden, als ob es zurück-integriert werden könnte, denn da kommt man nicht in die Wirklichkeit

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hinein, sondern zu etwas Ideellem. Es ist gegenüber der Natur von großer Wichtigkeit, daß man das durchschaut.

Denn, sehen Sie, wenn ich einen bestimmten Verwandlungsvorgang ausführe, wenn ich sage, ich leiste Arbeit, bekomme Wärme, so kann ich aus dieser Wärme wiederum Arbeit bekommen, und wir werden sehen, in welchem Maße das innerhalb der unorganischen Natur gilt, gerade an den Wärmeerscheinungen. Aber ich kann nicht ohne weiteres einen organischen Prozeß umkehren. Auch große anorganische Prozesse kann ich nicht umkehren, zum Beispiel sind planetarische Prozesse nicht umkehrbar. Wir können uns nicht jenen Prozeß umgekehrt vorstellen, der verläuft von der Wurzelbildung einer Pflanze bis zur Blüte, bis zur Fruchtbildung. Der Prozeß verläuft vom Keime bis zur Fruchtbildung, er kann nicht zurückverlaufen wie ein Prozeß in der unorganischen Natur. In unsere Rechnungen fließt das nicht ein. Denn schon, wenn wir sogar im Unorganischen bleiben, gilt es für gewisse makrokosmische Prozesse nicht. Ich kann heute in keiner Rechnungsformel, wenn ich sie aufstellen könnte für das Wachstum einer Pflanze -sie würde aber sehr kompliziert ausfallen -, gewisse Werte negativ einsetzen; dies deckt sich nicht mit der Wirklichkeit. Die Gestaltung der Blüte aus der Gestaltung des Laubblattes könnte ich nicht negativ einsetzen. Ich würde nicht den Prozeß umkehren können. Ich kann auch gegenüber den größeren Erscheinungen der Welt den realen Prozeß nicht umkehren. Das berührt aber nicht die Rechnung. Wenn ich heute eine Mondfinsternis einzusetzen habe, kann ich einfach berechnen, wie eine Mondfinsternis vor unserer Zeitrechnung, zu Thales' Zeiten war und so weiter, das heißt, ich kann in der Rechnung selbst durchaus den Prozeß umkehren, aber in der Wirklichkeit würde der Prozeß nicht umkehrbar sein. Wir können nicht vom gegenwärtigen Stadium der Weltentwickelung durch Umkehrung des Prozesses zu den früheren Stadien, zum Beispiel zu einer Mondfinsternis, die sich zu Thales' Zeiten zugetragen hat, zurückschreiten. Eine Rechnung kann ich vorwärts und rückwärts behandeln, mit der Wirklichkeit deckt sich meist nicht, was ich mit der Rechnung erfasse. Diese Rechnung schwebt über der Wirklichkeit. Man muß sich klar darüber sein, inwiefern unsere Vorstellungen und Rechnungen nur Vorstellungsinhalte sind. Trotzdem

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sie umkehrbar sind, gibt es keine umkehrbaren Prozesse in der Wirklichkeit. Das ist wichtig, denn wir werden die ganze Wärmelehre auf Fragen dieser Art aufgebaut sehen: Inwiefern sind innerhalb des Gebietes der Wärmeverhältnisse Naturprozesse umkehrbar, und inwiefern sind sie es nicht?

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ZWEITER VORTRAG Stuttgart, 2. März 1920

Schon gestern wurde berührt, daß unter dem Einfluß des Wärmewesens sich dasjenige, was wir im gewöhnlichen Leben Körper nennen, ausdehnt. Wir wollen heute zunächst davon ausgehen, wie sich sogenannte feste Körper unter dem Einfluß des Wärmewesens ausdehnen. Wir haben zu diesem Zweck hier, damit wir uns die Dinge auch einprägen und sie dann auch in entsprechender Weise im Unterricht verwerten können - es ist ja einfach und elementar zunächst -, eine Eisenstange eingespannt. Diese Eisenstange wollen wir erhitzen und ihre Ausdehnung anschaulich machen dadurch, daß hier an dieser Marke der Hebelarm, der hier angebracht ist, die Längenänderung anzeigen wird. Wenn ich hier mit dem Finger drücke, so bewegt sich dieser Zeiger nach aufwärts.

#Bild s. 30

Sie werden sehen, daß, wenn wir diesen Stab hier erhitzen, sich die-ser Zeiger ebenfalls aufwärts bewegen wird, was Ihnen ein Beweis sein wird, daß der Stab sich ausdehnt. Sie sehen schon, wie der Zeiger nach aufwärts rückt. Und Sie sehen, daß mit der fortgehenden Erwärmung der Zeiger mehr und mehr nach aufwärts rückt, was Ihnen ein Beweis ist, daß die Ausdehnung mit der Temperatur wächst. Würde ich statt der Substanz dieses Körpers irgendein anderes Metall verwendet haben und wir würden dann genau messen, so würden wir eine andere Ausdehnung bekommen. Wir würden finden, daß verschiedene solche Körper sich in verschieden starker Weise ausdehnen. So daß wir zu-nächst zu konstatieren hätten, daß die Ausdehnungsfähigkeit, die

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Stärke der Ausdehnung von der Substanz abhängt. Wir sehen zunächst hier ab davon, daß wir eigentlich einen Zylinder vor uns haben. Wir stellen uns zunächst vor, daß wir einfach einen Körper von einer bestimmten Länge ohne Dicke und Breite vor uns haben, und wir beobachten zunächst die Ausdehnung nur nach einer Dimension. Wenn wir uns das veranschaulichen, so bekommen wir folgendes: Wenn hier

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ein Stab festgehalten wird, und wir ihn nur eigentlich als eine Länge betrachten, wollen wir zunächst für die Temperatur, den Wärmegrad, von dem wir ausgehen, die Länge dieses Stabes mit l0 bezeichnen. Und wir bezeichnen dann die Länge des Stabes, die er bekommt, wenn wir seine Temperatur zunächst um 1 Grad erhöhen mit l. Nun sagte ich, daß die Stäbe sich verschieden stark ausdehnen, je nachdem sie von der einen oder anderen Substanz sind. Wir können nun immer das Maß der Ausdehnung, also hier von a nach b, uns angeben durch einen Bruch, der das Verhältnis der Ausdehnung zu der ursprünglichen Stablänge bezeichnet. Wir wollen das, also diese verhältnismäßige Stärke der Ausdehnung, mit a bezeichnen. Dann haben wir die Länge, die der Stab hat, nachdem er sich ausgedehnt hat, also die Länge 1, uns zusam-mengesetzt zu denken aus seiner ursprünglichen Länge l0 und aus dem Stückchen, das er in seiner Länge hinzubekommen hat durch die Aus-dehnung. Dieses müssen wir dazurechnen. Dadurch, daß ich a als Bruch bezeichnet habe, der das Verhältnis angibt zwischen der Ausdehnung und der ursprünglichen Länge, dadurch bekomme ich, indem ich l0 mit a multipliziere, die Tendenz der Ausdehnung des Stabes, und ich habe, weil ja die Ausdehnung um so bedeutender wird, je höher die

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Temperatur wird, das zu multiplizieren mit der Temperaturzunahme t. So daß ich sagen kann: Die Stablänge l nach der Ausdehnung

l=l0+l0at=l0(1 +at).

Das heißt, will ich feststellen die Länge eines Stabes, der sich durch Erwärmung ausgedehnt hat, so muß ich seine ursprüngliche Länge mit einem Faktor multiplizieren, der hier angegeben wird durch 1 plus die Temperatur, multipliziert mit der verhältnismäßigen Ausdehnungsfähigkeit der betreffenden Substanz. Die Physiker sind gewohnt worden, das a für die betreffende Substanz den Ausdehnungskoeffizienten zu nennen.

Nun habe ich hier einen Stab betrachtet. Stäbe von keiner Breite und keiner Höhe haben wir in Wirklichkeit nicht. Wir haben in Wirklichkeit ja Körper von drei Dimensionen. Wir können, wenn wir nun übergehen von dieser Längenausdehnung zunächst wiederum zur nur gedachten Flächenausdehnung, diese Formel in der folgenden Weise umwandeln: Nehmen wir an, wir betrachten statt wie hier die Längen-ausdehnung nun die Flächenausdehnung. Hätten wir also hier eine

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Fläche, so müßten wir uns klar sein, daß die Fläche sich ausdehnt nach zwei Dimensionen, also nach der Erwärmung etwa diese Größe hätte. Wir hätten dann nicht nur die Längenausdehnung nach l, sondern auch die Breitenausdehnung nach b. Und wenn wir die Längenausdehnung

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zuerst betrachten, hier l0, so wurden wir haben wiederum die Ausdehnung nach dieser Richtung, die ich jetzt angegeben habe, nach l. Und wir haben

l=l0(1 + at). (1)

Betrachten wir jetzt auch die Breitenausdehnung b0, die sich ausge-dehnt hat zu b, so müßte ich jetzt schreiben - es ist ja selbstverständlich, daß das Ausdehnungsgesetz dasselbe bleibt -

b=b0(1 +at). (2)

Nun wissen Sie, daß die Fläche sich ergibt, indem ich die Länge mit der Breite multipliziere. Ich bekomme also den ganzen Inhalt der Fläche, der hier der ursprüngliche ist, indem ich b0 mit l0 multipliziere, und hier denjenigen nach der Ausdehnung, indem ich auch nun

l0 (1 + a t) multipliziere mit b0 (1 + a t).

lb=l0(1 + at)b0(1 +at). (3)

Das heißt, ich bekomme: 1 b l0 b0 (1 + a t)2, (4)

das heißt aber ausgeschrieben: l b =l0 b0 (1 +2 a t + a2 t2). (5)

Damit würde ich die Formel haben für die Ausdehnung einer Fläche. Wenn Sie sich nun zu der Fläche noch hinzudenken eine Dicke, so

habe ich diese Dicke in derselben Weise zu behandeln. Ich würde dann noch d hinzuzufügen haben und erhalte:

lbd=l0b0d0(1+3at+3a2t2+a3t3). (6)

Und wenn Sie diese Formel anschauen, dann bitte ich Sie besonders im Auge zu behalten das Folgende: Wenn wir hier die ersten zwei Glieder dieser Formel (6) betrachten, dann werden Sie das t höchstens in der ersten Potenz finden. Wenn Sie das dritte Glied betrachten, finden Sie das t in der zweiten Potenz, und das letzte t in der dritten Potenz. Diese beiden letzten Glieder der Formel für die Ausdehnung bitte ich Sie ganz besonders zu berücksichtigen. Merken Sie sich, daß, wenn wir die Ausdehnung eines dreidimensionalen Körpers haben, wir für diesen einen Formelausdruck bekommen, der die dritte Potenz der Temperatur

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enthält - ich will etwas absehen von der zweiten Potenz der Tem-peratur. Es ist außerordentlich wichtig, daß gerade festgehalten werde an diesem Umstand, daß wir hier die dritte Potenz der Temperatur bekommen.

Da ich immer Rücksicht darauf nehmen muß, daß wir ja hier in der Waldorfschule sind und alles auch auf das Pädagogische hin orientiert sein muß, ist es nötig, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß wenn Sie nun dieselbe Herleitung, die ich hier gemacht habe, in den gebräuchlichen Handbüchern der Physik studieren, Sie in der Art, wie ich hier die Sache dargestellt habe, einen beträchtlichen Unterschied zu der Schilderung in den gebräuchlichen Handbüchern der Physik finden werden. Ich will Ihnen jetzt mitteilen, wie die Darstellung in den gebräuchlichen Handbüchern der Physik gegeben wird. Da wird gesagt: a ist eine Verhältniszahl - es ist ja in der Regel ein Bruch. Die Ausdehnung ist sehr klein im Verhältnis zu der ursprünglichen Länge des Stabes. Wenn ich einen Bruch habe, der im Nenner eine größere Zahl hat als im Zähler, dann bekomme ich, wenn ich quadriere oder kubiere, eine viel kleinere Zahl. Denn quadriere ich ein Drittel, so bekomme ich schon ein Neuntel, und kubiere ich gar ein Drittel, so bekomme ich ein Siebenundzwanzigstel. Das heißt, die dritte Potenz ist schon ein sehr, sehr kleiner Bruch. a ist ein Bruch, der einen sehr großen Nenner hat in der Regel. Deshalb sagen die gebräuchlichen Handbücher der Physik: Wenn ich nun das Quadrat bilde, a2 oder gar a3, mit dem ich zu multiplizieren habe das t3, so sind das sehr kleine Brüche, die kann man einfach weglassen. So daß also die gebräuchlichen Handbücher der Physik sagen: Wir lassen diese letzten Glieder der Ausdehnungsformel einfach weg und schreiben l b* d - das ist ja das Volumen, das ein sich ausdehnender Körper durch eine bestimmte Temperatur annimmt, ich will also V schreiben -:

V=V0(1+3at). (7)

In dieser Art wir die Formel geschrieben für die Ausdehnung eines festen Körpers, indem man sich einfach darauf beruft, daß der Bruch a quadriert und namentlich kubiert so kleine Zahlen gibt, daß man diese weglassen kann. Sie wissen, so ist es dargestellt in den gebräuchlichen

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Physikbüchern. Nun, damit streicht man weg das Allerwichtigste, worauf es ankommt, wenn man nun wirklich sachgemäß Wärme-lehre treiben will. Das wird sich uns zeigen, indem wir weiter vor-rücken.

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Ausdehnung durch das Wärmewesen haben ja nicht nur die festen Körper, sondern auch die Flüssigkeiten. Sie haben hier, damit Sie es sehen können, eine gefärbte Flüssigkeit. Wir werden diese gefärbte Flüssigkeit erwärmen (siehe Zeichnung). Sie werden nun sehen, daß nach einiger Zeit die gefärbte Flüssigkeitssäule in die Höhe steigt, und daraus werden Sie entnehmen, daß Flüssigkeiten sich ebenso ausdehnen wie feste Körper. Sie sehen, die gefärbte Flüssigkeit steigt, also die Flüssigkeit dehnt sich aus durch Erwärmung.

Nun, ebenso können wir untersuchen die Ausdehnung eines luftförmigen Körpers. Dazu haben wir hier in dem Kolben Luft, die einfach von außen hineinkommt (siehe Zeichnung Seite 36). Wir schließen nun die im Kolben befindliche Luft ab und erwärmen diese Luft. Wir haben hier ein kommunizierendes Gefäß. Die Eigenschaft der kommunizierenden Gefäße ist ja, daß das Niveau der Flüssigkeit, die darin ist, auf beiden Seiten gleich ist, also beide Schenkel umfaßt. Sie werden nun sehen, was geschieht, wenn wir einfach die hier drinnen befindliche Luft, also einen luftförmigen Körper, erhitzen. Wir werden es dadurch erreichen, daß in dem Gefäß (siehe Zeichnung Seite 36) erwärmtes Wasser ist von einer Temperatur von 40°. Sie sehen, schon rückt rechts die Quecksilbersäule hinauf. Warum rückt sie hinauf? Weil der luftförmige Körper, der in diesem Kolben hier ist, sich ausdehnt. Die Luft strömt hier heraus, drückt auf dieses Quecksilber (links), auf der anderen Seite wird die Quecksilbersäule durch den

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Druck gehoben, und Sie sehen daraus, daß dieser luftförmige Körper sich ausgedehnt hat. So daß wir also sagen können: Sowohl feste, wie flüssige, wie luftförmige Körper dehnen sich durch Einwirkung des uns noch unbekannten Wärmewesens aus.

Nun aber tritt uns hier sogleich, wenn wir vorrücken von dem Stu-dium der Ausdehnung bei festen Körpern, durch das Studium der Ausdehnung bei Flüssigkeiten zu dem Studium der Ausdehnung bei luftförmigen Körpern, etwas sehr Bedeutsames entgegen. Ich habe früher gesagt, daß das a hier, die Verhältniszahl der Ausdehnung zur ursprünglichen Länge des Stabes, für verschiedene Substanzen verschieden ist. Wenn wir, was ja weitere Experimente in Anspruch nehmen würde, die wir hier nicht ausführen können, nun auch das a untersuchen würden für verschiedene Flüssigkeiten, würden wir noch für das a verschiedene Werte bekommen für verschiedene Flüssigkeitssubstanzen.

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Wenn wir aber das a untersuchen für luftförmige Körper, na-mentlich für Gase, so zeigt sich das Eigentümliche, daß nun das a nicht mehr für verschiedene luftförmige Körper verschieden ist, sondern daß das a, der Ausdehnungskoeffizient, wie man es nennt, für die verschiedenen Gase dasselbe ist, nämlich annähernd 1/273. Diese Tatsache ist von einer ganz eminenten Wichtigkeit. Wir sehen daraus, daß, indem wir vorrücken von den festen Körpern zu den luftförmigen Körpern, eigentlich neue Verhältnisse unter dem Einfluß des Wärmewesens eintreten. Wir sehen daraus, daß sich die verschiedenen Gase nicht verhalten nach ihrer verschiedenen Substantialität, sondern daß sie sich verhalten dem Wärmewesen gegenüber einfach nach ihrer Eigenschaft, Gase zu sein, daß das Gaswerden etwas ist, was gewissermaßen als eine gemeinschaftliche Eigenschaft über alle Körper kommen kann. Ja, wir sehen daraus, daß das Gaswerden etwas ist, was alle Gase, die uns im irdischen Umkreis bekannt werden können, wenigstens in bezug auf diese Eigenschaft ihrer Ausdehnungsfähigkeit, zu einer Einheit zusammenfaßt. Halten Sie fest, daß wir einfach an der Ausdehnungsfähigkeit durch die Wärme dazu kommen, sagen zu müssen, daß sich, indem man sich von den festen Körpern her den Gasen nähert, die differenzierte Ausdehnungsfähigkeit, die wir bei festen Körpern finden, in eine Art Einheit, in eine einheitliche Ausdehnungsfähigkeit umwandelt bei Gasen, daß also mit dem festen Zustand verknüpft ist in unserem irdischen Bereich eine Differenzierung der Körperlichkeiten, wenn ich mich vorsichtig ausdrücke. Ich könnte auch sagen, daß verknüpft ist mit dem Festwerden eine Individualisierung der Körperlichkeit. Auf diesen Umstand wird sehr wenig hingewiesen in der neueren Physik. Es wird nicht darauf hingewiesen, weil man wichtigste Dinge einfach dadurch kaschiert, daß man gewisse Größen wegstreicht, mit denen man nichts Rechtes anfangen kann.

Tiefer hineinsehen in dasjenige, um was es sich da handelt, kann man nur dann, wenn man ein wenig zu Hilfe ruft die Geschichte der physikalischen Entwickelung. Alle die Vorstellungen, die heute in Physikbüchern und überhaupt in der Behandlung der Physik herr-schend sind, sind ja im Grunde genommen noch nicht alt. Sie rühren

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im wesentlichen aus dem 17. Jahrhundert her, und zwar haben sie ihren Grundcharakter bekommen durch alles dasjenige, was man im 17. Jahr-hundert unter dem Neuaufleben eines gewissen wissenschaftlichen Geistes in Europa veranstaltet hat durch die Accademia del Cimento in Florenz, die 1657 gegründet worden ist und in der außerordentlich viele Experimente auf den verschiedensten Gebieten gemacht worden sind, namentlich aber auf dem Gebiete des Wärmewesens, auf dem Gebiete der Akustik, des Tonwesens und so weiter. Wie jung unsere gebräuchlichen Vorstellungen sind auf diesem Gebiete, das zeigt sich ja, wenn man ein wenig eingeht auf gewisse spezielle Veranstaltungen der Acca-demia del Cimento. Da wurde zum Beispiel zuerst eigentlich die Grundlage gelegt für unsere moderne Thermometrie. Da wurde zuerst bemerkt, wie in einer Glasröhre, die unten mit einem Zylinder abgeschlossen ist, was Sie ja an jedem Thermometer sehen können, wie da die Erwärmung auf Quecksilber, mit dem die Glasröhre gefüllt ist, wirkt. Da wurde man zum Beispiel erst aufmerksam darauf, daß ein scheinbarer Widerspruch besteht zwischen der Anschauung, die man sonst gewonnen hat, also etwa durch ein solches Experiment, wo eine Flüssigkeit sich einfach ausdehnt, und dem, was sich besonders stark zeigte, indem man einen Versuch, der belehrend sein sollte, machte. Man war so im allgemeinen zu der Anschauung gekommen: Flüssigkeiten dehnen sich auch aus. Aber indem man den Versuch anstellte mit Quecksilber, fiel es zunächst unter der Erwärmung, und dann erst stieg es. Man mußte dafür erst eine Erklärung im 17. Jahrhundert finden, die man ja leicht dafür finden konnte dadurch, daß man sich sagte: Wenn ich erhitze, so erhitze ich zunächst das äußere Glas. Das dehnt sich aus. Der Raum, den das Quecksilber ausfüllt, wird größer; es sinkt zuerst, und der innere Körper beginnt erst etwas zu steigen, wenn die Erwärmung nach dem Inneren vorgedrungen ist. - Solche Begriffe bekam man überhaupt erst seit dem 17. Jahrhundert. Aber mit diesem 17. Jahrhundert war man auch gegenüber all den Ideen, durch die man das Physikalische zu begreifen versuchen sollte, dadurch gar sehr in Rückstand gekommen, daß sich ja bis zu dieser Zeit, zur eigentlichen Renaissance, Europa so wenig gekümmert hat um wissenschaftliche Begriffe dieser Art. Es war die Zeit, in der sich hat ausbreiten

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müssen das Christentum, das in einer gewissen Weise verhindert hat, daß Begriffe sich festlegen konnten, sich ausbilden konnten über physikalische Erscheinungen. Dann, als die Renaissance kam, als man bekannt wurde mit den Vorstellungen, die im alten Griechenland schon da waren, war man etwa in der folgenden Lage: Auf der einen Seite, aufgemuntert durch allerlei bereitwillige Unterstützungen, bildeten sich solche Institute wie die Accademia del Cimento, und da konnte man nun experimentieren. Man konnte unmittelbar anschaulich machen, wie die physikalischen Erscheinungen verlaufen. Auf der anderen Seite aber wurde man entwöhnt, sich Begriffe zu machen über die Dinge. Man wurde entwöhnt, die Erscheinungen wirklich denkend zu verfolgen. Man nahm wieder die alten griechischen Vorstellungen, die jetzt vielfach wie aufgefangen wurden, auf, aber man verstand sie nicht mehr. Und so nahm man auch die Vorstellung von Feuer oder Wärme, ohne irgendwie das unter diesem Begriff verstehen zu können, was man im alten Griechenland darunter verstanden hat. Und es bildete sich jetzt jene tiefe Kluft zwischen dem Denken und dem, was für die Anschauung durch das Experiment gegeben werden kann. Diese Kluft tat sich immer mehr und mehr auf gerade seit dem 17. Jahrhundert. Die Experimentierkunst wurde dann besonders im 19. Jahrhundert vervollkommnet, aber klare, deutliche Begriffe gingen nicht parallel dieser Vervollkommnung der Experimentierkunst. Und heute stehen wir, indem uns solche klare, deutliche, anschaubare Begriffe fehlen, vielfach vor jenen Erscheinungen ratlos, die das gedankenlose Experimentieren im Lauf der Zeit hervorgebracht hat und die im weiteren sich nur fruchtbar der menschlichen Geistesentwickelung einverleiben können, wenn wiederum der Weg gefunden wird, nicht nur zu experimentieren und den Verlauf des Experiments äußerlich anzuschauen, sondern in den inneren Gang des Naturgeschehens wirklich einzutreten.

Sehen Sie, beim Eindringen in den inneren Gang des Naturgesche-hens kommt dann so etwas außerordentlich stark in Betracht, daß in bezug auf die Ausdehnungsfähigkeit vollständig neue Verhältnisse eintreten, wenn wir von den festen Körpern zu den Gasen hinaufdringen. Aber man wird niemals ohne die Erweiterung unseres ganzen physikalischen

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Vorstellungslebens solche Dinge, wie sie heute eigentlich den Tatsachen nach schon vorliegen, wirklich bewältigen können. Zu diesen Tatsachen, die wir schon angeführt haben, kommt ja noch eine andere, die außerordentlich bedeutsam ist.

Nicht wahr, wie eine allgemeine Regel kann man sich bilden aus dem, was wir jetzt schon hier dargestellt haben, den Satz: Erwärmen wir Körper, so dehnen sie sich aus; erkalten sie dann wiederum, so ziehen sie sich zusammen. So daß der allgemeine Satz gebildet werden könnte: Durch Erwärmung dehnen sich Körper aus, durch Erkaltung ziehen sich Körper zusammen. Nun wissen Sie aber aus der elementaren Physik, daß es von diesem Satz Ausnahmen gibt, vor allen Dingen eine Kardinalausnahme, die bezüglich des Wassers selber. Wenn man Wasser zur Ausdehnung bringt und zum Wiederzusammenziehen, so zeigt sich das Merkwürdige, daß, wenn man Wasser von einer Temperatur von 8° hat und es dann erkaltet, es sich zusammenzieht. Das ist selbstverständlich, möchte ich sagen. Aber wenn man dann weiter abkühlt, zieht es sich nicht zusammen, sondern dehnt sich wieder aus. So daß Eis, das aus dem Wasser entsteht - wir werden über diese Entstehung noch zu sprechen haben -, weil es ausgedehnter und damit weniger dicht ist als das Wasser, auf dem Wasser schwimmen kann. Eine eigentümliche Erscheinung, daß Eis auf dem Wasser schwimmen kann! Sie rührt davon her, daß dieses allgemeine Gesetz der Ausdehnbarkeit und Zusammenziehbarkeit eben für das Wasser eine Unregelmäßigkeit aufweist, daß das Wasser im allgemeinen diesem Gesetz nicht so ohne weiteres folgt. Es wäre ja auch mit unserer ganzen Natureinrichtung eigentümlich bestellt, wenn das anders wäre, wenn diese Ausnahme nicht bestünde. Wenn Sie ein Bassin, einen Teich und so weiter beob-achten, so werden Sie sehen, daß selbst bei strengem Winter nur eine Eisdecke da ist, und das Wasser nicht bis unten gefriert. Daß unten das Wasser ungefroren bleibt, das geschieht aus dem Grunde, weil das sich oben zunächst bildende Eis schwimmt und dadurch eine Decke bildet, und daß dadurch das darunter befindliche Wasser vor der weiteren Abkühlung bewahrt bleibt. Sie haben immer oben eine Eisdecke und unten ein geschütztes Wasser. Diese Unregelmäßigkeit, die hier auftritt, hängt also mit etwas zusammen, was eigentlich - wenn ich

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den etwas spießbürgerlichen Ausdruck gebrauchen darf - mit dem Haushalt unserer Natur außerordentlich viel zu tun hat. Nun, sehen Sie, die physikalische Betrachtungsweise, zu der wir hier unsere Zu-flucht nehmen wollen, die muß durchaus so sein, wie ich es beim letzten Kursus schon angedeutet habe. Wir müssen es vermeiden, den Weg zu dem Achilles-und-der-Schildkröte-Schluß hin zu machen. Wir müssen es vermeiden, abzusehen von dem Anschaulichen, wir müssen durchaus den Versuch machen, im Anschaulichen, das heißt, in dem mit der Anschauung Konstatierbaren zu verbleiben. Daher werden wir uns immer streng an das Anschauliche halten und versuchen, aus dem Anschaulichen heraus eine Erklärung für die Erscheinungen zu finden. Und besonders solche Dinge, die einfach in der Anschauung sich ergeben, wie die Ausdehnung und eine solche Unregelmäßigkeit in der Ausdehnung, wie sie uns beim Wasser, also bei einer Flüssigkeit entgegentritt, solche tatsächlichen Dinge wollen wir uns vor Augen stellen und innerhalb der Tatsachenwelt verbleiben. Das ist auf dem physikalischen Gebiet wirklicher Goetheanismus.

Halten wir also dasjenige, was nun nicht eine Theorie ist, sondern was eine in der Außenwelt konstatierbare Tatsache ist, fest: Mit dem Übergang in den gasigen Zustand tritt eine Vereinheitlichung sämtlicher Substanzen auf der Erde ein. Und mit dem Übergang in den festen Zustand nach unten tritt ein Individualisieren, eine Differenzierung nach Individuen ein. Wenn wir uns nun fragen: Wie kann das eigentlich sein, was kann da zugrunde liegen, daß mit dem Übergang aus dem festen in den gasförmigen Zustand durch den flüssigen hindurch eine Vereinheitlichung eintritt, dann kommen wir aus unseren heute gangbaren Begriffen heraus überhaupt außerordentlich schwer zu einem Ausweg. Wir müssen da schon, um im Anschaulichen stehenbleiben zu können, anfangen, schwerwiegende Fragen zu stellen. Wir müssen zunächst fragen: Woher haben wir denn überhaupt die Möglichkeit, Körper zum Ausdehnen zu bringen und damit allmählich zur Vergasung und zu der charakterisierten Vereinheitlichung? Sie brauchen nur eine Umschau zu halten über all dasjenige, was Sie wissen können über die physikalischen Vorgänge der Erde, so werden Sie sich sagen müssen: Ohne daß Sonnenwirkung da wäre, könnten wir all

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diese Erscheinungen, die auch unter dem Einfluß des Wärmewesens stattfinden, auf der Erde überhaupt nicht haben. Sie müssen den Blick darauf wenden, welche ungeheure Bedeutung die Sonne in ihrem ganzen Wesen für die irdischen Erscheinungen hat. Und wenn Sie dies, was also wiederum in das Gebiet des Tatsächlichen gehört, ins Auge fassen, so werden Sie sich sagen müssen: Gerade jene Vereinheitlichung, die da auftritt bei dem Übergang von dem festen durch den flüssigen in den gasförmigen Zustand, sie könnte nicht eintreten, wenn die Erde nur sich selbst überlassen wäre. Wir können nur Anhaltspunkte gewinnen zu Vorstellungen über diese Sache, wenn wir über die irdischen Ver-hältnisse hinausgehen. Damit ist aber etwas außerordentlich Schwerwiegendes gesagt. Denn mit diesem Übergang des physikalischen Denkens durch die Denkweise der Accademia del Cimento und alles dessen, was damit zusammenhängt, wurden die alten Vorstellungen, die in Griechenland durchaus noch üblich waren, entkleidet alles Außer-irdischen. Und Sie werden schon sehen, daß wir in den nächsten Tagen ohne historische Hilfe, rein aus der Sache heraus, zu demselben kommen werden. Aber ich werde vielleicht leichter zu Ihrem Verständnis den Zugang gewinnen, wenn ich diesen kleinen historischen Exkurs noch einschalte, den ich jetzt machen will.

Ich sagte schon: Die eigentliche Bedeutung derjenigen Begriffe und Ideen, durch die man noch im alten Griechenland die physikalischen Erscheinungen hat begreifen wollen, ist verlorengegangen. Man hat begonnen zu experimentieren, und hat, ich möchte sagen, wortwörtlich, ohne den inneren Gedankenweg, der in Griechenland noch gemacht worden ist, die Vorstellungen, die Ideen aufgenommen. Dadurch vergaß die Menschheit gewissermaßen alles dasjenige, was mit diesen physikalischen Vorstellungen im alten Griechenland noch verbunden war. Das alte Griechenland hat noch nicht gesagt: fest, flüssig, gasförmig -, sondern dasjenige, was das alte Griechenland gesagt hat, können wir in unserer Sprache übersetzen damit, daß wir sagen:

Was fest war, bezeichnete das alte Griechenland mit Erde.

Was flüssig war, bezeichnete das alte Griechenland mit Wasser.

Was gasförmig war, bezeichnete das alte Griechenland mit Luft.

Und es ist ganz unrichtig, zu glauben, daß, wenn wir unsere Wortbedeutungen

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Erde, Wasser, Luft haben, und dann irgendwo in älteren Schriften, die noch von der griechischen physikalischen Anschauung beeinflußt sind, die entsprechenden Worte wiederfinden, daß sie dann dasselbe bedeuten. Wir müßten, wenn wir irgendwo in alten Schriften den Ausdruck «Wasser» sehen, ihn übersetzen mit Flüssigkeit, wenn wir den Ausdruck «Erde» sehen, mit festen Körpern. Nur dadurch würden wir richtig die alten Schriften übersetzen. Aber darin liegt etwas sehr Bedeutsames. Dadurch, daß der feste Zustand - wie gesagt, wir wollen das in den nächsten Tagen aus der Sache selbst heraus finden, ich will heute nur durch diesen historischen Exkurs zu ihrem Verständnis den Zugang gewinnen -, dadurch, daß der feste Zustand mit Erde bezeichnet wurde, drückte man insbesondere aus, daß dieser feste Zustand allein gebunden ist an die Gesetzmäßigkeit unseres irdischen Planeten. Man bezeichnete das Feste deshalb als Erde, weil man da-durch ausdrücken wollte: Wenn ein Körper fest wird, so gerät er ganz und gar unter den Einfluß der irdischen Gesetzmäßigkeit. Wenn dagegen ein Körper Wasser wird, dann steht er nicht mehr bloß unter dem Einfluß der irdischen Gesetzmäßigkeit, sondern unter dem Einfluß des ganzen Planetensystems. Die Kräfte, die sich geltend machen in einem flüssigen Körper, in dem Wasser, die sind nicht bloß von der Erde herrührend, sondern von dem Planetensystem. Da wirken hinein die Kräfte von Merkur, Mars und so weiter in das, was flüssig ist. Aber sie wirken so, daß sie gewissermaßen von den Richtungen her, in denen diese Planeten stehen, eben wirken, und eine Art Resultierende in jeder Flüssigkeit werden.

Man hatte also das Gefühl, indem man nur die festen Körper als Erde bezeichnete, daß nur diese unter dem Einfluß der irdischen Gesetzmäßigkeit stehen; daß, indem ein Körper schmilzt, er unter Gesetzmäßigkeiten gerät, die außerirdische sind. Und indem man gar die gasförmigen Körper Luft nannte, da hatte man - wie gesagt, ich stelle es Ihnen jetzt historisch dar - die Empfindung: Ein solcher Körper steht unter dem Einfluß des vereinheitlichenden Sonnenwesens. Er wird hinausgehoben aus dem Irdischen und aus dem bloß Planetarischen und steht unter dem Einfluß des vereinheitlichenden Sonnen-wesens. Und man hatte von dem irdischen Luftwesen auch die Anschauung,

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daß an seiner Konfiguration, seiner inneren Beschaffenheit und Substantialität die Kräfte der Sonne im wesentlichen tätig sind. Die alte Physik hatte einen kosmischen Charakter. Die alte Physik war geneigt, mit Kräften, welche dem Gebiete des Tatsächlichen an-gehören, zu rechnen. Denn der Mond, der Merkur, der Mars und so weiter sind Tatsachen. Aber indem man verloren hatte die Quelle zu dieser Anschauung und zunächst nicht entwickeln konnte das Bedürfnis nach neuen Quellen, verlor man vollständig die Möglichkeit, andere Vorstellungen zu gewinnen als diese: Wie die festen Körper, selbst in ihrer Ausdehnungsfähigkeit, in ihrer ganzen Konfiguration und Gestaltung abhängig sind von der Erde, so auch die flüssigen und luft-förmigen. Sie werden zwar sagen, es fällt keinem Physiker ein, abzusehen davon, daß die Sonne die Luft erwärmt und so weiter. Das tut er zwar nicht, aber, indem er dabei von Vorstellungen ausgeht, wie ich es gestern charakterisiert habe, indem er sich die Sonne in ihrer Erwärmefähigkeit nur nach dem Muster der aus dem Irdischen gewonnenen Begriffe vorstellt, verirdischt er die Sonne, statt das Terrestrische durch das Solare zu erklären.

Das ist nun das Wesentliche, daß in der Zeit vom 15. bis 17. Jahr-hundert vollständig verlorengegangen ist das Bewußtsein, daß unsere Erde ein Körper im ganzen Sonnensystem ist, daß dann auch jedes einzelne auf der Erde zu tun haben muß mit dem ganzen Sonnensystem und daß das Festwerden der Körper geradezu darauf beruht, daß sich gewissermaßen das Irdische emanzipiert von dem Kosmischen, daß es sich herausreißt, sich selbständige Gesetze gibt, während zum Beispiel das Gasförmige, die Luft, in seiner Gesetzmäßigkeit unter dem Einfluß des für die ganze Erde einheitlichen Sonnenwesens bleibt. Das ist es, was dann dazu geführt hat, daß man genötigt worden ist, für die Dinge, die früher aus dem Kosmischen erklärt worden sind, irdische Erklärungen zu finden. Da man abgesehen hat davon, die Kräfte zu suchen, die vom Planetensystem ausgehen müssen, wenn ein fester Körper, zum Beispiel Eis, flüssig wird, zu Wasser wird, indem man abgesehen hat, sie im Planetensystem zu suchen, mußte man sie hinein-verlegen in das Innere des Körpers selber. Man mußte nachdenken, nachspintisieren darüber, wie ein solcher Körper aus Molekülen und

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Atomen zusammengesetzt ist. Und man mußte diesen unglückseligen Molekülen und Atomen die Fähigkeiten zuschreiben, die von innen heraus nun bewirken sollten, daß ein Festes in Flüssiges, ein Flüssiges in Gasförmiges übergeführt wird, die Fähigkeiten, die man früher hergeleitet hatte von dem, was tatsächlich im Raum gegeben war, aber allerdings im außerirdischen Kosmos. So muß man verstehen den Übergang der physikalischen Vorstellungen, wie er sich insbesondere gezeigt hat im krassen Materialismus aller Abhandlungen der Accademia del Cimento, die etwa zehn Jahre geblüht hat, von 1657 bis 1667. Man muß sich vorstellen, daß dieser krasse Materialismus dadurch ent-standen ist, daß man allmählich verloren hat Ideen, die veranschau-lichen den Anschluß unseres Irdischen an das Kosmische, das Außerirdische. Heute stehen wir vor der Notwendigkeit, hier wiederum Umkehr zu schaffen. Man wird aus dem Materialismus nicht herauskommen, wenn man sich nicht wiederum in die Lage versetzt, weniger philiströs zu sein gerade auf dem Gebiete der Physik. Das Philiströse liegt nämlich darin, daß man von konkreten zu abstrakten Begriffen übergeht, denn niemand liebt die abstrakten Begriffe mehr als der Philister. Er möchte alles mit ein paar Formeln, mit ein paar abstrakten Begriffen umfassen. Aber auch die Physik selber wird nicht weiterkommen, wenn sie fortspinnt in solchen Anschauungen - ich will nicht einmal bloß die Theorien anführen -, wie sie seit dem Materialismus der Accademia del Cimento gang und gäbe geworden sind. Vorwärts kommen wir dadurch, daß wir gerade in einem solchen Gebiet, wie der Wärmelehre, den Anschluß wiederum zu gewinnen versuchen an umfassendere, weiter ausgreifende Ideen, als sie die neuere materialistische Physik gehabt hat.

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DRITTER VORTRAG Stuttgart, 3. März 1920

Wir werden heute, um auf das Ziel zuzusteuern, dem wir in den ersten Tagen unserer Betrachtungen schon nahekommen müssen, noch einige Erscheinungen uns ansehen, welche die Beziehung des Wärmewesens zum sogenannten Aggregatzustand betreffen, also zu dem, was, wie ich Ihnen gestern gesagt habe, in der alten physikalischen Weltanschauung bezeichnet wurde als Erde, Wasser, Luft. Sie wissen ja, daß Erde, Wasser, Luft oder, wie wir es heute nennen, feste, flüssige und gasförmige Körper, in andere überzuführen sind. Dabei zeigt sich aber mit Bezug auf das Wärmewesen eine ganz besondere Erscheinung. Ich will die Erscheinung zunächst beschreiben, und wir wollen sie dann einfach konstatieren: Nehmen wir irgendeinen festen Körper und erwärmen wir ihn, so wird er eben immer wärmer und wärmer, bis er zu einem Punkte kommt, an dem er übergeht aus dem festen in den flüssigen Zustand. Wir können nun, wenn wir ein Thermometer zu Hilfe nehmen, konstatieren, wie, während der Körper immer wärmer und wärmer wird, das Thermometer steigt. In dem Augenblick, in dem der Körper beginnt flüssig zu werden, also zu schmelzen, hört das Thermometer auf zu steigen. Es wartet, bis der ganze Körper flüssig geworden ist, und es steigt erst wieder innerhalb der Flüssigkeit, die aus dem Körper geworden ist. So daß wir sagen können: Während des Vorganges des Schmelzens zeigt sich an dem Thermometer kein Ansteigen der Temperatur. Dabei darf man aber nicht glauben, daß das Wärmewesen selber unbeteiligt ist. Wenn wir nun keine Wärme zuführen würden, so würde das Schmelzen aufhören. Wir müssen also Wärme zuführen, um das Schmelzen bewirken zu können, aber diese Wärme zeigt sich nicht am Thermometer, sondern es fängt erst an, daß sich wiederum Wärme am Thermometer zeigt, wenn das Schmelzen vollzogen ist und nun weiter erwärmt wird die Flüssigkeit, die aus dem festen Körper entstanden ist. Diese Erscheinungen müssen zunächst einmal genau ins Auge gefaßt werden. Denn Sie sehen, daß durch diese Erscheinungen in dem Fortgang des Aufsteigens der Temperatur

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eine Unterbrechung eintritt. Wir wollen eine Anzahl solcher Erscheinungen zusammenstellen, die uns dann, ohne daß wir über-gehen zu irgendwelchen ausgedachten Theorien, zu einer Anschauung über das Wärmewesen werden führen können. Wir haben hier vorbereitet zunächst diesen festen Körper, Natriumthiosulfat. Wir werden diesen Körper zum Schmelzen bringen. Sie sehen hier eine Temperatur von etwa 25°. Nun handelt es sich darum, daß wir diesem Körper Wärme zuführen, und ich bitte irgend jemand, als Delegierten sich hierher zu begeben, um zu sehen, wie während des Schmelzens dieses Körpers die Temperatur tatsächlich nicht steigt. (Inzwischen ist das Thermometer auf 48°, den Schmelzpunkt des Natriumthiosulfats, gestiegen und dieses ist geschmolzen.) Jetzt steigt das Thermometer rasch, weil das Schmelzen vollzogen ist, während es früher stehenblieb während des ganzen Schmelzvorganges.

Nun wollen wir einmal diesen Vorgang uns einfach versinnlichen. Wir können das auf folgende Weise tun. Das Ansteigen der Tempe-ratur wollen wir auffassen als eine Linie, die in dieser Weise ansteigt.

#Bild s. 47

Nehmen wir an, wir seien mit der ansteigenden Temperatur bis zum sogenannten Schmelzpunkt gekommen. Hier beginnt der Körper zu schmelzen. Die Temperatur bleibt, soweit sie durch das Thermometer gezeigt wird, stehen. Wenn ich jetzt weiter erhitze, steigt die Temperatur wieder an. Man würde sehen, daß sich durch das Ansteigen der Temperatur, das heißt durch das Zuführen weiterer Wärme, die betreffende

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Flüssigkeit ausdehnt. Nun handelt es sich darum, daß wir einen solchen flüssig gewordenen Körper weiter erhitzen. Dann steigt die Temperatur wiederum und zwar von demselben Punkte aus, an dem sie beim Schmelzen war (punktierte Linie). Sie steigt, so lange der Körper nun flüssig bleibt. Wir können zu einem zweiten Punkt kommen, in dem die Flüssigkeit beginnt zu sieden, zu verdampfen. Wir haben wieder dieselbe Erscheinung: Das Thermometer hört auf, eine Erhöhung der Temperatur anzuzeigen. So lange, bis die Flüssigkeit verdampft ist. In dem Augenblick, wo die Flüssigkeit verdampft ist, würden wir, wenn wir das Thermometer in den Dampf hineinhalten könnten, wiederum sehen, wie das Thermometer ansteigt (strichpunktierte Linie). Sie könnten hier wiederum beobachten, daß während des Verdampfens das Thermometer nicht ansteigt. Ich habe also hier eine zweite Grenze, an der die Thermometererhöhung stehenbleibt.

Nun, zu dieser Erscheinung, die ich Ihnen eben vorgeführt habe, bitte ich Sie, eine andere hinzuzunehmen, die Ihnen aus dem gewöhnlichen Leben sehr gut bekannt sein kann: Wenn wir den festen Körper nehmen, der unseren Ausgangspunkt bildete, so ist dieser, wie Sie wissen, so, daß er seine Form, die er einmal hat, durch sich selbst beibehält (1).

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Wenn ich irgendeinen festen Körper hierher lege, so bleibt er, wie er ist. Wenn Sie eine Flüssigkeit nehmen, also dasjenige, was durch den Schmelzpunkt hindurchgegangen ist bei der Erwärmung, so wissen Sie, daß ich eine Flüssigkeit nicht hinlegen kann stückweise, sondern ich habe nötig, sie in einem Gefäß zu halten, und sie bleibt in der Form des Gefäßes und bildet oben eine horizontale Niveaufläche (2). Wenn ich ein Gas nehme, Dampf, der durchgegangen ist durch den Siedepunkt, so kann ich den nicht behalten in einem solchen Gefäß. Da geht er mir fort. Einen solchen Dampf kann ich nur aufbehalten in einem Gefäß,

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das allseitig geschlossen ist, sonst geht mir der Dampf nach allen Seiten hin fort (3). Das gilt wenigstens zunächst für den oberflächlichen Anblick, und wir wollen von diesem oberflächlichen Anblick zunächst einmal ausgehen. Und jetzt bitte ich Sie, folgende Erwägungen mit mir zu machen. Diese Erwägungen stellen wir an, um durch ihr Zusammenbringen zuletzt uns wirklich zu einer Art Erfassung des Wärme-wesens hinbegeben zu können. Wodurch habe ich denn überhaupt die ansteigende Temperatur konstatiert? Ich habe sie konstatiert durch die Ausdehnung des Quecksilbers. Diese Ausdehnung des Quecksilbers hat sich vollzogen im Raum. Und wenn auch das Quecksilber bei unserer mittleren Temperatur eine Flüssigkeit ist, so müssen wir uns doch klar sein, daß, wenn es auch zusammengehalten wird in dem Gefäß, sich doch die Ausdehnungen nach den drei Dimensionen summieren, und wir bekommen sie als Ausdehnung nur nach der einen Seite heraus. Wir haben doch bei der Ausdehnung des Quecksilbers nach den drei Dimensionen diese nur reduziert auf die eine Dimension hin, so daß wir also das Ansteigen der Temperatur konstatieren durch die Ausdehnung eines Körpers.

Gehen wir von dieser Betrachtung aus, die wir zugrunde gelegt ha-ben, und sehen wir uns das Folgende an: Nehmen wir einmal eine

Linie (siehe Zeichnung) - man kann eine Linie natürlich nur denken -und sagen Sie sich, auf dieser Linie lägen eine Anzahl Punkte, a, b, c, d

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und so weiter. Wenn Sie zu diesen Punkten kommen wollen, so können Sie durchaus in dieser Linie bleiben. Wenn Sie zum Beispiel hier stehen (a), können Sie zu dem Punkt c gelangen, indem Sie die Linie

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durchlaufen. Sie können zurücklaufen und wiederum den Punkt a erreichen. Kurz, wenn ich die Punkte a, b> c, d erreichen will, kann ich durchaus in der Linie bleiben. Anders liegt das, wenn wir den Punkt e oder den Punkt f ins Auge fassen. Sie können nicht bei der Linie verbleiben, wenn Sie zu dem Punkt e und zu dem Punkt f gelangen wollen. Sie müssen aus der Linie herausgehen, um zu dem Punkt e und zu dem Punkt f zu gelangen. Sie müssen also irgendwie auf der Linie laufen und dann aus der Linie heraustreten, um zu diesen Punkten zu gelangen.

Jetzt nehmen Sie an, Sie betrachten eine Fläche, sagen wir die Fläche der Tafel, und ich registriere wiederum auf der Fläche der Tafel eine Anzahl Punkte: a, b, c. Um diese Punkte zu erreichen, können Sie durchaus in der Fläche der Tafel bleiben. Wenn Sie hier sind (X),

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können Sie den Weg machen, der gar nicht aus der Tafel herausgeht, zu jedem dieser Punkte. Sie können aber nicht, wenn Sie in der Tafel verbleiben wollen, zu dieser Spitze, die hier ist (vor der Tafel) und die einen weiteren Punkt darstellt, gelangen. Da müssen Sie aus der Tafel herausgehen. Auf diese Weise ist es möglich, sich eine Anschauung über die Dimensionalität des Raumes zu machen, indem man sich sagt: Für Punkte, die in der ersten Dimension liegen, ist es möglich, durch diese eine Dimension auch zu ihnen zu gelangen. Für Punkte aber, die außerhalb der einen Dimension liegen, kann man nicht, ohne aus dieser Di-mension zu gehen, zu diesen Punkten gelangen. Ebenso kann man nicht zu Punkten, die in der dritten Dimension liegen, durch ein Durchlaufen

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der Fläche gelangen. Was tritt ein, wenn ich nur von den Punkten e und f mit Bezug auf die eine Dimension rede, in der die Punkte a, b, c, d liegen? Denken Sie sich einmal ein Wesen, welches in der Lage wäre, nur eine einzige Dimension zu beobachten, welches keine Vorstellung hätte von einer zweiten und dritten Dimension. Ein solches Wesen würde, geradeso wie Sie im dreidimensionalen Raume sich bewegen, sich nur in der einen Dimension bewegen. In dem Augenblick, wo dieses Wesen den Punkt a mitnimmt (siehe Zeichnung Seite 49) bis hierher (b) und der Punkt dann abweicht und nach e geht, in dem Augenblick würde der Inhalt dieses Punktes für dieses Wesen einfach verschwinden. Er ist nicht da für ein solches Wesen, das nur wahrnehmen könnte in einer solchen Dimension, in dem Augenblick, wo er aus dieser einen Dimension herausgeht. Ebenso sind alle Punkte, die außerhalb der beiden Dimensionen der Fläche liegen, nicht da für ein Wesen, das nur in den zwei Dimensionen der Fläche wahrnehmen kann. Und wenn ein Punkt, der in der Fläche liegt, sich einfallen läßt, aus der Fläche herauszugehen, so würde dieses Wesen kein Mittel haben, um diesen Punkt weiter zu verfolgen. Er würde aus dem Bereich seines Raumes verschwinden. Ein solches Wesen, ein Wesen, das nur wahrnehmen könnte in einer einzigen Dimension, was würde es denn für eine Geometrie haben? Es würde nur eine eindimensionale Geometrie haben. Es würde nur innerhalb der einen Dimension von Entfernungen und dergleichen und ihren Gesetzen reden können. Ein Wesen, das nur in zwei Dimensionen wahrnehmen kann, würde nur von den Gesetzen der ebenen Figuren sprechen können, würde nur eine zweidimensionale Geometrie haben. Wir Menschen haben eine dreidimensionale Geometrie zunächst. Ein Wesen mit einer eindimensionalen Geometrie hätte gar keine Möglichkeit, irgendwie dasjenige geo-metrisch zu versinnlichen, was ein Punkt tut, der aus der einen Dimension hinausgeht. Ein Wesen mit einer zweidimensionalen Geometrie hätte keine Möglichkeit, das zu verfolgen, was ein Punkt tut, der aus den zwei Dimensionen herausgeht und nachher da ist (vor der Tafel). Wir Menschen - ich sage es noch einmal - haben eine dreidimensionale Geometrie. Nun könnte ich ebensogut, weil ich es ja eigentlich zu tun habe, wie schon früher gesagt, bei der Ausdehnung des Quecksilbers

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mit drei Dimensionen, die nur auf eine Dimension reduziert sind, könnte ich, wie ich hier, nur durch die Tafel veranlaßt, auf zwei Di-mensionen eine Linie gezogen habe, sie auch so ziehen, daß ich sie auf ein Raumkoordinatensystem bezöge. Ich hätte hier eine Abszissenachse,

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eine Ordinatenachse und senkrecht darauf eine dritte Achse, und ich würde diese Linie als eine Raumlinie ziehen können. In dem Augenblick, in dem ich ankomme entweder bei dem Schmelzpunkt oder Siedepunkt, bin ich nicht in der Lage, irgendwie mit dem Ziehen dieser Linie fortzufahren.

Es gäbe, theoretisch, hypothetisch ausgedrückt eine Möglichkeit, fortzufahren. Nehmen wir einmal an, ich könnte die Sache so machen:

Sagen wir, das Ansteigen der Temperatur würde durch diese Linie dargestellt (siehe Zeichnung Seite 53). Ich müßte dann, indem irgendwelche Faktoren gleichbleiben, anderes hier verändern und könnte dann von einem anderen Punkt oben fortfahren. So würde ich noch einen Anhaltspunkt haben, in meiner Welt zu bleiben. Aber einen solchen Anhaltspunkt habe ich nicht. Denn ich muß einfach, wenn ich diese Temperaturkurve zeichne, von demselben Punkte ausgehen, auf dem die Temperatur steht, nachdem der betreffende Körper geschmolzen oder verdampft ist (X x in der Zeichnung), von demselben Punkt, auf dem sie angekommen ist, wenn das Schmelzen oder Verdampfen begonnen hat. Sie sehen daraus, daß ich hier mit Schmelzpunkt und Siedepunkt einfach zu etwas genötigt bin, das sich mit nichts vergleichen läßt als mit der Lage, in der ein eindimensionales Wesen ist, wenn ihm ein Punkt aus seiner einen Dimension heraus in die zweite Dimension

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hinein verschwindet, oder ein zweidimensionales Wesen, wenn ihm ein Punkt in die dritte Dimension verschwindet. Wenn der Punkt wiederum hereinkommt und von derselben Stelle aus weitergeht, wenn also der Punkt a hierher verschleppt ist (siehe Zeichnung Seite 49), hinausgeht, und nun gewartet wird und der Punkt wiederum zurückkommt, so muß ich von derselben Stelle seinen Lauf weiterverfolgen in der einen Dimension drinnen. Rein erscheinungsgemäß gesprochen, liegt mir ja nichts anderes vor, wenn mir die Erwärmung verschwindet beim Schmelzpunkt und Siedepunkt, als daß meine Temperaturkurve unterbrochen wird und ich sie von demselben Punkte aus nach einiger Zeit fortsetzen muß. Aber dasjenige, was während der Unterbrechung mit der Wärme geschieht, das fällt ebenso aus dem Bereich heraus, in dem ich meine Kurve ziehe - und ich sage ausdrücklich, ich kann sie als Raumkurve ziehen. Es ist zunächst - ich sage zunächst - Analogie vorhanden zwischen diesem Verschwinden des Punktes a aus der ersten in die zweite Dimension hinein und dem, was da geschieht mit der durch das Thermometer angezeigten Wärme, während das Thermometer stillsteht beim Schmelzpunkt und Siedepunkt.

Nun handelt es sich darum, mit dieser Erscheinung eine andere in Zusammenhang zu bringen. Sehen Sie, auf dieses In-Zusammenhang-Bringen der Erscheinungen kommt nämlich alles an; nicht auf das Ausdenken irgendwelcher Theorien, sondern auf das Zusammenbringen der Erscheinungen, so daß sie sich gegenseitig beleuchten und erklären. Das ist der Unterschied der Goetheschen Physik von der heute

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herrschenden, daß die Goethesche Physik die Erscheinungen einfach zusammenstellt, damit sie sich gegenseitig beleuchten, während die heutige Physik, wenn sie überhaupt wagt, zu Theorien überzugehen, darauf aus ist, zu den Erscheinungen hinzu zu theoretisieren, hinzu zu phantasieren. Denn Atome und Moleküle sind ja im wesentlichen nichts anderes, als zu den Erscheinungen hinzuerfunden, hinzuphantasiert.

So wollen wir denn eine andere Erscheinung zusammenhalten mit dem Verschwinden der durch das Thermometer konstatierbaren Erwärmung während des Schmelzens. Diese andere Erscheinung tritt uns entgegen, wenn wir unsere gestrige Formel ins Auge fassen:

V = V0 (1 + 3 a t + 3 a2 t2 + a3 t3).

Von dieser Formel sagte ich gestern, daß Sie insbesondere die zwei letzten Glieder ins Auge fassen sollen. Es ist besonders wichtig für uns heute, das t3 einmal ins Auge zu fassen, die dritte Potenz der Temperatur. Nehmen Sie einmal eine gewöhnliche Raumdimensionalität. Bei dieser gewöhnlichen Raumdimensionalität sprechen Sie, wenn es ein mathematischer Körper ist, von Länge, Breite und Höhe. Das sind ja im wesentlichen die drei Raumdimensionen. Nun können wir, wenn wir einen Stab erwärmen, wie wir das gestern getan haben, die Ausdehnung dieses Stabes betrachten. Wir können auch die Temperatur dieses Stabes betrachten. Aber wir können eines nicht herbeiführen:

daß der Stab, während er sich ausdehnt, nicht Wärme in seine Um-gebung abgibt, daß er nicht Wärme ausströmt, ausstrahlt. Das können wir nicht verhindern. Wir können unmöglich eine Wärmeausdehnung uns denken - bitte auf das Wort zu achten - nur nach einer Dimension. Wir können wohl eine reine Raumausdehnung - das tut man ja immer in der Geometrie - nach einer Dimension, nämlich als Linie denken, wir können aber niemals einen Wärmezustand auch nur denken, der sich bloß längs einer Linie ausdehnt. Wir können, wenn wir dies beachten, nicht sagen, daß der Fortgang der Wärme - als Kurve jetzt gedacht, nicht im Raum - wirklich etwas anderes als versinnbildlicht ist durch diese Kurve, die ich hier aufgezeichnet habe (siehe Zeichnung Seite 53). Ich fasse nicht den ganzen Vorgang der Wärme durch diese Kurve ins Auge. Da ist noch irgend etwas anderes im Spiel als

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dasjenige, was ich durch diese Kurve ins Auge fassen kann. Und das, was da im Spiel ist, das muß die ganze Natur und Wesenheit desjenigen ändern, was ich eigentlich durch diese Kurve abbilde, welche ich als Symbolum gebrauche für die Darstellung des Wärmezustandes, gleichgültig ob ich sie geometrisch oder arithmetisch fasse.

Wir haben also das Eigentümliche hier, daß, wenn wir durch un-sere landläufigen geometrischen Linien erfassen wollen den Wärmezustand, insofern er durch die Temperatur zum Vorschein kommt, wir ihn nicht voll erfassen können. Das aber hat eine andere Wirkung. Denken Sie sich einmal, Sie haben eine Linie (siehe Zeichnung). Diese Linie hat eine bestimmte Länge l. Erheben Sie diese Linie zum Quadrat, so können Sie dieses 12 aufzeichnen durch diese Quadratfläche.

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Nehmen Sie an, Sie bilden 13, so können Sie sich diese dritte Potenz aufzeichnen durch den Würfel, durch den Raumkörper. Aber nehmen Sie an, ich bilde die vierte Potenz l4, was soll ich denn jetzt tun, wenn ich weiterzeichnen will? Ich kann von der Linie zur Fläche, von der Fläche zum Körper übergehen, aber was kann ich denn jetzt tun, um zur vierten Potenz überzugehen, wenn ich nach derselben Methode weiter-rücken will? Ich kann da nichts machen innerhalb unseres dreidimensionalen Raumes. Das gilt zunächst für mathematische Raumgrößen. Aber wir haben gesehen, daß der Wärmezustand, insofern er durch die Temperatur zur Anschauung kommt, gar nicht ausdrückbar ist durch Raumgrößen. Da ist noch etwas anderes drinnen. Sonst könnte ein Wärmezustand, der längs eines Stabes ist, aufgefaßt werden als bloß längs eines Stabes verlaufend. Das ist aber unmöglich. Die Folge davon ist, daß ich, wenn ich konsequent zu Werke gehe, nicht in der Lage bin, die Potenzierungen des t in derselben Weise aufzufassen, wie ich die Potenzierung der Raumgrößen auffasse. Ich bin nicht in der

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Lage, dasselbe zu denken über die Potenzierung des t, wie ich denke über die Potenzierung des l oder irgendeiner anderen bloßen Raumgröße. Und wenn zum Beispiel - ich will das heute zunächst einmal nur hypothetisch behandeln -, wenn ich zum Beispiel nur die eine Potenz, die erste Potenz von dem t hätte, und diese nicht ausdrückbar wäre als Linie, so könnte die zweite Potenz t2 nicht ausdrückbar sein als Fläche. Und die dritte Potenz t3 könnte schon gar nicht durch eine Raumgröße ausdrückbar sein. Ich würde, wie ich bei mathematischen Raumgrößen erst aus dem Raum herauskomme, nachdem ich die dritte Potenz gebildet habe, vielleicht schon bei der zweiten Potenz aus unserem Raum herauskommen, und bei der dritten nicht mehr drinnen sein.

Also denken Sie sich, Sie müßten sich das t in ganz anderer Natur vorstellen als Raumgrößen. Sie müßten das gewöhnliche t schon als etwas Quadriertes auffassen, als eine zweite Potenz, und Sie müßten das quadrierte t schon als dritte Potenz auffassen und das kubierte t als vierte Potenz, wobei Sie aus unserem gewöhnlichen Raum herauskommen. Denken Sie, dann würde diese Formel ein ganz besonderes Gesicht bekommen. Dann würde das letzte Glied, das in dieser Formel drinnen ist, mich zwingen, aus dem dreidimensionalen Raum herauszugehen. Ich würde dann, indem ich einfach rechne, genötigt sein, mit dem letzten Glied meiner Formel aus dem dreidimensionalen Raum herauszurücken. Das sage ich jetzt rein hypothetisch, also als Möglichkeit, wie man das ja tut bei mathematischen Formeln. Nicht wahr, wenn Sie ein Dreieck betrachten und konstatieren, daß das Dreieck drei Winkel hat, so haben Sie zunächst ein gedachtes Dreieck. Weil das Denken zu bequem ist, zeichnen Sie es sich auf, um es zu versinnlichen. Aber die Zeichnung hat damit nichts zu tun. Sie haben gegeben: Die Summe der Winkel ist 180°. Oder: In einem rechtwinkligen Dreieck ist das Quadrat über der Hypotenuse gleich der Summe der Quadrate über den beiden Katheten. Das ist etwas, was man zunächst eben behandelt, wie ich jetzt das t in seiner Potenz behandelt habe. Jetzt gehen wir zurück und sehen uns dasjenige an, was wir als Erscheinung konstatiert haben. So macht man es ja in der Geometrie: Wenn ich an einer Brücke oder sonstwo nötig habe, ein Dreieck zu beobachten, so

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verifiziert sich das, was ich am abstrakten Dreieck gedacht habe. Was ich am abstrakten t gedacht habe, das hat zunächst - wir wollen der Wirklichkeit immer näher auf den Leib rücken, aber schrittweise -eine gewisse Ahnlichkeit mit dem, was dargestellt ist beim Schmelzen und Verdampfen. Ich war nicht imstande, das Schmelzen und Verdampfen in die drei Raumdimensionen hineinzukriegen. Die kann ich nur hereinkriegen, indem ich aufhöre, die Kurve zu ziehen, und sie dann wiederum fortsetze. Wenn nun die Voraussetzungen zutreffen, die ich vorhin machte, dann wäre ich auch genötigt, bei der dritten Potenz, bei dem Kubus der Temperatur, aus dem dreidimensionalen Raum hinauszugehen.

Sehen Sie, da habe ich Ihnen einen Weg gezeigt, der in einer ge-wissen Weise eingeschlagen werden muß, wenn man versuchen will, die Erscheinungen, die sich dem Wärmewesen gegenüber zeigen, einfach zusammenzustellen, um durch diese Zusammenstellung etwas Ahnliches zu gewinnen wie im vorhergehenden Kursus für die Betrachtung des Lichtwesens. Von ganz anderen Voraussetzungen ist der Physiker Crookes ausgegangen. Und merkwürdig ist, daß er durch seine Erwägungen immerhin zu einem ähnlichen Resultat gekommen ist wie das, was wir jetzt bloß hypothetisch hingestellt haben, dessen Wirklichkeit wir dann zu Leibe rücken werden in den nächsten Betrachtungen. Auch er kommt dazu, die Veränderungen der Temperatur über-haupt als etwas zu betrachten, was zu tun hat mit einer Art vierten Dimension des Raumes. Es ist heute wichtig, auf diese Sache hinzuweisen aus dem Grunde, weil ja die Relativisten, Einstein an der Spitze, indem sie über die drei Dimensionen des Raumes hinausgehen, sich genötigt sehen, zur Zeit überzugehen und diese als vierte Dimension zu bezeichnen, so daß man in den Einsteinschen Formeln überhaupt als vierte Dimension die Zeit bezeichnet findet, während Crookes sich genötigt fand, als die vierte Dimension die Ab- oder Zunahme des Wärmezustandes anzusehen. Das als eine historische Einschiebung.

Zu diesen Erscheinungen bitte ich Sie jetzt dasjenige zu nehmen, was ich auch früher erwähnt habe. Ich habe gesagt: Einen gewöhn-lichen festen Körper kann ich hinlegen, er wird seine Form behalten, das heißt, er hat einen bestimmten Umriß. Einen flüssigen Körper muß

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ich in ein Gefäß hineinlaufen lassen. Er bildet immer eine Niveau-fläche und nimmt im übrigen die Form des Gefäßes an. So ist es nicht beim gas- oder dampfförmigen Körper. Der dehnt sich nach allen Seiten aus. Ich muß, um ihn zu begrenzen, ihn in ein allseitig geschlossenes Gefäß einfassen. Dieses allseitig geschlossene Gefäß gibt ihm seine Form, so daß ich bei einem Gas eine Form nur habe, wenn ich es allseitig einschließe.

Wenn ich einen festen Körper habe, so hat er seine Form eben dadurch, daß er ein fester Körper ist. Er hat sie gewissermaßen von selbst. Ich lasse die Flüssigkeit als Zwischenzustand jetzt aus und will als die Gegensätze den festen und den gasförmigen Körper beschreiben. Der feste Körper versorgt sich gewissermaßen selbst mit dem, was ich beim gasförmigen zufügen muß: die Wandung von allen Seiten. Nun tritt aber beim Gas etwas Besonderes auf. Wenn Sie ein Gas, statt daß sie es da drinnen haben, in ein kleineres Gefäß einschließen - dieselbe Gasmenge, dadurch daß Sie von allen Seiten die Wand zusammendrücken -, so müssen Sie eben drücken, müssen Druck ausüben.

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Das heißt nichts anderes als: Sie müssen den Druck des Gases überwinden. Sie haben es zu tun an den Wänden, die die Formung bilden, mit einem Druck. Wir können also sagen: Ein Gas, welches das Bestreben hat, nach allen Seiten davonzulaufen, das wird durch den Widerstand der Wände zusammengehalten. Dieser Widerstand ist von selbst da, indem ich einen festen Körper habe. So daß ich, indem ich gar nichts theoretisiere, sondern einfach den ganz gewöhnlichen Tatbestand ins Auge fasse, einen polarischen Gegensatz von Gas und festem Körper so definieren kann, daß ich sage: Dasjenige, was ich von außen hinzufügen muß beim Gas, ist beim festen Körper von selber da. Aber

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nun können Sie, indem Sie das Gas abkühlen, zurückgehend wiederum zum Siedepunkt, aus dem Dampf die Flüssigkeit gewinnen; indem Sie weiter abkühlend zurückgehen bis zum Schmelzpunkt, können Sie aus der Flüssigkeit wiederum die festen Körper gewinnen. Das heißt, Sie können einfach durch Vorgänge, die zusammenhängen mit dem Wärmewesen, das hervorrufen, daß Sie nicht mehr nötig haben, von außen die Formung zu bilden, sondern daß die Formung sich von innen von selbst bildet. Da ich nichts anderes getan habe, als den Wärmezustand zu verändern, so ist es ja selbstverständlich, daß diese Formung irgendwie mit der Anderung des Wärmezustandes zusammenhängt. Beim festen Körper ist etwas da, was beim gasförmigen noch nicht da war. Wenn wir dem festen Körper entgegenhalten irgendeine Wand, drückt der feste Körper auf diese Wand zunächst nicht, wenn wir nicht selber andrücken. Wenn wir dem Gas entgegenhalten eine feste Wand, drückt das Gas immer auf die feste Wand. Sie sehen, wir kommen da zu dem Begriff des Druckes und müssen dieses Entstehen des Druckes in Zusammenhang bringen wiederum mit dem Wärmezustand. Wir müssen also sagen: Es muß aufgesucht werden eine bestimmte Beziehung zwischen der Formung des festen Körpers und dem Entgegenwirken durch den Wändedruck gegen das allseitige Zerfließen des Gases. Wenn wir diese Beziehungen aufsuchen, können wir hoffen, in das Wesen des Zusammenhanges zwischen der Wärme und den Körpern wirklich einzudringen.

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VIERTER VORTRAG Stuttgart, 4. März 1920

Sie werden vielleicht bemerkt haben, daß es bei diesen Betrachtungen im wesentlichen auf eine gewisse Zielsetzung ankommt. Wir wollen eine Reihe von Erscheinungen aus dem Gebiete des Wärmewesens so zusammenstellen, daß wir zuletzt herausfinden können, worin dieses Wärmewesen eigentlich besteht. Wir haben uns im wesentlichen bisher bekanntgemacht mit gewissen Zusammenhängen, die uns durch Erscheinungen innerhalb des Gebietes des Wärmewesens entgegentreten können, und wir haben namentlich beobachtet, in welchem Zusam-menhange das Wärmewesen mit der Ausdehnungsfähigkeit der Körper steht. Wir haben dann versucht, zunächst einige Bildvorstellungen festzusetzen über die Gestalt eines festen Körpers, eines flüssigen Körpers und eines luft- oder gasförmigen Körpers. Und ich habe auch gesprochen über die Zusammenhänge des Wärmewesens mit diesen ja an den Körpern hervorzurufenden Verwandlungen: dem Übergang vom festen in den flüssigen, in den gas- oder dampfförmigen Zustand. Nun möchte ich Ihnen jetzt vorführen diejenige Erscheinung, die uns wird zeigen können, welche Verhältnisse auftreten, wenn wir es zu tun haben mit Gasen, mit Dämpfen, von denen wir ja schon wissen, daß sie einen gewissen Zusammenhang haben mit dem Wärmewesen dadurch, daß wir durch das Wärmewesen den gasförmigen Zustand hervorrufen können, daß wir wiederum durch eine gewisse Veränderung des Wärmegrades aus einem dampf- und gasförmigen Körper einen flüssigen herstellen können. Sie wissen, daß, wenn wir einen festen Körper haben, wir unmöglich diesen festen Körper mit einem anderen festen Körper durchdringen können. Die Beobachtung solcher einfacher elementarer Verhältnisse ist außerordentlich wichtig, wenn wir eindringen wollen in das eigentliche Wärmewesen. Dasjenige, was hier jetzt vorgeführt werden soll, das soll zeigen, wie Wasserdampf, den wir hier erzeugen, zunächst hier herübergeht in diesen Kolben und dann eben in diesem Kolben drinnen sein wird. Wir werden also diesen Kolben mit Wasserdampf allmählich anfüllen und werden nun von der anderen

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Seite zuleiten einen anderen Dampf, dessen Bildung Sie verfolgen können dadurch, daß er hier in einem gefärbten Zustand ist. (Das Experiment wird vorgeführt.) Sie sehen also, trotzdem wir den Kolben gefüllt hatten mit Wasserdampf, ging der andere Dampf von der anderen Seite in den mit Wasserdampf gefüllten Raum hinein, das heißt:

Ein Gas hindert nicht, daß ein anderes Gas in denselben Raum ein-dringt, in dem schon eines drinnen ist. Wir wollen auch diese Erscheinung zunächst als eine solche festhalten, wollen uns also klar darüber sein, daß gas- oder dampfförmige Körper in einem bestimmten Maße füreinander durchdringlich sind.

Ich will Ihnen nun eine andere Erscheinung vorführen, welche Ihnen zeigen soll noch einen anderen Zusammenhang des Wärmewesens mit anderen Tatsachen. Wir haben hier in der linken Röhre Luft,

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die einfach in demselben Zustand ist wie die äußere Luft, von der wir fortwährend umgeben sind. Ich muß erwähnen, daß diese äußere Luft, von der wir fortwährend umgeben sind, unter einem gewissen

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Druck, unserem gewöhnlichen Atmosphärendruck steht, der ja fort-während auch auf uns selbst drückt. So daß wir sagen können: Die Luft, die wir hier drinnen haben, links, ist unter genau demselben Druck wie die äußere Luft selbst, was sich dadurch zeigt, daß die Quecksilbersäule links und rechts auf demselben Niveau stehen bleibt -daraus, daß links und rechts die Quecksilbersäule gleich hoch steht, ersehen Sie, daß hier (rechts) die äußere Luft, die ja noch von oben freien Zugang hat, unter genau demselben Druck steht wie die Luft hier in dem allseitig geschlossenen Glasrohr (links). Wir wollen nun eine Veränderung dadurch hervorrufen, daß wir den Druck, der auf die Luft in dem linken Glasrohr ausgeübt wird, vergrößern. Das können wir dadurch erreichen, daß wir die rechte Röhre hier heben (Zeichnung rechts). Indem wir diese gehoben haben, haben wir links hinzugefügt zu dem gewöhnlichen Atmosphärendruck noch jenen Druck, der von der erhöhten Quecksilbersäule herrührt. Also einfach das Gewicht der Quecksilbersäule von hier (a) bis hierher (b) habe ich hinzugefügt. Dadurch aber, daß wir auf diese Weise den Druck, der auf diese Luft hier ausgeübt wird, vermehrt haben um jenen Druck, der ent-spricht dem Gewicht dieser Quecksilbersäule, ist, wie wir sehen, der Rauminhalt, das Volumen, wie man es nennt, in der anderen Glas-röhre ein kleinerer geworden, so daß wir sagen können: Wenn wir auf ein Gas einen erhöhten Druck ausüben, so nimmt sein Volumen, sein Rauminhalt ab. Dieses müssen wir als eine weitere Erscheinung festhalten, müssen festhalten, daß Rauminhalt und auf das Gas ausgeübter Druck sich in einem umgekehrten Verhältnis zueinander verhalten. Je größer der Druck, desto geringer der Rauminhalt; je größer der Rauminhalt wird, desto geringer muß der Druck sein, der auf das Gas ausgeübt wird. Wir können aus dieser Erscheinung die Gleichung ableiten, daß sich der Rauminhalt V1 zu dem Rauminhalt V2 verhält wie umgekehrt der Druck P2 zum Druck P1

V1 : V2 = P2 : P1,

woraus folgt:

V1*P1 = V2*P2.

Daraus ergibt sich also als ein relativ allgemeines Gesetz - wir können

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ja immer nur von relativen Gesetzen sprechen, bei späteren Betrachtungen werden wir dann sehen warum -, daraus ergibt sich für den Zusammenhang zwischen Volumen und Druck bei Gasen, daß das Produkt aus dem Volumen und aus dem Druck für Gase konstant bleibt, wenn wir die Wärme dieselbe sein lassen. Solche Erscheinungen müssen, wie gesagt, zusammengestellt werden, um uns dem Wesen der Wärme zu nähern. Weil wir ja durch unsere Betrachtungen zugleich auch eine Grundlage für die pädagogische Behandlung in der Schule schaffen wollen, andererseits uns Erkenntnisse verschaffen wollen, handelt es sich darum, daß wir auf der einen Seite kennen die Denkweise der gegenwärtigen Physik und auf der anderen Seite uns bekanntmachen mit dem, was zu geschehen hat, damit man aus verschiedenen, ich könnte sagen, Hindernissen herauskommt, die in der gegenwärtigen Physik für eine wirkliche Erkenntnis des Wärmewesens waltend sind.

Wenn Sie sich vergegenwärtigen, daß wir es zu tun gehabt haben im wesentlichen neben dem Wärmewesen mit Volumenausdehnung, mit Veränderung also des Raumes und mit Veränderung des Druckes, so müssen Sie sich sagen, es sind uns aufgetreten - ich muß nämlich, um unser Ziel zu erreichen, möglichst genau sprechen, was sonst gewöhnlich nicht geschieht auf diesem Gebiete - im Verlauf unserer Betrachtung über das Wärmewesen mechanische Tatsachen : Raumänderungen, Druckänderungen. Mechanische Tatsachen sind uns entgegen-getreten. Nun stand für die moderne Physikentwickelung diese Tat-sache da, daß auftrat, wenn man das Wärmewesen betrachtete, mechanisches Geschehen. Dieses mechanische Geschehen wurde gewissermaßen überhaupt dasjenige, an dem man die Wärmeerscheinungen beobachtete. Das Wärmewesen läßt man gewissermaßen in der Sphäre des Unbekannten stehen, und man betrachtet im wesentlichen die mechanischen Vorgänge, die unter dem Einfluß des Wärmewesens sich abspielen. Man betrachtet, indem man von der Wärmeempfindung als von etwas angeblich Subjektivem absieht, bei der Veränderung des Wärmezustandes -des Wärmeempfindens - die Ausdehnung, sagen wir des Quecksilbers, also etwas, das in das Gebiet der mechanischen Erscheinungen gehört. Man betrachtet dann die Abhängigkeit des Wärmezustandes, sagen wir eines Gases, von den Druckverhältnissen, was wir noch weiter verfolgen

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werden, und haben es da wieder zu tun damit, daß man eigentlich etwas Mechanisches betrachtet und das Wärmewesen gewissermaßen links liegen läßt. Wir haben gestern gesehen, daß es eigentlich einen guten Grund hat, warum dieses Wärmewesen links liegen gelassen worden ist. Denn wir haben gesehen, wie dieses Wärmewesen in dem Augenbhick, wo wir es in die Rechnung einführen, den gewöhnlichen Rechnungen Schwierigkeiten macht, wie wir zum Beispiel eine dritte Potenz der Temperatur gar nicht in derselben Weise behandeln können wie eine gewöhnliche dritte Raumpotenz. Und da die lan dläufige Wärmelehre mit den Potenzen der Temperatur nichts hat anfangen können, hat sie in der Ausdehnungsformel, wie ich Ihnen ja auch in den früheren Betrachtungen gesagt habe, die zweite und dritte Potenz der Tem-peratur einfach gestrichen.

Nun brauchen Sie sich aber nur zu überlegen, daß uns ja in der Sphäre der äußeren Natur der Wärmezustand immer entgegentritt an äußeren mechanischen Vorgängen, vor allen Dingen an Raumvorgängen. Die Raumvorgänge sind schon da. An den Raumvorgängen erscheint dann die Wärme. Das bedingt, daß wir, durch diese einfache Überlegung gezwungen, die Wärme so behandeln müssen, wie wir behandeln jene Raumlinie, die uns aus der ersten Potenz einer Ausdehnung in die zweite Potenz der Ausdehnung führt. Wenn wir die erste Potenz der Ausdehnung, die Linie, betrachten, und wir wollen zur zweiten Potenz in der Betrachtung übergehen, so müssen wir aus der Linie hinausgehen. Wir müssen also zu der einen Dimension die andere

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hinzufügen, wir müssen irgendwie aus der ersten Potenz in die zweite übergehen. Wir müssen uns die Richtlinie der zweiten Potenz ganz anders denken, als wir uns die der ersten Potenz denken. Genau dasselbe aber müssen wir machen, wenn wir einen Temperaturzustand betrachten.

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Gewissermaßen ist die erste Potenz da in der Ausdehnung. Die Veränderung der Temperatur ist etwas, was im Verhältnis zur Ausdehnung so erscheint, wie hier die zweite Richtlinie zur ersten Richtlinie erscheint. Ich kann auch gar nicht anders, als die Zeichnung so machen, daß ich, indem ich zur Ausdehnung die Temperaturänderung hinzu-füge, zu der Abszissenlinie die Ordinatenlinie hinzufüge. Das aber bedingt, daß wir genötigt sind, ahles dasjenige, was aus dem Wärmewesen heraus auftritt, also die Temperaturänderung, nicht als erste Potenz zu behandeln, sondern schon von vornherein als zweite Potenz, und die zweite als eine dritte. Und wenn wir die dritte Potenz der Temperatur haben, so können wir nicht mehr in unserem gewöhnlichen Raum drinnen bleiben. Eine einfache Überlegung, die allerdings durch etwas sub-tile Begriffe angestellt werden muß, zeigt Ihnen, daß es unmöglich ist, wenn wir die im Raum, also in der dritten Dimension, waltende Wärme betrachten, zu bleiben bei der dritten Dimension des Raumes. Sie zeigt Ihnen, daß in dem Augenblick, wo wir es mit den drei Dimensionen des Raumes zu tun haben, wir genötigt sind, wenn wir die Wärmewirkung betrachten, aus dem Raume selber hinauszugehen.

Nun macht sich ja die moderne Physik zur Aufgabe, behufs Erklä-rung der Erscheinungen innerhalb des dreidimensionalen Raumes zu bleiben. Und indem sie sich diese Aufgabe setzt, muß sie, da man innerhalb des dreidimensionalen Raumes das Wesen der Wärme nicht finden kann, an dem Wärmewesen vorübergehen. Sie kann das Wärmewesen nur durch seine Äußerungen im dreidimensionalen Raum erfassen.

Sehen Sie, hier liegt ein sehr wichtiger Punkt, wo gewissermaßen schon innerhalb der unorganischen Naturerscheinungen, der physikalischen Erscheinungen, eine Art Rubikon zu einer höheren Weltanschauung überschritten werden muß. Und man muß schon sagen: Weil so wenig der Versuch gemacht wird, hier an diesen Punkten zu einer Klarheit zu kommen, deshalb herrscht auch diese Klarheit so wenig auf dem Gebiete unserer höheren Weltanschauung. Denken Sie sich nur einmal, wenn die Physiker ihren Studenten beibringen würden, daß man einfach aus den gewöhnlichen Raumverhältnissen, in denen sich die mechanischen Vorgänge abspielen, herauskommen muß, indem man

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die Wärmeerscheinungen beobachtet, dann würden diese Lehrer der Physik hervorrufen bei denjenigen Menschen, die als erkennende Menschen gelten, weil sie so etwas wie Physik sich angeeignet haben, sie würden die Vorstellung bei ihnen hervorrufen, daß man schon nicht in Wirklichkeit Physik kennenlernen kann, ohne aus dem dreidimensionalen Raum hinauszukommen. Und dann würde es viel leichter sein, eine höhere Weltanschauung zu begründen vor den Menschen der Welt. Denn diese Menschen der Welt würden sagen, selbst wenn sie nicht Physik gelernt haben: Wir können das zwar nicht beurteilen, aber diejenigen, die Physik gelernt haben, die wissen, daß man zunächst durch die Physik von dem Raum zu anderen Verhältnissen aufsteigen muß als denjenigen, die sich im Raum selber abspielen können. Daher hängt auch so sehr viel daran, daß wir in der Physik solche Verhältnisse bekommen, wie sie hier in diesen Betrachtungen werden versucht werden. Es würde sich sonst immer das herausstellen, daß auf der einen Seite versucht würde, in der populären Welt eine auf geistigen Grundlagen fußende Weltanschauung zu verbreiten, daß dann aber die Physiker geltend machen würden: Wir erklären alle Erscheinungen durch rein mechanische Vorgänge. - Das führt dazu, daß die Menschen dann sagen: Ja, im Raume sind überhaupt nur mechanische Vorgänge; Leben muß auch mechanischer Vorgang sein, Seelenvorgänge müssen auch nur mechanische Vorgänge sein, Geistesvorgänge auch. - Die «strenge Wissenschaft» will nichts wissen von irgendwelchen geistigen Grundhagen der Welt. Und die «strenge Wissenschaft» wirkt als eine besonders intensive Autorität aus dem Grunde, weil die Leute sie nicht kennen. Denn dasjenige, was man kennt, das beurteilt man gewöhnlich und läßt sich von ihm nicht eine autoritative Gewaht aufzwingen. Dasjenige, was man nicht kennt, dem verfällt man gewöhnlich als der Autorität. Würde mehr getan werden zur Popularisierung der sogenannten «strengen exakten Wissenschaft», dann würde die autoritative Gewalt gewisser Leute, die hinter Mauern im Besitz dieser «exakten Wissenschaft» sind, wesentlich schwinden.

Es hat sich nun im Laufe des 19. Jahrhunderts hinzugefügt zu den Tatsachen, die wir schon beobachtet haben, eben noch die andere, die ich auch schon angedeutet habe, die darin besteht, daß man nicht

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nur mechanische Vorgänge auftreten sieht im Verlauf der Vorgänge mit dem Wärmewesen, sondern daß man auch zunächst Wärme überführen kann in mechanische Vorgänge, was Sie ja sehen bei der gewöhnlichen Dampfmaschine, wo erhitzt wird und der mechanische Vorgang der Fortbewegung eintritt; daß man umgekehrt mechanische Vorgänge, Reibung und dergleichen wiederum überführen kann in Wärme, indem dasjenige, was der mechanische Vorgang ist, bewirkt, wie man sagt, das Auftreten von Wärme. So daß man also Wärmevorgänge und mechanische Vorgänge ineinander umwandeln kann. Wir wollen heute die Sache zunächst einmal vorläufig, präliminarisch betrachten und dann auf einzelne Erscheinungen eingehen, die in dieses Gebiet gehören.

Man hat dann auch des weiteren gefunden, daß nicht nur Wärme-vorgänge, sondern auch elektrische Vorgänge, Vorgänge, die in das Gebiet der Chemie gehören, sich umwandeln lassen in mechanische Vorgänge. Und daraus hat sich dasjenige entwickelt, was man gewohnt worden ist im Laufe des 19. Jahrhunderts eben die mechanische Wärmetheorie zu nennen. Diese mechanische Wärmetheorie hat also zunächst als ihre erste Grundlage: Wärme und mechanische Leistung, sagen wir, können ineinander umgewandelt werden. Nun müssen wir zunächst einmal uns dieses Urteil etwas näher ansehen. Ich kann Sie wirklich nicht davon befreien, Sie auf die elementaren Bestandteile der Urteile zu führen, welche in das Gebiet der Physik gehören. Würden wir gerade bei diesen entscheidenden Betrachtungen uns nicht darauf einlassen, die elementaren Urteilsbestände aufzusuchen, so würden wir überhaupt verzichten müssen, gerade im Gebiet des Wärmewesens, das ein entscheidendes ist, irgendeine Klarheit hervorzurufen. Wir müssen daher schon die Frage aufwerfen : Was heißt es denn überhaupt, wenn ich irgendwo aufzeige, daß Wärme, die ich hervorrufe wie in der Dampfmaschine, äußere Bewegung, also äußere mechanische Arbeit erzeugt? Was heißt das, wenn ich es umwandle in das Urteil: Durch Wärme ist äußere mechanische Arbeit geleistet worden? Unterscheiden wir einmal klar dasjenige, was wir als Tatsachen konstatierbar haben, und dasjenige, was wir dann als ein Urteil an diese Tatsachen angefügt haben. Wir haben konstatiert, daß sich ein Vorgang, der sich als

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ein Wärmevorgang zeigt, hinterher offenbart durch einen Arbeitsvorgang, durch einen mechanischen Vorgang. Nun wurde daran das Urteil gefügt, der Wärmevorgang, die Wärme als solche, habe sich umgewandelt in den mechanischen Vorgang, in die mechanische Arbeitsleistung.

Ja, wenn ich in dieses Zimmer hereintrete und in diesem Zimmer irgendeine Temperatur finde, die mir behaglich ist, so trete ich herein und sage mir innerlich, vielleicht ganz unbewußt, ohne daß ich mir das selbst ausspreche: In diesem Zimmer ist es mir behaglich. Ich setze mich hin an den Schreibtisch und schreibe irgend etwas. Das ist entstanden im Gefolge desjenigen, was vorher geschehen ist - ich bin in das Zimmer getreten, der Wärmezustand hat auf mich gewirkt. Hinterher ist das entstanden, was ich niedergeschrieben habe. Ich könnte Ihnen in einer gewissen Weise ja sagen: Nun, wenn ich hier Keller-wärme gefunden hätte, so hätte ich mich aus dem Staube gemacht und hätte nicht diese Arbeit vollzogen, die Arbeit des Niederschreibens dessen, was dann herausgekommen ist. Wenn ich nun an diese Tatsache das Urteil anfüge: Die Wärme, die mir zugeführt worden ist, hat sich in die Arbeit, die hinterher sichtbar geworden ist, verwandelt -, dann habe ich offenbar in meinem Urteilsbestand etwas ausgelassen. Alles dasjenige, was ich nur durch mich vollziehen konnte, habe ich ausgelassen. Ich muß aber alles das, was ich ausgelassen habe, wenn ich eine totale Wirklichkeit ins Urteil hereinbekommen will, aufnehmen. Die Frage entsteht nun: Wenn in der ganzen äquivalenten Tatsachenfolge Wärme vorhanden ist, die ich hervorgerufen habe wie in der Dampfkesselheizung, und nachher Arbeit entsteht, die Fortbewegung der Lokomotive, und ich einfach sage, es habe sich die Wärme in Arbeit verwandelt, habe ich nicht vielleicht da denselben Fehler gemacht wie den, den ich mache, wenn ich in dem vorhergehenden Urteil einfach spreche von der Verwandlung des Wärmezustandes in die Wirkung, die aber nur dadurch eingetreten ist, daß ich selbst mich eingeschaltet habe? Es ist scheinbar vielleicht sogar trivial, auf eine solche Sache aufmerksam zu machen, aber diese Trivialität wird gerade in der ganzen mechanischen Wärmetheorie übersehen, vergessen. Und darauf kommt außerordentlich viel an. Darauf kommt es an, daß man zwei

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Dinge miteinander verbindet, das erste, daß in dem Augenblick, wo man aus der Sphäre der mechanischen Vorgänge übertritt in die Sphäre, wo Wärme wirkt, man überhaupt den dreidimensionalen Raum verlassen muß. Und zweitens, daß man also einfach, indem man die äußeren Naturerscheinungen beobachtet, dasjenige vielleicht nicht hat, was man in dem Fall als Einschiebsel hat, wenn sich Wärme in mein Schreibprodukt verwandelt. Wenn sich Wärme in mein Schreibprodukt verwandelt, dann kann ich an meiner äußeren leiblichen Offenbarung beobachten, daß sich etwas eingeschaltet hat. Wenn ich aber einfach der Tatsache gegenüberstehe, daß ich den dreidimensionalen Raum verlassen muß, sofern sich mir Wärme in äußere Leistung verwandelt, so kann ich doch sagen: Vielleicht das Wichtigste, was zu dieser Umwandlung führt, vollzieht sich außerhalb des dreidimensionalen Raumes. Dasjenige, was dem entsprechen würde, daß ich mich einschalte, vollzieht sich außerhalb des dreidimensionalen Raumes. Und ich begehe dieselbe Oberflächlichkeit, wenn ich einfach von der Umwandlung der Wärme in mechanische Arbeit rede, wie ich sie begehe, wenn ich von der Umwandlung der Wärme in mein Schreibprodukt rede und dabei vergesse, daß ich selber eingeschaltet bin.

Das hat aber eine sehr bedeutende, universelle Konsequenz, denn es notigt mich, die äußere Natur auch in ihren leblosen, in ihren unorganischen Erscheinungen so anzusehen, daß ich mich bei ihr geführt denke in ein Wesen, das sich selbst nicht innerhalb des dreidimensionalen Raumes ausdrückt, das gewissermaßen waltet hinter dem dreidimensionalen Raum. Und dieses ist ein Entscheidendes in bezug auf die Beobachtung des Wärmewesens selber.

Wir können jetzt, indem wir dieses als Elementarbestandteil des Urteils im Wärmegebiet aufgewiesen haben, ein wenig wiederum zurückblicken auf das, was wir schon angedeutet haben: auf des Menschen eigenes Verhältnis zum Wärmewesen. Wir können vergleichen andere Wahrnehmungssphären mit der Wahrnehmungssphäre des Wärmewesens. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß, indem wir zum Beispiel Licht wahrnehmen, wir diese Wahrnehmung des Lichtes und der Farbe gebundexi sehen an abgesonderte Organe, die einfach in unseren Organismus hineingelegt sind, so daß wir nicht davon sprechen

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können, daß wir mit unserem ganzen Organismus gegenüberstehen dem Farben- beziehungsweise Lichtwesen, sondern daß wir nur mit einem Teil unseres Organismus dem Licht- oder Farbenwesen gegenüberstehen. Ebenso ist es bei den akustischen, bei den Tonerscheinungen. Wir stehen mit einem Teil, mit den Gehörorganen, dem Tonwesen gegenüber. Dem Wärmewesen stehen wir gegenüber mit unserem ganzen Organismus. Dadurch ist aber unser Verhältnis zum Wärmewesen bedingt. Und wenn wir genauer zusehen, wenn wir versuchen, diese Tatsache, ich möchte sagen, in Menschenerkenntnis umzuwandeln, so müssen wir sagen: Wir sind eigentlich dieses Wärmewesen ja selbst. Insofern wir hier im Raume als Mensch wandeln, sind wir dieses Wärmewesen ja selbst. In dem Augenblick, wo Sie sich die Temperatur um ein paar hundert Grade erhöht denken würden, würden Sie nicht identisch sein können mit dem Temperaturzustand, ebensowenig wenn Sie sich die Temperatur um hundert Grade vertieft denken. So gehört das Wärmewesen zu dem, in dem wir stets drinnenstehen, das wir als selbstverständliches Wesen erleben, das wir aber nicht ins Bewußtsein hereinnehmen. Nur wenn Abweichungen vom normalen Zustand eintreten, werden sie uns in irgendeiner Form bewußt.

Nun kann, angeknüpft an diese Tatsache, eine zweite beobachtet werden. Das ist diese: Wenn Sie irgendwie an einen erwärmten Gegenstand herantreten und den Wärmezustand mit Ihrem Organismus beobachten - Sie können es tun mit der Fingerspitze, auch mit der Zehenspitze, Sie können es tun an einem anderen Ort Ihres Organismus, meinetwillen mit dem Ohrläppchen; gewissermaßen mit dem ganzen Organismus können Sie den Wärmezustand wahrnehmen. Aber Sie können noch etwas anderes mit Ihrem ganzen Organismus wahrnehmen. Sie können das wahrnehmen, was auf Ihren Organismus drückt. Und da sind Sie wiederum nicht gebunden im strengen Sinne, so wie zum Beispiel bei der Farbenwahrnehmung an das Auge, an ein bestimmtes Glied Ihres Organismus. Es wäre ja sehr angenehm, wenn wenigstens zum Beispiel der Kopf ausgenommen wäre von dieser Druckwahrnehmung. Wir könnten ihn dann nicht in unbehaglicher Weise anschlagen und die Folgen davon tragen müssen. Wir können sagen: Es besteht eine innige Verwandtschaft in der Art unseres Verhältnisses zur Außenwelt

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zwischen den Wärmeempfindungen und den Druckempfindun-gen. Wir haben heute gesprochen von Druckverhältnissen im Verhältnis zur Volumenänderung. Wir kommen jetzt zurück auf unseren eigenen Organismus und finden die Wärmeverhältnisse in einer innigen Verwandtschaft mit den Druckverhältnissen. Solch eine Tatsache müssen wir auch zur Begründung des Folgenden durchaus ins Auge fassen.

Aber es gibt noch etwas anderes, was wir unseren folgenden Be-trachtungen vorausschicken müssen. Sie wissen, gerade in den ge-bräuchlichen Handbüchern über physikalische, physiologische Vor-gänge wird eigentlich recht viel Wesens davon gemacht, daß wir bestimmte Organe haben, oder uns selbst haben zur Wahrnehmung der gewöhnlichen Sinnesqualitäten. Wir haben das Auge für die Farbe, das Ohr für den Ton, das Geschmacksorgan für gewisse chemische Vorgänge und so weiter; wir haben verteilt über unseren ganzen Organismus gewissermaßen das einheitliche Wärmeorgan, aber auch das einheitliche Druckorgan. Nun wird gewöhnlich darauf aufmerksam gemacht, daß aber auch noch anderes wahrgenommen wird, wofür wir, wie man nun sagt, keine Organe haben: Magnetismus, Elektrizität, die wir nur in ihren Wirkungen wahrnehmen, die gewissermaßen draußen stehenbleiben, die wir nicht unmittelbar wahrnehmen. Man sagt dann wohl auch: Wenn unser Auge nicht lichtempfindlich, sondern elektrizitätsempfindlich wäre, so würde es, wenn es hinschaut auf einen Telegraphendraht, die strömende Elektrizität drinnen wahrnehmen. Es würde die Elektrizität nicht bloß in Wirkungen, sondern so wie die Farben- und Lichtvorgänge unmittelbar wahrnehmen. Das können wir nicht. Wir können also nur sagen: Elektrizität zum Beispiel ist etwas, wofür wir zur unmittelbaren Wahrnehmung keine Organe haben. Es gibt also Naturqualitäten, zu deren Wahrnehmung wir Organe haben, und Naturqualitäten, zu deren Wahrnehmung wir keine Organe haben. - So sagt man.

Nun handelt es sich darum, ob sich nicht vielleicht für den, der etwas unbefangener die Erscheinungen betrachtet als diejenigen, die zu diesem Urteil kommen, doch noch etwas anderes ergibt. Sie wissen ja alle, wie innig zusammenhängt dasjenige, was wir unsere gewöhnlichen passiven Vorstellungen nennen, durch die wir die Welt wahrnehmen,

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mit den Eindrücken des Auges, des Ohres, weniger schon zu-sammenhängt mit dem, was wir durch Geschmack und Geruch wahrnehmen. Versuchen Sie nur einmal, rein aus dem Sprachbestand heraus, sich die Summe Ihres höheren Vorstellungslebens einmal zu ziehen, so werden Sie sehen, daß man noch in den Worten, die wir zur Repräsentierung unserer Begriffe brauchen, überall die Reste der höheren Sinnesqualitäten wahrnehmen kann. Sogar wenn wir das sehr abstrakte Wort «Sein» aussprechen, so hängt seine Bildung zusammen mit «Ich habe gesehen». Ich nenne dasjenige das Seiende, was ist, was ich gesehen habe. Im «Sein» steckt noch das «Gesehenhaben» drinnen. Und ohne daß man dabei in den Materialismus verfällt - wir werden sehen, aus welchem Grunde man ihm nicht zu verfallen braucht -, kann man sagen, daß unsere Vorstellungswelt eigentlich eine Art Filtrieren des Sehens und Hörens, schon weniger des Riechens und Schmeckens ist, denn weniger solche Sinneswahrnehmungen stecken in unserer Vorstellungswelt drinnen. Dadurch, daß unser Bewußtsein innig zusammen ist mit diesen unseren höheren Sinnesqualitäten, nimmt auch unser Bewußtsein dieses passive höhere Vorstellungswesen auf.

Allein, wir haben innerhalb unseres Seelenwesens von der anderen Seite her auch unseren Willen, und Sie werden sich erinnern, wie oft ich gerade in den anthroposophischen Vorträgen betont habe, daß dem Willen gegenüber der Mensch eigentlich schläft. Er wacht im Grunde genommen nur im Gebiete seiner höheren passiven Vorstellungen. Was Sie wollen, nehmen Sie ja auch nur durch diese Vorstellungen wahr. Sie haben die Vorstellung: Ich hebe dieses Glas auf. Ja, was darin Vorstellungsbestandteile sind, das ist durchaus etwas, worin die Reste der Außenwahrnehmungen sind. Sie stellen sich etwas vor, was durchaus in das Gebiet der Sichtbarkeit gehört. Auch wenn Sie es denken, haben Sie das Nachbild des Sichtbaren. Solch ein Nachbild in unmittelbarer Art können Sie sich nicht verschaffen von dem eigentlichen Willensvorgang, von dem, was nun geschieht, indem Sie den Arm ausstrecken, mit der Hand das Glas umfassen, es heben. Das ist ein vollständig im Unbewußten bleibender Vorgang, was sich da abspielt zwischen Bewußtsein und feineren Vorgängen in dem Arm. Das bleibt so unbewußt, wie uns die Schlafzustände, in die wir verfallen

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vom Einschlafen bis zum Aufwachen, unbewußt bleiben. Aber kann man denn leugnen, daß diese Vorgänge, wenn wir sie auch nicht wahrnehmen, doch da sind? Diese Vorgänge müssen doch innig verbunden sein mit unserem Menschenwesen, denn wir sind es doch, die das Glas heben. Wir werden also im Gebiet unseres Menschenwesens geführt von dem, was unmittelbar im Bewußtsein lebt, zu den Willensvorgän-gen, die gewissermaßen aus dem gewöhnlichen Gebiet des Bewußtseins herausragen. Nehmen wir an, alles das, was über dieser Linie liegt, sei

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im Gebiete des Bewußtseins. Was unterhalb liegt, also in die Willensvorgänge sich einsenkt, sei außerhalb des Bewußtseins. Gehen wir nun von da ab zum Gebiet der äußeren Naturerscheinungen: Wir finden unser Auge innig verbunden mit den Farbenerscheinungen, etwas, was wir im Bewußtsein überschauen; wir finden unser Ohr verbunden mit den Tonerscheinungen, etwas, was wir mit dem Bewußtsein über-schauen. Dunkel, aber immerhin noch für das Bewußtsein traumhaft überschaubar, ist Schmecken und Riechen. Wir haben wieder etwas, was durchaus in das Gebiet des Bewußten hereingehört, aber mit der Außenwelt sich innig berührt.

Indem wir aber übergehen zu magnetischen und elektrischen Er-scheinungen, entzieht sich uns dasjenige, was in Elektrizität und Ma-gnetismus und so weiter lebt, demjenigen, was wir überschauen in unmittelbarem

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Zusammenhang unserer Organe mit der Natur. Es entzieht sich uns. Da sagen eben die Physiker, die Physiologen: Wir haben dafür keine Organe, das kann nur äußerlich wahrgenommen werden, es sondert sich von uns ab, es ist da draußen (siehe Zeichnung, oben). -Wir haben also ein Gebiet, dem wir uns nähern, wenn wir nach der Außenwelt hingehen. Da haben wir Lichterscheinungen, Wärme-erscheinungen. Die Elektrizitätserscheinungen, wo entschlüpfen sie uns denn? Wir spüren nicht mehr den Zusammenhang mit den Organen. Wir haben in uns, indem wir Licht- und Tonerscheinungen verarbeiten, filtrierte Abdrücke in unserem Vorstellen. Wenn wir aber da hin-untergehen (unten, rot), entschlüpft unser eigenes Wesen uns in den Willen hinein.

Ich werde jetzt etwas Paradoxes sagen, aber denken Sie es durch bis morgen. Denken Sie, wir waren nicht lebendige Menschen, sondern lebendige Regenbögen, und wir würden mit unserem Bewußtsein gerade sitzen im grünen Teil des Regenbogens, des Spektrums. Wir würden mit unserem Unbewußten angrenzen auf der einen Seite an das Blauviolett des Regenbogens, das würde uns entschwinden nach der einen Seite hin wie die Elektrizität; nach der anderen Seite würden wir angrenzen an Gelb und Rot, das würde uns entschwinden, wie nach innen unser Wille. Wenn wir Regenbögen wären, würden wir Grün nicht wahrnehmen, so wie wir das, was wir unmittelbar sind, nicht wahrnehmen unmittelbar; wir erleben es. Wir würden aber angrenzen, indem wir hier gewissermaßen aus dem Grün herausgehend ins Gelb übergehen, an das eigene Innere. Wir würden sagen: Ich, Regenbogen, nähere mich meiner Röte, die ich aber als Inneres nicht mehr wahrnehme; ich, Regenbogen, nähere mich meinem Blauviolett, was sich mir aber entzieht. Ich bin da mitten drinnen. - Waren wir also denkende, lebendige Regenbögen, so würden wir so im Grün drinnensitzen und auf der einen Seite den blauvioletten Pol haben, auf der anderen Seite den rotgelben Pol, wie wir jetzt als Menschen mit unserem Bewußtsein irgendwo sitzen, auf der einen Seite die Naturqualitäten haben, die sich uns so entziehen wie Magnetismus und Elektrizität, auf der anderen Seite die inneren Qualitäten, die sich uns so entziehen wie die Willenserscheinungen.

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FÜNFTER VORTRAG Stuttgart, 5. März 1920

Ich hätte Ihnen gerne heute noch einige Versuche vorgeführt, die jene Tatsachenreihe ergänzen würden, die wir brauchen zu unserem Ziel, allein es ist das heute noch nicht möglich, und ich muß daher den Vortrag etwas anders einrichten, als ich es beabsichtigt hatte, zum Teil, weil es uns nicht gelungen ist, die Apparate in den nötigen Zustand zu versetzen, dann auch, weil man keinen Alkohol bekommen konnte, wie es uns ja auch gestern an Eis fehlte.

So werde ich im wesentlichen in jener Betrachtung fortfahren, mit der ich gestern begonnen habe. Sie brauchen nur einen Blick zurückzuwerfen auf alle diejenigen Tatsachen, die wir uns vor Augen gestellt haben zum Zwecke eines Überblickes über das Verhalten verschiedener Körper zu dem Wärmewesen, und Sie werden sehen, daß gewisse typische Erscheinungen uns eben entgegentreten so, daß wir sagen können: Es besteht ein Ausdruck in diesen Erscheinungen, der zusammenhängen muß mit dem zunächst uns unbekannten Wärmewesen, mit seinem Verhältnis zum Druck, der auf irgendeinen Körper ausgeübt werden kann, auch zur Gestaltungsfähigkeit, die ein fester Körper zum Beispiel annehmen kann, und eben zum Wärmegrad, zum Wärmezustand, ebenso zur Größe des Rauminhaltes, zum Volumen. Wir können ja verfolgen, wie auf der einen Seite feste Körper sich verflüssigen. Wir können sehen, wie während der Verflüssigung des festen Körpers eine Temperaturerhöhung äußerlich durch Thermometer oder Temperaturmesser nicht zu konstatieren ist, so daß gewissermaßen die Wärmezunahme stillsteht, bis die Verflüssigung zu Ende ist. Wenn wir es dann mit einer Flüssigkeit zu tun haben, dehnt sich diese wieder weiter aus unter der Wärmezunahme. Wir können andererseits sehen, wie ein flüssiger Körper sich in Dampf oder Gas verwandelt und wie dieselben Erscheinungen gewissermaßen des Verschwindens und Wiederauftretens der Temperatursteigerung eintreten, wenn der ganze Körper in den gasigen Zustand übergegangen ist. Wir haben da - Sie können es sich ja selbst vor Augen führen, was damit zusammenhängt - eine Tatsachenreihe,

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die wir gewissermaßen mit den Augen, den Sinnen und mit den Instrumenten verfolgen können. Dann haben wir gestern auf-merksam gemacht auf gewisse innere Erlebnisse, die der Mensch selber unter dem Einfluß des Wärmewesens macht, die er aber auch macht unter dem Einfluß anderer Sinnesqualitäten, wie des Lichtes, des Tones, die er hat an solchen äußeren Vorgängen, wie Magnetismus und Elektrizität, die es nicht bis zu einer wirklichen Sinnesempfindung, wenigstens unmittelbar, bringen, weil, wie die gebräuchliche Physik sagt, dazu bei dem Menschen keine Organe vorhanden sind. Wir sehen ja das, was Elektrizitätswirkungen, was magnetische Wirkungen sind, nur mittelbar, indem wir konstatieren, wie die magnetischen Körper andere Körper anziehen, und wir sehen bei den Elektrizitätsvorgängen die verschiedensten Wirkungen. Allein, ein unmittelbares Wahr-nehmungsvermögen, wie wir es für Licht und Ton haben, haben wir für Elektrizität und Magnetismus nicht.

Wir haben uns dann besonders vor Augen geführt und müssen be-sonders festhalten, daß ja unsere eigentlichen passiven Vorstellungen, durch die wir uns erkennend die Welt vergegenwärtigen, eigentlich destillierte höhere Sinneswahrnehmungen sind. Sie werden überall sehen, wo Sie prüfen, daß Sie solche höheren Vorstellungen haben. Sie werden sehen, wie schließlich doch - ich habe das gestern sogar für den Seinsbegriff erwähnt - Ihre höheren Vorstellungen hinterher de-stillierte Wahrnehmungen der höheren Sinne sind. Sie können noch anklingen hören Töne in den Bezeichnungen, die wir haben in den höheren Vorstellungen, Sie können überall noch durchscheinen sehen, was diese Vorstellungen vom Licht her haben. Nur bei einer ganz bestimmten Reihe von Vorstellungen können Sie das nicht, wie Sie das sehr bald bemerken werden. Sie können es nicht bei den eigentlich mathematischen Vorstellungen. Bei diesen mathematischen Vorstellungen -ich meine, insofern es bei ihnen auf Mathematisches ankommt - ist ein Zurückführen auf irgend etwas Tonliches oder Sichtbares nicht vorhanden. Wir dürfen dabei natürlich keine Verwechslung begehen. Der Mensch wird sofort an Tonliches erinnert, wenn er von Schwingungszahlen der Tonwellen redet. Das meine ich hiermit natürlich nicht. Ich meine alles dasjenige, was man an mathematischen Vorstellungen gewinnt

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und was rein mathematisch ist, also zum Beispiel den Inhalt des pythagoreischen Lehrsatzes, oder daß die Summe der Winkel eines Dreiecks 1800 ist, oder daß das Ganze größer ist als seine Teile und so weiter. Dasjenige, was diesen rein mathematischen Vorstellungen zugrunde liegt, das führt nämlich zuletzt nicht zurück auf Gesehenes oder Gehörtes, sondern das führt, wenn man es letztlich verfolgt, eigentlich zurück auf Willensimpulse in uns, so sonderbar das zunächst erscheint. Sie werden überall sehen, wenn Sie sich wirklich aneignen eine Art Psychologie dieser Dinge, daß Menschen, wenn sie ein Dreieck zeichnen - das äußere Dreieck ist ja nur eine Versinnlichung -, daß sie in der Vorstellung, die sie gewinnen, die dreifach um die Ecke gegangene Entfaltung ihres Willens vorstellen, eine dreifach um die Ecke gegangene Entfaltung durch die Handbewegung oder durch das Gehen, durch das Sich-Wenden. Das, was Sie da als Willensvorstellungen drinnen haben, das tragen Sie in Wirklichkeit in ganz rein mathematische Vorstellungen hinein. Das ist ja der eigentliche Unterschied zwi-schen den anderen Vorstellungen und den mathematischen Vorstellungen, jener Unterschied, der zum Beispiel Kant oder anderen Philosophen so viel Kopfzerbrechens macht. Sie können unterscheiden das innerlich Zwingende der mathematischen Vorstellungen von dem bloß Empirischen, dem Nichtzwingenden der anderen Vorstellungen. Dieser Unterschied rührt davon her, daß die mathematischen Vorstellungen so eng gebunden sind an uns selbst, daß wir unser Willenswesen in sie hineintragen und nur das, was wir innerhalb der Willenssphäre erfahren, in die mathematischen Operationen hineinlegen. Deshalb erscheinen die Ergebnisse uns so gewiß. Und was wir nicht so eng mit uns verbunden fühlen, sondern nur dadurch fühlen, daß ein Organ ein-gelagert ist an einer Stelle, das erscheint uns ungewiß und empirisch. Das ist der wirkliche Unterschied. Nun muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß, wenn wir in diese Willenssphäre hinuntergehen, wo heraufdämmert in der Abstraktheit die Summe unseres rein mathematischen, geometrischen Vorstellens, wir in das Gebiet des Willens kommen, der in seinem eigentlichen Verlauf, wie er in unseren Organen waltet, uns innerlich so unbekannt ist, wie Elektrizität und Magnetismus uns äußerlich unbekannt sind. Und ich habe das gestern zu veranschaulichen

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versucht dadurch, daß ich Sie aufforderte, sich vorzustellen, Sie wären ein lebendig denkender Regenbogen und würden in der Farbe des Grün Ihr Bewußtsein halten, daher das Grün nicht wahrnehmen, sondern nach beiden Seiten hin ins Unbekannte eintauchen. Ich habe das Rot verglichen mit dem Eintauchen in die unbekannte Wihlenssphäre, und das Blauviolett mit dem Eintauchen nach außen in die elektrische, magnetische und ähnliche Sphären.

Nun, ich schaltete hier an dieser Stelle unseres Kursus diese, ich möchte sagen, psychologisch-physiologische Betrachtungsweise ein, weil es ganz wesentlich ist, daß bei allen zukünftigen physikalischen Betrachtungen das eigentlich Physikalische wiederum zurückgeführt werde auf den Menschen. Es ist unmöglich, daß jene Konfusionen, welche die Physik heute aufweist, hinauskommen aus der Physik, wenn wir nicht wiederum anknüpfen an den Menschen. Das werden wir bei der weiteren Verfolgung der Wärmeerscheinungen sehen. Aber diese Anknüpfung an den Menschen ist, wenigstens dem heutigen Denken, nicht gar so leicht, und zwar aus dein Grunde, weil der Mensch heute wirklich nicht sehr gut die Brücke zu schlagen versteht zwischen dem, was er äußerlich in der Welt der Raumerscheinungen oder überhaupt der äußeren Sinneserscheinungen wahrnimmt, und dem, was er innerlich erlebt. Es ist heute ein solcher Dualismus vorhanden zwischen alledem, was wir uns als Wissen aneignen über die äußere Welt und alledem, was wir innerlich erleben, daß diese Brücke außerordentlich schwer zu schlagen ist. Aber sie muß gerade zum Heil der physikalischen Wissenschaft geschlagen werden. Daher muß angeknüpft werden, mehr zur Veranschaulichung als zur Erklärung, an eine Erscheinung im Menschen selbst, durch die sich wenigstens in etwas begreiflich wird machen lassen, wie wir uns eigentlich bei der Betrachtung so schwerwiegender physikalischer Erscheinungen, wie denen des Wärmewesens, zu verhalten haben. Ich möchte Sie da auf folgendes hinweisen :

Nehmen Sie an, Sie lernen ein Gedicht auswendig. Sie werden, in-dem Sie dieses Gedicht auswendig lernen, zunächst nötig haben, sich die Vorstellungen zu vergegenwärtigen, die diesem Gedicht zugrunde liegen, und Sie werden zunächst immer sehr versucht sein, während

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Sie das Gedicht dann rezitieren, diese Vorstellungen in sich ablaufen zu lassen. Aber Sie werden auch wissen, daß, je öfter Sie das Gedicht rezitieren, namentlich wenn ein Zeitraum dazwischen liegt, dann eine Zeit kommt, wo Sie sich bis zu einem gewissen Grade ersparen, die Vorstellungen in derselben Intensität innerlich ablaufen zu lassen, wie Sie sie zuerst haben ablaufen lassen. Und es kann - man verachtet das ja sehr, aber wir wollen es doch besprechen -, wenigstens in Annäherung, asymptotisch, möchte ich sagen, eine Zeit kommen, wo wir imstande sind, ohne weiter nachzudenken, was das Gedicht enthält, es einfach mechanisch herzusagen. Gewiß wir werden uns, weil wir ja Menschen sind, dieser Stufe des rein mechanischen Hersagens schon aus dem Gemütszustand nicht gern nähern wollen, aber wenigstens denkbar ist es, daß wir es bis zu dieser Force bringen, daß wir gar nicht mehr nachzudenken brauchen, sondern, wenn wir die erste Zeile anschlagen, läuft das Gedicht herunter, ohne daß wir viel nachden-ken. Verspüren Sie, daß das ein Endzustand ist, dem man sich nähert, wie sich die Asymptote der Hyperbel nähert. Das aber führt Sie darauf, daß, wenn wir ein Gedicht sprechen, wir es doch im Grunde genommen mit dem Ineinanderlaufen zweier verschiedener Tätigkeiten unseres Organismus zu tun haben: mit einem mechanischen Ablaufen gewisser Vorgänge unserer Organisation und mit dem Begleiten dieses mechanischen Ablaufens durch unsere seelischen Vorstellungen. Mit etwas also, von dem wir ganz gut sagen können, daß es als Mechanisch-Äußerliches im Raume abläuft, und auf der anderen Seite mit etwas, was als Seelisches sich ganz dem Wesen des Raumes entzieht.

Wenn Sie nun - in Gedanken können Sie das ja tun - auf dasjenige, was mechanisch, was physikalisch abläuft, bloß hinhören zum Beispiel bei der Rezitation eines Gedichtes in einer Sprache, die Sie nicht verstehen, dann haben Sie einen mechanischen, einen physikalischen Ablauf. In dem Augenblick, wo Sie sich denken dasjenige, was innerlich begleitet diesen mechanischen Ablauf, haben Sie ein Seelisches, welches Sie nicht zu den Raumerscheinungen dazu wahrnehmen können. Sie können nicht die Gedanken, mit denen der rezitierende Mensch seine Rezitation begleitet, in den Raum hinaus so versetzen, wie die mechanischen Vorgänge des Sprachablaufes, des Wortablaufes.

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Ich mache Sie nun aufmerksam auf ein Analogon: Wenn wir ver-folgen die Erwärmung, die wir einem festen Körper zufügen, bis er zu seinem Schmelzpunkt kommt, wird die Temperatur immer höher und höher. Wir können das am Thermometer verfolgen, dann sehen wir, daß das Thermometer stehenbleibt, bis der Körper geschmolzen ist. Wenn er geschmolzen ist, fängt das Thermometer wieder an zu steigen. Es ist ja unmöglich zunächst, zu verfolgen thermometergemäß, was mit dem Wärmewesen geschieht, während der Körper schmilzt. Ein Analogon besteht nun zwischen dem, was wir äußerlich verfolgen können mit dem Thermometer, den äußeren physikalischen Vorgängen und dem, was wir an der Wortfolge verfolgen können physikalisch, und ein Analogon besteht zwischen dem, was sich uns entzieht, dem, was der Rezitierende in seiner Vorstellung erlebt, und dem, was mit diesem Wärmewesen geschieht, während das Schmelzen vor sich geht. Sie sehen, hier haben wir ein Beispiel, wo wir wenigstens zunächst analog zurückführen können eine außerliche Beobachtung auf etwas am Menschen. Wir haben nicht so naheliegende Beispiele für dieses Brükkenschlagen bei anderen Gebieten der menschlichen Betätigung, wie beim Sprechen, weil wir da beim Menschen auf der einen Seite, wenn auch fast in unendlicher Entfernung, die Möglichkeit haben, daß wir das Auswendiggelernte nur herunterratschen mechanisch, und auf der anderen Seite nicht herunterratschen, sondern, ohne daß wir sprechen, nur innerlich denken, wodurch sich das dem Raum entzieht. Wir haben bei anderen Sphären nicht diese menschliche Betätigung, wir haben nicht die Möglichkeit, geradezu zu sehen, wie das eine in das andere übergeht. Vor allen Dingen wird uns das nicht so leicht, wenn wir das Wärmewesen verfolgen wollen, weil wir da schon physiologisch-psychologische Untersuchungen anstellen müssen, wie sich das Wärme-wesen verhält, wenn wir es selber in uns aufgenommen haben.

Ich habe Ihnen gestern, nur um etwas zu veranschaulichen, gesagt:

Ich trete in einen Raum, der behaglich erwärmt ist. Ich setze mich hin und schreibe etwas. Ich kann nicht so leicht den Zusammenhang finden zwischen dem, was ich da erfahre, erlebe, indem ich in den warmen Raum trete, und dem, was innerlich in mir vorgeht, wenn ich meine Gedanken niederschreibe. Ich kann nicht so leicht den Zusammenhang

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konstatieren, wie ich den Zusammenhang konstatieren kann zwischen dem Abratschen der Sprache und dem Denken innerlich. Deshalb wird es natürlich schwierig, durch inneres Erleben irgend etwas zu finden, was dem Wärmeerlebnis von außen im rein inneren Erleben entsprechen würde. Dennoch handelt es sich darum, daß wir uns allmählich annähern an Vorstellungen, die uns auf diesem Wege weiterführen können. Und da möchte ich zunächst aufmerksam machen auf etwas, was Sie aus der Anthroposophie heraus wissen.

Sie wissen, wenn wir den Versuch machen, unsere Gedanken durch Meditation weiterzuführen, weiterzuführen an innerer Intensität, also wenn wir unser Denken so bearbeiten, daß wir immer wieder und wiederum in den Zustand hineinkommen, wo wir wissen, daß wir innerlich Seelentätigkeit anwenden, ohne den Körper zu Hilfe zu nehmen, dann geschieht das nicht, ohne daß sich unser ganzes inneres Seelen-leben verwandelt. Man kann nicht mit den gewöhnlichen abstrakten Gedanken in eine höhere Region des menschlichen Seelenlebens kommen. Die Gedanken werden dann bildlich, und man muß sie erst aus dem imaginativen Element zurückversetzen in unser abstraktes Element, wenn man sie denen vortragen will, die nicht mit dem Imaginativen bekannt sind. Aber Sie brauchen nur einmal eine Darstellung durchzusehen, die sich bemüht, möglichst sachlich zu sein, wie zum Beispiel meine «Geheimwissenschaft im Umriß», die deshalb die reinen Abstraktlinge so schockiert hat. Da muß schon der Versuch gemacht werden, die Dinge ins Bildliche hinüberzuführen, wie ich es bei der Saturn- und Sonnendarstellung habe tun müssen im äußersten Maße. Da finden Sie lauter bildliche Vorstellungen in das andere hineingemischt. Das wird den Menschen sehr schwer, ins Bildliche überzugehen, weil man da nicht mehr die Dinge ins Abstrakte hinüberleiten kann. Dem liegt nämlich zugrunde, daß, wenn wir abstrakt denken, wenn wir uns bewegen in engen Vorstellungen, die die Menschen heute am meisten gewohnt sind und die am liebsten in der Wissenschaft, namentlich in der Naturwissenschaft, angewendet werden, das durchaus Vor-stellungen sind, zu denen wir unseren Körper gebrauchen. Wir können zum Beispiel durchaus nicht den Körper entbehren, wenn wir dasjenige, was heute als physikalische Gesetze in den Physikbüchern steht,

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durchdenken wollen. Da müssen wir so denken, daß wir unseren Körper als Instrument haben. Wenn man in die Sphäre des Imaginativen hinaufkommt, dann müssen die abstrakten Vorstellungen sämtlich verwandelt werden, weil man da eben nicht mehr den Körper verwendet zum inneren Seelenleben.

So können Sie also jetzt hinschauen auf, ich möchte sagen, das ganze Gebiet des imaginativen Denkens. Dieses Gebiet des imaginativen Denkens hat in uns selber nichts mehr zu tun mit demjenigen, was noch an unsere äußere Leiblichkeit gebunden ist. Wir steigen auf in eine Region, wo wir erleben als seelisch-geistiges Wesen, ohne daß das zu tun hat mit unserer äußeren Leiblichkeit. Das heißt aber mit anderen Worten : Wir kommen in dem Augenblick, wo wir aufsteigen ins Imaginative, aus dem Raum hinaus. Wir sind dann selbst nicht mehr im Raum.

Sehen Sie, das hat eine sehr bedeutsame Konsequenz. Ich habe Ihnen beim vorigen Kursus einen strengen Unterschied machen müssen zwischen alldem, was bloß phoronomisch ist, und dem, wo dann Mechanisches, wie zum Beispiel die Masse, in unsere Betrachtung eintritt. Solange ich beim Phoronomischen bleibe, brauche ich mir die Dinge nur in Gedanken auf eine Tafel, auf ein Blatt aufzuzeichnen, und ich bekomme die Veranschaulichung dessen, was ich in dem Gebiete der Bewegung, des Rauminhaltes und so weiter denken kann. Aber ich muß eben dann bei dem bleiben, was räumlich und zeitlich anschaulich ist. Warum ist das so? Das ist so aus einem ganz bestimmten Grunde. Sie müssen sich nämlich klar sein darüber: Alle Menschen, wie sie hier auf der Erde leben, sind wie Sie selber im Raum und in der Zeit drinnen. Sie nehmen einen gewissen Raum ein und verhalten sich als Raum-körper zu anderen Raumkörpern. Also, indem Sie über den Raum reden, sind Sie gar nicht in der Lage, etwas ernsthaftig, wenn Sie die Dinge vorurteilslos betrachten, in Kantischen Vorstellungen hinzustellen. Denn wenn der Raum in uns sein könnte, so könnten wir nicht selber im Raum drinnen sein. Wir können uns nur einbilden, daß der Raum in uns ist. Wir werden von dieser Vorstellung, von dieser Einbildung sofort geheilt, wenn wir uns klarwerden, daß dieses Drinnensein im Raum für uns eine sehr reale Bedeutung hat. Wenn der Raum in uns

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wäre, könnte es keine Bedeutung haben, ob ich in Moskau oder in Wien geboren bin. Das hat aber eine sehr reale Bedeutung, wo ich in den realen Raum hineingeboren bin. Jch bin auch als irdisch-empirischer Mensch durchaus ein Ergebnis der Raumtatsachen, das heißt, ich gehöre als Mensch den Verhältnissen an, die sich im Raum ausbilden.

Ebenso ist es mit der Zeit. Sie alle wären andere Menschen gewor-den, wenn Sie zwanzig Jahre früher geboren worden wären. Das heißt:

Ihr Leben hat nicht die Zeit in sich, sondern die Zeit hat Ihr Leben in sich. Sie stehen also als empirischer Mensch im Raum und in der Zeit darinnen. Und indem wir reden über Raum und Zeit, auch wenn wir unsere Willensimpulse in der Geometrie, wie ich es eben erwähnt habe, bildhaft ausdrücken, so ist das deshalb, weil wir selber in den Raumverhältnissen und Zeitverhältnissen drinnenleben und dadurch mit ihnen gerade verwandt sind und so a priori über sie reden können, wie wir das in der Mathematik tun.

Wenn Sie übergehen nur schon zu dem Begriff der Masse, da geht es nicht so. Da müssen Sie sich sagen : Sie machen als Mensch mit Bezug auf die Masse - gestatten Sie den trivialen Ausdruck, die Öster-reicher werden mich verstehen -, Sie machen sich mit Bezug auf die Masse eine Extrawurst zurecht, während Sie nicht sagen können, daß Sie ein Stück des Raumes oder der Zeit herausreißen, sondern in dem allgemeinen Raum und der Zeit leben Sie drinnen. Sie gehören dazu. Sie nehmen in der Tat, schon wenn Sie essen und trinken, aus der allgemeinen Masse etwas heraus und machen es zu Ihrer eigenen Masse. Diese Masse ist dann in Ihnen. Es ist gar nicht zu leugnen, daß diese Masse mit all ihren Betätigungen, all ihren Potentialen in Ihnen tätig ist. Das ist etwas, was in Ihnen ist. Aber es ist zu gleicher Zeit dasjenige, worüber wir nicht so reden können, wie über Raum und Zeit. Gerade indem Sie selber teilnehmen, ich möchte sagen, mit Ihrem inneren Eigentum an der Masse, indem Sie sie in sich erleben, gestattet Ihnen diese Masse gar nicht, daß sie in Ihnen so bewußt wird wie Raum und Zeit. Wir kommen also da, wo wir gerade unser eigenes haben von der Welt, in die uns unbekannten Gebiete hinein. Das hängt ja damit zusammen, daß zum Beispiel unser Wille im höchsten Grade von Massevorgängen in uns abhängig ist. Aber die Massevorgänge sind uns gerade unbekannt.

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Bezüglich ihrer schlafen wir gerade. Und wir verhalten uns zu einem Massevorgang in uns, während unser Wille tätig ist, nicht an-ders als zwischen Einschlafen und Aufwachen in der Welt irgendwo. Wir wissen von dem einen und anderen nichts. Es ist zwischen diesen beiden Verhaltungen des menschlichen Bewußtseins kein unmittelbarer Unterschied.

So kommen wir dazu, das Physikalische an den Menschen allmäh-lich heranzurücken. Es ist dasjenige, wovor sich die Physik so scheut:

es an den Menschen heranzurücken. Aber man kommt auch auf keine andere Weise dazu, über die Welt wirklich sachgemäße Vorstellungen zu gewinnen, als indem man ebenso verwandt wird mit dem in der Welt, mit dem man zunächst unverwandt ist, wie man verwandt ist mit Raum und Zeit. Über Raum und Zeit reden wir aus unserer, sagen wir, Vernunft heraus. Daher die Gewißheit der mathematischen und phoronomischen Wissenschaften. Über dasjenige, was wir bloß äußerlich durch unsere Sinne erfahren und was mit der Masse verknüpft ist, können wir nur eben wiederum zunächst durch Erfahrung reden. Aber wir würden anfangen, ebenso darüber reden zu können, wenn wir den Zusammenhang zwischen der Tätigkeit irgendeines Masseteiles in uns und der Tätigkeit der äußeren Masse ebenso klar auseinandersetzen könnten wie das offenbare Verhältnis zwischen uns und der Zeit oder zwischen uns und dem Raum. Das heißt, wir müßten so innig verwachsen mit der Welt auch für die physikalischen Vorstellungen, wie wir verwachsen mit der Welt für die mathematischen oder phoronomischen Vorstellungen.

Das ist aber das Eigentümliche, daß wir, während wir vom eigenen Leibe unabhängig werden, worinnen alles sitzt, was wir so verschlafen wie die Willenserscheinungen, während wir aufrücken zum imaginativen Vorstellen, wir einen Schritt hinein in die Welt machen. Wir kommen immer wiederum näher dem, was eigentlich sonst unbekannt in uns waltet, und es gibt keinen anderen Weg, in die Objektivität der Tatsachen hineinzukommen, als in uns selber mit unserer eigenen inneren Seelenentwickelung vorwärts zu schreiten. Während wir uns von unserer eigenen Materialität entfernen, nähern wir uns immer mehr und mehr demjenigen, was draußen in der Welt vorgeht.

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Allerdings, die elementarsten Erfahrungen auf diesem Gebiet sind nicht so ganz leicht zu machen, denn man muß sich schon darauf verlegen, Dinge zu bemerken, die eigentlich gewöhnlich nicht in Augenschein genommen werden. Aber ich möchte Ihnen da etwas verraten, was Sie vielleicht schon in Erstaunen versetzt. Nehmen Sie an, Sie kommen auf dem Gebiet des imaginativen Vorstellens ein Stück weiter, Sie kommen wirklich hinein in das imaginative Vorstellen. Da tritt etwas in Ihnen ein, was Sie eben vielleicht etwas in Erstaunen versetzen wird. Es wird Ihnen jetzt leichter als früher, ein Gedicht, das Sie gelernt haben, bloß äußerlich hinzuratschen, nicht schwerer wird es Ihnen, sondern leichter. Ja, wenn Sie sich ganz genau beobachten, ohne Schonung Ihres Seelenegoismus, so werden Sie sogar finden, daß Sie viel mehr Neigung haben, ein Gedicht herunterzuratschen, ohne es mit Gedanken zu verfolgen, wenn Sie eine okkulte Entwickelung durchgemacht haben, als wenn Sie eine solche nicht durchgemacht haben. Sie verachten auch nicht mehr so stark dieses Ins-Mechanische-Übergehen, wenn Sie eine okkulte Entwickelung durchgemacht haben, als vorher. Das sind solche Dinge, wie man sie eigentlich gewöhnlich nicht voraussetzt, die man aber meint, wenn man immer wiederum sagt : Die Erlebnisse bei der okkulten Entwickelung sind eigentlich entgegengesetzt den Vorstellungen, die man sich gewöhnlich zuerst macht, wenn man noch nicht eingetreten ist in eine okkulte Entwickelung.

Und so ist es auch, daß, wenn man nur eine weitere Stufe überschreitet, man auch dahin kommt, nun die eigenen Vorstellungen wiederum im gewöhnlichen Leben leichter beobachten zu können. Deshalb kommt für jeden, der okkult etwas vorschreitet, sehr leicht die Gefahr - er ist in der Regel, wenn er eine ordentliche okkulte Schulung durchmacht, durch diese Schulung geschützt, aber es kommt die Gefahr -, nachher ein materialistischer Mensch zu werden. Die Versuchung, ein Materia-list zu werden, ist gerade für den, der eine okkulte Entwickelung durch-macht, außerordentlich naheliegend. Ich werde Ihnen an einem Fall sagen, warum.

Sehen Sie, im gewöhnlichen Leben liegt ja wirklich das vor, daß Theoretiker behaupten, das Gehirn denkt. Aber im gewöhnlichen Leben

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hat das noch kein Mensch wahrgenommen. Im gewöhnlichen Leben kann man gut einen Dialog führen, den ich mit einem Jugendfreund in meiner Kindheit geführt habe, der ein krasser Materialist war und es immer mehr und mehr wurde. Der sagte : Wenn ich denke, denkt mein Gehirn. - Ich sagte dazumal immer: Ja, aber wenn du neben mir gehst, sagst du doch immer : Ich will das. Ich denke. Warum sagst du denn nicht: Mein Gehirn will das. Mein Gehirn denkt. Dann lügst du ja fortwährend. - Das ist aus dem Grunde, weil der, der theoretischer Materialist ist, ganz natürlich niemals die Möglichkeit hat, Vorgänge des Gehirns zu beobachten. Er kann die materiellen Vorgänge nicht beobachten. Daher bleibt der ganze Materialismus bei ihm Theorie. In dem Augenblick, wo man nämlich etwas vorschreitet vom imaginativen zum inspirierten Vorstellen, kommt man dazu, nun wirklich Parallelvorgänge im Gehirn beobachten zu können. Da wird einem wirklich dasjenige, was in der Materialität der Leiblichkeit ist, auch anschaulich. Abgesehen davon, daß dasjenige, was man da anschaut in der eigenen Tätigkeit, außerordentlich versucherisch ist, erscheint es einem immer wieder und wiederum als bewundernswert. Denn diese Tätigkeit des Gehirns ist ja in der Anschauung etwas viel Bewundernswürdigeres, als alles, was die theoretischen Materialisten davon beschreiben können. Also liegt die Versuchung vor, weil man zu der anschaulichen Betätigung des menschlichen Gehirns kommt, gerade dann Materialist zu werden. Man ist nur davor auch, wie gesagt, schon geschützt. Aber indem ich Ihnen diese Stufe der okkulten Entwickelung dargelegt habe, habe ich Sie zu gleicher Zeit dahin geführt, Ihnen zu zeigen, wie mit der okkulten Entwickelung man gleichzeitg die Möglichkeit gewinnt, nun auch in die materiellen Vorgänge tiefer sich hin-einzubewegen. Das ist das Eigentümliche. Wer bloß als Abstraktling zum Geiste sich erhebt, wird ziemlich ohnmächtig den Naturerscheinungen gegenüber. Wer sich wirklich zum Geist erhebt, der kommt dazu, gerade tiefer in die Natur hineinschauen zu können. Er verwächst dann mit den anderen Erscheinungen der Natur, wie er vorher nur mit Raum und Zeit verwachsen war.

Das, was wir da anschaulich gemacht haben, müssen wir jetzt auf die eine Seite stellen gewissermaßen, und das, was uns bis jetzt in den

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Wärmeerscheinungen entgegentritt, das müssen wir auf die andere Seite stellen. Was ist uns in den Wärmeerscheinungen entgegengetreten? Nun, wir verfolgen das Ansteigen der Temperatur, indem wir einen festen Körper erwärmen bis zum Flüssigwerden. Wir verfolgen, wie die Temperatursteigerung verschwindet für eine Zeit, dann wiederum erscheint, bis der Körper zu sieden, zu verdampfen beginnt. Und wenn wir sie dann wieder weiter verfolgen, können wir noch etwas anderes beobachten. Wir können verfolgen - an dem Experiment, das wir ausführen wollten und demnächst ausführen werden, wird sich das klar zeigen -, daß wir eben ein Gas oder einen Dampf allseitig einschließen müssen, wenn es seine Form haben soll, wie aber auch dieses Gas oder dieser Dampf allseitig drückt auf die Umgebung, allseitig sich zu zerstreuen strebt, und wie wir ihm nur dadurch eine Form beibringen, daß wir diesem Druck einen Gegendruck entgegensetzen, also nur dadurch, daß wir sie ihm von außen beibringen. In dem Augenblick, wo wir durch Temperaturerniedrigung den Übergang zum festen Körper finden, besorgt er es für sich selbst, sich die Form zu geben. Wir erleben, indem wir rein Temperatursteigerung und Temperaturgefälle

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erleben, äußerlich ein Formen, ein Bilden. Wir erleben ein Sich-Ge-stalten und eine Auflösung der Gestalt. Das Gas löst uns die Gestalt auf, der feste Körper bildet uns die Gestalt. Wir erleben auch den Übergang zwischen beiden und gerade diesen Übergang in außerordentlich interessanter Weise. Denn denken Sie einmal, wenn Sie den zwischen dem festen Körper und dem Gas in der Mitte stehenden Zustand ins Auge fassen, das Wasser, den flüssigen Körper, so müssen Sie

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ihn nicht in einem allseitig geschlossenen Gefäß aufbewahren, sondern in einem Gefäß, das nur von unten und von den Seiten geschlossen ist. Oben bildet er die Niveaufläche, auf der die Schwerlinie, die Verbindungslinie eines Teilchens mit dem Mittelpunkt der Erde, immer senkrecht steht, so daß wir sagen können, wir haben hier einen Übergangszustand zwischen Gas und festem Körper. Beim Gas haben wir nirgends eine solche Niveaufläche. Beim Wasser haben wir noch die eine Niveaufläche. Beim festen Körper haben wir dasjenige, was wir beim Wasser nur nach oben haben, rundherum.

Sehen Sie, das ist ein außerordentlich interessanter und bedeutungsvoller Zusammenhang. Denn der weist uns darauf hin, daß der feste Körper eigentlich überall so etwas wie eine Niveaufläche hat, aber sie sich durch seine eigene Wesenheit besorgt. Wodurch besorgt denn das Wasser sich diese Niveaufläche? Es steht eben auf ihr senkrecht die Schwerlinie der Erde. Es besorgt sich diese Niveaufläche durch die ganze Erde. So daß wir sagen können : Wenn wir Wasser haben, so nimmt ein Punkt dieses Wassers zu der ganzen Erde dasjenige Verhältnis an, das ein Punkt eines festen Körpers zu irgend etwas in seinem Inneren hat. Dadurch ist der feste Körper etwas Abgeschlossenes, was das Wasser nur darstellt in seinem Verhältnis zur Erde. Und das Gas streikt. Das geht dieses Verhältnis zur Erde gar nicht mehr ein. Das entzieht sich diesem Verhältnis zur Erde. Das hat nirgends eine solche Niveau-fläche.

Sie sehen aber daraus, daß wir in die Notwendigkeit versetzt sind, zu einem alten Begriff wiederum zurückzugehen. Ich habe Sie auf-merksam gemacht in einer der vorigen Stunden, daß man noch in der alten griechischen Physik den festen Körper die Erde genannt hat. Das hat man nicht getan aus jenen oberflächlichen Vorstellungen heraus, die man heute oftmals mit solchen Dingen verbindet, sondern das hat man deshalb getan, weil man sich bewußt war: Der feste Körper besorgt für sich selbst etwas, was beim Wasser durch die Erde besorgt wird. Er übernimmt für sich selber die Rolle des Erdigen. Man hat bloß ein Recht zu sagen: Das Erdige sitzt in einem festen Körper. Im Wasser sitzt es nicht ganz drinnen, sondern die Erde behält sich die Rolle, eine Niveaufläche zu bilden, selber vor.

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Sie sehen also, schon indem man vom festen Körper zum Wasser vorschreitet, macht sich die Notwendigkeit geltend, unsere Betrach-tungen nicht nur auszudehnen auf das, was wir vor uns haben, sondern wir können gar nicht über das Wasser eine Auskunft bekommen, wenn wir nicht das ganze, über die Erde verbreitete Wasser als Einheit auffassen und diese seine Einheit zum Mittelpunkt der Erde in Beziehung bringen. Ein Stück Wasser ebenso physikalisch zu betrachten wie ein Stück festen Körpers, ist ein Unsinn, ein ebensolcher Unsinn, wie ein Stück meines kleinen Fingers, das ich abschneiden würde, für sich als Organismus zu betrachten. Es stirbt ja sogleich ab. Es hat als Organismus nur eine Bedeutung mit dem ganzen Organismus zusammen. Die Bedeutung, die der feste Körper für sich hat, hat das Wasser für sich nicht. Es hat sie erst im Zusammenhang mit der ganzen Erde. Und so ist es für alles auf der Erde befindliche Flüssige überhaupt.

Und wiederum, wenn wir vom Flüssigen zum Gasförmigen über-gehen, kommen wir dazu, daß sich das Gasförmige dem irdischen Gebiet entzieht. Es bildet keine gewöhnliche Niveaufläche. Es nimmt teil an all dem, was nicht irdisch ist. Das heißt: Wir müssen das, was im Gas wirkt, nicht bloß auf der Erde suchen, sondern wir müssen die Umgebung der Erde zu Hilfe nehmen, müssen in weite Räume gehen, und da die Kräfte suchen. Es gibt, wenn wir die Gesetze des Gasigen kennenlernen wollen, nichts anderes als eine astronomische Betrachtungsweise. So sehen Sie, wie das hineingestellt wird in den ganzen Erdenzusammenhang, wenn wir diese Erscheinungen betrachten, die wir bisher nur aufgeführt haben. Und wenn wir an solch einen Punkt kommen, wie der Schmelz- oder Siedepunkt ist, da treten Dinge ein, die uns jetzt ganz merkwürdig werden müssen. Denn, geraten wir zum Schmelzpunkt, so kommen wir von dem Erdigen eines festen Körpers, wo er für sich selbst die Gestalt, den Zusammenhang besorgt, hinein in dasjenige, was allirdisch ist. Die Erde fängt an, den festen Körper zu kapern, indem er in den flüssigen Zustand übergeht. Aus seinem eigenen Bereich geht der feste Körper in den Wirkungsbereich der ganzen Erde über, wenn wir beim Schmelzpunkt ankommen. Er hört auf, eine Individualität zu sein. Und wenn wir den flüssigen Körper in den gasförmigen Zustand überführen, dann kommen wir dazu, daß

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auch jenes Verhältnis zur Erde, das durch die Bildung der Niveau-fläche sich äußert, gelöst wird, daß in dem Augenblick, wo wir zum Gas übergehen, der Körper in den Bereich des Außerirdischen kommt, sich gewissermaßen abhebt vom Irdischen. Wenn wir einem Gas gegenüberstehen, haben wir in den Wirkungskräften des Gases das, was sich der Erde schon entzogen hat. Wir können also, gerade wenn wir diese Erscheinungen betrachten, gar nicht umhin, von dem gewöhnlichen Physikalisch-Irdischen in das Kosmische überzutreten. Denn wir stehen nicht mehr in der Realität drinnen, wenn wir auf das, was wirklich wirkt in den Dingen, nicht aufmerksam werden.

Aber nun treten uns ja andere Erscheinungen gegenüber. Nehmen Sie eine solche Erscheinung, wie die ist, die Sie ja genau kennen, auf die ich ja aufmerksam gemacht habe: daß das Wasser sich sehr merkwürdig verhält, daß Eis auf dem Wasser schwimmt, also weniger dicht ist als Wasser, daß es aber, indem es vom festen in den flüssigen Zustand übergeht und seine Temperatur erhöht, sich zusammenzieht, dichter wird. Dadurch nur kann Eis auf Wasser schwimmen. Da haben wir also zwischen 0 und 4 Grad etwas, wo das Wasser sich wiederum entzieht den allgemeinen Vorgängen, die uns sonst bei Temperaturerhöhungen entgegentreten, daß ein Körper dünner und dünner wird durch Erwärmung. Dieses Spatium von 4 Graden, wo das Wasser immer dichter wird, ist sehr lehrreich. Was sehen wir denn in diesem Spatium? Da sehen wir, wie das Wasser kämpft. Es ist als Eis ein fester Körper mit seinen inneren Zusammenhängen, eine Art Individualität. Jetzt soll es selbstlos in den ganzen Bereich der Erde übergehen. Diese Selbst-losigkeit will es sich nicht gleich gefallen lassen. Es kämpft gegen dieses Übergehen in eine ganz andere Sphäre. Solche Dinge müssen durchaus beachtet werden. Dann aber wird es auch anfangen Sinn zu haben, darauf hinzuschauen, wie unter gewissen Verhältnissen, also sagen wir beim Schmelzpunkt und Siedepunkt, die thermometrisch konstatierbare Wärme zurücktritt, verschwindet. Sie verschwindet so, wie uns die leibliche Wirksamkeit verschwindet, indem wir ins Imaginative aufsteigen. Wir werden auf diese Dinge noch eingehen. Es wird Ihnen nicht so sehr paradox erscheinen, wenn wir versuchen, zu verfolgen, was denn nun wird, wenn ein Wärmezustand es uns notwendig

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macht, die Temperatur in die dritte Potenz zu erheben, das heißt also in die für diesen Fall vierte Dimension, also aus dem Raum herauszugehen. Wir wollen uns nun diese Voraussetzung zunächst einmal vor die Seele stellen und dann morgen darüber weiter reden. Es könnte ja auch, wie die Tätigkeit unseres Leibes übergeht ins Geistige, wenn wir ins Imaginative hineinkommen, ebensogut ein Übergang stattfinden zwischen dem Äußerlich-Sichtbaren, was da im Wärmebereich vor sich geht, und Erscheinungen, die dahinterstehen, auf die nur hingedeutet wird, wenn die Wärme als thermometrisch meßbare Wärme vor unseren Augen verschwindet. Wir müssen fragen: Was wird hinter dem Vorhange getan? Was unterrichtet uns über die Vorgänge, die hinter diesem Vorhang vor sich gehen? Das ist die Frage, die wir uns heute stellen wollen. Morgen sprechen wir dann darüber weiter.

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SECHSTER VORTRAG Stuttgart, 6. März 1920

Wir werden heute zunächst einige Erscheinungen anschauen, welche aus dem Gebiet der Zusammengehörigkeit von Wärme, Druck und Ausdehnung der Körper sind. Denn Sie werden sehen, daß durch die zusammenschauenden Betrachtungen desjenigen, was wir erfahren können an solchen Erscheinungen, sich uns gerade der Weg eröffnen wird zum Verständnis dessen, was das Wärmewesen eigentlich ist. Wir werden zunächst einmal die Erscheinung betrachten, die sich hier ergibt durch den Inhalt dieser drei Röhren (siehe Zeichnung, 1, 2, 3). In der ersten Röhre rechts (1) haben wir eine Quecksilbersäule, wie man sie in einer Barometerröhre hat, und oben etwas Wasser. Wasser, welches in einer solchen Weise in einem Raum drinnen ist, verdunstet fortwährend. Wir haben das Wasser in dem sogenannten Vakuum, in dem leeren Raum, und wir können sagen, Wasser verdunstet. Die kleine Menge Wassers, die dadrinnen ist, verdunstet fortwährend. Wir können diese Verdunstung durch die Anwesenheit des Wasserdampfes, der drinnen ist, konstatieren: Wenn Sie vergleichen die Quecksilbersäule in ihrer Höhe, wie sie hier in dieser Röhre (1) ist, mit der Quecksilber-säule hier drinnen (b), die unter dem normalen Luftdruck steht, über welcher also kein verdunstetes Wasser, also kein Wasserdampf ist, so werden Sie sehen, daß diese Quecksilbersäule (1) tiefer steht wie jene (b). Diese Quecksilbersäule kann natürlich nur tiefer stehen als die-jenige im Barometer, wenn ein Druck vorhanden ist, der oben ausgeübt wird, während hier oben (b) kein Druck von irgend etwas vorhanden ist. Es ist ein leerer Raum, so daß diese Quecksilbersäule nur entgegensteht, als ihm das Gleichgewicht haltend, dem äußeren Atmosphärendruck. Hier (1) wird sie heruntergedrängt. Wenn wir abmessen, werden wir finden, daß wir hier (b) von dieser Höhe ab eine höhere Quecksilbersäule haben. Um was sie hier (1) niedriger ist, wird durch den Druck, die sogenannte Spannkraft des darin befindlichen verdunstenden Wassers bewirkt, das heißt, es wird die Quecksilbersäule heruntergedrängt. Wir sehen also, daß Dampf immer auf die Wände

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drückt, und zwar wird ein bestimmter Druck unter einem bestimmten Wärmezustand ausgeübt. Das können wir dadurch konstatieren, daß wir den oberen Teil dieser Glasröhre erwärmen. Sie werden sehen, wenn die Temperatur höher wird, wird die Quecksilbersäule sinken, das heißt, der Druck wird größer werden. Wir werden also sehen, daß ein Dampf um so mehr auf die Wand drückt, je höher seine Temperatur ist. Sie sehen die Quecksihbersäule jetzt schon sinken, und sehen, wie die Spannkraft, die Druckkraft mit der Temperatur wächst. Das Volumen, das dann der Dampf einnehmen will, wird vergrößert.

In der zweiten Röhre (2) haben wir über dem Quecksilber Alkohol. Wiederum sehen Sie den Alkohol da drinnen einen gewissen Raum-inhalt hindurch flüssig. Er verdunstet ebenfalls, daher ist auch diese Säule weniger hoch als die linke am Barometer. Wenn ich abmesse, werde ich aber auch finden, daß sie hier weniger hoch ist, als früher die Quecksilbersäule unter dem Einfluß des verdunsteten Wassers war. Wir müssen warten, bis hier (1) die Säule wiederum so hoch steigt, als

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sie vor der Erwärmung war. Dann werden wir finden, daß die Spannung auch abhängt von der Substanz selber, die wir verwenden. Diese Spannung ist also größer bei Alkohol als bei Wasser. Auch hier (2) könnte ich wiederum erwärmen. Sie werden sehen, daß die Spannung wesentlich höher wird, wenn wir die Temperatur erhöhen. Wenn wir den Dampf soweit abkühlen, daß wir ihn wieder unter derselben Temperatur haben wie früher, dann steigt das Quecksilber, also bei geringerem Druck, geringerer Spannkraft. Sie sehen, die Säule steigt.

In der dritten Röhre (3) haben wir unter sonst gleichen Verhält-nissen Äther eingefüllt, der wiederum verdunstet. Sie sehen, die Säule ist hier sehr niedrig. Daraus ersehen Sie, daß, wenn wir Äther unter sonst gleichen Verhältnissen zum Verdunsten bringen, er wesentlich anders als verdunstendes Wasser drückt. Es hängt also der Druck, der auf die Umgebung von einem Gase ausgeübt wird, von der Temperatur ab, aber auch von der Substanz selber. Auch hier könnten Sie sehen, daß das Volumen, wenn wir erwärmen, wesentlich größer wird, daß der verdunstende Äther also wesentlich stärker drückt. Wir wollen auch hier wiederum die Erscheinungen festhalten, da wir gerade durch die Überschau über die Erscheinungen zu unserem Resultat kommen wollen.

Nun, eine Erscheinung, die ich Ihnen besonders vorführen will, ist diese: Sie wissen aus den vorhergehenden Betrachtungen und auch sonst aus der Elementarphysik, daß wir feste Körper in flüssige, flüssige in feste Körper überführen können, indem wir sie über den sogenannten Schmelzpunkt bringen nach oben oder unten. Nun, wenn ein flüssiger Körper wiederum fest wird, also unter den Schmelzpunkt heruntergebracht wird, so tritt er uns zunächst als fester Körper entgegen. Das Merkwürdige, und was wir wieder ins Auge zu fassen haben bei unserer Überschau, ist dieses, daß, wenn wir jetzt beim festen Körper einen stärkeren Druck anwenden, als derjenige war, unter dem er sich verfestigt hat, er wiederum flüssig werden kann. Also, er kann unter einer tieferen Temperatur wieder flüssig werden, als diejenige ist, bei der er zum festen Zustand übergeht. Sie wissen, bei 0 ° geht Wasser über in den festen Zustand, wird zu Eis. Es müßte also das Eis bei allen Temperaturgraden, die unterhalb Null liegen, ein fester Körper sein.

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Wir werden nun hier an diesem Eis ein Experiment machen, durch das Sie sehen werden, daß wir es flüssig machen können, ohne daß wir die Temperatur erhöhen. Würden wir es unter gewöhnlichen Verhältnissen flüssig machen wollen, so würden wir die Temperatur erhöhen müssen, aber wir werden die Temperatur nicht erhöhen, sondern wir werden auf das Eis einen mächtigen Druck ausüben. Diesen Druck üben wir dadurch aus, daß wir dieses Gewicht anhängen. Es wird hier das Eis zerschmelzen. Sie werden also sehen, daß das Eis hier durchgeschnitten wird, weil es sich unter dem von dem Drahte ausgeübten Druck verflüssigt. Sie werden nun erwarten, daß, indem dieser Eisblock durch den Druck zu Wasser wird in der Mitte, nun links und rechts die beiden Eisstücke herunterfallen. Wenn wir schneller machen würden, würden wir das Experiment gelingen sehen. (Das Zerschneiden des Eisblockes geht so langsam vor sich, daß erst am Ende der Stunde darüber folgendes hinzugefügt wird:) Wenn Sie jetzt hierher-treten, werden Sie sehen, daß, wenn Sie auch warten würden, bis der Schnitt richtig durchgeführt ist, Sie doch nicht zu fürchten hätten, daß zwei Eisstücke herunterplumpsen würden. Es wird sofort wiederum über dem Draht das Eis zusammenwachsen, und der Draht geht ganz durch, fällt unten durch, und der Eisblock bleibt ganz. Sie sehen daraus, daß da, wo der Druck ausgeübt wird durch Vermittlung des Drahtes, Flüssigkeit entsteht. Aber in dem Augenblick, wo der Druck nicht mehr ausgeübt wird, hat sich darüber die Flüssigkeit sogleich wiederum zum Eis verfestigt, das heißt, es wächst wiederum zusammen. DieseVerflüssigung des Eises durch den Draht hält eben nur an - wenn die Temperatur dieselbe bleibt - unter dem Einflusse des betreffenden Druckes. Man kann also auch einen festen Körper unterhalb seines Schmelzpunktes zurückverflüssigen. Er braucht aber dann die Fort-dauer dieses Druckes, um flüssig zu bleiben. Hört der Druck auf, dann tritt wiederum der feste Zustand ein. Das ist das, was Ihnen entgegengetreten sein würde, wenn Sie hier noch einige Stunden warten würden.

Das dritte, was wir uns vor Augen führen wollen und was eine weitere Stütze sein wird für unsere Betrachtungen, das ist das Folgende:

Wir könnten irgendwelche geeignete Körper nehmen, denn im Prinzip gilt es eigentlich für alles, was wir betrachten wollen, für alle diejenigen

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Körper, die miteinander eine Legierung eingehen, das heißt, sich so verbinden können, daß sie sich durchdringen, ohne chemische Verbindung zu werden. Wir haben hier in einem Probiergläschen Blei. Blei ist nun ein Körper, der bei 327°C schmilzt, also übergeht aus dem festen in den flüssigen Zustand. In einem anderen Probiergläschen haben wir Wismut, das bei 269°C schmilzt, und hier haben wir Zinn, das bei 232 °C schmilzt. Wir haben also drei Körper, welche alle Schmelz-punkte haben über 200°C. Wir werden nun diese drei Körper, indem wir sie zuerst schmelzen, also in flüssigen Zustand überführen, miteinander zu einer Legierung verbinden, so daß sie dann durcheinander-gehen, ohne eine chemische Verbindung zu werden. (Die drei Metalle werden einzeln geschmolzen und dann zusammengegossen.) Sie werden nun sich leicht denken können : Wenn wir irgendeines dieser drei Metalle, die ja durchaus einen Schmelzpunkt über 200°C haben, einfach in kochendes Wasser hineintun, so bleibt es fest, denn das Wasser hat nur einen Schmelzpunkt von 0° und einen Siedepunkt von 100°, es kann also keines dieser drei Metalle in diesem Wasser zum Schmelzen kommen. Nun werden wir aber den Versuch machen, in eben siedendes Wasser die Legierung, die Ineinanderfügung der drei Metalle hineinzubringen, also in Wasser von 100°C. Schon jetzt kann konstatiert werden, was da eigentlich zugrunde liegt. Wir halten das Thermometer herein in die Legierung der drei Metalle und stellen fest in dem noch flüssigen Metallgemisch drinnen eine Temperatur von 175 ° Sie sehen daraus: Keines der einzelnen Metalle würde bei dieser Temperatur noch flüssig sein, jedes wäre schon fest. Die Legierung der drei Metalle ist noch flüssig. So daß wir schon daraus sagen können: Wenn wir Metalle durcheinandermischen, so kann die Erscheinung eintreten, daß der Schmelzpunkt, der Punkt, bei dem das Metallgemisch flüssig wird, tiefer ist als der Schmelzpunkt eines jeden der einzelnen Metalle. Sie sehen also, wie sich Körper gegenseitig beeinflussen. Und wir werden gerade aus dieser Erscheinung eine wichtige Grundlage zu schöpfen haben in unserer Überschau über die Wärmeerscheinungen.

Nun geben wir die noch flüssige Metallegierung bei 100° glatt hin-ein in das siedende Wasser, das also ebenfalls 100° hat. Und jetzt lassen wir das Wasser auskühlen. Beobachten wir nun die Temperatur. Es ist

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die Metallegierung drinnen noch flüssig, sie wird dann fest werden. Das heißt, wir kommen zum Schmelzpunkt herunter, und wir können dann, indem das Wasser unter den Siedepunkt geht, konstatieren an dem Punkt der Temperatur, auf dem das Wasser angekommen ist, wann die Metallegierung fest wird, also wo sie ihren Schmelzpunkt hat. Sie sehen also: Der Schmelzpunkt des Metallgemisches ist tiefer als der Schmelzpunkt jedes einzelnen Metalles.

Nun, wir haben diese Erscheinungen wiederum zu den anderen hinzugefügt, um eben eine weiter ausgebreitete Grundlage für die Überschau zu haben, und wir können jetzt noch einige Betrachtungen anknüpfen an dasjenige, was wir uns schon gestern vor Augen geführt haben über den Unterschied des festen, des flüssigen, des gas- oder dampfförmigen Zustandes. Sie wissen, daß feste Körper, namentlich eine größere Anzahl von Metallen und andere mineralische Körper, nun nicht in unbestimmter Gestalt, sondern in ganz bestimmten Gestalten, in sogenannten Kristallen, auftreten. So daß wir sagen können:

Unter den gewöhnlichen Verhältnissen, unter denen wir auf der Erde leben, treten uns die festen Körper in Kristallform, also in ganz bestimmten Gestaltungen entgegen. Das muß natürlich darauf aufmerksam machen, nachzudenken darüber, wie solche Kristallgestaltungen entstehen, welche Kräfte bei diesen Kristallgestaltungen zugrunde liegen. Wir müssen nun, um Vorstellungen über diese Dinge zu gewinnen, darauf sehen, wie sich nun etwa die ganze Summe von auf der Erdoberfläche befindlichen und nicht mit der Erdenmasse direkt zusam-menhängenden festen Körpern verhalten. Sie wissen, wenn wir einen festen Körper irgendwo in der Hand halten und lassen ihn los, so fällt er zur Erde. Man deutet das in der Physik gewöhnlich so, daß man sagt: Die Erde zieht diese festen Körper an, sie übt eine Kraft aus. Unter dem Einfluß dieser Kraft, der Schwerkraft oder Gravitation, fällt der Körper zur Erde.

Wenn wir irgendeinen flüssigen Körper haben und ihn dann ab-kühlen, so wird er uns, wenn er fest wird, auch auftreten können in bestimmten Kristallgestalten. Die Frage wird nun entstehen: Wie ist überhaupt das Verhältnis derjenigen Kraft, welcher alle festen Körper zunächst unterliegen, der Schwerkraft, zu den Kräften, welche ja doch

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auch da sein müssen, und auf eine bestimmte Art bewirken müssen, daß sich feste Körper in kristallinischen Gestalten ausheben? Sie können sich leicht denken, die Schwerkraft als solche, durch die ein Körper zur Erde fällt - wenn wir überhaupt von einer solchen Schwerkraft reden wollen zunächst -, sie kann es nicht sein, die zu gleicher Zeit mit der Bildung der Kristallformen etwas zu tun hat. Denn dieser Schwerkraft unterliegen alle Kristallformen; wie ein Körper äußerlich auch gestaltet sein mag, er folgt dieser Schwerkraft. Wir finden, wenn wir eine Anzahl von festen Körpern so behandeln, daß wir ihnen ihre Unterlage entziehen, daß sie alle in parallelen Linien zur Erde fallen. Wir können dieses Fallen etwa in der folgenden Weise darstellen. Wir können sagen : Welche Gestalt auch immer irgendwelche feste Körper haben, sie fallen zur Erde in der Richtung einer Senkrechten auf die

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Erdoberflache Wenn wir nun andererseits wiederum die Senkrechte ziehen auf diese zueinander parallelen Linien, bekommen wir eine zur Erdoberfläche parallele Fläche. Wir können alle möglichen senkrechten Schwerlinien, die wir durch irgendwelche Körper bekommen, so behandeln, daß wir eine gemeinsame, zur Erdoberfläche parallele, auf diese Schwerlinien senkrechte Fläche ziehen. Diese Fläche ist zunächst eine gedachte. Wir fragen uns: Wo ist diese Fläche wirklich? Sie ist bei flüssigen Körpern wirklich. Eine Flüssigkeit, die ich nehme, die ich in ein Gefäß gebe, bei der kann ich sehen, wie das, was ich sonst als eine Senkrechte auf die einzelne Schwerlinie ziehe, als Flüssigkeitsniveau wirklich vorhanden ist.

Wie ist denn das eigentlich, was bedeutet das denn eigentlich? Die-ses, was wir jetzt zusammengestellt haben, ist etwas ungeheuer Schwerwiegendes.

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Denn denken Sie sich einmal das Folgende: Es würde jemand sagen, wie um Ihnen zu erklären, wie es sich verhält mit der Niveaufläche der Flüssigkeit: Da ist ein Gefäß, da drinnen habe ich eine Flüssigkeit, die bildet eine Niveaufläche. Jedes Teilchen der Flüs-sigkeit hat das Bestreben, zur Erde hinzufallen. Dadurch, daß die Kräfte in der Flüssigkeit selber verhindern, daß die Teilchen zur Erde hinfallen, dadurch wird die Niveaufläche gebildet. Die ist da wirklich vorhanden. Die Flüssigkeit macht, daß das entsteht.

Denken Sie, wenn Sie nun die Anfangslage von festen Körpern nehmen, die Sie fallen lassen, so zeichnet Ihnen die Natur selber das hin, was Sie hier behufs dieser Erklärung hingezeichnet haben. Und Sie müssen sich die Niveaufläche dazudenken. Ich sagte daher früher:

Bei festen Körpern ist die Niveaufläche zunächst gedacht als die Senkrechte auf die Schwerlinie. Wenn Sie diesen Gedanken durchdenken, finden Sie das Merkwürdige, daß dasjenige, was Sie sonst machen, um Gedanken hineinzubringen in die Flüssigkeit, das macht eine Anzahl von festen Körpern vor Ihnen. Die zeichnen Ihnen gewissermaßen das auf, was in der Flüssigkeit materiell da ist. Wir können sagen: Der Körper von niedrigerem Aggregatzustand, der feste Körper in seinem Verhalten auf der Erdoberfläche, der verrät uns wie im Bilde dasjenige, was eigentlich bei der Flüssigkeit da ist, was bei der Flüssigkeit materiell ist, das die Verwirklichung dieser Linie als Fallinie verhindert. Das wird bildlich, wenn ich den festen Körper in seinem ganzen Verhältnis zur Erde betrachte.

Denken Sie, was ich dadurch kann. Dadurch würde ich, wenn ich mir aufzeichne die Schwerlinien und die Niveaufläche unter dem Eindruck des Fallens eines Systems von festen Körpern, dadurch würde ich ein Bild bekommen der Schwerkraftwirkung. Das würde direkt ein Bild sein der flüssigen Materie.

Wir können weitergehen. Wenn wir bei irgendeiner Temperatur das Wasser nur genügend lang da (in einer Schale) drinnen lassen -deshalb sagte ich, die Dinge sind alle relativ -, so trocknet es aus. Ir-gendwie verdunstet das Wasser immer, das heißt, es ist eigentlich nur ein relativer Zustand vorhanden, bei dem wir sagen können: Das Wasser bildet eine Niveaufläche, es muß in seiner Form nur von den anderen

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Seiten gehalten werden, während es nach der einen Seite eine Ni-veaufläche bildet. - Es verdunstet fortwährend, im Vakuum also schneller. Deshalb können wir sagen: Wenn wir hier Linien zeichnen,

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nach denen das Wasser eigentlich fortwährend strebt, so müssen das Kraftlinien des Wassers sein, deren Richtung als Weg dann wirklich auch eingehalten wird, wenn das Wasser verdunstet. Wenn ich aber diese Linien, nach denen das Wasser strebt, einzeichne, bekomme ich nichts anderes als ein Bild eines Gases, das in einem allseitig geschlossenen Raum ist, und nach allen Seiten wirklich strebt, nach allen Seiten zerstiebt. An der Oberfläche des Wassers ist ein Streben danach, das, wenn ich es einzeichne, um das Streben zu erklären, ein Bild ist von dem, was wirklich vorgeht, wenn ich ein Gas freilasse, und es sich nach allen Seiten verbreitet. So daß ich wieder sagen kann: Dasjenige, was ich an der Flüssigkeit bemerke als Kraft, das ist mir ein Bild desjenigen, was beim Gas materielle Wirklichkeit ist.

Wir haben eine kuriose Tatsache: Wenn wir in einer gewissen Weise richtig Flüssigkeiten betrachten, so nehmen wir wahr in diesen Flüssigkeiten Bilder des gasförmigen Zustandes. Wenn wir feste Körper richtig betrachten, nehmen wir wahr Bilder des flüssigen Zustandes. Tn jedem folgenden Zustand nach unten entstehen Bilder des vorhergehenden Zustandes. Dehnen wir das bis nach oben aus. Wir können sagen: Im festen Körper entdecken wir die Bilder des Flüssigen. Im flüssigen Körper entdecken wir die Bilder des Gasförmigen. Im gasförmigen Körper entdecken wir die Bilder der Wärme. Das wird dasjenige

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sein, was wir insbesondere morgen näher durchzuführen haben werden. Aber ich will noch das sagen: Wir haben versucht, heute den Gedankenübergang zu finden von den Gasen zur Wärme. Es wird morgen schon noch klarer werden. Und wenn wir diesen Gedanken-weg weiter verfolgen werden:

im Festen die Bilder des Flüssigen

im Flüssigen die Bilder des Gasförmigen

im Gasförmigen die Bilder der Wärme

dann haben wir ja einen wichtigen Schritt gemacht. Wir haben die Möglichkeit gewonnen, an den Bildern, die sich uns an dem Gaszu-stande ergeben werden, in dem menschlichen Beobachtungsfelde Offenbarungen der Wärme, und zwar des wirklichen Wärmewesens, dann zu haben. Wir gewinnen die Möglichkeit, das, wovon wir jetzt immer sagen mußten, daß es ein zunächst Unbekanntes ist, dadurch aufzuklären, daß wir in der richtigen Weise seine Bilder im gasförmigen Zustand suchen. Wir müssen die Bilder des Wärmewesens bei den Körpern des gasförmigen Zustandes suchen. Allerdings, wir müssen das richtig tun. Wenn man einfach den Umfang der Erscheinungen, den wir schon beobachtet haben, so beschreibt, wie es die gegenwärtige Physik gewohnt ist, wenn man so von den Gasen redet, kommt man zu nichts. Aber wenn man richtig ins Auge faßt dasjenige, was sich uns für die Körper unter dem Einfluß von Druck und Temperatur erge-ben hat, dann werden wir sehen, wie wir tatsächlich vor dem Ergebnis stehen werden, daß uns zunächst das Gasige verrät, was eigentlich das Wärmewesen ist.

Nun wirkt aber das Wärmewesen weiter beim Erkalten in flüssige und feste Zustände hinein. Und wir werden in die Notwendigkeit versetzt werden, nun zu verfolgen - am gasigen Zustand werden wir das am besten anschaulich sehen können -, was das Wärmewesen ist; am flüssigen und festen Zustand werden wir sehen müssen, ob das Wärme-wesen eine besondere Veränderung für sich selbst erlebt, um dann durch diesen Unterschied, wie es sich offenbart im Gasförmigen, wo es uns seine Bilder zeigt, und im Flüssigen und Festen, auf das wirkliche Wesen der Wärme selbst zu kommen.

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SIEBENTER VORTRAG Stuttgart, 7. März 1920

Sie erinnern sich noch, wie wir gestern hier den Eisblock hatten, von dem man zunächst hätte vermuten können, daß, wenn wir ihn mit einem Draht durchschneiden, der von einem Gewicht beschwert ist, links und rechts der halbe Block herunterfalle. Sie haben sich schon, trotzdem wir den Versuch nur im Beginn zeigen konnten, überzeugt, daß das gar nicht der Fall ist, daß gewissermaßen, nachdem durch den Druck eine Verflüssigung eingetreten ist in der Richtung des Durchganges des Drahtes, sofort wiederum oben der Eisblock zusammenwächst. Das heißt, daß nur durch den Druck eine Verflüssigung eingetreten ist, daß aber deshalb, weil wir das Eis als Eis erhalten, sofort wiederum das Wärmewesen sich hier so betätigt - ich will meine Ausdrücke ganz genau gebrauchen -, daß eben der Block wiederum sich zusammenfügt.

Nicht wahr, das überrascht Sie furchtbar zunächst? Aber es über-rascht Sie nur aus dem Grunde, weil Sie es nicht in der Art, wie man es nötig hat bei einer wirklich sachgemäßen Verfolgung der physikalischen Erscheinungen, betrachten. In einem anderen Falle machen Sie das Experiment fortwährend und sind gar nicht verwundert darüber, nämlich wenn Sie den Bleistift nehmen und durch die Luft fahren, so durchschneiden Sie sie fortwährend, und hinterher schließt sie sich wiederum. Sie haben gar nichts anderes getan, als dasselbe Experiment, das wir gestern mit dem Eisblock gemacht haben, ausgeführt, nur in einer etwas anderen Sphäre, einem etwas anderen Gebiet. Wir können aber aus dieser Betrachtung verhältnismäßig viel lernen, denn wir sehen daraus, daß, wenn wir einfach mit dem Bleistift durch die Luft fahren - wir wollen jetzt nicht untersuchen, durch welches Verhältnis -, sich durch die Eigenschaften des Materiellen der Luft selbst der Schnitt, den wir bewirkt haben, wiederum schließt. Bei Eis können wir aus den Verhältnissen heraus nicht anders als denken, daß da das Wärmewesen daran beteiligt ist, daß es dasselbe tut, was die Luft selbst tut. Sie haben darin nur eine weitere Ausführung desjenigen,

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was ich Ihnen gestern gesagt habe. Wenn Sie sich denken die Luft, und Sie denken sie durch einen durchgeführten Schnitt getrennt und sich immer wieder vereinigend, so führt die Luftmaterie alles das aus, was Sie dabei wahrnehmen. Wenn Sie einen festen Körper, also Eis nehmen, so ist die Wärme so darin betätigt, wie die materielle Luft hier selber. Das heißt: Es entsteht Ihnen ein richtiges Bild von dem, was in der Wärme vorgeht, und Sie haben wiederum bestätigt, daß wir, indem wir den gasigen, den dampfförmigen Zustand betrachten - Luft ist dampfförmig, gasig eigentlich -, wir in dem materiellen Vorgang des Gases selbst dasjenige haben, was ein Bild sein kann dessen, was im Wärmewesen vor sich geht.

Und wenn wir dann an einem festen Körper die Wärmeerscheinun-gen anschauen, haben wir im Grunde genommen nichts anderes, als daß wir auf der einen Seite den festen Körper haben, auf der anderen Seite dasjenige, was im Gebiete des Wärmewesens sich vollzieht. Wir sehen gewissermaßen anschaulich für unser Auge als Erscheinungen innerhalb des Wärmegebietes dasjenige sich abspielen, was wir sonst im Gas sich abspielen sehen. Daraus können wir neuerdings schließen -nicht einmal schließen, wir geben nur das Anschauliche wieder -, wir können neuerdings sagen: Wollen wir uns dem wahren Wesen der Wärme nähern, so müssen wir versuchen, so gut wir es können, einzudringen in das Gebiet innerhalb des gasigen Körpers. Und in dem, was in dem gasigen Körper geschieht, werden wir einfach Abbilder sehen von dem, was innerhalb des Wärmewesens vor sich geht. So daß uns die Natur wie vor Augen zaubert, indem sie uns gewisse Erscheinungen in den gasigen Körpern offenbart, dasjenige, was Bild ist der Vorgänge im Wärmewesen. Sehen Sie, was uns da leitet, liegt ja allerdings weit ab von der gegenwärtigen Betrachtungsweise, wie sie auf dem Gebiet der Naturwissenschaften eigentlich, wirklich der Naturwissenschaften, nicht bloß der Physik, üblich ist. Aber wozu führt schließlich eine solche Betrachtungsweise? Ich habe hier ein Werk von Eduard von Hartmann, in dem er ein Spezialgebiet von seinem Gesichtspunkte aus behandelt, eben gerade die moderne Physik. Ein Mann, der nun wirklich sich ganz aus dem Geiste der Gegenwart heraus einen breiten Horizont verschafft hat, so daß er als, sagen wir, Philosoph sich in die Lage versetzt

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hat, etwas über die Physik zu sagen. Nun ist es interessant, wie aus dem ganzen Geiste der Gegenwart heraus solch ein Mensch über die Physik spricht. Er beginnt gerade im ersten Kapitel: «Physik ist die Lehre von den Wanderungen und Wandlungen der Energie und von ihrer Zerlegung in Faktoren und Summanden.» Er muß natürlich, indem er dieses sagt, gleich folgendes hinzufügen, er sagt: «Physik ist die Lehre von den Wanderungen und Wandlungen der Energie und von ihrer Zerlegung in Faktoren und Summanden. Die Gültigkeit dieser Definition ist unabhängig davon, ob man die Energie als ein selbständiges Letztes auffaßt, das nur von uns gedanklich zerlegt wird, oder ob man sie als ein aus anderweitigen Faktoren wirklich entstandenes Produkt ansieht, und unabhängig auch davon, ob man dieser oder jener Ansicht über die Konstitution der Materie huldigt. Sie setzt nur voraus, daß alle Wahrnehmung und Empfindung auf Energie zurückweist, daß die Energie Ort und Gestalt ändern kann, und daß sie ihrem Begriff nach zerlegbar ist.»

Was heißt das, wenn man so etwas sagt? Das heißt: Man macht den Versuch, dasjenige, was man physikalisch vor sich hat, so zu defi-nieren, daß man ja nicht nötig hat, auf sein Wesen einzugehen. Man bildet eine Definition, die durch ihre besondere Eigenart es unnötig macht, auf das Wesen einzugehen, denn man schließt das Wesen aus. Man bildet einen Energiebegriff und sagt: Alles, was uns entgegentritt äußerlich physikalisch, ist nur eine Umwandelung dieses Energiewesens. Das heißt, man wirft aus seinen Begriffen alle Essentialität heraus und glaubt ganz sicher zu sein, wenn man nichts mehr erfaßt, daß man dann wenigstens sichere Definitionen gibt. Das ist aber in unsere physikalischen Vorstellungen gerade in einer furchtbaren Weise eingezogen. Es ist so eingezogen, daß wir kaum heute leicht in die Lage kommen, solche Versuche zu machen, welche uns das, was ist, wirklich veranschaulichen. Es sind schon alle unsere Versuchswerkzeuge, wie wir sie uns für unsere physikalischen Untersuchungen verschaffen können, so eingerichtet, daß sie gewissermaßen auf die theoretische An-schauung der gegenwärtigen Physik dressiert sind. Wir können nicht leicht dasjenige, was wir heute zur Hand haben, dazu verwenden, um in das Wesen der Dinge physikalisch einzudringen. Das Heil wird nur

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allein darin bestehen, daß zunächst eine gewisse Anzahl von Menschen sich findet, die sich bekanntmacht mit den notwendigen methodischen Konsequenzen eines wirklichen Eingehens auf das Wesen der physikalischen Erscheinungen, und daß diese Anzahl von Menschen sich dazu findet, auch schon die Versuchseinrichtungen, ja schon die Einrichtungen der Werkzeuge zu den Versuchen, so zu machen, daß man allmählich in das Wesen eindringt. Wir brauchen tatsächlich nicht bloß eine Umwandelung unserer Weltanschauung in Begriffen, wir brauchen heute durchaus selber von unseren Gesichtspunkten aus For-schungsinstitute. Wir werden nicht so schnell die Menschen von an-throposophischen Gesichtspunkten aus erreichen können, wie es notwendig ist, wenn wir nicht auf der anderen Seite die heute gewohnten Gedankenrichtungen dadurch aus ihren eingefahrenen Geleisen herausbringen können, daß wir den Leuten einfach ebenso durch den Versuch zeigen «das ist richtig, was wir über die Dinge sagen», wie heute der Physiker imstande ist, durch dasjenige, was ihm schon die Fabriken einrichten, den Menschen zu zeigen, scheinbar zu zeigen, daß das stimmt, was er ihnen sagt. Dazu aber ist natürlich wirklich notwendig, daß wir erst vordringen zum wirklich physikalischen Denken. Und zum wirklich physikalischen Denken gehört ja, daß wir uns in eine Vorstellungsrichtung hineinbringen, wie ich sie in diesen Tagen, und insbesondere gestern, zuerst angedeutet habe.

Nicht wahr, der heutige Physiker sieht einfach auf dasjenige hin, was geschieht, und er wird dann, wenn er auf das hinsieht, was ge-schieht, möglichst bestrebt sein, abzustreifen das, was er wahrnimmt, und nur auf das hinzuschauen, was er errechnen kann. So macht er auch diesen Versuch, den wir heute möglichst früh vor unsere Seele stellen wollen, möglichst früh aus dem Grunde, weil er sich ja auch erst ausbauen wird im Verlaufe der Stunde. Wir bringen hier ein rotierendes Schaufelrad in eine Flüssigkeit, so daß wir, indem wir das Rad in Drehung versetzen durch diesen Umsetzungsapparat, eine mechanische Arbeit verrichten - wir lassen sie von der Maschine verrichten. Dadurch aber, daß diese mechanische Arbeit eingreift in die Geschehnisse im Wasser, in das das Schaufelrad eingetaucht ist, dadurch werden wir eine erkleckliche Erwärmung des Wassers hervorrufen, und

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wir haben den einfachsten, elementarsten Versuch vor uns, durch den, wie man sagt, mechanische Arbeit in Wärme oder, wie man auch sagt, in thermische Energie umgewandelt wird. Wir haben jetzt eine Temperatur von 160 und werden nach einiger Zeit die Temperatur wiederum untersuchen.

Nun kommen wir noch einmal zurück zu dem, was wir schon aus-gesprochen haben. Wir haben gewissermaßen das physikalische Schicksal der Körperlichkeit dadurch zu erfassen versucht, daß wir diese Körperlichkeit durchgeführt haben durch den Schmelzpunkt und durch den Siedepunkt, wodurch der feste Körper zum flüssigen, der flüssige zum gasförmigen wird. Ich will in vereinfachten Ausdrücken jetzt sprechen. Wir haben gesehen, daß das Wesentliche des festen Körpers ist: das Gestalthaben. Er emanzipiert sich gewissermaßen von dem, was gestaltbildend bei einer Flüssigkeit ist, wenigstens relativ gestaltbildend ist, wenn die Flüssigkeit nicht durch die Zeit zum Verdunsten gebracht wird. Der feste Körper hat also seine feste Gestalt irgendwie; die Flüssigkeit muß in ein Gefäß eingeschlossen werden und unterliegt für ihre Niveaubildung, die sich überall an der Oberfläche des festen Körpers ebenso zeigt, den Kräften der ganzen Erde. Das haben wir uns ja vor die Seele geführt. So daß wir nicht anders können als sagen: Indem wir eigentlich im Grunde die Summe alles Flüssigen auf der Erde betrachten, wir diese Summe alles Flüssigen auf der Erde, wenn wir sie wirklich physikalisch betrachten wollen, mit der Erde als eine Körperlichkeit anzusehen haben. Das Feste emanzipiert sich nur von diesem Verbundensein mit der Erde, es individualisiert sich, nimmt seine eigene Gestalt an. Wenn wir nun, zunächst beibehaltend die Ausdrucksweise der gebräuchlichen Physik, in dem, was man Schwerkraft nennt, die Ursache für die Niveaubildung der Flüssigkeit sehen, so muß man doch, wenn man im rein Anschaulichen stehen bleibt, dasjenige, was man sonst einfach im rechten Winkel der Niveau-bildung entgegensetzt, in irgendeiner Weise hineinverlegen in den individualisierten festen Körper. Man muß in irgendeiner Weise denken, daß dasjenige, was hier mit der Niveaubildung zu tun hat und was man sich denkt als Schwerkraft der Erde, in irgendeiner Weise auch im festen Körper irgendwo drinnensitzt und die verschiedenen Niveaus

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bewirkt, daß also der feste Körper gewissermaßen die Schwerkraft individualisiert. Wir sehen also, daß der feste Körper die Schwerkraft für sich in Anspruch nimmt. Aber wir sehen auf der anderen Seite ja auch, daß die Niveauwirkung aufhört in dem Augenblick, wo wir zum Gas übergehen. Das Gas bildet kein Niveau. Wollen wir eine Gestalt des Gases haben, eine Grenze seines Rauminhaltes, so müssen wir das durch den Einschluß in ein Gefäß von allen Seiten her bewirken. So daß wir also, indem wir von der Flüssigkeit zum Gas übergehen, die Niveaubildung aufhören sehen. Wir sehen das Hinausstreben auch über diesen noch irdischen Rest von Gestaltenbilden, der im Niveau sich äußert, und wir sehen, wie alle Gase, die uns schon dadurch als eine Einheit entgegengetreten sind, daß sie sich in dem gleichen Ausdehnungskoeffizienten offenbarten, zusammen als ein einheitlich Materielles von der Erde sich emanzipieren.

Nun fassen Sie diesen Gedanken ganz streng: Sie stehen hier als Mensch, also als Kohlenstofforganismus, auf der festen Erde, sind unter den Erscheinungen, die die festen Körper der Erde bewirken. Diese unterliegen als solche der Schwerkraft, die sich angeblich überall äußert. So daß Sie eigentlich, indem Sie auf der Erde als Mensch stehen, um sich herum haben die festen Körper, die sich in irgendeiner Weise die Schwerkraft angeeignet haben müssen zu ihrer Gestaltbildung. Aber in den Erscheinungen, die diese festen Körper bewirken in dem Fallen, wie ich es gestern gesagt habe, zu dem Sie sich ein ideelles Niveau hinzuzudenken haben, das Sie überall bilden können, in dem haben Sie etwas, was Sie sich denken können als eine Art Kontinuum, als etwas, was sich überall ausbreitet, was gewissermaßen eine unsichtbare Flüssigkeit ist. So daß die festen Körper, sofern sie auf der Erde sich bewegen und Erscheinungen hervorrufen, in der Summe dieser Erscheinungen eine Flüssigkeit darstellen. Sie machen das gleiche, was eine materielle Flüssigkeit in sich macht. So daß wir eigentlich sagen können: Indem wir auf der festen Erde stehen, nehmen wir dasjenige wahr und nennen es Schwerkraft, was beim Wasser ni-veaubildend ist.

Nun denken Sie sich aber, wir wären in der Lage als Menschen, auf einem flüssigen Weltkörper zu leben, wir würden so organisiert sein,

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daß wir auf einem flüssigen Weltenkörper leben würden. Dann würden wir über der Niveaubildung dieser Flüssigkeit sein müssen. Und wir würden dann, ebenso wie wir jetzt im Verhältnis sind zu dem Flüssigen, im Verhältnis zum Gasförmigen sein, das aber nach allen Seiten strebt. Das heißt aber nichts Geringeres, als daß wir da keine Schwerkraft würden wahrnehmen können. Zu reden von der Schwerkraft würde aufhören, einen Sinn zu bekommen. Schwerkraft nehmen also nur diejenigen Wesen wahr und ihr unterliegen nur diejenigen Körperlichkeiten, die auf einem Planeten sind, der fest ist. Wesen, welche leben könnten auf einem Planeten, der flüssig ist, würden nichts wissen von einer Schwerkraft. Man könnte nicht davon reden. Und Wesen, die nun gar auf einem Weltkörper leben, der gasig ist, die würden das entgegengesetzte der Schwerkraft, das Streben nach allen Seiten vom Zentrum weg, als das Normale ansehen müssen. Wenn ich mich paradox ausdrücken will: Bei Wesen, die einen gasförmigen Planeten be-wohnten, müßten die Körper, statt hinzufallen zum Planeten, fort-während abgeschleudert werden. So daß wir, wenn wir den Übergang finden jetzt in wirklich physikalisches Denken, nicht bloß in mathematisches Denken, das sich außerhalb des Wirklichen stellt, sondern wenn wir wirklich physikalisch denken, wir uns sagen müssen: Wir beginnen, indem wir auf einem festen Planeten stehen, um uns die Schwerkraft zu haben. Und indem wir vom festen zum gasförmigen Planeten schreiten, gehen wir durch eine Art Nullzustand hindurch

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und kommen zu einem entgegengesetzten Zustand, zu einer räumlichen Kraftäußerung, welche nur negativ im Verhältnis zur Schwerkraft aufgefaßt werden könnte.

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Sie sehen also, wir kommen, indem wir da durch das Materielle durchgehen, tatsächlich zu einem Nullpunkt im räumlichen Sein, zu einer Nullsphäre im räumlichen Sein, so daß wir von der Schwerkraft nur als von etwas sehr Relativem sprechen können. Ja, aber sehen wir denn nicht, wenn wir einem Gas Wärme zuführen - wir haben die Versuche darnach gemacht -, Wärme, die seine Zerstreuungskraft immer erhöht, schon das Bild, das ich Ihnen entworfen habe? (Siehe Zeichnung Seite 100.) Liegt nicht dasjenige, was da im Gas tätig ist, schon jenseits der Nullsphäre, zu der die Schwere hintendiert? Können wir nicht, indem wir innerhalb der Erscheinungen bleiben, uns weiter denken, daß, indem wir den Übergang finden von einem festen zum gasförmigen Planeten, wir durch einen Nullpunkt hindurchgehen? Unterhalb die Schwerkraft; oberhalb verwandelt sich diese Schwerkraft für das physikalische Denken zu ihrem Gegenteil, zur negativen Schwerkraft. Aber wir finden sie, wir brauchen sie gar nicht zu denken. Das Wärmewesen tut dasselbe, was diese negative Schwerkraft tut. Wir sind jetzt gewiß noch nicht am Ziel angekommen, aber wir haben doch soviel schon erreicht, daß wir das Wesen der Wärme relativ erfassen können insoweit, daß wir sagen können: Das Wesen der Wärme äußert sich gerade so, wie die Negation der Schwerkraft, die negative Schwerkraft. Wenn man also in physikalischen Formeln, die die Schwerkraft in sich enthalten, eine Schwerkraftgröße negativ einsetzt, so muß dem wirklichkeitsgemäßen Denken nach diese Formel nicht mehr vorstellen Schwerkraftlinie oder Schwerkraftgröße, sondern Wärmekraftlinie und Wärmekraftgröße. Sie sehen also, daß man auf diese Art die Mathematik erst beleben kann. Man kann einfach die Formeln nehmen, die sich uns ergeben aus etwas, was wir rein mechanisch als ein Schwerkraftsystem betrachten. Setzen wir in diesen Formeln die Größen negativ, so sind wir genötigt, dasjenige, was früher Schwerkraft war, als Wärme anzusehen. Daraus ersehen Sie aber, daß wir nur dadurch, daß wir die Erscheinungen in ihrem Konkreten erfassen, zu wirklichen Resultaten kommen. Wir sehen, indem wir von den festen Körpern zu den flüssigen übergehen, wie sich die Gestalt unter dem Einfluß des Flüssigwerdens auflöst. Die Gestalt verliert sich. Wenn ich einen Kristall auflöse oder zum Schmelzen bringe, verliert

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er die Gestalt, die er vorher gehabt hat. Er nimmt diejenige Gestalt an, die er zunächst, weil er eben in das Allgemeine, in Flüssigkeit übergeht, unter dem Einfluß der Erde bekommt. Der Körper nimmt eine Niveaufläche der Erde an und muß in einem Gefäß aufbewahrt werden.

Aber es zeigt sich - wir wollen die Sache zunächst auch wiederum bloß der Erscheinung nach festhalten, wir können es später konkreter begreifen -, wenn die Flüssigkeitsmenge nur genügend klein ist, daß der Tropfen entsteht, die Kugelform. Flüssigkeiten haben also, wenn sie genügend klein sind, die Möglichkeit, sich auch von der allgemeinen Schwerkraft zu emanzipieren und in einem Spezialfall dasjenige sich anzueignen, was sonst bewirkt, daß polyedrisch bestimmte Gestalten in den Kristallen erscheinen. Aber die Flüssigkeiten haben dann die Eigentümlichkeit, sich eine einheitliche Gestalt zu bilden, die Kugelform. Und wenn ich nun diese Kugelform mir ansehe, ist sie gewissermaßen die Zusammenfassung, die Synthese aller polyedrischen Formen, aller Kristallformen.

Wenn ich nun weitergehe von der Flüssigkeit zum Gas, so habe ich das Auseinanderstreben, die Auflösung der Kugelform, aber jetzt nach außen. Nun kommen wir allerdings zu einem etwas schwierigeren Begriff: Denken Sie sich einmal, Sie stehen irgendeiner einfachen Gestalt, einem Tetraeder gegenüber, und Sie würden das Tetraeder so umkehren, wie man einen Handschuh umkehrt. Dann würden Sie nämlich allerdings bemerken, wenn Sie es umkehren wollten im ganzen, daß Sie durch die Kugelform durchgehen müßten, und daß dann der Negativkörper erscheint, für den alle Verhältnisse negativ sind, der gewissermaßen so ist, daß, wenn Sie hier das Tetraeder haben, irgendwie ausgefüllt, so müßten Sie sich diesen Negativkörper so vorstellen, daß der ganze übrige Raum ausgefüllt ist. Da ist es gasig. Nun denken Sie sich in diesem angefüllten Raum ein tetraedrisches Loch ausgespart. Da ist es hohl. Sie müßten dann, wenn Sie die Sache real auffassen, in alle Größen, die sich auf dieses Tetraeder beziehen, die Werte negativ einsetzen. Dann kriegen Sie das Negativtetraeder, das ausgesparte Tetraeder, während sonst im Tetraeder Materie drinnen ist. Aber der Zwischenzustand, wo das positive Tetraeder in das negative Tetraeder übergeht, das ist die Kugel. Jeder polyedrische Körper geht in seine Negation

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über, indem er durch die Kugel wie durch einen Nullpunkt, eine Nullsphäre schreitet.

Jetzt verfolgen Sie das im Konkreten bei den Körpern. Sie haben die festen Körper mit Gestalten; sie gehen durch die Flüssigkeitsform, das heißt Kugelform durch und werden Gase. Wollen wir die Gase richtig betrachten, so müßten wir sie als Gestalten betrachten, aber als Negativgestalten. Wir kommen also da zu Gestaltungen hinaus, die wir nur erfassen können, wenn wir durch die Nullsphäre ins Negative hineinkommen. Das heißt: Indem wir uns zu den Gasvorgängen, die Bilder der Wärmevorgänge sind, begeben, kommen wir durchaus nicht in ein Gestaltenloses, es wird uns nur schwieriger sie zu erfassen, als die Gestalten unserer Umgebung, die positive Gestalten sind, nicht negative Gestalten sind. Ja, aber zu gleicher Zeit sehen wir daraus, daß jeder Körper, in dem überhaupt das Flüssige irgendwo in Betracht kommt, in einem Zwischenzustand ist. Er ist in dem Zwischenzustand, von Gestaltetem zu dem, was wir gestaltlos nennen, also zu negativ Gestaltetem, überzugehen.

Haben wir irgendwo ein Beispiel, wo wir so etwas verfolgen können, in dem, was in unserer allernächsten Umgebung ist, was wir anschauen, aber nicht eigentlich erleben? Wir bleiben doch, wenn wir neben der Verflüssigung eines festen Körpers oder der Verdampfung eines flüssigen Körpers stehen, so ziemlich in demselben Erlebniszustand, wie wir vorher waren. Aber können wir so etwas irgendwie miterleben? Wir können es miterleben und wir erleben es fortwährend mit. Wir erleben es dadurch mit, daß wir Erdenmenschen sind und daß die Erde zwar in der Nähe, in der wir sie bewohnen, tatsächlich ein grundfester Körper ist, und dann

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stehen Körper darauf, die in unserer Umgebung die verschiedenen Erscheinungen bewirken, die wir dann anschauen. Aber außerdem ist das Flüssige eingebettet in das Irdische und gehört dazu, und auch das Gasförmige gehört dazu. Und es besteht tatsächlich ein großer Unterschied zwischen dem, was ich nennen möchte, damit wir einen Ausdruck dafür haben - wir werden uns diesen Dingen schon nähern -, was ich nennen möchte Wärmenacht und Wärmetag. Was ist die Wärmenacht? Die Wärmenacht ist gegenüber der Lichtnacht dasjenige, was eben unter dem Einfluß des Wärmewesens des Kosmos geschieht mit unserer Erde. Was kann da geschehen? Nun, wir werden in der nächsten Zeit die Erscheinungen auf der Erde so verfolgen, daß wir wirklich sehen werden, was aber sehr leicht mit dem Gedanken auch zu erreichen ist: Unter dem Einfluß der Wärmenacht strebt die ganze Erde - wir könnten uns ja zunächst beschränken, indem wir sagen: die Erdatmosphäre - nach Gestalt. Während der Wärmenacht, also während wir dem Sonnenwesen nicht ausgesetzt sind mit unserem Erdenwesen, während das Erdenwesen sich selbst überlassen ist, während es sich emanzipieren kann von den Einwirkungen des kosmischen Sonnenwesens, strebt es nach einer festen Gestalt, wie der Tropfen nach einer festen Gestalt strebt, wenn er sich der umliegenden Schwerkraft entziehen kann. Wir haben also, indem wir statt der Lichtnacht die Wärmenacht in Betracht ziehen, das fortwährende Bestreben der Erde nach Gestalt. Aber es ist nicht ganz richtig gesprochen, wenn ich sage: Es strebt die Erde nach der Tropfenform. Sie strebt nach viel mehr in der Wärmenacht: nach Gestaltung, nach Kristallisation. Und dasjenige, was wir nächtlich erleben, das ist ein fortwährendes Auftauchen von Kraftlinien, die nach Kristallisation streben, während bei Tag unter dem Einfluß des Sonnenwesens ein fortwährendes Auflösen dieses Kristallisationsstrebens da ist, ein fortwährendes Überwinden-wollen der Gestalt.

Und wenn wir von der Wärmemorgendämmerung und -abend-dämmerung sprechen, müssen wir eigentlich davon sprechen, daß bei der Wärmemorgendämmerung, nachdem die Erde in der Wärmenacht sich zu kristallisieren versucht hat, dieser Kristallisationsprozeß sich wiederum auflöst und die Erde bei der Wärmemorgendämmerung durch

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die Kugelgestalt durchgeht, mit ihrer Atmosphäre; dann versucht sie sich zu zerstreuen. Es kommt wiederum nach dem Wärmetag eine Wärmeabenddämmerung. Die Erde versucht wiederum eine Kugel zu bilden und sich während der Nacht zu kristallisieren, so daß wir die Erde einzufangen haben in einen kosmischen Prozeß, der darin besteht, daß während der Wärmenacht die Erde sich zusammenzuziehen versucht, daß, wenn der Gang fortgesetzt und die Sonne zum Verschwinden gebracht werden könnte, die Erde zum Kristall werden könnte. Das wird zur rechten Zeit verhindert, indem die Erde wieder durchgeführt wird durch die Wärmemorgendämmerung, durch die Kugelform, dann der Versuch der Erde entsteht, sich in den Weltenraum zu zerstreuen, bis wiederum den Kräften entgegengewirkt wird durch die Wärmeabenddämmerung. Wir haben es also nicht zu tun bei unserer Erde mit irgend etwas, das wir als ein Festbegrenztes im Weltenraum hinzeichnen könnten, sondern wir haben es mit etwas zu tun, das im Kosmos fortwährend schwingt, Wärmetag und Wärmenacht durchschwingt.

Sehen Sie, auf solche Dinge hin werden wir unsere Forschungsinsti-tute einzurichten haben. Wir werden zu unseren gewöhnlichen Thermometern und Hygrometern und so weiter hinzuzuerfinden haben Instrumente, durch die wir werden zeigen können, daß gewisse Vorgänge, die sich innerhalb des Irdischen, namentlich innerhalb des flüssigen und gasförmigen Irdischen vollziehen, bei Nacht anders sich vollziehen als bei Tag.

Sie sehen also: Hier führt uns eine sachgemäße physikalische Be-trachtungsweise dazu, nun wirklich endlich einmal da zuzugreifen und durch entsprechende Meßinstrumente jene feinen Unterschiede zu demonstrieren, die sich ergeben zwischen Tag und Nacht für alle Erscheinungen, die namentlich innerhalb des Flüssigen und Gasförmigen sich vollziehen. Wir werden in der Zukunft müssen ein gewisses Experiment machen bei Tage, es in der entsprechenden Stunde in der Nacht wiederholen, und wir werden müssen feine Meßinstrumente haben, welche uns die Erscheinungen verschieden zeigen bei Tag und bei Nacht. Denn bei Tag sind nicht jene Kräfte, die die Erde zu kristallisieren streben, durch unsere Erscheinungen durchgehend, die bei Nacht eben da sind. In der Nacht treten Kräfte auf, die aus dem Kosmos

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kommen. Und diese kosmischen Kräfte, die die Erde zu kristallisieren versuchen, die müssen das in den Erscheinungen zeigen. Und da eröffnet sich uns der Experimentierweg, um wiederum für die Erde ihren Zusammenhang mit dem Weltall zu konstatieren.

Sie sehen, diejenigen Forschungsinstitute, die im Sinne unserer an-throposophisch orientierten Weltanschauung in der Zukunft einge-richtet werden müssen, sie werden bedeutsame Aufgaben haben. Sie werden wirklich müssen mit Dingen rechnen, mit denen man gegenwärtig in den allerseltensten Fällen rechnet bei gewissen Erscheinungen. Natürlich bei Lichterscheinungen tun wir es heute schon, wenigstens bei gewissen Erscheinungen, indem wir künstlich Nacht hervorrufen müssen, das Zimmer verdunkeln und so weiter, aber bei anderen Erscheinungen, die sich unterhalb einer gewissen Nullsphäre vollziehen, versuchen wir das nicht. Statt dessen kommen wir dann zu der Idee, dasjenige, was wir finden würden als anschauliche Ergebnisse, wenn wirklich anschauliche existieren würden, zu verlegen ins Innere der Körper und zu reden von allerlei Kräften, die sich abspielen zwischen Atomen und Molekülen. Das ganze beruht nur darauf, daß wir glauben, wir könnten bei Tage alles erforschen. Wir werden Unterschiede zum Beispiel der Kristallisationsgestalten auf diese Weise erst herausfinden, daß wir dasselbe Experiment erst ausführen bei Tage, und dann ausführen bei Nacht. Das ist dasjenige, auf was im besonderen aufmerksam gemacht werden muß. Nun wird auf diesem Wege sich erst eine wahre Physik ergeben. Denn heute stehen im Grunde genommen die physikalischen Erscheinungen chaotisch nebeneinander. Wir sprechen von mechanischer Energie, sprechen von akustischer Energie zum Beispiel. Aber es wird dann, wenn wir über diese Dinge physikalisch forschen, durchaus nicht in der richtigen Weise bedacht, daß ja alle mechanischen Energien sich nur abspielen können da, wo auf irgendeine Weise feste Körper sind. Akustische Energien aber weisen immer darauf hin, daß wir ja nicht mehr in der Sphäre der festen Körper sind, so daß dann die Flüssigkeitssphäre zwischen der rein mechanischen Energie und der akustischen Energie drinnen liegt.

Ja, aber wenn wir nun hinauskommen aus dem Gebiet, in dem wir am leichtesten die akustische Energie beobachten, bei luftförmigen Körpern,

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dann kommen wir ja, als zu dem nächstanstoßenden sogenannten Aggregatzustand, zu der Wärme, die so übergelagert ist dem Gas, wie der flüssige Körper dem festen Körper. Und wir würden also, wenn wir das äußerlich auffassen würden, haben:

#Bild s. 115

Wir würden innerhalb des Festen als Charakteristisches das Mechanische finden. Wir würden innerhalb des Gasförmigen das Charakteristische des Akustischen finden. Wie wir das Flüssige ausgelassen haben, müssen wir hier die Wärme auslassen, und hier oben etwas anderes, was ich zunächst als x bezeichnen würde, finden. Wir würden also auf der anderen Seite des Wärmewesens noch etwas zu suchen haben. Zwischen diesem x und unseren gewöhnlichen, in der Luft sich vollziehenden akustischen Erscheinungen, würde das Wärmewesen liegen, wie zwischen den gasförmigen und festen Körpern das flüssige Wesen liegt. Sie sehen, wir versuchen das Wärmewesen auf irgendeine Weise einzufassen, uns ihm anzunähern auf irgendeine Weise. Und wenn Sie sich sagen: Es liegt die Flüssigkeit zwischen dem Gasförmigen und dem Festen, also muß zwischen dem x und dem Gasförmigen das Wärme-wesen liegen, so müssen Sie auf eine ähnliche Weise die Übergänge durch das Wärmewesen hindurch zu dem x suchen. Sie müssen also etwas finden, was jenseits des Wärmewesens eben liegt, wie zum Beispiel die Tonwelt, insofern sie sich durch die Luft äußert, diesseits des Wärmewesens liegt.

Damit sehen Sie aber den Versuch, wirklich solche physikalische Begriffe zu bilden, welche hinausgehen aus dem bloß Abstrakten und zu erfassen suchen das Physikalische. So wie die Geometrie die Raumformen ja wirklich erfaßt, aber niemals mechanische Begriffe etwas anderes als die Bewegung fester Körper erfassen können, so erfassen

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solche Begriffe, wie wir sie uns jetzt bilden, tatsächlich das physika-lische Wesen. Sie tauchen in das physikalische Wesen unter. Und nach solchen Begriffen muß man streben. Daher würde ich glauben, daß es geradezu im rechten Sinn zu dem gehört, was sich herausbilden könnte aus dem Universellen, aus dem heraus die Freie Waldorfschule gedacht ist, wenn man versuchen würde, nun wirklich auch das Experimentelle auszudehnen in der Weise, wie das heute angedeutet worden ist, wenn man dasjenige, was sehr vernachlässigt worden ist in unseren physikalischen Erscheinungen, die Zeit und den Zeitverlauf, in das physikalische Experiment hineinbeziehen würde.

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ACHTER VORTRAG Stuttgart, 8. März 1920

Wir haben gestern das Experiment gemacht, das zeigen soll nach den gebräuchlichen Anschauungen, wie sich mechanische Arbeit, die wir hervorgerufen haben, indem wir ein Schaufelrad zur Drehung und damit zur Reibung an einer Wassermasse gebracht haben, in Wärme umwandelt. Wir haben Ihnen gezeigt, daß das Wasser, an dem sich das Schaufelrad rieb, wärmer wurde.

Heute wollen wir gewissermaßen das Umgekehrte machen. Wir haben gestern gezeigt, daß irgendwie gesucht werden muß eine Erklärung dafür, daß, wenn wir jetzt die Tatsachen besser aussprechen als durch den Gedanken der bloßen Verwandlung, unter dem Einfluß einer geleisteten Arbeit Wärme entstehen kann. Jetzt wollen wir einen umgekehrten Vorgang verfolgen. Wir wollen hier zunächst Dampf erzeugen, wollen also richtig auf dem Weg eines Verbrennungsprozesses Druck erzeugen, Spannung hervorrufen - also ein Mechanisches aus der Wärme - und wollen nach demselben Prinzip, nach dem alle Dampfmaschinen bewegt werden, umsetzen diese Wärme auf dem Umweg des Druckes in mechanische Arbeit. Dadurch, daß wir den Druck wirken lassen nach der einen Seite hier auf die Fläche unten, dadurch wird dieser Kolben hier in die Höhe getrieben (siehe Zeichnung Seite 118). Dadurch, daß wir wiederum abkühlen den Dampf, wird der Druck vermindert, der Kolben geht wiederum zurück, und wir bekommen die mechanische Arbeit, die auf- und absteigende Bewegung. Wir werden dabei verfolgen können, wie das Wasser, das wiederum entsteht, wenn wir hier abkühlen, das Kondensationswasser, in dieses Gefäß hin-eingeht, und wir werden dann untersuchen, ob nun, nachdem wir den ganzen Vorgang sich haben abwickeln lassen, die Wärme, die wir hier erzeugt haben, sich ganz umgewandelt hat in solche Arbeit, in die Arbeit des Auf-und-Abbewegens dieses Kolbens, oder ob uns irgendwie eine Wärme verlorengegangen ist. Die Wärme, die verlorengeht, die sich nicht umwandelt, würde in der Hitze des Wassers erscheinen müssen. Es würde dann das Kondensationswasser in dem Fall, wo die ganze

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#Bild s. 118

Wärme verwendet wird zur Erzeugung von mechanischer Arbeit, unfähig sein, eine Erhöhung der Temperatur aufzuzeigen. Findet eine Erhöhung der Temperatur statt, das heißt, können wir an diesem Thermometer konstatieren, daß das Wasser über die gewöhnliche Temperatur erwärmt ist, dann rührt diese Erwärmung her von der Wärme, die wir angewendet haben. Dann hat sich nicht die ganze Wärme in Arbeit verwandelt, wir waren nicht imstande dazu, es ist noch etwas übriggeblieben. Wir wollen also konstatieren, ob die ganze Wärme in Arbeit verwandelt werden kann, oder noch etwas übrigbleibt und sich an der Erwärmtheit des Kondensationswassers zeigt. Das Wasser hat 200, wir werden dann sehen, ob das Kondensationswasser wirklich bis 200 abgekühlt ist, also alle Wärme zur Arbeit verwendet wird, oder ob die Temperatur dieses Kondensationswassers steigt und dadurch Wärme verlorengehen würde. Jetzt kondensieren wir den Dampf, das Kondenswasser tropft hinüber, und auf diese Art kann natürlich jetzt eine Maschine getrieben werden. Wenn der Versuch vollständig gelingt, können Sie sicher sein, daß das Kondenswasser hier eine wesentliche

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Erhöhung der Temperatur aufzeigt, und es ist dieses der Weg, auf dem man zeigen kann, daß, wenn man den zum gestrigen umgekehrten Versuch macht, Wärme überzuführen in mechanische Arbeit, die eben darin besteht, daß der Kolben sich auf und ab bewegt, daß es dann unmöglich ist, alle Wärme, die man erzeugt hat, vollständig in mechanische Arbeit überzuführen; daß, wenn Wärme in mechanische Arbeit übergeführt wird, immer Wärme zurückbleibt, daß wir also in jeder solchen zur Erzeugung mechanischer Arbeit verwendeten Wärme einen Teil haben, der als Rest bleibt, sich nicht umwandeln läßt in mechanische Arbeit. Wir wollen zunächst auch hier nur die Erscheinung festhalten, aber jetzt uns die Gedanken vorführen, welche sich die gebräuchliche Physik und diejenigen, die auf ihr mit ihren Anschauungen fußen, über die ganze Sache machen.

Wir haben es zunächst mit der ersten Tatsache zu tun, daß wir überhaupt verwandeln können, wie man sagt, Wärme in mechanische Arbeit, und mechanische Arbeit in Wärme. Daraus hat sich, wie ich ja schon erwähnte, die Ansicht gebildet, daß jede solche Form von sogenannter Energie - Wärmeenergie, mechanische Energie, und man könnte das Experiment auch für andere Energien machen - in eine andere sich umwandeln läßt. Von dem Maße der Umwandlung wollen wir jetzt absehen, und nur an der Tatsache festhalten. Nun sagt der gegenwärtige physikalische Denker: Es ist also unmöglich, daß, wenn irgendwo eine Energie erscheint, eine Kraftwirkung erscheint, diese von irgend etwas anderem herkommt als von einer schon vorhandenen anderen Energie. Wenn ich also irgendwo ein in sich geschlossenes System von Energien habe, zunächst von Energien einer bestimmten Form, und es treten andere Energien mit auf, so müssen diese die Um-wandlung der schon vorhandenen Energien des geschlossenen Systems sein. Nirgends kann in einem geschlossenen System eine Energie anders denn als Umwandlungsprodukt erscheinen. Eduard von Hartmann, der, wie ich schon angedeutet habe, die gegenwärtigen physikalischen Ansichten in seine philosophischen Begriffe faßt, hat diesen sogenannten ersten Satz der mechanischen Wärmetheorie ausgesprochen mit den Worten: «Ein Perpetuum mobile der ersten Art ist eine Unmöglichkeit.» Was wäre ein Perpetuum mobile der ersten Art? Ein Perpetuum

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mobile der ersten Art wäre eben eine Einrichtung, wodurch eine Energie als solche in einem geschlossenen Energiesystem entstehen würde. So daß also Eduard von Hartmann die hierauf bezügliche Tatsachenreihe eben dahin zusammenfaßt, daß er sagt: «Ein Perpetuum mobile der ersten Art ist eine Unmöglichkeit.»

Nun kommen wir zu der zweiten Tatsachenreihe, die sich uns durch das heutige Experiment veranschaulicht hat: Wir können in einem in sich scheinbar geschlossenen System von Energien die eine Energie in die andere umwandeln. Dabei zeigt sich, daß die Umwandlung aber doch gewissen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, die mit der Qualität der Energien zusammenhängen, und zwar so, daß eben Wärmeenergie sich nicht ohne weiteres ganz umwandeln läßt in mechanische Energien, sondern immer ein Rest bleibt. So daß es also unmöglich ist, Wärme-energie in einem geschlossenen System so in mechanische Energie umzuwandeln, daß nun wirklich alle Wärme als mechanische Energie erscheint. Würde man dies erreichen können, daß alle Wärme als mechanische Energie erscheint, dann würde man wiederum die mechanische Energie umwandeln können in Wärme. Es würde möglich sein, daß in einem solchen geschlossenen System eine Energiequalität in die andere sich umwandeln würde. Man würde damit die Möglichkeit geboten haben, immer das eine in das andere umzuwandeln. Eduard von Hartmann drückt wiederum diesen Satz so aus, daß er sagt: Ein solches geschlossenes System, in dem man zum Beispiel die ganze vorhandene Wärme umwandeln könnte in mechanische Arbeit, wo man mechanische Arbeit wiederum umwandeln könnte in Wärme, wo also ein Kreislauf entsteht, wäre ein Perpetuum mobile der zweiten Art. Aber auch ein solches Perpetuum mobile der zweiten Art ist eine Unmöglichkeit, sagt er, und dies sind im Grunde genommen für die Denker des 19. Jahrhunderts und des angehenden 20. Jahrhunderts auf dem Gebiete der Physik die zwei Hauptsätze der sogenannten mechanischen Wärmelehre:

«Ein Perpetuum mobile der ersten Art ist eine Unmöglichkeit.» «Ein Perpetuum mobile der zweiten Art ist eine Unmöglichkeit.» Die Sache hängt sogar mit der Geschichte der Physik im 19.Jahrhundert zusammen. Der erste, der aufmerksam gemacht hat auf diese scheinbare

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Umwandlung des Wärmewesens in andere Energieformen oder anderer Energieformen in Wärme, das war ja Julius Robert Mayer, der im wesentlichen aufmerksam geworden ist auf den Zusammenhang zwischen Wärme und anderen Energieformen als Arzt, indem er in der heißen Zone eine andere Beschaffenheit des venösen Blutes bemerkt hat als in der kalten Zone und daraus schloß auf eine andere Art der physiologischen Arbeit in dem einen und in dem anderen Falle beim menschlichen Organismus. Er hat dann hauptsächlich aus diesen seinen Erfahrungen, die er vermehrt hat, später eine etwas verwuselte Theorie aufgestellt, und bei ihm hat eigentlich diese Theorie noch keinen anderen Umfang als den: Man könne entstehen lassen aus der einen Energie-form die andere. - Dann ist die Sache von verschiedenen anderen Leuten, unter anderen von Helmholtz, weiter ausgearbeitet worden. Schon bei Helmholtz tritt nun eine eigentümliche Form des physikalisch-mechanischen Denkens als Ausgangspunkt der ganzen Betrachtung auf. Nimmt man gerade die wichtigste Abhandlung von Helm-holtz, durch die er die mechanische Wärmetheorie zu stützen versucht in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts, so liegt diese schon -und zwar als Postulat - dem Hartmannschen Gedanken zugrunde:

Ein Perpetuum mobile der ersten Art ist eine Unmöglichkeit; weil ein Perpetuum mobile unmöglich ist, müssen die verschiedenen Energie-arten nur Umwandlungen voneinander sein, es kann niemals eine Energieform aus dem Nichts entstehen. Man kann den Satz, von dem man ausgeht als einem Axiom: Ein Perpetuum mobile der ersten Art ist eine Unmöglichkeit -, umwandeln in den anderen: Die Summe der Energien im Weltensystem ist konstant. Es entsteht niemals eine Energie, es vergeht niemals eine Energie. Es verwandeln sich nur die Energien. Die Summe der Energien im Weltensystem ist konstant. - Die beiden Sätze

«Es gibt kein Perpetuum mobile der ersten Art.»

«Die Summe aller Energien im Weltenall ist konstant.»

enthalten im Grunde genommen genau dasselbe. Nun, darum handelt es sich, daß wir mit der Denkweise, die wir schon angewendet haben bei all unseren Betrachtungen, einmal in diese ganze Anschauungsart ein wenig hineinleuchten.

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Man sieht hier an einem solchen Experiment, daß, wenn man den Versuch macht, Wärme in sogenannte Arbeit umzuwandeln, dann Wärme gewissermaßen für die Umwandlung in Arbeit verlorengeht, daß Wärme wieder erscheint, daß also nur ein Teil der Wärme in Arbeit, in eine andere Energie, in mechanische Energieformen, umgewandelt werden kann. Man kann dann das, was man daran sieht, auf das Weltenall anwenden. Das ist auch geschehen von den Denkern des 19. Jahrhunderts. Etwa so sagten sich diese Denker: In der Welt, in der uns vorliegenden Welt, in der wir leben, ist mechanische Arbeit vorhanden, ist Wärme vorhanden. Fortwährend geschehen Prozesse, durch die Wärme in mechanische Arbeit umgewandelt wird. Wir sehen, daß Wärme da sein muß, damit wir überhaupt mechanische Arbeit erzeugen können. Denken Sie nur einmal, wie wir einen großen Teil unserer Technik darauf eben gestützt haben, daß wir aus der ursprünglichen Verwendung von Wärme mechanische Arbeit zutage treten lassen. Aber dabei wird sich immer zeigen, daß wir Wärme niemals vollständig umwandeln konnen in mechanische Arbeit, daß immer ein Rest bleibt. Und wenn das so ist, müssen sich diese Reste so summieren, daß keine mechanische Arbeit mehr geleistet werden kann, daß wir einfach nicht mehr zurückverwandeln können die Wärme in mechanische Arbeit. Die Reste der unverwendbaren Wärme summieren sich, und das Wel-tenall geht entgegen jenem Zustand, in dem sich alle mechanische Arbeit in Wärme verwandelt haben wird. Man hat auch gesagt, das Weltenall, in dem wir leben, geht seinem Wärmetod entgegen, wie man es auch etwas gelehrter nennen kann. Über den sogenannten Entropiebegriff wollen wir in einer der kommenden Betrachtungen noch sprechen. Jetzt interessiert uns zunächst, daß man hier aus einem Experiment heraus Gedanken schöpfte über den Gang unseres zunächst für den Menschen in Betracht kommenden Weltenalls.

Eduard von Hartmann hat die Sache nett ausgeführt, indem er sagt: Man sieht also - physikalisch beweisbar-, daß der Weltenprozeß, in dem wir leben, zunächst dadurch verläuft, daß in ihm Vorgänge sind: auf der einen Seite Wärmeprozesse, auf der anderen Seite mechanische Prozesse, daß aber zuletzt alle mechanischen Prozesse übergehen werden in Wärmeprozesse. Dann wird keine mechanische Arbeit mehr

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geleistet werden können. Das Weltenall ist an seinem Ende angekommen. Es zeigen uns also die physikalischen Erscheinungen, sagt Eduard von Hartmann, daß der Weltenprozeß ausbummelt. Dieses ist seine Art, über die Vorgänge, innerhalb welcher wir leben, sich auszusprechen. Wir leben also in einem Weltenall, das uns durch seine Prozesse erhält, aber darin besteht die Tendenz, immer bummliger zu werden und zuletzt ganz auszubummeln - ich wiederhole nur Eduard von Hartmanns eigene Worte.

Nun müssen wir uns aber über das Folgende klar werden: Gibt es denn irgend so etwas wie die Möglichkeit, in einem geschlossenen System eine Summe von Prozessen hervorzurufen? Merken Sie wohl, was ich sage: Wenn ich an der Summe meiner Experimentierwerkzeuge stehe, so stehe ich doch wahrlich nicht im Vakuum, im leeren Raum, und selbst dann, wenn ich glauben könnte, daß ich im leeren Raum stehe, bin ich ja noch nicht ganz sicher, ob nicht dieser leere Raum sich nur dadurch als leer zeigt, daß ich zunächst nicht wahrnehme, was in ihm noch drinnen ist. Stehe ich denn jemals mit meinem Experimentieren innerhalb irgendeines geschlossenen Systems? Ist denn nicht dasjenige, was ich selbst im einfachsten Experiment verrichte, ein Eingriff in den gesamten Prozeß des Weltenalls, das mich zunächst umgibt? Darf ich anders vorstellen, wenn ich zum Beispiel hier diese ganze Sache mache, als daß das in dem Zusammenhang des ganzen Welten-prozesses etwas Ahnliches ist, wie wenn ich eine kleine Nadel nehme und mich hier steche? Wenn ich hier steche, empfinde ich einen Schmerz, der hält mich ab, einen Gedanken zu fassen, den ich sonst erfaßt hätte. Aber ganz gewiß darf ich nicht, wenn ich das, was hier geschieht, in seinem ganzen Zusammenhang betrachten will, bloß den Druck der Nadel und die Lädierung der Haut, der Muskeln ins Auge fassen, denn ich würde ja dadurch nicht den ganzen Prozeß ins Auge fassen. Der Prozeß ist damit nicht erschöpft. Denken Sie einmal, ich nehme durch eine Ungeschicklichkeit eine Nadel, steche mich, spüre den Schmerz. Ich werde abrücken. Das, was da auftritt als eine Wirkung, das ist doch ganz entschieden nicht zu erfassen, wenn ich bloß dasjenige, was hier in diesem Hautteil vor sich geht, ins Auge fasse. Und dennoch ist das Abrücken von der Nadel nichts weiter als eine

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Fortsetzung derjenigen Prozesse, die ich beschreibe, wenn ich eben nur den ersten Teil ins Auge fasse. Wenn ich den ganzen Prozeß beschreiben will, muß ich Rücksicht nehmen darauf, daß ich da mit meiner Nadel nicht in die Kleider gestochen habe, sondern in den Organismus, den ich als Ganzes aufzufassen habe, der seinerseits wiederum reagiert als ganzer Organismus und als solcher dasjenige hervorruft, was dann die Folge des ersten ist.

Darf ich ohne weiteres hier, indem ich solch ein Experiment mir vor Augen stelle, sagen: Ich habe erwärmt, mechanische Arbeit hervor-gerufen, die Wärme, die da übriggeblieben ist im Kondensationswasser, die ist eben übriggeblieben durch sich selbst? Ich stehe ja nicht mit der ganzen Einrichtung hier so im Zusammenhang, wie wenn ich sie da (in den Finger) eingebohrt hätte. Es könnte ja die Entstehung oder das Behalten der Wärme, das Auftreten im Kondensationswasser, zusammenhängen mit der Reaktion des ganzen großen Systems auf den Prozeß hier, wie mein Organismus reagiert auf den kleinen Prozeß des Stechens der Nadel. Dasjenige, was ich also vor allen Dingen zu berücksichtigen habe, ist: Daß ich niemals die Experimentalanordnung als ein geschlossenes System ansehen darf, sondern mir bewußt bleiben muß, daß diese ganze Experimentalanordnung unter den Einflüssen der Umgebung steht und auch der Energien, die eventuell aus dieser Umgebung wirken.

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Halten Sie mit diesem nun ein anderes zusammen: Nehmen Sie an, Sie haben zunächst wieder im Gefäß eine Flüssigkeit mit der Niveau-fläche, wodurch Sie voraussetzen Kraftwirkung senkrecht auf die Niveaufläche. Denken Sie nun, es gehe diese Flüssigkeit durch Abkühlung

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in einen gestalteten festen Körper über. Es ist ganz unmöglich, daß Sie sich jetzt nicht denken, daß diese Richtungen hier, diese Kraft-richtungen nicht von einer anderen in irgendeiner Weise durchkreuzt werden. Denn diese Kraftrichtungen bewirken ja eben, daß ich das Wasser in einem Gefäß aufbewahren muß, daß nur durch die Niveau-fläche die Form des Wassers da ist. Wenn nun bei der Verfestigung eine geschlossene, gestaltete Form entsteht, ist es unbedingt notwendig, vorauszusetzen, daß nun Kräfte hinzutreten zu denen, die früher vorhanden waren. Das liefert die unmittelbare Anschauung, daß da Kräfte hinzutreten zu denen, die früher vorhanden waren. Und zunächst ist der Gedanke ganz absurd, zu glauben, daß jene Kräfte die Gestalt bewirken, die irgendwie schon im Wasser drinnen gewesen wären, denn sie hätten ja sonst, wenn sie drinnen gewesen wären, im Wasser die Gestalt bewirken müssen. Sie sind also aufgetreten. Sie können nicht im Wassersystem enthalten gewesen sein, sie müssen von außerhalb des Wassersystems an dieses herangekommen sein. Nehmen wir daher die Erscheinung so, wie sie ist, so müssen wir sagen: Wenn irgendwo eine Gestalt auftritt, so tritt sie tatsächlich als eine Neuschöpfung auf. Bleiben wir nur innerhalb desjenigen, was wir anschaulich konstatieren können, so tritt die Gestalt als eine Neuschöpfung auf. Wir sehen es ja förmlich anschaulich, wenn wir aus einer Flüssigkeit einen festen Körper entstehen lassen. Die Gestalt tritt anschaulich auf als Neuschöpfung, und sie wird wieder aufgehoben, wenn wir den Körper in eine flüssige Form umwandeln. Man fasse nur so etwas einmal auf nach dem, was die Anschauung liefert. Was folgt denn aus dem ganzen Vorgang, wenn man wirklich das Anschauliche in einen Begriff umwandelt? Es folgt daraus, daß sich der feste Körper selbständig zu machen versucht, daß er versucht, in sich ein geschlossenes System zu bilden, daß er einen Kampf mit seiner Umgebung eingeht, um ein geschlossenes System zu werden.

Ich möchte sagen, man kann es hier mit Händen greifen, daß hier durch die Verfestigung des Flüssigen der Versuch der Natur vorliegt, zu einem Perpetuum mobile zu kommen. Das Perpetuum mobile entsteht nur nicht, weil das System sich nicht selbst überlassen wird, weil die ganze Umgebung darauf wirkt. So können Sie zu der Anschauung

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vorrücken: In unserem uns gegebenen Raum ist fortwährend an den verschiedenen Punkten die Tendenz vorhanden zur Entstehung eines Perpetuum mobile. Aber sofort entsteht gegen diese Tendenz eine Gegentendenz. So daß wir sagen können: Wenn irgendwo die Tendenz entsteht, ein Perpetuum mobile zu bilden, so bildet sich in der Umgebung die Gegentendenz, die Entstehung des Perpetuum mobile zu verhindern. Wenn Sie die Denkweise so orientieren, dann modifizieren Sie die abstrakte Denkweise der modernen Physik des 19. Jahrhunderts ganz und gar. Die geht davon aus: Ein Perpetuum mobile ist unmöglich, daher - und so weiter. Wenn man in der Tatsachenwelt stehen bleibt, muß man sagen: Ein Perpetuum mobile will fortwährend entstehen. Nur die Konstitution des Weltenalls verhindert dies.

Und die Gestalt eines festen Körpers, was ist sie? Sie ist der Aus-druck des Kampfes. Dieses Bild, das sich im festen Körper bildet, das ist der Ausdruck des Kampfes zwischen der Substanz als Individualität, die ein Perpetuum mobile bilden will, und der Verhinderung der Bildung des Perpetuum mobile durch das ganze All, das relative All, in dem sich dieses Perpetuum mobile bilden will. Die Gestalt eines Körpers ist das Resultat der Verhinderung dieses Strebens, ein Perpetuum mobile zu werden, ich könnte auch sagen statt Perpetuum mobile, weil das vielleicht da oder dort besser gefallen würde, eine Monade, ein in sich selbst geschlossenes, seine eigenen Kräfte in sich tragendes und seine Form erzeugendes Körperwesen.

Wir kommen, und hier liegt ein entscheidender Punkt, geradezu dazu, umzukehren den ganzen Ausgangspunkt nicht der Physik, insofern sie Experimente liefert, die auf Tatsachen beruhen, sondern der ganzen physikalischen Denkweise des 19. Jahrhunderts. Sie arbeitete mit ungültigen Begriffen. Sie konnte nicht sehen, wie in der Natur doch das Streben überall vorlag nach dem, was sie für unmöglich hielt. Es war dieser Denkweise verhältnismäßig leicht, es für unmöglich zu erklären, aber es ist nicht aus dem abstrakten Grunde unmöglich, aus dem heraus die Physiker angenommen haben, das Perpetuum mobile sei unmöglich, sondern es ist deshalb unmöglich, weil in dem Augen-blick, wo es entstehen soll an irgendeinem Körper, sogleich die Um-gebung den Neid empfindet - wenn ich jetzt einen Ausdruck moralischer

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Art anwenden darf - und das Perpetuum mobile nicht entstehen läßt. Es ist aus einer Tatsachengrundlage, nicht aus einer logischen Grundlage heraus unmöglich. Sie können sich denken, wieviel Ver-kehrtheiten in einer Theorie stecken müssen, die abseits von der Wirklichkeit gerade ihre Grundpostulate aufstellt. Wenn man bei der Wirklichkeit stehen bleibt, kommt man eben nicht herum um dasjenige, was ich Ihnen gestern zunächst im Schema anführte. Wir werden dieses Schema in den nächsten Tagen noch weiter ausarbeiten.

Ich sagte Ihnen: Wir haben zunächst das Gebiet der festen Körper. Diese festen Körper sind diejenigen, welche in sich feste Gestalten zeigen. Wir haben gewissermaßen anstoßend an das Gebiet der festen Körper das Gebiet der Flüssigkeiten. Die Gestalten lösen sich auf, verschwinden, wenn der feste Körper in die Flüssigkeit übergeht. Wir haben den vollen Gegensatz zum Festen in dem Auseinanderstreben, in dem Die-Gestalt-Aufheben des gasförmigen Körpers: negative Gestalt. Wie aber äußert sich denn diese negative Gestalt? Sehen wir vorurteilslos auf gasige oder luftförmige Körper hin, betrachten wir sie zum Beispiel da, wo sich bei ihnen zeigt, wie wahrnehmbar werden kann dasjenige, was bei ihnen der Gestalt entspricht. Ich habe Sie gestern hingewiesen auf das Gebiet der Akustik, der Tonwelt. Sie wissen, im Gasigen beruht das Tönende in seinem Entstehen auf den Verdichtungen und Verdünnungen. Mit Verdichtung und Verdünnung haben wir es aber auch beim ganzen Gas zu tun, wenn wir die Temperatur ändern. Suchen wir also, indem wir die Flüssigkeit überspringen, dasjenige, was dem bestimmt Gestalteten des festen Körpers im Gase entspricht, so müssen wir es suchen bei der Verdichtung und Verdünnung. Im festen Körper haben wir die bestimmte Gestalt; im Gas haben wir Verdichtung und Verdünnung.

Und kommen wir zu dem, was das an das Gas angrenzende Gebiet ist, das wie die Flüssigkeit an das Gebiet der festen Körper angrenzt -und wir wissen ja: Wie die festen Körper das Bild der Flüssigkeit geben, die Flüssigkeit das Bild der Gase in ihrer Gesamtheit, so die Gase das Bild der Wärme -, so haben wir uns das Gebiet der Wärme als das nächste vorzustellen. Als nächstes Gebiet werde ich mir zunächst ein x zu postulieren haben. Und wenn ich zunächst nur durch Analogie -

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wir werden sie verifizieren in den nächsten Betrachtungen - weiter-zukommen versuche, so muß ich statt Verdichtung und Verdünnung etwas weiteres suchen in diesem x-Gebiet drinnen. Ich muß für Verdichtung und Verdünnung etwas Entsprechendes in dem x suchen (mit Überspringung der Wärme), wie ich hier (unten) auch das Flüssige übersprungen habe. Wenn Sie zuerst eine feste, geschlossene Gestalt haben, dann dazu kommen, daß beim Körper, der gasig ist, sich das Gestaltete nur noch im flüssig Gestalteten der Verdichtung und Verdünnung ausdrückt, und Sie denken sich gesteigert die Verdichtung und Verdünnung, was muß denn da werden? Solange Verdichtung und Verdünnung da ist, ist natürlich noch immer Materie da. Aber wenn Sie nun weiter verdünnen und immer weiter verdünnen, so kommen Sie ja zuletzt aus dem Gebiet des Materiellen heraus. Und Sie müssen als die weitere Fortsetzung, einfach indem Sie in dem Charakter des Ganzen bleiben, sagen: materiell werden - geistig werden. Sie kommen, indem Sie über das Gebiet der Wärme hinaufsteigen, in das x hinein; Sie kommen, einfach wenn Sie festhalten den Charakter, der da liegt im Übergang von der festen Gestalt in die flüssige Gestalt, vom Verdichten und Verdünnen in das Materiesein und Nicht-Materiesein hinein. Sie können nicht anders, als von Materiesein und Nicht-Materie-sein zu sprechen. Das heißt: Wir kommen, indem wir durch das Gebiet der Wärme durchschreiten, tatsächlich in etwas hinein, was sich in ge-wissem Sinne als eine gerechte Fortsetzung erweist dessen, was wir in den unteren Gebieten beobachtet haben. Der feste Körper widerstrebt der Wärme, die Wärme wird mit ihm nicht recht fertig. Der flüssige Körper geht schon mehr auf die Intentionen der Wärme ein. Das Gas folgt ganz und gar den Intentionen der Wärme, es läßt mit sich machen,

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was die Wärme mit ihm machen will, es ist in seinen materiellen Vorgängen ganz und gar ein Bild des Wärmewesens selber. Ich kann sagen: Das Gas ist im wesentlichen in seinem eigenen substantiellen Verhalten dem Wärmewesen ähnlich. Der Ahnlichkeitsgrad der Materie mit der Wärme wird immer größer, je weiter ich vorschreite vom festen Körper durch den flüssigen Körper zum Gas. Das heißt:

Flüssigwerden und Verdampfen der Materie bedeutet ein Ahnlichwerden der Materie mit der Wärme. Aber indem ich dann das Gebiet der Wärme überschreite, indem also die Materie gewissermaßen ganz der Wärme ähnlich wird, hebt sie sich selber auf. So stellt sich für mich die Wärme hinein zwischen zwei sehr stark voneinander verschiedene Gebiete, die essentiell verschieden sind: das Geistgebiet und das Materiegebiet. Zwischen drinnen steht das Wärmegebiet. Nur wird uns jetzt der Übergang in die Realität etwas schwierig, denn wir haben auf der einen Seite da hinaufzusteigen in das, wo es immer geistiger zu werden scheint, und auf der anderen Seite da hinunter, wo es scheint immer materieller zu werden. Und da geht es scheinbar in die Unend-lichkeit hinauf, in die Unendlichkeit hinunter (siehe Pfeile im Schema).

Aber nun bietet sich eine andere Analogie, die ich Ihnen heute noch hinzeichne aus dem Grunde, weil durch anschauliche Verfolgung der einzelnen Naturtatsachen sich in der Tat eine gesunde Naturwissenschaft entwickeln kann und es vielleicht nützlich sein kann, die Sache sich einmal durch die Seele ziehen zu lassen. Wenn Sie das Spektrum, wie es gewöhnlich entsteht, betrachten, so haben Sie Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett.

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Sie haben die Farbenreihe in ungefähr sieben Nuancen wie in einem Bande nebeneinander verlaufend. Aber Sie wissen ja auch, daß das Spektrum hier nicht ein Ende hat und auch hier nicht, daß wir hier (links), indem wir das Spektrum verfolgen, zu immer wärmeren und wärmeren Gebieten kommen und zuletzt ein Gebiet haben, wo nicht mehr Licht, wohl aber noch Wärme auftritt, das ultrarote Gebiet. Jenseits des Violett haben wir auch kein Licht mehr, wir bekommen das

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Ultraviolett, das nur noch chemische, das heißt also materielle Wir-kungen entfaltet.

Aber Sie wissen ja auf der anderen Seite, daß im Sinne der Goethe-schen Farbenlehre diese Linie hier dadurch zu einem Kreis gemacht werden kann und man die Farben anders anordnen kann, daß man nun nicht bloß betrachtet das Verhalten des Lichtes, aus dem ein Spektrum sich bildet, sondern betrachtet die Dunkelheit, aus der ein Spektrum sich bildet, das dann in der Mitte nicht Grün, sondern Pfirsich-blüte hat und von da ausgehend die anderen Farben. Ich bekomme, wenn ich die Dunkelheit betrachte, das negative Spektrum. Und stelle

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ich die beiden Spektren zusammen, so bekomme ich zwölf Farben, die sich genau unterscheiden lassen in einem Kreis: Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett. Hier wird das Violett immer mehr und mehr der Pfirsichblüte ähnlich, hier sind zwei Nuancen zwischen Pfirsichblüte und Violett, hier wiederum zwei Nuancen zwischen Pfirsich-blüte und Rot, und Sie bekommen dann, wenn Sie die Gesamtheit dieser Farbennuancen verfolgen, gewissermaßen zwölf Farbenzustände, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf. Daraus können Sie ersehen, daß das, was man gewöhnlich als Spektrum schildert, auch dadurch entstanden gedacht werden kann, daß Sie sich denken, ich könnte durch irgend etwas diesen Farbenkreis hier entstehen lassen, und würde ihn

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immer größer und größer machen nach der einen Seite hin; dadurch würden mir diese oberen fünf Farben immer mehr und mehr hinaus-rücken, bis sie mir zuletzt entschwänden; die untere Biegung ginge nahezu in die Gerade über, und ich bekäme dann die gewöhnliche Spektrumfolge der Farben, indem mir nur die anderen fünf Farben nach der anderen Seite entschwunden sind.

Ich stellte jetzt zuletzt die Farben hin. Könnte es nicht auch da (Schema Seite 128) mit dem Gehen ins Unendliche so etwa der Fall sein, wie hier beim Spektrum? Daß ich nämlich etwas Besonderes herausbekäme, wenn ich nun suchte: Was wird, wenn das, wasda (Schema) in die Unendlichkeit scheinbar fortgeht, sich zum Kreis rundet und da wiederum zurückkommt? Könnte es nicht so etwas geben wie eben eine Art von anderem Spektrum, das mir umfaßte auf der einen Seite den Zustand von über der Wärme bis hinunter zur Materie, das ich aber nach der anderen Seite hin auch so zum Schließen bringen kann wie hier das Farbenspektrum zur Pfirsichblüte-Farbe? Diesen Gedankengang wollen wir morgen weiter fortsetzen.

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NEUNTER VORTRAG Stuttgart, 9. März 1920

Gerade wenn man von den von der heutigen Physik angenommenen Verwandlungen der Kräfte und der Energien spricht, so wird es nötig, darauf aufmerksam zu machen, in welcher Weise etwa hinzudeuten ist auf dasjenige, was hinter diesen Verwandlungen eigentlich steckt. Wir werden uns in diesen Betrachtungen ganz systematisch nähern diesem hinter den Energieverwandlungen Steckenden. Zu diesem Zwecke möchte ich heute neben das gestrige Experiment ein anderes stellen, wo wir auch Arbeit verrichten durch die Aufwendung einer anderen Energie, als in dieser Art unmittelbar zum Vorschein kommt. Wir werden gewissermaßen in einer anderen Sphäre hervorrufen ein Bild desjenigen, was gestern auch geschehen ist, indem wir hier ein Rad zur Drehung bringen, zur Bewegung bringen, also eine Arbeit verrichten. Denn wir könnten ja dann die Drehung des Rades übertragen auf irgendwelche Maschinerie und diese Drehung des Rades als Bewegung verwenden. Wir werden die Drehung des Rades dadurch hervorrufen, daß wir in diese Schaufeln einfach Wasser hineinfließen lassen, das durch seine Schwerkraft uns das Schaufelrad in Bewegung bringt. Die Kraft, die einfach irgendwie drinnensteckt in dem fließenden Wasser, diese Kraft ist es, welche wir in die Rotationskraft des Rades übertragen (Experiment).

Wir werden nun hier in diesen Trog Wasser hineinfließen lassen, um das herunterfließende Wasser früher, als das beim bisherigen Versuch der Fall war, einem Niveau begegnen zu lassen. Das, was eigentlich zu zeigen ist, das ist, daß dadurch, daß wir nun unten ein Niveau schaffen, wir bewirken, daß die Drehung des Rades doch eigentlich langsamer wird, als sie früher war. Nun, sie wird um so langsamer, je mehr das untere Niveau dem oberen näherrückt, so daß wir sagen können: Wenn wir bezeichnen die Höhe von dem absoluten Wasserstand zu diesem Punkte hier (a), wo das Wasser anfließt an unser Rad, wenn wir diese bezeichnen mit h, und die senkrechte Entfernung zwischen dem absoluten Wasserstand und der Niveaufläche, die wir da unten

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haben, mit h', so bekommen wir eine Differenz heraus von h-h', und wir können sagen: Dasjenige, was wir leisten können an dem Rad, wird irgendwie zusammenhängen - in welcher Weise, werden wir eben suchen im Laufe unserer Betrachtungen - mit der Differenz der beiden Niveaus. Wir haben auch gestern bei unserem Experiment eine Art Niveaudifferenz gehabt. Denn denken Sie sich, wir bezeichnen denWärmezustand, der in unserem Raume herrscht am Beginn unseres Experiments, mit t', und wir bezeichnen den Wärmezustand, den wir hervorrufen durch die Erwärmung, die wir bewirken, damit die mechanische Arbeit geleistet werden kann, die wir gestern leisteten in dem auf- und absteigenden Kolben, wir bezeichnen diesen Wärmezustand durch t. So werden wir auch in irgendeiner Weise sagen können: Von dieser Differenz zwischen t und t' hängt die geleistete Arbeit ab, also auch hier von etwas, das in einer gewissen Beziehung als eine Niveau-differenz bezeichnet werden kann.

Ich muß Sie besonders aufmerksam darauf machen, daß uns zu-nächst diese beiden Versuche darauf hinweisen, wie wir es zu tun haben überall da, wo so etwas eintritt, was man heute als Umwandlung der Energie bezeichnet, mit Niveaudifferenz. Was nun diese Niveaudifferenz für eine Rolle spielt, was da eigentlich hinter der Verwandlung der Energien steckt, was sich zum Beispiel Eduard von Hartmann erst hinweggeschafft hat, bevor er an eine Definition der physikalischen Erscheinungen geht, das werden wir nur finden, wenn wir, um nun den ganzen Umfang der Wärmeerscheinungen gewissermaßen zu beleuchten,

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den gestrigen Gedankengang heute fortsetzen und zu einem gewissen Abschluß bringen. Bei diesen Dingen muß man immer wieder und wiederum hinweisen auf ein schönes Wort, das Goethe gesprochen hat im Hinblick auf die physikalischen Erscheinungen. Dieses Wort, er hat es in verschiedener Art ausgesprochen, er sagte etwa: Was ist eigentlich alle Erscheinung an äußeren physikalischen Apparaten gegen das Ohr des Musikers, gegen dasjenige, was also als Erscheinung, als Offenbarung des Naturwirkens uns entgegentritt durch das Ohr des Musikers selbst! - Goethe wollte eben darauf hinweisen, daß man durchaus nicht zum Ziele kommt, wenn man die physikalischen Erscheinungen abgesondert vom Menschen betrachtet. Die physikalischen Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Menschen, also die akustischen Erscheinungen im Zusammenhang mit den Gehörwahrnehmun-gen des Menschen nun in richtiger Art betrachten, das kann allein auch nach Goethes Ansicht zum Ziele führen. Aber wir haben gesehen, daß große Schwierigkeiten auftreten, wenn wir so etwas wie die Wärme-erscheinungen an den Menschen heranbringen und nun diese wirklich im Zusammenhang mit der Wesenheit des Menschen betrachten wollen. Und es weist auf eine solche Betrachtungsweise, ich möchte sagen, sogar die Tatsache hin, die zu der sogenannten Entdeckung der neueren me-chanischen Wärmetheorie geführt hat. Dasjenige, was da in der neueren mechanischen Wärmetheorie spukt, das ist ja eigentlich ausgegangen von einer am menschlichen Organismus gemachten Beobachtung durch Julius Robert Mayer. Julius Robert Mayer, der Arzt war, hat bei Aderlässen, die er genötigt war in Java, also in den Tropengegenden, auszuführen, bemerkt, daß das venöse Blut dort bei Tropenleuten eine rötere Färbung hat als bei Leuten in nördlicheren Zonen. Daraus hat er mit Recht geschlossen, daß der Vorgang, der sich abspielt, um die Färbung des venösen Blutes herbeizuführen, ein anderer ist, je nachdem der Mensch in einer wärmeren oder kälteren Umgebung lebt, also genötigt ist, mehr Wärme oder weniger Wärme an seine Umgebung zu verlieren, also auch genötigt ist, mehr oder weniger Wärme durch die Sauerstoffaufnahme, durch die Atmung zu ersetzen. Davon ist Julius Robert Mayer ausgegangen, daß diese gewissermaßen innere Ar-beit, die der Mensch verrichtet, indem er den Prozeß, dem er unterworfen

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ist durch die Sauerstoffaufnahme, weiter verarbeitet, daß dieser Prozeß wesentlich verinnerlicht wird, wenn der Mensch weniger genötigt ist, mit der äußeren Umgebung zu arbeiten. Der Mensch braucht in den Tropengegenden, also wenn er weniger genötigt ist, Wärme an seine Umgebung zu verlieren, weniger mit dem äußeren Sauerstoff zusammen eine Arbeit zu verrichten, als er nötig hat, wenn er mehr Wärme an seine Umgebung verliert. Und dadurch ist gewissermaßen in kälteren Zonen der Mensch so beschaffen, daß er die Lebensarbeit, die er verrichtet, um überhaupt auf der Erde da zu sein, mehr in Gemeinschaft mit seiner Umgebung verrichtet. Er muß mehr mit dem Sauerstoff der Luft zusammenarbeiten in kälteren als in wärmeren Gegenden, wo er weniger zusammen mit der Umgebung und mehr in seinem inneren Wesen arbeitet.

Sie sehen da zu gleicher Zeit hinein in ein Getriebe der ganzen menschlichen Organisation. Sie sehen, daß es einfach in der Umgebung wärmer zu sein braucht, und der Mensch arbeitet mehr innerlich individuell, als er arbeitet, wenn es in seiner Umgebung kälter ist und er daher mehr in der Gemeinsamkeit mit den äußeren Vorgängen seiner Umgebung arbeiten muß. Von diesem Prozeß, der also darstellt gewissermaßen eine Beziehung des Menschen zu seiner Umgebung, ist die Betrachtung der mechanischen Wärmetheorie ausgegangen. Diese Beobachtung hat Julius Robert Mayer 1842 dazu geführt, zuerst seine kleine Abhandlung an die Poggendorffschen Annalen damals zu schikken. Von ihr ist ja ausgegangen im Grunde genommen die ganze physi-kalische Bewegung, die dann nachher gekommen ist. Grund genug, als dazumal diese Abhandlung von Julius Robert Mayer den Poggendorffschen Annalen übergeben worden ist, sie zurückzuweisen als vollständig talentlos. Wir haben da die eigentümliche Erscheinung, daß heute die Physiker sagen: Wir haben die Physik auf ganz neue Bahnen geleitet, wir denken über die physikalischen Erscheinungen ganz anders als vor dem Jahre 1842 - aber zu gleicher Zeit darauf hingewiesen werden muß, daß die damaligen Physiker diese Abhandlung von Julius Robert Mayer - und es waren eigentlich die besten Physiker, die darüber zu entscheiden hatten - als gänzlich talentlos erklärt und sie nicht in die Poggendorffschen Annalen aufgenommen haben.

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Nun könnte man sagen: Mit dieser Abhandlung ist doch in gewisser Weise der Schluß gemacht worden mit den früheren, allerdings un-vollkommenen, aber immerhin so gehaltenen physikalischen Betrachtungen, daß man sie in Goetheschem Sinne an den Menschen oder bis zum Menschen herangebracht hat. Nach dieser Abhandlung geht eine Physik auf, welche das Heil der physikalischen Betrachtung darin sieht, daß man gewissermaßen den Menschen als nicht daseiend betrachtet, wenn man von physikalischen Tatsachen sprechen will. Das ist ja auch das wesentliche Charakteristikum der physikalischen Betrachtungen der Gegenwart - in manchen Publikationen wird das sogar als etwas für das Heil der Physik Notwendiges hervorgehoben-, daß in ihnen nichts spielen soll, was irgendwie an den Menschen selber her-angebracht ist, mit dem Menschen selber, und sei es auch nur mit dem eigenen organischen Prozeß, zu tun hat. Aber auf diesem Wege kann man eben zu nichts kommen. Und es wird uns die Fortsetzung des gestrigen Gedankenganges, der ja ein aus der Tatsachenwelt herausgeholter ist, dazu führen, die physikalischen Erscheinungen an den Menschen heranzubringen.

Ich möchte das Wesentliche noch einmal vor Ihnen entwickeln. Wir gehen aus von dem Gebiet der festen Körper, finden ein Einheit-liches, zunächst erscheinungsgemäß, in der Gestaltung. Wir gehen dann gewissermaßen durch den Mittelzustand des Flüssigen, der die Gestaltung nur noch in der Niveaubildung bewahrt, über zu den gasigen Körpern, welche dasjenige, was im Gebiet der festen Körper vorhanden ist, als gestaltenloses Wesen nur noch haben, als Verdünnung und Verdichtung. Wir kommen dann, angrenzend an das Gasgebiet, in das Wärmegebiet, wiederum gewissermaßen, wie es das flüssige Gebiet ist, ein Mittelgebiet, und kommen dann zu unserem x. Wir haben gestern gesehen, daß, wenn wir denselben realen Gedanken fortsetzen, wir für das x zu denken haben an Materienbildung und Entmaterialisierung. Es ist nun ja fast selbstverständlich, daß wir von dem x weiterschreiten können zu einem y und zu einem z, geradeso wie wir weiterschreiten können, indem wir zum Beispiel im Lichtspektrum vorwärtsgehen von dem Grün ins Blau, ins Violett und zum Ultraviolett.

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Und nun handelt es sich darum, die gegenseitigen Beziehungen zu studieren zwischen diesen verschiedenen Gebieten. Wir sehen auftreten immer in jedem Gebiet ganz bestimmte charakteristische, ich möchte sagen Wesensträger: Wir sehen auftreten in dem untersten Gebiet eine geschlossene Gestalt, in dem gasigen Gebiet gewissermaßen eine flüssige Gestalt, das Verdichten und Verdünnen, das - ich will jetzt genau sprechen - unter gewissen Verhältnissen die Tonwesenheit begleitet. Wir sehen dann auftreten, indem wir hindurchschreiten durch das Wärmegebiet in das x-Gebiet, die Materialisierung und Entmaterialisierung. Und die Frage, die da entstehen muß, ist diese: Wie wirkt nun das eine Gebiet in das andere Gebiet hinein? Nun habe ich Sie schon darauf aufmerksam gemacht, daß in einer gewissen Weise, wenn wir von Gas sprechen, die Vorgänge im Gasigen so gedacht werden können, daß sie in ihrem Verlauf das Bild geben desjenigen, was im Wärmewesen geschieht. Wir könnten sagen, das Gas wird gewissermaßen von dem Wärmewesen mitgerissen und fügt sich in seiner materiellen Gestalt demjenigen, was das Wärmewesen will, so daß wir in den Vorgängen innerhalb des gaserfüllten Raumes, den Vorgängen, die an das Gas gebunden sind, gewissermaßen Abbilder sehen desjenigen, was die Wärme tut. Wir können also sagen: Im Gas finden wir gewissermaßen Bilder desjenigen, was im Wärmewesen geschieht. Es geht nicht an, das unter einem anderen Bild vorzustellen, als daß wir uns Gas und Wärme in einer gewissen Weise voneinander durchdrungen denken, so daß

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tatsächlich das Gas ergriffen wird in seiner Raumesausdehnung von dem, was das Wärmewesen will. Gas und Wärme würden sich also durchdringen, würden gerade in ihrer Durchdringung uns an den Vorgängen im Gas verraten, was eigentlich im Wärmegebiet geschieht. Wiederum können wir sagen: Die Flüssigkeit zeigt uns in einer gewissen Weise zu dem Gasigen ein ähnliches Verhältnis wie das Gasige zum Wärmewesen. Das Feste zeigt uns zu der Flüssigkeit dasselbe Verhältnis, wie die Flüssigkeit zum Gas, das Gas zur Wärme.

Was tritt denn aber im Gebiet des Festen auf? Im Gebiet des Festen treten Gestaltungen auf, richtige Gestaltungen, Gestaltungen, die in sich geschlossen sind. Diese sind gewissermaßen dasjenige, was uns wiederum Bild ist dessen, was im Flüssigen nur wirkt. Nun können wir hier gehen zu einem Gebiete U unter dem Festen, das wir zunächst hypothetisch annehmen, und wir wollen uns Begriffe verschaffen, um dann zu sehen, ob diese Begriffe irgendwo anwendbar sind im Reiche der äußeren wahrnehmbaren Erscheinungen. Wir wollen uns durch die Fortsetzung dieses Gedankenganges, der ja, wie Sie wohl empfinden, im Wirklichen wurzelt, Begriffe schaffen, von denen wir hoffen können, daß sie uns dann auch wiederum, weil sie aus dem Wirklichen gewonnen sind, ein Stück in die Wirklichkeit hineintragen. Was müßte denn geschehen, wenn so irgend etwas eine Wirklichkeit wäre wie das Gebiet U? Da müßte gewissermaßen im Gebiet U wiederum bildhaft dasjenige auftreten, was im vorhergehenden Gebiet, im Gebiet der festen Körper, eigentlich äußere Tatsache ist. Es müßte dieses Gebiet U uns wiederum das Bildgebiet geben des Gebietes der festen Körper. Im Gebiet der festen Körper sind Gestalten, Gestalten, die ja aus ihrem inneren Wesen heraus gestaltet sind oder wenigstens aus ihrem Verhältnis zur Welt - das können wir erst in den nächsten Tagen weiter verfolgen -, aber es treten Gestalten auf, es müssen Gestalten auftreten in ihren gegenseitigen Verhältnissen.

Gehen wir noch einmal zurück ins flüssige Gebiet. Da haben wir gewissermaßen durch die nach außen die Flüssigkeit abschließende Niveaufläche diese Flüssigkeit als einen Körper im Zusammenhang mit der ganzen Erde. Wir müssen also in der Schwerkraft etwas sehen, was verwandt ist den Kräften, die gestaltend wirken auf den festen Körper.

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Wir müssen also, wenn wir den Gedankengang real fortsetzen, irgend etwas finden, was ebenso im Gebiet des U geschieht, wie die Gestaltenbildung im Gebiet der festen Körper geschieht, dadurch, daß das Gebiet der festen Körper das Bild gibt der Flüssigkeiten. Mit anderen Worten: Wir müssen die Wirkung sehen können im Gebiete U, welche die verschiedenen Gestaltungen aufeinander ausüben. Wir müssen irgendwie die Wirkung sehen können. Wir müssen sehen können, wie unter dem Einfluß verschieden zueinander sich verhaltender Gestalten irgend etwas entsteht. Es müßte im Gebiet der Wirklichkeit etwas geben, was unter dem Einfluß der verschiedenen Gestaltungen im Gebiet des Festen entsteht. Man hat heute eigentlich nur den Beginn eines solchen. Denn nehmen Sie irgendwie einen Körper, zum Beispiel den Turmalin, der in sich trägt ein Prinzip der Gestaltung. Lassen Sie in verschiedener Weise den gestalteten Turmalin, ich meine die innere Tendenz des Gestaltens, so wirken, daß Gestalt auf Gestalt wirken kann, was Sie vorliegend haben, wenn Sie durch zwei Turmaline durchschauen, wenn Sie zum Beispiel die Turmalinzange nehmen und durchschauen: Bald können Sie durchschauen, bald verfinstert sich das Gesichtsfeld. Sie haben nur die Turmaline zueinander verdreht, haben ihre gestaltende Kraft in ein verschiedenes Verhältnis gebracht. Diese Erscheinung hängt innig zusammen mit derjenigen, wo, angeblich durch den Durchgang des Lichtes durch körperliche Systeme, die verschieden gestaltet sind, uns die sogenannten Polarisationsfiguren erscheinen. Diese Polarisationserscheinungen entstehen immer unter dem Einfluß der Wirkung des Gestalteten aufeinander. Wir haben die merk-würdige Tatsache vorliegend, daß wir im Gebiet des Festen gleichsam hinblicken auf ein anderes Gebiet, das sich zum Festen so verhält wie das Gebiet des Festen zum Flüssigen. Und indem wir uns fragen: Wo entsteht denn unter den Einflüssen der gestaltenbildenden Kraft im Gebiet des U dasjenige, was ebenso auftritt, wie wenn die Schwerkraft, die bei der Flüssigkeit nur niveaubildend ist, gestaltend im Gebiete des Festen auftritt? - so müssen wir sagen: Das geschieht, wenn wir die sogenannten Polarisationsfiguren beobachten, die in einem Gebiet liegen, das unterhalb des Festen sich befindet. Wir blicken da tatsächlich in ein Gebiet hinein, das unterhalb des Festen sich befindet.

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Aber wir sehen daraus noch etwas anderes. Wir könnten ja lange hineinschauen in ein solches Körpersystem, und es möchte da unter den verschiedenen Kräften das Verschiedenste vor sich gehen, was da die Wirkungen verschiedener Gestaltungen aufeinander darstellt, wir würden nichts sehen, wenn nicht in die festen Körper noch etwas anderes hineindränge, als daß sich zunächst das Gebiet des Festen mit dem Gebiete U durchdringt. Es dringt zum Beispiel noch da hinein Licht, das uns erst diese Wirkungen der Gestaltung sichtbar macht.

Was ich jetzt ausgesprochen habe, das hat zuwege gebracht, daß die Physik des 19. Jahrhunderts sich innerhalb des Lichtes selber zu schaffen machte, und dasjenige, was durch das Licht nur sichtbar wird, als eine Wirkung des Lichtes selbst ansah. Wenn man auf diese Polarisationsfiguren hinschaut, muß man einen ganz anderen Ursprung als den aus dem Licht suchen. Was da geschieht, hat unmittelbar gar nichts mit dem Licht zu tun. Das Licht dringt nur auch ein in dieses Gebiet U und macht dasjenige, was dadurch geschieht, daß diese Gestaltungen Bildcharakter annehmen, sichtbar. So daß wir sagen können: Wir haben es mit einer Durchdringung zu tun der verschiedenen Gebiete, die wir hier auseinandergelegt haben fächerartig, wir haben es mit einer Durchdringung dieser verschiedenen Gebiete im Wirklichen zu tun.

Und wir werden jetzt auch in einer sachgemäßen Weise zu dem kommen können, was uns zum Beispiel im Gebiet des Gasigen durch das Gestaltende noch in der gleichsam verflüssigten Gestalt auftritt. Wir werden zu besseren Begriffen geführt für das Gesagte, wo uns, wenn Verdichtung und Verdünnung auftreten, bei Gelegenheit dieser Verdichtung und Verdünnung die Tontatsachen vor die Seele treten durch die Vermittelung des Hörorgans. Und wir werden nicht nötig haben, die Verdichtungen und Verdünnungen im Gaskörper geradezu zu identifizieren mit demjenigen, was uns als die verschiedenen Ton-wirkungen entgegentritt, sondern wir werden etwas zu suchen haben, was dann auftritt im Gebiet der Verdichtungen und Verdünnungen innerhalb des Gases, wenn diese in entsprechender Weise da sind. Wir werden genötigt, dasjenige, was eigentlich geschieht, so auszusprechen, daß wir sagen: Zunächst lassen wir im Unbestimmten dasjenige, was wir als Ton bezeichnen. Aber wenn wir im Gasigen herbeiführen

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gewisse gesetzmäßige Verdichtungen und Verdünnungen, so tritt dasjenige auf, was uns in der Tonwahrnehmung bewußt wird. Diese Art, die Sache auszusprechen, ist sie nicht ganz parallel der, wenn ich sagen würde: Wir können uns im Weltenall vorstellen Wärmezustände von sehr hohen Temperaturen, über 100 C; wir können uns vorstellen Wärmezustände von sehr niedriger Temperatur, tief unten, Kältezustände; zwischen drinnen finden wir ein Gebiet, in dem der Mensch sich aufhalten und sich bilden kann? - Es wird uns möglich sein, zu sagen:

Wenn irgendwo iln Weltenall sich abspielt eine so große Schwingung, wo übergeht der Zustand der Wärme von einer sehr hohen Temperatur in eine sehr tiefe, so liegt etwas dazwischen, wo der Mensch entstehen kann. Es ist die Gelegenheit dazu gegeben, daß der Mensch entstehen kann, wenn sonst irgendwelche Ursachen zur Menschheitsentstehung da sind. Wir werden aber jedenfalls nicht sagen: Der Mensch ist das Abschwingen des Wärmezustandes der Körper in die tiefe Temperatur und das Zurückschwingen - beim Zurückschwingen würde ja auch wieder die Gelegenheit entstehen -, wir werden das nimmermehr sagen. Aber in der Physik sagen wir fortwährend: Der Ton ist nichts anderes als die Verdichtung und Verdünnung der Luft, der Ton ist eine Wellenbewegung, die sich ausdrückt in Verdichtung und Verdünnung der Luft. Wir gewöhnen uns dadurch vollständig ab, die Sache so anzusehen, daß wir in den Verdichtungen und Verdünnungen einfach den Träger sehen des Tones, nicht den Ton selbst. So daß wir uns auch für den gasigen Zustand etwas vorzustellen haben, was einfach in das Gas hineindringt, aber einem anderen Gebiet angehört, und was im Gebiet des Gases die Möglichkeit erhält, so aufzutreten, daß eine Vermittelung zwischen ihm und unserem Hörorgane möglich wird. Nur wenn man die Begriffe so formt, spricht man eigentlich über physikalische Erscheinungen richtig. Wenn man die Begriffe aber so formt, daß man einfach den Ton oder die Tonbildungen identifiziert mit den Luftschwingungen, dann wird man eben dazu verführt, das Licht auch zu identifizieren mit Ätherschwingungen. Man schreitet von etwas, was nur ungenau gefaßt wird, zu dem Ausdenken, Ausphantasieren einer Tatsachenwelt vorwärts, die eigentlich nur das Geschöpf eines ungenauen Denkens ist. In vieler Beziehung ist dasjenige, von dem

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die Physik namentlich am Ende des 19. Jahrhunderts spricht, nichts anderes als das Geschöpf eines ungenauen Denkens. Und wir stecken, wenn wir die gebräuchliche Physik verfolgen, noch tief darinnen, uns aneignen zu müssen in den physikalischen Begriffen nichts weiter als Geschöpfe des ungenauen Denkens.

Nun handelt es sich aber darum, daß wir ja, wenn wir vorschreiten von dem Wärmegebiet zu dem x, y, z, gewissermaßen die Aussicht haben, da ins Unendliche fortgehen zu müssen, und hier (bei U) haben wir die Aussicht, ebenfalls ins Unendliche fortgehen zu müssen. Ich habe Sie schon gestern darauf aufmerksam gemacht, daß dasselbe ja im Spektrum vorliegt, wo wir auch gewissermaßen genötigt sind, wenn wir uns das Spektrum, so wie es gewöhnlich auftritt, vor Augen stellen, bei der Verfolgung des Weges vom Grün durch das Blau zum Violett, gewissermaßen ins Unendliche oder wenigstens ins Unbestimmte fortzuschreiten, ebenso nach dem Rot hin. Wir können aber, wenn wir das

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gesamte Spektrum, das gesamte Gebiet der Farbenerscheinungen ins Auge fassen, uns dieses Spektrum gebildet denken aus der wirklich vollständigen Reihe der zwölf Farben, die sich nur auf einem Kreis charakterisieren läßt, der unten Grün, oben Pfirsichblüte hat und dazwischen die anderen Farben. Und wir können uns denken, daß sich dieser Kreis nun immer mehr vergrößert; daß Pfirsichblüte uns hier nach oben verlorengeht, und einerseits hier nach dem Rot, andererseits nach dem Violett verläuft und über beides hinaus. Wir haben also im gewöhnlichen Spektrum eigentlich einen Teil von dem, was da sein würde, wenn durch die den Menschen umgebende Erscheinungswelt

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die Vollständigkeit der Farben erscheinen könnte. Wir haben nur einen Teil davon.

Nun gibt es etwas, was höchst merkwürdig ist. Ich glaube, wenn Sie die gebräuchlichen Darstellungen der Optik in den Physikbüchern zur Hand nehmen und vorrücken zu dem, was da gewöhnlich gegeben wird als Erklärung einer speziellen Spektralerscheinung, nämlich des Regenbogens, wird Ihnen doch, wenn Sie es gerne haben, bei klaren Begriffen zu bleiben, etwas unbehaglich zu Mute werden. Denn die Erklärungen des Regenbogens sind wirklich so gehalten, daß man ganz ohne Bogen dasteht. Man ist genötigt, zum Regentropfen seine Zuflucht zu nehmen und da allerlei Gänge der Lichtstrahlen im Regentropfen drinnen zu verfolgen, und man ist dann genötigt, sich dieses ziemlich einheitliche Bild des Regenbogens zusammenzufügen aus lauter kleinen Bildern, die noch besonders abhängig sind von der Art, wie man dazu steht, Bildern, die eigentlich durch Regentropfen entstehen. Kurz, Sie haben in diesen Erklärungen etwas von einer atomistischen Auffassung einer Erscheinung, die ziemlich als Einheit in unserer Umgebung wirkt. Aber noch unbehaglicher als gegenüber dem Regenbogen, also dem Spektrum, das die Natur selbst vor uns hinzaubert, kann uns werden, wenn wir gewahr werden, daß eigentlich dieser Regenbogen, von dem wir sprechen, gar niemals in Wirklichkeit allein auftritt. Er mag noch so sehr sich verbergen, es ist immer der zweite Regenbogen da. Und was zusammengehört, läßt sich einmal nicht auseinanderhalten. Die beiden Regenbögen, von denen der eine nur undeutlicher ist als der andere, die gehören notwendigerweise zusammen, und im Gebiet der Erklärungen für das Entstehen des Regenbogens darf man nicht einmal versuchen, nur den einen Farbenstreifen erklären zu wollen, sondern man muß sich klar sein darüber, daß die Totalität der Erscheinung - die relative Totalität - eben etwas ist, was nun in der Mitte etwas anderes ist und zwei Randbänder hat. Das eine Randband ist der etwas deutlichere Regenbogen, das andere der undeutlichere Bogen. Man hat es zu tun mit einem Bild, das uns in der großen Natur erscheint und das in der Tat sich hineinstellt fast in das ganze All. Wir müssen das ansehen als etwas Einheitliches. Nun, wenn wir genau zusehen, so werden wir ja ganz gut gewahr werden, daß der

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zweite Regenbogen, der Nebenregenbogen, eigentlich eine Umkehrung des ersten ist, daß der zweite tatsächlich in einer gewissen Weise aufgefaßt werden kann als eine Art Spiegelbild des ersten, daß er gewissermaßen den ersten, deutlicheren Regenbogen spiegelt. Wir haben also da, sobald wir übergehen von den Teilerscheinungen, die in unserer Umgebung auftreten, zu einer relativen Totalität, der wir gegenüberstehen, wenn wir unsere ganze Erde als im Verhältnis zum kosmischen System auffassen, etwas, was eigentlich sein Antlitz ganz verändert. Zunächst will ich nur auf diese Erscheinung hinweisen. Wir werden im Verlauf unserer Betrachtung diesen Erscheinungen schon näher-treten.

Dadurch aber, daß uns der zweite Regenbogen auftritt, wird gewis-sermaßen die Sache, die da (siehe Zeichnung Seite 142) erscheint, zu einem geschlossenen System. Das System ist nur ungeschlossen, solange ich meinem speziell hier in meiner Umgebung auftretenden Spektrum gegenüberstehe. Und die Erscheinung des Regenbogens müßte mich eigentlich dazu verführen, daran zu denken, daß ich, wenn ich mir dieses Spektrum vor Augen stelle durch ein Experiment, die Natur nur an einem Zipfel halte, daß mir irgendwo am entgegengesetzten Zipfel etwas verlorengeht; daß da doch irgendwo noch etwas ist im Unbekannten, daß ich eigentlich zu jedem siebenfarbigen Spektrum den Nebenregenbogen dazu brauche.

Diese Erscheinung und ihre Verwandlung in Begriffe, halten Sie sie zusammen mit diesem Gang unseres realen Begriffes, den wir hier (siehe Schema Seite 137) ins Auge gefaßt haben. Wir versuchen ja hier (siehe Zeichnung Seite 142) das Farbenband, das sich uns ins Unbestimmte erweitert, zusammenzuschlagen, indem wir das eine in das andere hineinschlagen. Wenn wir das nun auch hier (Schema) machen würden, was würde da werden? Da würden wir, indem wir vom festen Körper in das U hinausgehen und vielleicht noch weiter den Weg da hinunter machen, ihn so machen, daß er uns von oben wieder zurückkommt und geschlossen würde. Aber jetzt, wenn wir diesen Weg nach unten machen und von oben wieder zurückkommen und ihn schließen, was würde sich denn da bilden? Was würde da geschehen?

Ich will einmal, um Sie darauf zu führen, das Folgende versuchen:

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Nehmen Sie an, Sie gehen wirklich in irgendeiner die Sache versinn-lichenden Zeichnung nach der einen Richtung. Wir gehen aus, sagen wir von der Sphäre, wo wir in diesen Betrachtungen haben sagen können, die Schwerkraft wird negativ. Wir sind gewissermaßen bei einer der Sphären angelangt. Wir gehen von da aus nach unten und wir stellen uns vor, bei unserem Weg nach unten, da müßten wir ins Gebiet der Flüssigkeit, des Festen hineinkommen. Jetzt, wenn wir aber

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da weiter fortgehen, müßten wir eigentlich - es ist schwer, es zu zeichnen - von der anderen Seite wiederum zurückkommen. Indem wir von der anderen Seite wieder zurückkommen, würde sich uns dasjenige, was von der anderen Seite zurückkommt, hineinschieben in das frühere Gebiet. Das heißt, indem ich da fortschreite vom Festen in das U-Gebiet, würde ich, wenn ich den ganzen Schwanz da nehmen würde und ihn umkehre und da hineinbringe, ihn hier durchstopfen müssen. Ich könnte das Bild auch so zeichnen, daß ich das Fortschreiten von der Nullsphäre durch die Flüssigkeit in das Feste, das U-Gebiet so mache, dann wiederum zurückgehe und hier wiederum hineinkomme. So daß ich etwa sagen könnte: Ich betrachte das Gas, das tendiert hierhin, wo ich das Blau gezeichnet habe, nach dieser Seite. Aber in der Weltenkreisung kommt von der anderen Seite her dasjenige, was da eindringt, durchsetzt es, erscheint aber darin nur als Bild. Es imprägniert gewissermaßen dasjenige, was da zurückkommt, das Hingehende, und erscheint

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darin als Bild. Die Flüssigkeit in ihrem Wesen durchdringt das Gebiet des Festen, indem sie ihm nachläuft, und erscheint darin als Gestaltung; oder irgend etwas, was in unserer symbolischen Zeichnung mehr nach oben gelegen ist, dringt in das Gasgebiet ein und erscheint darin als Ton. Überlegen Sie sich einmal dieses Zurückkommen und dadurch Ineinanderlaufen der Weltenprozesse, wodurch Sie zur Notwendigkeit geführt werden, eben nicht bloß einfach einen Welten-kreislauf sich zu denken, sondern einen solchen Kreislauf zu denken,

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daß, indem das hier weitergeht, das Weitergehende immer wiederum hereinkommt in dasjenige, was schon da war, also sich durchschiebt durch das, was schon da war. Dann bekommen Sie eine Grundlage für reale Gedanken, die Ihnen zum Beispiel auch helfen werden, das Auftreten,

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sagen wir des Lichtes, das auf einem ganz anderen Gebiet liegen muß, in der Materie zu sehen, indem die Materie einfach dasjenige ist, was davongelaufen ist, während das Licht hintennachläuft und sich hineinschiebt. Da sind Sie allerdings dann genötigt, wenn Sie diese Dinge mit mathematischen Formeln betrachten wollen, die mathematischen Formeln etwas zu erweitern.

Wenn Sie wollen - es ist das alte Symbolum von der Schlange, die sich in den Schwanz beißt, das Symbol der alten Weisheit. Nur daß die alte Weisheit das alles eben in Symbolen ausgesprochen hat und wir genötigt sind, an die realen Dinge heranzutreten.

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ZEHNTER VORTRAG Stuttgart, 10. März 1920

Bevor wir die Betrachtung, die wir gestern fortgesetzt haben, und an deren Ende wir nahezu stehen, weiterführen, wollen wir sie uns noch durch einige Versuche unterstützen. Wir werden zunächst hier einen Lichtzylinder erzeugen, welcher dadurch entsteht, daß wir das Licht hindurchscheinen lassen durch diesen Spalt, und in den Lichtzylinder hineinbringen hier einen Ballon, der angerußt ist, so daß das Licht nicht durchgeht. Wir haben dasjenige, was geschieht, zum Ausdruck

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gebracht an diesem Thermometer. Sie sehen, unser, sagen wir Energienzylinder bewirkt, indem er uns hier dasjenige durchschickt, was sich durch das Licht äußerlich offenbart, daß hier die Quecksilbersäule sinkt. Wir haben es also zu tun mit dem, was sonst eintritt unter dem Einfluß einer Ausdehnung. Wir müssen also voraussetzen, daß hier Wärme durchgeht und Ausdehnung bewirkt und diese Ausdehnung uns am Sinken der Quecksilbersäule anschaulich wird. So daß wir also sagen können: Es würde ja hier, wenn wir, sagen wir durch ein Prisma, das Lichtbündel auffangen würden, ein Spektrum entstehen. Wir bilden kein Spektrum, sondern wir fangen einfach das Licht auf, sammeln es, und wir bekommen dadurch, daß wir jetzt gesammelt haben, was in diesem Energienzylinder ist, hier eine starke Ausdehnung.

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Sie sehen, die Quecksilbersäule sinkt sehr stark. Wir stellen jetzt in den Gang des Energienzylinders eine Alaunlösung, und wir wollen sehen, was dadurch eintritt. Wir haben also dasjenige, was da durch-geht, was sich uns auch äußern würde durch seine Lichtseite, dadurch beeinflußt, daß wir ihm entgegengestellt haben eine Alaunlösung, und wir wollen nun sehen, was unter dem Einfluß der Alaunlösung geschieht. Wir können auf diese Weise - Sie werden es zuletzt sehen -den vollkommenen Gleichgewichtszustand der rechten und linken Quecksilbersäule wieder herbeiführen, wodurch Sie sehen werden, daß vorher Wärme durchgegangen ist und jetzt durch die Alaunlösung die Wärme abgehalten wird, also keine mehr durchgeht, sondern nur die im Raum sonst allgemein vorhandene Wärme auch hier zum Ausdruck kommt. Es ist also in dem Augenblick, wo ich in den Energie-zylinder hineinstelle die Alaunlösung, die Wärme an ihrem weiteren Fortgehen verhindert. Das heißt, ich sondere aus dem, was sich mir als Licht und Wärme zugleich kundgibt, die Wärme heraus und lasse hier nur das Licht durchstrahlen - zunächst wollen wir nur dieses betrachten, es strahlt auch noch anderes durch. Aber daraus können wir ersehen, daß wir der sich ausbreitenden Licht-Wärme-Energie gegenüber so verfahren können, daß wir das Licht weitergehen lassen und durch die in den Weg gestellte Alaunlösung die Wärme heraussondern können.

Das ist das eine, was wir zunächst rein als Erscheinung festhalten können. Das andere, was wir, bevor wir in unseren Betrachtungen weitergehen, als Erscheinung uns vor Augen führen wollen, das ist: Wenn wir das Wärmewesen untersuchen wollen, so können wir es in seinem Verhalten zunächst dadurch untersuchen, daß wir irgendeinen Körper an irgendeiner Stelle erwärmen. Wir merken dann, daß der Körper nicht bloß an der einen Stelle, wo wir ihn erwärmen, warm bleibt, sondern daß die Wärme, die ich hinzuführe an einer Stelle, dem nächsten Teil, wiederum dem nächsten Teil und so weiter mitgeteilt wird, so daß zuletzt über den ganzen Körper Wärme ausgebreitet ist. Nicht nur das. Wenn wir nun einen anderen Körper zur Berührung mit dem ersten bringen, wird auch der zweite Körper warm, er wird wärmer werden, als er früher war, und man ist in der gegenwärtigen Physik

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gewohnt worden, zu sagen: Die Wärme erfährt eine Verbreitung durch Leitung. Man spricht von Wärmeleitung. Die Wärme wird geleitet von einer Stelle eines Körpers zu den anderen, und sie wird auch geleitet von einem Körper zu einem anderen Körper, der mit ihm in Berührung ist. Sie können schon durch ganz oberflächliche Beobachtungen feststellen, daß diese Wärmeleitung eine verschiedene ist bei den verschiedenen Substanzen. Wenn Sie eine Metallstange nehmen, sie in den Fingern halten, mit dem anderen Ende in die Flamme hineingehen, so werden Sie sie wahrscheinlich bald fallen lassen. Die Wärme wird sehr schnell von dem einen Ende zu dem anderen geleitet. Man sagt dann:

Ein Metall ist ein guter Wärmeleiter. Wenn Sie dagegen eine Holz-stange in die Hand nehmen und in die Flamme halten, werden Sie nicht versucht sein, unter dem Einfluß der Wärmeleitung sie schnell fallen zu lassen. Holz ist ein schlechter Wärmeleiter. Und so kann man von guten und schlechten Wärmeleitern sprechen. Nun aber klärt sich dieses eigentlich erst durch einen anderen Versuch auf. Und diesen anderen Versuch, den können wir nun wiederum heute nicht machen, weil es wieder vergeblich gewesen wäre, wenn wir ein zweites Mal noch versucht hätten, Eis zu besorgen und dann gar das Eis hätten verarbeiten müssen in bestimmter Weise. Das wäre nicht gegangen. In günstigeren Zeiten kann auch ein solcher Versuch einmal gemacht werden:

Wenn man unter gewissen Umständen aus Eis eine Linse bereitet, wie man die Glaslinse hat, und dann durch eine Wärmequelle - einfach eine Flamme -Wärme ausstrahlen läßt, so kann man gerade so, wie man nach dem gebräuchlichen Ausdruck sagt, daß sich die Lichtstrahlen sammeln, auch die Wärmestrahlen sammeln und kann durch ein hier hingestelltes Thermometer konstatieren, daß wirklich hier so etwas wie eine Ansammlung von Wärme unter dem Einfluß der Eislinse vorliegt, durch welche die sich ausbreitende Wärme hindurchgegangen ist (siehe Zeichnung Seite 151).

Nun können Sie aus diesem Versuch leicht sehen, daß es sich hier nicht um dasselbe handeln kann, wie bei der Wärmeleitung, trotzdem die Wärme sich ausgebreitet hat, denn sonst hätte die Eislinse nicht eine Eislinse bleiben können. Es handelt sich also darum, daß wir zweierlei Arten von Ausbreitung der Wärme haben: eine solche, welche im wesentlichen

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beeinflußt diejenigen Körper, über die sich die Wärme ausbreitet, und eine solche, bei der dasjenige gleichgültig ist, was der Wärme im Wege steht, wo wir also es zu tun haben müßten mit der Ausbreitung des eigentlichen Wärmewesens, wo wir gewissermaßen die Wärme selber sich ausbreiten sehen. Doch müssen wir, wenn wir genau sprechen, zuerst fragen: Was breitet sich denn eigentlich aus, wenn wir die Wärme einem Körper mitteilen und dann sehen, daß Stück für Stück wärmer wird? Jst es denn nicht vielleicht ein höchst unklarer Ausdruck, wenn wir davon sprechen, daß es die Wärme selbst ist, die sich von einem Stück des Körpers zum anderen ausdehnt, wenn wir nur am Körper selber dieses Wärmerwerden konstatieren?

Denn sehen Sie, hier muß ich wieder darauf aufmerksam machen, daß es sich darum handelt, wirklich genaue Vorstellungen und Begriffe zu fassen: Nehmen Sie etwa, statt einfach hier (an einer erwärmten Stange) die Wärme zu empfinden, einen ziemlich großen Eisenstab, Metallstab, den Sie an einem Ende erhitzen, aber so, daß es nicht schadet, wenn Sie dann eine Reihe Buben darauf aufstellen. Lassen Sie nun die Buben - es darf aber nicht zu stark sein - schreien, wenn es unten warm wird, so wird wohl zuerst der erste, dann der zweite, dann der dritte schreien und so weiter. Nacheinander schreien die Buben. Aber Sie werden doch nicht versucht sein zu sagen: Das, was ich hier bei dem ersten Buben bemerkt habe, leitet sich fort auf den zweiten,

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auf den dritten, auf den vierten und so weiter. Aber wenn man hier (an einem Ende) erhitzt und hier (am anderen Ende) dann die Empfindung der Wärme hat, so sagt der heutige Physiker: Die Wärme wird einfach fortgeleitet. Während er doch eigentlich nur dasjenige, was der Körper tut, nämlich ihm die Empfindung der Wärme zu geben, so Stück für Stück beobachtet, wie hier, daß die Buben quieksen, wenn sie die Wärme erfahren. Sie können doch da nicht sagen, daß sich das Schreien fortpflanzt.

Wir wollen nun auch den Versuch machen, zu zeigen, wie verschie-dene Metalle, die hier als Stäbe vorhanden sind, in verschiedener Weise sich verhalten zu dem, was man gewöhnt ist, Wärmeleitung zu nennen, und wir werden nun wirklichkeitsgemäße Begriffe zu bringen versuchen. Wir geben hier heißes Wasser hinein. Dadurch, daß die Stäbe

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unten ins Wasser tauchen, werden sie erwärmt. Wir werden nun sehen, welche Wirkung das hier auf unsere Versuchszusammenstellung hat, wie ein Stab nach dem anderen sich erwärmen wird, so daß wir dann tatsächlich eine Art Skala uns vorstellen können. Wir werden die Möglichkeit haben, die Wirkungen der Wärme fortlaufend zu zeigen bei den verschiedenen Substanzen (siehe Zeichnung. Die Stäbe sind an-gestrichen mit gelbem Quecksilberjodid, das beim Erreichen einer bestimmten Temperatur ins Rötliche umschlägt. Der Farbumschlag steigt

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an den verschiedenen Stäben verschieden rasch in die Höhe.) Das Blei ist also hier unter diesen Metallen der schlechteste Wärmeleiter, wie man sagt. - Die Versuche werden hier gezeigt aus dem Grunde, damit wir nun die schon öfter besprochene Überschau uns bilden können über die Erscheinungen innerhalb des Wärmewesens, um so nach und nach aufzusteigen zur Erkenntnis dessen, was das Wärmewesen in Wirklichkeit ist.

Nun haben wir schon durch unsere gestern fortgesetzte Betrachtung gesehen, wie wir, wenn wir das Gebiet der Körperlichkeit ins Auge fassen, in einer gewissen Weise unterscheiden können das Gebiet des Festen, in dem wir im wesentlichen verfolgen können dasjenige, was sich gestaltet. Wir haben dann gewissermaßen als eine Zwischenstufe das Flüssige, und gehen dann über zu dem Gasigen. Und wir haben in dem Gasigen Verdichtung und Verdünnung als dasjenige anzusehen, was im Festen der Gestaltung entspricht. Dann haben wir wieder als eine Art Zwischenzustand gerade dasjenige, was wir suchen, die Wärme. Aus welchem Grunde wir sie hierher schreiben dürfen, haben wir gesehen (siehe Schema). Dann kommen wir, wie ich gesagt habe,

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in eine Art x hinein, und wir würden, wenn wir den Gedankengang ganz real fortsetzten, zu finden haben Materialisierung und Entmaterialisierung, würden dann aufsteigen müssen zu einem y, zu einem z, wie ich sagte, in ähnlicher Weise, wie wir beim Lichtspektrum den Übergang finden vom Grün durch das Blau zum Violett und dann

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scheinbar ins Unendliche hinein. Wir haben aber gestern konstatieren müssen, daß wir auch das Gebiet des Festen hier (Schema unten) fortsetzen können in eine Art U hinein, so daß wir die Gebiete unserer Körperlichkeit durch diese dem Spektrum nachgebildete Anordnung uns vorstellen können; gerade dann uns vorstellen können, wenn wir im Wirklichen verbleiben wollen.

Nun handelt es sich darum, daß wir den Gedanken weiter verfol-gen, den wir schon gestern ausgesprochen haben: Gerade so, wie wir beim Spektrum zusammenfassen können dasjenige, was uns nach dem Violett hin entschwindet und nach dem Rot hin entschwindet, indem wir das nach links und rechts geradlinig sich ausdehnende Spektrum zusammenfassen, kreisförmig, so können wir uns die sich ändernden Zustandsgebiete der Körperlichkeit nach der einen Seite und nach der anderen Seite so denken, daß sie eigentlich nicht charakterisiert werden durch eine Gerade, die sich nach der einen oder anderen Seite ins Endlose verirrt, sondern daß dasjenige, was hier scheinbar ins Unbestimmte oder Unendliche geht, hier zurückgeht, ebenso dieses, und eigentlich dasjenige, was vorliegt, durch einen Kreis charakterisiert werden kann, durch eine wenigstens in sich selbst zurücklaufende Linie.

Nun entsteht die Frage: Was können wir da finden, hier? Wenn wir das gewöhnliche Spektrum betrachten, so können wir wenigstens etwas da finden. Im Sinne der Goetheschen Optik betrachtet, wissen Sie, daß wir die Spektralfarben so zusammenstellen können, wenn wir das Spektrum nicht einseitig, sondern mit all seinen möglichen Farben nehmen, daß wir auf der einen Seite haben das Grün, welches gewissermaßen die Mittelfarbe ist, wenn wir ein Helles zum Spektrum machen, auf der anderen Seite die Pfirsichblütenfarbe, welche ebenso Mittelfarbe ist, wenn wir ein Dunkles zum Spektrum machen. Wir haben also Grün, Blau, Violett, verlaufend bis Pfirsichblüte auf der einen Seite und auf der entgegengesetzten Seite Grün, Gelb, Orange, Rot bis Pfirsichblüte. Wir können, indem wir den Kreis schließen, an der Stelle, wo er sich schließt, das Pfirsichblüt bemerken.

Wenn wir nun hier unseren Zustandskreis für die verschiedenen Zustände der Körperlichkeit schließen, können wir da etwas finden? Jetzt sind wir an einem außerordentlich wichtigen Punkte. Was müssen

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wir hierher setzen in derselben Art, wie wir hierher beim gewöhn-lichen Spektrum, das gewissermaßen uns ein Bild geben soll für das Zustandsspektrum, die Pfirsichblütfarbe setzen? Was müssen wir hierher setzen? Vielleicht wird Ihnen der Gedanke, der hier sich einfach herausspringend aus der Tatsachenwelt ergeben muß, nicht gar so schwer, wenn ich ihn zunächst auf die folgende Weise einzuleiten versuche. Was ist denn dasjenige, was wir da eigentlich vor uns haben, uns gewissermaßen entschwindend nach der einen Seite und nach der anderen Seite, wie uns das Farbenspektrum nach dem Violett auf der einen Seite, nach dem Rot auf der anderen Seite entschwindet? Was ist das, was wir da vor uns haben? Es ist nichts Geringeres im Grunde genommen als die ganze Natur. Sie können in dem, was man als das Reich der Natur bezeichnet, nichts finden, was nicht irgendwo untergebracht werden muß in «Gestaltung», unterhalb von «Gestaltung», in dem, was ich hier noch mit x, y, z bezeichnet habe und so weiter. (Siehe Schema Seite 153). Die Natur entschwindet uns auf der einen Seite, wenn wir die körperlichen Zustände durch die Wärme hindurch verfolgen; sie entschwindet uns auf der anderen Seite, wenn wir die Gestaltungen verfolgen, zunächst die Gestaltungen des Reiches des Festen, dann des Unterfesten, die wir in den Polarisationsfiguren sehen, wo Gestalt auf Gestalt wirkt - Sie können sich diese Turmalinzange ansehen, dann sehen Sie ein Helles oder ein Dunkles. Nur durch die Durcheinanderwirkung der Gestalten erscheint das, was einmal dunkel, einmal hell erscheint und so weiter.

Für uns ist jetzt das Wesentliche, darauf zu kommen, was wir hier-her zu setzen haben, wenn wir die Natur verfolgen auf der einen Seite bis dahin, wo sie sich hier begegnet mit dem, was als Strömung charakterisiert werden kann von der anderen Seite her. Was steht da? Da steht nämlich nichts anderes drinnen, als der Mensch als solcher. Da steht der Mensch drinnen. So steht der Mensch drinnen, daß er auffaßt dasjenige, was von der einen Seite kommt und auffaßt dasjenige, was von der anderen Seite kommt. Wie faßt er denn dasjenige auf, was zunächst auf diesem Wege kommt (von unten)? Er ist gestaltet. Wenn wir nach seiner Gestalt fragen unter den Gestalten, die die anderen Körper haben, so müssen wir sagen: Der Mensch hat auch eine

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Gestalt. Also dasjenige, was als gestaltende Kräfte wirkt, das ist auch in ihm. Nur müssen wir uns fragen: Gehört dasjenige, was als gestaltende Kräfte wirkt, in die Sphäre des Bewußtseins hinein? Bei dem im Menschen entstehenden Bewußtsein nicht. Denn stellen Sie sich einmal vor, Sie würden einen Begriff von der menschlichen Gestalt nicht dadurch bekommen, daß Sie sich selbst annähernd oder daß Sie andere Menschen sehen. Durch inneres Erleben würden Sie einen Begriff von der Gestalt zunächst nicht bekommen können. Wir sind gestaltet, aber in unserem unmittelbaren Bewußtsein haben wir die Gestalt nicht gegeben. Was haben wir statt der Gestalt in unserem unmittelbaren Bewußtsein? Das kann man nur erfahren, wenn man nach und nach voll-ständig unbefangen, sagen wir, die Entwickelung des Menschen selber im physischen Leben betrachtet. Zunächst, wenn der Mensch in das physische Leben eintritt, da muß er sich sehr plastisch verhalten zu seinen Bildungskräften, das heißt, es muß in ihm viel gestaltet werden. Je mehr wir uns nähern dem vollständigen Kindsein, desto mehr wird in uns gestaltet, und unser Alterwerden ist durchaus begleitet von dem Zurücktreten der Gestaltungskräfte. Und in demselben Maße, als die Gestaltungskräfte zurücktreten, treten unsere bewußten Vorstellungskräfte auf. Sie kommen aus uns heraus, je mehr die Gestaltungskräfte zurücktreten. Wir können Gestalten um so mehr vorstellen, je mehr wir die Fähigkeit verlieren, uns zu gestalten. Das ist zunächst, wenigstens während der Wachstumsperiode des Menschen, als eine wahrhaftig ebenso deutliche Tatsache zu bemerken, wie andere deutliche Tatsachen zu bemerken sind. Daraus aber ersehen Sie, daß wir sagen können: Die Gestaltungskräfte können wir erleben; dasjenige, was draußen die Körper gestaltet, können wir erleben. Wodurch erleben wir dies? Dadurch, daß es in uns Vorstellung wird. Jetzt sind wir an dem Punkte, wo wir die gestaltende Kraft an den Menschen heran-bringen. Die gestaltende Kraft ist nicht das, was man irgendwie er-träumen kann. Man muß die Antworten auf die Fragen, vor die uns die Natur stellt, nicht aus dem Spekulieren oder Philosophieren, sondern aus der Wirklichkeit heraus geben. Und in der Wirklichkeit sieht man: Die gestaltende Kraft zeigt sich uns da, wo gewissermaßen die Gestalt selber vor uns sich in unserem Vorstellen auflöst, wo sie zum

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Vorstellen wird. In der Vorstellung erleben wir das, was sich uns außen entzieht an Kraft, indem sich die Körper gestalten.

Wenn wir also den Menschen hierher (siehe den Hinweis zu Seite 157) stellen, so können wir sagen: Er erlebt von unten herauf die Gestalten als Vorstellung. Was erlebt er denn von oben herunter, wo zunächst, wenn wir von dem Gasigen ausgehen, das Wärmeartige uns erscheint, was erlebt denn der Mensch da? Nun, hier werden Sie wiederum, wenn Sie unbefangen auf die Erscheinungen am Menschen selber hinschauen, nicht umhin können, sich zu fragen: Wie hängt zusammen der Wille des Menschen zunächst mit den Wärmeerscheinungen? Sie brauchen ja nur, jetzt physiologisch, ins Auge zu fassen, wie wir nötig haben ein gewisses Zusammenarbeiten mit der äußeren Natur, um Wärme zu erzeugen, um zum Wollen zu kommen. Aber indem wir das Wollen zur Wirklichkeit machen, erscheint gerade die Wärme. Die Wärme mussen wir eben dadurch verwandt ansehen mit dem Wollen. Ebenso wie wir die gestaltenden Kräfte außen in den Dingen verwandt ansehen müssen mit dem Vorstellen, müssen wir alles dasjenige, was sich außen als Wärme verbreitet, verwandt ansehen mit demjenigen, was in uns der Wille ist, müssen Wärme also ansehen als Wille, nur daß wir eben in unserem Willen das Wesen der Wärme erleben.

Wie könnten wir also, wenn uns äüßerlich Gestaltung entgegentritt, diese Gestaltung uns definieren? Wir schauen sie an, diese Gestaltung, in irgendeinem festen Körper. Wir wissen: Würde diese Gestaltung unter gewissen Bedingungen durch unseren eigenen Lebensprozeß verwandelt worden sein, so würde die Vorstellung entstanden sein. Diese Vorstellung ist nicht drinnen in der äußeren Gestaltung. Es ist ungefähr so, wie wenn ich das Geistig-Seelische im Tode von einem Leiblichen sich trennen sehe. Wenn ich äußerlich die Gestaltungen in der Natur sehe, so ist dasjenige, was die Gestaltungen bewirkt, nicht da. Es ist in Wahrheit nicht da. Es ist so nicht da, wie das Geistig-Seelische in einem Leichnam nicht da ist, aber drinnen gewesen ist. Wenn ich also mein Auge auf die äußere Natur richte, so muß ich sagen: Da ist irgendwie in der Gestaltung wirksam - ich will jetzt nicht sagen, wirksam gewesen, sondern wirksam werdend, das werden wir noch sehen -, da ist irgendwie wirksam dasselbe, was in mir als Vorstellung lebt.

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Wenn ich in der Natur Wärme wahrnehme, so ist irgendwie wirk-sam dasselbe, was in mir als Wille lebt. Im vorstellenden und wollenden Menschen haben wir dasjenige, was draußen in der Natur uns als Gestaltung und als Wärme entgegentritt.

Nun aber gibt es ja alle möglichen Zwischenstufen zwischen dem Wollen und Vorstellen. Sie werden bei einem auch nur einigermaßen vernünftigen Selbstbeobachten bald herausfinden, daß Sie eigentlich niemals vorstellen, ohne eine Willensanstrengung zu vollziehen. Eine Willensanstrengung wird allerdings besonders in der Gegenwart bei den meisten Menschen als unbequem empfunden. Man gibt sich mehr dem unbewußten Willen hin, dem Gehen der Gedanken, man liebt es nicht, den Willen hineinzusenden in das Gedankengebiet. Aber ganz willensentblößter Gedankeninhalt ist eigentlich niemals vorhanden, ebensowenig wie ein Wille vorhanden ist, der nicht durch Gedanken orientiert ist. Also, wenn wir von Gedanke und Willen, von Vorstellung und Willen sprechen, so haben wir es eigentlich zu tun nur mit Grenzen, mit dem, was nach einer Seite das Gedankliche, nach der anderen Seite das Willensmäßige ausbildet. Und wir können daher sagen, daß, indem wir den gedankentragenden Willen und den willensträchtigen Gedanken in uns erleben, wir ganz wahrhaftig und wesentlich erleben das äußere Gestalten und das äußere Wärmewesen in der Natur. Es gibt eben keine andere Möglichkeit, als im Menschen aufzusuchen das Wesen desjenigen, was uns äußerlich in seinen Erscheinungen entgegentritt.

Und verfolgen Sie diesen Gedanken nun weiter. Wenn Sie den Zu-ständen der Körperlichkeit nach der einen Seite weiter folgen, so können Sie sagen, Sie müßten linienmäßig den Fortgang ins Unbestimmte verfolgen. Nach der anderen Seite ebenso. Wie muß es aber denn hier im Menschen sein? Gerade das Entgegengesetzte muß hier der Fall sein. Ja, wir müssen dasjenige, was wir hier (siehe Schema Seite 153) ins Unendliche verfolgen, eigentlich zurückverfolgen. Statt daß es ins Unendliche hier so geht, daß wir es eigentlich gar nicht weiter verfolgen können, müssen wir hier (im Menschen) annehmen, daß es aus dem Raum heraus verschwindet; ebenso dasjenige, was von unten nach oben geht, müssen wir so betrachten, daß es aus dem Raum heraus

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verschwindet. Das heißt: Die Kraft, die in der Wärme liegt, in ihrer Wirkung auf den Menschen muß sie sich so äußern, daß sie in ihm aus dem Raum hinausgeht; ebenso geht die gestaltende Kraft im Menschen aus dem Raum hinaus. Das heißt, wir müssen im Menschen an einen Punkt kommen, wo dasjenige, was sonst räumlich in der Außenwelt erscheint, Gestaltung und Wärmeausbreitung, aus dem Raume hinausgeht, wo die Unmöglichkeit eintritt, das, was wird bei dem Unräumlichwerden, noch mathematisch festhalten zu können.

Wir sehen hier, wie ich glaube, in einer außerordentlich bedeutungsvollen Weise, wie einfach durch eine sachgemäße Betrachtung der Naturerscheinungen wir gezwungen werden, in dem Augenblick, in welchem wir an den Menschen herantreten und ihn richtig einreihen in das Dasein der Natur, aus dem Raum herauszugehen, genau so, wie wir uns den Raum hier (siehe Schema) unendlich nach oben und unten vorstellen müssen. Indem wir an den Menschen herangehen, müssen wir aus dem Raum heraus. Wir können kein Symbolum finden, welches räumlich ausdrückt, wie sich die Naturerscheinungen im Menschen begegnen. Die Natur richtig vorgestellt, bedeutet, daß wir sie verlassen müssen, wenn wir sie im Verhältnis zum Menschen vorstellen. Wir kommen sonst, indem wir den Inhalt der Natur ins Auge fassen im Verhältnis zum Menschen, gar nicht an den Menschen heran.

Was heißt nun das aber mathematisch? Nehmen Sie an, Sie bezeich-nen jene Linie, durch welche Sie hier verfolgen die Körperzustände ins Unbestimmte, Sie bezeichnen ihre aufeinanderfolgenden Werte als positive. Dann müssen Sie dasjenige, was in den Menschen hineinwirkt, als negativ bezeichnen, und Sie müssen, wenn Sie wiederum diese Linie hier als positiv bezeichnen, dasjenige, was in den Menschen hinein-wirkt, als negativ bezeichnen. Was nun auch Positives und Negatives ist - ich glaube, wir werden uns in diesen Tagen, anschließend an einen Vortrag von einem der Herren, über Positives und Negatives zu unterhalten haben -, wie wir es auch aufzufassen haben, was uns hier klar vor Augen tritt, ist, daß wir das Wesenhafte an der Wärme, insofern dieses Wesenhafte der Wärme der Außenwelt angehört, ins Negative überführen müssen, wenn wir es im Menschen verfolgen; wie wir auch das Wesenhafte an der Gestaltung ins Negative überführen müssen,

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wenn wir es im Menschen verfolgen. So daß sich in der Tat dasjenige, was im Menschen als Vorstellung lebt, zu dem, was in der Welt draußen als Gestaltung lebt, so verhält, wie positive Zahlenreihen zu negativen Zahlenreihen oder umgekehrt, sagen wir: wie Vermögen und Schulden, aber was für den einen Schulden ist, ist für den anderen Vermögen und umgekehrt. Hier kommen wir darauf, daß dasjenige, was draußen in der Welt Gestaltung ist, in dem Menschen als Negatives lebt. Wenn wir also sagen: Draußen in der Welt lebt irgendein Körper, der eine Materie hat, so muß ich sagen: Stelle ich nun seine Gestaltung vor, so muß ich auch die Materie in irgendeiner Weise negativ vorstellen. Wodurch charakterisiert sich denn mir als Mensch zunächst die Materie? Sie charakterisiert sich durch ihre Druckwirkung. Gehe ich von der durch Druckwirkung sich offenbarenden Materie zu meiner Vorstellung der Gestaltung über, so muß das Negative der Druckwirkung da sein: die Saugwirkung. Das heißt, wir können nicht dasjenige, was im Menschen als Vorstellung geschieht, materiell vorstellen, wenn wir das Materielle in Druckwirkung symbolisiert darstellen. Wir müssen das Gegenteil vorstellen. Wir müssen etwas wirksam im Menschen denken, was der Materie so entgegengesetzt ist wie das Negative dem Positiven. Wir müssen uns dasjenige, was wirksam ist - wenn wir die Materie durch Druckwirkung uns symbolisieren -, durch Saugwirkung uns symbolisieren. Indem wir von der Materie weiterschreiten, kommen wir zum Nichts, zum bloßen Raum. Aber indem wir jetzt weiterschreiten, kommen wir zum Weniger-als-Nichts, zu dem, was die Materie aufsaugt, wir kommen vom Druck zur Saugwirkung. Da sind wir bei dem, was in uns als Vorstellung sich offenbart.

Und wenn wir auf der anderen Seite die Wärmewirkungen betrach-ten, so gehen sie wieder ins Negative über, indem sie in uns übergehen. Sie treten aus dem Raum hinaus. Sie werden, wenn ich das Bild fortführen darf, aufgesogen von uns. Wir haben sie so, daß sie in ihrem Gegenbild sich darstellen. Sie sind nichts anderes - irgendein Vermögen bleibt Vermögen, wenn es auch für den anderen Schulden bedeutet. Dadurch, daß wir genötigt sind, die äußere Wärme, indem sie in uns wirkt, mit negativem Vorzeichen als nichts zu bezeichnen, dadurch

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wird sie nichts anderes. Sie sehen aber wiederum: Wir sind genötigt durch die Kraft der Tatsachen selber, uns Menschen durchaus nicht materiell vorzustellen, sondern in uns Menschen vorauszusetzen etwas, was nicht nur keine Materie ist, sondern was in all seinen Wirkungen sich zu der Materie so verhält wie die Saugwirkung zur Druckwirkung. Und stellen Sie in Reinheit unser menschliches Wesen vor, so müssen Sie es sich vorstellen als dasjenige, was die Materie fortwährend vernichtet, aufsaugt.

Daß die moderne Physik diesen Begriff gar nicht entwickelt, diesen Begriff der negativen Materie, die sich zu der äußeren Materie so verhält wie eine Saugwirkung zu einer Druckwirkung, das ist das Unglück dieser modernen Physik. Was wir ausbilden müssen, das ist: In dem Augenblick, wo wir genötigt sind, an irgendwelche Wirkungen heranzutreten, die sich im Menschen selbst offenbaren, all unseren Formeln einen anderen Charakter dadurch zu geben, daß wir für die Willenserscheinungen negative Größen einführen gegenüber den Wärmeerscheinungen; für die Vorstellungserscheinungen negative Größen einführen gegenüber den Gestaltungskräften.

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ELFTER VORTRAG Stuttgart, 11. März 1920

Jetzt möchte ich gewissermaßen die Brücke schlagen, weil ich sie für die nächsten Betrachtungen brauchen werde, zwischen den Auseinandersetzungen dieses Kurses und den Auseinandersetzungen des vorigen Kurses. Wir werden heute das sogenannte Lichtspektrum mit seinen Beziehungen zu den am Lichtspektrum uns entgegentretenden Wärmewirkungen und chemischen Wirkungen etwas studieren. Wir können am einfachsten uns dasjenige, um was es sich handelt, vielleicht versinnlichen, wenn wir zunächst ein Spektrum darstellen und studieren, wie das Verhalten der verschiedenen Teile des Spektrums sich uns zeigt. Wir wollen also hier ein Spektrum entwerfen, indem wir Licht durch diesen Spalt gehen lassen. (Das Zimmer wird verdunkelt und durch das Experiment das Spektrum gezeigt.) Sie sehen, wir haben hier ein Spektrum auf dieser Platte. Sie können sich nun davon überzeugen, daß wir in den roten Teil des Spektrums hier etwas hineingehängt haben. Wir werden an diesem Instrument dann etwas beobachten können. Wir werden jetzt versuchen, Ihnen zu zeigen, wie im roten Teil des Spektrums vorzugsweise Wärmewirkungen auftreten. Diese Wärmewirkungen können Sie jetzt schon dadurch beobachten, daß Sie sehen, wie unter dem Einfluß des Energiezylinders, wenn ich so sagen darf, hier die Luft ausgedehnt wird, drückt und dadurch die Weingeistsäule hier heruntersteigt und hier hinauf. Durch dieses Heruntersteigen der Weingeistsäule wird uns gezeigt, daß hier in diesem Teil des Spektrums im wesentlichen eine Wärmewirkung da ist. Es wäre ja natürlich interessant noch zu zeigen, es läßt sich aber nicht so schnell machen, daß, wenn wir das Spektrum verschieben würden und dieses Instrument in dem blauvioletten Teil hätten, sich die Wärmewirkung nicht zeigen würde. Diese Wärmewirkung ist also im wesentlichen im roten Teil des Spektrums zu sehen. Und jetzt werden wir, ebenso wie wir geprüft haben durch das Fallen der Weingeistsäule das Auftreten der Wärmewirkung im rotgelben Teil des Spektrums, das Auftreten der chemischen Wirkung des Spektrums im Blauviolett

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prüfen, indem wir hier eine Substanz hineinstellen in den Raum, der durchmessen wird von dem blauvioletten Teil des Spektrums, und Sie werden sehen, daß dadurch diese Substanz zum Phosphoreszieren aufgerufen wird, also, wie Sie aus den Betrachtungen des vorigen Kurses wissen, chemische Wirkungen nachgewiesen werden. Sie sehen dar-aus, daß in der Tat noch eine innere Verschiedenheit zwischen demjenigen Teil des Spektrums besteht, der nach der einen Seite wie ins Unbestimmte verläuft, und dem anderen Teil des Spektrums, der nach der anderen Seite verläuft. Sie sehen, wie die Substanz leuchtend geworden ist unter dem Einfluß der sogenannten chemischen Strahlen. Wir können nun noch bewirken, daß auch der mittlere Teil des Spektrums, der der eigentliche Lichtteil ist, abgesondert wird. Ganz wird es uns wohl nicht gelingen, aber wir werden doch den mittleren Teil absondern können, also Dunkelheit im mittleren Teil hervorrufen können statt der Helligkeit, indem wir einfach hineinträufeln lassen in die Substanz, die uns ein Schwefelkohlenstoff-Prisma gebildet hat, etwas Jodtinktur. Dadurch bekommen wir die Mischung zwischen Schwefel-kohlenstoff und Jodtinktur. Sie erweist sich als eine Substanz, welche das Licht nicht durchläßt, und wir würden, wenn wir den Versuch vollständig machen könnten - wir können es ja leider nicht, sondern wir können nur auf den Weg weisen -, vollkommen zeigen können, daß auf der einen Seite Wärmewirkungen, auf der anderen Seite chemische Wirkungen auftreten, während der eigentliche Lichtteil, der mittlere Teil des Spektrums, verschwindet. Wenn ich Alaun in den Weg hineinstellen würde, würden die Wärmewirkungen aufhören, und Sie würden dann sehen, daß die Weingeistsäule wiederum steigt, weil der Alaun, die Alaunlösung den Durchgang der Wärmewirkungen - so will ich vorsichtig sagen - verhindert. Es würde jetzt sehr bald, weil Alaun im Wege steht, diese Weingeistsäule wiederum steigen, weil die Erwärmung nicht stattfinden würde. Wir würden hier ein kaltes Spektrum bekommen.

Sehr interessant ist, daß man auch verschwinden lassen kann den chemischen Teil, wenn man in den Weg der Ausbreitung des Spektrums eine Askulinlösung stellt, die wir leider auch nicht bekommen konnten. Es bleiben die Wärmewirkungen und die Lichtwirkungen vorhanden,

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aber es hören auf die chemischen Wirkungen. Wir wollen jetzt in den Weg stellen die Auflösung von Jod in Schwefelkohlenstoff, und es wird der mittlere Teil des Spektrums verschwinden. Sie sehen deutlich den roten Teil, der aber, wenn das Experiment vollständig gelingen würde, weg wäre, Sie sehen den violetten Teil und in der Mitte nichts. Also, es ist uns gelungen dadurch, daß wir eine Art von Fragment des Versuches ausgeführt haben, den hauptsächlichsten Lichtteil, das Mittlere wegzuschaffen. Wenn wir das Experiment vollständig machten, wie es einzelnen Experimentatoren, zum Beispiel Dreher in Halle vor fünfzig Jahren gelungen ist, könnten wir auch die zwei leuchtenden Stellen vollständig wegschaffen und dann nachweisen die Erhöhung der Temperatur, die dableibt, und auf der anderen Seite die Wirkungen der chemischen Strahlen durch die «leuchtende Materie». Das ist eine Versuchsreihe, die noch nicht zu ihrem Ende gebracht ist, eine Versuchsreihe, die außerordentlich wichtig ist. Sie zeigt uns, wie sich hin-einstellt dasjenige, was im Spektrum wirksam gedacht werden kann, in den allgemeinen Weltzusammenhang.

Ich habe bei dem Kursus, den ich bei meinem früheren Aufenthalt hier gehalten habe, gezeigt, wie auf die Spektralverhältnisse zum Beispiel ein kräftiger Magnet wirkt, indem sich durch die Einwirkung, durch die Kraft, die von dem Magneten ausgeht, gewisse Linien, gewisse Bildungen im Spektrum selber ändern. Und es handelt sich nun darum, daß man einfach den Gedankengang, der damit angeschlagen ist, wiederum so erweitert, daß man in seinen Gedanken drinnen die physikalischen Vorgänge wirklich hat. Sie wissen aus unseren Betrachtungen, die wir jetzt angestellt haben, daß eigentlich ein vollständiges Spektrum, das heißt eine Zusammenfassung aller möglichen Farben, zwölf Farben ergeben würde, daß wir bekommen würden gewissermaßen ein Kreisspektrum statt eines in der einen Richtung des Raumes ausgedehnten Spektrums. Wir würden hier Grün haben, hier Pfir-sichblüt, hier Violett und hier Rot, dazwischen die anderen Farben-nuancen, zwölf deutlich voneinander zu unterscheidende Farbennuancen (siehe Zeichnung Seite 165).

Nun handelt es sich darum, daß wir uns ein solches Spektrum innerhalb der irdischen Verhältnisse nur im Bilde darstellen können. Wenn

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wir in dem Bereiche des irdischen Lebens ein Spektrum darstellen, können wir es bloß im Bilde darstellen, und so bekommen wir ja immer das bekannte Spektrum, das verläuft in gerader Linie vom Rot durch das Grün zu dem Blau und Violett. Also, wir bekommen ein Spektrum, welches aus dem obigen, wie ich jetzt schon öfter gesagt habe, erhalten werden kann, indem der Kreis immer größer und größer wird, das Pfirsichblüt nach der anderen Seite verschwindet, das Violett hier (siehe Zeichnung, rechts) ins scheinbar Unendliche geht, das Rot scheinbar hier (links) ins Unendliche weist und das Grün in der Mitte bleibt.

Wir können uns die Frage vorlegen: Wie entsteht aus der Vollstän-digkeit der Farbenbildung, aus der Zwölf-Farben-Bildung, die doch möglich sein muß, dieses fragmentarische Spektrum, dieses fragmentarische Farbenband? Wenn Sie hypothetisch annehmen, das vollständige Kreisspektrum würde hier (siehe Zeichnung) entstehen, so können Sie sich vorstellen, daß da Kräfte wirkten, die den Kreis vergrößerten, indem sie ihn hier auseinanderzerrten. Dann würde ein Moment eintreten, wo eben wirklich das hier oben zerreißt und durch die wirkenden Kräfte der Kreis zur geraden Linie, das heißt, zur unendlichen Länge, zur scheinbar unendlichen Länge, gemacht wird.

Wenn wir im Bereich des irdischen Lebens dieses durch eine Gerade zu versinnlichende Spektrum finden, so müssen wir uns fragen: Wie kann es entstehen? Es kann nur dadurch entstehen, daß aus der Vollständigkeit

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der Farben die bekannten sieben Nuancen herausgesondert werden. Sie werden herausgesondert durch Kräfte, die in das Spek-trum hinein gewissermaßen wirken müssen. Diese Kräfte haben wir aber eigentlich im Bereich des irdischen Daseins schon gefunden. Wir haben sie gefunden, indem wir auf die Gestaltungskräfte hingewiesen haben. Das ist ja auch eine Gestaltung: Die Kreisgestalt ist doch in die Gerade-Linien-Gestalt übergeführt worden. Das ist eine Gestaltung, die wir hier angetroffen haben. Und es ist, ich möchte sagen, handgreiflich, daß irgendwie im Bereich des Irdischen Kräfte wirken, die erst unser Spektrum möglich machen, wenn wir sehen können, daß durch den Einfluß der magnetischen Kräfte das innere Gefüge des Spektrums beeinflußt, verändert wird. Wenn das so ist, so müssen wir doch annehmen, daß in unserem Spektrum, das wir immer als primär betrachten, schon Kräfte wirksam sein können. Wir müssen also in unserem gewöhnlichen Spektrum nicht bloß Lichtvariationen konstatieren, sondern wir müssen in dieses gewöhnliche Spektrum hineindenken Kräfte, welche erst notwendig machen, daß dieses gewöhnliche Spektrum symbolisiert wird durch eine gerade Linie.

Diesen Gedankengang wollen wir mit einem anderen verbinden, der sich uns ergeben wird, wenn wir noch einmal aufsteigen in solcher Weise, wie wir das schon öfter gemacht haben: vom fest Gestalteten

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durch das Flüssige zum Verdichteten, Verdünnten, das heißt Gasigen, zum Wärmewesen, zu dem, was wir Materialisierung und Entmaterialisierung im x genannt haben. Hier tritt uns auf eine höhere Steigerung des Verdichtens und Verdünnens über dem Wärmewesen, wie uns die Verdichtung und Verdünnung selber auftritt als eine Steigerung, als gewissermaßen ein Flüssigwerden der Gestalt. Wenn die Gestalt selber

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flüssig wird, wenn wir eine variable Gestaltung haben im Gas, so ist das eine Steigerung des bestimmten Gestaltens. Was tritt hier auf? Hier tritt auf eine Steigerung des Verdünnens und Verdichtens. Halten Sie das gut fest, daß wir in ein Gebiet hineinkommen, wo eine Steigerung des Verdünnens und Verdichtens auftritt.

Was heißt eine Steigerung des Verdünnens? Nicht wahr, wenn Ma-terie immer dünner und dünner wird, so kündigt sie uns schon an, wenn sie Materie einer gewissen Art ist, was mit ihr kämpft; wenn sie immer dünner und dünner wird. Wenn ich sie immer dichter und dichter mache, dann wird sich herausstellen, daß sie mir ein hinter ihr befindliches Licht nicht mehr durchläßt. Wenn ich sie immer dünner und dünner mache, läßt sie das Licht durch. Verdünne ich immer weiter und weiter, so kommt mir zuletzt überhaupt nur zum Vorschein die Helligkeit als solche. Dasjenige also, was ich hier als noch im Gebiete des Materiellen liegend aufzufassen habe, das wird mir empirisch immer erscheinen als Auftreten der Helligkeit. Entmaterialisierung wird mir auftreten als hell; Materialisierung wird mir immer auftreten als dunkel. Ich habe also im Gebiet der Weltwirkungen Erhellung aufzufassen als Steigerung der Verdünnung und Verdunkelung aufzufassen als eine noch nicht genügend eingetretene Verdichtung, so daß die Verdichtung noch nicht genügend als Materie erscheint, sondern die Wirkungen erst auf dem Wege zum Materiellen sind.

Sie sehen, ich finde da oberhalb des Wärmegebietes das Lichtgebiet, und es stellt sich mir jetzt auf eine ganz naturgemäße Weise auch das Wärmegebiet in das Lichtgebiet hinein. Denn wenn Sie bedenken, daß immer das weiter nach unten Gelegene gewissermaßen das Bild gibt des darüber Gelegenen, so werden Sie im Wärmewesen finden müssen etwas, was gewissermaßen Bild ist der Aufhellung und der Verdunkelung. Im Wärmewesen, das uns ja an einem Ende des Spektrums auftritt, werden wir finden müssen etwas, was als Bild der Erhellung und Verdunkelung auftritt. Wir werden aber auch uns klar sein müssen darüber, daß wir nicht nur auf diese Art immer den oberen Teil unseres Wirklichkeitsgebietes in dem unteren finden, sondern auch den unteren Teil des Wirklichkeitsgebietes immer in dem oberen. Wenn ich einen Körper fest habe, so kann er durchaus in dem flüssigen Gebiet drinnen

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sein mit seiner Festigkeit. Dasjenige, was ihm Gestaltung gibt, kann hinaufragen in das nächste, in das nicht mehr gestaltete Gebiet. Ich muß mir klar sein darüber, daß ich, wenn ich mit Wirklichkeiten in meinen Vorstellungen umgehen will, ich es zu tun habe mit dem gegenseitigen Sich-Durchdringen der Wirklichkeitsqualitäten. Das aber nimmt eine besondere Form an für das Wärmegebiet. Es nimmt die Form an, daß auf der einen Seite das Entmaterialisieren in der Wärme wirken muß von oben herunter (Pfeil), auf der anderen Seite die Tendenz zum Materialisieren in die Wärme hineinwirkt.

Sie sehen, ich komme dem Wärmewesen nahe, indem ich in ihm den Aufgang sehen muß auf der einen Seite eines Strebens nach Entmaterialisierung, auf der anderen Seite eines Strebens nach Materialisierung. So daß ich, wenn ich nun fassen will das Wärmewesen, ich es nur so fassen kann, daß in ihm ein Leben, ein lebendiges Weben ist, welches dadurch sich offenbart, daß überall die Tendenz zum Materialisieren durchdrungen wird von der Tendenz zu entmaterialisieren. Jetzt merken Sie, was für ein beträchtlicher Unterschied zwischen diesem wirklich aufgefundenen Wärmewesen ist und dem Wärmewesen, das in der sogenannten mechanischen Wärmetheorie eines Clausius figuriert hat. Da finden Sie, wenn Sie einen geschlossenen Raum haben, atomistische oder molekulare Kügelchen, die stoßen nach allen

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Seiten, rempeln sich gegenseitig an, stoßen an die Wand an und vollführen rein äußere extensive Bewegungen. Und es wird dekretiert: Die Wärme besteht eigentlich in dieser chaotischen Bewegung, in diesem chaotischen sich gegenseitig Stoßen und an die Wand Stoßen der materiellen Teile, über die dann nur noch ein lebhafter Streit war, ob sie

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nun elastisch oder nicht elastisch aufzufassen sind. Das ist ja nur nach dem zu entscheiden, ob man für die eine oder andere Erscheinung die Elastizitätsformel oder die für unelastische, feste Körper mehr anwendbar findet. Es war also Ausdruck einer rein auf den Raum, auf räumliche Bewegung rücksichtnehmenden Überzeugung, wenn man gesagt hat: Wärme ist Bewegung. Wir müssen nun in ganz anderer Weise sagen: Wärme ist Bewegung - sie ist Bewegung, aber intensiv zu denkende Bewegung, Bewegung, bei der in jedem Raumteil, wo Wärme ist, das Bestreben besteht, materielles Dasein zu erzeugen und materielles Dasein wieder verschwinden zu lassen. Kein Wunder, daß auch wir Wärme brauchen in unserem Organismus. Wir brauchen einfach Wärme in unserem Organismus, um das räumlich Ausgedehnte stetig überzuführen in das räumlich Unausgedehnte. Wenn ich einfach den Raum durchschreite, ist dasjenige, was mein Wille vollführt, Raumgestaltung. Wenn ich es vorstelle, ist etwas ganz außerhalb des Raumes da. Was macht es mir möglich als menschliche Organisation, daß ich äußerlich eingereiht bin in die Gestaltverhältnisse der Erde? Indem ich auf ihr gehe, verändere ich ja die gesamte Gestalt der Erde, ich male schwarze Punkte auf eine Stelle, ich verändere ihre Gestalt fortwährend. Was macht es möglich, daß ich das, was ich im ganzen übrigen Erdenzusammenhang bin und was sich darstellt in räumlichen Wir-kungen, daß ich das innerlich raumlos erfassen kann als Beobachter in meinen Gedanken? Daß ich selbst mein Dasein vollbringe in dem Medium der Wärme, das gestattet, daß fortwährend materielle Wirkungen, das heißt Raumeswirkungen, übergehen in unmaterielle Wirkun-gen, also in solche Wirkungen, die keinen Raum mehr einnehmen. Ich erlebe also in mir tatsächlich, was die Wärme in Wahrheit ist, intensive Bewegung, Bewegung, die fortwährend herüberpendelt aus dem Gebiet der Druckwirkungen in das Gebiet der Saugwirkungen.

Nehmen Sie an, Sie haben hier die Grenze zwischen Druckwirkung und Saugwirkung. Die Druckwirkungen verlaufen im Raum, aber die Saugwirkungen verlaufen als solche nicht im Raum, sondern sie verlaufen außer dem Raum. Denn meine Gedanken sind beruhend auf den Saugwirkungen, verlaufen aber nicht im Raum. Hier habe ich jenseits dieser Linie (siehe Zeichnung Seite 170) das Raumlose. Und wenn ich

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mir vorstelle dasjenige, was nun weder im Gebiet des Druckes, im Raum, noch im Gebiet des Saugens geschieht, sondern im Gebiet der Grenze zwischen beiden, dann bekomme ich dasjenige, was im Gebiet des Wärmewesens geschieht: fortwährendes Gleichgewichtsuchen zwischen Druckwirkungen materieller Art und Saugwirkungen geistiger Art. Es ist sehr merkwürdig, wie gewisse Physiker heute schon, ich möchte sagen, mit der Nase auf diese Dinge gestoßen werden, wie sie aber durchaus nicht auf sie eingehen wollen. Planck, der Berliner Physiker, hat es einmal ausdrücklich ausgesprochen: Wenn man zu einer Vorstellung desjenigen, was immer Ather genannt wird, kommen will, so ist das erste Erfordernis heute, nach den Erkenntnissen, die man aus der Physik haben kann, daß man diesen Ather nur ja nicht materiell vorstelle. - Das ist ein Ausspruch des Berliner Physikers Planck. Also, materiell darf der Ather nicht vorgestellt werden. Ja, aber das-jenige, was wir hier finden als jenseits der Wärmewirkungen, wohin-ein dann auch schon die Lichtwirkungen gehören, das dürfen wir so wenig materiell vorstellen, daß wir die heutige Eigenschaft des Materiellen, die Druckwirkung, nicht mehr drinnen finden, sondern nur Saugwirkungen. Das heißt, wir gehen aus dem Gebiet der ponderablen

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Materie hinaus und kommen in ein Gebiet, welches natürlich überall sich geltend macht, das aber entgegengesetzt sich offenbart dem Gebiet des Materiellen; das wir nur durch Saugwirkungen, die von jedem Punkt des Raumes ausgehen, vorstellen können, während wir das Materielle selbstverständlich als Druckwirkungen vorstellen. Da aber kommen wir zum unmittelbaren Ergreifen des Wärmewesens als einer intensiven Bewegung, als eines Pendelns zwischen Saug- und Druck-wirkungen, aber nicht so, daß die eine Seite der Saugwirkungen räumlich ist und die andere Seite der Druckwirkungen auch räumlich ist, sondern daß wir aus dem Gebiet des Materiellen, des dreidimensionalen Raumes überhaupt, hinauskommen, schon wenn wir die Wärme erfassen wollen. Drückt daher der Physiker gewisse Wirkungen mit Formeln aus, und hat er in diesen Formeln Kräfte drinnen, so wird man in dem Fall, daß diese Kräfte mit negativem Vorzeichen eingesetzt werden - wenn Druckkräfte so eingesetzt werden, daß sie als Saug-kräfte gelten können, aber zu gleicher Zeit darauf Rücksicht genommen wird, daß man nun im Raume nicht bleibt, sondern ganz daraus herauskommt -, so wird man mit solchen Formeln erst hineinkom-men in das Gebiet der Licht- und Wärmewirkungen, das heißt der Wärmewirkungen eigentlich nur halb, denn im Gebiet des Wärme-wesens haben wir das Ineinanderspielen von Saug- und Druckwir-kungen.

Diese Sache, meine lieben Freunde, nimmt sich heute noch, ich möchte sagen, ziemlich theoretisch aus, wenn man sie so einem Audi-torium mitteilt. Es sollte aber niemals vergessen werden, daß ein großer Teil unserer modernsten Technik unter dem Einfluß der materialistischen Vorstellungsweise der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden ist, die alle solche Vorstellungen nicht gehabt hat, und daß daher innerhalb unserer Technik diese Vorstellungen auch gar nicht auftreten können. Wenn Sie aber bedenken, wie fruchtbar die einseitigen Vorstellungen der Physik für die Technik geworden sind, so können Sie sich ein Bild machen von dem, was auch als technische Folgen auftreten würde, wenn man zu den heute in der Technik einzig figurieren den Druckkräften - denn die räumlichen Saugkräfte, die man hat, sind ja auch nur Druckkräfte; ich meine Saugkräfte, die qualitativ

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entgegengesetzt sind den Druckkräften - nun auch diese Saug-kräfte wirklich fruchtbar machen würde.

Allerdings muß da hinweggeräumt werden manches, was jetzt in der Physik eben durchaus noch figuriert. Das heißt, man muß nun wirklich wegräumen den gebräuchlichen Energiebegriff, der eigentlich von der ganz groben Vorstellung ausgeht: Wenn ich irgendwo Wärme habe, so kann ich sie umwandeln in Arbeit, so wie wir ja gesehen haben bei unserer Experimentieranordnung, daß Wärme umgewandelt werden konnte in auf und ab gehende Bewegung des kolbenartigen Körpers. Aber wir haben dabei zu gleicher Zeit gesehen, daß da immer Wärme übrigbleibt, daß wir also nur einen Teil der Wärme, die uns zur Verfügung steht, wirklich in das umwandeln können, was der Physiker mechanische Arbeit nennt, den anderen Teil können wir nicht umwandeln. Das war ja der Satz, der Eduard von Hartmann dazu geführt hat, eben als zweiten wichtigsten Satz der modernen Physik den hinzustellen: Ein Perpetuum mobile der zweiten Art ist unmöglich.

Andere Physiker, zum Beispiel Mach, von dem ja in der neueren physikalischen Entwickelung viel die Rede ist und der über manche Dinge wirklich sehr gründlich nachgedacht hat, der aber immer so nachdenkt, daß man sieht, er ist ein Mensch, der schon scharfsinnig war, aber der seinen Scharfsinn nur geltend machen konnte unter dem Einfluß der rein materialistischen Erziehungsweise, so daß immer zugrunde liegen die materialistischen Vorstellungen, Mach sucht dann die Begriffe und Vorstellungen, die ihm zur Verfügung stehen, scharfsinnig zu kontinuieren und anzuwenden. Dadurch ist das Eigentümliche bei ihm, daß er, wo es möglich ist, schon aus den gebräuchlichen physikalischen Vorstellungen bis zu der Grenze zu kommen, wo die Zweifel entstehen, dazu kommt, die Zweifel sehr schön zu beschreiben. Es tritt ja dann die Trostlosigkeit ein, denn er kommt gerade nur bis an die Grenze, wo er die Zweifel hinstellt. Schon seine Ausdrucksweise ist außerordentlich interessant. Denken Sie sich einmal, wenn man nötig hat in der physikalischen Betrachtung, wo also alles handgreiflich da ist, eine gewisse Ansicht, die man gewonnen hat, in folgender Weise zu stilisieren, wie Mach sie stilisiert hat. Er sagt: «Es hat aber keinen gesunden Sinn, einer Wärmemenge, die man nicht mehr

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in Arbeit verwandeln kann» - wir haben gesehen, daß es eine solche gibt -, «noch einen Arbeitswert beizumessen. Demnach scheint es, daß das Energieprinzip ebenso wie jede andere Substanzauffassung nur für ein begrenztes Tatsachengebiet Gültigkeit hat, über welche Grenze man sich nur einer Gewohnheit zu lieb gern täuscht.» Denken Sie sich: Ein Physiker, der beginnt nachzudenken über die ihm vorliegenden Erscheinungen, und der ist genötigt zu sagen: Ja, es entsteht mir in meinem Tatsachenverlauf Wärme, die ich nicht mehr in Arbeit verwandeln kann. Es hat aber dann doch keinen gesunden Sinn, die Wärme einfach aufzufassen als potentielle Energie, als Arbeit, die nur nicht sichtbar ist. Man kann vielleicht sprechen von der Umwandlung von Wärme in Arbeit innerhalb eines gewissen Tatsachengebietes; außerhalb desselben gilt das nicht mehr. Und man redet im allgemeinen davon, daß jede Energie in eine andere umzusetzen ist, nur einer Gewohnheit zuliebe, so daß man sich dieser Gewohnheit zuliebe leicht täuscht. - Es ist außerordentlich interessant, die Physik da festzunageln, wo sie ertappt werden kann in den Zweifeln, die sich notwendigerweise ergeben müssen, wenn man nur wirklich konsequent dasjenige ins Auge faßt, was als Tatsachenreihe vorliegt. Ist denn nicht eigentlich schon der Weg da, wo die Physik sich selber überwindet, wenn die Physiker bereits genötigt sind, solche Geständnisse zu machen? Denn es ist ja im Grunde genommen das Energieprinzip nichts anderes als eine Behauptung. Man kann es eigentlich, wie es ein Evangelium bei Helmholtz und seinen Zeitgenossen war, nicht mehr aufrechterhalten. Es kann Gebiete geben, in denen dieses Energieprinzip nicht mehr behauptet werden darf.

Sehen Sie, wenn man nun fragen will: Wie könnte man einmal den Versuch machen, symbolisch - denn im Grunde genommen, wenn wir anfangen etwas aufzuzeichnen, wird alles symbolisch -, wie könnten wir den Versuch machen, symbolisch dasjenige, was da im Gebiet des Wärmewesens auftritt, darzustellen? Wenn Sie alle diese Vorstellungen zusammennehmen, die ich Ihnen entwickelt habe und durch die ich versucht habe, im Realen verbleibend heranzusteigen zum Wärmewesen, dann werden Sie dazu kommen, dieses Wärmewesen in der folgenden Weise sich zu versinnlichen: Stellen Sie sich einmal vor, hier

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wäre Raum (blau), der von gewissen Wirkungen, von Druckwirkungen ausgefüllt wäre; hier wäre das Raumlose (rot), das ausgefüllt wäre von Saugwirkungen. Wenn Sie sich das nun vorstellen, dann bekommen Sie hier ein Gebiet, und mit diesem Gebiet etwas anderes, was da immer hineinschlüpft und da drinnen verschwindet - wir haben ja nur in den Raum hinausprojiziert, was nur räumlich-unräumlich gedacht werden kann, denn der rote Teil muß unräumlich gedacht werden. Sehen Sie diesen Raum hier (blau und rot) an als ein Sinnbild für das, was räumlich-unräumlich ist. Denken Sie sich also Intensives dargestellt durch Extensives, durch das, wo fortwährend Materielles entsteht. Aber indem Materielles entsteht, entsteht auf der anderen Seite Immaterielles, das schlüpft in das Materielle hinein, vernichtet seine Materialität, und wir haben einen physisch-geistigen Wirbel, der sich so äußert, daß fortwährend dasjenige, was physisch entsteht, durch das Geistige, das auch dabei entsteht, vernichtet wird, wir haben also eine Wirbelwirkung, wo Physisches entsteht, durch Geistiges vernichtet wird; Geistiges entsteht, durch Physisches verdrängt wird. Wir haben ein fortwährendes Herüberspielen des Raumlosen in das Räumliche; wir haben ein fortwährendes Aufgesogenwerden desjenigen, was im Raume ist, durch diejenige Entität, die außer dem Raume ist.

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Was ich Ihnen schildere, meine lieben Freunde, das ist, wenn Sie es sich versinnlichen, hier wirbelartig zu gestalten. Aber man darf im Wirbel nur sehen eine äußere, extensive Versinnlichung des Intensiven. Damit haben wir uns, ich möchte sagen, sogar schon durch Figurales dem Wärmewesen genähert. Wir haben nun noch übrig, zu zeigen, wie dieses Wärmewesen jetzt so wirkt, daß solche Erscheinungen entstehen können wie: die Wärmeleitung; oder daß der Schmelzpunkt einer Legierung viel tiefer liegt als der Schmelzpunkt jedes einzelnen Metalles; oder was es eigentlich heißt, daß auf dem einen Ende des Spektrums Wärmewirkung, auf dem anderen chemische Wirkung sich zeigt.

Wir werden die Taten der Wärme suchen müssen, wie Goethe die Taten des Lichtes gesucht hat, und werden dann zu untersuchen haben, wie die Erkenntnis des Wärmewesens sich auf die Anwendung der Mathematik, auf die Imponderabilien der Physik auswirkt, das heißt mit anderen Worten: Wie wirklich reale mathematische Formeln gestaltet werden müssen, die zum Beispiel in der Thermik, in der Optik angewendet werden können.

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ZWÖLFTER VORTRAG Stuttgart, 12. März 1920

Die Versuche, die wir für heute vorhatten, müssen wir leider auf morgen verschieben. Sie werden morgen so weit sein, sie so zu zeigen, wie ich sie haben muß, wenn ich das Ganze besprechen will, was gerade daran geprüft werden soll. Wir werden daher heute eine Betrachtung einschieben über diejenigen Dinge, die wir auch noch brauchen, morgen dann die Versuchsanordnungen machen, um die Betrachtungen übermorgen zu einem vorläufigen Abschluß zu bringen.

Dasjenige, was ich zunächst wie eine Hilfe anführen möchte für unsere Anschauungen, die wir entwickeln müssen gegenüber dem Wärmewesen, das ist, daß ich Sie hinzuweisen habe darauf, daß eine gewisse Schwierigkeit vorliegt im Verstehen dessen, was eigentlich ein durchsichtiger Körper ist. Ich rede jetzt nicht von Wärme. Aber Sie werden sehen, namentlich wenn wir diese Versuche hinter uns haben, wie wir eine Hilfsvorstellung vom Licht aus für das Verständnis des Wärmewesens gewinnen werden. Es liegt eine gewisse Schwierigkeit vor, sage ich, zu verstehen, was ein relativ durchsichtiger Körper ist und was ein undurchsichtiger Körper ist, also ein Körper, der uns gewissermaßen sich selber unter dem Einfluß des Lichtes zeigt. Ich muß etwas anders sprechen, als gewöhnlich gesprochen wird. Die Sprache der gewöhnlichen Physik würde sagen: Ein undurchsichtiger Körper ist derjenige, der uns durch eine gewisse Beschaffenheit seiner Oberfläche die Lichtstrahlen zurückwirft, die auf ihn fallen, und der dadurch als Körper sichtbar wird. - Diese Ausdrucksformen kann ich nicht wählen, weil sie ja durchaus nicht eine Wiedergabe des Tatbestandes sind, sondern weil sie Ausdrücke sind von schon vorhandenen, bestimmten Theorien, die wir nicht ohne weiteres als selbstverständlich annehmen können. Denn von Strahlen zu sprechen, von Lichtstrahlen zu sprechen, ist Theorie. Ich habe darüber ja in meinem vorigen Kursus auch schon gesprochen. Alles dasjenige, was uns entgegencritt in der Wirklichkeit, ist nicht Lichtstrahl, sondern ist Bild, und das ist durchaus etwas, was festzuhalten ist. Außerdem können wir

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nicht ohne weiteres sagen: Ein durchsichtiger Körper ist derjenige, der durch seine innere molekularische Beschaffenheit das Licht durch sich durchgehen läßt, und ein undurchsichtiger Körper ist derjenige, der das Licht zurückwirft. Denn wie sollte denn eine Möglichkeit sein, eine solche Theorie ohne weiteres zu rechtfertigen? Und wenn Sie an das sich erinnern, was ich in diesen Tagen dargestellt habe als die Verhältnisse der Wirklichkeitsgebiete: feste, flüssige, gas förmige Körper; Wärmewesen; x, y, z und dann unter den festen Körpern angrenzend das U-Gebiet, so werden Sie sehen, daß in irgendeiner Weise mit dem Wärmegebiet in Beziehung stehen muß das Lichtgebiet, auch in Beziehung stehen muß das Gebiet der chemischen Wirkungsweisen. Auf der anderen Seite muß mit dem, was uns entgegentritt, ich möchte sagen, als die flüssige Gestalt im Wärmewesen, im Luftwesen, in irgendeiner Beziehung stehen dasjenige, was die wahre Wesenheit des Tones ist. Denn Töne erscheinen bei Gelegenheit von Verdichtungen und Verdünnungen in gas- oder luftförmigen Körpern.

Wir können also zunächst vermuten, daß irgendwo da, wo wir das x, y, z angenommen haben, auch die Wesenheit des Lichtes gefunden werden kann. Aber es ist die Frage, ob wir da, wo wir die Wesenheit des Lichtes suchen, auch zu suchen haben zum Beispiel die Wesenheit der Durchsichtigkeit gewisser Körper. Diese Wesenheit der Durchsichtigkeit gewisser Körper ist nicht ohne weiteres aus der Wesenheit des Lichtes heraus oder nur aus den Beziehungen des Lichtes zu den festen Körpern zu suchen. Wir haben das U-Gebiet, und dieses U-Gebiet muß mit seinen Wirkungen in irgendeiner Weise ein Verhältnis haben zu festen Körpern, die an der Oberfläche der Erde sind. Und wir werden wenigstens zunächst die Frage aufwerfen müssen und noch hinarbeiten auf die Beantwortung dieser Frage in diesen Betrach-tungen, die uns bei meiner Anwesenheit noch zur Verfügung stehen:

Welchen Einfluß hat das U-Gebiet auf feste Körper, und kann uns nicht etwas von diesem Einfluß offenbaren der Unterschied, der auftritt zwischen durchsichtigen Körpern und den gewöhnlich undurchsichtigen Metallen? Also solche Fragen müssen uns zunächst beschäftigen. Und den Weg zur Beantwortung solcher Fragen werden wir finden, wenn wir nun versuchen, das, was sich uns gestern ergeben

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hat über das Wärmewesen, durch einige andere Begriffe noch zu er-ganzen.

Man hat ja natürlich gesehen innerhalb des Gebietes der Physik die Tatsachen, die sich ergeben als Wärmeerscheinung. Man hat eben solche Tatsachen gesehen wie die, die man unter dem Begriff der Wärmeleitung gedacht hat, die wir Ihnen ja auch vorgeführt haben. Man hat vor allen Dingen diese Art der Ausbreitung der Wärme bei der Wärmeleitung, also bei dem Fortfließen des Wärmezustandes entweder durch einen Körper oder über die Berührungsstelle hinaus durch zwei oder mehrere sich berührende Körper, beobachtet. Man hat dieses Fort-fließen der Wärme sich so vorgestellt, wie wenn eine irgendwie geartete, unbestimmte Flüssigkeit, zunächst wie das Bild nur des Fortfließens der Wärme, des Wärmezustandes, da wäre. Und nun kann man schon einmal anknüpfen an das, was ja die äußere Anschauung bietet: So wie Wasser irgendwie in einem Bach fortfließt, das heißt, an einem weiteren Punkt später ist als vorher, was ja die Natur so fließend darstellt, so kann man auch folgen dem Fortfließen der Wärme von einem Punkte zum anderen, wenn die sogenannte Wärmeleitung stattfindet. Gedanken über dieses Fortfließen des Wärmezustandes im Sinne der Wärmeleitung haben sich die verschiedensten Menschen gemacht. Ziemlich klare Vorstellungen - wir könnten auch von anderen ausgehen - rühren her von Fourier, und an diese wollen wir ein wenig anknüpfen und wollen dann sehen, wie wir gegenüber den Erkenntnissen, die wir schon gewonnen haben, mit diesen Vorstellungen zurechtkommen.

Da können Sie sich vorstellen: Wir stehen einem abgeschlossenen Körper gegenüber, irgendeinem Metall, das hier scharf begrenzt wäre durch eine Ebene, und hier ebenfalls durch eine Ebene. Nach oben und unten können wir es uns ins Unbestimmte verlaufend denken. Wir versuchen dadurch, daß wir diese Grenze des Metalls in siedendem Wasser halten, sie auf einer Temperatur U1 zu halten, die etwa in diesem Falle 100 °C sein könnte, und versuchen die andere Grenzfläche mit schmelzendem Eis so in Berührung zu halten, daß wir eine Temperatur U2 haben, die im speziellen Fall 0 °C sein kann. Wir haben, wenn Sie sich den ganzen Sachverhalt vor Augen führen, es zu tun mit einer

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Differenz: hier Ui, hier U2; U1- U2 gibt uns eine Temperaturdifferenz. Von dieser Temperaturdifferenz wird es abhängen, wie die Wärme-leitung vor sich geht. Denn selbstverständlich, wenn die Temperaturdifferenz groß ist, so muß die Wärmeleitung anders vor sich gehen, als wenn die Temperaturdifferenz kleiner ist. Ich brauche kein großes Quantum von Wärme, wenn diese Temperaturdifferenz kleiner ist, ich brauche ein größeres Quantum von Wärme, wenn diese Differenz größer ist, um denselben Effekt zu erreichen, so daß ich also sagen muß: Die Wärmemenge, die ich brauche, um einen gewissen Effekt zu erreichen, die wird abhängen von dieser Temperaturdifferenz U1-U2. Sie wird weiter abhängen nicht nur von dieser Differenz U1-U2, sondern wenn ich die Länge des Körpers mit 1 bezeichne, so wird die Wärmemenge, die ich brauche, um einen bestimmten Effekt zu erreichen, kleiner werden, wenn diese Länge groß ist, als wenn diese Länge klein ist. Das heißt: Im umgekehrten Verhältnis wird die Wärmemenge von l abhängig sein. Ich werde berechnen können für einen bestimmten Quer-schnitt, den ich als, sagen wir, q bezeichne, die Wärmemenge, die ich da brauche, um einen gewissen Effekt der Wärmeleitung zu erreichen. Je größer dieser Querschnitt ist, desto mehr Wärme werde ich brauchen, je kleiner der Querschnitt ist, desto weniger Wärme werde ich brauchen. Also steht q im geraden Verhältnis, ich werde damit zu multiplizieren haben. Dann wird endlich die ganze Sache abhängen von

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der Zeit. Ich werde mit der Zeit zu multiplizieren haben. Das Ganze muß ich dann selbstverständlich, da mir alle diese Größen ja nicht ohne weiteres Wärme geben, mit irgend etwas, worin die Wärme schon steckt - denn alles das ist ja nicht Wärme - mit einer Konstanten, die das Wärmemaß darstellt, multiplizieren, mit c, dann bekomme ich meine Wärmemenge w. Diese Wärmemenge w also ist abhängig im geraden Verhältnis von U1-U2 und den anderen Faktoren, im umgekehrten Verhältnis von l. Sie sehen, wenn Sie in dem Zusammenhang alle anderen Faktoren mit U1 und U2 vergleichen, daß man es zu tun hat bei dem, was da eigentlich fließt, nicht direkt mit einem Wärmezustand, oder mit irgend etwas, was sich auf die Wärme bezieht, sondern mit einem Wärmegefälle, mit einem Niveauunterschied. Das bitte ich Sie, immer ins Auge zu fassen. Genau so, wie man es mit eineni Niveau-unterschied zu tun hat, wenn man etwa bei einer Schleuse Wasser von oben nach unten stürzen läßt und ein Schaufelrad in Bewegung setzt, und wie die Triebkraft, die da entwickelt wird, abhängt von dem Ni-veauunterschied, den man in Rechnung ziehen muß, so hat man es auch hier zu tun mit einem Gefälle, und das ist, was wir besonders ins Auge fassen müssen.

Nun handelt es sich darum, daß wir, wenn wir dem Wärmewesen näher kommen wollen, auch noch einer anderen Erwägung von Fourier nachgehen müssen, damit wir gewissermaßen rektifizierend an diesen gebräuchlichen Vorstellungen weiterschreiten und in unseren Betrachtungen mehr der Wirklichkeit gemäß fortfahren, als es die Physiker des 19. und 20. Jahrhunderts getan haben. Ich habe jetzt eigentlich nur in Erwägung gezogen dasjenige, was geschieht bei der Fortleitung der Wärme von einem Ende des Körpers zum anderen, aber ich nehme an, daß da in den Körpern drinnen selbst noch irgend etwas vorgeht. Ich frage nun: Wenn hypothetisch die Sache so sein würde, daß nicht einfach gleichmäßig hier von links nach rechts der Wärmefortschritt geschähe, sondern im Inneren ungleichmäßig, wie müßte ich dann anwenden wiederum diese Formeln hier auf die inneren Unregelmäßigkeiten? Wenn also Unregelmäßigkeiten in der Verteilung der Wärme da wären, wenn die Wärme von hier hierher (vergleiche die Verbindungslinie im Inneren des Metalls, Zeichnung Seite

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w = U1-U2 / l * t * c * q.

Jetzt habe ich es nicht mehr mit der Länge l zu tun, die hier ist, sondern ich habe es mit kleinen Strecken zu tun. Und ich will betrachten dasjenige, was ebenso auf diesen kleinen Strecken ge-schieht, wie es geschieht in der ganzen Breite hier durch den Faktor U1 - U2 / l. Es handelt sich also darum, daß ich das für kleine Strecken

dx darinnen betrachte. Wenn ich das tue, verwandelt sich mir dieser du

endliche Quotient einfach in dx, wobei du der kleine Fortschritt des Wärmezustandes sein soll. Und betrachte ich dieses für eine gewisse kleine Zeit, so müßte ich noch multiplizieren mit dt - ich könnte das d t zunächst auch weglassen, wenn ich von der Zeit absehe. So würden wir also in diesem w haben den Ausdruck für das Wärmequantum, das jeweils an einem Punkt, aus der Sache selbst heraus, bei innerer Arbeit der Wärme aufgewendet werden müßte, um nach allen Seiten hin etwa notwendigen Temperaturgefällen zu folgen, Temperaturgefälle auszugleichen. Sie müssen sich vor Augen stellen, daß diese Formel hier

w=c * q * du/dx *dt (1)

zum Ausdruck bringen würde solche Wirkungen, die da auftreten durch die inneren Temperaturgefälle in den Körpern.

Damit in Zusammenhang bitte ich Sie jetzt dasjenige zu betrachten, was wir schon gestern uns andeutungsweise vor Augen geführt haben und was uns ganz klar werden wird morgen, wenn wir die entsprechenden Versuchsanordnungen haben werden. Ich kann es trotzdem

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heute schon erwähnen, daß man sich vor Augen führen muß, wie auftreten die Verhältnisse des Erwärmens, des Leuchtens, des chemischen Wirkens im Spektrum. Ich habe schon gestern darauf aufmerksam gemacht: Wenn ich ein gewöhnliches irdisches Spektrum habe, habe ich in der Mitte die eigentlichen Lichtwirkungen, nach hierhin

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die Wärmewirkungen, nach hierhin die chemischen Wirkungen. Nun handelt es sich um folgendes: Wir haben gesehen, daß, wenn wir ein Bild entwerfen wollen für dieses Spektrum, wir gar nicht dieses Bild, das aufnehmen soll Lichtwirkungen, Wärmewirkungen, chemische Wirkungen, zu einer geraden Linie machen können. Wir müssen hier links herausgehen (aus der Ebene nach vorn), wenn wir die Linie für das Licht so ziehen (horizontal), um für die Wärme das entsprechende Symbolum zu finden. Für die chemischen Wirkungen müssen wir hierher gehen (aus der Ebene nach hinten). Es könnte auch umgekehrt sein, aber wir wollen es zunächst so festhalten.

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Also, wir haben keine Möglichkeit, innerhalb dieser Ebene zu blei-ben, wenn wir die Wärme symbolisch umfassen wollen; wir haben keine Möglichkeit, in der Ebene zu bleiben, wenn wir die chemischen Wirkungen symbolisch umfassen wollen. Wir müssen aus der Ebene herausgehen. Und um dieses Ganze zu fassen, wollen wir das also uns klarmachen: Wie müssen wir das denn eigentlich bezeichnen, wenn wir irgendein Wärmequantum, das da wirksam ist im Inneren eines Körpers, durch diese Formel ausdrücken? Wie müßten wir das denn bezeichnen, wenn wir ein quantitativ dazu in Beziehung stehendes chemisches

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Quantum hätten? Wir kämen nicht zurecht, wenn wir nicht irgendwie eine Bezeichnung einführen würden, die darauf hinweist, daß wir, während wir mit der Wärme hinausgehen müssen, wir mit den chemischen Wirkungen hineingehen müssen. Wir kommen nicht zurecht, wenn wir das nicht ins Auge fassen. Wenn wir das w hier als eine positive Größe auffassen - wir könnten es auch als negative Größe nehmen -, so dürfen wir, wenn es uns darauf ankommt, nun die entsprechende Verteilung der chemischen Wirkungen zu suchen, nicht anders, als das entsprechende

w = - c * q * du/dx * dt (2) zu bezeichnen. Das entspricht den chemischen Wirkungen.

Und dieses

w= + c * q * du/dx * dt

entspricht den Wärmewirkungen.

In der Tat, diese Erwägungen zeigen uns schon, daß wir nicht ohne weiteres bloß die Quantitäten wählen können, wenn wir Formeln schaffen wollen und wenn wir in diesen Formeln gleichzeitig ausdrücken wollen, daß wir es mit einem Beobachtungsfeld zu tun haben oder mit einem Wirkungsfeld, wo Wärme und chemische Wirkungen auftreten. Schon bei einer gewöhnlichen Verbrennung, wo wir in Beziehung bringen wollen das chemische Geschehen zu dem Wärmeeffekt, müssen wir, wenn wir durch Formeln arbeiten, einfach alles dasjenige, was wir für den Wärmeeffekt positiv einsetzen, für die entsprechenden chemischen Wirkungen negativ einsetzen*

Wenn Sie nun Ihre Erwägungen weiter anstellen und sehen: Die Wärme biegt sich gewissermaßen heraus, die chemischen Wirkungen biegen sich hinein (siehe Zeichnung Seite 182), dann bleibt eigentlich nur das, was im Licht vorhanden ist, in der Ebene. Aber wenn Sie sich jetzt reserviert haben das + für die Wärme, das - für die chemischen Wirkungen, dann können Sie nicht mehr mit irgendeinem Positiven oder Negativen für die Lichtwirkungen auskommen, dann müssen Sie alles das, was Sie nur ahnen, was heute noch nicht einmal geklärt ist, das Verhältnis von positiven und negativen Zahlen zu imaginären

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Zahlen, anwenden auf die Lichtwirkungen, und Sie müssen, wenn Sie es mit Lichtwirkungen zu tun haben, sagen:

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Das heißt, Sie müssen hier mit imaginären Zahlen, mit mathematisch imaginären Zahlenverhältnissen rechnen, um wirklich Beziehungen zwischen Licht-, Wärme- und chemischen Effekten, die in einem gemeinsamen Versuchsfelde sind, aufsuchen zu können.

Aber wir haben uns ja gesagt: Dieses Spektralband, das wir eigent-lich innerhalb der Erde bilden, das ist im Grunde genommen nur der auseinandergezogene Spektralkreis, und das vollständige Spektrum würde hier oben das Pfirsichblüt haben. Wenn Sie sich durch mächtige Kräfte das Spektralband zum Kreis formen würden, würden Sie da oben bekommen den Zusammenschluß dessen, was scheinbar ins Unendliche nach links und ins Unendliche nach rechts geht. Und dieser Zusammenschluß, Sie können sich denken, daß man ihn nicht einfach durch einen Kreis bekommen kann. Denn geht man durch die Wärme, so geht man ja zugleich heraus und geht dorthin (nach vorne); und geht man durch die chemischen Wirkungen, so geht man nach der anderen Seite (nach hinten). Sie sind also jetzt in die Lage versetzt:

Erstens dorthin zu gehen scheinbar ins Unendliche, und zweitens dorthin zu gehen scheinbar ins Unendliche. Sie haben nicht nur die unangenehme Aufgabe, wie bei einer Geraden dahin zu gehen (von links nach rechts) und den unendlich fernen Punkt aufzusuchen und auf der anderen Seite zurückzukommen, wenn dieser unendlich ferne Punkt (rechts) derselbe ist wie der andere (links) - da sind Sie wenigstens in einer Ebene. Aber nun irren Sie ab, gehen hierhin (links vorne) und gehen dorthin (rechts hinten) und können nicht zurückkommen, wenn Sie nicht voraussetzen, daß die Unendlichkeit hier und dort Sie an denselben Punkt führt. Aber während Sie dorthin gehen, spazieren Sie dorthin auch fort in die Unendlichkeit. Sie gehen also so, daß Sie nicht nur nach der einen Seite in die Unendlichkeit spazieren, sondern Sie spazieren auch hier hinauf (in der unteren Zeichnung Seite 182, der Pfeil links, der räumlich «vorn» bedeutet) in die Unendlichkeit und

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müssen von zwei Unendlichkeiten wiederum zurückkommen (entsprechend der Horizontalen und der Richtung der Pfeile). Sie gehen also einen doppelt komplizierten Weg. Dann würden Sie erst hier dieses Pfirsichblüt finden, also nicht, indem Sie einfach das zusammenbiegen, sondern indem Sie es noch außerdem im rechten Winkel abbiegen nach der einen und nach der anderen Seite.

Stellen Sie sich vor, Sie würden das Farbenband mit einem Elektro-magneten behandeln, so würden Sie diesen Elektromagneten auch noch drehen müssen. Das aber führt Sie dazu, zu sagen: Was Sie da finden würden, könnten Sie jetzt mit all diesen Charakteren nicht bezeichnen. Da würden Sie zu Hilfe nehmen müssen eben dasjenige, worauf gestern aufmerksam gemacht worden ist in der Diskussion: die über-imaginäre Zahl.

Nun wird es Ihnen ja vielleicht erinnerlich sein, daß wir hier darauf hinweisen konnten, daß diese überimaginären Zahlen strittig sind, daß man mathematisch mit ihnen nicht recht zurecht kommt, daß man sie sozusagen nicht eindeutig aufschreiben kann. Es gibt Mathematiker, die überhaupt bezweifeln, daß man ein Recht hat, von diesen überimaginären Zahlen zu sprechen. Hier führt die Physik selbst allerdings nicht gleich auf eine ordentliche Formulierung der überimaginären Zahlen, aber die Forderung dieser überimaginären Zahlen, sie führt dazu, einzusehen, daß es solcher überimaginären Zahlen bedarf, wenn man formelhaft ausdrücken will dasjenige, was erstens geschieht im Felde des Chemischen, des Leuchtenden, des Wärmewesenhaften, und was dann noch dazu geschieht, wenn wir aus dem hinausgehen und oben zurückkommen. Wer nun ein Organ dafür hat, der findet hier etwas höchst Eigentümliches. Er findet etwas, von dem ich glaube, daß, wenn man es ordentlich durchdenkt, man im Grunde genommen viel davon hat für eine sachgemäße Beleuchtung der physikalischen Erscheinungen. Das, was ich meine, ist dieses, daß man dieselben Schwierigkeiten hat, wenn man in der Naturwissenschaft das Unorganische betrachtet und von den Begriffen, die man sich innerhalb des Feldes des Unorganischen bildet, übergeht zu dem Versuch, das Leben zu begreifen. Es geht nicht mit den unorganischen Vorstellungen. Es geht nicht. Das zeigt sich auf der einen Seite dadurch, daß es Denker gibt,

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die sagen: Das Irdisch-Organische muß durch eine Art von Urzeugung aus dem Unorganischen hervorgegangen sein. Aber es ist unmöglich, mit dieser Anschauung zunächst irgend etwas Reales zu verbinden. Andere Denker, wie Preyer oder ähnliche, leiten alles Unorganische aus dem Organischen her, wobei sie der Wahrheit schon näher kommen. Sie denken sich die Erde als ursprünglich lebendigen Körper, und das, was heute unorganisch ist, denken sie sich wie eine Abscheidung, etwas, was herauserstorben ist aus dem Organischen. Aber über ein gewohnliches Bild kommen auch diese Leute nicht hinweg. Dieselben Schwierigkeiten, die man da hat, wenn man auf reine Naturbegriffe geht, hat man innerhalb der Mathematik selber, wenn man versuchen will, mit gut überlegtem Formelwesen von dem, was sich erfassen läßt im Gebiete der Wärme, im Gebiete des Leuchtenden, im Gebiete des Chemischen übergehen zu wollen zu dem, was da irgendwo vorhanden ist, wo das Farbenband sich auf naturgemäße Weise schließen würde - wir müssen ja voraussetzen, dieses Farbenband wird sich irgendwo schließen: Im Bereich des Irdischen wird es sich wohl nicht schließen. -Wir haben die Notwendigkeit, darauf hinzuweisen, wie die Mathematik durch ihre eigenen Erwägungen vor dem Lebensproblem steht. Sie kann mit dem, was ihr heute vorliegt, bezwingen dasjenige, was innerhalb des Lichtes, der Wärme, des Chemischen gelegen ist, sie kann nicht bezwingen dasjenige, was wir offenbar damit verbunden finden:

den Abschluß des Spektrums, welcher aber nicht durch solche Formeln zum Ausdruck zu bringen ist, wie das andere.

Zunächst helfen wir uns dadurch, daß wir einfach eine Termino-logie gebrauchen. Aber Sie sehen, wir kommen jetzt zu ziemlich konkreten Vorstellungen schon mit dieser Terminologie. Wir sagten: Etwas Wirkliches liegt zugrunde, wenn wir Formeln brauchen wie diese für

w. Wir sprechen da von Wärmeäther; irgend etwas Wirkliches liegt zugrunde, wenn wir diese Formeln (2) zu gebrauchen haben, bei denen das, was in den Formeln (1) positiv ist, negativ erscheinen muß, und sprechen dann von chemischem Äther; wir sprechen von Lichtäther, wenn wir nötig haben zum Imaginären zu schreiten in unseren Formeln; und wir sprechen tatsächlich von Lebensäther, wenn wir nötig haben mathematische Formeln zu gebrauchen, die wir noch gar nicht in

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Wirklichkeit haben, über die wir uns nicht klar sind, über die wir uns ebenso unklar sind in der Mathematik, wie die Naturforscher über das Leben sich unklar sind.

Sie sehen hier einen sehr interessanten Parallelismus zwischen dem Gang des Denkens innerhalb der Mathematik und dem Gang des Denkens innerhalb der Naturwissenschaft selbst, woraus Sie ersehen können, daß es sich wirklich zunächst nicht um eine objektive Schwierigkeit handeln kann, sondern daß es sich handeln muß um eine subjektive Schwierigkeit. Denn ganz unabhängig von der Naturforschung tritt auf dem Gebiete der reinen Mathematik derselbe Gang des Denkens auf, und doch wird niemand glauben, daß er aus ebensolchen Erwägungen heraus einen schön stilisierten Vortrag halten könnte über die Grenzen des inneren mathematischen Erkennens wie Du Bois-Rey-mond über die Grenzen des Naturerkennens. Wenigstens mit derselben Art der Schlußfolgerung könnte man das nicht. Innerhalb des Mathe-matischen muß es möglich sein, wenn einem die Begriffe und Formulierungen nicht durch ihre Komplikation entschlüpfen, wenn man sie fassen will, im Gebiete des rein Mathematischen muß es möglich sein, zu abschließenden Formulierungen zu kommen. Die erwähnte Schwierigkeit kann nur etwas sein, was mit unseren relativen Unvollkommenheiten zusammenhängt, es kann dabei nicht gedacht werden, daß es sich um wirkliche Grenzen des menschlichen Erkennens handeln könnte. Es ist sehr wichtig, so etwas gründlich ins Auge zu fassen. Denn daran zeigt sich erstens, daß die einfache Anwendung der Mathematik nicht geht, solange wir im Physikalischen die Wirklichkeit ergreifen wollen. Denn wir können nicht einfach, wie es die Energetiker machen, sagen:

Es verwandelt sich ein Wärmequantum in ein Quantum chemischer Energie und umgekehrt. Das dürfen wir nicht sagen, sondern dann, wenn so etwas geschieht, ergibt sich die Notwendigkeit, andere Zahlenwerte einzuführen. Dann ergibt sich die Notwendigkeit, wirklich die Hauptsache nicht darin zu sehen, daß mechanisch die eine Energie-art die andere anregt, sondern daß man es zu tun hat mit einem wirklich qualitativen Umwandeln, was sich schon in der Zahl fassen läßt, wenn die eine Energie, wie man sagt, in die andere übergeht.

Würde man aufmerksam geworden sein auf dieses selbst schon in

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den Zahlen festzuhaltende qualitative Umwandeln der einen Energie-art in die andere, so würde man nicht zu der Vorstellung vorgerückt sein, die da sagt: Nun ja, so obenhin ist Wärme eben das, was wir als Wärme empfinden, ist mechanische Arbeit, was wir als solche empfinden, ist chemische Energie, was sich zeigt in chemischen Vorgängen; innerlich ist das alles gleich. Mechanische Bewegung vollzieht sich. Wärme ist auch nichts anderes. - Auf dieses Stoßen, Drängen der Moleküle oder Atome gegeneinander, an die Wände und so weiter, auf dieses Streben nach einer abstrakten Einheit für alle Energien, die eben eine mechanische Bewegung ist, würde man nicht gekommen sein, wenn man gesehen hätte, daß man, schon wenn man Rechnungsansätze macht, nötig hat, die Qualitätsunterschiede der Energien in Betracht zu ziehen. Es ist deshalb interessant, daß Eduard von Hardtmann, als er die Wärmelehre philosophisch betrachtete, nötig hatte, Definitionen zu finden für die Physik, die von allem Qualitativen absehen. Dann natürlich kann man in der Physik nur eine eindeutige Mathematik finden. Und abgesehen von den Fällen, wo sich etwas aus den rein mathematischen Beziehungen als negativ ergibt, lieben es die Phy-siker nicht, mit solchen Zahlen-Qualitätsunterschieden in der Physik selbst zu rechnen. Sie rechnen mit positiv und negativ, aber das sind Dinge, die sich nur aus mathematischen Verhältnissen ergeben. Niemals würde man in der gewöhnlichen Energielehre gerechtfertigt finden, dadurch, daß eine Energie Wärme, eine andere chemische Energie ist, die eine mit positivem und die andere mit negativem Vorzeichen zu bezeichnen.

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DREIZEHNTER VORTRAG Stuttgart, 13. März 1920

Dasjenige, was ich gestern schon beabsichtigte, kann zunächst ausgeführt werden, weil es uns doch zu einem vorläufigen Abschluß dieser unserer Betrachtungen wird führen können. Ich werde dann noch morgen versuchen, die ganze Betrachtungsreihe, die wir hier während meiner diesmaligen Anwesenheit begonnen haben, zu Ende zu führen. Wir werden uns jetzt davon überzeugen, daß in der Tat in einer ganz bedeutungsvollen Weise innerhalb desjenigen, was wir als gewöhnliches Sonnenspektrum oder Lichtspektrum bezeichnen, sich verschlingen Wärmeeffekte, Lichteffekte und chemische Effekte. Und gestern haben wir ja schon gesehen, daß in einer gewissen Beziehung sich noch verschlingen müssen mit diesen Effekten die Lebenseffekte, nur daß wir ja keine Möglichkeit haben, die Lebenseffekte in derselben Weise in unser Versuchsfeld hereinzubekommen, wie die chemischen Effekte, die Lichteffekte und die Wärmeeffekte. Denn es gibt ja zunächst nicht eine einfache Versuchsanordnung, welche das zwölfteilige Spektrum wirklich in seiner Wirksamkeit zeigen könnte. Das wird vorbehalten sein gerade jenem Forschungsinstitute, welches sich in den Kreis unserer Unternehmungen hereinstellen wird, damit, ich möchte sagen, nicht bloß gewisse Untersuchungen abgeschlossen werden, sondern damit sie auch gerundet werden.

Und ich möchte Sie aufmerksam machen auf noch etwas: Wenn wir selbst, mit hypothetischer Hereinnahme der Lebenseffekte, das Ineinanderverschlingen von Lebenseffekten, Wärmeeffekten, Lichteffekten und chemischen Effekten innerhalb unserer - wenigstens gedachten - Versuchsanordnungen verfolgen, so fehlt uns darin ein wichtiges Gebiet, welches gewissermaßen sich mehr physikalisch aufdrängt, als das Gebiet der genannten Effekte, es fehlen uns die akustischen Effekte, diese akustischen Effekte, die uns zunächst vorzüglich entgegentreten durch die bewegte Luft, das heißt durch einen bewegten gas- oder luftförmigen Körper. Und da entsteht dann die wichtige, grundlegende Frage: Wie kommen wir auf der einen Seite, da sie doch

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angedeutet sind im Wärme-, Licht-, im chemischen Spektrum, zu den Lebenswirkungen, und wie kommen wir auf der anderen Seite zu den akustischen Wirkungen? Das ist die Frage, die sich uns einfach wiederum durch eine Umschau über die Erscheinungen darbietet und über die wir uns nur ebenso werden unterrichten können im Sinne einer Goetheschen physikalischen Weltanschauung, wie wir das bisher getan haben, und über die wir nicht hypothetisch theoretisieren sollen.

Nun wollen wir zunächst zeigen: Wenn wir in den Gang des Licht-zylinders, den wir durch ein Prisma durchleiten, um so das Spektrum entstehen zu lassen, hineinstellen eine Alaunlösung, so nehmen wir aus dem Spektrum die Wärmewirkungen heraus. Wir lassen zuerst das Thermometer steigen infolge der Wärmewirkung, die im Spektralkör-per drinnen ist. Stellen wir nun den Alaun in den Gang des Spektralkörpers, so müssen wir, da der Alaun wegnimmt die Wärmewirkung, wieder ein Fallen der Thermometersäule beobachten können. (Das Thermometer, das vorher sehr schnell gestiegen war, steigt erheblich langsamer.) Der Beweis ist nun schon erbracht dadurch, daß das Thermometer langsamer steigt. Also, die Alaunlösung beseitigt die Wärme-wirkung im Spektrum. Wir können den Beweis als erbracht ansehen. Der Versuch ist auch unzählige Male gemacht worden und wohlbekannt.

Das zweite, was wir nun machen werden, ist, daß wir eine Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff in den Gang des Lichtkegels einschalten. Sie werden sehen, daß dadurch der mittlere Teil des Spektrums vollständig ausgelöscht wird. Der andere Teil wird wesentlich geschwächt. Nun wissen Sie ja aus den Betrachtungen, die wir im vorigen Kursus angestellt haben, daß der mittlere Teil im wesentlichen die Lichtwirkungen darstellt. Durch die Lösung von Jod in Schwefel-kohlenstoff wird also das Licht ebenso aufgehalten, wie durch die Alaunlösung die Wärme aufgehalten wird. Jetzt steigt das Thermometer wieder schnell, weil die Wärmewirkung wieder da ist.

Das dritte, was wir machen wollen, ist dieses, daß wir in den Gang des Lichtzylinders einschalten eine Äskulinlösung. Die hat die Eigentümlichkeit, daß sie auslöscht die chemischen Effekte, so daß also ausbleiben in den Wirkungen des Spektrums die chemischen Effekte.

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Wir können also das Spektrum so behandeln, daß wir wegschaffen

durch die Alaunlösung die Wärme, den Wärmeteil;

durch die Jodlösung in Schwefelkohlenstoff den Lichtteil;

durch die Äskulinlösung den chemischen Teil.

Bei den chemischen Wirkungen werden wir das dadurch konstatie-ren, daß, wenn wir den chemischen Teil da haben, die Phosphoreszenz des phosphoreszierenden Körpers eintreten wird. Sie sehen, wir haben jetzt den phosphoreszierenden Körper im Lichtkegel gehabt. Wenn Sie mit der Hand noch verdunkeln, werden Sie sehen, daß er phosphoresziert. Jetzt muß er entphosphoresziert werden durch Wärme. Nun wollen wir ihn wieder einschalten in das Spektrum, aber in den Gang des Lichtzylinders einfügen die Äskulinlösung. Die Wirkung ist eine sehr feine. Man sieht keine Phosphoreszenz.

Stellen wir uns also jetzt einmal vor Augen, daß wir zunächst das Gebiet der Wärme, das Gebiet des Lichtes, das Gebiet der chemischen Effekte haben. Aus all den Betrachtungen, die wir angestellt haben, können Sie wenigstens schon mit einer teilweisen Sicherheit erschließen, daß zwischen diesen Gebieten eine ähnliche Beziehung, ein ähnliches Verhältnis doch stattfinden muß, wie zwischen dem, was ich in den verflossenen Tagen bezeichnet habe als x-Gebiet, y-Gebiet, zGebiet. Gerade darauf wollen wir aber zusteuern, daß wir diese beiden Gebietsreihen nach und nach identifizieren können.

Wir wollen vor allen Dingen das Folgende betrachten: Es ist uns klar, wenn wir hier das Wärmegebiet haben und hier unsere x-, y-, zGebiete, so haben wir hier das Gasgebiet, das Gebiet der Flüssigkeiten, das Gebiet der festen Körper, und hier unser U-Gebiet, von dem wir gesprochen haben (siehe Schema Seite 193). Nun brauchen Sie nur, indem Sie rein im Gebiet der Erscheinungen bleiben, sich vor Augen zu führen, daß wir ein gewisses sehr loses Wechselverhältnis haben beobachten können zwischen den Wärmeeffekten und dem, was in irgendeiner Gasmasse vorgeht. Wir haben beobachten können, daß in gewisser Beziehung das Gas mitmacht in seinen materiellen Gestaltungen dasjenige, was die Wärme tut. Wir können geradezu in dem, was das Gas tut, den materiellen Ausdruck für dasjenige finden, was die Wärme tut. Wenn wir das, was da geschieht im Wechselverhältnis zwischen

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Wärme und Gas, uns mit einem genügend realen Gedanken vor Augen führen, daß wir also wirklich einen anschaulichen Gedanken haben für dieses Miteinandergehen der Wärmewirkungen und der materiellen Wirkungen des Gasgebietes, dann werden wir in der Anschauung auch den Unterschied finden können zwischen dem Gebiet von x und dem Gebiet des Gases. Wir brauchen uns nur darauf zu besinnen, was wir ja unzählige Male im Leben sehen: Daß dasjenige, was wir als Licht bezeichnen, nicht in derselben Weise sich zum Gas verhält wie die Wärme. Das Gas macht nicht mit dasjenige, was das Licht macht. Wenn das Licht sich ausbreitet, geht das Gas nicht nach und nimmt eine größere Spannkraft an und dergleichen.

Also, wenn Licht im Gas lebt, dann ist das eine andere Beziehung, als wenn Wärme im Gas lebt. Und wie wir sagen konnten in den verflossenen Betrachtungen: Flüssigkeit ist zwischen Gas und Festem, Wärme ist zwischen x- und Gasgebiet; und ebenso: das feste Gebiet gibt die Bilder des flüssigen Gebietes, das flüssige Gebiet die Bilder des Gasgebietes, das Gasgebiet die Bilder des Wärmegebietes, so können wir nun sagen: Unser x kann abgebildet werden in der Wärme, die Wärme wiederum wird abgebildet im Gasgebiet. Wir haben also gewissermaßen im Gasgebiet Bilder von Bildern des x-Gebietes. Überlegen Sie sich, daß diese Bilder von Bildern tatsächlich da sind beim Durchgang des Lichtes durch die Luft. In der Art, wie sich die Luft mit ihren verschiedenen Erscheinungen gegenüber dem Lichte verhält, hat man es zu tun nicht mit einem direkten Abbild, sondern tatsächlich mit einem selbständigen Verhalten des Lichtes in der Luft, im Gase, mit einem solch selbständigen Verhalten, daß wir es wirklich vergleichen können mit dem Folgenden: Wir wollen etwa eine Landschaft auf ein Bild malen, hängen das Bild ins Zimmer und photographieren dann das Zimmer. Wenn ich nun das Zimmer photographiere, so werde ich dadurch, daß ich irgend etwas im Zimmer verändere, die ganze Konfiguration des Zimmers zu etwas anderem machen. Wenn ich gewohnt wäre, bei diesen Vorträgen mich immer auf diesen Stuhl zu setzen, und mir während des Vortrages irgendein Übelwollender diesen Stuhl wegnähme, ohne daß ich es bemerke, so würde ich dasjenige, was ja manchmal im Leben passiert, tun: mich auf den Erdboden setzen. Die Beziehung der

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Dinge zueinander im Zimmer erfährt eine reale Veränderung dadurch, daß ich irgend etwas im Zimmer verändere. Wenn ich das Bild von einer Stelle zur anderen hänge, so werden die Verhältnisse zwischen den Gestalten, die auf dem Bilde gemalt sind, sich nicht zueinander verändern. Dasjenige, was als Verhältnis figuriert im Bilde, ist unabhängig von den Veränderungen, die im Zimmer geschehen. So werden unabhängig meine Versuche mit dem Lichte in irgendeinem Raum, der mit Luft erfüllt ist. Meine Wärmeversuche werden nicht unabhängig in dem Raum, davon konnten Sie sich geradezu überzeugen, als soeben darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das ganze Zimmer warm wurde. Aber meine Lichtversuche kann ich in ihrer eigenen Wesenheit darstellen, kann ich abheben davon, so daß ich in der Tat, gerade wenn ich im lufterfüllten Raum mit x experimentiere, dieselben Beziehungen herauskriege, wie wenn ich mit dem Licht experimentiere. Ich kann

#Bild s. 193

das x mit Licht identifizieren. Und wenn Sie den Gedankengang fortsetzen, werden Sie y mit chemischen Wirkungen identifizieren. Das z werden wir zu identifizieren haben mit den Lebenswirkungen. Dann aber gibt es, wie Sie sehen, Beziehungen von einer gewissen Unabhängigkeit zwischen dem Lichtgebiet und dem Gasgebiet. Diese selbe Beziehung findet man, wenn man den Gedankengang fortsetzt - Sie können es selber tun, es würde uns heute zu weit führen -, wenn man die chemischen Effekte sucht im Flüssigen. Wir brauchen ja in der Tat, um chemische Wirkungen hervorzurufen, immer Lösungen. Da drinnen

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verhalten sich die chemischen Wirkungen gerade so, wie das Licht in der Luft. Wir würden das z eben mit dem Festen zu identifizieren haben, das heißt, bezeichne ich dieses Gebiet mit z, dieses mit y, dieses mit x, habe ich da die Wärme als Mittelzustand und bezeichne ich das Gasgebiet mit x', das Flüssigkeitsgebiet mit y', das feste Gebiet mit z', so habe ich jetzt mir vor Augen gestellt:

z y x Wärme x' y' z'

x in x' wie Licht in Gas,

y in y' wie chemische Effekte in Flüssigkeiten,

z in z nun zunächst wie die z-Effekte in den festen Körpern. Wir ha-ben sie bis jetzt nur als Gestaltungen kennengelernt.

So bekommen wir gewissermaßen Ineinanderfügungen, die aber nichts anderes sind, als der vorgestellte Ausdruck für Dinge, die ja sehr real im Leben sind:

x in x ist einfach das lichterfüllte Gas,

y in y' ist die Flüssigkeit, in der chemische Prozesse vor sich gehen.

z in z:

Nach der gestrigen Betrachtung werden Sie kaum mehr zweifeln können, daß wir ebenso, wie wir von der Wärme aufsteigend das Licht finden, vom Licht aufsteigend die chemischen Effekte finden, wir von den chemischen Effekten kommen müssen zu den Lebenseffekten. Davon haben wir ja gestern wenigstens präliminarisch gesprochen. So daß wir also sagen können:

z in z' Lebenseffekte in festen Körpern.

Lebenseffekte in festen Körpern sind aber nicht da. Wir wissen, daß zum irdischen Leben notwendig ist wenigstens ein gewisser Grad des Flüssigen. Lebenseffekte im bloß Festen sind im irdischen Leben nicht da. Aber dieses irdische Leben zwingt uns, in einer gewissen Weise anzunehmen, daß so etwas doch nicht außer dem Bereich jeder Wirklichkeit liegt, denn der Gedanke ergibt sich uns ja zugleich damit, daß wir das y in y', das x in x' bilden.

Wir finden feste Körper, wir finden flüssige Körper, wir finden Gas. Wir finden feste Körper ohne die Lebenseffekte. Die Lebenseffekte

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finden wir in der irdischen Sphäre nur neben den festen Körpern sich entfalten und mit den festen Körpern in eine Beziehung treten und so weiter. Aber im irdischen Bereich finden wir nicht ein unmittelbares Zusammenkoppeln der Lebenseffekte mit dem, was wir im irdischen Bereich das Feste nennen. Da werden wir gerade durch dieses letzte Glied z in z', Leben im Festen, geführt in einer gewissen Weise zu dem, was bei y in y', x in x' der Fall sein muß: Wenn ich einen flüssigen Körper auf der Erde habe, so muß dieser, wenn auch abgeschwächt, zu dem Chemischen in demselben Verhältnis stehen, wie der feste Körper zum Leben steht. Und wenn ich Gas im irdischen Bereich habe, muß das in demselben Verhältnis stehen zum Licht, wie der feste Körper zum Leben. Da werde ich darauf geführt, anzuerkennen, daß Festes, Flüssiges, Gasförmiges im irdischen Bereich in einer gewissen Weise mir durch ihre nachträglichen Beziehungen zu Licht, Chemie, Leben etwas Erstorbenes darstellen.

Man kann diesen Gedanken ja nicht so handgreiflich machen, wie es heute sehr beliebt ist in der Forderung des sogenannten Anschau-lichen. Sie müssen schon innerlich selbst mitarbeiten, wenn Sie diese Erwägungen als wirklichkeitsgemäße Erwägungen einsehen wollen. Und da werden Sie, wenn Sie diesen Gedankengang fortsetzen, finden, daß eine Verwandtschaft besteht zwischen dem Festen und dem Lebendigen, dem Flüssigen und dem Chemischen, dem Gasförmigen und dem Lichte, daß die Wärme in einer gewissen Weise für sich dasteht, aber daß diese Beziehung im Bereich des Irdischen nicht unmittelbar sich ausdrückt. Es weist nämlich diese Beziehung, die im Irdischen ein-treten kann, auf eine solche hin, die irgendeinmal da war, die jetzt nicht mehr da ist. Wir werden durch innere Verhältnisse in den Dingen in die Zeitvorstellung hineingedrängt. Wenn Sie einen Leichnam sich anschauen, so werden Sie in die Zeitvorstellung hineingedrängt. Der Leichnam ist da. Sie müssen alles dasjenige betrachten, was überhaupt möglich macht, daß der Leichnam da ist, daß er so aussieht, wie er ist, Sie müssen das Seelisch-Geistige betrachten, denn der Leichnam hat keine Möglichkeit des Bestehens in sich. Es würde doch niemals ein menschlich geformter Körper entstehen, ohne daß das Geistig-Seelische da ist. Dasjenige, was also der Leichnam Ihnen darbietet, das zwingt

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Sie zu sagen: Der ist so, wie er da ist, von etwas verlassen worden. -Das ist nichts anderes, als wenn Sie sagen: Das Irdisch-Feste ist vom Leben, das Irdisch-Flüssige von den Emanationen chemischer Effekte, das Irdisch-Gasförmige von den emanenten Lichteffekten verlassen worden. - Und wie wir vom Leichnam zurückblicken auf das Leben, wo der Leichnam mit dem Seelisch-Geistigen verbunden war, so blicken wir von den festen Körpern der Erde zurück, indem wir diese festen Körper zurückführen auf frühere Zustände physischer Art, wo das Feste mit dem Leben verbunden war, wo die ganze Erde nicht ein Festes in unserem jetzigen Zustande war, geradesowenig wie der Leichnam vor fünf Tagen ein Leichnam war, wo das Feste nicht überall im Irdischen war, wo das Feste nur gebunden an das Leben auftreten kann; wo Flüssiges nur auftreten kann gebunden an chemische Effekte; wo Gasförmiges nur auftreten kann gebunden an die Lichteffekte. Wo, mit anderen Worten, kein Gas war, das nicht innerlich erglänzt, innerlich leuchtet, das nicht gleichzeitig durch seine Verdichtungen und Ver-dünnungen innerlich leuchtet, verdunkelt, wellenartig phosphoresziert; wo nicht nur Flüssigkeit war, sondern ein lebendiges, fortwährendes chemisches Wirken; wo dem allem zugrunde lag Leben, das sich verfestigte, wie sich Leben verfestigt zum Beispiel in der Hornbildung der Rinder, wo es sich wiederum verflüchtigte, verflüssigte und so weiter -kurz, wir werden hier durch die Physik selber aus unserer Zeit her-ausgetrieben in eine Vorzeit, wo die Erde andere solcher Gebiete gehabt hat, wo dasjenige, was jetzt auseinandergerissen ist: das Gebiet des Gasförmigen, des Flüssigen und des Festen auf der einen Seite und das Gebiet des Lichtes, der chemischen Effekte, des Lebens auf der anderen Seite, ineinander war, nur eben nicht direkt ineinander geschoben, sondern umgeklappt (siehe die Pfeile im Schema Seite 193). Und die Wärme ist dazwischen. Die nimmt scheinbar nicht teil an diesem Zusammengehörigsein von etwas mehr Materiellem, etwas mehr Ätherischem. Aber da sie dazwischen drinnen ist, so ergibt sich mit einer Selbstverständlichkeit, die nicht größer sein könnte, daß sie teilnimmt an beiden Naturen. Bezeichnen wir die oberen Gebiete als die Äther-gebiete, die unteren als die ponderablen Gebiete, so ist es selbstverständlich, daß wir die Wärme auffassen als dasjenige, was nun besteht schon

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in seiner Wesenheit als Gleichgewichtszustand zwischen beiden, und wir haben in der Wärme gefunden dasjenige, was der Gleichgewichts-zustand zwischen Ätherischem und Ponderabel-Materiellem ist, was also Ather ist und zu gleicher Zeit Materie, was von vorneherein deshalb, weil es ein Duales ist, auf das hinweist, was wir überall in der Wärme finden: die Niveauunterschiede, ohne die wir überhaupt im Gebiete der Wärmeerscheinungen nichts machen können, gar nichts betrachten können.

Wenn Sie diesen Gedankengang aufnehmen, so werden Sie auf ein viel Wesentlicheres und Wichtigeres geführt, als Ihnen der soge-nannte zweite Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie: Ein Per-petuum mobile der zweiten Art ist unmöglich - jemals geben kann. Denn er reißt wirklich ein Gebiet der Erscheinungen heraus, das mit anderen Erscheinungen verbunden ist und das in seiner Eigenart durch diese anderen Erscheinungen ganz selbstverständlich modifiziert wird.

Wenn Sie sich klar sind darüber, daß das Gasgebiet und das Licht-gebiet einmal eins waren, daß das Flüssigkeitsgebiet und die chemi-schen Effekte einmal eins waren und so weiter, so werden Sie die zwei polarischen Gegensätze des Wärmegebietes: das Äthergebiet und das ponderable materielle Gebiet, auch in einer ursprünglichen Einheit zu denken haben. Das heißt: Sie werden die Wärme ganz anders zu denken haben in Vorzeiten, als Sie sie jetzt zu denken haben. Da aber kommen Sie darauf, sich sagen zu müssen: Dasjenige, was wir heute als physikalische Erscheinungen bezeichnen, was also doch nur der Ausdruck ist der physischen Entitäten, der physischen Wesenheiten, die da sind, das hat nur eine zeitbegrenzte Bedeutung. Die Physik ist nicht ewig. Sie hat keine Gültigkeit mehr für ganz andere Arten von Wirklichkeiten. Denn natürlich iSt eine Wirklichkeit, wo das Gas unmittelbar innerlich leuchtend ist, eine ganz andere Wirklichkeit als diejenige, wo das Gas und das Licht relativ selbständig gegeneinander sind.

Wir kommen also dahin, auf die Zeit zurückzublicken, wo es eine andere Physik gab und auf eine Zukunft zu blicken, wo es eine andere Physik geben wird. Und unsere Physik kann nur dasjenige sein, was uns wiedergibt die jetzige Erscheinung, das, was in unserer unmittelbaren

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Umgebung ist. Das muß aus der Physik selbst heraus gewonnen werden, damit man nicht das Paradoxe, ja nicht nur Paradoxe, son-dern Unsinnige begeht, die physikalischen Erscheinungen unseres Erdengebietes zu studieren, über sie Hypothesen zu machen, und dann diese Hypothesen auf die ganze Welt anzuwenden. Wir wenden unsere irdischen Hypothesen auf die ganze Welt an und vergessen, daß dasjenige, was wir an Physikalischem kennen, eben auf das Erdengebiet zeitlich begrenzt ist. Und daß es räumlich begrenzt ist, das haben wir schon gesehen. Denn in dem Augenblick, wo wir hinauskommen zu der Sphäre, wo die Schwerkraft aufhört und alles nach außen strömt, in dem Augenblick hört unser ganzes physikalisches Weltbild auf.

#Bild s. 198

Wir haben also zu sagen: Unsere Erde ist nicht etwa nur räumlich, sondern als physische Qualität räumlich begrenzt, und es ist ein Un-sinn, sich zu denken, daß über die Nullsphäre (siehe Zeichnung) hinausgehend irgendwo da draußen etwas sich finden müsse, worauf dieselben physikalischen Gesetze anwendbar sind. Ebensowenig ist eine Möglichkeit, dieselben physikalischen Gesetze in einer bestimmten Vorzeit und nach einer bestimmten Zeit der Entwickelung als anwendbar zu denken. Das ist der Wahnsinn der Kant-Laplaceschen Theorie, daß man glaubt, man kann dasjenige, was man abstrahiert hat von den gegenwärtigen physischen Erscheinungen der Erde, in beliebiger Weise nach rückwärts anwenden. Aber es ist auch der Wahnsinn der gegenwärtigen Astrophysik, daß man glaubt, was man von irdisch-physischen Wirkungen abstrahiert hat, könne man zum Beispiel jetzt für die

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Konstitution der Sonne anwenden, man könne auf Grund der physi-kalischen Gesetze der Erde auch über die Sonne reden.

Aber ein außerordentlich Wichtiges bietet sich uns, wenn wir die Umschau über die Erscheinungen, die wir gewonnen haben, zusammenhalten mit dem, was sich uns sonst noch ergeben hat, wenn wir also eine Erscheinungsreihe mit der anderen zusammenbringen. Wir haben ja aufmerksam darauf gemacht, daß die Physiker zu der Anschauung gekommen sind, die Eduard von Hartmann mit dem schönen Ausdruck festgehalten hat - dem zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie, nämlich, daß immer, wenn man Wärme in mechanische Arbeit verwandelt, Wärme übrigbleibt, also zuletzt alles in Wärme übergehen muß und der Wärmetod eintreten muß -, diese Anschauung, die Eduard von Hartmann bezeichnet damit, daß er sagt: «Der Welt-prozeß hat die Tendenz auszubummeln.» Nun schön, nehmen wir an, solch ein Ausbummeln des Weltenprozesses finde nach dieser Richtung statt, was sehen wir denn auftreten? Wir sehen, wenn wir Versuche anstellen, die gerade den zweiten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie veranschaulichen sollen, Wärme auftreten. Wir sehen die mechanischen Wirkungen verschwinden und sehen Wärme auftreten. Was wir da auftreten sehen, erfährt seinen Weitergang. Wir würden ebenso, wenn wir aus der Wärme Licht erzeugen, zeigen können, daß alles dasjenige, was als Wärme dem Licht entspricht, nicht anders ihm entsprechen kann als die Wärme dem mechanischen Prozeß im Sinne des zweiten Hauptsatzes der mechanischen Wärmetheorie, nur umgekehrt. Und so wiederum das Verhältnis zwischen den Licht-erscheinungen und den chemischen Erscheinungen.

Das aber hat uns dazu geführt, zu sagen, daß wir das ganze Welt-spektrum so vorzustellen haben, daß es sich im Kreise abschließt. Also, wenn es wirklich wahr wäre, was ja nur die Zusammenfassung einer gewissen Erscheinungsreihe ist, daß die Entropie unseres Weltalls einem Maximum zustrebt, daß der Weltenprozeß ausbummelt, so wäre dafür gesorgt, daß immer einer nachläuft. Da bummelt er aus (es wurde gezeichnet), von der anderen Seite läuft er nach, denn wir müssen ihn als einen Kreis darstellen. Würde also tatsächlich der Wärmetod auf der einen Seite eintreten, so würde auf der anderen Seite ankommen

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dasjenige, was ihn ausgleicht, was wiederum gegenüber dem Weltentod Weltenschöpfung ist. Das folgt aus der nüchternen Beobachtung der Erscheinungen selber.

Das rechtfertigt auch, in der Physik schon von Betrachtungen aus-zugehen, die den Weltenprozeß nicht so betrachten, wie wir gewöhnlich das Sonnenspektrum betrachten, indem wir ihn eben nach der einen Seite, nach der Vergangenheit, ins Unendliche laufen lassen, wie wir das Rot verfolgen ins Unendliche, indem wir ihn nach der anderen Seite in die Zukunft verlaufen lassen, wie wir das Blau verfolgen ins Unendliche, sondern wir müssen den Weltprozeß uns durch einen Kreis symbolisieren. Nur dann kommen wir dem Weltprozeß näher, wenn wir das tun.

Nun aber, wenn wir uns den Weltprozeß durch einen Kreis sym-bolisieren, dann haben wir drinnen dasjenige, was eben in unseren Gebieten gelegen ist. Aber in diesen Gebieten haben wir keine Ver-anlassung gehabt, akustische Effekte drinnen zu haben. Die liegen gewissermaßen nicht auf der Ebene. Da haben wir wiederum etwas anderes. Von dem wollen wir dann morgen weiter sprechen.

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VIERZEHNTER VORTRAG Stuttgart, 14. März 1920

Ich werde nur durch einige Hinweise diese Betrachtungen heute vorläufig abschließen können. Es ist ja selbstverständlich, daß dasjenige, was versucht worden ist in dem vorigen und in diesem Kursus, letztlich erst so recht herauskommen kann, wenn wir in der Lage sein werden, die Betrachtungen fortzusetzen. Ich werde über diese Dinge am Ende der heutigen Stunde noch ein paar Bemerkungen zu machen haben. Zunächst möchte ich Sie aber aus der ganzen Summe desjenigen, was wir vor unserer Anschauung vorbeigeführt haben in bezug auf die Wärmeerscheinungen und damit Verwandtes, aus dem Umkreis der Vorstellungen, die Sie dadurch haben gewinnen können, heute auf einiges aufmerksam machen. Das ist zunächst dieses:

Wir haben, wenn wir dieses noch einmal uns vor Augen führen, Wirklichkeitsgebiete im Physischen unterschieden: Das feste Gebiet, das wir z' genannt haben, das flüssige Gebiet, das wir y' genannt ha-ben, das gasige oder luftförmige Gebiet, das wir x' genannt haben. Dann haben wir dazwischen gehabt das Wärmegebiet, haben x als Lichtgebiet gehabt, y als Gebiet chemischer Effekte, z als die Lebenswirkungen.

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Nun haben wir ganz bestimmte Beziehungen gestern uns vor Augen führen müssen, die gewissermaßen bestehen über das Wärmegebiet

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hinüber von x zu x', von y zu y' Wir haben versucht, die Tatsache uns vor Augen zu stellen, welche darauf hinweist, wie chemische Ef-fekte vorzugsweise im flüssigen Element sich verwirklichen können. Wer versucht, chemische Vorgänge zu verstehen, wird ja finden: Wo auch chemische Vorgänge vor sich gehen, in einer gewissen Weise ist alles, was an chemischen Verbindungen und chemischen Entbindungen, chemischen Zersetzungen entsteht, an das flüssige Element gebunden. Es muß das Flüssige seine besondere Art wirken zu lassen, in das Feste oder Gasförmige hinein fortsetzen, damit dort chemische Wirkungen zustande kommen. Und so können wir ein Ineinanderwirken der chemischen Effekte und des Flüssigen bei einer relativen Scheidung dieser beiden Gebiete, also ein Durchdringen und im Durchdringen sich gewissermaßen binden, ins Auge fassen, wenn wir überhaupt von unserer irdischen Chemie sprechen. Unsere irdische Chemie würde also darstellen gewissermaßen ein Beleben des flüssigen Elementes durch die chemischen Effekte.

Nun werden Sie sich aber leicht vorstellen können, daß, wenn wir diese Wirklichkeitsgebiete ins Auge fassen, wir unmöglich uns denken können, daß gewissermaßen nur immer über die Wärme und das Gasige hinweg ein solches Gebiet in das andere wirkt, sondern es werden auch die anderen Gebiete aufeinander wirken. Es werden auch die anderen Gebiete gewisse Effekte hervorrufen wiederum in diesem oder jenem Wirklichkeitsfeld. So daß wir auch sagen können: Wenn auch zunächst wie durch eine innere Verwandtschaft die chemischen Effekte besonders wirken im flüssigen Medium, so müssen wir uns aber auch eine Wirkungsweise vorstellen, die von den chemischen Effekten zum Beispiel auf das x' geht, also ein direktes Hineinwirken der chemischen Effekte in das Gasige, das Luftförmige.

Sie müssen, wenn ich jetzt sage «chemische Effekte», nur ja nicht an die chemischen Vorgänge denken. Sondern Sie müssen, wenn ich sage «chemische Effekte», an dasjenige denken, was ja wie ein inneres, durchgeistigtes Element im blauvioletten Teil des Spektrums uns klar entgegentritt, wo gewissermaßen die chemischen Effekte sich uns in einer gewissen Selbständigkeit gegenüber dem materiellen Dasein zeigen, während, wenn wir von chemischen Vorgängen sprechen, wir

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eigentlich schon sprechen von dem Durchdringen des Materiellen durch die chemischen Effekte. Bei diesen müssen wir uns vorstellen etwas, was mit unserer ponderablen Materie zunächst nichts zu tun hat, sondern sie durchdringt, also zunächst durch eine innere Verwandtschaft, deren Charakter ich Jhnen gestern zusammengestellt habe, das flüssige Element durchdringt. Aber wenn wir die Frage aufwerfen: Wenn nun gewissermaßen sich diese chemischen Effekte das nähere Element, das Luftförmige, zu ihrem Wirken wählen, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, was entsteht denn dann? Dann muß - wir bleiben ja immer im Anschaulichen - im Luftförmigen etwas entstehen, was in einer gewissen Beziehung vorgestellt werden kann dadurch, daß wir es vergleichen mit dem, was im Flüssigen besteht. Jm Flüssigen packt gewissermaßen das Wesen der chemischen Effekte die Materie an, bringt die Materien so durcheinander, daß diese Materien selbst in Wechselwirkungen treten. Wenn wir das flüssige Element uns vor-stellen, müssen wir uns denken, daß die Materien da drinnen selbst in Wechselwirkung treten bei den chemischen Vorgängen. Nehmen wir aber an, es kommt nicht bis dahin, daß die chemischen Effekte die Materien selber anpacken, sondern nehmen wir an, sie bearbeiten diese Materien nur von außen, sie bleiben der Materie um ein Stück fremder, als sie es im flüssigen Medium sein können, dann tritt etwas ein, was sich stärker als ein Nebenhergehen der chemischen Effekte zeigen muß in dem luftförmigen Körper als in der Flüssigkeit. Dann muß eine gewisse Selbständigkeit des Imponderablen gegenüber dem materiellen Träger stattfinden. Bei den chemischen Vorgängen faßt das Imponderable die Materie scharf an. Hier werden wir auf Gebiete gewiesen, wo ein solch scharfes Anfassen nicht ist, sondern wo das Imponderable nicht drinnen bleibt in der Materie: Das ist bei dem Akustischen, bei den Tonwirkungen der Fall. Während wir in den chemisch-materiellen Wirkungen ein vollständiges Untertauchen des Imponderablen in die Materie haben, haben wir beim Ton ein Wahren, ein Sich-Bewahren des Imponderablen in der gasigen, der luftförmigen Materie. Das aber führt uns jetzt zu etwas anderem. Es führt uns dazu, daß wir uns sagen müssen: Es muß doch ein Grund da sein, warum im Flüssigen das Imponderable die Materie direkt angreift, daß aber

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dann, wenn Tonwirkungen im Luftförmigen auftreten, das Imponderable die Materie weniger erfassen kann.

Wenn wir chemische Wirkungen betrachten und einen Sinn haben für innerlich physikalisch Anschauliches, dann werden wir selbstverständlich verspüren, daß es eben einfach zum Wesen des Materiellen gehört, daß die chemischen Wirkungen gerade so vor sich gehen, wie sie vor sich gehen, das heißt, das Imponderable ist da wie etwas, was ein Merkmal an der Materie ist. Das ist nicht anders möglich als dadurch, daß in diesem Falle, wenn wir es mit einer irdischen Materie zu tun haben, das Erfassen des Imponderablen durch die Erde selber stattfindet. Durch die Kräfte der Erde wird gewissermaßen der chemische Effekt erfaßt und arbeitet in der flüssigen Materie drinnen. Sie sehen die Gestaltungskraft über das ganze Gebiet der Erde ausgedehnt und wirksam, indem sich diese Gestaltungskraft bemächtigt des herandringenden chemischen Effektes.

Wenn wir das nur richtig verstehen, daß es hier die Kraft der Erde ist, dann müssen wir, wenn wir richtig erfassen wollen das Weben des Tones in der Luft, die umgekehrte Kraft voraussetzen. Das heißt: Wir müssen im Tone uns wirksam denken die von der Erde nach allen Richtungen des Weltraumes hinausgehende, die Kräfte der Erde überwindende Tendenz, die also das Imponderable von der Erde wegbringt. Das macht das Eigentümliche der Tonwelt aus. Das macht das Eigentümliche aus bei der Physik der Töne, der Akustik, daß wir auf der einen Seite fähig sind, die materiellen Vorgänge physikalisch zu studieren, und auf der anderen Seite im Grunde genommen gar nichts von irgendeiner Rücksicht zu nehmen brauchen auf diese Akustik, wenn wir in der Welt der Töne mit unseren Empfindungen leben. Was geht uns schließlich, als empfindender Mensch, wenn wir die Töne wahrnehmen, alle Akustik an? Diese Akustik ist schön, weil sie merkwürdige innere Regelmäßigkeiten und Gesetzmäßigkeiten uns enthüllt, aber dasjenige, was sich als das subjektive Erlebnis in der Welt der Töne dar-lebt, das ist weit, weit entfernt von dem, was sich da als Physik der Akustik abspielt im Materiellen. Und das ist aus dem Grunde, weil das Tonelement eben seine Selbständigkeit dadurch bewahrt, daß es eigentlich uns seinem Ursprunge nach sich zeigt ebenso von der Peripherie

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des Weltenalls her bestimmt, wie sich uns die chemischen Vorgänge in der flüssigen Materie, als von dem Zentrum unserer Erde her bestimmt, zeigen.

Nun, der eine Zusammenhang, den wir ebensogut gestern schon beim Vortrag des Herrn Dr. Kolisko hätten erwähnen können, zeigt sich aber erst, wenn wir gewissermaßen zu einer Universalbetrachtung aufsteigen: daß wir ja die Anordnung der Elemente im periodischen System uns unter dem Bild der Oktave vorstellen können. Darin zeigt sich eine Analogie zwischen der inneren Gesetzmäßigkeit der Töne und dem ganzen Aufbau der Materie, wie sie sich vorbereitet, chemische Vorgänge zu entfalten. Dadurch rechtfertigt sich aber auch, daß wir das ganze Verbinden und Lösen des materiellen Daseins wie ein äußeres Bild auffassen einer inneren Weltenmusik und daß diese innere Welten-musik eben nur in einem besonderen Falle sich uns enthüllt in der irdi-schen Musik. Diese irdische Musik darf am allerwenigsten etwa bloß so angesehen werden, daß wir sagen: Was in uns Ton ist, ist außen schwingende Luft. Das muß als geradeso unsinnig betrachtet werden, wie man etwa es als unsinnig empfinden würde, wenn man sagen würde: Was du außen als Leib bist, das bist du, von innen betrachtet, als Seele, nur für dich. - Jetzt fehlt uns das Subjekt. Also dieses Fehlen des Subjektes ist auch da, wenn wir den Ton in seinen inneren Gesetzmäßigkeiten als dasselbe, als identisch betrachten wollen mit den Verdünnungen und Verdichtungen der Luft, die äußerlich im luftförmigen Medium seine Träger sind. Nun, wenn Sie dieses sich richtig vor Augen führen, so werden Sie sehen: Wir haben es zu tun mit einer gewissen Beziehung von y zu y bei den chemischen Vorgängen, und wir haben es zu tun mit einer gewissen Beziehung von y zu x' bei den Tonwirkungen (siehe Schema Seite 201).

Ich habe Sie darauf hingewiesen, daß, wenn wir innerhalb des einen oder anderen Gebietes bleiben, wir immer bei dem, was wir in der Außenwelt gewahr werden, zu Niveaudifferenzen geführt werden. Nun versuchen Sie zu verspüren das mit Niveaudifferenzen Ähnliche bei dem, was uns hier entgegentritt, versuchen Sie einfach zu verspüren das Ähnliche, sagen wir mit einer Niveaudifferenz, wie sie einfach bei der Schwerkraft auftritt, wo ein Wasser stürzt, wo auch die treibende

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Kraft bei einem Rade auf der Niveaudifferenz beruht. Versuchen Sie sich klarzumachen, daß Temperaturdifferenz, Wärmedifferenz, Klangdifferenz, der Ausgleich von Elektrizität auf Niveaudifferenz beruht. Also auf Niveaudifferenz. Wir kommen immer auf Niveaudifferenzen, wenn wir Wirkungen verfolgen. Aber was haben wir denn da? (Siehe Schema, Bogen y-y'.) Wir haben da eine innere Verwandtschaft zwischen dem, was wir im Spektrum wahrnehmen, und dem Materiellen in der Flüssigkeit. Und dasjenige, was sich uns darstellt, indem wir einen chemischen Vorgang beobachten, ist selber nichts anderes als der Unterschied des Daseins zwischen den chemischen Effekten und den Kräften, die in der Flüssigkeit sind. Es ist eine Niveaudifferenz y - y' Und dann ist da eine geringere Niveaudifferenz y - x', welche uns in den Tonwirkungen entgegentritt. So daß wir sagen können: Mit Bezug auf die Wirklichkeitsgebiete kann uns ein chemischer Vorgang eine Niveaudifferenz sein zwischen chemischen Effekten und Flüssigkeitskräften. Und das Auftreten des Tones und Klanges in der Luft muß uns sein die Niveaudifferenz zwischen demjenigen, was in den chemischen Effekten gestaltend, durch die Welt schießend wirkt, aber peripherisch von außen, und dem Materiellen des Gases, des luftförmigen Körpers.

Auch dasjenige, was durch diese Wirklichkeitsgebiete selbst sich äußert, äußert sich dadurch, daß sich Niveaudifferenzen herausbilden. Ob wir in einem Element bleiben, in der Wärme oder gar im Gas oder im Wasser: Auf Niveaudifferenzen beruhen die Dinge. Aber daß wir überhaupt Unterschiede wahrnehmen zwischen diesen Gebieten, das beruht auf den Niveaudifferenzen der Effekte dieser Gebiete selber.

Wenn Sie das alles zusammennehmen, so werden Sie auf folgendes kommen: Gehen wir bis zur Flüssigkeit und ihrer relativen Oberfläche, so mussen wir sagen: Wir haben es für die festen Körper zu tun mit Erdkräften. Inwiefern die Gestaltungskräfte - die figurativen Energien könnte man sagen, wenn man den Ausdruck der heutigen Physik anwenden wollte - verwandt sein müssen mit der Schwerkraft, ist Ihnen ja vor Augen getreten in den verflossenen Betrachtungen. Gehen wir aber von da über zu den Kräften, die sich als Schwerkraft äußern, zu demjenigen, was sich uns im gewöhnlichen Leben wegen der Größe

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der Erde als Niveau charakterisiert, so finden wir eine Sphäre. Natürlich, dasjenige, was die verschiedenen Niveauflächen des Wassers sind, bildet zusammen eine Sphäre. Nun werden Sie sehen, wenn man nach

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auswärts dringt, vom Mittelpunkt der Erde gegen diese Sphären hindringt, so ist das so, daß wir uns sagen müssen: Für irdische Verhältnisse haben wir es, wenn Kräfte wirken, die im Bereich des Festen sind, zu tun mit Umschließungskräften; wenn Kräfte wirken, die in der Flüssigkeit sind, haben wir es zu tun mit Kräften, welche eigentlich in ihrer Konfiguration erreicht werden können, etwa indem man die Tangente hier zieht, oder die Tangentialebene legen würde. Wenn wir aber noch weiter hinausgehen, wenn wir über das Gebiet der Sphären dringen, so müssen wir doch folgendes sagen: Unter diesen Sphären haben wir es mit Gestaltungskräften für unsere festen Körper zu tun, mit Gestaltungskräften, die auf der Erde selbst noch die Körperräume abschließen. Hier (die gestrichelte Sphäre) haben wir es zu tun mit einer einzigen Gestalt, die vielen Gestalten verbinden sich gewissermaßen, durchdringen sich zu der einen Gestalt, welche das flüssige Element der Erde hat. Aber wenn wir jetzt hier (außerhalb der Sphäre) hinauskommen -wie müssen wir uns denn da eine Vorstellung bilden, indem wir vorgedrungen sind heraus aus dem, was sich einzeln gestaltet, was also im Inneren bewirkt, daß der feste Körper sich zusammenschließt, daß das

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Ganze eine Gestalt ist -, wie müssen wir, wenn wir da hinauskommen, uns die Sache vorstellen? So müssen wir sie uns vorstellen, daß wir das Entgegengesetzte haben. Haben wir hier den festen Körper, mit Materie ausgefüllt, dann mussen wir hier uns den Raum mit negativer Materie ausgespart denken. Hier haben wir eine Raumerfüllung, hier eine Raumentleerung.

Das muß eine Vorstellung der Menschen werden, daß eine Raum-entleerung möglich ist. Und indem ja wahrhaftig dasjenige, was auf der Erde geschieht - ich will es heute nur so sagen, später wird es uns noch eingehender beschäftigen -, durchaus nicht nur etwa sich zeigt als von einer Seite her beeinflußt, sonst müßten die Vorgänge auf der Erde ganz andere sein, zeigt sich die Erde von allen Seiten in differenzierter Weise beeinflußt. Es würde zum Beispiel ja nicht möglich sein, daß Unterschiede in den Kontinenten und in der Wasserverteilung zwischen Nordpol und Südpol auftreten, wenn im Umkreis nur ein solcher Hohlraum irgendwo im Raume wäre. Es müssen von verschiedenen Seiten her diese Raumaussparungen wirken. Suchen wir sie, so finden wir sie in dem, was man in den alten kosmischen Systemen die Planeten genannt hat, zu denen man noch die Sonne selbst gerechnet hat.

Wir werden also hinausgetrieben über das Gebiet der Erde in das Gebiet des Kosmos und wir müssen den Übergang finden von der einen Seite des Raumes zu der anderen Seite des Raumes, wir müssen den Übergang finden von Raumerfüllung zu Raumentleerung. Und diese Raumentleerung müssen wir uns für unsere Erdenwirkung lokalisiert denken in den Planeten, die die Erde umgeben. Es werden daher auf unserer Erde - weil immer dasjenige, was durch die Raumentleerung hereinwirkt, gewissermaßen als Saugwirkung, und dasjenige, was hier wirkt durch die Gestaltungskräfte, als Druckwirkung erscheint -, es werden in jedem Punkte, wo Erdengeschehen stattfinden kann, Wechselwirkungen stattfinden zwischen Irdischem und Kos-mischem. Diese Wechselwirkungen treten uns entgegen in denjenigen Konfigurationen des Erdengeschehens, die man gewöhnlich in Molekularkräften, Molekularanziehungen sucht, während wir es wirklich so machen müßten, wie man aus anderen Erkenntnisvoraussetzungen es in

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früheren Zeiten gemacht hat. Statt daß man, wenn man etwas vor sich hat wie eine Materienwirkung, bei der ja immer Imponderables beteiligt ist, den ganzen Kosmos sich ausdrücken läßt in seiner Wirkung, verlegt man dasjenige, was geschieht, in phantastisch ausgedachte innere Konfigurationen. Dasjenige, was die Sterne machen, was Riesen wirken, wenn sie in ihren gegenseitigen Beziehungen sich darstellen in den Vorgängen der Erde, das sollen die Zwerge der Atome und Moleküle zustande bringen. Das ist eben das, was wir nötig haben: daß wir wissen, wenn wir irgend etwas hineinzeichnen oder hineinrechnen in einen materiellen Prozeß unserer Erde, daß das nichts anderes ist als das Abbild von außerterrestrischen, von kosmischen Wechselwirkungen.

Aber nun sehen Sie, wir haben hier die Kraft, den Raum mit Mate-riellem zu erfüllen (siehe Zeichnung, links). Hier haben wir noch

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immer die Kraft, den Raum mit Materiellem zu erfüllen, nur hat sich diese Kraft ausgedehnt, und sie muß irgendwo einmal ankommen auf der anderen Seite, sie muß zur Entleerung des Raumes kommen. Es muß da eine Region dazwischen sein, wo gewissermaßen, wenn ich mich so ausdrücken darf, der Raum zerreißt. Wir müssen uns sagen:

Unser Raum, der uns um uns herum erscheint und der gewissermaßen das Gefäß ist für unsere physikalische Wirkung, der muß innig verbunden sein mit unseren physikalischen Wirkungen. Er muß etwas

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darstellen, was in diesen physikalischen Wirkungen drinnen ist. Aber indem wir vom Ponderablen ins Imponderable übergehen, zerreißt der Raum, und wenn er zerreißt, dann kommt durch den Riß herüber dasjenige, was nicht da ist, bevor er zerrissen ist. Nehmen wir an, wir reißen den dreidimensionalen Raum auf, und wir fragen: Was kommt denn da heraus aus dem Riß? - Wenn ich hier in meinen Finger schneide, kommt Blut heraus, das bleibt im dreidimensionalen Raum. Wenn ich aber den Raum selber zerschneide, kommt das heraus, was schon im Unräumlichen ist.

Sehen Sie, hier liegt einer der Punkte, wo sich recht anschaulich zeigt, auf welchen Holzwegen die heutige physikalische Anschauungsweise ist. Nicht wahr, wenn wir elektrische Versuche im Schulzimmer machen, dann müssen wir unsere elektrischen Apparate sorgfältig abtrocknen, wir müssen sie zu schlechten Elektrizitätsleitern machen, sonst kriegen wir nichts fertig. Wenn sie feucht sind, kriegen wir nichts fertig. Aber es findet sich tatsächlich die Anschauung - ich habe das oftmals erwähnt -, als ob durch die Reibung der Wolken, die doch ganz gewiß feucht sind, nach Anschauung der Physiker die Elektrizität sich entwickelt und in Blitz und Donner zum Vorschein kommt. Das ist natürlich eine der unmöglichsten Vorstellungen, die nur überhaupt zu denken ist.

Dagegen findet derjenige, der nun, um zu einem wirklichkeitsge-mäßen Begriff zu kommen, alles das zusammenträgt, was wir hier versuchen, in unseren physikalischen Betrachtungen zusammenzutragen, daß in dem Augenblick, wo der Blitz erscheint, der Raum zerreißt, und dasjenige, was den Raum intensiv undimensional erfüllt, das tritt heraus, wie, wenn ich mich schneide, das Blut herausdringt. Das ist aber der Fall jedesmal, wenn Licht in Begleitung von Wärme erscheint:

Der Raum zerreißt, der Raum enthüllt uns dasjenige, was in seinem Inneren ist, während er uns in seinen gewöhnlichen drei Dimensionen, die wir vor uns haben, nur seine Außenseite zeigt. Der Raum führt uns in sein Inneres.

Wir dürfen sagen: Indem wir weiter aufsteigen vom Ponderablen ins Imponderable und gerade durch das Gebiet der Wärme gehen müssen, finden wir, daß die Wärme überall da herausquillt, wo wir aus

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den Druckwirkungen der ponderablen Materie in die Saugwirkungen des Imponderablen hineinkommen. Es quillt die Wärme überall heraus. Wenn Sie sich nun vorstellen, daß wir es zu tun haben mit dem Vorgange, den wir vor ein paar Tagen hier als Wärmeleitung bezeichneten, so müssen Sie daran die andere Vorstellung knüpfen, daß diese Wärmeleitung ja an die ponderable Materie gebunden ist, im Gegensatz zu dem, was wir ja auch aufgezeigt haben als die sich ausbreitende Wärme selbst. Die sich ausbreitende Wärme selbst finden wir ja jetzt als dasjenige, was da herausquillt, wenn der Raum zerreißt. Wie will denn diese Wärme wirken? Sie will aus der Intensität des Raumes in die Extensivität hineinwirken. Sie will gewissermaßen aus dem Inneren des Raumes in sein Außenwerk hineinwirken. Wenn sie in Wechselwirkung tritt mit einem materiellen Körper, so sehen wir die Erscheinung auftreten, die darin besteht, daß die Eigentendenz der Wärme aufgehalten wird, ihr Saugeffekt in einen Druckeffekt umgewandelt wird, daß sich der Weltentendenz der Wärme entgegenstellt die individualisierende Tendenz des Materiellen, die im festen Körper dann die gestaltende Kraft wird. Wir haben also in der Wärme, in dem Erscheinen der Wärme, sofern dieses Erscheinen zur Wärmeleitung führt, zu suchen eine jetzt nicht in Strahlen, sondern nach allen Seiten sich bildende Ausbreitungstendenz, wir haben zu suchen ein Spiegeln der imponderablen Materie an der ponderablen Materie, oder des Imponderablen an der ponderablen Materie. Der Körper, welcher uns die Wärme leitet, der bringt ja eigentlich fortwährend Wärme zum Vorschein, indem er im Grunde intensiv zurückstößt - nicht extensiv, wie beim Licht, das aber nur in seinen Bildern uns entgegentritt - die auf sein Materielles aufstoßende imponderable Wärme.

Nun möchte ich Sie aber bitten, solche Vorstellungen, wie wir sie ja gewohnt sind zu fassen, wirklich allmählich so zu verarbeiten, daß Sie in diesem Verarbeiten wirklich merken, wie wir es zu tun haben gewissermaßen mit wirklichkeitsgesättigten Vorstellungen. Und wie solche wirklichkeitsgesättigte Vorstellungen uns hineinführen in ein lebendiges Erfassen des Weltendaseins, das möge Ihnen noch ein Schlußbild veranschaulichen.

Ich habe Sie ja schon aufmerksam gemacht, worauf das Wahrnehmen,

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das subjektive Wahrnehmen, das Empfinden einer Temperatur beruht. Wir nehmen eigentlich die Temperaturdifferenz zwischen unserem eigenen Organismus und der Außenwelt wahr, was ja auch das Thermometer tut, ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht. Nun beruht aber überhaupt alles Wahrnehmen darauf, daß wir innerhalb eines gewissen Gebietes etwas sind, und dasjenige, was außerhalb dieses Gebietes liegt, wird unsere Wahrnehmung. Wir können nicht etwas zugleich sein und es wahrnehmen, sondern wir müssen immer etwas anderes sein als dasjenige, was wir wahrnehmen. Nehmen wir also Töne wahr, so können wir, insofern wir Töne wahrnehmen, nicht selbst Töne sein. Und wenn wir unbefangen die Frage beantworten:

Was sind wir, indem wir Töne wahrnehmen? - so können wir zu dem Schlusse kommen: Dann sind wir eben gerade dasjenige, was nun der andere Niveauunterschied ist. Diesen Niveauunterschied (y - x' im Schema Seite 201) nehmen wir wahr; y-y' nehmen wir nicht wahr, der sind wir während dieser Zeit; jene unsere Tonwahrnehmungen begleitenden, ebenso regelmäßig verlaufenden chemischen inneren Vorgänge in unserem Flüssigkeitsorganismus, die sind wir. Dasjenige, was die chemischen Effekte in uns bewirken, das zeichnet in die Welt hinein etwas sehr Regelmäßiges. Es ist keineswegs uninteressant, das folgende Bild zu betrachten. Sie wissen ja, der menschliche Körper besteht nur zu sehr geringen Teilen aus festen Bestandteilen, zu mehr als neunzig Prozent ist er eine Flüssigkeitssäule. Das, was da - und zwar an che-mischen Vorgängen, die nur sehr feiner Art sind - in unserem Orga-nismus sich abspielt während wir eine Symphonie anhören, das ist ein ganz innerer, fortwährend phosphoreszierender Wunderbau. Da sind wir, was die Chemie eines Tongemäldes ist. Und dadurch nehmen wir die Tonwelt wahr, daß wir gewissermaßen chemisch das werden, was die Tonwelt in dem Sinne ist, wie ich das hier dargestellt habe.

Sie sehen, das Verständnis des Menschen wird wesentlich gefördert dadurch, daß man das physikalische Verständnis an den Menschen heranbringt. Nun aber handelt es sich, um so etwas zu erreichen, immer darum, daß wir nicht jene abstrakten Vorstellungen uns bilden, die insbesondere in der heutigen Physik beliebt sind, sondern daß wir zu Vorstellungen vordringen, die nun wirklich mit der Welt, der objektiven

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Welt verwoben sind. Es ist im Grunde genommen alles das, was Geisteswissenschaft als Erkenntnisstreben, aber auch als Gesin-nungsstreben will, darauf hingehend, solches wirklichkeitsgemäßes Denken in der menschlichen Entwickelung wiederum heraufzubrin-gen. Und es ist notwendig, daß das heraufkommt. Deshalb wäre es so sehr notwendig, daß gerade solche schönen Bestrebungen, wie sie jetzt während dieser letzten vierzehn Tage hier hervorgetreten sind, fortgesetzt würden. Sie können ja überall sehen, wie in der Gegenwart ein Altes abstirbt. Kann man es denn nicht an den physikalischen Vorstellungen, mit denen nichts anzufangen ist, wirklich sehen, wie ein Altes abstirbt? Und indem wir hier noch ganz unvollkommen - denn es können ja nur immer Andeutungen ganz unvollkommener Art sein -versuchen, das physikalische Anschauen auch aufzubauen, zeigt sich denn darin nicht, wie sehr wir heute an einem Wendepunkte der menschlichen Entwickelung stehen?

Sehen Sie, meine lieben Freunde, so etwas muß uns immer darauf aufmerksam machen: Wir sollen diese Dinge fortsetzen, die jetzt eingetreten sind dadurch, daß Herr Dr. von Baravalle, Herr Dr. Blümel, Herr Strakosch, Herr Dr. Kolisko hier auf den verschiedensten Gebieten angeregt haben, dasjenige, was die Entwickelung der Menschheit bis jetzt gegeben hat, mit einem neuen Einschlag zu versehen. Dadurch liefern wir erst die Grundlage für ein Weiterkommen. Denn sehen Sie, draußen in der Welt reden die Leute davon, es müsse aufgebaut werden. Volkshochschulen müßten begründet werden. Ja, aber, was heißt denn das heute draußen in der Welt: Man fordert Volks-hochschulen? Die dänische Volkshochschulbewegung wird uns vorgewiesen. Was heißt denn das alles, was da Volkshochschulen fordert? Man trägt dasjenige, was an den alten Hochschulen getrieben worden ist, in die Volkshochschulen hinein. Dadurch wird nichts Neues geschaffen. Dadurch wird nur von demjenigen, von dem bis jetzt nur unsere gelehrte Bildung angesteckt war, das ganze Volk angesteckt. Es gibt kaum etwas Trostloseres als den Zukunftsgedanken, daß nun dasjenige, was die Köpfe unserer Gelehrten und Gebildeten in dieser Weise verwüstet hat, wie wir es gesehen haben, nun auch noch auf dem Wege des Volkshochschulwesens die ganze gebildete Bevölkerung der Erde

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ebenso erstarren machen soll. Will man Volkshochschulen errichten, dann hat man vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß dort etwas gelehrt werden kann, was selber in seiner inneren Konfiguration ein Aufbau ist. Wir brauchen ja erst die Wissenschaft, die an den Volkshochschulen getrieben werden kann. Man möchte immer an der Oberfläche bleiben, man möchte immer nur das nehmen, was da ist. Geradeso wie die Menschen im Politischen nicht das Neue möchten, sondern immer wiederum probieren möchten mit dem Alten; wie selbst die Sozialdemokraten nicht etwas Neues aufbauen, sondern es mit dem alten Staat versuchen wollen, nur dort ihren Senf hineintragen wollen, so will man auch in der geistigen Kulturbewegung nicht radikal nach einer Erneuerung unserer Erkenntnisart streben, sondern das Alte, das Untergehende nun in das Volk tragen. Gerade an den physikalischen Be-trachtungen ist das ja am tiefsten und bedeutungsvollsten einzusehen.

Gewiß, Sie werden Unbefriedigendes genug da oder dort in dieser Vortragsfolge finden, weil die Vorträge nur aphoristisch sein konnten, aber das eine wird sich Ihnen in dieser Vortragsfolge zeigen: daß es einfach notwendig ist, unsere gesamte physikalische, chemische, physiologische und biologische Vorstellungswelt neu aufzubauen, gründlich neu aufzubauen. Darin kommen wir natürlich nur weiter, wenn wir nicht nur das Schulwesen, sondern auch das Wissenschaftswesen selbst weiterbilden. Und wenn so etwas entstehen könnte hier an unserer Waldorfschule, daß wir ausbauen erstens die Unterrichtsklassen nach oben und zweitens ausbauen zu gleicher Zeit mit dem Schulwesen das Akademiewesen, zu dem wir einen wirklichen Keim in diesen Tagen gelegt haben - denn es war so etwas wie der Keim zu einem neuen Akademiewesen -, dann würden wir eigentlich erst das erreichen, was im Grunde genommen erreicht werden soll und muß, wenn die europäische Zivilisation nicht zugrunde gehen soll auf geistigem Ge-biet.

Nehmen Sie nur einmal das schreckliche Treiben in den Akademien der Welt heute: Dieses von allem wirklichen Leben ausgesogene sich gegenseitige Anlesen mit langgeschriebenen Abhandlungen in den Akademien, wo die Leute in schönen Sälen sitzen und sich ihre langgeschriebenen Vorlesungen vorlesen und keiner dem anderen zuhört.

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Denn das Merkwürdige ist doch das, daß der eine Spezialist auf dem Gebiete ist, der andere auf jenem. Da hört der Mediziner dem Mathematiker nicht zu, aber der Mathematiker liest. Und wenn der Mediziner liest, beschäftigt sich in seinen Gedanken der Mathematiker mit etwas ganz anderem. Außerdem ist das ganze nur ein äußerliches traditionelles Zeichen. Da muß die Erneuerung einsetzen. Im Zentrum des geistigen Strebens muß die Erneuerung einsetzen. Das muß durchschaut werden. Daher kann man schon sagen: Wenn man es noch dahin bringen könnte, daß hier in Verbindung mit dem Streben nach einer neuen Art von Wirklichkeit ein Ausbau dieses unseres Schul-gedankens geschehen könnte, dann würden wir erst das erreichen, was erreicht werden soll.

Sie sehen, es ist viel zu tun. Aber man lernt auch nur erst richtig erkennen, wieviel zu tun ist, wenn man auf die Einzelheiten eingeht. Deshalb ist es ja so unendlich bedauernswert, daß jetzt Leute, die nur die alten Erkenntnisvorurteile der Menschheit - dazu sind sie geworden, denn ihre Zeit haben sie gehabt - in Phrasen umsetzen, heute tatsächlich große Kapitalien zusammenbekommen, um ihre Akademien und dergleichen in die Welt setzen zu können. Uns wird es vorzugsweise aus dem Grunde schwer, weil wir von der Erkenntnis durchdrungen sein mussen: Ein wirkliches Neuland ist notwendig. Wir können uns nicht der Illusion hingeben: Macht Volkshochschulen! Denn wir müssen in der Wirklichkeit leben und uns sagen, wir müssen erst etwas haben, was wir an diesen Volkshochschulen lehren sollen. Ebenso aber wie, ich möchte sagen, sogar zwischen den Zeilen der bisherigen Wissenschaft, sich eine fruchtbare Technik entwickelt hat, so wird sich erst recht eine noch fruchtbarere Technik entwickeln, wenn jene Wissenschaft populär werden wird, die wir hier zum Beispiel gerade im physikalischen Gebiet anstreben. Sie sehen ja, überall versucht man, aus dem alten Theoretischen herauszukommen und ins Wirkliche hin-einzukommen, so daß schon die Vorstellungen mit Wirklichkeit gesättigt sind. Das muß auch eine Technik geben, die in ganz anderer Weise verläuft als die bisherige Technik. Praxis und Erkenntnis, sie hängen doch innerlich zusammen. Und wenn man an irgendeinem Punkte anfaßt dasjenige, was heute des Reformierens bedarf wie die

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Physik, so merkt man gleich, was eigentlich zu geschehen hat. Wenn es daher jetzt an der Zeit ist, daß wir wieder auseinandergehen, so möchte ich Sie doch darauf verweisen, daß Sie in dem, was hier nur aphoristisch vorgetragen worden ist, etwas sehen, das Sie selber anregen soll, diese Dinge weiter auszubauen. Sie werden sie ausbauen können. Unsere mathematischen Physiker, die wir ja unter uns haben, werden in der Lage sein, die alten Formeln zu revidieren, und sie werden finden, daß, wenn sie hineinarbeiten in die alten Formeln die Erkenntnisse, die sich gewinnen lassen aus den aphoristischen Andeutungen, die ich gegeben habe, diese Formeln auch gewiß Transformationen erfahren, die aber eigentlich Metamorphosen sind, und aus denen wird mancherlei heraussprießen, was technisch von ungeheurer Bedeutung für die Fortentwickelung der Menschheit sein wird. Das ist ja etwas, was man nicht einmal andeuten kann, sondern worauf man zunächst nur hinzuweisen hat.

Aber wir müssen diese Betrachtungen jetzt abschließen, deren Fortsetzung in Ihrer eigenen selbständigen Arbeit liegen muß, und die ist es, die ich Ihnen besonders ans Herz legen möchte. Denn die Sachen sind jetzt außerordentlich dringlich, die sich beziehen auf den Fortschritt der Menschen auf allen drei Gebieten. Die Dinge sind heute erstens dringlich: Wir haben wirklich keine Zeit zu verlieren, weil das Chaos ja vor der Türe steht. Das zweite aber ist: Richtiges ist doch nur zu erreichen durch eine geregelte menschliche Zusammenarbeit. Also müssen wir versuchen, dasjenige, was angeregt ist, in uns selber weiter zu verarbeiten. Und Sie werden auf der anderen Seite gerade hier in der Waldorfschule finden: In dem Augenblick, wo Sie sich bemühen, gewisse rektifizierte Begriffe, die wir hier gewonnen haben, auf den Unterricht anzuwenden, geht es gleich. Sie werden aber auch finden, insofern Sie genötigt sind, diese Dinge im Betriebe des Lebens anzuwenden, geht es auch. Und es wäre schon zu wünschen, daß man heute mit der Naturwissenschaft nicht immer nur zu einem Publikum zu sprechen hat, das ja eigentlich schon manches aufnimmt, das aber immer sich ausgesetzt sieht - ich habe das ja schon im Verlaufe des Kursus bemerkt - dem Urteil der «richtigen Wissenschafter», der «Autoritäten». Diese Autoritäten haben keine Ahnung davon, daß ja

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in alles, was wir betrachten, im Grunde genommen alles andere fortwährend hineinspielt. An der Sprache könnte man es merken.

Sehen Sie, in der Sprache lassen wir alles in gegenseitiger Wechsel-beziehung sein. Wir sprechen von einem Stoß. Nur deshalb, weil wir etwas, was ursprünglich der Stoß war, den wir selbst vollführt haben, mit dem entsprechenden Wort bezeichnen, sprechen wir von einem Stoß auch in einem menschenentblößten Raum. Und wiederum umgekehrt, wir sprechen dasjenige, was in uns geschieht, mit Worten aus, die von der Außenwelt her genommen sind. Aber wir wissen nicht, daß wir in die Außenwelt schauen sollen, zum Beispiel in den planetarischen Kosmos, wenn wir die Konstitution des irdischen Körpers verstehen wollen. Und wir werden daher, wenn wir das nicht wissen, auch nicht dasjenige lernen können, worauf es ankommt. Wir können zwar ganz interessantes Kleinzeug entdecken, wenn wir das Mikroskop auf irgendeinen Pflanzenkeim oder Tierembryo richten, auf irgendeine Zelle, die mikroskopisch klein ist; da entdecken wir allerlei wirklich Interessantes. Aber dasjenige, worauf es ankommt, was wir ahnen, das würden wir entdecken, wenn wir dieselben Vorgänge, die im Mikroskop drinnen sind, überhaupt nur erst einmal sehen würden, wenn sie sich makrokosmisch abspielen. Wenn wir erst sehen würden, wie sich fortwährend im Wechselspiel der äußeren Natur Befruchtungen und Entfruchtungen vollziehen; wenn wir studieren würden, wie die Planeten als Ausgangspunkte für die imponderab-len physikalischen Wirkungen zu erfassen sind; wenn wir erfassen würden den Kosmos in seinen Ausgangspunkten für das Pflanzenkeimen, für das Tierkeimen; wenn wir das alles betrachten würden im Großen, was wir heute versuchen zu sehen, wenn wir das Mikroskop auf die Zelle richten im Kleinen, wo es gar nicht ist; wenn wir versuchen könnten, überhaupt erst anzuschauen, was uns umgibt - dann würden wir weiterkommen. Der Weg ist heute schon klar vorgezeichnet. Durch die Vorurteile der Menschen ist er sehr, sehr verlegt. Diese Vorurteile der Menschen werden sich schwer überwinden lassen. An uns aber ist es, alles zu tun, was diese Vorurteile überwinden kann.

Hoffentlich können wir diese Betrachtungen einmal wieder fort-setzen.

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HINWEISE

Den vorliegenden zweiten naturwissenschaftlichen Kurs hielt Rudolf Steiner wie den ersten Kurs an der Freien Waldorfschule in Stuttgart. Zuhörer waren ungefähr derselbe kleine Kreis von Menschen, in der Hauptsache das Lehrerkollegium der Waldorfschule, deren Leiter Rudolf Steiner war, erweitert um einige mathematischnaturwissenschaftlich gebildete Persönlichkeiten der Anthroposophischen Gesellschaft und wenige andere. Zu diesem Kreise konnte gesprochen werden als zu Men-schen, welche die Impulse der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners grundsätzlich kannten, welche über die Grundlagen und über die konkreten Schritte seines Wirkens sich ein Urteil erworben hatten und welche selber in Richtung dieser Impulse zu arbeiten willens waren. Die Veröffentlichung solcher Ausführungen müßte Miß-verständnissen ausgesetzt sein, wenn die Art ihrer Entstehung nicht berücksichtigt würde. Nicht um die Darstellung einer fix und fertigen neuen Physik handelte es sich, sondern um die Entwicklung weiter naturwissenschaftlicher Gesichtspunkte und um die daraus folgende Anregung von Forschungsarbeit bei einer Anzahl von Persönlichkeiten, welche eine gründliche fachliche Ausbildung mitbrachten. Was so als Anregung in dem bestimmten Kreise gegeben wurde, wendet sich durch die Veröffentlichung an alle, die der aufgezeigten Forschungsrichtung eine Bedeutung beizumessen in der Lage sind. Im Rahmen der Gesamtausgabe erscheint auch dieser Band in dem Zusammenhang, aus dem er stammt, und ist wiederum nur ein Stein im Aufbau des gesamten Werkes, welches man, soweit es in Schrift und Vortrag zum Ausdruck gekommen ist, als ein relatives Ganzes ins Auge zu fassen imstande ist.

Im Kurs wird ausgesprochen, daß er nach der einen Seite den Lehrern etwas bieten will für das Unterrichten, also auch auf das Pädagogische hin orientiert ist. Nur ist klar, daß es nicht darum zu tun ist, die Physik der Schule einfach vorzutragen, sondern, wie überall im Werk Rudolf Steiners, um eine Erziehung und Schulung des Denkens und Erkennens, das zu einer erweiterten Wirklichkeitserfassung erst gebracht werden muß. Auf naturwissenschaftlichem Felde und insbesondere auch in der Physik hat Goethe in seiner Weise solch eine Wirklichkeitserfassung schon getätigt. Davon ist die heutige Schulphysik gewiß sehr weit entfernt. Doch steht auf der anderen Seite, unsere Gegenwartssituation merkwürdig beleuchtend, die Tatsache, daß einige wenige, aber an der Spitze ihrer Wissenschaft stehende Physiker anfangen, für die durch anderthalb Jahrhunderte von den Wissenschaftlern sozusagen nur abgelehnten Forschungen Goethes ein bemerkenswertes Interesse zu entwickeln.

Wie nun aber die Ausführungen des Kurses sich entwickeln, war gewiß für die damaligen Zuhörer, und ist es für den gegenwärtigen Leser, und für diesen noch aus einem ganz besonderen Grund, doch überraschend. Wer nämlich die Entwicklung der Physik in den Jahren nach dem Tode Rudolf Steiners nimmt und mit genügend weitem Sinn etwa den 12. Vortrag liest, muß überrascht sein, wie diese mathematischen Ausführungen, welche im Ganzen des Kurses fast wie eine Episode erscheinen können, präzis auf Punkte hinsteuern, an denen dann Entscheidendes in der Physik sich abgespielt hat: die Wärmeleitungsgleichung mit imaginärem Koeffizienten

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und das Hereinnehmen der überimaginären ZaMen in die Physik. Daß hier aus ganz anderen Zusammenhängen heraus auf diese Punkte hingeführt wird, als später in der Atomphysik, eröffnet die Perspektive auf eine viel weitere Bedeutung dieser Schritte, als bisher verstanden ist, wirft anderseits auch Fragen auf über das eigentliche Wesen dieser neueren Atomphysik selber. Und wenn am Schluß des 11. Vortrages gesagt wird: «Daß die moderne Physik diesen Begriff gar nicht entwsckelt, diesen Begriff der negativen Materie, die sich zu der äußeren Materie so verhält wie eine Saugwirkung zu einer Druckwirkung, das ist das Unglück dieser modernen Physik», so tönt das für den heutigen Physiker doch noch sehr anders, als es für die Physiker unter den Zuhörern des Kurses sein konnte. Der Zusammenhang, aus dem heraus Rudolf Steiner spricht, und der ganz andere, in welchem die Atomphysik zur Feststellung von Antimaterie geführt wurde, verbietet allerdings, «nega-tive Materie» und «Antimaterie» gleichzusetzen. Wieder steht man vor der Frage, wie das in der Atomphysik aufgetauchte Wirklichkeitsgebiet sich verhält zu den im Kurs entwickelten Wirklichkeitsgebieten der Natur. Diese Einsicht muß sich aus einem wirklichen Verständnis des Ganges dieses Kurses im Vergleich mit den Wegen der Atomphysik erschließen können. Aspekte zu einer Antwort finden sich außer im vorliegenden Kurs zahlreich verstreut über das ganze Werk Rudolf Steiners. Einen sehr prinzipiellen gibt der Vortrag »Die Ätherisation des Blutes» aus dem Bande »Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit» (1911), wo neben der physischen und überphysischen Welt die unterphysische Welt charakterisiert wird.

So sind bei der Veröffentlichung dieses Kurses in der Rudolf Steiner Gesamtausgabe durch die Entwicklung der Physik selber Aspekte aufgetreten, welche zu dem etwas hinzufügen, als was diese Vorträge zu ihrer Zeit erscheinen konnten.

Zur Herausgabe dieses Kurses sind in Ergänzung des Vermerkes auf S.5 noch nähere Angaben nötig: Die Schwierigkeiten des Stenographierens bei solchen Kursen, wo gleichzeitig mit dem Sprechen auch experimentiert, geschrieben und gezeichnet wurde, sind so groß, daß eine ganz wörtliche Aufzeichnung fast unmöglich erscheint. Erschwerend für die Herausgabe war, daß keine Stenogramme vorlagen, sondern nur eine aus solchen herausgeschriebene Nachschrift. Hat doch die Arbeit an der Gesamtausgabe gezeigt, daß viele sinnlose Stellen dadurch in die Nachichriften gekommen sind, daß die Entzifferung der stenographischen Kürzungen durch einen der Sache Unkundigen erfolgt ist. Rudolf Steiner sprach einmal, als von der Herausgabe der naturwissenschaftlichen Kurse die Rede war, vom «Kohl«, der in den Nachsehriften stehe, und daß er sie zuerst korrigieren müßte, damit sie sinngemäß wären. Zu dieser Korrektur ist es nicht gekommen. Wahrscheinlich ist im vorliegenden Text da und dort noch in diesem Sinne Unrichtiges stehen geblieben, weil anderseits das wichtigste Bestreben der Herausgabe sein mußte, daß kein vom Redner wirklich intendierter Gedanke - und es handelt sich ja nicht um landläufige Gedanken - abgeändert werde.

In einer späten Phase standen den Herausgebern eine Reibe von Exemplaren der ersten Auflage zur Verfügung, in welche die betreffenden Leser des Kurses Korrekturvorschläge eingetragen hatten, und zwar von vereinzelten Bemerkungen zu gewissen Stellen bis zu druckfertig durchgearbeiteten Manuskripten. Die Herausgeber

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haben diese vielen Vorschläge geprüft und davon freien Gebrauch gemacht. Sie verdanken ihnen die Aufklärung mancher fragwürdigen Stelle und andere wertvolle Hilfeleistungen. Zahlreich sind aber auch die Stellen, wo der gegenwärtige Text auf den Wortlaut der ursprünglichen Nachschrift zurückgeht, welcher an diesen Stellen oft schon in der ersten Vervielfältigung des Kurses, aber ohne genügenden Grund, geändert worden war. Titel und Untertitel des vorliegenden Bandes stammen von den Herausgebern. Ursprünglich war einfach vom «Zweiten naturwissenschaftlichen Kursus« die Rede, gelegentlich auch von der «Wärmelehre».

zu Seite

11 bei meinem letzten Aufenthalt hier Anläßlich der Vorträge vom 23 Dezember

1919 bis 3. Januar 1920 erschienen in der Gesamtausgabe unter dem Titel Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik Erster na turwissenschaftlicher Kurs Gesamtausgabe Dornach 1964 Bibl. Nr 320

11 Denken Sie sich, Sie haben hier ein Gelaß Den Versuch mit den drei Ge fäßen mit verschieden warmem Wasser beschreibt Ernst Mach zu Beginn sei ner «Prinzipien der Warmelehre historssch kritssch entwickelt Leipzig 1896 um aber im wesentlichen die entgegengesetzten Gedanken wie hier daran zu knüpfen. Der Versuch wiederholt sich bis in neu erschienene Lehrbücher der Physik, um die Unzuverlässigkeit der Sinneswahrnehmung daran zu demonstrieren.

16 Zeno: etwa 490-430 v. Chr., aus Elea, Schüler des Parmenides. Nach Aristoteles ist er der Erfinder der Dialektik.

19 Auf diesen Unterschied habe ich schon im vorigen Kursus hingewiesen: Im ersten naturwissenschaftlichen Kurs, besonders im ersten Vortrag, siehe Hinweis zu S. 11.

20 Einstein: Albert Einstein, Ulm 1879-1955 Princeton. Begründete u. a. die «spezielle Relativitätstheorie» 1905 und 1915 die «allgemeine Relativitätstheorie».

20 die Nachricht, die sich anknüpfte an die letzte Sitzung der Berliner Physikalischen Gesellschaft: Die Sitzung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zu Berlin hatte erst 10 Tage vorher, am 20. Februar 1920 stattgefunden. Max v. Laue konnte einen durch englische Forscher vermittelten Abzug der Photographie vorlegen, welche am 29. Mai 1919 von der totalen Sonnenfinsternis in Brasilien gemacht worden war. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie sollten die in unmittelbarer Nähe der Sonne sichtbaren Sterne durch die Schwerkraft der Sonne abgelenkt erscheinen. Die vorgelegten Meßwerte bestätigten die Theorie weitgehend.

Von der im Anschluß an diese Darlegungen geführten Diskussion, welche hier besonders interessiert, steht in den «Verhandlungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft» nichts. Rudolf Steiner referiert sie hier andeutungsweise, offensichtlich auf Grund von Zeitungsmeldungen, welche aber bisher nicht festgestellt werden konnten. Doch geben die vielen anderen Erörterungen der allgemeinen Relativitätstheorie, welche im Jahre 1920, ausgelöst durch die englische Sonnenfinsternis-Expedition, stattgefunden haben, Aufschluß über die Voraussetzungen, aus welchen heraus sie geführt wurden, z. B. A. Sommerfeld's

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«Bericht über die allgemeine Relativitätstheorie und ihre Prüfung an der Erfahrung» (Archiv für Elektrotechnik, Bd. 9): Im Sonnenspektrum sollten die Spektrallinien im Vergleich mit Spektren irdischer Lichtquellen gegen Rot verschoben erscheinen, und zwar als Folge der Anziehungskraft der Sonne. Diese Verschiebung ist aber so gering, daß sie bislang nicht bemerkt worden war, und liegt an der Grenze der Leistungsfähigkeit der Apparate. Doch hat man im Verlauf des Jahres 1920 dann geglaubt, einige solcher Verschiebungen nachgewiesen zu haben.

Das starke Interesse Rudolf Steiners an der Sache gilt nicht der Bestätigung der Relativitätstheorie als solcher, sondern der Möglichkeit, durch äußere Kräfte auf die Farben im Spektrum einzuwirken. Der Kurs führt selber im 11. und 12. Vortrag auf diese Problemstellung hin.

21 dann wird man gewisse Dinge... einfach nachträglich bestätigen können: Der vorliegende Kurs hat selber in gewisser Art Beispiele solcher Bestätigungen ergeben, man vergleiche die Vorbemerkungen zu den Hinweisen.

26 daß heute... solche Vorstellungen schon etwas abgekommen sind: Daß vom Ende des vorigen und vom Beginn unseres Jahrhunderts eine bedeutsame Literatur in dieser Richtung besteht, wird heute wenig berücksichtigt. Einige Beispiele mögen zur Verdeutlichung folgen:

E. Mach, «Die Analyse der Empfindung« 9. Auflage 1922, S.253-256: «Als einen weiteren Gewinn (aus den vorausgehenden Untersuchungen) müssen wir ansehen, daß der Physiker von den herkömmlichen intellektuellen Mitteln der Physik sich nicht mehr imponieren läßt. Kann schon die gewöhnliche nur als ein sich unbewußt ergebendes, sehr natürliches Gedanken-symbol für einen relativ stabilen Komplex sinnlicher Elemente betrachtet wer-den, so muß dies um so mehr von den künstlichen hypothetischen Atomen und Molekülen der Physik und Chemie gelten. Diesen Mitteln verbleibt ihre Wertschätzung für ihren besonderen beschränkten Zweck. Sie bleiben ökonomische Symbolisierungen der physikalisch-chemischen Erfahrung. Man wird aber von ihnen wie von den Symbolen der Algebra nicht mehr erwarten, als man in dieselben hineingelegt hat, namentlich nicht mehr Aufklärung und Offen-barung als von der Erfahrung selbst. Schon im Gebiet der Physik selbst bleiben wir vor Überschätzung unserer Symbole bewahrt. Noch weniger wird aber der ungeheuerliche Gedanke, die Atome zur Erklärung der psychischen Vorgänge verwenden zu wollen, sich unserer bemächtigen können. Sind doch die Atome nur Symbole jener eigenartigen Komplexe sinnlicher Elemente, die wir in den engeren Gebieten der Physik und Chemie antreffen.

... Wenn wir nun die ganze materielle Welt in Elemente auflösen, welche zugleich auch Elemente der psychischen Welt sind, die als solche letztere gewöhnlich Empfindungen heißen, wenn wir ferner die Erforschung der Verbindung, des Zusammenhanges, der gegenseitigen Abhängigkeit dieser gleichartigen Elemente aller Gebiete als die einzige Aufgabe der Wissenschaft ansehen; so können wir mit Grund erwarten, auf dieser Vorstellung einen ein-heitlichen monistischen Bau aufzuführen und den leidigen verwirrenden Dualismus los zu werden. Indem man die Materie als das absolut Beständige und Unveränderliche ansieht, zerstört man ja in der Tat den Zusammenhang zwischen Physik und Psychologie.

. . . Bald nach Erscheinen der ersten Auflage [1885] dieser Schrift belehrte mich ein Physiker darüber, wie ungeschickt ich meine Aufgabe angefaßt hätte.

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Man könne, meinte er, die Empfindungen nicht analysieren, bevor die Bahnen der Atome im Gehirn nicht bekannt seien. Dann allerdings würde sich alles von selbst ergeben. Diese Worte, welche vielleicht bei einem Jüngling der Laplaceschen Zeit auf fruchtbaren Boden gefallen wären, und sich zu einer psychologischen Theorie auf Grund (!) entwickelt hätten, konnten mich natürlich nicht mehr bessern. Sie hatten aber doch die Wirkung, daß ich Dubois mit seinem , das mir bis dahin als die größte Verirrung erschienen war, im stillen Abbitte leistete. War es doch ein wesentlicher Fortschritt, daß Dubois die Unlösbarkeit seines Problems erkannte, und war diese Erkenntnis doch für viele Menschen eine Befreiung, wie der sonst kaum begreifliche Erfolg seiner Rede beweist. Den wichtigeren Schritt der Einsicht, daß ein prinzipiell als unlösbar erkanntes Problem auf einer verkehrten Fragenstellung beruhen muß, hat er allerdings nicht getan. Denn auch er hielt, wie unzählige andere, das Handwerkszeug einer Spezialwissenschaft für die eigentliche Welt.«

Wilhelm Ostwald: «Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus« . Vortrag, gehalten in der dritten allgemeinen Sitzung der Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte zu Lübeck am 20. September 1895 (in «Abhandlungen und Vorträge«, Leipzig 1904): ... . Vom Mathe-matiker bis zum praktischen Arzt wird jeder naturwissenschaftlich denkende Mensch auf die Frage, wie er sich die Welt gestaltet denkt, seine Ansicht dahin zusammenfassen, daß die Dinge sich aus bewegten Atomen zusammensetzen, und daß diese Atome und die zwischen ihnen wirkenden Kräfte die letzten Realitäten seien, aus denen die einzelnen Erscheinungen bestehen . . . Es ist meine Absicht, meine Überzeugung dahin auszusprechen, daß diese so allgemein angenommene Auffassung unhaltbar ist; daß diese me-chanistische Weltansicht den Zweck nicht erfüllt, für den sie ausgebildet worden ist; daß sie mit unzweifelhaften und allgemein bekannten und anerkannten Wahrheiten in Widerspruch tritt. Der Schluß, der hieraus zu ziehen ist, kann keinem Zweifel. unterliegen: die wissenschaftlich unhaltbare Anschauung muß aufgegeben und womöglich durch eine andere und bessere ersetzt werden . . . die Unzulänglichkeit der üblichen mechanistischen Ansicht wird leichter nachzuweisen sein, als die Zulänglichkeit der neuen, die ich als die energetische bezeichnen möchte.« (Man vergleiche die Auseinandersetzung Rudolf Steiners mit der Lübecker Rede Ostwalds in der Einleitung zu «Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften», 4. Band, 1. Abt., 1897; Taschenbuchausgabe der Einleitungen zu «Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften» Stuttgart 1962, S.217 ff.)

Georg Helm: «Die Energetik nach ihrer geschichtlichen Entwickelung» Leipzig 1898, S.144-146: «Die vorangehende Darstellung hat wiederholt Gelegenheit geboten, darauf hinzuweisen, daß bis in das achte Jahrzehnt des Jahrhunderts die Thermodynamik eng verknüpft gehalten wurde mit der kinetischen Gastheorie, also der Atomistik. Man dachte sich die Sache etwa so, als handelte es sich im Energie- und Entropiegesetz um Überschläge in Bausch und Bogen, die wobl für manche, z. B. technische Zwecke ausreichend seien, ähnlich wie in der Mechanik sich die Schwerpunkts- und Flächenintegrale oder das Ener-gieintegral. nützlich erweisen, die aber nimmermehr den Feinheiten der Natur zu folgen gestatten, nimmermehr einen Blick in die Mechanik des Inneren der Körper erschließen. Wem die Auflösung alles Geschehens in Bewegung der Atome als höchstes Ziel theoretischen Naturerkennens vorschwebt, dem kann freilich die Thermodynamik . . . als eine Ramschtheorie erscheinen, weil ihr

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nur Beziehungen zugängl.ich sind, die er als späte Folgen jener nach seiner Meinung wahren und eigentlichen innersten Vorgänge betrachtet. Die Überwindung dieser atomistischen Betrachtungsweise gehört nicht der Energetik allein an, all.gemeinere Gedankenführungen haben daran teil, die Energetik hat nur wesentlich den Gl.auben an die Notwendigkeit atomistischer Hypothesen erschüttert und an die Befriedigung, die sie gewähren sollen . . . Es scheint mir heutzutage unnötig, mit Waffengekl.irr wider die mechanische Hypothese an sich zu Felde zu ziehen; sie hat ihre Schuldigkeit getan . . . Zu bekämpfen ist nur, daß man diese mechanische Hypothese durch allerhand Künsteleien aufrecht zu erhalten sucht, als käme es mehr auf die Existenz der bewegten Atome an, als darauf, die Erfahrungen einfach zu beschreiben. Vor allem ist aber die noch keineswegs ausgerottete Vermengung der Energetik mit der Molekularhypothese zu bekämpfen.

Helmholtz ist es, der mit seiner grundlegenden Arbeit von 1847 diese Vermengung der energetischen Ideen mit der Molekularhypothese veranl.aßt hat. Robert Mayer hält sich völlig frei davon und auch in England hat unter dem steten Einflusse Wilhelm Thomson's die Energetik sich reiner entwickelt. In Deutschland zeigt sich das allmählich wachsende Übergewicht der mechanischen Hypothesen sehr deutlich an der persönlichen Entwickelung von Clausius. Seine erste Arbeit von 1850 sieht . . . in der Energetik eine neue neben die Mechanik hintretende Wissenschaft; aber in die späteren Arbeiten drängt sich mehr und mehr die Molekularhypothese, und entsprechend erscheint der ganze Entwickelungsgang der Wissenschaft in Deutschland von der Mitte der fünfziger bis zu der der achtziger Jahre wie ein Abfall. von der reinen Klarheit der Mayer'schen Intuition . . .

Völlig frei von solcher Voreingenommenheit für die Mechanik der Atome, völlig unbefangen die strikten Konsequenzen der beiden Hauptsätze feststellend, ohne alles Schielen und Sehnen nach der Mechanik, - so steht das Werk von Gibbs mit einem Male vor dem die geschichtliche Entwickelung verfol.genden Blick. Hier ist der alte große Gedanke Robert Mayer's in mathematischen Formeln lebendig geworden, frei von allem molekularhypothetischen Aufputz.

Was für ein Buch, in dem chemische Vorgänge behandelt werden ohne den überkommenen chemischen Apparat der Atome, in dem Theorien der Elastizität, der Kapillarität und Kristallisation, der elektromotorischen Kraft ohne alle die gewohnten Behelfe atomistischen Ursprunges hingestellt werden! Nackt und rein steht der wahre Gegenstand theoretischer Naturerkenntnis vor uns . . . Was Wunder, daß die Leute diese Arbeiten von Gibbs nicht verstanden, trotzdem Maxwell mit Nachdruck auf ihre Bedeutung hinwies.»

27 Clausius: Rudolf Clausius, Köslin 1822-1888 Bonn. Theoretischer Physiker. Seine Abhandlungen zur mechanischen Wärmetheorie, die ursprünglich alle in Poggendorffs Annalen erschienen, sind zusammengefaßt in den drei Bänden «Die mechanische Wärmetheorie», Braunschweig 1876-91. Bemerkens-werterweise sind die Arbeiten von 1850-56 phänomenologisch orientiert, anknüpfend an Carnot. 1857 wird die atomistische Wärmetheorie eingeleitet mit der Abhandlung «Über die Art der Bewegung, welche wir Wärme nennen«.

34 «.. . ist ja in der Regel ein Bruch: z. B. 1/275 bei Gasen von 0°C. Ähnlich wurden früher andere Ausdehnungskoeffizienten als Stammbrüche angegeben, etwa 1/81000 für Eisen.

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37 namentlich für Gase: Hier ist von Gasen im engeren Sinne die Rede, welche sich, im Gegensatz zu Dämpfen, nicht durch Druck allein verflüssigen lassen.

47 diesen Vorgang . . . versinnlichen: Diese Versinnlichung ist keine graphische Darstellung der üblichen Art, sondern etwas wie die Nachbildung des Vorganges: Die Kurve steigt, wenn die Temperatur steigt, und bleibt am Ort, wenn die Temperatur konstant bleibt.

57 Crookes: Sir William Crookes, London 1832-1919 ebenda. Physiker und Chemiker.

60 werden . . . zuleiten einen anderen Dampf: Eine Zeichnung und nähere Angaben über das Experiment fehlen.

75 Es besteht ein Ausdruck in diesen Erscheinungen: Dieser Satz ist in der Nach-schrift verstümmelt. Es geht aus den Unterlagen nicht klar hervor, wie die Stellung des Wärmewesens im Verhältnis zu Druck, Gestaltungsfähigkeit usw. und zur Temperatur beschrieben wurde.

77 Kant: Immanuel Kant, Königsberg 1724-1804 ebenda. Vgl. etwa »Prolegomena zu einer jeden Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können» im ersten Teil: «Wie ist reine Mathematik möglich?» (§ 6 ff.).

81 unsere Gedanken durch Meditation weiterzuführen: Vergleiche «Wie erlangt

man Erkenntnisse der höheren Welten?» Gesamtausgabe Dornach 1972, Bibl.Nr.10 und »Die Geheimwissenschaft im Umriß», Gesamtausgabe Dornach 1968,

Bibl.-Nr. 13. Eine im Zusammenhang mit der Naturwissenschaft gegebene

Darstellung findet sich in «Grenzen der Naturerkenntnis», Gesamtausgabe

Dornach 1969, Bibl.-Nr. 322, besonders in den Vorträgen 7 und 8.

82 beim vorigen Kursus: Siehe im »Ersten naturwissenschaftlichen Kurs» den ersten Vortrag und auch S. 97ff., vergl. den Hinweis zu S. 11.

84 Daher die Gewißheit der mathematischen . . . ,Wissenschaften: Statt «Gewißheit» steht in der Nachsehrift «Schwierigkeit», was ein Hörfehler des Stenographen sein dürfte, wie von verschiedenen Lesern des Kurses bemerkt wurde.

86 Dialog ... mit einem Jugendfreund: Vgl. «Mein Lebensgang» S. 84, Gesamtaus-gabe 1962, Bibl.-Nr. 28.

95 daß wir dieses Gewicht anhängen: Um einen horizontal. liegenden, nur an seinen Enden aufgestützten Eisblock wird im Versuch eine Drahtschlaufe gelegt, an welche das Gewicht angehängt wird.

97 Der Schmelzpunkt des Metallgemisches ist tiefer: Bei 2 Teilen Wismut, 1 Teil Blei, 1 Teil Zinn (sog. Rosesches Metall) ist der Schmelzpunkt 94°C.

98 Sie ist bei flüssigen Körpern wirklich: Der gedankliche Übergang zur Flüssigkeit ist in der Figur durch das nachträglich um Fallinien und Niveaufläche herumgezeichnete Gefäß angedeutet.

99 sagte ich, die Dinge sind alle relativ: Siehe S. 62-63.

103 Wenn Sie einen festen Körper, also Eis nehmen: Auf S. 40 wurde vom Wasser bzw. vom Eis als von einer «Kardinalausnahme» gesprochen. Diese Ausnahme besteht auch für das Flüssig-Werden des Eises unter Druck. Es gibt nur wenige andere Substanzen, die sich gleich verhalten, diejenigen nämlich, welche wie Eis beim Schmelzen auf der entstehenden Flüssigkeit schwimmen, z. B. Wismut und Gallium.

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103 Eduard von Hartmann: Berlin 1842-1906 ebenda. Von Rudolf Steiner viel genannt, vgl.. z. B. die Ausführungen in »Mein Lebensgang». Hauptwerk: «Philosophie des Unbewußten», wel.ches beim Erscheinen 1869 großes Aufsehen erregte. Hartmann hat später verschiedene Spezialgebiete der Philosophie, aber auch Gebiete des Lebens und der Wissenschaften in besonderen Werken bearbeitet. «Die Weltanschauung der modernen Physik» erschien 1902, 2. Auflage 1909.

104 «Physik ist die Lehre . . .»: Siehe die im vorigen Hinweis genannte »Weltanschauung der modernen Physik», S. 1.

105 Wir brauchen . . . Forschungsinstitute: Bald nach dem Kurs wurde im Rahmen der Aktiengesel.l.schaft »Der kommende Tag» das Wissenschaftliche Forschungsinstitut in Stuttgart begründet mit einer physikalischen Abteilung. Die Notlage der Aktiengesel.lschaft in der Inflationszeit zog jedoch die Auflösung des Forschungsinstitutes noch zu Lebzeiten Rudolf Steiners nach sich (1924). Damit wurden die Experimentaluntersuchungen, wel.che sich an den vorliegenden Kurs angeschlossen hatten, mit teilweise positiven ersten Ergebnissen unfertig abgebrochen. Die damal.igen Experimentiermögl.ichkeiten hs',ben sich später nie mehr in dem gleichen Ausmaße wiederholt und einige dieser Versuche haben keine zureichende Fortsetzung mehr gefunden.

110 das positive Tetraeder in das negative... übergeht: Die negative Gestalt im Gegensatz zur positiven ist von Rudol.f Steiner später noch genauer ausgeführt worden, insbesondere in dem vom 1. bis 18. Januar 1921 folgenden Kurs «Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie», Gesamtausgabe Bibl.-Nr. 324, wo der Terminus »Gegenraum» geprägt und auf die projektive Geometrie hingewiesen wird.

116 Freie Waldorfschule: gegründet von Emil. Molt (1876-1936) im Jahre 1919 für die Arbeiterkinder der «Waldorf-Astoria»-Zigarettenfabrik und für die Öffentlichkeit als einheitliche Vol.ks- und höhere Schule unter Leitung von Rudolf Steiner bis zu dessen Tode (1925), der auch die an ihr wirkenden Lehrkräfte berufen und ihnen die vorbereitenden seminaristischen Kurse erteil.t hat.

118 Zeichnung: Diese dürfte in den Hauptzügen die damals aufgestellte Versuchsanordnung wiedergeben. Die Saugpumpe hatte wohl den Zweck, für den Beginn des Versuches die Luft aus dem Kondensator zu entfernen. Sie entspricht einer Verbesserung, welche James Watt an der Dampfmaschine angebracht hat.

120 So daß also Eduard von Hartmann . . . zusammenfaßt: In dem im Hinweis zu S. 103 genannten Buche «Die Weltanschauung der modernen Physik«.

121 Julius Robert Mayer: Heilbronn 1814-1878 ebenda, Arzt und Physiker, vgl.

S. 134. Seine Schriften erschienen gesammelt unter dem Titel «Die Mechanik der Wärme«, Stuttgart 1867.

121 die wichtigste Abhandlung von Helmholtz: Hermann von Helmholtz, Potsdam

1821-1894 Berlin; Physiologe und Physiker. «Über die Erhaltung der Kraft», Berl.in 1847. Die Abhandlung beginnt mit den Worten: «Die Herleitung der aufgestel.lten Sätze kann von zwei Ausgangspunkten angegriffen werden, entweder von dem Satze, daß es nicht mögl.ich sein könne, durch die Wirkungen irgend einer Kombination von Naturkräften aufeinander in das Unbegrenzte Arbeitskraft zu gewinnen, oder von der Annahme, daß alle Wirkungen in der

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Natur zurückzuführen seien auf anziehende und abstoßende Kräfte, deren Intensität nur von der Entfernung der aufeinander wirkenden Punkte abhängt.»

130 im Sinne der Goetheschen Farbenlehre: «Beiträge zur Optik« § 46 ff., «Entwurf einer Farbenlehre» Absatz 215 ff., und Kapitel «Konfession des Verfassers» in «Materialien zur Geschichte der Farbenlehre». Vgl. dazu Rudolf Steiner: «Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Erster naturwissenschaftlicher Kurs«, Gesamtausgabe 1964, S. 91-92.

134 Was ist eigentlich alle Erscheinung . . . gegen das Ohr des Musikers: In «Sprüchen in Prosa». Wörtlich: »Dafür steht ja aber der Mensch so hoch, daß sich das sonst Undarstellbare in ihm darstellt. Was ist denn eine Saite und alle mechanische Teilung derselben gegen das Ohr des Musikers? Ja man kann sagen, was sind die elementarischen Erscheinungen der Natur selbst gegen den Menschen, der sie alle erst bändigen und modifizieren muß, um sie sich einigermaßen assimilieren zu können?» (Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, herausgegeben durch Rudolf Steiner in Kürschners Deutscher National-Literatur. Bd. 4, 2. Abt., S. 351; Taschenbuchausgabe der »Sprüche in Prosa», Stuttgart 1967, S. 21).

135 hat Julius Robert Mayer 1842 dazu geführt: Die Abhandlung, welche J. R. Mayer an Poggendorffs Annalen sandte, stammt aus dem Jahre 1841 und trägt den Titel «Über die quantitative und qualitative Bestimmung der Kräfte». Sie wurde erst nach dem Tode Mayers gedruckt (in J. R. Mayer: Kleinere Schriften und Briefe. Nebst Mitteilungen aus seinem Leben. Herausgegeben von J. J. Weyrauch, Stuttgart 1893) und ist wenig bekannt. Die Bedeutung Mayers für die Physik beginnt mit der Abhandlung von 1842 «Bemerkungen über die Kräfte der unbelebten Natur«, vgl. den folgenden Hinweis.

135 zurückzuweisen als vollständig talentlos: Poggendorff hat auf die Zusendung J. R. Mayers nie reagiert, auch nicht auf dessen Briefe, welche zur Rückerstattung der eingesandten Abhandlung aufforderten. Diese fand sich beim Tode Poggendorffs (1877) in den nachgelassenen Papieren. Eine Äußerung Poggendorffs über J. R. Mayer im obigen Sinn, außer durch sein Verhalten, konnte nicht festgestellt werden. Dagegen schreibt Mayers Freund Gustav Rümelin in dem Aufsatz «Erinnerungen an Robert Mayer» (abgedruckt in G. Rümelin: «Reden und Aufsätze«, Neue Folge, Freiburg i. Br. o. J.): »Das Manuskript, an Poggendorffs Annalen für Physik und Chemie geschickt, in welchen sein richtiger Platz gewesen wäre, wurde als zur Aufnahme ungeeignet zurückgesen-det. Nun wanderte dasselbe nach Gießen, um in Wöhlers und Liebigs Annalen der Chemie und Pharmazie unterzukommen. Liebig nahm es an, obgleich der Gegenstand weder die Chemie noch die Pharmazie unmittelbar betraf.»

Die Formulierung Rudolf Steiners scheint auf diese Stelle Rümelins zutückzugehen, welchen er auch gelegentlich im Zusammenhang mit Mayer ausdrücklich nennt. Doch ist Rümelin der irrigen Meinung, daß es dieselbe Abhandlung war, welche Mayer an Poggendorffs Annalen und dann an Liebigs Annalen einsandte. Dieser Irrtum findet sich auch an vielen andern Stellen der Literatur.

Die beiden Abhandlungen von 1841 und 1842 sind aber, vom Grundgedanken abgesehen, sehr verschieden. 1841 war Mayer noch nicht in der Lage, seinen Grundgedanken auf die vorhandene Physik richtig zu beziehen. Anders 1842. Da ist nicht nur dieser Bezug hergestellt, sondern schon die Berechnung des

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Wärmeäquivalentes aus dem Gay-Lussacschen Versuch und den spezifischen Wärmen der Luft gel.eistet, hinter welchen Tatsachen in dieser Zeit noch kein anderer Physiker eine solche Gesetzmäßigkeit vermutet hätte. In einer auto-biographischen Aufzeichnung aus den sechziger Jahren (aus dem Nachlaß herausgegeben von Weyrauch a. a. 0.) schreibt J. R. Mayer im Rückblick auf das Jahr 1841:

«Zu damaliger Zeit waren es noch zwei Hauptirrtümer, die den Gang meiner Gedanken störten und mich zu keiner klaren Anschauung der Dinge kommen lassen wollten. In den Kompendien der Physik war näml.ich damal.s, neben der Lehre von dem Paral.lelogramm der Kräfte, häufig mc als das Maß der Bewegung angegeben und dieses, verbunden mit einem Überreste von aus der Kantschen naturphilosophischen Schule herstammenden Begriffen einer Zentripetal.- und Zentrifugalkraft, führte mich in ein Labyrinth von Hypothesen und Widersprüchen . . . Man kann sich leicht denken, daß ein derartiges, Ungereimtheiten und Extravaganzen enthaltendes System auf die Tübinger Professoren, denen ich im Sommer 1841 die Novität privatim vorlegte, keinen gewinnenden Eindruck machen konnte. Inzwischen ließ ich mich aber dadurch von dem Grundgedanken der Äquivalenz von Arbeit und Wärme nicht abbringen, und da mir bald klar werden mußte, daß das Maß der Bewegung, die Quantitas motus, nur durch das Quadrat der Geschwindigkeit und nie durch die einfache Geschwindigkeit zu bestimmen sei, . . .s0 gelang es mir auch, meine Gedanken in einer klareren Form zu geben, so daß ich im Spätjahr 1841 mein System dem damals in Heidelberg ansässigen Professor Jolly in dieser geläuterten Form vorlegen konnte Diese Darlegung hatte sich im allgemeinen des Beifalls Jollys.. . zu erfreuen und derselbe forderte mich auf, den Gegenstand weiter zu verfolgen und zu verarbeiten und sodann zu veröffentlichen.» Die Einsendung einer Abhandlung an Poggendorffs Annalen (am 16. Juni 1841) wird hier merkwürdigerweise überhaupt nicht erwähnt. Im Kampf um die Anerkennung der Leistung Mayers hat sie keine Rolle gespielt, weil sie niemandem bekannt war. Mayer kommt in seiner auf 1841 bezüglichen Darstellung Poggendorff und den andern Physikern sehr entgegen, wenn er von seinen «Extravaganzen» spricht. Doch ist, ganz im Sinne der Ausführung Rudolf Steiners, auch auf dasjenige zu blicken, was damals über-sehen wurde: die Kraft der Idee, welche hinter dem Ganzen, mitsamt den «Extravaganzen», stand.

135 es waren eigentlich die besten Physiker . ..: Johann Christian Poggendorff,

1796-1877, von 1824-1877 Herausgeber der »Annalen für Physik und Chemie», daneben forschend tätig auf vielen Gebieten der Physik und Chemie. Von ihm stammen verschiedene Meßinstrumente und Meßmethoden. Historiker der Physik, Herausgeber des »Biographisch4iterarischen Handwörterbuches zur Geschichte der exakten Wissenschaften», welches von über 8000 Gelehrten ihre Lebensdaten und ihre Abhandlungen verzeichnet (1863; fortgesetzt bis 1962). »Stets legte Poggendorff auf die experimentelle Grundlage den Hauptwert, müssigen Spekulationen blieb er entschieden abhold« (Nach-ruf in Bd. 160 der «Annalen«).

141 zwischen ihm und unserem Hörorgan: Statt «Hörorgan» hat die Nachschrift «höhere Organe«.

144 was würde sich denn da bilden?: Eine eindeutige Interpretation des Wortes «da» konnte nicht gefunden werden.

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145 in irgendeiner die Sache versinnlichenden Zeichnung: Die vorhandene Zeichnung ist ohne den Vorgang des Zeichnens schwer verständlich. Aus dem Vergleich des Textes mit den ziemlich verschiedenen Zeichnungen in den einzelnen Exemplaren der Nachschrift ergibt sich etwa folgender Vorgang: Eine blaue, mehr oder weniger rechteckförmige Fläche stellt die Gebiete dar vom Gas bis herunter zum festen Zustand. Nach oben und unten schließen sich rot die Gebiete Wärme, x, y, z bzw. U an, aber diese roten «Schwänze« werden umgebogen und seitlich in das blaue Gebiet hineingeschlagen, und zwar vermutlich von links und rechts. Eine starke Differenzierung der linken gegenüber der rechten Seite, wie sie in den meisten Nachschriften und auch in der ersten Auflage sich findet, dürfte durch das wiederholte Abzeichnen entstanden sein.

145 Ich könnte das Bild auch so zeichnen: Die Beschriftung der Zeichnung auf S.

146 oben und die Unterschrift finden sich nur in der einen Nachschrift eines Kursteilnehmers und sind vermutlich durch ihn ergänzt worden. Sie mögen jedoch als Hilfe zum Verständnis dienlich sein.

147 genötigt sind, an die realen Dinge heranzutreten: Auf diesen Satz folgt in der Nachschrift noch «Aber wir müssen diesen Prozeß überwinden», welcher Satz an den vorhergehenden nicht richtig anschließt. Vermutlich ist ein verbindender Satz weggefallen.

153 Aus welchem Grund wir sie hierher schreiben dürfen: Die folgenden Ausführungen nehmen immer wieder Bezug auf ein Schema, welches in der Nachschrift fehlt, und diese gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß während des Vortrages ein Schema neu angeschrieben wurde. Es kann angenommen werden, daß das Schema vom vorhergehenden Tage noch auf der Tafel stand und im Verlaufe des Vortrages weiter erklärt und vermutlich auch zeichnerisch weiter ausgeführt wurde. Eine solche weitere Ausführung fehlt. Das Schema S. 153 ist von den Herausgebern aus dem vorigen Vortrag übernommen worden.

154 Was können wir da finden, hier?: Die Worte «da» und «hier» sind, besonders auch wegen des Fehlens einer Zeichnung, nur schwer zu interpretieren, vgl. den vorigen und den folgenden Hinweis.

157 Winn wir also den Menschen hierher stellen: Verschiedene Leser des Kurses sind zu übereinstimmenden Ergänzungen des Schemas von S. 153 gekommen, nämlich auf eine Zeichnung von folgender Art (vgl. auch den Hinweis zu S. 153):

# Bild s. 229

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159 anschließend an einen Vortrag von einem der Herren: Vgl. den Hinweis zu

S. 185.

162 den Auseinandersetzungen des vorigen Kurses: Siehe Hinweis zu S. 11, insbesondere im 5. Vortrag des Kurses, S. 94, und das dem Kurs vorangestellte Diskussionsvotum.

162 die Wiingeistsäule hier heruntersteigt: Die Zeichnung fehlt, doch geht aus den Worten hervor, daß ein Apparat ähnlich demjenigen S. 148 verwendet wurde, aber gefüllt mit Weingeist statt mit Quecksilber.

164 Eugen Dreher: Stettin 1841-1900 Berlin. Siehe den folgenden Hinweis.

Das ist eine Versuchsreihe . . ., die außerordentlich wichtig ist: Rudolf Steiner hat sie bei der Herausgabe von Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften im 4. Band 2. Abt., S. 147 (Berlin 1897, Nachdruck Ssuttgart 1921) in einer Fußnote folgendermaßen zusammengefaßt: «Nach Goethe haben sich um die Untersuchung der Erscheinungen an der verdient gemacht Becquerel und Eugen Dreher. Durch die genialen Ausführungen des letztern Forschers haben wir über die Sache Aufschlüsse von ganz besonderer Klarheit erhalten (Vergl. Beiträge zu unserer modernen Atom- und MolekularTheorie v. Dr. Eugen Dreher. Halle 1882. S. 108-127.) Dreher setzte (es gibt auch eine blauviolett leuchtende, die aber weniger reaktionsfähig ist) dem Lichte, sowohl dem farblosen Sonnenlichte, sowie solchem Lichte aus, das durch verschiedene Stoffe gegangen ist. Er benutzte 1 . eine farblose Glaskugel, die konzentrierte Kalialaunlösung enthält. 2. Eine eben-solche Kugel mit einer Lösung von Jod in Schwefelkohlenstoff. 3. Eine gleiche Kugel mit konzentrierter Äskulinlösung und 4. eine Kugel mit destilliertem Wasser. Die konzentrierte Kalialaunlösung bewirkt, daß keine Wärmewirkungen; die Jodlösung, daß keine Lichtwirkungen; endlich die Äskulinlösung, daß keine chemischen Wirkungen in dem vom Spektrum eingenommenen Raum statt-finden (das Chlorsilber z. B. nicht geschwärzt wird). Alle diese Wirkungen finden statt bei Anwendung der vierten Kugel. Die , die der durch Kalialaunlösung und durch das Wasser gegangenen Lichtmasse ausgesetzt wurde, zeigte (im Dunklen) ein entschiedenes Leuchten (Phosphoreszieren), diejenige dagegen, welche dem durch Jod- oder Äskulinlösung gegangenen Lichte ausgesetzt war, zeigte keine Spur von Leuchten. Dreher hat dann umgekehrt zum Leuchten gebrachte Materie verschieden modifiziertem Lichte ausgesetzt. Es zeigte sich, daß unter dem Einflusse der durch Jod- und Äskulinlösung gegangenen Lichtmasse das Leuchten zuerst intensiver wird, dann aber vollkommen aufhört, während es unter dem Einfluß der durch Kalialaunlösung gegangenen Lichtmasse fortdauert. Letztere Beobachtung stimmt völlig zu der längst bekannten, daß , die eine Zeitlang dem Licht ausgesetzt war und deren Leuchten bereits aufgehört hat, durch Erwärmung wieder - und zwar nur einmal - zum Leuchten gebracht werden kann. Hat dann die Materie zu leuchten aufgehört, so wirkt eine zweite Erwärmung nur wieder, nachdem der Körper nochmals vorher dem Licht aus-gesetzt war. Aus diesen Beobachtungen geht hervor, daß die Fähigkeit des Leuchtens (Phosphoreszierens) der durch dieselbe Kraft hervorgerufen wird, welche chemische Wirkungen hervorbringt. Die Wärme kann das Leuchten zwar zur Erscheinung bringen, aber der Materie nicht die

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Fähigkeit zum Leuchten geben, ja sie zerstört diese Fähigkeit, indem sie das Leuchten zur Erscheinung bringt. Deshalb bewirken auch die Lichtmassen, denen die Fähigkeit zu chemischen Wirkungen genommen, die zu Wärme-wirkungen aber belassen ist (die durch Äskulinlösung gegangenen), erst ein Aufleuchten, dann ein völliges Erlöschen des phosphoreszierenden Körpers.»

164 wie auf die Spektralverhältnisse . . . ein kräftiger Magnet wirkt: Erster natur-wissenschaftlicher Kurs, Gesamtausgabe 1964, S. 116 f.

167 was ich hier als noch im Gebiet des Materiellen liegend aufzufassen habe: Der Satz heißt in der Nachichrift: «.. . was ich hier im Gebiet des Materiellen noch aufzufassen habe, . . .»

168 Clausius: Siehe Hinweis zu S. 27.

170 Max Planck: Kiel 1858-1947 Göttingen, theoretischer Physiker.

Ausspruch des Berliner Physikers Planck: Er findet sich in Plancks Vortrag, gehalten am 23. September 1910 auf der 82. Versammlung Deutscher Natur-forscher und Ärzte in Königsberg: «In seinem von mir eingangs erwähnten Königsberger Vortrag hat Helmholtz mit besonderem Nachdruck betont, daß der erste Schritt zur Entdeckung des Energieprinzips geschehen war, als zuerst die Frage auftauchte: Welche Beziehungen müssen zwischen den Naturkräften bestehen, wenn es unmöglich sein soll, ein Perpetuum mobile zu bauen? Ebenso kann man gewiß mit Recht behaupten, daß der erste Schritt zur Entdeckung des Prinzips der Relativität zusammenfällt mit der Frage: Welche Beziehungen müssen zwischen den Naturkräften bestehen, wenn es unmöglich sein soll, an dem Lichtäther irgendwelche stoffliche Eigenschaften nachzuweisen? Wenn also die Lichtwellen sich, ohne überhaupt an einem materiellen Träger zu haften, durch den Raum fortpflanzen? Dann würde natürlich die Geschwindigkeit eines bewegten Körpers in bezug auf den Lichtäther gar nicht definierbar, geschweige denn meßbar sein.

Ich brauche nicht hervorzuheben, daß mit dieser Auffassung die mechanische Naturanschauung schlechterdings unvereinbar ist.» («Die Stellung der neueren Physik zur mechanischen Naturanschauung», Physikal. Zeitschr. 11, S. 922-932 (1910); Max Planck: Physikalische Abhandlungen und Vorträge, Braunschweig 1958, Bd. 3, S. 30-46).

172 der Satz, der Eduard von Hartmann dazu geführt hat: Hartmann steht hier repräsentativ für die Physiker überhaupt. Die Formulierung mit dem «Perpetuum mobile zweiter Art» gebrauchte schon z. B. Wilhelm Ostwald.

172 Andere Physiker, zum Beispiel Mach: Ernst Mach, Turas (Mähren) 1838-1916 Haar b. München. Er nennt in seinen «Prinzipien der Wärmelehre» (Vergl. den zweiten Hinweis zu S. 11) auf S. 345-46 noch W. Thomson und F. Wald.

172 «Es hat aber keinen gesunden Sinn . . .: nach E. Mach, «Prinzipien der Wärmelehre«, S. 345-46.

175 wie Goethe die Taten des Lichtes gesucht hat: «Farben sind Taten des Lichtes, Taten und Leiden». Zur Farbenlehre. Vorwort.

175 die in der Thermik . . . angewendet werden können: «Können» ist bei der Herausgabe hinzugefügt.

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176 fch habe darüber ja in meinem vorigen Kursus auch schon gesprochen: Siehe Hinweis zu S. 11, insbesondere S. 68ff. und S. 104 ff. des Kurses.

178 Fourier: Jean Baptiste Joseph Fourier, Auxerre 1768-1830 Paris, Mathematiker, Physiker, Sekretär des Institut d'Egypte. Hauptwerk «Théorie analytique de la chaleur», Paris 1822.

180 Ich werde mit der Zeit zu multiplizieren haben: Diesem Satz voran gingen kurze Ausführungen, welche auf ihn hinführten, deren Wiedergabe in der Nachschrift aber unklar ist. - Nicht unmittelbar verständlich ist die Bedeutung des Wortes «Effekt» im vorstehenden Zusammenhang. Es mag ganz allgemein gemeint sein, etwa gleichbedeutend mit «Vorgang», also hier «Vorgang der Wärmeleitung», ist möglicherweise aber in bestimmtem, aber nicht geläufigem Sinne zu verstehen ähnlich demjenigen, in welchem die folgenden Vorträge von «chemischen Effekten» im Gegensatz zu den chemischen Vorgängen sprechen.

184 Die Formel w = - 1* c* q*du/dx * dt wurde so angeschrieben, daß die Quadratwurzel über den ganzen Ausdruck durchgezogen wurde. Doch sollte damit gewiß nicht mehr ausgedrückt werden, als daß dem w die Qualität des Imaginären zukommen soll. Dafür, daß auch die Beträge der Größen zu radizieren sind, ergibt der Zusammenhang keinen Anhaltspunkt und die Wurzel aus dem Differential dt wäre sinnlos. Diese Korrektur der Formel wurde von verschiedenen Lesern des Kurses vorgenommen. - Es liegt bei dieser Gleichung die Tatsache vor, daß sie die Wärmeleitungsgleichung mit einem imaginären Koeffizienten, mathematisch gesehen also eine Art einfachster Fall der Schrö-dingergleichung darstellt, nur daß die Wärmeleitungsgleichung selber hier nicht bis zur Differentialgleichung 2. Ordnung geführt, sondern nur im Hinweis auf Fourier angedeutet ist. Im Zeitpunkt der Aufstellung dieser Gleichung mochte sie in der Physik noch absurd erscheinen. Schrödinger hat 1926 eine solche Gleichung in ganz anderen Zusammenhängen aufgestellt, indem er in Analogie zur »Wellenoptik» eine «Wellenmechanik» erfand. Diese wurde eine der Grundlagen der neueren Atomphysik.

184 Sie spazieren auch hier hinauf: Die auf diese Worte folgende Klammer enthält eine präxisierende Angabe der Herausgabe, welche sich aus der Zeichnung S. 182 und aus dem ganzen Zusammenhang, insbesondere aus den Vorzeichen der Gleichungen (1) und (2) ergibt. Eine weitere Bestätigung enthält das Diskussionsvotum Rudolf Steiners vom Vortage, siehe den nächsten Hin-wels.

185 worauf gestern aufmerksam gemacht worden ist in der Diskussion: Die Diskussion fand statt im Anschluß an die beiden Vorträge von Dr. E. Blümel «Über das Imaginäre und den Begriff des Unendlichen und Unmöglichen» und von

A. Strakosch «Die mathematischen Gebilde als Zwischenglieder zwischen Urbild und Abbild«. Auf die Frage von Dr. Blümel: »Ist es möglich, zu lebendiger Anschauung des Imaginären zu kommen, beziehungsweise liegen wirkliche Entitäten dem Imaginären zu Grunde« antwortete Rudolf Steiner:

«Die Antwort darauf ist nicht so ganz leicht zu geben. Aus dem Grunde nicht, weil man gerade dann, wenn man diese Antwort zu formulieren versucht, sehr

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stark aus dem Gebiet des Anschaulichen hinauskommen muß. Man hat schon gesehen, als ich in diesen Tagen auf eine Frage von Herrn Dr. Müller geantwortet habe, daß ich nötig hatte, um überhaupt für einen mathematischen Fall ein anschauliches Korrelat zu geben, zu zeigen, wie dieses Anschauungskorrelat liegt beim Übergang von einem Röhrenknochen zu einem Kopfknochen. Dennoch ist es ein ganz anschauliches noch. Man kann wenigstens da die Objekte in Anschauung vor sich haben, wenn auch in einem Übergang des esnen Objektes in das andere.

Wenn man das Imaginäre als geistige Realität anschauen will, so ergibt sich einem das Folgende: Man hat nötig, wie ich ja gerade bei diesen physikalischen Betrachtungen gezeigt habe, überzugehen von dem Positiven zum Negativen, wenn man überhaupt über gewisse Beziehungen der sogenannten ponderablen Materie zu dem sogenannten Imponderablen wirklichkeitsgemäße Vorstellungen gewinnen will. Nun liegen aber selbst bei Versinnlichüngen schon sehr gewöhnlicher Gebiete Notwendigkeiten vor, die zeigen, wie man über die gewöhnlichen, landläufigen symbolischen Zeichnereien hinauskommen muß. Ich will nur das Folgende erwähnen. Man kann ja zum Beispiel, wenn man das gewöhnliche Spektrum, wenn es geradlinig geworden ist, zeichnet, eine gerade Linie zeichnen von dem Rot durch das Grün zu dem Violett; man wird aber nicht alles, was in Betracht kommt, in der Symbolisierung drinnen haben, wenn man es so zeichnet, sondern man wird erst dann alles drinnen haben, wenn man, um das Rot zu symbolisieren, eine Kurve zeichnet, etwa so in dieser Ebene verlaufend (es wurde gezeichnet), und um das Violett zu erreichen nun in die Tafel hineingeht und hinübergeht, so daß von oben angesehen sich das Rot gewissermaßen ergeben würde vor dem Violett liegend. ich müßte hinaus-rücken und mit dem Violett zurückrücken. Dadurch würde ich eine Charakteristik bekommen dafür, daß das Violett in das Chemische hineingeht, das Rot der Lage nach hinausgeht. Ich bin also genötigt, die gerade Linie hier schon zu erweitern, so daß die gewöhnliche Zeichnung, die ich mache, schon eine Projektion desjenigen ist, was ich eigentlich zeichnen sollte. Man ist nun tatsächlich, wenn man klar werden will über gewisse Dinge, die sich einfach in der höheren Wirklicl'keit - wenn ich so sagen soll - ergeben, genötigt, nun nicht nur zu gehen aus dem Positiv-Materiellen zum negativen Materiellen, sondern man ist ebensowenig befriedigt, wenn man das tut, wie man befriedigt sein kann, wenn man hier in der geraden Linie vom Rot durch das Grün ins Violett vorschreitet. Denken Sie sich nun darüber den Kreis gezeichnet, so haben Sie, indem Sie genötigt sind, von demselben Punkte, der jetzt hier liegt, herzugehen und dann hierher, nicht mehr nach dem Punkte zurückzukommen, sondern Sie sind genötigt, spiralig hier fortzuschreiten. Ebenso sind Sie genötigt, wenn Sie aus dem Räumlichen in das Nichträumliche durch Symbolisierung des Positiven und Negativen hinübergehen, vorwärts zu schreiten noch zu dem, was die höhere Gattung vom Räumlichen und Unräumlichen ware.

Also nehmen wir an, gerade wie es sonst von zwei verschiedenen Arten eine Zusammenfassung geben könnte, die beide enthält, so könnten wir uns vorstellen,

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daß es etwas gibt, das räumlich und nicht-räumlich ist. Dazu muß ein Drittes gesucht werden. Und wenn man nun wirklich eingeht im Gebiet der höheren Wirklichkeit auf das Physisch-Wirkliche, und man bezeichnet das Physisch-Wirkliche mit dem positiven Vorzeichen, so ist man genötigt, einfach das Ätherische, das wirkliche Ätherische, wobei man aus dem Räumlichen hinaus-kommt, also in das Geistige schon hineinkommt, mit dem negativen Vorzeichen zu versehen. Will man aber ins Astrale gehen, so kommt man nicht zurecht mit dem Räumlichen und dem Unräumlichen, sondern man muß eben zum Dritten gehen, das sich zu dem Positiven und Negativen genau so verhält, wie in der formalen Mathematik das Imaginäre zu dem Positiven und Negativen. Und man würde sogar genötigt sein, wenn man von dem Astralen zur wahren Entität des Ich übergeht, einen Begriff aufzuschreiben, der überimaginär wäre im Verhältnis zum Begriff des Imaginären. Deshalb war mir immer so unsympathisch die Antipathie gegenüber dem Überimaginären, weil beim Aufsteigen zum Ich man den Begriff wirklich nötig hat. Es ist nicht möglich, ihn auszulassen - es handelt sich darum, ob man ihn in der rechten Weise anwendet, wenn man im rein Formalen der Mathematik bleibt -, es ist nicht möglich, ihn auszulassen, wenn man so vorgeht richtig mit den mathematischen Formationen, daß man nicht aus dem Wirklichen herauskommt. Ich habe heute mit jemand, der mir begegnete, ein solches Problem besprochen, welches auch auf dem arithmetischen Gebiet sehr deutlich zeigt, daß man etwas haben kann in mathe-matischer Behandlung, das außerordentlich schwer seine Beziehung zur Realität herstellen kann, das ist das Wahrscheinlichkeitsproblem. Ich kann im Versicherungswesen ausrechnen, wann einer stirbt, es gilt für die Menge. Ich kann aber unmöglich daraus den Schluß ziehen, daß der betreffende Mensch genau in dem Jahr zu sterben hat, das ausgerechnet werden kann. Es fällt mir also die Realität aus meinen Berechnungen. So ist es auch sehr häufig, daß gewisse Rechnungsergebnisse in formaler Beziehung richtig sind, aber mit dem, was wirklich ist, nicht stimmen. Und so könnte es auch sein, daß man das Formale der Mathematik manchmal zu rektifizieren hätte nach solchen Ergebnissen der überempirischen Wirklichkeit. Es ist erst zu prü-fen, ob es richtig ist, wenn ich a * b = 0 habe, daß zu diesem Ergebnis nur gekommen werden kann, wenn einer der Faktoren 0 ist. Wenn das so ist, so ist gewiß wahr, daß man zu dem Resultat 0 kommt. Aber es muß die Frage aufgeworfen werden: Könnte es nicht sein, daß auch einmal das Resultat 0 auftritt, wenn keiner der beiden Faktoren 0 wäre? Das könnte der Fall sein, wenn man durch die Realität genötigt wird, zu überimaginären Zahlen, die dann entsprechende Korrelate sind einer überempirischen Wirklichkeit, zu kommen.

Also tatsächlich, man muß versuchen, das Reale in seiner Beziehung zum Imaginären, das Überimaginäre in seiner Beziehung zum Imaginären und zum Realen klar herauszuarbeiten in der Mathematik, aber es kann sein, daß man dann sogar genötigt ist, die Rechnungsgesetze zu modifizieren.«

185 Da würden Sie zu Hilfe nehmen müssen ... die überimaginäre Zahl: Im Jahre 1928 hat P. A. M. Dirac überimaginäre Zahlen in die Atomphysik

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eingeführt als Zugang zu einem vertieften Verständnis des Elektrons. Dieser Schritt, in Verbindung mit Gedanken der Schrödingerschen und der Relativitäts-Theorie, eröffnete die Möglichkeit, in den Denkformen der Atomphysik «Antimaterie» zu denken, welche Materie zu vernichten imstande ist.

186 Wilhelm Preyer, Moss Side (bei Manchester) 1841 1897 Wiesbaden Physio loge und Psychologe Vergl «Naturwissenschaftliche Tatsachen und Pro bleme«, Berlin 1880 und Rudolf Steiners Aufsatz Wilhelm Preyer Gestor ben am 15. Juli 1897» Magazin fur Literatur 1897, wiederabgedruckt in «Me thodische Grundlagen der Anthroposophie 1884 1901 Gesamtausgabe Dorn ach 1961, Bibl.-Nr. 30 5 346-359

187 Emil Du Bois-Reymond Berlin 1818 1896 ebenda Physiologe Seine von Ru dolf Steiner viel genannte Rede «Über die Grenzen des Naturerkennens« wurde am 14. August 1872 gehalten vor der 45. Versammlung Deutscher Naturforicher und Ärzte zu Leipzig.

190 Nun wollen wir zunächst zeigen: Es werden die Versuche, welche im 11. Vortrag beschrieben wurden, aber nicht ganz durchgeführt werden konnten, vorgeführt mit einer etwas geänderten Apparatur, von welcher aber eine Zeichnung nicht vorliegt.

199 «Der Wiltprozeß hat die Tendenz auszubummeln»: Wörtlich: »Je näher der Weltprozeß dem völligen Ausgleich kommt, je kleiner seine Intensitätsunterschiede werden, desto langsamer erfolgt der Fortschritt im Ausgleich; bei unendlich kleinen Differenzen wird er unendlich langsam. Der Prozeß hört also in endlicher Zeit nicht ganz auf, gelangt aber in ihr dem Ausgleich unendlich nahe, so daß der unendlich lange Rest wegen seiner unendlich kleinen Vorgänge vernachlässigt werden kann. Der Satz der Entwertung lehrt, daß der Weltprozeß ausbummelt und daß er in endlicher Zeit zu einem Stadium gelangen muß, wo keine Energieumsätze mehr möglich sind, und zwar lange bevor die Temperaturunterschiede unendlich klein werden.» Ed. v. Hartmann, «Grundriß der Naturphilosophie» (= System der Philosophie im Grundriß, Bd. II), Bad Sachsa 1907, S. 92.

199 daß alles dasjenige * . . nicht anders ihm entsprechen kann: In der Nachschrift steht: «daß nicht alles dasjenige * . . anders ihm entsprechen kann».

199 Da bummelt er aus: Eine reproduzierbare Zeichnung ist nicht vorhanden.

205 Dr. Kolisko: Eugen Kolisko, Wien 1893-1939 London; Lehrer und Schularzt der Freien Waldorfichule in Stuttgart, Verfasser naturwissenschaftlicher und medizinischer Schriften. Der Titel seines Vortrages dürfte, aus dem Diskussionsvotum Rudolf Steiners zu schließen, etwa gelautet haben: «Hypothesenfreie Chemie».

206 daß Temperaturdifferenz . . . auf Niveaudifferenz beruht: Der Satz ist in der Nachschrift verstümmelt.

210 als ob durch die Reibung der ,lölken . . . die Elektrizität sich entwickelt: Diese Anschauung dürfte Rudolf Steiner in seiner Schul- oder Studienzeit entgegengetreten sein. In der Literatur scheint sie sich in dieser einfachen Form wenig zu finden, abgesehen von den ersten Zeiten, wo man auf die Analogie des

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Blitzes mit einem elektrischen Funken aufmerksam geworden war. A. Joannis faßt die damaligen Hypothesen in die Worte zusammen (im Artikel «Foudre» der Grande Encyclopédie, Paris o. J., etwa 1896): «Die Analogie zwischen dem Blitz und dem elektrischen Funken wurde von dem Augenblick an bemerkt, als man in der Lage war, genügend starke Funken zu erzeugen, und führte dazu anzunehmen, daß in der Atmosphäre ähnliche Ursachen vorhanden seien wie jene, welche die Elektrizität in unseren Maschinen hervorbringen. Diese letzteren benützen die Elektrizitätserzeugung durch Reibung oder durch Influenz von benachbarten elektrisierten Körpern. Daher stammen die Hypothesen von der elektrischen Aufladung der Wolken durch Reibung an den Berghängen oder an andern Wolken, usw.»

213 Dr. von Baravalle: Hermann von Baravalle, geb. Wien 1898. Ab 1920 Lehrer an der Freien Waldorfschule in Stuttgart, später Begründer von Waldorfschulen in USA. Verfasser von Schriften auf den Gebieten der Mathematik, Physik, Astronomie und Pädagogik.

Dr. Blümel: Ernst Blümel, 1884-1952; Mathematiker. Lehrte u. a. an der Freien Waldorfschule in Stuttgart.

Herr Strakosch: Alexander Strakosch, Brünn (Mähren) 1879-1958 Dornach; Bauingenieur, Lehrer an der Freien Waldorfschule in Stuttgart seit 1919, wurde 1921 in die Leitung des Wissenschaftlichen Forschungsinstitutes des Kommen

den Tages«, Stuttgart, berufen.

Dr. Kolisko: Siehe Hinweis zu S. 205.

214 an unserer Waldorfschule: Siehe Hinweis zu S. 116.

216 auf allen drei Gebieten: Des Geisteslebens, Rechtslebens und der Wirtschaft. Im Jahre 1920 stand Rudolf Steiner mitten in der von ihm mit großer Intensität in der Öffentlichkeit geführten Arbeit für die Dreigliederung des sozialen Organismus. Siehe «Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft», Dornach/Stuttgart 1919, Gesamtausgabe Dornach 1961, Bibl.-Nr. 23.

217 Hoffentlich können wir diese Betrachtungen einmal wieder fortsetzen: Vom i. bis 18. Januar 1921 fand ein dritter Kurs in Stuttgart statt, siehe den Hinweis zu S. 110.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.