GA 315

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ERSTER VORTRAG Dornach, 12. April 1921

#G315-1966-SE009 Heileurythmie

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ERSTER VORTRAG

Dornach, 12. April 1921

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Mit diesen Nachmittagsstunden möchte ich die ersten Keime einer Heil­eurythmie andeuten. Wir werden dazu heute eine Art Einleitung haben, um dann dasjenige, was wir da gewinnen, in den nächsten Tagen über-zuleiten in bestimmte Formen. Zunächst möchte ich einiges Prinzipielle bemerken. Dasjenige, was bisher getrieben worden ist als Eurythmie, ist Eurythmie als Kunst; und als eurythmische Kunst ist sie zu gleicher Zeit das, was auch von der Pädagogik und Didaktik als Eurythmie für Kinder akzeptiert werden muß. Denn dasjenige, was bisher entwickelt worden ist als Eurythmie, ist durchaus hervorgeholt aus der Gestalt des gesunden Menschen. Und wir werden sehen, wie sich gewisse Anhalts­punkte ergeben werden, um ein Hygienisch-Therapeutisches aus dem Eurythmischen heraus zu gewinnen, wie sich manche künstlerische For­men nach der einen oder nach der andern Richtung metamorphosieren werden, um eben zu dem zu werden, was man eine Art Heileurythmie nennen kann.

Es wird natürlich prinzipiell notwendig sein zu betonen, daß die künstlerische Eurythmie, die im wesentlichen ein Ausleben desjenigen ist, was elementar in der Gestalt und in den Bewegungstendenzen des menschlichen Körpers liegt, sowohl für den Anblick, wie auch eben für die seelisch-geistig-körperliche Ausbildung des gesunden menschlichen Organismus, als das Richtige angesehen werden muß. Aber man kann eben hinarbeiten nach einer Heileurythmie, welche sehr weit gehen kann in der Behandlung von irgendwelchen chronischen und auch akuten Zuständen, die aber namentlich auch in dem Fall als sehr zweckmäßig und wichtig sich erweisen wird, wenn wir uns bemühen, heranrückende Krankheiten, Anlagen zu Krankheiten, gewissermaßen prophylaktisch eurythmisch zu behandeln. Da haben wir dann allerdings ein Element gegeben, wo das didaktisch-pädagogische Element der Eurythmie all­mählich in das hygienisch-therapeutische wird übergehen müssen.

Für diejenigen aber, die künstlerische Eurythmie treiben wollen, möchte ich ausdrücklich betonen, daß sie in intensivster Weise, wenn sie

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eurythmische Kunst treiben wollen, das werden vergessen müssen, was sie sich in diesen Stunden hier aneignen. Denn gerade auf diesem Gebiet wird man im strengsten Sinne auseinanderhalten müssen dasjenige, was an hygienisch-therapeutischen Zielen angestrebt wird, und dasjenige, was in der Eurythmie als das Künstlerische angestrebt werden muß. Und wer beides wird durcheinanderwerfen wollen, wird sich erstens seine eurythmische Künstlerschaft zerstören und zweitens in bezug auf das therapeutisch-hygienische Element nichts Besonderes erreichen kön­nen. Es wird ja ohnedies, wie die folgenden Stunden zeigen werden, notwendig sein, daß man, um das hygienisch-therapeutische Element der Eurythmie anzuwenden, gewisse physiologische Kenntnisse, die wie in eine Art Gefühl für die Bildung des menschlichen Organismus über­gehen, beim praktischen Anwenden durchaus wird haben müssen.

Nun, nachdem ich das vorausgeschickt habe, möchte ich, wie es sich mir angemessen erweist, gerade für die Ziele, denen wir hier entgegen-streben, etwas genauer eingehen auf dasjenige, was nun der mensch­lichen Eurythmie überhaupt zugrunde zu legen ist. Wenn man verstehen will, was Eurythmie nach ihren verschiedensten Inhalten ist, muß man sich zunächst ein gewisses Verständnis erwerben für den menschlichen Kehlkopf. Die andern menschlichen Sprachorgane werden wir gerade im Verlaufe unserer Übungen im Zusammenhang mit dem menschlichen Kehlkopf kennenlernen. Aber das erste, das wir uns aneignen müssen, wird sein müssen eine gewisse Kenntnis des menschlichen Kehlkopfes und seiner ganzen Bedeutung für die menschliche Organisation über­haupt. Man ist viel zu sehr geneigt, ein einzelnes menschliches Organ wie eine Sache für sich zu betrachten. Das ist es aber nicht. Das ist kein menschliches Organ. Jedes menschliche Organ ist ein Glied der Gesamt-organisation und zu gleicher Zeit eine metamorphosische Umänderung gewisser anderer Organe. Im Grunde genommen ist jedes für sich ab­geschlossene menschliche Organ eine Metamorphose der andern für sich abgeschlossenen menschlichen Organe. Da haben wir allerdings die Sache so, daß gewisse menschliche Organe und Organgruppen sich er­weisen als, genauer, präziser möchte ich sagen, den Charakter der Meta­morphose mehr in sich tragend, andere weniger. Aber ein solches Beispiel, wo wir nur durch eine richtig verstandene Metamorphose eindringen

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können von einem Organ aus in das Wesen des menschlichen Organismus, ist der Kehlkopf. Erinnern Sie sich nur einmal aus Ihren anatomischen und physiologischen Kenntnissen, wie eigenartig dieses Organ des menschlichen Kehlkopfes gestaltet ist.

Es ist dasjenige, was ich sagen will, nur durch ein, ich möchte schon sagen, goethehaftes Anschauen dieses menschlichen Kehlkopfes zu ge­winnen. Aber wenn Sie sich bemühen, dieses goethehafte Anschauen der betreffenden Organe, auf die wir jetzt rekurrieren wollen, anzustreben, so werden Sie sehen, daß es damit geht. Wenn Sie den Kehlkopf zu­nächst nehmen als eine nach oben gerichtete Fortsetzung der Luftröhre, so werden Sie als Charakteristisches finden, wenn Sie ihn seinen Formen nach studieren, daß er ein umgewendetes, von vorne nach rückwärts gewendetes Stück der menschlichen Organisation ist; von einem andern Orte ein anderes Stück menschliche Organisation umgewendet. Stellen Sie sich das Hinterhaupt des Menschen vor, mit Einschluß der Gehör-partie, und denken Sie sich das, was Sie sich da vorstellen als Hinter-haupt des Menschen mit Einschluß der Gehörpartie, insofern sie in diesem Teil des Menschen lokalisiert ist, mit Ausschluß des Vorderhirns zunächst, und fortgesetzt nach unten so, daß es übergeht in den mensch­lichen Brustkorb mit seinen Rückenwirbeln, aber mit dem Ansatz der Rippen, die vorne das viel weichere Brustbein haben, das überhaupt unten ganz wegfällt. Also, Sie stellen sich dieses Organsystem vor, das weniger genau abgegrenzt ist, das ich jetzt angeführt habe: der rück­wärtige Teil des Kopfes, einschließlich der Gehörpartie, hinunter er­weitert zum Brustkorb.

Und nun denken Sie sich diese Partie etwas ummetamorphosiert; denken Sie sich namentlich sehr klein geworden den Durchmesser der Rippen. Denken Sie sich dasjenige, was sehr weit ist an den Rippen, am Brustkorb, hier in eine Röhre verwandelt, das Knochige ins Knorpelige umgesetzt. Dasjenige, was ich als Kopfpartie abgesondert habe, das denken Sie sich so ausgefüllt, daß die weniger ausgefüllten, die mehr löcherig gebliebenen Partien des Hauptes ausgegossen wären und dann dasjenige wegbliebe, was jetzt ausgefüllt ist mit etwas dickerer Gewebsmasse; denken Sie sich dasjenige, was im Kopf wirklich mit einer flüssig-festen Masse ausgefüllt ist, ersetzt. Wenn Sie sich diese

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Ummetamorphosierung denken dieses Teiles des menschlichen Or­ganismus, dann bekommen Sie die Kehlkopfmetamorphose: ein um­gedrehtes Hinterhaupt mit daran angesetztem Brustkorb. Die Fort­setzung in den Kehlkopf nach oben ist wirklich eine Art Hinterkopf, metamorphosiert. Es ist so, daß die ätherischen Bildekräfte für den Kehlkopf tatsächlich ein Umwenden vollziehen, wenn wir sie verglei­chen mit denjenigen, die die Bildekräfte sind für die angezeigte Partie des Hinterhauptes mit dem Brustkorb daran. Wir tragen gewissermaßen in unserer Brust, in dem Kehlkopf, wenn wir die Sache ätherisch be­trachten, einen zweiten Menschen, der allerdings in einer gewissen Weise verkümmert ist, aber die Ansätze, das Verkümmerte doch in einer ge­wissen Ausbildung in sich trägt.

Würde dasjenige, was ich Ihnen geschildert habe, wiederum zurück-gewendet und als Hinterkopf erscheinen, so würde es ja nach den Bil­dungskräften sich nach vorne ansetzen müssen die vorderen Hirnpartien. Diese Tendenz, so etwas anzusetzen, ist beim Kehlkopf auch vorhanden. Deshalb hat der Kehlkopf in seiner Nachbarschaft die Schilddrüse. Und dasjenige, was Ihnen in der neueren Physiologie entgegentritt als die eigentümlichen Bedingungen der Schilddrüse, das werden Sie metamor-phosisch verstehen, wenn Sie in der Schilddrüse sehen können eine Art dekadentes Vorderhirn, das gewissermaßen Funktionen hat, die es beim sprechenden Menschen dem Vorderhirn abnimmt. Die Schilddrüse muß mit dem Vorderhirn zusammenwirken. Wenn sie also in irgendeiner Weise krankhaft ist, so können Sie sich leicht vorstellen, was da für Zustände eintreten müssen, weil der Mensch, indem er eben die Schild­drüse hat, einfach daraufhin organisiert ist, sie als ein mehr dem Brust-menschen angehöriges Denkorgan mitzuverwenden.

Dasjenige, was ich als die ätherischen Bildekräfte bezeichnet habe, die da wirken, um diesen zweiten Menschen zustande zu bringen, der sich so umgekehrt in uns hineinsetzt, diese ätherischen Bildekräfte sind in der Tat sehr differenziert; und es ist so, daß, wenn in uns zustande kommt die Atmung und sich auslebt im Sprechen oder Singen, wenn also diese -von einem gewissen Standpunkte aus muß man es durchaus so nennen -modifizierte Atmung im Sprechen und Singen sich auslebt, dann ist das ganze Organsystem des Menschen, das ich zuerst gezeichnet habe, im

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Hinterhaupte und so weiter bis in die Brust hinein in einer solchen inneren Bewegung, daß diese Bewegung ihre Reflexe erlebt in der Kehl­kopforganisation. Und wir haben dann uns vorzustellen, daß dieses ganze System hier - das ist auch nichts anderes mit dem Ohr zusammen als ein Kehlkopf, nur metamorphosiert, da ist ein Vorderhirn - ge­wisse Wirkungen hervorruft, die sich reflektieren. So daß unser Kehl­kopf dasjenige als Kräfte nach rückwärts eurythmisiert, was wir denken, fühlen und so weiter. Diese Eurythmie ist tatsächlich in uns vorhanden.

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Unser Kehlkopf eurythmisiert, und wir haben dann die Aufgabe, das­jenige, was sinnlich-übersinnlich durch diese Reflexion des Kehlkopfes zustande kommt, wieder umzudrehen und zu übertragen nun ins Sicht­bare, so daß durch unsere Arme dasjenige zum Ausdruck kommt, was wiederum das Zurückübertragene ist. Wir haben es also da tatsächlich mit etwas zu tun, was aus der menschlichen Organisation unmittelbar hervorgeholt ist.

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Man muß sich nun bewußt werden, daß damit hingedeutet ist auf dasjenige Organ, welches gewissermaßen wie ein anderer Kopf mit sei­ner Fortsetzung nach unten in die rhythmische Organisation hineinver­legt ist. Unser gewöhnlicher Kopf, der mehr oder weniger denkerische Kopf, hat die Eigentümlichkeit, dasjenige, was als Rhythmisches in ihn heraufschlägt, namentlich durch den Arachnoidalraum, was eine Fort­setzung der Atmung ist, zur Ruhe zu bringen, in Ruhe zu verwandeln. Dadurch, daß das in Ruhe verwandelt wird, was unten Bewegung ist im rhythmischen System, daß also Gleichgewichtslage entsteht, Statisches entsteht aus dem Bewegten, sich gegenseitig in der Bewegung Bedingen-den, aus dem Dynamischen, daß also Statisches in unserem Haupt ent­steht aus dem Dynamischen, dadurch ist das Denken bedingt.

Umgekehrt ist es so, daß dasjenige, was wir in der Ruhe des Hauptes, in der Statik des Hauptes entwickeln, zurückwirkt auf die Dynamik des rhythmischen Menschen, und zwar im wesentlichen zunächst verlang-samend. Es ist in der Tat so, daß unnatürliche Anstrengung des Seelisch-Geistigen durch das Haupt verlangsamend wirkt auf die Zirkulation. Und eine weitere Folge davon ist, daß chaotisches Denken, schlampiges Denken die Rhythmie in Arrhythmie verwandelt, den natürlichen Rhythmus, der sich im rhythmischen System des Menschen abspielen soll, in Arrhythmisches verwandelt, sogar dann, wenn es ausartet, in Antirhythmisches. Und wenn man den Menschen verstehen will, muß man den Zusammenhang beobachten zwischen dem Zirkulations- und Atmungssystem und dem schlampigen, chaotischen Denken und auch dem logischen Denken. Denn das logische Denken als solches hat in sich die Tendenz, den Rhythmus zu verlangsamen, träge zu machen. Das logische Denken hat den Eigensinn, aus dem Rhythmus herauszufallen. Daher wird dasjenige Seelenleben, das wiederum in den Rhythmus hin­einfallen will, über die bloße Logik hinausstreben und wird versuchen, Sätze, Verse so zu gestalten, daß sie nicht im Sinne der Syntax, sondern im Sinne des Rhythmus ablaufen. Indem man von der Prosa, die die Feindin des Rhythmus ist, wenn sie nicht gerade rhythmische Prosa ist, in der Poesie wiederum zurückstrebt zum Rhythmus, versucht man wie­derum menschlicher zu werden. Ich behaupte ja nicht, daß man nach der Tierseite hin durch das Logische sich entwickelt. Sie können sich immerhin,

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wenn Sie wollen, vorstellen, daß man sich zum Engelhaften ent­wickele. Aber eben, wenn man wiederum vom Logischen zurückstrebt zum Menschlichen, so handelt es sich darum, daß man in die Aufeinan­derfolge der Silben, in die Silbenbewegung, in die Lautbewegung, in die Satzgestaltung wiederum das hineinbringt, was nicht die Logik, nicht die Syntax fordert, sondern was der Rhythmus fordert. Wir müssen hören auf den rhythmischen Menschen, wenn wir in die Poesie zurück-wollen, wir müssen hören auf den Kopfmenschen, wenn wir in die Prosa rücken wollen.

Das wird Ihnen andeuten, wie in der Tat ein Zusammenhang ist zwi­schen dem ganz offenbaren Menschenteil, den ich Ihnen geschildert habe, und dem, der sich als eine Metamorphose dieses Menschenteiles etwas verbirgt. Aber in uns ist er, dieser Eurythmiker, der als Ätherleib des Kehlkopfes eine ganz deutliche Eurythmie ausführt, was aber, wie Sie aus alledem entnehmen können, das ich Ihnen dargestellt habe, innig nun zusammenhängt mit der normalen Ausbildung unseres Atmungs­systems, unseres ganzen Zirkulationssystems und damit natürlich sogar auf dem Umwege durch das Zirkulationssystem mit dem Stoffwechsel-system.

Nun handelt es sich darum, daß alle möglichen Anlässe gegeben sind, daß diese ganz komplizierte Einrichtung, auf die ich Sie hier hinge­wiesen habe, dieses Ineinanderpassen eines nach vorne und eines nach rückwärts strebenden Systems, sehr leicht aus den Fugen kommen kann. Man kann eigentlich sagen, sie ist bei den wenigsten Menschen unserer heutigen Kultur in den Fugen, und es wird nötig sein, sich in dieser Rich­tung eine gewisse Beobachtungsgabe anzueignen aus dem Grunde, weil dann, wenn zum Beispiel im kindlichen Alter die obere, die Kopforgani­sation des Menschen so gehandhabt wird, daß die Sünde wider die rhyth­mische Organisation zu groß wird, tatsächlich dadurch, daß sich in der menschlichen Organisation, ich möchte sagen, lawinenartig die kleinen Anlässe zu großen Wirkungen ausbilden, dadurch tatsächlich alles mög­liche im späteren Alter entstehen kann, einfach durch eine Unregel-mäßigkeit im Zusammenhang desjenigen, was ich jetzt geschildert habe.

Es ist zum Beispiel von einer außerordentlichen Bedeutung, wenn man einmal Kinder daraufhin ansieht, inwiefern sie das mehr unbewußte

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Leben in Rhythmen in ihrem ganzen Seelenleben vorherrschend haben gegenüber dem beruhigenden Element der Kopforganisation. Haben sie das, herrscht vor das rhythmische System, prädominiert es, dann muß man wirklich darauf aufmerksam werden, ob nicht da in der Erziehung des Kindes etwas zu geschehen habe. Zeigt sich das nach und nach wie habituell, dann ist es notwendig, daß etwas geschieht. Wenn das Kind durch die Anomalie, auf die ich eben hingedeutet habe, immer aufgeregter und aufgeregter, immer zappeliger und zappeliger wird, wenn man nichts anfangen kann mit ihm, dann ist es notwendig, daß man versucht, in seine ganze Organisation etwas Jambisches hineinzu­bringen. Man kann das dadurch, daß man das Kind gehen läßt so, daß es immer mit vollem Bewußtsein - es muß dazu angeleitet werden - als erstes nach vorne bewegt den linken Arm und die linke Hand, nachher den rechten Arm, so daß das bewußter wird. Aber es muß das Bewußt­sein haben: das ist der erste und ist der erste gewesen. Während der ganzen Übung muß das Bewußtsein vorherrschen: das war der erste und bleibt der erste; es hat angefangen mit dem Linken. Man kann dann das Ganze unterstützen dadurch, daß man es gehen läßt und ausschreiten läßt mit dem linken Bein und das rechte nachziehen läßt, so daß sich der Handübung und Armübung in der Tat anschließt die Beinübung und die Fußübung, die dann nur eine Unterstützung ist. Das Wesent­liche, worauf es ankommt, ist schon die Armübung. Wenn man das Kind in dieser Weise jambisch, wie man es nennen kann, üben läßt, dann wird man sehen, wenn man solche Übungen lange genug fortsetzt, daß sie beruhigend wirken auf ein zappeliges Kind, auf ein aufgeregtes Kind und dergleichen.

Aus Ihren eurythmischen Kenntnissen heraus könnten Sie etwa sagen:

Sie lassen das Kind mit dem linken Arm ein halbes A machen und dann dieses halbe A abschließen zu einem ganzen A mit dem rechten Arm, und so fort, indem das Kind dabei in Bewegung ist und das A nicht auf einmal zustande kommt, sondern eben nach und nach, aus Mitbewegen­dem bestehend nacheinander zustande kommt.

Hat man aber ein Kind, welches phlegmatisch ist, welches nicht auf­fassen will - unsere Waldorflehrer kennen diese Kinder sehr gut, sie können einen manchmal ganz leise zur Verzweiflung bringen, sie hören

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eigentlich alles nicht, was man ihnen sagt, es geht alles an ihnen vorbei-, dann wird man gut tun, wenn man dieses Kind trochäisch behandelt, nämlich jetzt umgekehrt. Natürlich kann man nicht gleich vom An­fange an alles machen; das ist ein Element, das schon in die Waldorf­Pädagogik auch noch hineinkommen wird. Man läßt das A entstehen so, daß das Kind weiß: Zuerst rechter Arm, linker Arm, rechter Arm, linker Arm, und dann wiederum: Rechtes Bein vorsetzen, linkes nach­ziehen, also die Armbewegung, die sich zum A formt, aber zum nach­einander entstehenden A formt, durch die Beinbewegung, Fußbewegung unterstützen lassen. Es ist ganz besonders darauf zu achten, daß diese Dinge so gemacht werden, daß sie im Bewußtsein des Kindes leben, daß das Kind also wirklich das Bewußtsein hat: das eine Mal war der linke Arm der erste, das andere Mal war der rechte Arm der erste.

Sie werden finden, daß diese Dinge für einen dann schwer verständ­lich werden, für das innere Begreifen Schwierigkeiten bieten, wenn man ganz und gar im heutigen Sinne Physiologe ist und glaubt, alles Seelen-leben des Menschen wäre durch das Nervensystem vermittelt, wenn man also nicht weiß, daß das Fühlen durch das rhythmische System, und nur das Vorstellen durch das Nerven-Sinnessystem, und durch das Stoff­wechselsystem das Wollen vermittelt wird. Wenn man diese Dinge nicht kennt, dann kann man sehr schwer zu der Vorstellung sich durchringen, was es für das ganze seelisch-geistige Wesen und auf der andern Seite auch für das leiblich-physische Wesen beim Menschen für eine Bedeu­tung hat, was an irgendeiner Stelle des menschlichen Leibes geschieht. Derjenige, der auf einem solchen Felde wirklich sich Beobachtungsgabe aneignet, der weiß: Wenn einer ungeschickt ist in einer Hand, wenn er ungeschickt ist in der Fingerbewegung und dergleichen, zeigt er auch eine ganz bestimmte Denkart, die man vergleichen kann mit dem, was in den Fingern geschieht. Und sehr interessant ist wirklich, den Zu­sammenhang zu studieren zwischen der Art und Weise, wie jemand den Armmechanismus und die Fingerphysiognomie beherrscht, mit dem, wie er denkt. Denn dasjenige, was der Mensch geistig-seelisch darlebt, geht eben nicht bloß aus dem Gehirn und seinem Nervennetz hervor, sondern tatsächlich aus dem ganzen Menschen. Und man muß verstehen lernen:

Man denkt nicht bloß mit dem Gehirn, man denkt auch mit seinem

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kleinen Finger und mit seiner großen Zehe. Es hat eine gewisse Bedeu­tung, Leichtigkeit gerade in den Gliedmaßen sich anzueignen; denn es gibt Leichtigkeit auch in bezug auf das Seelenleben. Diese Dinge kön­nen - wir werden das schon in den weiteren Stunden sehen - im Grunde genommen eigentlich nur dann getrieben werden, wenn man für die Schule die nötigen Mittel hat, um wirklich vollständig Schulhygiene neben dem Unterricht treiben zu können. Es kann zum Beispiel durch­aus vorkommen, daß ein Kind die besondere Eigentümlichkeit zeigt, daß es nicht zu der Auffassung geometrischer Figuren kommt. Es kann nicht in der Anschauung zu der Auffassung geometrischer Figuren kom­men. Sie werden dem Kinde dann einen großen Dienst tun, wenn Sie es, so schwer es geht, dazu veranlassen, zwischen der großen Zehe und der nächsten Zehe einen kleinen Bleistift zu nehmen, den zu halten und mit dem wirklich richtige Buchstaben aufzuschreiben. Das ist etwas, was eine gewisse Bedeutung hat, und was auf einen Zusammenhang im Menschen durchaus in ganz berechtigter Weise hinweist.

Nun kann es sich gerade beim Kinde darum handeln, daß man sieht:

Es schnappen gewissermaßen die drei Glieder des menschlichen Organis­mus nicht ordentlich ineinander ein. Es ist ja ein großer Teil der Anoma­lien des Lebens eigentlich beruhend auf einem solchen nicht ordentlichen Einschnappen. Vor allen Dingen: Die Kinder haben Kopfschmerzen; gleichzeitig merkt man, daß in der Verdauung etwas nicht in Ordnung ist, und so weiter. Die mannigfaltigsten Zustände können da auftreten. Wir werden noch weitere Andeutungen darüber zu machen haben an Hand weiterer Übungen, die in den nächsten Tagen gezeigt werden sollen. Aber man kann, wenn man vor einer solchen Tatsache steht wie die eben angedeutete, schon mit dem Kinde oder mit den Kindern viel erreichen, wenn man sie die folgende Übung machen läßt: Ein euryth-misches 1, wie Sie es ja schon kennen, ein eurythmisches A und ein eurythmisches 0, aber so, daß man die Kinder das I machen läßt mit dem ganzen Oberkörper. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, damit namentlich unsere ärztlichen Freunde es wissen: Dasjenige, was in der Eurythmie das Wesentliche ist und wodurch auch für die Kunsteuryth-mie das Wesentliche bewirkt wird, das ist nicht die bloß von außen angeschaute Form des gestellten Gliedes, sondern das ist dasjenige, was

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zustande kommt, wenn in dem gestellten Gliede die Streckung des Glie­des oder die Beugung des Gliedes gefühlt wird. Das in dem Gliede Ge­fühlte ist es, worauf es ankommt. Nehmen Sie also an, Sie machen durch beide Arme ein 1, so erscheint auch nach außen dieses I nicht richtig, wenn Sie etwa bloß auf die Zeichnung schauen, auf den Formgehalt, sondern Sie müssen zugleich - und Sie sehen es dem Menschen an - das Gefühl haben: Er fühlt, während er das macht, die Streckkräfte darin­nen. Ebenso wenn ein Mensch zum Beispiel das E macht, so kommt es nicht darauf an, daß er bloß dieses macht (kreuzende Armbewegung), sondern daß er fühlt, hier legt sich das eine Glied an das andere an. In dem Fühlen des einen Gliedes auf dem andern, darin liegt das E in Wirklichkeit. Und dasjenige, was man sieht, ist eben der Ausdruck für dieses Fühlen des einen Gliedes durch das andere. Denn das, was Sie da vollziehen, ist nichts anderes, als was Sie vollziehen, indem Sie schauen. Ein E führen Sie fortwährend aus, indem Sie die rechte Augenachse mit der linken kreuzen, um einen Punkt zu finden und nun eine gekreuzte Linie zu bekommen. Das ist eigentlich das Ur-E. Und dasjenige, was hier ausgeführt wird, ist ja im Grunde die Nachahmung der Sache, aber es ist ja alles im Menschen Metamorphose, und es ist durchaus eine ge­rechtfertigte Nachahmung, die man in diesem E vollzieht; denn der Kehlkopf macht nach hinten beim E-Sprechen ganz genau dieselbe Form im Ätherischen.

Also es ist notwendig, wenn Sie dann die Übung mit dem Kinde machen, daß Sie das I mit dem Oberkörper machen lassen, das heißt, daß das Kind anfängt, den Oberkörper in Strecklage zu versetzen. Es fühlt den ganzen Oberkörper gestreckt. Es macht so, daß es mit den Beinen das A macht, und es macht das 0, indem es seine Arme so bewegt. Das aber lassen Sie das Kind möglichst rasch hintereinander machen: Strecken des Oberkörpers vertikal in die Höhe, Auseinander der Beine, 0-Bewegung mit den Armen, wiederum ab, an, ab, an und so weiter. Und man kann eine solche Sache durchaus auch im Chor mit den Kindern machen. Es ist natürlich dann festzuhalten, daß es ja im Grunde genommen nötig wäre, daß man, um solche Übungen auszu­führen, nicht klassenmäßig die Übungen treibt. Die Kunsteurythmie und die Eurythmie, die wir sonst aus pädagogisch-didaktischen Gründen

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treiben, sollen klassenmäßig betrieben werden. Das gehört so; da ge­hören die Kinder gleichen Alters zusammen. Aber man müßte, um nun übergehen zu lassen die gewöhnliche Klasseneurythmie in diese schon an die hygienisch-therapeutische Eurythmie anknüpfenden Sachen, aus den verschiedenen Klassen diejenigen herausnehmen, bei denen man gerade durch ihre Besonderheiten, die ich charakterisiert habe, durch ihr Nicht-zusammenstimmen der drei Glieder der menschlichen Wesenheit für nötig befindet, daß sie eine solche Übung durchmachen. Man kann sie dann aus den verschiedensten Klassen herausnehmen und man kann dann mit diesen dafür besonders Geeigneten diese Übung machen. Aber das müßte eigentlich dann gemacht werden, wenn man tatsächlich hygienische Eurythmie, therapeutische Eurythmie in der Schule treiben wollte. Aber schon das, nicht wahr, bringt uns eigentlich im Grunde ge­nommen auf den Weg, der in seiner weiteren Verfolgung dazu führen soll, daß wir hier bestimmte Bewegungen, die nur Metamorphosen sind des gewöhnlichen Eurythmischen, studieren werden und in ihrer Wir­kung auf die menschliche Organisation verfolgen. Tatsächlich ist es so, daß wir im Inneren Organe haben, und diese Organe haben gewisse Formen. In diesen Formen können Anomalien liegen. Jede Organform steht in einem gewissen Zusammenhang mit einer möglichen Bewegungs-form des äußeren Menschen, so daß Sie sagen können: Nehmen wir an, irgendein Organ, meinetwillen die Galle, neigt zum Deformieren, zum Annehmen einer anomalen Form. Es gibt eine Bewegungsform, welche dem entgegenwirkt; und so für jedes Organ.

Nach dieser Richtung hin wollen wir dann das Weitere gestalten. Ich wollte dieses heute als Einleitung geben, um Sie zunächst auf den Weg zu bringen in dieser Sache.

ZWEITER VORTRAG Dornach, 13. April 1921

#G315-1966-SE021 Heileurythmie

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ZWEITER VORTRAG

Dornach, 13. April 1921

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Ich habe vor, heute einiges über das vokalische Prinzip in der Eurythmie vor Ihnen zu besprechen. Wir brauchen uns nur zu vergegenwärtigen, wie aus der Geisteswissenschaft uns bekannt ist, daß Vokale eigentlich mehr aussprechen dasjenige, was im Inneren des Menschen lebt an Ge­fühlen, an Emotionen und so weiter. Konsonanten drücken mehr das äußerlich Gegenständliche aus. Bleiben wir also innerhalb der Sprache, so gelten diese beiden Sätze: Vokale mehr Ausdruck, mehr Offenbarung für das Innere der Gefühle; wir offenbaren gewissermaßen uns im Vokal, also dasjenige, was wir über einen Gegenstand empfinden, was wir über einen Gegenstand fühlen. Konsonanten passen sich mit den Bewegungen, die Zunge, Lippe, Gaumen und so weiter ausführen, mehr plastisch an die äußeren Formen der Gegenstände an, die aber dann natürlich geistig empfunden werden, versuchen sie nachzubilden. Es sind so im Grunde alle Konsonanten eine Nachbildung mehr des äußer­lichen Formseins der Dinge. Nun aber kann man so im Grunde genom­men nur sprechen über Vokale und Konsonanten, wenn man im Auge hat einen früheren Zustand der Menschheitsentwickelung, einen Zu­stand, in dem eigentlich die Sprachentwickelung gegeben war, und in dem das Bewegen des ganzen Leibes, also auch der Glieder des Leibes eine Selbstverständlichkeit war, in dem gewissermaßen die einzelnen Laute immer mit Bewegungen des Leibes verbunden waren. Diese Ver­bindung ist ja im Laufe der Menschheitsentwickelung gelockert worden. Die Sprache wurde mehr überhaupt nach dem Inneren genommen, die Bewegungsmöglichkeiten, die Bewegungsausdrücke hörten auf, und im gewöhnlichen Leben sprechen wir heute, ohne viel die Sprache mit den entsprechenden Bewegungen zu begleiten. In der Eurythmie holen wir nun wiederuin heran dasjenige, was an Bewegungen die Vokale und Konsonanten begleitet hat, und bringen so den Körper wiederum in Bewegung. Nur müssen wir uns jetzt darauf besinnen, daß wir gewisser­maßen bei dem Vokalsprechen die Bewegung weglassen und den ganzen Vokal, der gewissermaßen vorher in der äußeren Bewegung mitgelebt

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hat, daß wir diesen Vokal verinnerlichen. Wir nehmen ihm etwas weg auf seinem Wege nach innen. Wir nehmen ihm die Bewegung weg. Daher ist es beim Vokal so, daß wir ihm dasjenige, was wir ihm auf dem Wege nach innen weggenommen haben, in der äußeren Bewegung wie­dergeben. So daß beim Vokal alles so liegt, daß bei ihm außerordentlich viel auf die äußere Bewegung ankommt, wenn wir nun den Übergang suchen wollen von der Wirkung dieses Vokals, eurythmisch ausgedrückt, auf den ganzen Menschen. Das ist dasjenige, was wir dabei berücksich­tigen müssen.

Also indem wir heute vom Vokalischen sprechen, sprechen wir so rein von der Bedeutung desjenigen, was bewegungsmäßig eurythmisch vokalisiert wird. Und es handelt sich da sehr darum, daß man sich eine Empfindung von dem erwirbt, was in die Bewegung gewissermaßen hineinfließt. Also daß man sich ein Anschauungsbewußtsein erwirbt, ob dasjenige, was mit dem entsprechenden Gliede des Menschen geschieht, ein Strecken ist, ob es ein Runden ist und dergleichen. Man muß sich durchaus davon deutliches Bewußtsein erwerben. Das ist beim Voka­lischen außerordentlich wichtig, daß man gewissermaßen die Bewegung oder die Haltung, die gemacht wird, fühlt. Das ist das Wichtige. Und von da ausgehend wollen wir jetzt einmal einzelne Vokale aus dem Eurythmischen ins Therapeutische herüberholen.

Praktisch vorgeführt (Frau B.): Ein deutliches I durch Strecken mit beiden Armen. Dieses Strecken, das müßte man nun so bewirken, daß man jetzt wiederum zurückgeht (d. h. in die Ruhestellung; d.H.) und dieselbe Bewegung etwas tiefer ausführt, wieder zurückgeht und beides horizontal macht. Jetzt gehen wir wieder zurück, und wenn Sie zuerst rechts vorne waren, so nehmen Sie jetzt, indem Sie nach unten gehen, rechts rückwärts, und nun nach vorn, jetzt etwas zurück und wiederum etwas tiefer. Nun will ich Sie nicht weiter plagen, aber wenn man nun das ausführen sollte, könnte man es noch mehr komplizieren dadurch, daß man noch mehr Stellungen nimmt, daß man also geradezu von dem I ausgeht, zurückgeht, ein wenig weitermacht, wiederum zurück-geht, ein wenig weitermacht und so weiter, so daß man möglichst viele solche 1-Stellungen hat, die man von oben bis nach unten macht, immer wieder unter Zurückgehen (d.h. in die Ruhestellung; d. H.). Wenn man

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diese Bewegungen ausführen läßt, dann ist das ein Ausdruck für die menschliche Person. Es drückt sich die ganze individuelle Person da­durch aus.

Nun können wir zum Beispiel die Bemerkung machen: Irgendein Kind oder meinetwillen auch ein erwachsener Mensch kann sich nicht ordentlich äußern als Person. Er ist irgendwie verhindert, als volle Individualität sich zu äußern. Er wäre also in gewissem Sinne vielleicht ein Träumer und dergleichen. Oder aber, wenn wir an ein physisches Übel denken bei einem Kinde, sagen wir das physische Übel, es lernt nicht ordentlich gehen, es geht ungeschickt, oder wir bemerken auch noch bei einem Erwachsenen, daß es wünschenswert ist, daß er aus gewissen hygienischen oder therapeutischen Gründen besser gehen lernt, dann wird diese Übung zunächst für diesen Zweck außerordentlich in Be­tracht kommen. Bei Erwachsenen, wenn sie einen, sagen wir, zu wenig ausschreitenden Schritt haben, wenn sie nicht ordentlich ausgreifen mit ihrem Schritt, bedeutet es eigentlich immer, daß darunter ihre Blut­zirkulation leidet. Die Blutzirkulation leidet unter einem nicht genü­gend ausgreifenden Schritt. Also wenn die Leute so gehen (trippelnd; d.H.), so hat das immer zur Folge, daß die Blutzirkulation in irgend­einer Weise langsamer wird, als sie für die betreffende Individualität werden soll. Dann muß man versuchen, daß diese Person weiter aus­schreiten lernt, und man wird ein sicheres Ziel erreichen, wenn man sie diese Übung machen läßt. Dann wird sie eben die größeren und durch­greifenderen Erfolge haben in bezug auf das ordentliche Gehenlernen. So daß man sagen kann, diese modifizierte 1-Übung ist iln wesentlichen fördernd für die Personen, welche - nun, ich drücke es etwas radikal aus - nicht ordentlich gehen können. So kann man es ungefähr fassen:

für Personen, die nicht ordentlich gehen können.

Sie können nun diese Übung aber noch weiter ausführen, und sie wird ebenso nützlich sein, wenn Sie gewissermaßen das Resümee dessen, was jetzt Frau B. gemacht hat, noch hinzufügen. Jetzt versuchen Sie, diese ganze I-Übung ohne Zurückbringen der Arme (in die Ruhestellung; d.H.) so zu machen, daß Sie die letzte Stellung durch das bloße Drehen herauskriegen: Drehen in der Ebene, schnell, schneller, noch schneller. Das würde also dasjenige sein, wodurch man diese 1-Übung, die man

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zuerst so gemacht hat, wie wir es beschrieben haben, dann steigert, und das würde zu dem Resultat führen, daß Personen dadurch gefördert werden, die nicht ordentlich gehen können. Es wird dann außerordent­lich leicht sein, sie zum ordentlichen Gehen zu bringen. Man kann sie dabei noch ermahnen, daß sie ordentlich gehen sollen, und es wird außerdem dieses Anders-gehen-Lernen einen entsprechenden Erfolg haben.

Nun wird uns Frau B. eine U-Übung vormachen. Recht hoch hinauf die Arme, in die Ausgangsstellung zurück, jetzt ein wenig tiefer, wieder zurück, ein wenig tiefer, jetzt horizontal, wieder zurück, jetzt nach unten, wieder zurück, weiter nach unten; das ist das Prinzip. Und jetzt machen Sie es gleich so, daß Sie es nach oben machen und jetzt, indem Sie herunterbewegen, lassen Sie das U bestehen, und machen Sie es jetzt immer schneller, so daß Sie zuletzt eine ziemliche Schnelligkeit haben.

Das würde ich bitten, jetzt als die Ausführung der U-Bewegung ins Auge zu fassen. Und es ist dieses, wenn ich mich jetzt in derselben Weise zusammenfassen wollte, wie ich es früher gesagt habe, die Bewegung für Kinder oder erwachsene Menschen, die nicht stehen können. Beim I hatten wir: die nicht gehen können, beim U: die nicht stehen können.

Nun, nicht stehen können heißt, überhaupt schwach mit den Füßen bestellt sein und sehr leicht ermüden beim Stehen. Es heißt auch zum Beispiel: nicht ordentlich genügend lange Zeit auf den Fußspitzen stehen können, oder nicht genügend lange Zeit, ohne daß man gleich unge­schickt ist, auf den Fersen stehen können. Auf den Fußspitzen, auf den Fersen stehen können, das sind keine eurythmischen Übungen, aber sie müssen von Menschen gemacht werden, welche schwach auf den Beinen sind, welche beim Stehen leicht müde werden oder welche überhaupt nicht ordentlich stehen können. Nicht ordentlich stehen können heißt auch: beim Gehen leicht müde werden. Also bitte, das ist technisch zu unterscheiden: Es ist etwas anderes, ungeschickt gehen oder beim Gehen müde werden. Wenn man also beim Gehen müde wird, handelt es sich um die U-Übung. Ungeschickt sein beim Gehen oder eben es durch seine ganze Konstitution hervorrufen, daß es wünschenswert ist, daß man mehr ausschreiten lernt, das heißt: nicht gehen können, technisch gesprochen. Aber müde werden beim Gehen, das heißt, technisch gesprochen:

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nicht stehen können. Und für solche Leute ist diese U-Übung ganz besonders dasjenige, um was es sich handelt. Es ist dieses mit Din­gen zusammenhängend, die wir dann, wenn wir weitergekommen sind, noch auseinandersetzen wollen.

Jetzt machen Sie eine 0-Bewegung, recht nach oben, und zurück (d.h. in die Ruhestellung; d. H.) und jetzt etwas weiter nach unten, wieder zurück, wieder weiter nach unten und so fort. Und jetzt machen Sie sie gleich so, daß Sie die 0-Bewegung nach oben machen und jetzt aber richtig fühlen die Rundung der Arme in der Bewegung, indem Sie hin­untergleiten. Wenn Sie mit der 0-Bewegung hinuntergleiten, muß das 0 bleiben. Jetzt immer schneller und schneller.

Nun, diese Bewegung würden Sie vollständig sehen in der glanz-vollsten Anwendung, wenn Sie jetzt hier vor sich hätten eine richtig dickliche Person. Wenn also ein Kind oder auch eine erwachsene Person unnatürlich dicklich wird, dann wird diese Übung diejenige sein, die man anwenden muß. Dadurch, daß man das eurythmische 0 so oft macht, und daß man es zuletzt gewissermaßen zu diesem faßförmigen Körper hier erweitert - denn es ist ja ein Faß, das man außer sich um-schreibt -, wird tatsächlich dasjenige ausgeführt, was der Gegenpol ist zu denjenigen dynamischen Tendenzen, welche im Dicklichwerden der Menschen wirken. Es ist dasjenige, was also sehr gut hygienisch und therapeutisch angewendet werden kann, und Sie werden sich wohl überzeugen, daß, wenn Sie diese Bewegung bei solchen Menschen aus­führen lassen, dann in der Tat eine Tendenz auftaucht, dünner zu wer­den, insbesondere wenn Sie noch andere Dinge ausführen lassen, die wir noch besprechen wollen. Aber es ist gleichzeitig dieses, daß Sie diese Bewegung - gerade bei dieser Bewegung ist das von besonderer Bedeu­tung - so lange ausführen lassen, daß die Person nicht zu stark schwitzt, nicht zu warm wird. Also man muß schon versuchen, die Bewegung so ausführen zu lassen, daß man immer wiederum ausruhen läßt inzwi­schen, wenn man das erreichen will, was erreicht werden soll.

Nun wird uns Frau B. eine E-Bewegung machen, recht hoch oben. Es ist erst eine rechte E-Bewegung, wenn diese Hand über der andern liegt, so daß sie sich berühren. Nun gehen Sie zurück (in die Ruhestellung; d. H.), dann etwas tiefer, Ihre rechte Hand über Ihren linken Arm,

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dann aber, damit das recht wirksam wird, machen wir es noch so, daß wir es mehr zurückliegend ausführen und jetzt wiederum von oben nach unten; denn das E muß gründlich gemacht werden. Und dann machen wir die eine Bewegung, indem wir das nach unten führen, also weiter zurück, so lange, bis Sie sich hinten die Ärmeinaht zerreißen. Nun, diese Bewegung ist diejenige, die fördernd sein wird insbesondere bei Schwächlingen, also bei Dünnlingen statt bei Dicklingen, bei solchen, bei denen das Schwachsein so recht von innen kommt, aber organisch bedingt ist. Es muß organisch bedingt sein.

Nun die andere Übung, die mit dieser parallel betrachtet werden kann, muß man mit einiger Vorsicht anwenden; denn sie geht mehr auf das Seelische, und sie ist die folgende: Ein E nach rückwärts machen, so gut Sie es können, und jetzt so weit herauf, als Sie können. Das tut ernst­lich weh. Das ist eine Bewegung, die als solche ein bißchen weh tut, und das ist auch der Zweck. Es ist dieses auszuführen bei denjenigen Kindern oder erwachsenen Personen, bei denen seelische Gründe für das Dünn-werden vorliegen, abgehärmt sein und dergleichen. Da es überhaupt so ist, daß man vorsichtig sein muß mit einem von außen an den Menschen Herangehen mit Heilungen mit solchen geistigen Mitteln, so muß natür­lich dieses auch mit Vorsicht angewendet werden. Das heißt also, man muß versuchen, auch die moralischen Einflüsse auf ein verzagtes oder auf ein deprimiertes, auf ein Depressionserscheinungen zeigendes Kind anzuwenden, wenn man es diese Übungen machen läßt. Wenn man sich aber mit dem Kinde sonst beschäftigt, indem man es tröstet, indem man es auch seelisch behandelt, so kann man es auch diese Übungen machen lassen.

Sie sehen daraus, daß es gewissermaßen bei allen diesen Dingen dar­auf ankommt, daß man dasjenige, was in der Eurythmie als Kunst zum Ausdruck kommt, in einer gewissen Weise erweitert. Das gilt insbeson­dere für das Vokalische.

Nun ist es sehr wichtig, daß wir uns das Folgende klarmachen. Sie wissen also, das Vokalische kann in einer solchen Weise ausgebildet werden, und es ist im wesentlichen der Ausdruck für das Innere. Allein man muß eine gefühlsmäßige, anschauungsmäßige Auffassung desjeni­gen haben, was da geschieht. Also bei demjenigen, den man diese Sachen

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dann zu Heilzwecken ausführen läßt, bei dem muß man durchaus dar­auf bedacht sein, daß er die Dinge fühlt, also beim E richtig das Be­decken des einen Gliedes durch das andere fühlt. Beim 0 kommt aber noch etwas in Betracht. Beim 0 soll nicht nur gefühlt werden dieses Kreisschließen, sondern es soll auch die Biegung gefühlt werden. Man soll also fühlen, daß man einen Kreis bildet. Also man soll den Kreis, der da durchgeht, fühlen. Und wenn das 0 besonders wirksam gemacht werden soll, dann mache man denjenigen, der es macht, aufmerksam darauf, daß er fühlen soll außerdem so, wie wenn er selbst oder ein anderer ihm einen Strich längs des Brustbeines machen würde, so daß gewissermaßen das Ganze nach rückwärts geistig durch das Gefühl ab­geschlossen ist; also, als wenn man so etwas fühlte, wie wenn man selber oder ein anderer einem einen Strich machte am Brustbein.

Nun wollen wir ein A machen: Jetzt gehen wir wieder zurück (in die Ruhestellung; d. H.), jetzt machen wir ein A tiefer, gehen wieder zu­rück, machen ein A horizontal, zurück, machen ein A gesenkt, zurück, machen ein A ganz tief, zurück, dann nach rückwärts; das brauchen Sie nur einmal zu machen, aber zurückgehen (in die Ruhestellung; d.H.) zuerst. Und jetzt machen Sie das A oben und fahren, ohne den Winkel zu verändern, nach unten, und ohne daß Sie das Gefühl haben, den Winkel zu verändern, nach rückwärts.

Diese Übung, die kann auch wirksam werden eigentlich nur dadurch, daß man sie recht oft ausführen läßt. Und wenn man sie recht oft aus­führen läßt, dann ist sie die Übung, die man anwenden soll bei Perso­nen, die gierig sind, bei denen die Tiernatur besonders stark auftritt. Also wenn Sie in der Schule ein Kind haben, das so richtig ein kleines Tierlein ist nach jeder Beziehung, und bei dem das organisch bedingt ist, und Sie lassen es diese Übung ausführen, so werden Sie sehen, daß sie für dieses Kind eine ganz besondere Bedeutung hat.

An diesen Übungen sehen Sie wiederum, daß ja, wenn sie schulmäßig eingeführt werden sollen, es notwendig ist, daß man die Kinder beson­ders dazu einteilt, und man wird sich auch überzeugen, daß die Kinder diese Übungen weit weniger gerne machen als die eurythmischen Übun­gen sonst. Zu den eurythmischen Übungen drängen sie sich, bei diesen Übungen wird man ihnen höchst wahrscheinlich sehr zureden müssen;

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denn sie werden sich zunächst so verhalten dazu, wie sich Kinder oftmals gegen das Einnehmen von Arzneien verhalten. Sie werden keine rechte Freude daran haben, aber das schadet eigentlich bei diesen Übungen allen nicht besonders, die sich auf das 0, U, E und A beziehen; bei dem I schadet es etwas, wenn die Kinder keine Freude daran haben. Da muß man versuchen, das zu erreichen, daß diese 1-Übung, wie wir sie ge­macht haben, den Kindern Spaß macht. Bei den andern, bei dem U, 0, E, A ist es so, daß, wenn sie es auf Autorität ausführen und wissen, sie sollen es pflichtgemäß tun, es nicht besonders schadet. Bei dem I ist es aber wichtig, daß die Kinder Spaß haben dabei, weil das auf die ganze individuelle Person geht, wie ich schon gesagt habe.

Sie werden noch etwas davon haben, wenn Sie sich etwa folgendes zurechtlegen: Das I offenbart den Menschen als Person, das U offenbart den Menschen als Mensch, das 0 offenbart den Menschen als Seele, das E fixiert das Ich im Ätherleib, es prägt sehr stark das Ich in den Äther­leib hinein. Und das A wirkt der tierischen Natur im Menschen ent­gegen.

Nun handelt es sich darum, diese verschiedenen Wirkungen noch wei­ter zu verfolgen. Wenn Sie einen Menschen haben, der unregelmäßige Atmung hat, irgendwie durch seine Atmung belästigt wird und derglei­chen, dann werden Sie gerade durch die Anwendung dieses Vokalisie-rens es erreichen, daß dieser Mensch eine gewisse Normalisierung des Atmens erreicht. Insbesondere aber werden Sie durch diese Übungen erreichen, daß zum deutlichen Aussprechen des Konsonantischen dieses Vokalisieren von großem Vorteil ist. Wenn man sieht, es gelingt Kin­dern nicht, gewisse Konsonanten mit den Lippen oder mit der Zunge zu formen - für Gaumenlaute ist es weniger anwendbar, aber für Lippen-und Zungenlaute außerordentlich gut -, und wenn man versucht, Kin­der, die Schwierigkeiten in dieser Beziehung haben, möglichst früh solche Vokalübungen machen zu lassen, so ist das wiederum außer­ordentlich fördernd für sie.

Man wird aber auch merken, daß, wenn Personen neigen zu chro­nischen Kopfschmerzen, migräneartigen Zuständen, man wesentliche Erleichterungen haben wird gerade durch dieses Vokalisieren. Also auch bei chronischem Kopfschmerz und bei chronischen Migräneerscheinungen,

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auch bei Eingenommenheit des Kopfes, werden sich diese Dinge ganz besonders gut anwenden lassen. Ebenso wenn man die Übungen, die wir heute gemacht haben, anwendet bei gewissen Kindern, die gar nicht aufmerksam sein können, die verschlafen sind, so werden Sie diese Kinder in einem gewissen Sinne zum Gewecktwerden bringen. Also das ist eine hygienisch-didaktische Seite, die von einer gewissen Wichtigkeit ist. Aber auch bei erwachsenen Menschen wird sich durchaus noch zeigen können, daß man sie, wenn sie Schlafmützen sind, erwecken kann da­durch. Dann wird man merken, daß, wenn die Verdauung des Men­schen schwach ist, träge ist, man gerade durch diese Übungen günstig eine zu träge Verdauung und dann natürlich auch all das, was man als zusammenhängend betrachten muß mit einer zu trägen Verdauung, ganz besonders fördern kann nach der guten Seite hin.

Es würde nun aber auch bei einer gewissen hygienischen Eurythmie gut sein, wenn man womöglich versuchen würde, die Bewegungen, die eigentlich für die Kunsteurythmie bloß mit den Armen ausgeführt wer­den, wenn man diese, allerdings schwächer - ich werde gleich darüber noch sprechen -, ausführen ließe in einer gewissen Weise mit den Bei­nen. Nun werden Sie sagen, wie kann man zum Beispiel I mit den Beinen machen? Das geht sehr leicht. Man braucht nur das Bein vor­zustrecken und das Strecken drinnen haben. Das U würde einfach dieses sein, daß man sich mit vollem Bewußtsein auf beide Beine stellt, so daß man ein deutliches Streckgefühl in beiden Beinen hat. Das 0 aber sollte man lernen mit den Beinen. Man sollte schon auch Leute, bei denen man notwendig findet, in der Weise, wie ich es beschrieben habe, die 0-Be­wegung auszuführen, gewöhnen, die 0-Bewegung mit den Beinen zu machen. Das besteht darinnen: In entsprechender Weise die Zehen etwas, aber wenig, nach außen stellen und dann versuchen, in dieser Weise zu stehen, sich zu stellen. Aber auf den Zehenspitzen dabei stehen und nach auswärts biegen, ein wenig stehenbleiben, zurückgehen in die Normalstellung, wiederum das bilden und so weiter.

Es ist notwendig, daß man dabei berücksichtigt das Verhältnis, das besteht zwischen der inneren organisch bedingten Bewegungsmöglich­keit für den mittleren Menschen und den unteren Menschen. Die ist so, daß man dasjenige, was man ausführt für den unteren Menschen, also

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#Bild s. 30

solch eine Bewegung, nur in Drittelstärke ausführen läßt. Also wenn Sie jemanden die 0-Bewegung ausführen lassen, wie wir sie gesehen haben, so müssen Sie dann das Gefühl haben, daß das, was Sie etwa hinterher machen lassen für die Füße und Beine, nur ein Drittel der Zeit in An-spruch nimmt, also ein Drittel Kraftaufwand ist. Besonders wirksam wird es aber sein, wenn Sie es in die Mitte hinein verlegen, so daß Sie also haben, sagen wir A und dann noch einmal A, und in der Mitte das B, die Fußbewegung hinein (siehe Schema) und Sie zusammen haben

ein Drittel ein Drittel ein Drittel

A B A

Arm Fuß Arm

das wird von besonderer Wirksamkeit sein. Von besonderer Wirksam­keit ist aber auch, dasselbe auszuführen im Zusammenhang mit der gezeigten E-Bewegung für die Füße, indem Sie die Füße richtig über-einanderlegen. Aber man muß auf den Zehenspitzen stehen und die Beine übereinanderlegen, so daß sich die Beine berühren. Wiederum ein Drittel und womöglich in die Mitte verlegen. Das ist etwas, was ganz besonders gut ausgeführt werden sollte bei Kindern und auch bei er­wachsenen Personen, die Schwächlinge sind. Sie werden es natürlich um so weniger machen können, aber das ist gerade das, worauf es ankommt, daß sie es eben lernen zu machen. Und gerade bei diesen Dingen sieht man, daß für die verschiedenen Menschen dasjenige am wichtigsten ist

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zu lernen, was sie am allerwenigsten können. Das müssen sie dann ler­nen, weil es gerade zu ihrer Gesundung notwendig ist.

Das A (mit den Beinen ausgeführt; d. H.) ist ebenfalls notwendig, das habe ich Ihnen schon gestern gezeigt. Das besteht eben darinnen, daß man, sich womöglich auf die Zehen stellend, diese gespreizte Stel­lung einnimmt. Das soll ebenfalls in die A-Bewegung eingeführt wer­den, und da wird es ganz besonders günstig wirken.

Man kann nun aber alle Bewegungen, die wir jetzt beschrieben haben, auch noch dadurch steigern, daß man sie im Gehen ausführen läßt. Und Sie werden zum Beispiel ganz besonders viel erreichen für ein Kind, das schwach ist, wenn Sie es anleiten, die E-Bewegung beim Gehen aus­zuführen, wie wir sie jetzt gemacht haben, aber es außerdem so gehen lassen, daß es sich abwechselnd immer berührt. Indem es vorschreitet, nimmt es das eine Bein herüber, dann das andere, so daß es immer ein Bein über das andere stellt, so daß es immer das eine Bein zurücklegt und mit dem andern nach vorwärts berührt. Es wird natürlich nicht gut vor­wärtskommen; aber es ist doch dasjenige, was gut ist, ausführen zu lassen, nämlich dieselben Bewegungen im Gehen auszuführen. Sie wer­den sagen, es kommen komplizierte Bewegungen dadurch zum Vor­schein; aber es ist gut, wenn solche komplizierten Bewegungen zum Vorschein kommen.

Nun möchte ich Sie noch darauf aufmerksam machen, daß dasjenige, was wir jetzt über das Vokalische gesagt haben, zunächst recht scharf gesondert werden soll von demjenigen, was wir morgen über das Kon­sonantische üben werden. Das Konsonantische, das ist im allgemeinen so, daß es das Äußere ausdrückt, wie wir schon gesagt haben. Der Kon­sonant wird ja auch in der Sprache so geformt, daß sich Lippe und Zunge namentlich in einer solchen Weise formen, daß da eine Nachbildung, eine Imitation der äußeren Form vorliegt. Nun, das Konsonantische hat ja, wie wir morgen auch sehen werden, dann ganz besondere Arten von Bewegungen, und in diesen Bewegungsformen liegt es schon, daß der Konsonant in einer gewissen Weise wiederum verinnerlicht wird, indem er in eurythmischen Formen gegeben wird. Er wird verinnerlicht. Es wird ihm dasjenige, was er in der Sprache auf dem Wege nach außen verloren hat, wiedergegeben, und beim Konsonanten, sowohl beim

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Anschauen, indem man Eurythmie als Kunst nimmt, wie namentlich wenn sie ausgeführt wird zu persönlichen Zwecken, ist es ganz besonders wichtig, daß man nun nicht etwa in derselben Weise wie beim Vokal ein Gefühl, also das Streckgefühl, das Biegegefühl, das Weitegefühl und so weiter hat, sondern daß man beim Konsonanten sich selbst gleich­zeitig in der Form vorstellt, die man ausführt, wenn man den Konso­nanten macht, wenn man sich gewissermaßen selber zuschaut.

Hier sehen Sie am allerdeutlichsten, daß man die Kunsteurythmisten ermahnen muß, nicht beide Dinge durcheinanderzuwerfen; denn die Kunsteurythmisten, die werden nicht gut tun, sich immer zuzuschauen, da werden sie sich die Unbefangenheit nehmen. Dagegen, wenn Sie ein Kind oder eine erwachsene Person Konsonantisches ausführen lassen, so ist es wichtig, daß sie sich gewissermaßen mit dem Gedanken inner­lich selbst abphotographiert; denn darinnen liegt das Wirksame, daß sie sich innerlich selbst abphotographiert, daß sie sich also gerade in der Stellung darinnen richtig innerlich sieht, die sie ausführt, und daß das wirklich so ausgeführt wird, daß die Person eine innerliche An­schauung hat von dem, was sie ausführt.

Also, wenn Sie (Fräulein W.) noch so gut sind, vielleicht uns vor­zuführen, sagen wir ein M konsonantisch zuerst mit der rechten Hand, jetzt mit der linken Hand, aber das zurücknehmen, jetzt die rechte Hand ganz zurücknehmen, mit der linken Hand ein M, jetzt mit beiden Händen - das kann natürlich wieder vermannigfaltigt werden in viel­facher Weise. Nun ein M - gehen wir von diesem Beispiel aus -, was ist es denn zunächst sprachlich? Sprachlich ist das M ein außerordentlich wichtiger Laut. Sie werden ihn sprachlich empfinden in seiner Wichtig­keit, auch sprachphysiologisch, wenn Sie ihn im Gegensatz betrachten zu dem S. Vielleicht macht uns Frau B. jetzt ein graziöses 5, rechts, links, jetzt mit beiden Händen.

Nun ist es ja scheinbar zunächst so, daß, wenn das 5 ausgeführt wird, Sie das Gefühl haben werden, oder haben müssen, daß Sie sich selbst mit etwas in Ihnen - es ist nämlich der Ätherleib - so begegnen (hier machte Dr. Steiner die entsprechende Bewegung; d. H.), eine Schlangen-linie haben. Diese Schlangenlinie darf bei einem besonders scharf aus­gesprochenen 5 sich der Geraden sehr nähern und kann sogar als Gerade

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vorgestellt werden. Dagegen wenn Sie sich anschauen das M, welches eben ausgeführt worden ist, so müssen Sie das Gefühl haben, das ist eigentlich - wenn auch die organische Form innerlich ausgeführt wird -nicht dasselbe. Und so ist denn das M dasjenige, was sich, angelegt an die S-Richtung, entgegenlebt der S-Richtung, und das ist im Grunde ge­nommen der große Gegensatz zwischen einem 5 und einem M, das sind die zwei polarischen Laute. Das 5 ist, wenn ich mich jetzt anthroposo­phisch ausdrücken darf, der eigentlich ahrimanische Laut, und das M

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ist dasjenige, was das Ahrimanische in seiner Eigenschaft mildert, ab­mildert, was ihm, wenn ich so sagen darf, seine ahrimanische Stärke nimmt. So daß, wenn wir unmittelbar einen Lautzusammenhang haben, in dem 5 und M sich finden, zum Beispiel den Lautzusammenhang «Samen» oder gar «Summe», wir in diesem Lautzusammenhang zuerst das stark ahrimanische Wesen im 5 haben, aber dann ihm die Spitze genommen im M.

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Vielleicht machen Sie uns noch ein H (Fräulein W.). Wenn Sie das H nun richtig anschauen, wenn Sie sich so recht drinnen fühlen in diesem H, dann werden Sie sich sagen: In diesem H liegt etwas, was unmittel­bar luziferisch sich ausnimmt. Es ist also das Luziferische in dem H, das da zum Ausdrucke kommt. Und nun versuchen Sie selbst jetzt anzu­schauen - hier kommt es weniger auf das Fühlen als auf das Anschauen an -, versuchen Sie selbst jetzt anzuschauen, wenn Frau B. uns das jetzt machen wird, wenn man das H macht und es gleich übergehen läßt in ein M. Machen Sie das H zuerst und lassen Sie es langsam übergehen in ein M. Nun sehen Sie das einmal an. Da haben Sie die ganze Anschau­ung des Luziferischen abgemildert, ihm die Spitze genommen, in die­ser Bewegung zum Ausdrucke gebracht. Diese Bewegung ist wirklich so, wie wenn man den Luzifer aufhalten würde. Und es ist das ja für Sie auch hörbar, wenn Sie sich einfach darauf besinnen - der heutige Zivilisationsmensch kann sich eigentlich gar nicht mehr richtig auf diese Dinge besinnen -: Wenn jemand zu etwas Luziferischem zustimmen will, aber das richtige Luziferische, das Eifrige des Zustimmens gleich herabmindert, so macht er «Hm, hm»; da haben Sie das H und das M eigentlich recht sehr aneinandergelegt, und da haben Sie die ganze Lie­benswürdigkeit des herabgestimmten Luziferischen unmittelbar drin­nen.

Daraus sehen Sie, daß, sobald man ins Konsonantische übergeht, man übergehen muß zugleich in das Anschauen der Form. Das ist das Wich­tige, und davon wollen wir morgen weiterreden.

DRITTER VORTRAG Dornach, 14. April 1921

#G315-1966-SE035 Heileurythmie

#TI

DRITTER VORTRAG

Dornach, 14. April 1921

#TX

Wir werden nun, um entsprechend vorwärtszukommen, heute in An­knüpfung an Formen des Konsonantierens zunächst einiges vorbereiten, das wir dann morgen physiologisch und psychologisch vertiefen wollen. Bei dem, was ausgebildet ist als Form des Konsonantierens, ist wirklich durchaus Rücksicht genommen auf alles, was in Betracht kommt, wenn der Mensch versucht, sprachlich in die Außenwelt einzudringen. Wer die Sprache beobachten will, der wird sehen, wie das Sich-Auseinander­setzen des Menschen mit der Außenwelt darinnen bestehen muß, daß der Mensch in einem Falle sich gewissermaßen sehr stark hinauslebt in die Außenwelt, daß er sich sehr stark entselbstet und in die Außenwelt hinauslebt. Beim Vokalisieren verselbstet er sich, beim Vokalisieren geht er nach dem Inneren und entfaltet da seine Tätigkeit. Beim Konsonan­tieren wird er gewissermaßen eins mit der Außenwelt, aber in ver­schiedenen Graden. Und dieses in verschiedenen Graden Einswerden mit der Außenwelt, das drückt sich auch in gewissen Betätigungen inner­halb der Sprache durchaus aus. Und es muß natürlich bei der Ausbil­dung des eurythmischen Konsonantierens, gerade bei diesem sinnlich-übersinnlichen Schauen, von dem ich oftmals spreche in Einleitungen zu eurythmischen Kunstvorstellungen, scharf berücksichtigt werden, ob der Mensch sich nun vollständig hinausobjektiviert, um gewissermaßen das Geistige, das draußen in den Dingen ist, in dem Laut zu erfassen, oder ob er mehr, trotz des Sich-Objektivierens, noch im Inneren bleibt und nicht ganz hinausgeht, sondern im Inneren noch das Äußere nachbildet. Da ist ein großer Unterschied, und ich bitte aus diesem Grunde, viel­leicht ist Frau B. so gut und macht uns zunächst vor eine H-Bewegung. Und jetzt bitte, wenden Sie den Blick ganz ab von dieser H-Bewegung und Frau B. wird nun eine F-Bewegung vormachen. Und jetzt behalten Sie gut im Auge dasjenige, was Sie bei diesen zwei voneinander ver­schiedenen Bewegungen da beobachten können. Sie können da beobach­ten dasjenige, was Sie aus dem menschlichen Instinkt heraus in dem Auszusprechenversuchen des betreffenden Lautes darinnen haben. Nehmen

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Sie das Aussprechen des H, eigentlich sprechen Sie ja dies H-a in Wirklichkeit, eigentlich sprechen Sie ja einen Vokal nach. Sie kön­nen ja auch einen Konsonanten nicht erklingen lassen, ohne daß er durch einen Vokal tingiert wird. Sie sprechen ein A nach. Der reine Konsonant wird vervokalisiert. Und wenn Sie nun das F betrachten, werden Sie sehen, daß aus dem menschlichen Sprachinstinkte heraus ein E vor­gesetzt wird: e-F. Es wird das Entgegengesetzte gemacht, es wird ein E vorgesetzt.

Daraus ersehen Sie, daß, indem der Mensch ein H spricht, er sich mehr bemüht, das Geistige durch die Sprache in dem äußeren Objekt draußen aufzusuchen; indem er ein F spricht, bemüht er sich mehr, das Geistige im Inneren nachzufühlen. Daher ist die Entstehung des Konso­nantischen eine ganz verschiedene, je nachdem man versucht, die voka­lische Tingierung von vorne oder von hinten zu machen, wenn ich mich so ausdrücken darf in bezug auf das Konsonantieren. Und das werden Sie sehen ausgedrückt in der Form, die Sie gesehen haben.

Vielleicht macht Fräulein W. das H noch einmal. Also H, da haben Sie das starke Aufgehen in die Außenwelt, man will nicht in sich blei­ben, man will heraus, um im Äußeren zu leben. Das F: Sie sehen das starke Bestreben, nicht allzuscharf in die Außenwelt zu gehen, sondern im Inneren zu verbleiben.

Nun aber, wenn man das berücksichtigt, dann wird man natürlich von da ausgehend über manches, was auch schon ins Eurythmische ein­fließen muß, eine Vorstellung bekommen, die zunächst noch nicht nötig war, soweit wir die eurythmische Kunst betreiben, die aber nötig werden wird, je mehr die eurythmische Kunst ausgedehnt wird auf die verschiedenen Sprachen. In dem Augenblick nämlich, wo man nicht ef sagt, sondern fi, in dem Augenblicke ist das anders, in dem Augenblicke versucht man auch, mit diesem Konsonanten das Äußere zu umfassen, und es weist das auf eine wichtige historische Tatsache hin. Im alten Griechenland versuchten ja die Menschen das Äußere zu erfassen selbst in solchen Dingen, wo der moderne Mensch schon innerlich geworden ist. Sehen Sie, wie man bis in die äußersten Ranken des menschlichen Erlebens verfolgen kann dasjenige, was ich zum Beispiel in den «Rätseln der Philosophie» ausgedrückt habe, dieses Herausgehen des Menschen

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und das Erfassen in der Außenwelt desjenigen, was der heutige Mensch im Ich schon ganz innerlich erlebt. Der Grund, warum aus solchen Din­gen heraus die Geisteswissenschaft nicht angenommen wird, ist lediglich der, daß die Menschen im allgemeinen in unserer Zivilisation zu faul sind. Sie müssen zu viele Dinge berücksichtigen, um auf die Wahr­heit zu kommen, sie wollen sich das einfacher machen. Aber das geht eben nicht. Sie möchten sich das alles einfach machen; das geht eben nicht.

Nun, das zunächst in bezug auf das eine, was hineingeflossen ist in die Konsonantierung. Dann ist etwas zu berücksichtigen, wenn man die Konsonantierung ins eurythmische Gebiet hineingehend fassen will, was heute, glaube ich, im Unterricht schon weniger berücksichtigt wird, auch in der Physiologie, in der Lautphysiologie weniger berücksichtigt wird als das dritte, wozu wir dann gleich kommen werden. Um das zu veranschaulichen, bitte ich Sie, wiederum zu vergleichen. Hier handelt es sich darum, daß man sich die Anschauung erwirbt. Man kann natürlich nicht bis ins Ende desjenigen, was man mit der Anschauung macht, in den Begriff hinein.

Vielleicht ist Frau B. so gut, uns ein H nochmals zu machen, und jetzt, nachdem Sie das abtönen lassen, macht uns Frau B. ein D. Sie werden da folgendes zu beachten haben: Indem Sie das H anschauen, hat es eine Bewegung, welche sehr abweicht von dem, was zunächst im Spre­chen vor sich geht; denn in bezug auf die Eigenschaft, die ich jetzt meine, muß das Eurythmische polar sich verhalten zu dem, was der eigentliche Sprechvorgang ist. Der Sprechvorgang, Sie wissen, ich habe es vor­gestern dargestellt, ist ein Zurückreflektieren vom Kehlkopf aus. Der eurythmische Vorgang muß das äußerlich ausdrücken. Er drückt es aus in der Bewegung. Da muß man für gewisse Fälle durchaus ins ganz Polarische übergehen. Bei H und D ist es besonders charakteristisch, bei den andern Konsonanten muß es wieder abgetönt werden. Nun, was ist das H für ein Laut? Das H ist im wesentlichen ein Blaselaut. Es ist eigentlich ein Blasen, wodurch man das H zustande bringt. Beim H, da haben Sie da, wo man blasen muß, eine ausgesprochen stoßige Wirkung in der Eurythmie. Wenn Sie D aussprechen, haben Sie im Aussprechen eine stoßige Wirkung. Die müssen Sie polarisieren dadurch, daß Sie

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sie überführen in diese eigentümliche Bewegung, die beim D da war. Also es wird gerade das Stoßige des Sprechens in dem Bewegen des Lautes abgelähmt.

So also sehen Sie, daß, je nachdem man Blaselaute oder Stoßlaute hat, gerade diese Eigenschaft besonders berücksichtigt werden muß. Nun sind die Laute ja nicht bloß Blaselaute und Stoßlaute. Wodurch aber sind die Laute Blaselaute und Stoßlaute? Sehen Sie, wenn man einen ausgespro­chenen Blaselaut hat, dann drückt man in dem Blasen aus die Tatsache, daß man so recht stark hinaus aus sich möchte; in dem Stoßen, daß einem das Hinausgehen aus sich schwer wird, daß man drinnenbleiben möchte. Aus diesem Grunde muß ja auch die eurythmische Umsetzung des Lautes in der Weise erfolgen, wie Sie es gesehen haben.

Nun aber hat man auch Laute, welche sorgfältig verbinden das Innere mit dem Äußeren, Laute, die eigentlich physiologisch so sind, daß man sagt, man bringt dasjenige, worinnen man sich eigentlich so betätigen möchte, daß das Innere gleich ein Äußeres wird, daß man gleich mit seinem ganzen Menschen in die Bewegung hineingeht, zum Stillstand, man hält das auf. Und das ist in ausgesprochener Weise eigentlich nur deutlich in unserer Sprache bei einem einzigen Laut, dem R, aber es ist deshalb auch das R der umfassendste Laut, weil man nämlich wiederuni mit jedem Glied, möchte ich sagen, dem Sprachorganismus nachlaufen möchte, wenn man das R ausspricht. Man hat eigentlich beim R das Bestreben, daß man das Nachlaufen zur Ruhe bringt. Die Lippen möch­ten nach, wenn sie das Lippen-R sprechen und bringen das Nachlaufen zur Ruhe, die Zunge möchte nach, wenn sie ein Zungen-R spricht, und endlich der Gaumen möchte nach, wenn das Gaumen-R ertönt. Diese drei R sind ja deutlich voneinander verschieden, aber sie sind doch wiederum eins, und in der Eurythmie drücken sie sich aus (Frau B. R). Also es ist ausgedrückt das In-Schwung-Bringen desjenigen, was man sonst in Stillstand bringt. Gerade dieses Nachlaufen der Lautbewegung, das ist in diesem R zum Ausdruck gekommen. Und man wird, wenn man will das andere ausdrücken, das Lippen-R besonders dadurch aus­drücken, daß man die Bewegung weiter nach unten führt, das Zungen-R, indem man sie mehr in der Horizontalen macht, das Gaumen-R, indem man sie mehr nach oben macht. Dadurch kann man modifizieren den

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R-Laut in der eurythmischen Bewegung. Aber Sie sehen, seine Form kommt zustande, indem man das Zitternde des R in den Hintergrund treten läßt und mehr das Nachlaufen in ihm zum Ausdruck bringt.

Ein ähnlicher Laut, aber so, daß man nicht ein Zittern hat in der Be­wegung, sondern eine Art Welle, ist das L (Fräulein W.: L). Sie sehen jetzt, es ist etwas von derselben Bewegung drinnen wie beim R, aber es ist ein zur Ruhe kommendes, ein sanfteres Erfassen des Nachlaufens, es ist eben eine Welle im Gegensatz zum Zittern, was da zum Ausdruck kommt.

Das wäre dasjenige, was sich bezöge innerlich, physiologisch, möchte ich sagen, auf das vokalisierende Tingieren des konsonantischen Lautes und auf das schon mehr ins Physische übergehende Tingieren mit dem Gefühl. Die alleräußerste Einteilung der Laute bekommt man dadurch zustande, daß man sich an die Organe hält, und da können wir etwa, indem wir wiederum vergleichen die entsprechenden Bewegungen, für die Anschauung dasjenige entwickeln, was da an alleräußersten, äußer­lichsten Einteilungsprinzipien herauskommt. (Frau B.: B) Das ist ein B, und jetzt schließen wir gleich an etwa ein T (Frau B.: T). Nun, Sie sehen aus der ganzen Lage, die da als das dritte berücksichtigt werden muß, die sich auch ganz anschaulich in der sinnlich-übersinnlichen Anschauung ergibt, daß wir es bei dem B mit einem Lippenlaut, bei dem T mit einem Zahnlaut zu tun haben. (Fräulein W.: K) K, da ist überhaupt von der Lage herausgegangen und die Hauptsache liegt in der Bewegung. Da haben wir es mit einem Gaumenlaut zu tun, der in der Aussprache, in der Tonaussprache der ruhigste ist, der aber in die Bewegung übergehen muß, in sein polarisches Gegenteil, in der äußerlichen Eurythmisierung. Es übergreifen sich die Konsonanten in bezug auf diese ihre Eigenschaf­ten; die eine Einteilung greift eben in die andere hinein, und wir können etwa folgendes uns als eine Art Hilfe merken.

Nehmen Sie die Lippenlaute, ich will nur die allerausgesprochensten aufschreiben, etwa W, B, P, F, M. Inwiefern die vokalische Tingierung mitspricht, können Sie ja dadurch ergründen, daß Sie einfach die Sache aussprechen. Also das brauche ich nicht anzugeben. Nehmen wir jetzt die Zahnlaute: D, T, 5, Sch, L, das englische Th und N. Und nehmen wir jetzt die Gaumenlaute: G, K, Ch, dann dieses französische Ng etwa.

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Und nun das R müßten wir eigentlich überall hinschreiben, denn es hat überall seine Nuance:

Lippenlaute: W, B, P, F, M, R

Zahnlaute: D, T, 5, Sch, L, (Th), N, R

Gaumenlaute: G, K, Ch, Ng, R

Wenn Sie nun den andern Einteilungsgesichtspunkt nehmen, werde ich Ihnen weiße Striche darunter machen überall, wo wir es zu tun haben mit einem ausgesprochenen Blaselaut: W, F, 5, Sch und etwa noch Ch. Das wären ausgesprochene Blaselaute. Ich werde Ihnen rote Striche darunter machen, wo wir es mit ausgesprochenen Stoßlauten zu tun haben: B, P, M, D, T, N, dann wären noch etwa G und K. Der Zitter­laut ist das R; und mit einem ausgesprochenen Wellenlaut, der also in einem gewissen Sinne wegen des weichen Übergehens in die Bewegung innerlich sein muß, haben wir es im Grunde genommen nur bei dem L zu tun.

Diese drei Einteilungsprinzipien, die vokalisierende Tingierung, das Blasen, Stoßen, Zittern, Wellen und alles dasjenige, was dann wiederum zusammenhängt mit dieser äußeren Einteilung (in Zahn-, Lippen- und Gaumenlaute; d. H.), das kommt in den Formen, die da sind für das Eurythmisieren, zum Ausdrucke. Nur müssen Sie natürlich sich klar sein darüber, wie stark diese Einteilungsprinzipien wiederum einander alte-rieren. Wenn wir es zum Beispiel mit dem L zu tun haben, haben wir es mit einem ausgesprochenen Zahnlaut zu tun, der also alle Eigenschaften des Zahnlautes haben muß, und dann haben wir es mit einem Gleitlaut zu tun, mit einem Wellenlaut, der die Eigenschaften des Wellens haben muß. Er ist aber außerdem sehr stark an das Innere gebunden. Wir haben es also mit einem, wenigstens in unserer Sprache, Tingieren von innen heraus zu tun. Wir sagen nicht: le, sondern wir sagen: ei, und wir haben auch da den Übergang von älteren Formen, wo man überhaupt, ich möchte sagen, sehnsüchtig entwickelte ein äußeres Eingreifen und es daher sehr stark zustande kam, wo man also geradezu ein Wort ge­brauchte, um so etwas auszudrücken, um dieses Hinübergehen in das Äußere so recht zum Ausdruck zu bringen. Wir haben es also bei den einzelnen Buchstaben durchaus zu tun mit einem Abbilden desjenigen, was innerlich vorgeht.

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Bevor wir jetzt die einzelnen Konsonanten durchnehmen, wollen wir uns noch das Folgende vor die Seele führen: Wir haben gestern bei dem A anführen können - und wir haben ja auch seine Metamorphose stu­diert -, daß es zusammenhängt mit all denjenigen Kräften im Menschen, die ihn gierig machen, die ihn nach dem Animalischen hin organisieren. Das A liegt ja tatsächlich dem Animalischen im Menschen am nächsten, und man kann schon in einer gewissen Weise sagen, das A tönt aus dem Tierischen des Menschen heraus, wenn es ausgesprochen wird. Und ganz gewiß ist das A, was ja auch durch die geistige Forschung bestätigt wird, ein Laut, welcher am allerfrühesten beim Menschen auftrat, sowohl in der phylogenetischen wie auch in der ontogenetischen Entwickelung. In der letzteren - Sie wissen ja, es gibt auch ein falsches Entwickeln -, in der ontogenetischen Entwickelung ist es natürlich etwas kaschiert; aber dasjenige, was erst aufgetreten ist in der menschheitlichen Entwickelung, das ist der noch ganz aus dem Tierischen herausklingende A-Laut. Und wenn wir bei Konsonanten nach dem A hintendieren, so appellieren wir auch noch an dasjenige, was in dem Menschen die tierischen Kräfte sind. Darauf ist ja der ganze Laut, wie Sie gestern sehen konnten, nun eigent­lich geformt. Verwenden wir ihn nun therapeutisch, den Laut, so wie er gestern vor unsere Seele getreten ist, so bekämpfen wir also dasjenige, was namentlich Kinder, aber auch Erwachsene zu kleineren und größe­ren Tierchen macht. Und wir können durch solche Übungen in der Ent­Tierung des Menschen schon, ich möchte sagen, ganz Anständiges leisten.

Und nun gehen wir über jetzt zum Beispiel zum U-Laut. Da haben wir ja gestern gesagt, es ist derjenige Laut, den wir therapeutisch ver­wenden, wenn der Mensch nicht stehen kann. Sie haben das gestern ge­sehen; es ist derjenige Laut, welcher in einer gewissen Beziehung dadurch schon in seiner Formung ausdrückt diese seine physiologisch-patholo­gische Beziehung, welcher schon in seiner Formung als Sprachlaut ausdrückt, daß das U ja gesprochen wird beim höchsten Grad des Zu­sammenschlusses des Mundes, der Zahnspalten, etwas vorgestreckten Lippen, so aber, daß diese Mundspalte verengert wird und diese Lippen vibrieren dann. Sie sehen daraus, daß es eine beim Sprechen wesentlich äußere Bewegung ist, die man sucht im U. Es ist am stärksten versucht, das Bewegliche im Aussprechen des U heraus zu charakterisieren. Daher

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tritt beim eurythmischen U physiologisch das Gegenteil ein, das Hervor­rufen der Standfestigkeit, was ja auch beim U in der Kunsteurythmie wenigstens angedeutet vorhanden ist.

Wenn Sie dann die andern Vokale ins Auge fassen, so werden Sie sehen, daß wir eine fortschreitende Verinnerlichung des Vokales haben. Wenn Sie also das 0 ins Auge fassen, ein Zusammenschieben der Lippen, möchte ich sagen, nach vorne, ein Verkleinern der Mundöffnung, wenig­stens die Bemühung der Verkleinerung der Mundöffnung; dieses wird ins Gegenteil hinüber polarisiert durch das Umfassende, was in der 0 - Bewegung beim Eurythmisieren liegt. Gerade bei solchen Dingen sieht man den natürlichen Zusammenhang der Sache. In dem sprach­lichen Handhaben des 0 liegen schon durchaus gewisse Kräfte. Und in Sprachen, in denen das 0 besonders stark vorhanden ist, in solchen Sprachen wird bei den Menschen die meiste Veranlagung vorhanden sein zum Dicklichwerden. Sie können das durchaus als eine Richtlinie betrachten für das Studium der sprachphysiologischen Vorgänge. Wenn man eine Sprache ausbilden würde, die im wesentlichen nur aus Modi­fikationen des 0 bestehen würde, wo also die Menschen die eigentüm­liche Mund- und Lippenformierung, die sie beim 0 haben, immerfort ausführen müßten, so würden das alles Dickbäuche werden. Wenn man nun auf der einen Seite hat, ich möchte sagen, dieses Tendieren zum Diekbäuchigen beim 0, so wird man leicht verstehen können, warum das 0 umgekehrt wiederum die Bekämpfung des Dichbäuchigen dar­stellt, wenn es eurythmisch ausgeführt wird und in der entsprechenden Weise metamorphosiert wird, wie wir das gestern getan haben.

Anders ist die Sache zum Beispiel beim E. Eine Sprache, die besonders E-reich ist, wird eben Dünnlinge erzeugen, schwächliche Menschen er­zeugen. Und damit steht wiederum im Zusammenhang dasjenige, was ich gestern über die Behandlung von Dünnlingen, also von schwäch­lichen Menschen gesagt habe in bezug auf die Bedeutung des E. Sie wer­den sich erinnern, daß ich also gerade gesagt habe: bei Schwächlingen ist die E-Bewegung mit ihrer Modifikation ganz besonders anzuwenden.

Nur bei allen diesen Dingen ist etwas zu berücksichtigen, nämlich das:

Wenn man die Formen äußerlich betrachtet, dann kommt man nicht auf das Richtige, man muß sie in ihrem Werden innerlich erfassen. Man

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muß also weniger ins Auge fassen dasjenige, was sich äußerlich aus­drückt, sondern die Tendenz dazu. Die Tendenz zum Dickwerden, die ist es, die durch das 0 bekämpft wird, und die Tendenz, dünn zu blei­ben, die ist es, die durch das E bekämpft wird. Und darauf muß man schon deshalb aufmerksam machen, weil, wenn man die Eurythmie zu Heilzwecken anwendet, man mehr dann sehen muß auf die Kräfte, die vorhanden sind im oberen Menschen und die nach einer Weitung gehen, und die Kräfte, die im unteren Menschen vorhanden sind, und die mehr nach dem Linienhaften hintendieren. So muß ich sagen, indem der Mensch das 0 ausspricht, weitet er eigentlich das Lebendige.

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Sehen Sie, der Kopf des Menschen ist ja, wenn ich es grob zeichne, in einer gewissen Weise eine Kugel, und er ist auch geisteswissenschaftlich die richtige Nachbildung der Erdkugel. Er ist ein Abbild aller derjenigen Kräfte, die in der Erdkugel zentralisiert sind, und wird eigentlich auf­gebaut in seinem Werden durch dasjenige, was in den Mondenkräften liegt. Aber das baut ihn eben so auf, daß er eine Art Erdkugel wird. Das hängt ja mit der Kosmologie, Kosmogonie eigentlich zusammen. Wie aus der Mondenphase die Erdphase hervorgegangen ist, so geht aus den mondbildenden Kräften, die so sehr stark an dem Aufbauen des mensch­lichen Kopfes betätigt sind, dann der Kopf des Menschen hervor, der ja eben von sich aus einfach eine Kugel zu werden trachtet, in seiner kugeli­gen Form nur modifiziert ist dadurch, daß Brust und der andere Leib daran hängen, die die Kugelform modifizieren. Wenn er sich selbst über­lassen wäre, der Kopf, würde er eine richtige Kugel werden. Aber daß das nicht ist, das rührt davon her, daß die andern beiden Glieder der menschlichen Natur mit dem Kopf zu tun haben und seine Gestalt be­einflussen.

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Wenn man nun 0 ausspricht, da versucht man dasjenige, was sich in der Kugelform des Kopfes zum Ausdrucke bringt, im ganzen Äther-kopfe zum Ausdruck zu bringen. Und da hat man das Bestreben, sich einen zweiten Kopf zu formen. Derjenige, der 0 ausspricht, der hat das Bestreben, richtig sich einen zweiten Kopf zu formen, (siehe Zeichnung, violett), und man kann schon sagen, im 0-Aussprechen, da bläht sich der Mensch seinem Kopf nach auf, er bläht sich auf, er bläst sich auf, und er erweckt gerade dadurch die Kräfte, die ihn an dem andern Pol zum Dicklichwerden veranlassen. Die Dinge sind schon auch bildlich anzuschauen. Er wird zum Dicklichwerden veranlaßt, indem er sich seinen Kopf selber aufbläst. Wenn man nun dieser Tendenz, wenn ich so sagen möchte: ätherisch zum Dickkopf zu werden - also das ist jetzt nicht ein dicker Kopf, sondern ätherisch ein Dickkopf zu werden, das heißt, ein großer Kopf zu werden -, wenn man dem entgegenarbeiten will, so muß man versuchen, ihn auf der andern Seite zu runden, ihn wieder in sich hereinzunehmen. Und das ist der Protest des Dickkopfes. Es ist daher ein 0 polar ausgebildet. Die einzelnen Laute haben nämlich alle eine Empfindungsnuance, die wiederum im Organismus tief be­gründet ist, denn sie liegt ja im Unbewußten, und daher das Bedeutsame des innerlichen Wesens der Laute. Sehen Sie, der Frosch, der sich gerne zum Ochsen aufblasen möchte, der ist wirklich für denjenigen, der die Sache sich so recht übersinnlich beschaut, derjenige, von dem fortwährend

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müßte ausgehen, wenn er sich verwirklichen könnte, ein kanonen­haftes 0-Tönen. Das ist das Eigentümliche, daß man eben muß auf solche Dinge zum Verdeutlichen eingehen, wenn man diese Dinge inner­lich verstehen will.

Beim E, da ist es deutlich umgekehrt. Beim E, da ist eigentlich das vorhanden, daß der Mensch sich innerlich fassen will, sich innerlich zu­sammenziehen will. Daher ja auch in der Eurythmie das Berühren seiner selbst, dieses Gewahrwerden seiner selbst: Sie nehmen sich einfach wahr, wenn Sie den rechten Arm über den linken legen. Geradeso wie wenn Sie einen Gegenstand draußen empfinden, wenn Sie ihn angreifen, so nehmen Sie sich selbst wahr. Noch deutlicher wäre das also ausgedrückt, wenn Sie einfach mit der linken Hand den rechten Arm umfassen wür­den - in der Kunst müssen die Dinge alle angedeutet sein -, aber wenn Sie mit der linken Hand den rechten Arm einfach fassen würden, so betasten Sie sich selber. Das Sich-selber-Betasten, das ist in dem euryth­mischen E besonders zum Ausdruck gekommen. Und dieses Sich-Be­tasten, dieses Sich-selber-Betasten, das ist ja durch den ganzen mensch­lichen Organismus durchgeführt. Und Sie können es studieren, dieses Sich-selber-Betasten, wenn Sie einfach das Verhältnis studieren, in dem am Rücken des Menschen sich äußern diejenigen Nervenverläufe, die in der gewöhnlichen Physiologie irrtümlich die motorischen, und diejeni­gen, die die sensitiven genannt werden. Da, wo dieses Motorische, das aber im Grunde genommen auch ein Sensitives ist, mit dem Sensitiven zusammenkommt, entsteht eine solche Art des Umfassens. Es ist so, daß tatsächlich die Nervenstränge am menschlichen Rücken fortwährend ein E bilden, und daß in diesem E-Bilden wirklich auch das Zustandekom­men des Sich-innerlich-Fühlens des Menschen liegt, was dann nur im Gehirn differenziert zur Tatsache wird. Dieses E-Bilden, das also eigent­lich in der Ebene verläuft, haben wir gestern versucht nachzubilden, und Sie werden sehen, daß das, was wir gestern versucht haben nachzubil­den, direkt in der äußeren Bewegung und in der Bewegungslage an­deutet, wie das innerliche E-Machen des Menschen sich eigentlich sum­miert zu der Vertikalen. So wie sich der Kopf aufplustert, wie der Kopf ein Blaseengel werden will, so summiert sich dieses E-Werden, dieses Sich-im-Punkte-Zusammenfassen in der Vertikalen, in der Höhenlinie.

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Es ist aber ein fortwährendes, aufeinanderfolgendes Sich-Zusammen­fassen übereinanderstehender E; und das drückt ja wirklich aus das, was nun deutlich hervorgeht, wenn man Schwächlinge beobachtet. Sie haben die Tendenz, ihren Ätherleib fortwährend zu strecken. Sie wollen ihn strecken, sie ziehen ihn nicht in einem Punkt zusammen, was der eigent­liche Gegensatz wäre zu der Tätigkeit des Hauptes. Das ist nicht der Fall, sondern sie versuchen ihn zu strecken, eben dadurch ausführend die Wiederholung des Punktes. Und dieses Strecken, das sich zum Aus­drucke bringt eben gerade bei schwächlich werdenden Menschen, also nicht das Strecken im physischen, sondern das Strecken im Ätherleib, dieses Strecken ist es, dem entgegengearbeitet wird mit der Ausformung desjenigen E, von dem wir gestern gesprochen haben.

So, denke ich, können Sie schon sehen, wie zwischen dem, was euryth­misch vorliegt, und den menschlichen Bildungstendenzen ein innerer Zu­sammenhang ist, wie wirklich aus dem Menschen herausgeholt ist das­jenige, was in ihm als Bildungstendenzen vorhanden ist. Und es ist ja so, daß diese Bildungstendenzen, die sich zunächst äußern im Wachstum, in der Formung des Menschen, in der Ausgestaltung also, daß diese sich spezialisieren und lokalisieren wiederum in der Ausbildung des Sprach-organismus, dieses speziellen Organismus. Da sind sie gewissermaßen zusammengehäuft, die Bildungstendenzen, die sonst über den ganzen Menschen verbreitet sind. In der Ausbildung der Eurythmie gehen wir jetzt wiederum zurück. Wir gehen von den lokalisierten Tendenzen zu dem ganzen Menschen über und setzen so entgegen dem Spezialisierten der menschlichen Organisation im Sprachorganismus eine andere Spe­zialisierung, die Spezialisierung im Willensorganismus. Denn der ganze Mensch ist Ausdruck des Willensmäßigen, insofern der ganze Mensch Stoffwechsel- und Gliedmaßenorganismus ist. Man bewegt ja auch am Kopfe so manches, also der Kopf ist auch in einem gewissen Sinne Glied­maßenorganismus, und es kann ja sogar das anschaulich werden bei den Menschen, die dann etwas mehr können in dieser Beziehung. Nicht wahr, Menschen, die die Ohren bewegen können und so weiter, die zeigen ja ganz deutlich, daß das Bewegungsprinzip, das Gliedmaßen­Bewegungsprinzip in die Hauptesorganisation hineingehen kann. Der ganze Mensch ist in dieser Beziehung Ausdruck des Willensmäßigen. Das

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drücken wir wiederum aus, wenn wir zur Eurythmie übergehen. Nun möchte ich zum Schlusse etwas erwähnen, bevor wir morgen dann wei­tergehen in der speziellen Ausarbeitung und Ausgestaltung der Laute, im weiteren zu den Kombinationen der Laute, möchte ich noch etwas Geschichtliches erwähnen.

Sehen Sie, Willensbewegung und Intellektbewegung, das sind zwei Kräfteentwickelungen des Menschen, die mit verschiedener Geschwin­digkeit vor sich gehen. Der Intellekt des Menschen entwickelt sich in unserem Zeitraum schnell, der Wille langsam. So daß wir jetzt schon als Angehörige der ganzen Menschheitsentwickelung mit unserem Intellekt den Willen überholt haben. Das ist die allgemeine Zivilisationserschei­nung, daß wir mit unserer Intellektentwickelung die Willensentwicke­lung überholt haben. Die Menschen sind heute sehr stark intellektuell, was eben nicht beweist, daß sie mit ihrem Intellekt auch viel anzufangen wissen; sie sind eben sehr stark intellektuell, aber sie wissen nicht viel damit anzufangen; daher wissen sie intellektuell so wenig. Aber das­jenige, was sie intellektuell wissen, das fassen sie so auf, als ob sie in ihm mit einer gewissen Sicherheit wirken. Der Wille entwickelt sich langsam. Und Eurythmisieren ist zunächst auch, abgesehen von allem übrigen, ein Versuch, den Willen wiederum hineinzubringen in die ganze Mensch­heitsentwickelung. Und tritt dann die Eurythmie therapeutisdi auf, so müssen wir doch auf das Folgende hinweisen. Wir müssen sagen: Die Überentwickelung des Intellekts, die drückt sich auch aus besonders in den organischen Begleiterscheinungen der Sprachentwickelung Unsere Sprachentwickelung, die ist eigentlich heute schon in unserer modernen Zivilisation etwas, was durch seine Übermenschlichkeit unmenschlich wird, indem wir heute Sprachen lernen so, daß wir so wenig noch ein lebendiges Gefühl haben davon, was in den Worten drinnen liegt. Es sind die Worte eigentlich nur Zeichen. Was haben die Menschen noch für ein Gefühl von dem, was in dem Worte drinnen liegt? Ich möchte wis­sen, wie viele Menschen durch die Welt gehen und aufmerksam darauf werden, daß zum Beispiel speziell beim Erlernen der deutschen Sprache die Form der Rundung, des Rundens, was ich ja gerade aufgezeichnet habe, ausgedrückt ist in dem Worte «Kopf», was mit Kohl zusammen­hängt, daher man auch Kohlkopf sagt, was eigentlich nur eine Wiederholung

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ist; man metamorphosiert im Zusammenhange dieses Runden. Das ist da ausgedrückt. In romanischen Sprachen - testa, testieren, da drückt sich aus das mehr von innen heraus, das seelische Wirken durch den Kopf. Dieser Unterschied dessen, was in der Sprache drinnenliegt, die Leute haben kein Gefühl mehr davon, die Sprache ist abstrakt ge­worden. Wenn Sie gehen, gehen Sie mit den Füßen. Warum sagen wir «Füße»? Ja, sehen Sie, das ist eine Metamorphose des Wortes «Furche», und ist entstanden dadurch, daß man angeschaut hat, daß man also eine Furche andeutet, indem man geht. Es ist durchaus verloren worden das Bildhafte, das in der Sprache liegt; und wenn man will dieses Bildhafte wieder hineinbringen in die Sprache, dann muß man eben zur Euryth­mie greifen.

Nun ist jedes Wort eigentlich - ich spreche jetzt eine Tatsache, die sich im feineren menschlichen Organismus zum Ausdruck bringt, mit groben Worten aus, aber wir haben ja nur grobe Worte -, jedes Wort, das ohne Bildlichkeit erlebt wird, ist eigentlich eine innerliche Krankheitsursache. Und man kann sagen: Die zivilisierte Menschheit von heute leidet chro­nisch an demjenigen, was das abstrakte Sprechenlernen, das nicht mehr bildliche Empfinden der Worte in ihr bewirkt. - Das geht sehr weit, das geht vor allen Dingen so weit, daß diese organische Begleiterscheinung sich ausdrückt in einer sehr starken Neigung zum Unrythmischwerden des rhythmischen Systems und zu einem Verweigern der Kräfte des Stoffwechsels von seiten des Menschen, der seine Sprache abstrakt ge­macht hat. Und es ist so, daß man tatsächlich beikommen kann dem, was ruiniert wird heute an dem Menschen durch die Sprache, die ja im zar­ten Kindesalter erworben wird, die, wenn sie unbildlich erworben wird, wirklich Zustände hervorruft, die später sich auswachsen in allen mög-lichen Krankheitsformen, die eben aber auch wieder bekämpft werden können durch dasjenige, was therapeutische Eurythmie ist. So daß man also ganz organisch die Heileurythmie einfügen kann in die Heil­behandlung überhaupt.

Es ist schon durchaus so: Wer versteht, daß Geistig-sich-Entwickeln eigentlich immer etwas ist von Krankwerden - wir müssen schon einmal das mitnehmen, das Krankwerden in der geistigen Entwickelung -, der muß auch darauf bedacht sein, daß nun nicht bloß mit äußeren physischen

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Studien, sondern auch mit äußeren Mitteln gekämpft wird gegen dieses Krankwerden durch die Zivilisation. Wir legen in die Bewegun­gen des Eurythmisierens eben Seele und Geist hinein und können da­durch bekämpfen dasjenige, was auf der andern Seite Seele und Geist von sich aus tun, aber eben im zarten Kindesalter oftmals so tun, daß die Wirkung ihres Tuns, wenn es sich auswächst im späteren Alter, eben als Krankheitsursache empfunden wird.

VIERTER VORTRAG Dornach, 15. April 1921

#G315-1966-SE050 Heileurythmie

#TI

VIERTER VORTRAG

Dornach, 15. April 1921

#TX

Die Vokale im Eurythmisdien wirken durchaus, wie wir gesehen haben, mehr oder weniger unmittelbar auf den rhythmischen Organismus. Bei den konsonantischen eurythmischen Bewegungen handelt es sich darum, daß ja allerdings auch auf den rhythmischen Organismus gewirkt wird, jedoch auf dem Umweg durch den Gliedmaßen-Stoffwechselorganismus. Und da handelt es sich natürlich zunächst darum, daß wir die Einzel­heiten uns einfach heute einmal ansehen; denn man bekommt im Grunde eine Anschauung von dem, um was es sich handelt, nur, wenn man auf die Einzelheiten eingehen kann. Nun werden wir die wichtigsten eu­rythmischen Konsonantierungen einmal durchmachen. Vielleicht machen Sie uns ein B vor, Fräulein W., und jetzt dieses B so, daß Sie es im Gehen machen. Versuchen Sie aber so zu gehen, daß ein Bein etwas die Arm-bewegung nachahmt im Gehen, aber das B wiederholen. Nun denken Sie sich das immer schneller und schneller gemacht und - sagen wir zunächst einmal - vier bis fünf Minuten lang richtig wiederholt. Viel­leicht macht uns jetzt Frau B. das P in derselben Weise vor. Es ist der Unterschied nicht groß. Jetzt müssen Sie versuchen, dieses mit den Bei­nen auch zu machen. Das gibt natürlich eine komplizierte Beinbewe­gung, die sehr ähnlich ist den Bewegungen der Toneurythmie. Das muß nun hintereinander oft gemacht werden von dem, bei dem man durch das P etwas erreichen will.

Nun hängen ja alle diese Bewegungen, die das Konsonantieren be­treffen, zusammen mit all demjenigen in der Verdauung, was jenseits der Magen-Darmtätigkeit liegt. Also von dem eigentlichen Darmraum, den die Speisen durchlaufen, sehen wir jetzt ab; aber wenn wir dasjenige ins Auge fassen, was Außenwand des Darmes ist und wo sich der Speise-brei durchschiebt durch die Darmzotten und so weiter und dann über­geht in Lymphe und Blut, also in jenseits der eigentlichen ersten Ver­dauungstätigkeit Liegendes, so wirken solche Bewegungen, wie wir sie eben ausgeführt haben, tatsächlich zurück auf die innere Verdauung, auf alles dasjenige, was Verdauungstätigkeit ist in den Blutgefäßen,

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was Verdauungstätigkeit ist aber namentlich in den Nieren. Also wenn es sich Ihnen darum handeln sollte, die Nierentätigkeit zu regulieren, dann würden Sie solche Bewegungen ausführen lassen. Gerade diese Be­wegungen, die wir jetzt als P- und B-Bewegungen ausgeführt haben, das ist dasjenige, was auch im eminentesten Sinne auf die Regulierung der Nierentätigkeit, also auf die Harnentleerung zum Beispiel regulierend wirkt. Diese Zusammenhänge sind für den ganz gewiß außerordentlich interessant, der sich erinnert, wie überhaupt das ganze Zirkulations­wesen im Menschen eben zusammenhängt mit der Sprache, und wie daher sich auch ein Zusammenhang herausstellt zwischen dem, was sich vom Stoffwechsel her in das Zirkulationssystem hineinschiebt und die­ser besonderen Form des Lautierens, des Konsonantierens.

Versuchen wir jetzt einmal ein D zu machen. Nun versuchen Sie, die­selbe Bewegung zu machen mit den Beinen, indem Sie versuchen zu hüpfen, aber während des Hüpfens die Beine etwas in den Knien beu­gen. Aber man muß dabei versuchen, die Patienten immer stärker und stärker dieses Beugen in den Knien und Hüpfen machen zu lassen und sie springen zu lassen. Vielleicht macht uns Frau B. vor das T und dem entspräche jetzt ein Vorwärtshüpfen mit dem Versuch, X-Beine zu bilden. Also Sie machen den Versuch, im Vorwärtsschreiten auswärts zu hüpfen und X-Beine zu bilden. Das ist dasjenige, was man ausführen muß. Es handelt sich hier ja zunächst darum, die Sache zu demonstrie­ren. Da haben wir also D und T. Es ist wirklich so, daß man bei diesen Dingen, wenn man den sogenannten weichen Laut ausführt, abhelfen kann gelinderen Dingen nach dieser Richtung; wenn man den sogenann­ten harten Laut ausführt, den schärferen Dingen nach dieser Richtung. Man muß sie natürlich minutenlang wiederholen lassen von den Patien­ten, bis die recht müde werden - bei diesen Dingen handelt es sich wirk­lich darum, die Dinge ausführen zu lassen bis zur Ermüdung. Dann, wenn man sie bis zur Ermüdung ausführen läßt, so ist insbesondere die­ser D- und T-Laut eine Kraft, die stärkend wirkt auf die Darmtätigkeit, und zwar insbesondere auf diejenige Darmtätigkeit, die im Verstopft-sein zum Ausdruck kommt. Also man kann da manchen Verstopfungen entgegenarbeiten. Es ist ja für den, der die physiologischen Zusammen­hänge kennt zwischen dem Sprachorganismus, der ja die Bewegung aufnimmt

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im Sprechenlernen, und dem Stoffwechsel-Gliedmaßenorganis­mus, unbedingt eine solche Sache anschaulich.

Nun, vielleicht sind Sie so gut, Fräulein W., und machen uns einen G-Laut vor. Es handelt sich darum, daß Sie wiederum versuchen, in einer ähnlichen Weise mit Bildung von X-Beinen vorwärtszurücken. Dasselbe wäre mit dem K-Laut (Frau B.) Und nun müssen Sie mit scharf auseinandergespreizten Beinen versuchen, vorwärtszuhüpfen, ebenso mit dem Q, aber das ist ja dasselbe. Da haben wir eine Bewegung, so­wohl beim G, wie beim K, wie beim Q, welche schon anregend wirkt auf die Fortbewegung, auf die innere Mechanisierung des Darmes, also welche die Bewegung des Darmes selber fördert. Der Unterschied in der physiologischen Wirkung zwischen D und T, G, K und Q ist der, daß bei D und T mehr eine Wirkung in dem Verarbeiten der Speisen selber da ist, während bei G, K und Q mehr eine Wirkung auf die Fortbewe­gung der Speisen im Darm vorhanden ist, also wenn der Darm selber stockt.

Besonders wichtig und therapeutisch fruchtbar anzuwenden ist ja der S-Laut. (Fräulein W.) Wenn Sie diesen S-Laut machen, so handelt es sich eben darum, daß Sie hüpfen, mit fortwährendem Behalten der Beine in der 0-Form vorwärtshüpfen und den S-Laut machen. Und dieses hängt tatsächlich, namentlich dadurch, daß man in dieser 0-Form fort­während die Beine aufsetzt, sogar sehr innerlich zusammen mit der menschlichen Verdauungstätigkeit, also mit der Stoffwechseltätigkeit, wie sie wiederum zurückwirkt auf den ganzen menschlichen Organis­mus. Und man hat gerade an diesen Bewegungen etwas, was man machen lassen kann auch von Kindern, die mangelhafte Verdauungs­tätigkeit zeigen und dadurch Kopfschmerzen haben; denn besonders regulierend wirkt diese Bewegung auf die Gasentwickelung im Darm. Wenn diese nicht in Ordnung ist, also zu gering oder zu stark, so wird insbesondere diese Bewegung im eminentesten Sinne wichtig wirken.

Dann haben wir den F-Laut. (Frau B.) Da handelt es sich um etwas Psychisches. Da muß man versuchen, den Sprung so auszuführen: man setzt an zum Springen und versucht vorwärtszukommen; aber jetzt beim Aufspringen streng mit den Zehenspitzen auftreten, jetzt Hacken auf - jetzt wiederum Sprung auf die Zehenspitzen, jetzt wiederum

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Hacken auf. Beim V würde es ebenso sein. Da haben wir eine Bewegung, welche praktiziert werden sollte, wenn man findet, daß die Harnentlee­rung nicht in Ordnung ist. Also es wirkt anregend auf die Harn­entleerung. Wenn man aus irgendwelchen Gründen genötigt ist, diese irgendwie anzuregen, dann sollte man diese Bewegung ausführen lassen.

Es ist natürlich durchaus möglich, daß man in der mannigfaltigsten Weise die Bewegungen kombiniert, denn man wird ja, wenn man zu be­handeln hat, finden, daß man, das eine oder das andere nach der einen oder andern Richtung hin kombinierend, zu wirken hat.

Wenn wir ein R machen (Fräulein W.), bitte ich Sie, so das R zu machen, daß Sie deutlich immer so beim Vorwärtsschreiten wiederum strecken, dann mit dem linken Fuß so (hier führte Dr. Steiner die Beuge­und Streckbewegung selber vor; d.H.) auftreten, strecken, und während Sie in dieser Weise immerfort mit den gebeugten Beinen beim Vorwärts­schreiten auftreten, versuchen Sie das R zu machen. Das müßte in dieser Weise ausgebildet werden. Wenn dieses R ein paar Minuten mit einem Menschen geübt wird - nur müßte es öfters am Tage dann geübt wer­den -, so ist es etwas, was den Entleerungsrhythmus, wenn er nicht in Ordnung ist, regelt. Das ist also etwas, was direkt auf den Entleerungs-rhythmus hinüberwirkt, was den Entleerungsrhythmus regelt.

Es ist auch sonst für das Beobachten der ganzen Dynamik des Men­schen wichtig, diese Zusammenhänge, die auf diese Weise zutage treten, ins Auge zu fassen, wenn es auch natürlich durchaus notwendig ist, daß man diese Bewegungen nicht dilettierend ausführt, sondern daß sie durchaus eben, wenn sie ausgeführt werden, sachgemäß ausgeführt wer­den, nach der Diagnose.

Nun ein L (Frau B.), wiederum in Verbindung mit der Bemühung, die Beine in die X-Lage zu versetzen und vorwärtszuhüpfen - zusam­menziehen - wiederum machen. Das müßte aber zu gleicher Zeit eine Anstrengung sein, vorwärtszuhüpfen. Die Vorwärtsbewegung ist in einem solchen Falle durchaus nötig. Diese Bewegung, die wirkt ganz besonders stark ein auf die Peristaltik, auf die Darmbewegung selber. Es ist so, daß man diese Bewegung auch verwenden kann, indem man den Patienten rückwärts sich bewegen läßt in derselben Weise. Das wird er nur sehr viel schwerer lernen, aber auf die Darmbewegung, auf die

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Peristaltik wirkt das in ganz bedeutsamer Weise regulierend ein, wie überhaupt alle diese Bewegungen regulierend einwirken vom Glied­maßen-Stoffwechselorganismus aus bis in dasjenige, was ja dann die Dependenz ist des Gliedmaßen-Stoffwechselorganismus in dieser Be­ziehung, oder wenigstens was das daran Anschließende ist, die Zirkula­tion und auch die Atmungsbewegung.

Ein ganz besonders interessanter Buchstabe ist das H, dieses H, wel­ches eigentlich den meisten Vokalen auch anhaftet. Also dieses H ist nun so vom Gehen zu begleiten, daß man versucht, mit aneinandergestellten Beinen zunächst zu stehen, vorwärtszuhüpfen, dann während des Vor­wärtshüpfens die Beine zu spreizen und dann wieder aufzuschlagen mit den gespreizten Beinen, immer mit Vorwärtsbewegen. Das ist eine Be­wegung, die aber - das bitte ich zu berücksichtigen - durchaus langsam ausgeführt werden muß. Bei den andern Bewegungen kommt es darauf an, daß man sie schnell ausführt, diese Bewegung aber müßte langsam ausgeführt werden, und es müßten auch Ruhepausen sein zwischen den einzelnen Sprüngen. Bei dieser Bewegung ist das zu berücksichtigen aus dem Grunde, weil diese Bewegung sehr stark wirkt auf die Re­gulierung der Darmtätigkeit in der Gegend, wo der Übergang ist vom Magen in den Darm. Also es ist daher, wenn man bemerkt, daß irgend jemand die Speisen nicht herausbekommt aus dem Magen in den Darm hinein, von großem Vorteil, diese Bewegung machen zu lassen; aber wie gesagt, in Ruhe und mit einem Stillstehen nach jedem einzelnen Hüpfen.

Nun haben wir dann das M. (Frau B.) Dieses M muß man im Kiebitz­schritt machen. Es ist gut, wenn man den einen Gang mit dem einen Bein machen läßt und den andern Gang mit dem andern Bein - hin und her. Man kann ja auch den Kiebitzschritt wieder zurück machen lassen und dann mit dem andern Bein ihn wieder vorwärts machen lassen. Diese Technik, den Kiebitzschritt zurück machen zu lassen, das ist etwas, was angeeignet werden sollte. Das ist nun in der Tat eine Bewegung, die wichtig ist zu studieren, denn das M in dieser Form in der Bewegung ausgeführt, das ist etwas, was regulierend wirkt im Grunde genommen auf den ganzen Stoffwechselorganismus, auf den Gliedmaßenorganis­mus, und, was außerordentlich wichtig ist, namentlich auch üben zu lassen

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im Entwickelungsalter der Kinder. Wenn diese Übung mit dem M gerade in der Zeit der Geschlechtsreife geübt wird, dann wird es außer­ordentlich regulierend wirken auch nach dem, ich möchte sagen, Vor­dringlichen des Sexuallebens. Regulierend auf das Vordringliche des Sexuallebens wirkt es, wenn man es namentlich im Entwickelungsalter übt. Man muß sich dann nur eben einen Blick angeeignet haben dafür, ob man es in dieser Weise zu üben hat. Es ist nicht umsonst der Buchstabe M angesehen worden in der Zeit, in der man noch etwas verstanden hat von dem inneren Gehalt der Buchstaben, als ein außerordentlich wich­tiger Buchstabe und als derjenige, welcher abschließt die OM-Silbe des Orients. Dieses Abschließen der OM-Silbe des Orients durch das M ist aus dem Grunde, weil tatsächlich der ganze Mensch von seinem Stoff­wechsel-Gliedmaßenorganismus aus reguliert wird durch diesen Laut gerade. Und besonders regulierend ist dann diese Bewegung. Es ist in alten Kulturen durchaus üblich gewesen, solche Bewegungen jüngere Leute ausführen zu lassen, um sie eben körperlich als ganze Menschen und zu gleicher Zeit als sich zurückhaltende Menschen zu erziehen.

Wir haben dann den N-Laut. Den N-Laut begleitet man mit einem Springen mit von vornherein gebeugten Knien. Also man behält die ge­beugten Beine, die gebeugten Knie bei, und nun springt man. Das ist eine Bewegung, die außerordentlich stärkend auf die Darmtätigkeit wirkt in der Richtung, daß man sie anwenden soll bei Neigungen zu Diarrhöe. Das kann Ihnen wieder ein Beweis dafür oder eine Hinwei­sung darauf sein, wie man das Hereinwirken des Bewegungssystems auf das Stoffwechselsystem eben sieht. Das ist etwas, was ja erst einem so richtig auffällt, wenn man eben berücksichtigt die Zusammenhänge zwi­schen dem Bewegungssystem und dem Stoffwechselsystem durch die Erkenntnis der Dreigliederung des menschlichen Organismus. DieseDrei-gliederung des menschlichen Organismus, sie ist ja in der Tat lichtbrin­gend für vieles, und man kann lange auf der einen Seite allerlei Exer­zitien aussinnen, bei denen man glaubt, auf das Seelische Rücksicht zu nehmen, in unserer heutigen Zeit, wo ja die Seelenerkenntnis fast nur noch in Worten besteht, oder man bildet aus das Turnen, wobei man nur auf die körperliche Physiologie sieht. Man kann lange über diese Dinge herumreden, man wird ohne die Erkenntnis der Dreigliederung

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des menschlichen Organismus nicht zu einer Klarheit in diesen Dingen kommen. Es war ja in der Tat interessant, wie hier einmal ein Physio­loge der Gegenwart war, der sich angehört hat eine von den Vorreden, die ich ja gewöhnlich spreche bei der Eurythmie, und dann sich auch die Eurythmie angesehen hat. Nun sage ich ja gewöhnlich, daß man in der Erziehung wird treten lassen müssen dieses beseelte Turnen an die Stelle des ja bloß aus der Physiologie hervorgehenden Turnens. Da sagte der betreffende Physiologe, der ja auch heute als eine so große Autorität in Ernährungssachen gilt: Ja, für ihn wäre das noch gar nicht genug, wenn man sagt, man soll das Turnen nicht überschätzen, sondern für ihn wäre das Turnen überhaupt kein Unterrichtsmittel, sondern eine Barbarei.

Nun, sehen Sie, hinter so etwas steckt eigentlich ein sehr bedeutsames Zeitsymptom. Es ist ebenso richtig zu sagen: Das Turnen als solches wird gewöhnlich einseitig heute aufgefaßt, weil es bloß aus der Physio­logie und aus der Anatomie des Organismus hervorgezogen wird, wie es andererseits einseitig wenigstens wiederum ist zu sagen, das Turnen sei eine Barbarei. Warum? Weil, wenn man das Turnen nur aus der Physiologie des Körpers heraus sucht, dann wird es eine Barbarei. Unsere materialistische Erziehung und Zivilisation hat erst aus dem Turnen eine Barbarci gemacht. So wie eben heute geturnt wird, ist es eine Bar­barei. Und nicht wahr, es verbindet sich die Anschauung über das Tur­nen mit ganz falschen Vorstellungen. So glauben zum Beispiel die Leute, allerdings heute nicht mehr die Fachleute, aber immerhin viele Leute glauben, wenn man irgend jemanden geistig angestrengt hat und ihn nachher körperlich, wie sie meinen, sich erholen läßt, so sei das eine wirk­liche Erholung. Es ist ja gar nicht wahr! Ob einer eine Stunde rechnet oder eine Stunde turnt, er wird ganz gleich müde in Wirklichkeit; das macht keinen Unterschied. Das weiß man ja allerdings heute, aber man kann nicht richtig beurteilen, wie gerade in die Tumbewegung hineingebracht werden muß Seele und Geist, wie das, was als Bewegung ausgeführt wird, aus dem ganzen Menschen kommen muß. Nun, nicht wahr, beim Turnen ist es ja so, daß man schon die Sache so wird handhaben müssen nach und nach, daß sich dasjenige, was wir als künstlerische Eurythmie ausbilden, wird vereinigen müssen mit dem, was als physiologisches

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Turnen ausgebildet werden kann. Und man kann ja ganz gut aus dem Eurythmischen in das Turnerische hinüberkommen. Es wird nur immer darauf zu sehen sein, daß solch eine Eurythmie, die eigentlich als beseel­tes Turnen im Unterricht eine Rolle spielt, mit, ich möchte sagen, eini­gem Humor gegeben werde, also den Kindern vor allen Dingen Freude machen muß. Es muß den Kindern Freude machen, das gehört dazu. Eumythmie etwa als griesgrämigem, vertrocknetem Pädagoge zu geben, ist etwas, was eigentlich gar nicht ginge.

Nun hätten wir noch das Sch. (Fräulein W.) Wenn Sie versuchen, die­ses zu machen, indem Sie es begleiten mit einem kleinen Sprung, einem größeren Sprung, einem kleinen Sprung, wieder ein größerem Sprung, ein kleinerem Sprung, ein größerem Sprung, dann hat man wiederum auch in dem Sch eine Bewegung, welche eine starke Wirkung ausübt; aber auch diese Bewegung, man muß sie langsam ausführen lassen. Bei dem N-Bewegung ist es nicht notwendig, daß man sie besonders verlang­samt, aber bei dem H- und Sch-Bewegung ist es notwendig, daß man sie langsam ausführt, und daß man auch hier also nach je drei Sprüngen, wenn man übergeht zum nächsten, kurz ruht; dadurch kommt ja auch ein Rhythmus herein, kurz, lang, kurz - jetzt ruht man - lang, kurz, lang - jetzt ruht man - kurz, lang, kurz - jetzt ruht man. Also man hat in diesem Bewegung etwas, was auch wiederum in entsprechenden Fällen - man kann ja die Bewegung durchaus kombinieren - ganz besonders auf diejenigen Partien, die Anfangspamtien sind, auf den Magen bezogen, auf die Anfangspamtien des Darmomganismus wirkt. Also wenn jemand namentlich eine als solche schwache Verdauung hat, daß ihm die Speisen im Magen liegen bleiben - ich habe bei anderem Gelegenheit schon auf Ahnliches aufmerksam gemacht, das ist ja besonders auch bei der H-Be­wegung der Fall, aber bei diesem Sch-Bewegung kommt es namentlich darauf an, daß man acht gibt, ob sich zum Beispiel Magensäure leicht entwickelt und dergleichen -, dann wird man diese Sch-Bewegung aus­führen lassen.

So sehen Sie, daß das Konsonantiemen eben in einem ganz andern Weise mit dem Gestaltung des Menschen zusammenhängt als das Vokali­sieren. Beim Vokalisieren mußte ich Sie aufmerksam machen darauf, wie das Innere, das mehr nach innen Gelegene, zusammenhängt mit der

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Bewegung. Hier haben wir es mit einer Wirkung auf das dritte Glied des dreigliedrigen menschlichen Organismus zu tun.

Nun, wenn man namentlich das, was wir in bezug auf das Vokalisie­ren vorgestern besprochen haben, anwendet, dann ist es gut, wenn man versucht, bevor man die Übung als solche ausführen läßt in bezug auf einen Vokal, den betreffenden Vokal den Patienten langsam lauten zu lassen. So daß er also, ohne zu singen - das Singen würde weniger helfen in diesem Fall -, den Laut einfach lange hintönt und dann, wenn er das eine Zeitlang gemacht hat, laut hingetönt hat den Laut, dann läßt man ihn die betreffende vokalische Bewegung ausführen; und dann, nach­dem er sie ausgeführt hat, versuche man in ihm hervorzurufen die Vor­stellung, als hörte er den betreffenden Laut, den er ausgeführt hat. Sie werden ja finden, daß in der Gegenwart die wenigsten Menschen die Vorstellung haben, daß sie innerlich Laute geistig-seelisch hören. Also nicht wahr, man muß ihm sagen, er soll in eine solche Seelenstimmung kommen, als wenn er das 1 nun hörte. Es ist ganz besonders wichtig, diese Sache zu verstehen. Denn sehen Sie, wenn Sie zunächst den Patien­ten den Vokal aussprechen lassen, hintönen lassen, dann hat der Orga­nismus als solchem das Gefühl, als ob dem betreffende Laut erregt würde. Führt er dann die Bewegung aus, so erscheint die Bewegung wie eine Wirkung des ausgesprochenen Lautes. Und hört man dann hin, also tönt man das I, macht nachher die Bewegung, die wir kennengelernt haben und bildet sich nachher ein in dem Phantasie, man höre das 1 klingen, dann ist es: Erregung des 1, das, was entsteht in der Bewegung des 1, Hören desjenigen, was sich bewegt hat, den Laut wieder hören. Also dies ist etwas, was tatsächlich viel Leben hineinbringt in diesen mensch­lichen Ätherleib, und zwar eben gerade nach den Richtungen, die wir hervorgehoben haben, ein richtiges Leben hineinbringt in diesen Ather­leib. Und darauf ist es ja bei diesen Dingen, bei diesen Übungen besonders abgesehen, daß Bewegung in den menschlichen Äthemleib hineingebracht werde, daß also tatsächlich die ätherische Tätigkeit des menschlichen Organismus in eine innerlich geregelte Bewegung hineingebracht wird. Es ist ja ganz besonders interessant, wenn man sieht, wie die Be­wegung, die als Dammbewegung vorschmeitet von vorne nach rückwärts, auslöst eine Bewegung, ein im Äthemleib Vorschmeiten von rückwärts

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nach vorne, die sich dann an der Bauchwand bricht - nicht eigent­lich bricht, sondern verschwindet. Diese letztere Bewegung, die ist in den meisten Fällen, wenn die Dammtätigkeit nicht in Ordnung ist, eben auch in krassester Unordnung. Und diese Tätigkeit, die der physischen Be­wegung entgegengesetzt ist, wird insbesondere angeregt, sagen wir zum Beispiel bei dem R-Bewegung. Bei der ist ein ganz lebendiges Vibrieren von rückwärts nach vorne vorhanden, und das ist dasjenige, was dann in der R-Bewegung eben auf den Entleerungsmhythmus in ganz beson­derer Weise wirkt.

Es ist das auch pädagogisch-didaktisch durchaus gut anzuwenden, denn dem ganze menschliche Organismus ist doch wiederum eine Einheit und alles wirkt in ihm einheitlich. Betrachten Sie zum Beispiel in der Schule die Kinder, so werden Sie solche unter ihnen finden, die fast gar nicht ein R aussprechen können, die also ganz schrecklich sind in bezug auf das R-Aussprechen. Natürlich können sich andere Tatsachen kreu­zen, und die Dinge brauchen dann nicht ganz deutlich hervorzutreten; aber solche Kinder sind eigentlich immer die Kandidaten der Hart­leibigkeit zu gleicher Zeit, und man erweist ihnen in der Tat eine Wohl­tat, wenn man mit ihnen so etwas macht wie dasjenige, was ich heute als die R-Bewegung, die förderlich ist für den Entleerungsrhythmus, Ihnen vorgeführt habe. Es ist schon so, daß man diese Dinge natürlich pädagogisch verwerten kann. Da muß man aber dann, ich möchte sagen, immer nur die Andeutungen haben, und man muß ja nicht zu weit gehen. Der Arzt aber, der kann schon weit gehen, denn er wird ja finden, daß natürlich ganz gewisse Symptome auftreten dann, wenn das tage-, wochenlang geübt worden ist. Aber er ist ja natürlich in der Lage, sich gegen diese Symptome, die ganz berechtigterweise auftreten müssen, durch anderes wiederum zu wehren. Ich will sagen, wenn zum Beispiel die Wirkung der N-Bewegung zu stark auftreten würde, würde man da nur brauchen eine D-Bewegung dem entgegensetzen und man hätte dadurch dasjenige dennoch erreicht, was zu erreichen ist. Also man kann ja das eine durch das andere ausgleichen.

Ich will heute nur noch sagen, daß ich wirklich nicht möchte, daß die Kunsteurythmie in irgendeiner Weise beeinträchtigt würde durch die Auseinandersetzungen, die sich natürlich an die Eurythmie knüpfen

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müssen, wenn sie als Hygienisch-Therapeutisches in Betracht gezogen werden muß. Und die Kunsteurythmisten bitte ich durchaus, diese Dinge, wenn sie die Kunsteurythmie üben, natürlich gründlich zu ver­gessen, damit sie nicht etwa beirrt werden durch ihre Gedanken an die Verdauungstätigkeit, wenn sie ihre Kunsteurythmie ausüben. Das wäre natürlich eine höchst betrübliche Tatsache. Man muß durchaus sich aber klar sein darüber, daß menschliche Kunst auch sonst durchaus mit dem ganzen, mit dem vollen Menschen zusammenhängt und nicht etwa bloß aus dem Kopfe kommt. Und das muß natürlich gerade einer Bewegungs­kunst gegenüber ins Auge gefaßt werden.

Das ist dasjenige, was ich Ihnen heute noch sagen wollte. Nun wollen wir noch in den nächsten Tagen etwas mehr die Evolution des Menschen Betreffendes besprechen, in bezug auf dasjenige, was dann nach Perio­den, also sagen wir, bei der Übung am kindlichen Organismus, was dann als Wirkung im späteren Alter hervortritt.

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 16. April 1921

#G315-1966-SE061 Heileurythmie

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FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 16. April 1921

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Wir wollen heute übergehen zu einigen eurythmischen Übungen, welche sich mehr auf das Wirken vom Seelischen aus beziehen. Dabei muß aber vorausgeschickt werden, daß gewöhnlich angenommen wird, wenn der Mensch eine Willensäußerung entwickelt, oder wenn er ein Urteil ent­wickelt, daß diese Äußerungen nur zusammenhängen mit dem mensch­lichen Nervensystem. Das ist aber durchaus nicht der Fall, sondern man muß sich klar sein darüber, daß zum Beispiel Urteile, die der Mensch abgibt, durchaus zusammenhängen mit seiner Gesamtkonstitution, daß der Mensch ein Urteil aus seinem Gesamtwesen heraus gibt. Wenn man daher für ein Urteil die entsprechende eurythmische Bewegung macht, dann ist das auch wieder so, daß dadurch der ganze Mensch in einer gewissen Weise beeinflußt wird, daß also nicht nur für dasjenige, was in einem eurythmischen Beurteilen zustande kommt, etwa bloß der Kopf beeinflußt würde. Frau B. wird uns für eine Bejahung die ent­sprechende Bewegung machen, dann für eine Verneinung. Das ist natür­lich dann mehrmals hintereinander zu machen, wenn es als therapeu­tische Übung gemacht wird. Nun, eine solche Bejahung und Verneinung ist ja im ausgesprochenen Sinne dasjenige, was man ein Urteil nennen kann; wenn man irgend etwas bejaht oder verneint, hat man ja das eigentliche Wesen des Urteils. Wenn Sie eine solche Bejahung oder Ver­neinung geben, so ist das so, daß, wenn das öfters wiederholt wird - Sie können zum Beispiel die Bejahung zehnmal hintereinander wiederholen lassen, dann die Verneinung, Sie können darauf folgen lassen Bejahung, Verneinung, Bejahung, Verneinung, zehnmal beides hintereinander -, so wirkt eine solche Bewegung auf dem Umwege durch den Ätherleib außerordentlich stark auf das Atmungssystem, und man kann sagen:

Man kann auf diese Weise einer vorhandenen Kurzatmigkeit entgegen­arbeiten, so daß also, wenn wiederum diese Kurzatmigkeit das Symptom für irgendeine tieferliegende Krankheitserscheinung ist, man da, weil ja die Sache auf dem Umwege durch den Ätherleib geschieht, tatsächlich hineinarbeiten kann in die ganze Konstitution des Organismus. Sie

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müssen nur jetzt ins Auge fassen, was das ist, was da getan wird. Das­jenige, was jetzt Frau B. getan hat, das könnte man in folgender Weise etwa interpretieren und würde auch das Wesen treffen, man könnte sagen: Das, was sie in die Welt gesetzt hat dadurch, ist ein flüchtig ge­wordener Gedanke, gleichsam der Gedanke, der Flügel gewonnen hat und in die Bewegung übergegangen ist. Wenn ein Urteil eurythmisch fixiert wird, eine Bejahung oder Verneinung, so ist das ein Gedanke, der reitet auf der Bewegung. Und dadurch, daß der Gedanke auf der Bewegung reitet, setzt man einerseits tatsächlich einen Teil dieses Wesens heraus; da der Gedanke auf der Bewegung reitet, nimmt man anderer­seits einen Teil gründlicher in sich herein, als es sonst ist. Das heißt, man macht eine Bewegung, durch die man eigentlich wacher wird, als man sonst ist. Solche Bewegungen sind tatsächlich aufweckende Be­wegungen. Aber da man mit dem Ich nicht zu gleicher Zeit in derselben Weise aufwacht, so wird die Ich-Tätigkeit dadurch in einer gewissen Weise herabgestimmt. Dieses Herabstimmen der Ich-Tätigkeit ist aber nicht absolut, sondern in Relation zum Organismus; das macht dasjenige aus, was man auf dem Umwege durch den Ätherleib eben als erstes Symptom erreicht in der Bekämpfung der Kurzatmigkeit, und was dann eigentlich sich auf dem Umwege durch den Ätherleib in die ganze menschliche Konstitution hineinverfügt.

Nun eine Willenszustimmung, also sagen wir Sympathie und Anti­pathie. Nun denken Sie sich, Sie machen diese Bewegung in der Tat sehr häufig hintereinander: Sympathie, Antipathie, Sympathie, Antipathie, oder auch eins von beiden. Wenn Sie dieses machen - es ist dieses natür­lich nur zu konstatieren durch das Anschauen -, dann ist das in einem gewissen Sinne eine Art von Heraussetzen von etwas, was man in sich trägt. Es ist eine Art von Einschlafen nämlich. Die andere Bewegung (Bejahung und Verneinung; d. H.) muß schnell, diese langsam ausge­führt werden. Es ist ja auch eine Bewegung, bei der derjenige, der ihr zuschaut, auch die Imagination des Schlafes bekommt, man imaginativ also gewissermaßen einschläft mit einer solchen Bewegung - nicht in Wirklichkeit, wenigstens sollte man es nicht -; da man aber doch, wäh­rend man diese Bewegung macht, nicht in Wirklichkeit einschläft, so ist das Ich in Relation zum Körper stärker tätig, als es sonst ist. Und es

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wird dann durch eine solche Bewegung im wesentlichen die Zirkulation und die Gesamtverdauung angeregt; die Gesamtverdauung so angeregt, daß zum Beispiel durch eine solche Bewegung die Neigung zum Auf­stoßen bekämpft werden kann.

Jetzt wollen wir einmal ausdrücken dasjenige, was man etwa nennen kann, sagen wir, das Gefühl der Liebe zu etwas. (Frau B.> Sehen Sie sich das gut an, also das Gefühl der Liebe zu etwas. Denken Sie sich das zehnmal hintereinander ausgeführt und denken Sie sich es begleitet in der Weise, daß Sie es hintereinander zehnmal ausführen und immer zwischen dieser Bewegung dann eine kräftige E-Bewegung machen.

Also: Liebe - E, Liebe - E und so weiter hintereinander dieses aus­führen. Ein solches Gefühl - es könnte auch ein anderes Gefühl sein -, also dasjenige, was Sie lernen in der Euryhmie als Gefühls-Bewegung, lassen Sie immer begleiten von der E-Bewegung, da haben wir immer eine starke Wirkung, die vom Ätherischen des Menschen ausgeht auf sein Astralisches, und die im wesentlichen eine, ich möchte sagen, die Zirkulation warm machende Wirkung hat. Es ist also etwas, was tat­sächlich auf das Zirkulationssystem in einer wohltätigen Weise ein­wirkt. Man kann nicht sagen, daß es beschleunigt oder verlangsamt, aber es wirkt in einer wohltätig erwärmenden Weise ein.

Es gibt so etwas, was man einen Wunsch nennen kann: Hoffnung. (Fräulein W.) Sehen Sie sich dieses an, und denken Sie sich das, indem man immer wieder in die Gleichgewichtslage zurückgeht, dann immer wiederum diese Wunschbewegung ausführt, denken Sie sich das in der Abwechslung begleitet immer von einer U-Bewegung. Das bedeutet eine sehr starke Einwirkung des Astralischen auf das Ätherische und man kann sagen, daß dadurch wiederum eine wohltätig erwärmende Wir­kung auf das Atmungssystem ausgeübt wird. Nur natürlich handelt es sich darum, daß all diese Dinge, die wir heute besprechen, auf dem Um­wege durch den Ätherleib stattfinden, und daß sie daher ihre Wirkung niemals am nächsten Tage schon äußern können, sondern ungefähr nach zwei bis drei Tagen erst irgendwelche Wirkungen zeigen können; aber um so sicherer sind dann diese Wirkungen.

Denken Sie sich einmal jetzt, wir machen eine Bewegung, die eine Beuge- und Streckbewegung ist, durch die Beine, und wir machen dazu

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eine ausgesprochene B-Bewegung zu gleicher Zeit (Frau B.), das, was ich Ihnen jetzt gezeigt habe, mit einer ausgesprochenen B-Bewegung zu gleicher Zeit, jetzt ganz zurück, B mit der Beugung, dieses zehnmal hintereinander. Das ist etwas, was Leute machen sollten, die sehr häufig an Migräne oder sonstigen Kopfschmerzen leiden. Nicht, wenn sie sie haben, die Kopfschmerzen, sondern dann, wenn sie sie nicht haben, soll­ten sie das machen.

Eine besonders wirksame Bewegung ist dieses: den Rumpf beugen und strecken vor- und rückwärts, aber gleichzeitig begleitet mit einer R-Bewegung. (Fräulein W.) Nach vorne beugen, nach rückwärts beugen mit R, und das recht oft hintereinander. Das wirkt sehr gut auf das ganze rhythmische System ein, auf den Atmungs- und Zirkulations­rhythmus. Wenn also da sich Unregelmäßigkeiten finden, dann wirkt das unter allen Umständen außerordentlich gut.

Nun bitte ich Sie, eine wieder recht wirksame Bewegung zu sehen, die besteht in folgendem: rechts und links den Kopf schütteln mit M-Be­wegung. Es sollte dem Kopf möglichst nicht gedreht, sondern nur rechts und links gebeugt werden und dazu die M-Bewegung. Das ist wieder etwas, was, wenn es ausgeführt wird, auf dem Umwege durch den Ätherleib sehr stark beruhigend wirkt auf alles mögliche, was als Un­regelmäßigkeiten im Unterleib auftreten kann. Unregelmäßigkeiten im Unterleib, die sich durch Schmerzen äußern, die können gemildert wer­den durch das. Es muß nur eben das so sein, daß man damit Neigungen zu solchen Schmerzen dann bekämpfen will, wenn die Schmerzen nicht da sind. Das ist das, worauf es ankommt. Also während die Schmerzen da sind, ist es nicht gut auszuführen. Daß man es ausführt, solange die Schmerzen nicht da sind, das ist das, worauf es besonders ankommt.

Beachten Sie das Folgende: Mit dem Fuß auf das Knie schlagen, an das Knie anstemmen; dieses denken Sie sich begleitet von einer Arm­E-Bewegung. Es ist eine sehr schöne Bewegung, und es ist das eine Übung, die sehr gut ausgeführt werden kann mit den Kindern in der Schule und sollte auch da ausgeführt werden, denn wenn diese Bewe­gung häufig gemacht wird, so ist sie tatsächlich eine Bekämpferin der mannigfaltigsten Ungeschicklichkeiten. Die Kinder werden wenigstens sehr gut geheilt von ihren Ungeschicklichkeiten, wenn sie gerade diese

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Bewegung machen. Und wenn dann die Kinder kommen und sagen, es tun ihnen besonders die Schultern weh und es tut ihnen alles mögliche weh, dann sagen Sie: Das wollte ich ja gerade haben; darüber wirst du, wenn es wieder gut ist, besonders froh sein! - Denn jeder Schmerz, der auf diese Weise erzeugt wird, ist ein Bekämpfem der Ungeschicklichkeit. Also man darf da schon durchaus etwas scharf die Kinder anpacken.

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Wir werden nun eine andere Art einmal ins Auge fassen. Denken Sie sich jede Art von E-Bewegung, die mit den Armen ausgeführt wer­den kann, auf den Fußboden projiziert, so entsteht eben diese Bewe­gung: diese Linie schräg sich kreuzend mit dieser Linie. Nun denken wir uns die Sache so: Frau B. stellt sich hierher, Fräulein W. dorthin, und jetzt laufen Sie, indem Sie das Ganze mit einer E-Bewegung der Arme begleiten, laufen Sie so, daß Sie aneinander vorbeigehen und geben acht, daß Sie sich ja nicht anstoßen. Sie machen also auf dem Boden ein E und mit den Armen ein E und müssen achtgeben dabei, daß Sie sich nicht anstoßen. Und dieses Achtgeben, dieses Verwenden der Aufmerksam­keit aufeinander und auch mit der E-Gebärde, das ist dasjenige, was hier mit der Bewegung zusammenwirkt. Man kann also diese Sache immer nur von zwei Personen ausführen lassen. Sie ist, wenn sie von zwei Personen ausgeführt wird, im wesentlichen das, was man nennen könnte eine Stärkung des Herzens, also alles dasjenige, was zusammen­hängt mit den Erscheinungen, die man so gewöhnlich als Stärkung des Herzens bezeichnet.

Zwischenfrage: Könnte man dieses von einem Gesunden und einem Kranken aus­führen lassen?

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Man kann das schon, man muß aber dann vielleicht den Gesunden dazu veranlassen, daß er nicht die E-Bewegung mit den Armen mit­macht. Nicht wahr, diese Bewegung ist ganz besonders auf, ich möchte sagen, den Sanatoriumsbetrieb eigentlich berechnet, wo man natürlich die zwei, deren Stärkung des Herzens man wünscht, eben hat; es ist schon besser, wenn man die beiden haben kann.

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Nun denken wir uns einmal die Bewegung so, daß eine der Damen hier steht, die andere hier, hintereinander; wenn Sie ankommen, führt Fräulein W. diesen Lauf aus, aber so, daß sie immer nach vorne schaut, dann, indem die Bewegung fortgeht, führen Sie diesen Lauf hier aus, Sie diesen; Sie stückeln eine Bewegung an die andere an und begleiten das mit der 0-Haltung der Arme. Nun natürlich muß man die Leute, die das machen, veranlassen, mit einem gewissen Tempo anzufangen; erst langsamer, aber das dann immer schneller und schneller machen las­sen, von dem Schnellen wiederum ins Langsame abfluten lassen. Dann ist das eine Bewegung, die wesentlich zur Stärkung des Zwerchfelles dienen kann und damit des ganzen Atmungssystems. Man kann da wiederum, wenn man die 0-Bewegung mit den Armen wegläßt, einen Gesunden verwenden zum Mittun; aber am besten ist es natürlich, wenn man zwei, die diese Gesundung gebrauchen, dazu verwendet.

Nun bitte ich Sie, Frau B., uns eine H-Bewegung noch einmal vor-zumachen. Und jetzt bitte ich Sie, diese Bewegung so zu machen, daß Sie die Arme ganz stillhalten und diese Bewegung bloß mit den Schul­tern, so gut es geht, nachahmen. Und nun muß man sich aber gewöhnen, diese Bewegung mit den Schultern zu machen und zugleich ein A mit

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den Armen zu machen, irgendein A mit den Armen; das recht häufig hintereinander. Sehen Sie, das ist dasjenige, was man nennen könnte:

eurythmisch lachen. So lacht man eurythmisch. Und wenn man so eurythmisch lacht, so ist das wirklich in sehr verschärftem Maße das­jenige, was man überhaupt in der gesundenden Wirkung des Lachens hat. Die gesundende Wirkung des Lachens, sie ist ja bekannt. Aber wenn das Lachen eurythmisch getrieben wird, so ist eben diese gesundende Wirkung in besonderem Maße da. Sie können das aber auch noch anders machen.

Machen Sie, Fräulein W., zunächst einmal irgendeine A-Bewegung; und jetzt versuchen Sie, aber recht langsam, wie wenn Sie also wirklich es ganz bedächtig machen wollten, indem Sie die Arme so lassen, die­selbe Bewegung, die ich vorhin gesagt habe, diese Schulterbewegung des H, also in der A-Bewegung der Arme diese Schulterbewegung des H zu machen. Das ist dann dasjenige, was man nennen könnte: dem ganze Organismus richtet sich ein auf das Gefühl dem Verehrung, und es enthält auch alles dasjenige, was durch das Gefühl der Verehrung im wesent­lichen im Organismus bewirkt wird. Durch das Gefühl dem Verehrung, wenn es beim Menschen habituell ist, wird ja auf den Organismus die Wirkung ausgeübt, daß er dadurch in der Tat dauerhafter wird, also beständiger wird, als Organismus beständiger wird. Er wird wider­standsfähigem. Menschen, die wirklich richtig veranlagt sind dazu, gut verehren zu können, die werden widerstandsfähigem in ihrem Organis­mus. Daher macht alles dasjenige, was man den Kindern an Verehrung, an Begabung oder an Fähigkeit der Verehrung beibringt, die Kinder widerstandsfähigem. Und man kann diesem Widerstandsfähigkeit gerade durch die zuletzt angeführte eumythmische Übung zu Hilfe kommen.

Überhaupt muß man das durchaus festhalten, daß das, was wir heute für Urteil, Willensäußemung, Hoffnung, Liebe angeführt haben, was wir sonst angeführt haben in bezug auf gewisse organische Schmerzen, was wir angeführt haben zum Bekämpfung dem Ungeschicklichkeit und so weitem, daß das in dem Tat sich so zum Menschen stellt, daß der Mensch dadurch im Innersten seines organischen Wesens ergriffen wird und auf dem Umwege durch den Ätherleib tatsächlich die Möglichkeit bekommt, überhaupt diesen Äthemleib zu einem brauchbaren Patron zu machen.

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Der Ätherleib ist ja etwas im Menschen, was bei den meisten Menschen, die ihr Leben vemsitzen, die ihr Leben ohne Interesse für ihre Umwelt zubringen, steif wird. Und es ist eben nicht gut, es ist auch für die orga­nischen Funktionen nicht gut, wenn der Ä themleib des Menschen steif wird. Wenn man die Bewegungen, die wir heute beschrieben haben, mäßig ausführen läßt von Kindern, wenn man sie recht energisch aus­führen läßt von den entsprechenden Patienten - man sieht ja aus den Dingen, die gegeben worden sind, welchen Patienten man das auferlegen soll -, dann wird der Äthemleib geschmeidig, in sich beweglich, und man tut sowohl Kindern wie auch Erwachsenen damit etwas Gutes.

Diese Bewegungen, die sind wirklich so, daß man ihnen auch durchaus den Vorzug geben kann gegenüber den gewöhnlichen Tumnbewegungen, weil die gewöhnlichen Turnbewegungen eigentlich wirklich nur aus der Physiologie, also aus der Physis des Körpers hervorgeholt sind und im Grunde genommen den physischen Leib fortwährend herausreißen aus dem ätherischen, so daß dann dem physische Leib immer seine eigenen Bewegungen macht, die dann nicht die Bewegungen des Ätherleibes in entsprechender Weise nach sich ziehen. Und dadurch ist ja das gewöhn­liche, bloß physiologische Turnen im Grunde genommen eine Schule des Materialismus, indem das materialistische Denken ins Gefühl übergeht; und das Eurythmische, das bewirkt, daß der Mensch wirklich mehr die Fähigkeit bekommt, in sich selber sich zu erkennen, in sich selber sich zu beherrschen. Daher haben solche Übungen sowohl einen pädagogisch-didaktischen wie auch einen therapeutischen und hygienischen Wert. Es müßte im Grunde genommen die Sache so sein, daß man wirklich den Versuch machen würde, daß solche Übungen auch von Erwachsenen in mäßiger Weise immer ausgeführt werden, gerade die heute beschriebe­nen meine ich, und für Kranke eben sanatoriumsmäßig ausgebildet würden.

Es ist mir noch eine Frage gestellt worden, die vielleicht auf einiges führen kann, und einige andere Fragen noch. Hier ist die Frage: Chine­sen können den Buchstaben R nicht aussprechen, sie gebrauchen das L dafür. Erdbeere würde zum Beispiel Eldbeele ausgesprochen werden. Hängt das mit dem Rasse zusammen?

Es hängt natürlich mit der Organisation des Organismus, insofern

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dem rassenmäßig bestimmt ist, zusammen, und man kann ja gerade an dieser besonderen Begabung einer Menschenabteilung für den einen oder den andern Laut sehen, wie die Menschen veranlagt sind aus ihrem Rassenmäßigen heraus. Wir haben ja selbst vor einigen Stunden solche Dinge angeführt.

Nun sind hier noch Fragen gestellt worden mit Bezug auf Übungen, die etwa angestellt werden könnten mit Rücksicht auf die Zustände der Indolenz, des Reaktionsmangels, des mangelhaften Bewegungstmiebes und so weiter, Zustände also, denen sehr häufig eine ungenügende Funk­tion der Schilddrüse zugrunde liegt. Hier ist noch aufmerksam gemacht darauf, daß Fliej' in seinem bekannten Buche über den Ablauf des Le­bens diese Symptomkomplexe unter die sexuelle Zwischenstufe stellt. Wie würde ein gegenwärtiger Schriftsteller das nicht tun! Alles das­jenige, worüber er nicht viel weiß, rechnet er natürlich in die sexuelle Zwischenstufe, oder auf eine andere Art. In dieselbe Kategorie stellt er zum Beispiel Linkshändige. Ich betone aber ausdrücklich, daß ich nie­mandem noch anempfohlen habe eumythmische Übungen mit besonderem Rechts- und Linksbetonung.

Es wird hingewiesen auf die Cbungen, die je verschieden rechts und links begon­nen werden sollen, Jambus, Trochäus.

Das ist nicht eigentlich, um Rechts- oder Linksbetonung besonders hervorzuheben, sondern um gerade in der Vorwärtsbewegung das Jam­bus- oder Tmochäusgefühl hervorzurufen. Das ist natürlich durchaus be­rechtigt. Es ist das doch so: Es kommt wenigem auf das lang-kurz an, sondern es kommt auf diese besondere Bewegung an. Es ist schon richtig, es handelt sich nur darum, daß, wenn umgesetzt wird dasjenige, was also im Atmungssystem lebt, ins Bewegungssystem, so wird es umgekehrt. Oberem Mensch und unterem Mensch ist ja umgekehrt. Also es muß jeder Jambus, der zu denken wäre etwa im Atmungssystem, also durch das Sprechen hervorgebracht, dem muß ein Trochäus werden in der Bewe­gung mit den Beinen und umgekehrt. Darauf ist nämlich die ganze Eurythmie gebaut. Sie können die ganze Eurythmie daraufhin prüfen, es geht nicht etwa nach dem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit, wenn sie

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ausgeführt wird, sondern es ist immer die Bewegung, die entspricht nach dem Bilde der Polarität. Es ist alles entsprechend nach dem Bilde der Polarität. Das ist natürlich überhaupt festzuhalten. Aber ich habe niemals anempfohlen jemandem, daß er besonders irgend etwas links oder rechts ausführen soll; das soll dem Gefühl vollständig überlassen sein. Also ob etwas mit dem linken Hand oder mit dem rechten Hand ausgeführt wird, das soll nur denjenigen Dingen überlassen sein, die sonst in Betracht kommen. Ich möchte nicht, daß da die Meinung auf-kommt, daß ich irgendwelchen linkischen Menschen eine Rechtsbetonung mit den besonderen eurythmischen Übungen empfohlen hätte, das ist nicht der Fall.

Nun möchte ich aber zu diesem eben das Folgende betonen: Es han­delt sich darum, daß wenn also ein Reaktionsmangel oder ein mangel­haftem Bewegungstmieb vorhanden ist, daß dann diese mehr allgemeine Bezeichnung, daß diese immer unter irgend etwas von dem fallen, was ich eigentlich schon angegeben habe; mangelhaftem Bewegungstrieb ist ein allgemeiner Ausdruck, und es fällt das dann unter irgend etwas, was ich angegeben habe, da sind dann die entsprechenden Bewegungen aus­zuführen.

Im ganzen muß man solch eine Übung wie diejenige, die ich hier an­gegeben habe mit Bezug auf das Urteil und die Willensäußerung, durch­aus so betrachten, daß gerade auch diese Äußerungen von Indolenz, mangelhaftem Bewegungsdmang und so weiter ganz besonders bekämpft werden durch dasjenige, was ich angegeben habe für Willensäußemun­gen. Und sieht man, daß dies nicht besonders wirksam ist, so lasse man es abwechseln mit demjenigen, was ich für das Urteil angegeben habe, jedoch so, daß man versucht zu probieren - hier handelt es sich ums Probieren -, ob Abwechslung von Willensäußerungen und Urteilsäuße­mungen in dem Verhältnis drei zu zwei oder zwei zu drei besser wirkt, also das eine länger, das andere kürzer. Und es wird sich allerdings, da diese Dinge auf dem Umwege durch den Äthemleib wirken, heraus­stellen, daß man zunächst anfangen muß, zwei bis drei Tage die Übun­gen fortzusetzen, und daß man unter Umständen, wenn man sieht, daß sie nicht richtig ausfallen, dann am dritten Tage ändern muß. Aber im allgemeinen kann man sagen, daß sowohl die eine wie die andere

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Übung nach beiden Richtungen hin weckend auf den Menschen wirken wird. Also gerade diese Willensübung und Urteilsübung sind dasjenige, was da ganz besonders in Betracht kommen kann.

Ich betone noch, damit kein Mißverständnis entsteht, daß natürlich die Meinung nicht entstehen darf, daß solche Übungen, zwei, drei Tage durchgeführt, eben schon eine sehr bedeutsame Wirkung haben könnten. Das würde ein Irrtum sein. Solche Übungen müssen, wenn sie eine Wir­kung haben sollen, mindestens sieben Wochen durchgeführt werden. Sieben Wochen also, das ist so ein Zeitraum, dem durchaus, ohne daß man dabei, wenn man es behauptet, mystisch angekränkelt sein muß, ungefähr dann zeigt die eben charakterisierten wohltätigen Wirkungen.

Das ist dasjenige, was ich Ihnen heute über diese Dinge sagen wollte. Und ich bitte Sie, ob wir vielleicht morgen diese entsprechende Stunde anreihen dürfen an die andere, nach einer kurzen Pause. Das würde dann morgen die letzte Eumythmiestunde sein, weil wir am Montag dann nötig haben, zwei rein ärztliche Stunden hintereinander zu machen.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 17. April 1921

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SECHSTER VORTRAG

Dornach, 17. April 1921

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Wir wollen heute einmal - es wäre ja so unendlich vieles anzuführen über die Beziehungen des Hygienisch-Themapeutischen zur Eurythmie -in Erwägung ziehen das zunächst nach dem Geistigen hin gelegene Phy­siologische, das sich uns ergibt, wenn wir die eurythmische Übung ins Auge fassen. Natürlich wird alles dasjenige, was sich beobachten läßt an der Kunsteurythmie in dieser Beziehung, in verstärktem Maße einem entgegentreten, wenn man von der Kunsteumythmie übergeht zu dem, was wir als eine gewisse verstärkte Eurythmie in diesen Tagen kennen­gelernt haben. Aber das Wesentliche, um was es sich handelt, kann schon an dem Ausführung eines Eurythmischen mein künstlerisch beobach­tet werden, und dann kann gewissermaßen die Physiologie dafür ge­sucht werden. Nun wollen wir, um dieses zu tun, einmal folgendes aus­führen.

Vielleicht ist Frau B. so gut und führt abwechselnd vokalisch und konsonantisch aus das Gedicht, das Sie (Frau Dr. Steiner) vielleicht rezitiemen: «Über allen Gipfeln ist Ruh. »

Machen wir uns nun klar, was da eigentlich vorgeht; aber gehen wir ganz exakt vom dabei. Was geht vom? Es wird eine Dichtung rezitiert. Also derjenige, dem eumythmisiemt - dem kommt ja physiologisch für uns jetzt in Betracht -, hört an, er hört zu. Das ist das erste, was wesentlich zu beachten ist: er hört zu. Also er spricht nicht selbst, er hört zu. Das ist das Wesentliche. Und er hört etwas an, was im wesentlichen das sinn-erfüllte Wort, dem sinnemfüllte Womtzusammenhang ist. Also er hört sich etwas an, wominnen Denktätigkeit, Vorstellungstätigkeit lebt. Das­jenige, was er äußerlich wahrnimmt, ist Vomstellungstätigkeit, gekleidet in den Lautzusammenhang. Nicht wahr, das ist etwas, was dem Mensch in seinem wachen Tagesleben oftmals tut. Was geschieht da eigentlich, wenn der Mensch in seinem wachen Tagesleben dieses tut? Sie werden leicht merken, wenn Sie psychologisch-physiologisch sich den Vorgang überlegen, daß beim Zuhören stattfindet ein leises partielles Einschlafen. Ich und astralischem Leib gleiten hinüber in dasjenige, was sie aufnehmen,

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sie leben sich hinein in dasjenige, was sie aufnehmen. Dem Mensch tritt also gewissermaßen leise aus sich heraus, indem er zuhört. Er verfällt, indem er zuhört, in einen Zustand, der schlafähnlich und wie­der nicht schlafähnlich ist. Schlafähnlich ist er dadurch, daß sein Ich und sein astralischer Leib leise heraustreten. Nicht schlafähnlich ist er dadurch, daß dieses Ich und dem astralische Leib doch empfänglich, wahmnehmend bleiben und sich bewußt bleiben. Es ist also dasjenige, was da sich abspielt, außerordentlich ähnlich dem Imaginieren. Es ist ein leises bewußtes Imaginiemen, das noch sehr stark in das Unter-bewußte hinuntergedrängt ist. Das ist dem Vorgang.

Gegen jeden solchen Vorgang gibt es eine Reaktion des Menschen selbst; diese beachten wir auch. Also jetzt schauen wir auf dasjenige, was sich bei einem Menschen vollzieht, der eben nicht rezitiert. Was tut er denn, wenn er zuhört? Er bringt seinen Ätherleib in Bewegung. Dem Ätherleib reagiert. Dem Äthemleib nimmt tatsächlich diejenigen Bewe­gungen an, die er ausführt, aber viel schwächer, wenn dem Mensch schläft und seinen Ätherleib im physischen Leib zurückläßt. Wenn der Mensch schläft, so ist ja dieser Ätherleib wesentlich tätiger, als wenn der Mensch wacht. Nun werden in einem verstärkten Maße bei diesem ab-gelähmten Schlafe, dem im Zuhören stattfindet, die Bewegungen des Ätherleibes wachgerufen. Man kann diese Bewegungen des Ätherleibes beobachten. Man hat also im Zuhömenden einen Menschen, der gesteigert diejenigen Bewegungen zeigt, die sonst dem Mensch im Schlafe abge­schwächt zeigt. Man kann also auch beim zuhömenden Menschen, und zwar, indem es einem geradezu vomdemonstriemt wird, die Ätherbewe­gungen des Menschen beim Schlafe studieren. Man braucht den Men­schen gar nicht im Schlafe zu studieren, man kann die Äthembewegungen des Menschen studieren, wenn er zuhört, und auch da gerade die ver­stärkten Schlafbewegungen des Ätherleibes. Diese Bewegungen, die stu­diert man, und man läßt sie nun vom physischen Leibe ausführen, das heißt, man läßt den physischen Leib in alle die Ätherbewegungen hin­eingleiten, die man auf die eben angegebene Weise studiert hat. So daß man also in dem Eurythmie dasjenige ausführt, was der Mensch beim Zuhören mit seinem Äthemleibe fortwährend ausführt. Sie sehen, was da eigentlich geschieht.

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Nun, nachdem man so beobachtet hat dasjenige, was da eigentlich geschieht, so wird sich einem auch ergeben, was die Wirkung ist. Die Wirkung ist diese, daß man ins Bewußtsein hineinführt eben auf dem Umwege durch die physische Bewegung, was sonst unbewußt geschieht. Man regt also damit wiederum auf dem Umwege durch den physischen Leib den astralischen Leib und das Ich an, man verstärkt sie. Was ge­schieht aber dadurch? Wenn astralischem Leib und Ich auf diese Weise verstärkt sind, dann wird ihre Tätigkeit ähnlich derjenigen, die beim Kind und beim noch heranwachsenden Menschen im Natumzusammen­hang wirkt. Man appelliert also an die Wachstumskmäfte des Menschen. Man arbeitet direkt in den Wachstumskmäften des Menschen. Ist der Mensch noch ein Kind und droht er im Wachstum zurückzubleiben, so regt man dadurch sein Wachstum an. Ist dem Mensch kein Kind mehr, haben die Wachstumskmäfte schon abgenommen, oder ist der Mensch gar in dem zweiten Hälfte seines Lebens, so wendet man sich an die Jugendkräfte, an verjüngende Kräfte in ihm, die aber, weil ja der menschliche Organismus schon ausgewachsen ist, nicht zu seinem Wachs­tum beitragen können. Wir können ein Kind in seinem Wachstum fördern, oder sein abnommes Wachstum bekämpfen, wenn wir es eumyth­misiemen lassen. Bei einem erwachsenen Menschen setzt dem innere Or­ganismus dem äußeren Organismus zu großen Widerstand entgegen, als daß wir ihn noch wachsen machen könnten. Aber dennoch führen wir diese Wachstumskräfte in ihn ein. Die Folge davon ist, daß sie an dem Widerstand des Organismus anprallen und sich dadurch metamorpho­siemen, das heißt, sie regen in diesem metamomphosiemten Zustand die plastische Kraft dem inneren Organe an. Sie wirken anregend auf die plastische Kraft der inneren Organe, und diese inneren Organe lernen dadurch besser atmen, besser verdauen. Sie werden also in bezug auf die ganze notwendige Tätigkeit des menschlichen Organismus angeregt. Wenn Kunsteurythmie ausgeführt wird, so darf sie natürlich nicht zu­gleich als Heileumythmie gedacht werden, obwohl sie in dem Augen­blicke, wo der Mensch anfängt, überhaupt irgendwie abnorm zu sein, auch heilend wirken wird. Aber wir haben ja auch schon die Beispiele betrachtet, wo durch Verstärkung der gewöhnlichen Eumythmie natür­lich auch dasjenige verstärkt werden muß, was als Reaktion auftritt,

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und wir können uns jetzt eine Vorstellung machen, wie in die Plastik der Organisation hinein diese Eumythmie wirkt.

Sie können verstehen, daß die habituelle Ausübung der Eurythmie für den Menschen zunächst die Plastik dem Organe, die plastische Kraft der Organe anregt, so daß der Mensch in seinem Inneren ein besserer Atmem wird, daß er in bezug auf die nach innen gelegene Verdauung ein - wenn ich mich so ausdrücken darf - besserer Mensch wird. Er wird ein Mensch, dem mehr seinen ganzen Organismus in seine Willkür hinein-bekommt. Er wird ein innerlich geschickterer Mensch. Und eigentlich besteht alles Künstlertum darin, daß man den inneren Menschen beweg­lich, plastisch, geschickt macht. Man kann das schon sehen, wenn man zum Beispiel plastisch arbeitet. Man kann eigentlich nicht richtig pla­stisch arbeiten, wenn man nicht in seinem inneren Erleben übergehen kann, sagen wir zum Beispiel in die Figur, die man plastisch ausambeitet, wenn man nicht die Kräfte lebendig machen kann in sich selber, die diese Figur bilden, die in dieser Figur sich ausdrücken wollen. Aber wenn man dann noch den menschlichen Organismus selber als ein Werkzeug betrachtet und das Entsprechende im Inneren tut, dann ist dasjenige, was bei dem äußeren Künstlertum dem Fall ist, in einem noch höheren Maße dem Fall; denn dann kann man gar nicht anders, als daß man im Inneren das Entsprechende hervorruft für die äußere Bewegung.

Wir wollen nun, wenn Sie so gut sind, das Gedicht noch einmal ma­chen, und zwar so, daß Sie mein vokalisch, also nur mit Betonung der Vokale die Eumythmie ausführen. (Fräulein W. und Frau Dr. Steiner.)

Hier ist dasjenige, was ich über die Physiologie des Eurythmischen eben gesagt habe, spezialisiert. Wenn also mein vokalisch eurythmisiert wird, dann haben wir nicht im vollen Sinne dasjenige zum Ausdruck gebracht, was ich eben charakterisiert habe. Was ich eben charakterisiert habe, das ist richtig für den Fall, daß gesprochen wird und dabei ab­wechselnd konsonantiemende und vokalisierende Bewegungen gemacht werden. Für dasjenige, was wir eben ausgeführt haben, ist das, was ich gesagt habe, nicht ganz richtig, sondern wir müssen es selbst spezialisie­ren. Denn hier werden ganz bestimmte differenzierte Bewegungen aus­geführt, die sich alle herausstellen als solche Bewegungen im Ätherleib, die vorzugsweise sich beziehen auf alles, was im rhythmischen System

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selber liegt. Also dasjenige System fassen wir als ätherisches System ins Auge, das sich insbesondere beim vokalischen Sprechen beteiligt. Wenn der Mensch dem Vokalischen zuhört - natürlich ist die Sache so speziali­siert nur in der Eurythmie vorhanden, aber gerade deshalb muß sie hervorgehoben werden, weil sie da für das Therapeutische besonders wichtig ist -, also wenn man ihm nur eine Aufeinanderfolge von Voka­len rezitieren würde, oder wenn man ihn eben nur solche Bewegungen machen läßt - da hört er ja gewissermaßen eurythmisierend zu solchen Bewegungen, die Ausdrucksformen für das Vokalisierende sind -, dann kommen beim gewöhnlichen Menschen, dem dem Vokalisieren zuhört, diejenigen Bewegungen des Ätherleibes in der früher beschriebenen Weise zur Betätigung, die dem rhythmischen System entsprechen. Und man läßt nun diejenigen Bewegungen wiederum ausführen von dem Eurythmisierenden, durch die er mit seinem physischen Leib in diese Bewegungen hineingleitet, die sonst durch den Ätherleib beim Zuhören des Vokalischen sich abspielen. Das ist also die Spezialisierung dem Sache. Dadurch werden aber insbesondere zum Atmungs- und inneren Vemdau­ungstätigkeit diejenigen Organe angeregt, die Organe für das rhyth­mische System sind. Die werden gestärkt, in denen wird dem Appell an die Wachstumskmäfte gerichtet beim noch heranwachsenden Kinde, oder an die plastischen Kräfte, die an dem Organisation eben ihren Wider-stand haben, bei dem erwachsenen Menschen.

Das führt Sie in die Physiologie des vokalischen Eumythmisiemens hinein. Wenn Sie also alles dasjenige zu therapeutischen Zwecken an­wenden, was dem Vokalisieren entstammt in dem Eumythmie, dann wer­den Sie auf die rhythmischen Organe ganz besonders wirken.

Nun wird vielleicht Frau B. dasselbe Gedicht noch einmal konsonan­tiemend ausführen. Sie werden im bloßen Anblick den radikalen Unter­schied des Konsonantiemens gegenüber dem Vokalisieren unmittelbar merken. Diesem Unterschied ist auch ein durchaus radikaler. Und wenn wir dasjenige studieren wollen, was wir jetzt eben gesehen haben, dann müssen wir uns klar sein darüber, wie sich die Sache verhält beim ge­wöhnlichen Anhören, wenn wir also nur Konsonanten anhören würden. Es ist ja das beim Kulturmenschen wenig dem Fall; aber bei weniger zivilisierten Volksstämmen kommt es ja vom, daß sie viel Konsonantisches

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anhören müssen; denn bei weniger kultivierten Volksstämmen hat die Sprache eine wesentlich reichere Konsonantenwelt, und da ist ein starker Übergang von einem Konsonanten zum andern, unbehelligt durch das dazwischenliegende Vokalische, vorhanden. Sie können das sogar noch bis nach Europa herein beobachten. Schauen Sie sich einmal an tschechisch geschriebene Worte, so werden Sie sehen, wie Sie da Kon­sonantenzusammenstellungen haben. Selbstverständlich, wenn sie aus­gesprochen werden, so klingt das Vokalische in diesen Konsonanten-zusammenstellungen schon mit, aber es durchsetzt sie nur so wie eine fortlaufende, kaum nuanciemte Strömung. Und wenn Sie dem Tschechi­schen zuhören, so werden Sie sich sagen müssen: Dieses Anhören des Konsonantischen ist ein ganz anderes, als das Anhören einer Sprache, die außerordentlich gut vokalisierend ist. - Man hat es also da mit einem ganz andern Prozeß zu tun, und diesen Prozeß kann man in dem folgenden Weise am besten charakterisieren.

Diesem Prozeß, er ist also als gewöhnlicher Anhömenspmozeß ein star­kes Hervorrufen demjenigen Bewegungen des Äthemleibes, die bei den physischen Bewegungen sonst eigentlich ausgeführt werden. Sie werden zurückgehalten. So daß also der Mensch beim Anhören des Konsonan­tischen in einem gewissen Spannung lebt. Er möchte eigentlich unbewußt, beim Anhören des Konsonantischen, äußerlich physisch imitieren, nach­ahmen, und hält es zurück. Diese Spannung lebt da. Es ist im wesent­lichen ein Bemuhigungszustand, aber ein künstlich hervorgerufenem, durch eigene Ich-Kraft hervomgemufener Bemuhigungszustand gegenüber den Bewegungen, die eigentlich ausgeführt werden wollen. Es ist also ein in sich gestautes Wollen, das beim Anhören des Konsonantischen zutage tritt. Sie werden daher auch finden, daß das Anhören des Kon­sonantischen außerordentlich innerlich kräftigt, stark macht. Man kann schon studieren, wenn man dafür ein Auge hat, wie solche Völker, wie zum Beispiel das tschechische Volk, sich in seinem Inneren ausnimmt, wie sich da dem Mensch in seinem Inneren ausnimmt, mit diesen Span­nungskräften, mit diesen aggressiven Kräften, wenn man weiß, daß das an dem Konsonantiemen der Sprache herangebildet ist. Es ist dies ein fomtwähmendes Zurückhalten desjenigen, was eigentlich fortwährend physische Bewegung werden will.

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Nun ist es ja wiederum ein Herausgehen des Menschen, ein Über­gehen in den Schlafzustand, und dieses Herausgehen des Menschen, die­ses Übergehen in den Schlafzustand, es ist außerordentlich interessant. Beobachten Sie einmal schematisch den Menschen: Kopf, rhythmisches System, Gliedmaßen-Stoffwechselsystem. Engagiert beim Konsonanten-Zuhören ist ja vorzugsweise das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem. Dem Mensch will seine Glieder bewegen, will in Bewegung übergehen, nur ist die Bewegung in Spannung versetzt. Er geht gewissermaßen in einen Schlaf über, dem eigentlich sonst nicht ausgeführt wird, denn beim ge­wöhnlichen Schlafe bleiben Ich und astralischer Leib im Organismus drinnen. Jetzt sucht man sogar eine Art künstlichen Schlafs herbeizu­führen für das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem in diesem Falle. Aber da macht sich dann die starke Reaktion bemerkbar, wenn man gewisser­maßen einschläft mit seinem Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen. Diese Reaktion besteht darin, daß man träumt. Aber nun ist wiederum das Bewußtsein nicht dazu hergerichtet, daß man träumt. Es entstehen ge­wissermaßen Träume am Menschen, die ihn umspielen (orange). Er be­einflußt die äußere Astralität und den äußeren Äther. Solche Menschen, die Konsonantischem zuhören, machen in ihrer Umgebung eine Ver­stärkung dem Aura; die spricht sich wiederum polarisch dadurch aus, daß nun dasjenige, was da im Unterbewußtsein bleibt, als polarischer Inhalt, als Willensgefühlsfaktom den Kopfomganismus umspielt und in den Kopfomganismus sich hineinsetzt (violett). Sie können daher be­merken bei solchen Menschen, die ans Konsonantiemen gewöhnt sind, eine Verstärkung ihres Eigensinnes, eine Verstärkung des Eigenwillens. Es sind in Wille umgewandelte Träume, die da durch den Kopforganis­mus spielen.

Was ist denn das eigentlich, physiologisch richtig angesehen: in Wille umgewandelte Träume? Wenn man dafür das äthemisch-physische Korre­lat betrachtet, so ist es im wesentlichen dasjenige, was nun plastisch wirkt in dem Kopforganisation. Man hat also vorzugsweise das plasti­sche Wirken auf die Kopfomganisation, und man wird solche Kopf-Organisation, welche gewissermaßen hinter sich selber zurückgeblieben ist, auf diese Weise anregen können. Hat man es also zu tun mit einem Schwachsinnigen, hat man es zu tun mit jemandem, bei dem man sonst

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physisch konstatieren kann, daß seine Kopfomganisation nicht in Ord­nung ist, so lasse man ihn konsonantiemend eurythmisieren, und man greift ein in diejenige Kraft, die sonst als traumhaftem Wille in dem gan­zen übrigen, in dem Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation wirkt und da die Organisation anregt, in Regsamkeit erhält. Man macht dem Schwachsinnigen und dem sonst in dem Kopforganisation Zurückgeblie­benen den Kopf regsamer. So daß man also diese Amt von Eumythmie brauchen kann, um Heilkräfte in bezug auf die Kopfomganisation her­vorzurufen. Insbesondere wenn man das verstärkt ausführen wird, was wir ja als Verstärkung, als verstärkte Metamorphose der Konsonanten in dem Eumythmie da in den letzten Tagen gehört haben. Es ist ja natür­lich, wenn man die Physiologie des Eumythmisierens ins Auge fassen will, daß man den bewegten, regsamen Menschen ins Auge fassen muß. Denn mit der gewöhnlichen Physiologie treibt man eigentlich keine Physiologie, sondern man geht im Grunde genommen doch, selbst wenn man seine Versuche am Lebendigen macht, vom Maschinellen aus, oder man geht ganz von dem Leiche aus und schließt dann auf das eigentlich Physiologische. Man hat also etwas, was man erschlossen hat. Das, was man sonst erschlossen hat, das muß man dem Regsamkeit des Menschen ablesen, wenn man es zum Physiologie diesem Prozesse bringen will, und man wird sehen können, daß von einem solchen Studium eine Belebung der gesamten Physiologie wiederum ausgehen kann. Denn bedenken Sie nur das Folgende: Was ist eigentlich, am lebendigen Menschen be­trachtet, die Verdauungstätigkeit? Sie ist Stoffwechseltätigkeit, die nach dem Rhythmischen hin stößt, nach dem Rhythmischen hin sich ent­faltet. Verdauungstätigkeit ist Stoffwechsel, der gewissermaßen auf­gefangen wird vom Rhythmus dem Zirkulationsorgane. Es spielt sich da fortwährend ein Prozeß ab, dem eine Zusammensetzung ist aus der Stoffwechseltätigkeit und dem Rhythmischen. (Vom Herausgeber er­gänzt.) Dasjenige, was sich abspielt als Stoffwechseltätigkeit in dem Ge­webeflüssigkeit, das wird, indem der Rhythmus hemanschlägt, selber von diesem Rhythmus der Zirkulationsorgane mitgenommen, mitgeris­sen, und es geht die mehr chaotische Tätigkeit, das Chaos, das stattfindet in den Regungen dem Gewebeflüssigkeit, über in den Rhythmus des Zirkulationssystems. Da, wo das Chaos dem Gewebeflüssigkeit übergeht

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in die regelmäßige rhythmische Betätigung des Zirkulations-systems, lebt sich ja physisch aus dasjenige, was menschliche Willens-tätigkeit ist. Willenstätigkeit - die man wiederum jetzt genau unter­scheiden muß vom äußeren Tun, obwohl sie sich in dieses äußere Tun ergießt -, die besteht darinnen, daß ein fortwährender Übergang statt­findet zwischen chaotischer Regsamkeit in dem Gewebeflüssigkeit und rhythmisch-regelmäßiger, auch harmonisierendem Tätigkeit in dem Zir­kulationswesen. Dadurch aber harmonisiert sich die Innenwelt des Men­schen, das innerhalb der Haut Gelegene, mit dem äußeren Wesen des Menschen. Dem Mensch gliedert sich gewissermaßen, indem er sein Eigenwesen herabsetzt, in das Wesen der Außenwelt ein. Wenn man daher eumythmisch auf diese Tätigkeit wirkt, wie wir es ja beim Kon­sonantiemen gesehen haben, so wirken wir in der Tat entgegen dem Eigensinnigwerden des Menschen, dem Egoistischwemden des Menschen, aber auch im organischen Sinne dem Egoistischwerden des Menschen. Denn was heißt denn eigentlich: Egoistischwerden des Menschen? -Sehen Sie, Egoistischwerden des Menschen heißt, organisch ausgedrückt:

die Organe verlieren ihre plastische Kraft und nehmen zu in bezug auf ihre stamme Kristallisationskraft. Sie wollen gewissermaßen nicht mehr Plastikem sein, sie wollen sich nähern dem Kristallisierungszustande. Dem arbeitet man entgegen durch das konsonantierende Eumyth­misieren.

So sehen Sie ganz in die menschliche Organisation hinein. Egoisten sind eigentlich immer Menschen, deren Magen und Leber und Lungen-flügel drohen, richtige Keilfomm anzunehmen. Sie wollen Keile werden, sie wollen ins Kristallinische übergehen, während bei Menschen, die krankhaft selbstlos sind, diese Organe ausfließen. Sie haben keine Kri­stallisationskmaft, sie haben plastische Kraft, sie runden sich. Das ist ja auch ein krankhafter Zustand. Immer ist es ja das Ausschlagen des Pen­dels nach dem einen und nach der andern Seite, das man zu beachten hat.

Beachten Sie auch einmal die eigentliche geistige Tätigkeit: Wenn der Mensch denkt und vom Denken aus fühlt, also dasjenige, was man im gewöhnlichen Leben die Tätigkeit nennt, welche man als geistige be­zeichnet. Sie wird ja ausgeführt von der physischsten Kopforganisation. Also gerade dadurch ist sie die sublimiemend geistige Tätigkeit, das

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Individualisierende auf der einen Seite, das abstrakt Gefühlte auf dem andern Seite. Wenn der Mensch diese geistige Tätigkeit ausführt, was geschieht denn dann? Dann zieht er aus seinem Organismus heraus die­jenige Kraft, welche ihn befähigt, sich als Glied in die Außenwelt hin­einzuversetzen. Er zieht auch aus seinem Organismus heraus diejenige Kraft, die ihn krankhaft dazu verführt, auszufließen. Er macht sich geradezu zum Kristallisator, wenn er geistig tätig ist. Gewisse, ins­besondere mehr nach Norden gelegene Völker, die haben ein starkes instinktives Bewußtsein sich angeeignet für diese Dinge. Sie haben zwar heute noch keine Neigung, das Eumythmische nach diesem instinktiven Bewußtsein einzurichten, sie verwenden dasjenige, was mehr äußerlich physiologisch ist, das schwedische Turnen und so weitem, aber sie be­nutzen doch die eigentümliche Wechselwirkung, die da besteht: Sie lassen die Tätigkeit, die die Kinder ausführen müssen, wenn sie in dem Schule szientifisch wirken sollen, denken sollen und so weitem, abwech­seln mit demjenigen, was dann zur Bewegung ablenkt. Sie fordern auch schon, daß jeder Lehrer eigentlich ein Turnlehrer sei, sie fordern wie­derum von dem Turnlehrer, daß er auf der geistigen Höhe des Kindes steht. Solche Dinge sind ja in einer fortgeschrittenen Zivilisation durch­aus zu berücksichtigen, und wenn ich eine bissig erscheinende, aber durchaus nicht bissig gemeinte Bemerkung, die nur aufklärend sein soll, machen will, so könnte ich sagen: Um diese Dinge instinktiv zu berück­sichtigen, dazu gehört Zeit. - Das muß also bei Völkern ausgeführt wer­den, welche sonst wenigem am Zivilisationsprozeß teilnehmen, die mehr ein abgeschlossenes Leben für sich leben, und die also instinktiv nach und nach ausbilden können dasjenige, was sich auf solchen Rhythmus von geistigem Tätigkeit und physischem Tätigkeit bezieht. Die Schweden und Norweger zum Beispiel, die so eine Amt isoliertes Dasein führen, die können ja solche Anschauungen ganz besonders gut instinktiv ausfüh­ren. Andere Völker, die mehr angewiesen sind darauf, solche Dinge be­wußt auszuführen, weil sie sonst mehr sich betätigen an dem allge­meinen Weltpmozesse, diese Völker, die also zum Beispiel sich beschäf­tigen müssen, was ja in letztem Zeit sehr der Fall war, mit Kriegs führung und so weiter, die müssen dann um so mehr bewußt auf diese Dinge sehen. Und diejenigen Völker, die mitten drinnenstehen in dem Bewegung

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dem Welt und ganz eigentlich sich in diese Dinge versetzen mussen, weil sich gewissermaßen um sie die Welt dreht, sie werden schon sehen, in was sie hineingehen, wenn sie sich nicht bewußt diesen Dingen zuwenden, wie sie allmählich dekadent werden. Das ist etwas, was sich insbesondere die Schweiz sagen müßte.

Diese Dinge laufen also durchaus ein auch in das Betrachten dem all­gemeinen Weltverhältnisse; denn die allgemeinen Weltvemhältnisse gehen ja schließlich aus dem Wirken dem Menschen hervor, und sie gehen sogar heute noch viel mehr aus dem unbewußten Wirken dem Menschen hervor als aus dem bewußten. Aber man hat die Aufgabe, das unbe­wußte Wirken der Menschen in das bewußte allmählich überzuführen.

Diese geistige Tätigkeit nun, wie wirkt sie im Menschen? Sie wirkt, indem sie die Kristallisationskräfte wachruft. Sie wirkt daher bei ich-schwachen Menschen auf die Verstärkung des Ego, sie macht sie ego­istischer. Aber wir haben ja nötig bei solchen Menschen, die organisch ausfließen, weil sie zu wenig egoistisch sind, diese Egoismuskräfte an­zuregen, nicht für die Seele, aber für den Organismus. Wir können sie auch durch äußere Mittel anregen, und es wird ja natürlich sein, daß wir solchen Menschen, die organisch ausfließen, raten, zuckerhaltige Sub­stanzen zu sich zu nehmen. Aber sie haben dafür manchmal eine ge­wisse Antipathie, worin sich gerade die Tatsache erst recht ausdrückt.

Nun aber, das ist ja dasjenige, was uns jetzt in diesem Augenblick viel weniger interessiert. Was uns jetzt interessiert, ist, daß man ja durch die vokalisiemende Eurythmie dazu kommt, nach diesem Richtung hin ganz besonders zu wirken, und daß man da gewissermaßen durch das vokalisierende Eumythmisieren den Menschen organisch zu sich selbst bringen kann. Man kann diejenigen Kräfte wachrufen, die ihn organisch zu sich selbst bringen. Und das kann ja für gewisse Menschen außerordentlich notwendig sein, auch zum Beispiel für diejenigen Men­schen, die verschlafen sind. Man wird aber auch sehen, daß die Ab­wechslung dem beiden, des vokalisierenden und des konsonantierenden Eumythmisiemens, dadurch günstig wirkt, daß da ein lebendiger Rhyth­mus entsteht im Menschen, wie er auch sein soll zwischen der Hingabe an die Welt und dem Zurücknahme in sich selbst. Das ist dann dasjenige, was durch das abwechselnde konsonantierende und vokalisiemende

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Eurythmisiemen hervorgerufen wird. Es ist natürlich dann ganz beson­dems notwendig, wenn man die Eumythmie zu Heilzwecken anwenden will, daß man dieses, ich möchte sagen physiologisch-psychologische Durchschauen dessen, was eigentlich vorgeht, sich aneignet, daß man also richtig weiß: Es neigt ein Mensch, der konsonantisch eurythmisiemt, dazu, eine Amt von Aura um sich hervorzurufen, welche dann wiederum auf ihn zumückwirkt und ihn herausbringt aus dem wesenlosen Zusam­menfließen mit dem Welt; es wirkt bei dem Menschen, den man voka­lisierend eumythmisiemen läßt, die Sache so, daß gewissermaßen seine eigene Aura zusammengezogen wird, in sich verdichtet wird, was ja immer auch bei dem geistigen Tätigkeit dem Fall ist, und daß dadurch die inneren Organe angeregt werden, den Menschen zu sich zu bringen.

In pädagogisch-didaktischer Beziehung ist es ja nun wirklich so, daß man durch die Abwechslung zwischen den Stunden, die man etwa an den Vormittag legt, in denen mehr geistig gearbeitet werden muß, und denjenigen Stunden, in denen mehr in Bewegung gearbeitet wird, wo also auch viel eumythmisiert wird, eine rhythmische Tätigkeit in dem heranwachsenden Kinde hervorruft, die außerordentlich günstig wirkt, indem all die Schäden, die entstehen müssen bei zu starkem geistigem An­strengung, durch das Eumythmisieren wiederum ausgeglichen werden. Und deshalb stellt sich auch das Eumythmisieren in den Gesamtuntemmicht in einer außerordentlich wohltätigen Weise hinein.

Dasjenige, was ich nun über das Eurythmisieren den Ärzten speziell zu sagen habe, das werde ich dann in die Mitteilungen gegenüber den Ärzten noch hineinfließen lassen. Die eigentlichen eurythmischen Be­trachtungen wollen wir damit abgeschlossen sein lassen und morgen zwei aufeinanderfolgende eigentliche Ärztestunden haben, wo die Eumythmisten dann nicht dabei sind.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 18. April 1921 (vor Ärzten)

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SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 18. April 1921 (vor Ärzten)

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Dasjenige, was ich Ihnen heute mit Bezug auf die Eurythmie zu sagen habe, das ist so, daß es durchaus wird im einzelnen immer durchschaut werden müssen mit den Kenntnissen, die Sie in physiologischer Be­ziehung und sonst haben. Wie das zu geschehen hat, das wird sich Ihnen schon, möchte ich sagen, wie von selbst ergeben. Aber gerade wenn wir in einen solchen geistig-leiblichen Prozeß hineinschauen, wie den, der beim Eurythmisieren stattfindet, so können wir gar nicht anders, als auf tiefere geistig-physische Zusammenhänge auch hinweisen. Und da möchte ich Sie nun auf das Folgende aufmerksam machen.

Wir müssen zunächst schauen auf jenen außermenschlichen Welt-prozeß, den man gewöhnlich nur verfolgt in bezug auf seine Details, und den man nicht verfolgt in bezug auf dasjenige, was eigentlich inner­lich tätig ist. Bedenken Sie doch nur, daß Erdenbildung in Wirklichkeit heißt: es wirkt eine Bildungstendenz von der Planetensphäre aus herein, und außerdem geschieht von demjenigen, was noch außerhalb der Pla­netensphäre liegt, eine Bildung in die Erde herein, fortwährende, strah­lende, sich in den einzelnen Kraftentitäten ausdrückende, gegen die Erde her strahlende kosmische Kräfte.

Diese kosmischen Kräfte können wir jetzt in diesem Zusammenhange so auffassen - obwohl sie alles dasjenige, was ich früher über die Strah­len gesagt habe, wiederum in sich schließen können -, so ins Auge fassen, daß wir sagen, sie wirken gegen das Zentrum zu und bilden eigentlich dasjenige, was auf der Erde und in der Erde ist, von außen her. Es ist schon einmal so, daß zum Beispiel wirklich die gesamte Metallität der Erde, die gesamten Metalle nicht aus irgendwelchen Kräften aus dem Erdinneren heraus im wesentlichen gebildet werden, sondern daß sie wirklich von dem Kosmos herein in die Erde eingesetzt werden. Wir können nun diese Kräfte, die da durch den Äther wirken - nicht etwa von den Planeten aus, da würden sie wiederum zentral wirken, die Planeten sind gerade dazu da, um sie zu modifizieren, die Planeten-sphäre ist es -, diese Kräfte können wir die Bildungskräfte nennen, die

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von außen her wirkenden Bildungskräfte. Gerade in diesem Zusammen-hange bitte ich Sie, diese Sadie zu fassen: Bildungskräfte. Ihnen stehen diejenigen Kräfte entgegen, welche beim Menschen und in der Erde diese Bildungskräfte aufnehmen und befestigen, sie gewissermaßen um einen Mittelpunkt herum versammeln, so daß eben die Erde entstehen kann. Also diese Kräfte, die da befestigen, können wir nennen die Kräfte des Befestigens (siehe folgende Zeichnung und Schema Seite 89). Im

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Menschen sind sie als solche Kräfte vorhanden, die plastisch die Organe bilden, während die andern Kräfte, die Bildungskräfte, diejenigen sind, die mehr die Organe aus der geistig-ätherischen Welt in die physische Welt hereinschieben. Das ist ein Prozeß, der ja in dem Gegensatz zwi­schen den Schiebekräften des Magnesiums, zwischen den Fluorkräften, die abrunden, ich möchte sagen, eben mit Händen zu greifen ist. Aber wiederum ist es so ein Prozeß, der sich überall darlebt: bei den Zähnen tritt er auf von unten nach oben und sich oben rundend, aber er tritt auch auf von vorn nach rückwärts, von rückwärts nach vorn, von oben nach unten, sich nach unten hin rundend. Und Sie können diesen Prozeß zum Beispiel, ich möchte sagen, wiederum mit Händen greifen, wenn Sie sich vorstellen, daß mit der Tendenz, ein Kugeliges nach vorn zu schieben, von außen nach innen, da etwas sich bildet, und daß dem sich

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entgegenstellt ein Kugelbildungsprozeß (siehe folgende Zeichnung, rot), von unten nach oben. Und zwischen diesen beiden Prozessen drinnen

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liegt nun dasjenige, was das Vermittelnde ist, also Absonderungs­prozesse, wiederum das Aufnehmen des Abgesonderten von andern und so weiter, dasjenige, was man im weitesten Sinne Absonderungsprozesse nennen kann; denn schließlich ist auch das Aufnehmen beruhend auf einer Absonderung nach innen, die wiederum resorbiert wird. Also dazwischen liegt wiederum dasjenige, was man Aussonderungsprozesse am besten nennen kann.

Solch einen Aussonderungsprozeß können Sie wiederum mit Händen greifen, wenn Sie sich hier denken, daß auf der einen Seite dasjenige liegt, was den Kohlenstoff fortwährend aussondern will (siehe folgende Zeichnung, orange), und dasjenige, was ihn wiederum aufnimmt in der

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Kohlensäurebildung (weiß) durch die Atmung von vorne. Dann setzt sich dahinter ein solcher Aussonderungsprozeß fort. Und wenn Sie noch

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weiter herunterkommen in den Stoffwechsel-Gliedmaßenprozeß, dann haben Sie richtig einen Befestigungsprozeß. Aber dieser Befestigungs­prozeß ist auch vorhanden nach der andern Richtung. Sie können das verfolgen da, wo Sie wiederum, ich möchte sagen, es mit Händen greifen können, wenn Sie darangehen, das Auge zu betrachten, es wird von außen herein gebildet, das zeigt Ihnen schon die Embryologie, aber es wird von innen her befestigt. Es wird die Bildung verinnerlicht. Darauf beruht ja die Entstehung des Auges. Es wird verinnerlicht (siehe fol­gende Zeichnung, orange). So daß wir diesen Befestigungsprozeß, indem

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wir zu dem Geistig-Seelischen vorschreiten im Menschen, also zu den Organen des Geistig-Seelischen, zu den Sinnesorganen, sich vergeisti­gend haben, sich wirklich verseelend, vergeistigend haben in der Wahr­nehmung. Das ist gewissermaßen der heruntersteigende Prozeß, der bis zur Organbildung führt (siehe Zeichnung Seite 86 und Schema Seite 89). Dann finden wir am untersten Ende den Wahrnehmungsprozeß, das gegenständliche Wahrnehmen (siehe ebenda). Bildet sich das weiter aus, entwickelt es sich so weiter, dann wird das Wahrnehmen gegen das Be­festigen zu; wenn es bewußt wird am Befestigen, wird es zur Imagina­tion. Wenn die Imagination sich weiter entwickelt und bewußt wird gegen den Aussonderungsprozeß zu, wird sie zum Inspirieren. Und wenn das Inspirieren sich weiter entwickelt gegen den Bildungsprozeß zu und da bewußt an den Bildungsprozeß heranstößt, also die Bildung durchschaut, dann wird sie zum Intuitieren (siehe ebenda). Man kann entwickeln diese Stufenfolge des seelischen Lebens von dem gegenständ­lichen Wahrnehmen zum Imaginieren, zum Inspirieren, zum Intuitieren.

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Bildungskräfte

Intuitieren

Aussonderungsprozesse

Inspirieren

Befestigen

Imagination

Wahrnehmungen

Aber diesem Prozeß, den man da entwickelt im Seelischen, liegt ja der Werdeprozeß zugrunde. Er ist nur, wie Sie hier auch sehen, die Umkehrung des Werdeprozesses. Man tritt dem Gewordenen entgegen und steigt wiederum hinauf ins Werden in umgekehrter Richtung. Das Bilden geht in absteigender Richtung. Man steigt in umgekehrter Rich­tung hinauf, man schreitet dem Werden entgegen. So daß das, was man als Wahrnehmen und Erkenntniskräfte in Imagination, Inspiration, Intuition ausbildet, immer seine Gegenwirkung hat in den schöpfe­rischen Kräften, die sich in den Bildekräften, in den Aussonderungs­prozessen, in den Befestigungsprozessen ausdrücken.

Sie werden daraus ersehen, daß im menschlichen Organismus das­jenige in umgekehrter Richtung tätig ist beim Schaffen, beim Entstehen, in das man hineinsteigt, wenn man sich im Erkennen aufschwingt. Sie werden daraus sehen, daß es wirklich so ist, daß dasjenige, was wir in der Imagination erreichen, dieselben Kräfte sind, die ohne unser Be­wußtsein in den Wachstumserscheinungen, in den plastischen Wachs­tumserscheinungen sich geltend machen. Wenn wir aufsteigen zur In­spiration, so kommen wir an die Kräfte heran, die von außen herein bei der Atmung den Menschen inspirieren, beim Atmen den Menschen durchbilden, die sich da in die plastischen Kräfte, als sie gewissermaßen durcharbeitend, hineingestalten. Und wenn wir zum Intuitieren auf­steigen, so steigen wir eigentlich zu dem Agens auf, das sich in unseren plastischen Formen als die substantielle Wesenheit von der Außenwelt herein begibt.

Sie sehen also, wir fassen da den Menschen, aus dem Kosmos heraus sich gestaltend, und wenn wir jetzt unsere Kenntnisse anwenden, die wir uns erworben haben in irgendeiner Weise durch Anatomie oder Physiologie, und sie durchleuchten mit dem, was uns da gegeben ist,

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dann fangen wir an, die Organe und ihre Funktionen zu verstehen. Es ist das also ein Hinweis auf das Verstehen der Organe und ihrer Funk­tionen. So daß in demjenigen, was plastisch immer wirkt am Menschen, was den Menschen normal, ich möchte sagen, durchplastiziert, auf der andern Seite - nehmen Sie jetzt den gestrigen Vortrag zu Hilfe -, auf der andern Seite lebt in den konsonantierenden Bewegungen, die ja gerade unbewußte Imaginationskräfte, wie ich gestern sagte, nämlich eine Art Durchströmen des Organismus hervorrufen. Sie durchschauen da also, wie das konsonantierende Eurythmisieren mangelnde Bilde-kräfte im Menschen, mangelnde plastische Kräfte ergreift und sie in die richtige Plastik überführt.

Nehmen wir also ein Kind und sehen wir, daß eine mangelhafte Plastik vorliegt, daß die Plastik zu stark wuchert. Was heißt das: die Plastik wuchert zu stark? Das heißt, die Plastik wirkt zentrifugal, macht den Kopf groß, indem sie zentrifugal wirkt, und läßt ihn, weil er zu groß wird, nicht dazu kommen, sich in der richtigen Weise mit imaginierenden Kräften zu durchdringen. Die muß man zuführen. Also lasse man das Kind eurythmisieren in konsonantischer Weise.

Es liegt da eine Frage vor über «einen zwei Jahre alten, sonst schein­bar gesunden Knaben mit großem Kopf, der jedoch kein Wasserkopf ist».

Sie haben tatsächlich im konsonantierenden Eurythmisieren, das rich­tig angewendet wird, das Gegenmittel, um dem beizukommen. Hier kommen wir eben auf die Stelle, wo eine gründliche Beobachtung des Morphologischen, des tieferen Morphologischen gerade hinweist auf die eurythmisierende Behandlung.

Oder: «Ein zwölfdreiviertel Jahre alter Knabe, dessen Längenwuchs auffallend zurückgeblieben ist, organisch ohne Befund, jedoch Würmer­besitzer, intelligent, aber geistig schnell ermüdbar.» - Ein außerordent­lich interessanter Symptomenkomplex, alles darauf hinweisend, daß nicht genügend imaginative Kräfte da sind, daß die plastischen Organ-kräfte wuchern, weil nicht genügend innere plastische Kräfte, seelisch plastische Kräfte da sind. Die seelisch plastischen Kräfte sind es ja nun auch, die die Parasiten zerstören. Es ist also kein Wunder, daß, wenn sie zu wenig da sind, das ein Würmerbesitzer ist. Also lasse man ihn

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konsonantierend eurythmisieren, und man hat das Gegenmittel gegeben. Diese Zusammenhänge, die weisen Sie ja direkt darauf hin, wo Sie mit der Eurythmie einzugreifen haben. Denn wenn diese Erscheinungen etwas, ich möchte sagen, kaschiert auftreten, dann kann selbst noch bei solchen kaschierten Fällen die Eurythmie außerordentlich günstig wir­ken, insbesondere, wenn man dann noch in einer materiell therapeu­tischen Weise der Sache entgegenkommt.

So zum Beispiel ist mir eine interessante Frage vorgelegt worden. Es ist natürlich, daß ich diese Frage im Prinzip zu beantworten habe. Wenn irgendwelche Komplikationen eintreten, so könnten dann bei der speziellen Sache diese Komplikationen besonders berücksichtigt wer­den; aber wenn auch irgend etwas anderes kombiniert werden muß mit der Sache, so ist dennoch die Sache von der einen Seite her mit dem, was da charakterisiert werden kann, durchaus getroffen:

«Ich habe ein fünfjähriges Kind als Patient, das bei den Unruhen durch Schußverletzung viel Blut verloren hat; vor zwei Jahren stellte sich eine Deformierung der Gelenke ein. Dinge, die später zu Bleichsucht und dergleichen bei Erwachsenen führen. Wie wäre dem therapeutisch beizukommen? »

Da haben Sie Gelenkdeformation. Das ist ein schon nach außen Wir­ken der plastischen Kräfte, die nicht mehr im Inneren bleiben können, die also schon nach außen strahlen, so daß sie den Menschen verlassen, statt daß sie im Inneren wirken würden. Die werden im eminentesten Sinne zurückgestrahlt gerade durch die Anwendung des konsonantischen Eurythmisierens. Denn Sie rufen ja im konsonantischen Eurythmisieren eben die wirksamen, die objektiv wirksamen Imaginationen hervor, die Deformierungen ausgleichen. In der Zukunft - darauf ist schon bei der Fragestellung ganz richtig hingewiesen worden - werden die Menschen überhaupt in der mannigfaltigsten Weise zu Deformierungen neigen, weil sie nicht mehr mit den unwillkürlich wirksamen Kräften die nor­malisierende Gestalt werden bilden können. Der Mensch wird frei; er wird sogar frei werden nach und nach in bezug auf die Bildung seiner eigenen Gestalt, aber er muß dann mit der Freiheit etwas anfangen kön­nen. Er muß also übergehen zu dem Erzeugen von Imaginationen, die dem Deformieren immer entgegenwirken.

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Nun das andere, sehen Sie, hier haben wir es zu tun mit mangelhafter objektiver Imagination; wir können es auch zu tun haben mit mangel­hafter objektiver Inspiration, was sich dann äußert durch - wenn ich so sagen darf - Deformierung des rhythmischen Systems. Diese Defor­mierung des rhythmischen Systems, die drückt sich ja ganz besonders dadurch aus, daß die objektive Inspiration, die nach innen geht, nicht in der richtigen Weise entgegenkommt dem Zirkulationsrhythmus. Und da wirkt man normalisierend, wenn man das vokalisierende Euryth­misieren anwendet. Dieses vokalisierende Eurythmisieren wirkt ebenso auf Unregelmäßigkeiten im Inneren, die eben nicht von morphologi­schen Veränderungen begleitet sind, wie das konsonantierende Euryth­misieren eben auf Deformierungen oder auf Neigungen zu Deformie­rungen wirkt.

Ich sagte früher, daß es ja allerdings notwendig sein kann, so etwas zu unterstützen, wenn es in besonders radikaler Weise auftritt, wie bei der Deformierung der Gelenke, die wir gerade jetzt besprochen haben. Da ist es dann notwendig, daß man therapeutisch zu Hilfe kommt dem Prozeß des konsonantierenden Eurythmisierens, der also so wirkt, daß er durch diese Imagination namentlich anregt die innere Atmung der von außen nach innen gehenden, jenseits der Darmwände nach innen zu gelegenen Organe: Lunge, Nieren, Leber und so weiter. Es ist ja schon einmal so, wenn man konsonantierend eurythmisiert, dann be­ginnen besonders der Hinterkopf, die Lunge, die Leber, die Nieren ein Funkeln und Funkensprühen, das tatsächlich etwas ist, was zeigt, wie die Reaktion, die geistig-seelische Reaktion ist auf dasjenige, was im Konsonantieren außen gemacht wird. Der ganze Mensch wird in diesen Organen ein leuchtendes Wesen, und den Bewegungen, die ausgeführt werden, setzen sich immer Leuchtebewegungen im Inneren entgegen, und insbesondere bei gewissen konsonantierenden Bewegungen entsteht, ich möchte sagen, eine ganze Leuchtenachbildung des Absonderungs­prozesses der Niere. Man bekommt gewissermaßen ein Bild des ganzen Absonderungsprozesses der Niere in diesem Leuchteprozeß, der da auf­tritt durch das konsonantierende Eurythmisieren. Und das wirkt dann hinüber in die unbewußten Imaginationen, und der ganze Prozeß, wo diese Partie so zu leuchten beginnt, das ist ja derselbe Prozeß, den ich

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speziell als den unter dem Einflusse des Cuprum geschildert habe; es ist derselbe Prozeß. Und hier ist auch der Ort, wo man gerade den Arzt darauf hinweisen kann, daß es ja auch Menschen gibt, die gewisse Krankheitsformen haben. Gestern wurden sie mir erst wiederum, ich möchte sagen, entgegengetragen, diese Krankheitsformen, indem mir jedenfalls von einer gewissen Seite her außerordentlich bewunderte Zeichnungen gebracht wurden, bemalte Zeichnungen, von denen gefragt worden ist, ob sie nun ganz besonders okkultistisch sind. Sie sind natür­lich okkultistisch in einer gewissen Weise, aber es ist außerordentlich schwer, zu den Leuten über diese Dinge zu reden, denn solche Dinge, die sind objektiv fixiertes Nierenleuchten, sie sind objektiv fixierter Aus­harnungsprozeß. Bei diesem Ausharnungsprozeß, wenn er in abnormer Weise bei gewissen krankhaft angelegten Menschen zum Leuchteprozeß wird, wenn also eine gewisse Stockung der Harnabsonderung eintritt

- also eine reine Stoffwechselkrankheit -, beginnen dann die Nieren zu leuchten, und wenn dieses besondere, nach innen gewendete Hellsehen eintritt, dann fangen die Leute an, wild zu zeichnen. Das wird immer schön, äußerlich im formalen Sinne immer schön. Die aufgetragenen Farben werden immer schön. Natürlich sind die Leute nicht zufrieden, wenn man ihnen sagt: Ja, da hast du etwas sehr Schönes gemalt, das ist nämlich deine abgestaute Harnabsonderung. - Ich kann Ihnen die Ver­sicherung geben, daß abgestaute Harnabsonderung und verhaltene Ge­schlechtssehnsuchten, die ja auch in einer gewissen Weise in Unregel­mäßigkeiten des Stoffwechsels münden, einem entgegengehalten werden von besonders mystischen Naturen als tief mystische Zeichnungen und Malereien, und daß man in vielem, was in dieser Art in der Welt auf­tritt, Symptome sehen soll für gerade noch erträgliche Krankheitsabnor­mitäten der Menschen.

Sie sehen, anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft ist nicht in dem Sinne Mystik, wie viele Menschen das verstehen, denn sie gibt sich keinen Illusionen hin über solche Dinge, wie sie eben charakterisiert worden sind. Sie erforscht im Gegenteil gerade solche Dinge. Aber die Leute nehmen einem das übel. Sie nehmen mir schon übel, daß ich in den öffentlichen Vorträgen so weit gegangen bin, anzudeuten, daß zum Beispiel - wenn auch die Sachen nicht gezeichnet wurden, sondern

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poetisch sich auslebten -, die schöne Poesie der Mechthild von Magde­burg oder der heiligen Therese die Abbilder sind, also die Inspirations-reflexe sind von demjenigen, was Prozesse sind, die durch zurück­gehaltene Sexualität entstehen. Natürlich ist es den Leuten dann nicht angenehm, wenn man ihnen eine Mechthild von Magdeburg oder eine heilige Therese schildert: Ja, das sind eben Persönlichkeiten mit einer starken Sexualität, die sie aber gerade deshalb, weil sie ihnen zu stark wurde, zurückgehalten haben; dadurch entstehen gewisse Stoffwechsel­Zirkulationsprozesse, auf diese hin finden Reaktionen statt, die so auf­treten, daß sie dann fixiert werden in sehr schönen Dichtungen. Ja, das Phänomen, in einem höheren Sinne betrachtet, führt außerordentlich tief hinein in die Geheimnisse des Daseins. Aber man muß sich eben hinaufschwingen können zu einer solchen Auffassung. Und deshalb muß man schon auch etwas wenigstens ahnen von diesen eigentümlichen Prozessen, die als innere Prozesse aufleuchten, wenn äußerlich euryth­misiert wird, und namentlich dann, wenn dasjenige, was nun innerlich in die Dichtung hineingeheimnißt ist, eurythmisiert wird, so wie ich Ihnen das gestern gezeigt habe, wenn vorgelesen wird ein schönes Ge­dicht, danach eurythmisiert wird in entsprechender Weise, so wie wir es gestern gesehen haben, konsonantierend oder vokalisierend; dann kreuzt sich das eben noch mit dem andern, dann tritt hinzu zu dem, was da äußerlich in Bewegungen ausgeführt wird, auch beim Euryth­misierenden ein innerliches stummes Sprechen. Und wenn der Prozeß nun nicht ausgeschwült wird in schwülen Dichtungen, sondern wenn der Prozeß einfach so verläuft, daß er der Begleiter, der eurythmische Be­gleitprozeß ist von schönen Dichtungen, dann ist dasjenige, was im Menschen vorgeht, eben nicht ein solches Aufzeichnen von Mystischem, sondern es ist ein durchaus den Menschen gesundmachender Prozeß. So daß man sagen kann, wenn man eurythmisieren läßt geradeso, daß man immer den Patienten aufmerksam macht: Höre gut zu, bringe dir stark zum Bewußtsein den gehörten Laut, den gehörten Satzzusammenhang, nach dem du die Eurythmie machst -, dann wird man ihn aufsteigen lassen gerade zu den äußeren Bildungskräften, zu den objektiv intui­tierenden Kräften. Und man wird gut tun, wenn man auf alles das­jenige wirken will, was sich im Menschen findet als Rest von dem, was

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nicht mehr sich abgespielt hat zwischen Geburt und Tod, sondern was der Materialismus Vererbung nennt, wovon aber ein großer Teil eben aus dem präexistenten geistig-seelischen Leben mitgebracht ist, wenn man also wirken will auf dasjenige, was man angeborene Fehler, Defekte und so weiter nennen kann, dann wird man gut tun, insbeson­dere im jugendlichen Alter immer wieder und wiederum so durch die Eurythmie zu wirken, daß man den Eurythmisierenden immer wieder auffordert: Mache dir ganz klar dasjenige, was du im Äußeren hörst. -Dadurch werden ja auch vertrieben alle diejenigen Tendenzen, die das innerlich fixieren wollen, was etwa da entstehen will in so etwas wie das mystische Zeichnen oder mystische Dichten. Es wird ja gerade das angeschlossen an das äußere schöne Gedicht. Es ist der umgekehrte Pro­zeß. Ein richtiger Mystiker weiß, daß dasjenige, was der Mensch als gerade Abnormes an Schönem reflektiert, daß das immer eine bedenk­liche Seite hat. Dagegen wenn dasjenige, was in der Außenwelt schön ist, innerlich erlebt wird, dann kann man nicht sagen, daß es sich einem als besonders großartig schönes Gebilde darstellt; im Gegenteil, es schematisiert sich, es wird abstrakt dadurch, aber abstrakt als Zeich­nung, so wie eine Zeichnung abstrakt ist. Aber das ist gerade das Ge­sunde, das ist das Erwünschte. Und nicht wahr, es wäre ja dieser schöne historische Prozeß nicht hervorgetreten: aber wenn zum Beispiel die Mechthild von Magdeburg veranlaßt worden wäre, nach guten Gedich­ten zu eurythmisieren, dann wäre sie bewahrt geblieben vor ihrem gan­zen mystischen Schicksal. Man kann natürlich, wenn man an diesen Punkt kommt, sagen, da kommt man an einen Punkt, wo gewisser­maßen das Gute und das Böse in einer gewissen Weise aufhört. Da kommt man in die amoralische Nietzsche-Sphäre, in das Jenseits von Gut und Böse, und man kann ja natürlich nicht so philiströs sein, daß man sagt, es sollen alle Mechthilds von Magdeburg mit Stumpf und Stiel ausgetilgt werden. Aber auf der andern Seite können Sie schon sicher sein, daß wiederum von den übersinnlichen Welten aus gut ge­sorgt wird, daß, wenn der Mensch das auch nicht gerade wuchern läßt, dann eben trotzdem die entsprechenden Zusammenhänge mit der über­sinnlichen Welt bleiben.

Nun möchte ich noch auf ein paar Dinge eingehen, die vielleicht doch

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noch einiges aufklären können, trotzdem ja unsere Zeit schon sehr vor­geschritten ist. Ich möchte da zunächst namentlich auf die Frage ein­gehen:

«Könnten die therapeutischen Eurythmieübungen nicht durch ratio­nelleAtemübungen unterstützt werden? Es braucht ja nicht gleich Hata­Joga zu sein.»

Nun, dazu habe ich das Folgende zu bemerken: Rationelle Atem-übungen zur Unterstützung der Eurythmieübungen, die sind für unsere Zeit bei der gegenwärtigen, in der nun einmal eingeschlagenen Richtung immer weitergehenden Menschennatur nur in der folgenden Weise zu behandeln. Man wird nämlich bemerken, daß unter dem Einflusse namentlich des vokalisierenden Eurythmisierens von selbst eine Ten­denz zur Änderung des Atmungsrhythmus entsteht. Das wird man bemerken. Und nun steht man eben vor der Unbequemlichkeit, daß man hier nicht schablonisieren soll, nicht irgend etwas im Allgemeinen sagen soll, sondern daß man dasjenige, was man tun soll, erst beob­achten soll. Man soll sich im einzelnen individuellen Fall damit befassen, die Atmung eines Menschen, dem man nach sonstigem Befunde mit vokalisierendem Eurythmisieren heilend helfen will, diese Atmungs-änderung zu beobachten, und dann soll man ihn darauf aufmerksam machen, daß er bewußt diese Tendenz nun fortsetzt. Denn wir sind nicht mehr Menschen, wie es die alten Orientalen waren, die den um­gekehrten Weg gehen können, durch vorgeschriebenes Atmen den gan­zen Menschen wiederum zu beeinflussen. Das ist etwas, was unter allen Umständen, wenn es so oder so vorgeschrieben wird, zu inneren Schocks führt, und was eigentlich vermieden werden sollte. Wir müssen eben lernen, dasjenige zu beobachten, was uns die Eurythmie, namentlich die vokalisierende Eurythmie lehrt über ihren eigenen Einfluß auf den Atmungsprozeß. Und dann können wir bewußt fortsetzen dasjenige, was im einzelnen Falle eurythmisch auftritt. Sie werden da nämlich durchaus sehen, daß dieser Prozeß, dieser Atmungsprozeß in einer ge­wissen Weise individuell, das heißt, verschieden für die verschiedenen Menschen eben fortgesetzt wird.

Nun, das, meine verehrten Freunde, sind ungefähr diejenigen Dinge, die sich noch beantworten lassen. Es ist keine rechte Möglichkeit vorhanden,

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auf einiges, was ja allerdings noch steckengeblieben ist, ein­zugehen wegen der Kürze der Zeit. Am Schlusse möchte ich Ihnen nur mit ein paar Worten sagen, meine lieben Freunde, daß Sie sich darauf gefaßt machen müssen, daß von Ihren medizinischen Kollegen in der Welt nicht minder der Kampf ausgehen wird, sobald sie in einer starken Weise gewahr werden, daß sich da irgend etwas von unserer Art geltend macht, und daß Sie schon brauchen die Überzeugungs-Durchschlags­kraft, welche dasjenige, was Ihnen entgegentreten wird, wird ablähmen können. Es darf einen natürlich niemals das, was sich da entgegensetzt, dazu veranlassen, die Dinge zu unterlassen, aber wir dürfen uns auch über all diejenigen Kräfte, die wir als antagonistische aufrufen, eben durchaus keinen Illusionen hingeben.

Auch am Ende dieses Kursus wiederum möchte ich sagen, daß es durchaus von mir überall eingehalten wird, daß ich, um die Bewegung so, wie sie jetzt inauguriert werden soll auf dem medizinischen Felde, möglich zu machen, selber mich Patienten gegenüber nicht unmittelbar in Heilungsprozesse einmischen werde, sondern nur besprechend, dis­kutierend, ratend mit Ärzten selber, so daß Sie ja immer in der Lage sem können, zurückzuweisen dasjenige, was etwa darauf hinginge, daß ich selber in irgendeiner Weise in das Kurieren eingreifen wollte in unberechtigter Art. Das ist dasjenige, was ich schon am Schlusse des letzten Kursus gesagt habe. Es wird einen ja auch das, namentlich - das kann schon nicht verschwiegen werden - von anthroposophischer Seite, außerordentlich schwer gemacht, weil die Menschen natürlich mit allen möglichen Zumutungen nach dieser Richtung kommen. Es ist ja durchaus auch das der Fall, daß in Anthroposophen auch die Tendenz liegt, nicht etwa über den Egoismus hinauszukommen, sondern manchmal noch egoistischer zu werden, als die normalen Menschen sind, und dann wird es einem gegebenenfalls wirklich ganz gleichgültig, höchst gleichgültig, was das Heil der Bewegung ist, daß das Heil der Bewegung darauf beruht, daß nicht im einzelnen Fall dasjenige ausgeführt werden soll, was die Außenwelt eben als «Kurpfuscherei» bezeichnet, sondern daß der Gesundungsprozeß der ganzen Medizin vor sich gehen soll, und daß der nicht gestört werden soll durch dasjenige, was der einzelne viel­leicht manchmal aus seinen persönlichen Aspirationen heraus eben für

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Anforderungen stellt. Es wird einem das sehr schwer, aber es muß in dieser Richtung durchgeführt werden, denn wir werden nur dann ge­rade auf diesem Gebiete durchkommen können, wenn wir der Außen­welt entgegenhalten können - was auch sonst in unserer anthroposophi­schen Bewegung der Fall ist, insofern sie mit Verständnis getrieben wird, nicht verballhornt wird von den Unverständigen -, wir müssen in der Lage sein, einfach dadurch, daß wir wissen, was in der anthropo­sophischen Bewegung vorgeht, zu sagen: Das, was da gesagt wird, ist ganz gewiß eine Lüge, ist ganz gewiß erfunden. - Das müssen wir in gewissen Fällen eben einfach immer sagen können. Das können wir aber sagen, wenn wir innerlich in all dasjenige, ich möchte sagen, eingeweiht sind, was in solchen Dingen besteht, auf die ich hier aufmerksam ge­macht habe, daß ich nicht in Heilungsprozesse direkt eingreife, sondern daß zum Heilen gegenüber den Patienten eben diejenigen da sind, die als Ärzte innerhalb unserer anthroposophischen Bewegung funktio­nieren.

Indem ich das noch sagen mußte, möchte ich nichts anderes mehr hin­zufügen als das, daß gerade in Ihnen diese Anregungen, die ja gerade bei diesem Kurse oftmals nur in Andeutungen steckenbleiben mußten wegen der Kürze der Zeit, daß diese Anregungen in Ihnen sich weiter verarbeiten mögen, und daß sie wirksam werden in der entsprechenden Weise zum Heile der Menschheit. Wir werden hoffentlich Gelegenheit haben, dasjenige, was wir jetzt zweimal begonnen haben, auf irgend­eme Art weiterzuführen und wollen uns wenigstens bemühen, es in irgendeiner Art weiterzuführen. Mit diesem Wunsche schließe ich diese Betrachtungen ab, meine lieben Freunde, und ich hoffe, daß nach all diesen Richtungen hin unsere Taten unseren Wünschen entsprechen mögen. Es war ein sehr befriedigendes Gefühl, Sie hier zu sehen. Es wird ein befriedigendes Gefühl sein, zurückzudenken an die Tage, die Sie hier gerade zur Bereicherung der medizinischen Wissenschaft haben verbringen wollen, und die Gedanken, die uns zusammenhalten sollen, werden Sie auf den Wegen begleiten, meine lieben Freunde, auf denen Sie wandeln werden, um dasjenige in die Tat umzusetzen, was wir hier versuchten, in Gedanken zunächst anzuregen.

ACHTER VORTRAG Stuttgart, 28. Oktober 1922 (Vor Ärzten)

#G315-1966-SE099 Heileurythmie

#TI

ACHTER VORTRAG

Stuttgart, 28. Oktober 1922 (Vor Ärzten)

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Es ist gewünscht worden, daß ich noch einiges in bezug auf unsere Heil­eurythmie sage. Im Grunde genommen ist das empirische Material für diese Heileurythmie ja von mir beim letzten Ärztekurs in Dornach entwickelt worden, dargestellt worden, und es ist kaum notwendig, über das dazumal Gegebene hinauszugehen. Denn wenn es in ent­sprechender Weise verwertet wird, dann kann es ja wirklich sehr weit­tragende Bedeutung haben. Ich möchte heute vielmehr zu Ihnen spre­chen über den ganzen Sinn und die Bedeutung der Heileurythmie.

Nicht wahr, sie gliedert sich ja in einer gewissen Weise heraus aus einer rein künstlerischen Sache, die sich auch zuerst als künstlerische Sache entwickelt hat, und in gewisser Beziehung muß sogar die künst­lerische Eurythmie eine Art Grundlage abgeben für das richtige Ver­ständnis der Heileurythmie. Nun werde ich vielleicht am klarsten spre­chen, wenn ich zunächst einmal versuche, den Unterschied zwischen der künstlerischen Eurythmie und der Heileurythmie anzugeben. Eurythmie im allgemeinen beruht darauf, daß man dasjenige, was im menschlichen Organismus vor sich geht beim Sprechen, nach einer gewissen Seite hin metamorphosieren kann. Daher ist Eurythmie zunächst künstlerisch wirklich eine Art sichtbare Sprache. Wir müssen uns nämlich klar sein, daß beim menschlichen Sprechen zwei Komponenten zusammenwirken. Die eine Komponente geht aus von einer gewissen Benützung des plasti­schen Apparates - ich darf von diesem plastischen Apparate im Men­schen sprechen nach den vorangehenden Vorträgen -, von einer weiter nach innen gelagerten Schichte, möchte ich sagen, des Nervensystems. Da spielt das Vorstellungsmäßige hinein. Im wesentlichen setzt sich der Vorstellungsapparat im Sprechapparate allerdings in einer etwas kom­plizierten Weise bis in den Bau des Nervensystems fort, und das ergibt dann eben in der weiteren Ausstrahlung, möchte ich sagen, die eine Komponente, die im Sprechen wirkt. Die andere Komponente kommt eigentlich aus dem Stoffwechselorganismus des Menschen herauf. Und wir haben in einer gewissen Weise ein Sich-Begegnen von einer Dynamik,

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die aus dem Stoffwechselsystem des Menschen kommt, und einer Dynamik, welche aus dem Nerven-Sinnessystem des Menschen kommt. Die beiden treffen sich so, daß das Stoffwechselsystem sich zunächst metamorphosiert in den Zirkulationsvorgängen, und das Vorstellungs­gemäße, das aus dem Nerven-Sinnessystem kommt, sich metamorpho­siert im Atmungssystem. Im Atmungssystem und Zirkulationssystem stoßen dann die beiden dynamischen Systeme zusammen, und indem das Ganze mit Hilfe des Sprachorganismus auf die Luft übertragen wird, ist auch der astralische menschliche Organismus imstande, sich hineinzuergießen in dasjenige, was da als Luftbewegungen erzeugt wird. Und die Sprache kommt zustande, wenn wir gewissermaßen die äußerste Peripherie des menschlichen Organismus betrachten, durch eine Verkörperung des Vorstellungsgemäßen auf der einen Seite und des Stoffwechselgemäßen auf der andern Seite, was eigentlich, seelisch aus­gedrückt, das Willensgemäße ist. Wir haben also alles dasjenige, was seelisch seinen Ausdruck im Willen, körperlich seinen Ausdruck im Stoff­wechselsystem findet, insofern das Nervensystem am Willen beteiligt ist: es ist ja beteiligt, insofern Stoffwechsel im Nervensystem stattfindet, nicht als Nerven-Sinnesfunktion. Also das Willensmäßige, das seinen körperlichen Ausdruck findet im Stoffwechselsystem, und das Vorstel­lungsgemäße, das seinen körperlichen Ausdruck findet, ich möchte sagen, in einer Sektion, in einer Schichte des Nerven-Sinnesmäßigen, die glie­dern sich gewissermaßen zu einer Resultierenden zusammen. Sie finden dann den physischen Ausdruck in dem, was als die gewöhnliche Laut-sprache oder der Gesang zum Ausdruck kommt. Beim Gesang ist es etwas anderes, aber es ist ja etwas ähnliches. Nun handelt es sich bei der Eurythmie darum, daß man ausschaltet das eigentlich Vorstellungs­mäßige in möglichst hohem Grade, und zur Wirksamkeit bringt das Willensmäßige. Dadurch metamorphosiert sich die gewöhnliche Laut-sprache in Bewegungen des gesamten menschlichen Organismus, so daß man die eine Komponente, das Willensgemäße beziehungsweise das Stoffwechselgemäße verstärkt, das Vorstellungsgemäße beziehungsweise das Nerven-Sinnesgemäße abschwächt und dadurch die Eurythmie her-ausbekommt. Dadurch ist man in der Lage, wirklich für die einzelnen Laute, seien sie Vokale, seien sie Konsonanten, Korrelate in menschlichen

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Bewegungen zu schaffen. Und geradeso wie eine gewisse Luft-formung und Luftbewegung einem A oder L entspricht, kann eine äußerlich sichtbare Bewegungsform entsprechen einem A oder L. Es liegt da eine durch sinnlich-übersinnliches Schauen aus dem menschlichen Organismus herausgeholte Bewegung, Bewegungsstruktur möchte ich sagen, vor, die wirklich mit derselben Gesetzmäßigkeit aus dem mensch­lichen Organismus folgt wie die Lautsprache, nur eine Metamorphose der Lautsprache ist, die eben mehr nach dem Willensmäßigen hin orien­tiert ist. So daß man also das ganze Alphabet zusammensetzen kann auch durch diese Sprache; so daß man alles Sprachliche durch diese Eurythniie zum Ausdruck bringen kann. Wenn nun künstlerisch Euryth­mie ausgeführt wird, dann wendet sich die menschliche Aufmerksam­keit und damit alle Vorgänge im menschlichen physischen, ätherischen und astralischen Organismus, welche die Träger der Aufmerksamkeit sind, zu dem entsprechenden Laut beziehungsweise der Wortgestaltung oder der künstlerischen Satzgestaltung, der metrischen Gestaltung, poe­tischen Gestaltung und so weiter. Der Mensch ist gewissermaßen, wenn er künstlerisch-eurythmisch tätig ist, ganz hingegeben an dasjenige, was an künstlerischer Gestaltung des Lautlichen möglich ist. Da man ja selbstverständlich bei der künstlerischen Eurythmie folgt jener Ge­staltung, welche auch die Sprache hat, so ist der Mensch, indem er künstlerisch-eurythmisch tätig ist, an die Außenwelt hingegeben. Und wie man ja auch im Worte an einem A nicht hält, an einem L nicht hält, sondern die Dinge vorübergehen, so haben wir es bei dieser künst­lerischen Eurythmie zu tun mit etwas, was durchaus innerhalb des nor­mal funktionierenden menschlichen Organismus sich abspielen kann. Es tritt also für den menschlichen Organismus keine andere physiolo­gische Folge durch die gewöhnliche künstlerische Eurythmie ein als die­jenige, daß in einer energischen Weise schon durch die gewöhnliche künstlerische Eurythmie die innere Harmonisierung der menschlichen Funktionen hervorgerufen wird, der Funktionen, insofern sie eine Totalität bilden im menschlichen Organismus.

Man kann daher sagen: Wenn in der richtigen Weise Einhalt getan wird einem Übertreiben in eurythmisch-künstlerischer Tätigkeit, so ist auch diese eurythmisch-künstlerische Tätigkeit ganz allgemein gesundend.

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Aber wie alles, was gesundend sein kann, krankmachend sein kann, wenn es übertrieben wird, kann auch die Eurythmie als künst­lerische Tätigkeit übertrieben werden. Der Professor Benedikt, der be­rühmte Kriminalpsychologe, hat, weil er die Antialkoholbewegung nicht leiden konnte, immer wieder und wieder betont, daß viel mehr Leute durch das Wasser sterben als durch den Alkohol. Das müssen die Stati­stiken auch zugeben, weil zu starker, nicht richtiger Wassergenuß zu zahlreichen Krankheitserscheinungen führt. So kann Eurythmie natür­lich in dem Maße, in dem sie getrieben werden soll - künstlerisch wird das ja ohnedies einen gewissen Befriedigungs- oder Unbefriedigungs­zustand im menschlichen Organismus ergeben -, im allgemeinen nur gesundend sein.

Was nun die Heileurythmie betrifft, so ist gewissermaßen dasjenige, was bei der künstlerischen Eurythmie in der Hingabe lebt an Laut-gestaltung, Wortgestaltung, Satzgestaltung, nach innen reflektiert. Es ist schon dadurch nach innen reflektiert, daß bei der Heileurythmie, sagen wir, ein Laut A oftmals hintereinander wiederholt werden muß. Dadurch geschieht etwas ganz anderes, als wenn ich vom Laut A über­gehe zu einem I oder dergleichen in künstlerischer Darstellung. Nun handelt es sich darum, hineinzuschauen in den eigentlichen Heilprozeß, der bei der Eurythmie stattfinden kann. Da möchte ich nicht vermeiden, eine gewisse Besorgnis auszusprechen, die eigentlich naheliegt gegen­über solchen Dingen. Solcher Dinge bemächtigen sich sehr leicht Laien und Dilettanten. Ich habe aber vom Anfange an betont, daß Heil­eurythmie eigentlich ausgeübt werden soll vom Arzte oder der Ärztin selbst, oder wenigstens im innigsten Einklang mit dem Arzte nur voll­zogen werden darf. Das aus dem Grunde, weil auch solche Ausläufer, möchte ich sagen, desjenigen, was Geisteswissenschaft in bezug auf Medizin will, weil auch solche Ausläufer so betrachtet werden müssen wie die ganze Stellung der Geisteswissenschaft zur Medizin.

Es ist wirklich so, daß Geisteswissenschaft nicht arbeitet auf medi­zinischem Gebiete nach so etwas hin, wie es mir einmal begegnet ist vor zwanzig Jahren. Da waren auch anwesend bei anthroposophischen Ver­sammlungen, ja, Naturheilärzte nannten sie sich, und da wurde mir einmal eine Abhandlung übergeben, in der stand eigentlich nur in verschiedenen

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Wiederholungen dieses: Alle Heilung beruht darauf, daß man das im Organismus Unharmonische wiederum harmonisiert. Auf sechs Seiten wurde dieser Satz in der mannigfaltigsten Weise variiert, daß man das Unharmonische harmonisieren soll. Es ist gegen diesen Satz nicht das geringste einzuwenden, es handelt sich nur darum, daß man es im einzelnen Fall, ganz im Speziellen kann. Und da wird es dann unangenehm für Menschen, die eine solche Gesinnung haben, wie sie sich im Schlußsatze aussprach: Alles dasjenige, was jetzt geschrieben worden ist, das zeigt, daß man die ungeheuer komplizierte Medizin verlassen kann und daß man sich beschränkt auf das Harmonisieren des Unharmonischen, und das wäre - so stand es wörtlich da - von «berau­schender Einfachheit». - So etwas von der berauschenden Einfachheit kann ich Ihnen nicht bieten. Sondern es ist schon so, daß durch die Geisteswissenschaft die Medizin nicht zu einer solchen berauschenden Einfachheit hingetrieben werden soll, sondern eigentlich zu einer größe­ren Komplikation, wie Sie schon aus Verschiedenem entnommen haben werden. So daß Sie nun nicht weniger zu lernen haben werden durch die Geisteswissenschaft, sondern mehr zu lernen haben werden, aber mit dem Wenigerlernen wird es durchaus etwas hapern, wenn auch alle Dinge übersichtlicher und überschaubarer werden und das Lernen inter­essanter wird dadurch. Wer darauf reflektiert, daß das Heilen be­quemer gemacht werden soll durch die Geisteswissenschaft, der wird schon aus den Auseinandersetzungen, die ich hier gepflogen habe, ge­sehen haben, daß das nicht der Fall ist.

Und, ich möchte sagen, so ist es auch bei dem, was Heileurythmie ist. Es ist durchaus so, daß eigentlich Heileurythmie ohne eine gesunde Diagnose nicht angewendet werden sollte, daß es sich durchaus darum handelt, daß sie nur im Einklang mit der fachmännischen ärztlichen Wissenschaft ausgeübt werden sollte. Denn man hat es eigentlich zu tun mit der Anwendung einer ungeheuer feinen Kenntnis des menschlichen Organismus.

Dadurch, daß zusammenstoßen im menschlichen Organismus, schon bei der gewöhnlichen Sprache, die Stoffwechseltätigkeit und die pla­stische Tätigkeit aus dem Nerven-Sinnessystem, dieses Zusammenstoßen in der Resultierenden sich aber entlädt in der Luftbewegung, die verhältnismäßig

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von der menschlichen Organisation sich in Abgesondert­heit vollzieht, so daß die Sprache sich loslöst vom Organismus, wird alles dasjenige, was von der Heileurythmie ausgestaltet wird, zurück­geschlagen in den Organismus, und man hat es mit folgendem zu tun: Denken Sie sich, Sie setzen zum Beispiel eine A-Bewegung mit einer L-Bewegung zusammen. Also erstens lassen Sie die Bewegungen wieder­holen, damit sich nicht die Sache nach außen entlädt, sondern die Wie­derholung sich ergießt in innere Vorgänge des menschlichen Organismus. Sie haben aber immer, indem Sie das Vokalische oder das Konsonan­tische, sagen wir, in der A- Bewegung oder L- Bewegung zusammen­wirken lassen, Sie haben immer dadurch den menschlichen Organismus in ein Funktionieren gebracht, welches ein Zusammenwirken bedeutet des Stoffwechselmenschen und des Nerven-Sinnesmenschen. Gewiß, es ist die Tätigkeit des Nerven-Sinnessystems in der Eurythmie überhaupt abgeschwächt, aber auch in diesem besonderen Verhältnis der beiden Komponenten, in der abgeschwächten Nerven-Sinnestätigkeit mit der verstärkten Stoffwechseltätigkeit, die durch die eurythmische Bewegung zustande kommen, auch in dieser Weise wirken doch die beiden Kom­ponenten zusammen. Und man hat einfach, indem man zum Beispiel eine L- Bewegung machen läßt in Wiederholungen, ein Heranschlagen des Stoffwechselmenschen an den Nerven-Sinnesmenschen, wenn man die L-Bewegung assoziiert mit einer A- Form. So daß man also sagen kann: In diesem Erregen von notwendigen Formen oder Bewegungen liegt ein Mitnehmen des gesamten Funktionierens des menschlichen Or­ganismus. Wenn Sie zum Beispiel eine konsonantische Bewegung aus­führen lassen, so wirkt die konsonantische Bewegung zunächst so, daß sie im wesentlichen ihre ganze Kraft ablädt, ihre innere Dynamik ab-lädt auf den Einatmungsvorgang, so daß Sie dadurch den ganzen Ein­atmungsvorgang eigentlich in die Hand bekommen. Je nach dem Kon­sonanten, den Sie erregen, bekommen Sie den Einatmungsvorgang in die Hand. Sie verstärken den Einatmungsvorgang durch jede konsonan­tische Betätigung.

Nun wissen Sie ja vielleicht aus dem, was aus der Heileurythmie schon mitgeteilt worden ist, wie Bewegungen dann etwas modifiziert werden für die Heileurythmie, die sonst in der künstlerischen Eurythmie

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zum Ausdruck kommen. Und so kann man sagen: Führt man eine A­oder L-Bewegung aus, sie ist immer verbunden mit einer Verstärkung oder Abschwächung des Stoßes, der in der Einatmung ausgeführt wird. Nun müssen Sie bedenken, daß die Einatmung dabei in ihrer Totalität genommen werden muß. Wir haben ja doch, wenn wir die Einatmung betrachten, zunächst den Einatmungsweg zu verfolgen in seiner Aus­breitung zunächst im mittleren Teile des menschlichen Organismus, dann aber durch den Medialkanal, Rückenmarkskanal in das Gehirn hinein, und die Gehirntätigkeit ist ja im wesentlichen ein Zusammen­klingen der in das Gehirn hinein verfeinerten Atmungstätigkeit mit der Nerven-Sinnestätigkeit. Es gibt keine Gehirntätigkeit, die für sich betrachtet werden kann, sondern es ist immer eine Resultierende da aus der eigentlichen Nerven-Sinnestätigkeit und aus der Atmungstätigkeit. Alle Gehirnvorgänge müssen auch so studiert werden, daß die Atmungs-tätigkeit dabei in Betracht gezogen wird. Nun haben Sie es durch die Erregung gewisser Konsonanten, der verschiedenen Konsonanten, tat­sächlich in der Hand, in einer ganz eklatanten Weise zu beeinflussen, auf dem Umwege durch die Atmung, die plastische Tätigkeit des Men­schen, die plastizierende Tätigkeit des Menschen. Sie brauchen zum Bei­spiel aus einem gewissen künstlerischen Erfassen des menschlichen Orga­nismus heraus bloß zu wissen, sagen wir, bei einem Kinde, das eben die zweiten Zähne bekommt, die oberen Zähne: wie werden sie denn aus der plastischen Tätigkeit, die von oben nach unten geht, gebildet? Sie werden so gebildet, daß bei den oberen Zähnen vorzugsweise die pla­stische Tätigkeit von vorne nach rückwärts wirkt. Wie werden die unteren Zähne gebildet? Bei den Zähnen des Unterkiefers wirkt die plastische Tätigkeit von rückwärts nach vorne; so daß eigentlich, wenn ich schematisch ausdrücken will die Tätigkeit, die beim Zähnekriegen ausgeübt wird, es diese ist: Die oberen Zähne werden von vorne nach hinten gebildet, und es werden also die hinteren Flächen gebildet, die vorderen werden abgesetzt. Die unteren Zähne werden von i ückwärts nach vorne gebildet. So wirken die Kräfte zusammen.

Wenn Sie nun bemerken, das Kind hat Schwierigkeiten mit dem Zahnen, so können Sie das Zahnen in der oberen Kinnlade einfach da­durch unterstützen, indem Sie zum Beispiel eine A-Bewegung machen

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lassen; das Zahnen in der unteren Kinnlade können Sie unterstützen, indem sie eine 0-Bewegung machen lassen. Sie bekommen tatsächlich die plastizierenden Kräfte durch gewisse Einwirkungen in die Hand. Sie müssen aber, um überhaupt dieser plastizierenden Tätigkeit Nah­rung zu geben, sozusagen das Hauptaugenmerk darauf legen, zunächst den Einatmungsstoß zu unterstützen, müssen also zu der plastizie­renden Tätigkeit, die von der A- und 0-Bewegung auf diese Weise aus­geführt wird, hinzufügen dasjenige, was Ihnen ja nun folgt aus der gesamten Konstitution des Menschen. Sagen wir, Sie haben einen Men­schen, der eine schwache Peristaltik hat, der neigt zu leisen Verstopfun­gen. In der Lebensepoche, wo das Zahnen stattfindet, hängt auch die Darmtätigkeit durchaus zusammen mit der Zahnbildung, und man muß das Augenmerk darauf richten, wo bei Unregelmäßigkeiten im Zahnen die Ursprünge liegen. Kommen Sie dem Atemstoß zu Hilfe, der durch den Rückenmarkskanal in das Gehirn geht, und von da aus jene plasti­schen Kräfte erst fördert, die man durch die Vokalbewegungen in die Hand bekommt, dann können Sie das tun, wenn Sie gerade diesen Fall vor sich haben, indem Sie das Kind eine L- Bewegung ausführen lassen. Es ergibt sich, wenn Sie einfach die Heileurythmie studieren, aus der Diagnose, wie Sie sie anwenden sollen. Ohne Diaguose sollte man sie eigentlich nicht anwenden, weil man unter Umständen das ganz Ver­kehrte machen kann. Aber es ist das wirklich so, daß man sich, ich möchte sagen, ein Gefühl erwecken muß für das Künstlerische in der Dynamik des ganzen Menschen. Man muß einen intuitiven Blick sich erwerben für das Künstlerische. Nehmen wir zum Beispiel an, das Kind zeigt in der Zeit, in der es eben beginnt zu zahnen, Schwierigkeiten; es zeigt Unpäßlichkeiten oder dergleichen, die nicht da sein sollten. Man findet nun, daß da unregelmäßige, nicht genügende Darmbewegungen stattfinden. Nun kommt man mit L- Bewegungen, bereitet vor. Nach­dem man eine Zeitlang diese L-Bewegungen gemacht hat, kommt man entgegen demjenigen, was man nach dem plastizierenden Zentrum hin-geleitet hat, indem man A- oder 0-Bewegungen ausführen läßt. Denn die vokalischen Bewegungen wirken auf die Ausatmung. Und zwar beginnen die Vokale zu wirken schon im Gehirn. Der Atemstrom arbeitet im Gehirn. Und alles dasjenige, was im umfassenden, im totalen

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Sinn mit der Einatmung zusammenhängt, drückt sich im Konsonan­tischen aus. Das kann unterstützt, gefördert werden durch konsonan­tisches Eurythmisieren. Alles dasjenige, was mit der Ausatmung zusam­menhängt, kann unterstützt werden durch vokalisches Eurythmisieren. Aber da arbeitet unmittelbar, indem Sie vokalisch eurythmisieren lassen

- die Wiederholungen, die stattfinden müssen in dem Laute, müssen Sie abschätzen, je nachdem die Anwendung der Kraft notwendig ist -, da arbeitet unmittelbar das plastizierende Element mit dem ausstrah­lenden Element zusammen. Sagen wir zum Beispiel, Sie haben es zu tun mit irgendeiner Nierenaffektion, da können Sie sich sagen, die Nierenaffektion ist in einem gewissen Stadium, sagen wir in einem frühen Stadium. In dem Augenblick, wo ich gewisse Bewegungen machen lasse, zum Beispiel S-Bewegungen, fördere ich die Nierenaffektion in einem frühen Stadium. (In einer andern Nachschrift ist hier A statt 5 an­gegeben; d. H.) Ist aber die Nierenaffektion schon lange da und hat das mangelnde Funktionieren bereits zu einer Deformation geführt, so muß ich erst vorbereiten mit dem konsonantischen Eurythmisieren und dann das vokalische Eurythmisieren nachfolgen lassen, damit ich durch das Vokalische auf die Formierung wirken kann gegenüber der Deformie­rung, die eingetreten ist. Kurz, so wenig theoretisch als möglich muß man das machen, sondern ganz aus der Erkenntnis des menschlichen Organismus im gesunden und kranken Zustande das herausfinden, was ich in den Regeln angegeben habe, die ich damals in Dornach dargelegt habe, und die Ihnen übertragen sind.

Nun, handelt es sich zum Beispiel darum, daß eine unterdrückte Herz­Lungenfunktion da ist, die dann auf die Nieren nur hinüberwirkt, dann kommt man sehr weit, wenn man B- oder P-Bewegungen ausführen läßt, namentlich in den Anfangsstadien. Sie können daraus ersehen, daß man wirklich das ganze Funktionieren eigentlich in der Hand hat dabei, und daß alles davon abhängt, daß man versteht, wie in jedem einzelnen menschlichen Organ eine Art zentrifugale Dynamik vorhanden ist, die plastisch gerundet wird durch eine von außen nach innen wirkende, also nicht ganz zentripetal, aber ähnlich wie zentripetal zu nennende Dynamik, die in jedes menschliche Organ hineinwirkt. Man wird über­haupt erst in die Lage kommen, richtige Physiologie zu treiben, wenn

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man jedes einzelne menschliche Organ in seiner Polarität wird betrach­ten können. Denn es sind diese Polaritäten darinnen, eine zentrifugale und zentripetale Dynamik in jedem menschlichen Organ. Und da spielt ja eine große Rolle für alles, was plastizierend ist, die Verteilung, die Differenzierung derWärmeverhältnisse im menschlichenOrganismus und die Organisierung der Luftverhältnisse. Für alles dasjenige, was zentri­fugal ist, ausstrahlend ist, spielt eine große Rolle alles dasjenige, was erstens im menschlichen Organismus aus der Eigendynamik der Substan­zen der Welt kommt, und dasjenige, was in der Überwindung der Eigen-vitalität der äußeren Wesenheit im menschlichen Organismus entwickelt wird. Diese beiden Dynamiken, die müssen durchaus gegenseitig regu­liert werden, und man kann hoffen, daß sich Heileurythmiker ausbilden, welche geradezu ein feines Gefühl entwickeln werden für dasjenige, was im einzelnen Falle geschehen kann. Es wird natürlich gerade da auf eine künstlerische Seelenverfassung außerordentlich viel ankommen.

Nun, wenn Sie dabei noch bedenken, daß das ganze System des Heil­eurythmischen noch unterstützt werden kann durch das eigentlich Thera­peutische, so hat man zwei Faktoren, die zusammenwirken. Man kann sich sagen, irgend etwas wirkt in dieser oder jener Weise besonders aufs Herz, und Sie unterstützen das noch besonders durch eine heileuryth­mische Übung: dann fördern sich diese beiden Dinge gegenseitig, und es ist das etwas, was wirklich ganz große Aussichten eröffnet, was eine außerordentlich große Zukunft haben kann. Denken Sie sich doch nur einmal, was es schon in mancher Beziehung für eine Wirkung gehabt hat, daß massiert wird. Aber dieses äußerliche Herumkrabbeln an dem Menschen, das ist nämlich - ich will gar nichts dagegen sagen, ich kriti­siere es nicht ab, erkenne es in seiner Bedeutung an -, aber das ist doch ein sehr Unbedeutendes gegen jene Massage, die Sie anwenden, wenn Sie einfach durch die heileurythmischen Faktoren zum innerlichen An­dersbewegen bringen die ganzen Organsysteme, die da zusammenwir­ken. Es ist das ja ein innerlichstes Durchkneten des ganzen Organismus, was verbunden ist mit einer Wirkung im ätherischen, im astralischen, im Ich-Organismus. So daß man sagen kann: Dasjenige, was man als richtig anerkennen kann für die Massage, das wird da in unendlich star­ker Weise verinnerlicht durch diese Heileurythmie. - Und man wird

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tatsächlich auch über die heilgemäßen Folgen des Turnens erst einen Aufschluß gewinnen können, wenn man auf die Ähnlichkeit hinschaut, welche die Freiübungen mit eurythmischen Übungen haben. Denn das­jenige, was beim Turnen heilsam ist, ist nur ein sekundäres Analogon zu dem, was heileurythmisch seine Bedeutung hat. Ich habe damals in Dornach gesagt: Wenn man E-Bewegungen in rhythmischer Folge aus­führen läßt in einer gewissen Weise, wie es dazumal vorgeführt worden ist, so kann man außerordentlich viel tun, um schwächlich aussehenden Kindern, solchen Kindern, welche in schwächlicher Weise ihre Körper-funktionen ausführen, zur Gesundheit zu verhelfen, zum wünschens­werten Stärkerwerden zu verhelfen; nur ist auch bei solchen Dingen durchaus notwendig, daß man eben den ganzen Menschen berücksich­tigt. Es kommt doch immer wieder und wiederum vor, daß das zu wenig geschieht, daß der ganze Mensch berücksichtigt wird. Ich weiß, daß ich Ihnen damit eine Trivialität sage, weil Sie sagen werden: Das wissen wir ja. - Gewiß, aber in der Praxis kommt es doch immer wieder vor, daß es nicht berücksichtigt wird. Wie oft sagt einem jemand: Dieser Mensch hat ein unregelmäßig funktionierendes Herz; da muß man ab-helfen. - Ja, aber bei Berücksichtigung des totalen Menschen muß man sagen: Gott sei Dank, daß der ein solches Herz hat, denn ein normales verträgt sein Organismus nicht. Gerade wie man zum Beispiel unter Umständen bei jemandem, der sich in einem bestimmten Fall das Nasen­bein gebrochen hat, sagen muß, daß der von einem günstigen Schicksal betroffen worden ist, denn atmete er die Luft in vollständig ausgebilde­ten Kanälen ein, so wäre das für seinen Organismus zu viel Luft, die er zu verarbeiten hat. Es ist überall zu berücksichtigen in der sorgfältigsten Weise, was in der Gesamtorganisation begründet ist.

Wenn man in einer gewissen Weise die 1-Bewegungen ausführen läßt, dann wirken diese 1-Bewegungen namentlich harmonisierend auf das Assoziieren der linken und rechten Seite des menschlichen Organismus. Man kann bei allen Asymmetrien, die im menschlichen Organismus auftreten, durch die 1-Bewegungen helfen. Sogar bei Schielen kann man durch 1-Bewegungen, die man vorsichtig anwendet, sehr gute heil­eurythmische Erfolge erzielen. Nur würde ich dann raten, beim Schielen nicht so vorzugehen, wie wenn zum Beispiel jemand asymmetrisch geht

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oder zu stark asymmetrisch den rechten und linken Arm benützen kann. Ich würde für das Schielen nicht die gewöhnlichen 1-Bewegungen, son­dern I-Bewegungen mit dem Zeigefinger nur ausführen und möglichst oft im Tag wiederholen lassen. Im wachstumsfähigen Alter kann das einen guten Erfolg haben, insbesondere dann, wenn man diese 1-Be­wegungen auch noch ausführen läßt mit der großen Zehe. Und den größten Erfolg wird man erzielen, wenn man den Patienten dazu haben kann, sie mit der kleinen Zehe auszuführen. Gerade für Asymmetrien, die auf das Sehen sich beziehen, werden auch diese an der Peripherie verlaufenden eurythmischen Übungen von einem ganz guten Erfolg sein. Dagegen wird umgekehrt, wenn es sich darum handelt, irgend­welche Ungeschicklichkeiten im Gehen auszugleichen, es sogar von gutem Erfolg sein können, wenn Sie den Betreffenden - aber natürlich ohne daß es ihm schadet - 1-Bewegungen mit dem Auge ausführen lassen, so daß Sie mit der Sehlinie, mit der Visierlinie 1-Bewegungen ausführen lassen. Es ist da so, daß man wirklich eine Art Gesetz aufstellen kann:

Für alles dasjenige, was im unteren Menschen abnorm ist, wirkt nor­malisierend dasjenige, was im oberen Menschen als Ausgleich geschaffen wird, und umgekehrt.

Wenn Sie Steh-Unsicherheiten haben, die ja wiederum in der verschie­densten Weise bewirkt werden können, dann sind die U-Formen von besonderer Wichtigkeit, wobei Sie aber dann sehen müssen, daß die U-Form vollständig zustande kommt, so daß wirklich ein Aneinander-legen stattfindet der betreffenden Glieder; ein wirkliches Aneinander-legen, daß das eine Glied das andere spürt, das ist von besonderer Wichtigkeit. Dann ist ja die U-Form erst vollständig. Das braucht bei der künstlerischen Eurythmie nur angedeutet zu werden; bei der Heileurythmie muß aber ausgeführt werden, daß das eine Glied an dem andern anliegt, so daß, wenn es entsprechend ausgeführt wird, das sogenannte Strammstehen zustande kommt, wobei die Beine anein­andergedrückt werden. Das ist eine außerordentlich heileurythmische Übung für Leute, welche etwas Zuckungen im Kopfe haben.

Wenn es angemessen ist, daß man namentlich dickliche Kinder heil­eurythmisch behandelt, so sind die 0-Formen dafür ganz besonders pas­send. Aber alle diese Formen, die heileurythmischen Erfolg haben sollen,

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müssen verbunden sein mit einem deutlichen Spüren des betreffenden Muskelsystems. Wenn Sie die 0-Form einfach so machen, wie es viele Eurythmisten machen, so kann das ja genügen für die äußerliche Andeu­tung; aber heileurythmischen Erfolg hat es erst, wenn Sie tatsächlich beim Ausführen der Übung die Muskeln durch den ganzen Arm hin­durch spüren. Die lose, schlenkerische Form hat nicht die Wirkung, son­dern das Spüren des ganzen Muskelsystems bis in die Einzelheiten hin­ein, das hat erst die entsprechende heileurythmische Wirkung. Besonders wichtig ist es, daß Sie auch beachten, daß eine Unterstützung der heil­eurythmischen Übung in ihrer Fortsetzung in das Bewußtsein hinein stattfindet. Nun, wenn Sie die 0-Bewegung machen, wie ich sie eben vorgemacht habe, so ist ja ein starkes Hineinprojizieren in das Bewußt­sein damit verbunden. Sagen Sie also einem Dickling, den Sie behan­deln wollen mit O-Formen: Während du die 0-Form machst, denke du an deine Dickheit, an dein Breitsein -, so daß Sie geradezu konzen­trieren lassen das Bewußtsein auf dasjenige, dem abgeholfen werden soll. Dadurch unterstützen Sie im wesentlichen das, was beabsichtigt wird: wie man den Bewußtseinsfaktor überhaupt nicht unterschätzen soll beim Heilen.

In dieser Beziehung wird sich, wie ich denke, sobald man auf solche Dinge sieht, noch ein gewisser Kampf mit den Orthopäden abspielen. Die sind heute, trotzdem sie auf dem Gebiet, auf dem sie sich betätigen, große Erfolge haben, noch ganz stramm darauf aus, den menschlichen Organismus als eine Art Mechanismus zu behandeln und darauf sich einzustellen. Während zum Beispiel solche Apparate, die angelegt wer­den in der Absicht, daß der Betreffende die Sache fortwährend spürt, also in sein Bewußtsein hereinkommt - sagen wir, wenn ich bei jeman­dem günstig finde, daß er seine Schultern zurücklege und ihm Bandagen gebe, durch die er tatsächlich das Bewußtsein hat, das soll zurück­gehalten werden, so daß das nicht im Unbewußten verläuft -, so ist dieses Bewußtsein der Sache ein ausgezeichneter Heilfaktor. Das ist dasjenige, was dann eben auch für die Heileurythmie die Folge hat, daß, wie ich schon gesagt habe, die Dinge durchaus zum Bewußtsein gebracht werden, so daß also dieses Konzentrieren eine wesentliche Unterstützung des Heileurythmischen gibt.

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Als besonders wichtig möchte ich Ihnen dieses noch sagen, daß alles, was E-Formen sind, im wesentlichen regulierend wirkt, wenn der astra­lische Organismus zu stark oder zu schwach den ätherischen Organismus beeinflußt. Also in allen denjenigen Fällen, wo man sagen kann, es ist vorhanden entweder eine übertriebene Tätigkeit des astralischen Orga­nismus oder eine zu geringe Tätigkeit, kann man unter Umständen mit E-Formen, mit der Wiederholung der E-Formen sehr viel machen. Bei den beiden Symptomkomplexen, die ich vorhin in der andern Stunde dargelegt habe, werden E-Formen heilsam wirken können. Das, was ich jetzt gesagt habe, ist besonders dann der Fall, wenn der astralische Organismus vom ätherischen beeinflußt ist, wenn er also zu schwach ist, wenn er sich vom ätherischen beeinflussen läßt, wenn er durch eine Unregelmäßigkeit in dem astralischen Organismus des Kopfes zu stark ist. Dagegen kann der umgekehrte Fall eintreten, wenn das Ätherische vom Astralischen zu stark beeinflußt wird; das ist dann der Fall, wenn sich das Astralische sehr stark in der Darmorganisation zum Ausdruck bringt, wenn man also bei jeder Gelegenheit, wo man ein bißchen Angst hat, gleich Durchfälle kriegt. Da werden dann die U-Formen von be­sonders gunstiger Wirkung sein.

Nun ist ja gestern die Frage aufgetaucht, die ich zum Schluß noch kurz besprechen will: Ob man bei Persönlichkeiten, welche schwanger sind oder welche Unterleibskrankheiten haben, gewisse heileurythmische Bewegungen ausführen lassen kann. Aber prüfen Sie einmal dasjenige, was in Dornach als Regel gegeben worden ist, dann werden Sie durch­aus das einhalten können, daß Sie, trotzdem Sie darauf sehen müssen, daß bei schwangeren Frauen oder bei unterleibskranken Menschen der Unterleib in Ruhe gelassen werden muß - er muß nämlich da in Ruhe gelassen werden, er darf nicht irritiert werden durch Heileurythmie -, trotzdem er in Ruhe gelassen wird, können Übungen mit den Armen auch im Sitzen, im Liegen, bei vollständigem Ruhen desjenigen, was Ruhe haben muß, mit dem Kopfe durchaus ausgeführt werden. Und Sie werden noch immer genügend finden in den Angaben, die gemacht worden sind, um in allen Fällen mit der Eurythmie eingreifen zu kön­nen. Natürlich, wenn der betreffende Mensch sich überhaupt nicht rüh­ren kann, dann wäre ihm die Eurythmie am allergesündesten: zum

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Beispiel bei Lähmungserscheinungen; aber er kann sie unter Umständen eben nicht ausführen. Sie wäre schon da am allergesündesten. Nicht wahr, solche Lähmungserscheinungen sind ja auch im wesentlichen ein ahnormes Funktionieren des astralischen Leibes, der nicht eingreift in die ätherische und physische Organisation, und man kann da sehr viel mit E-Bewegungen erreichen. Namentlich ist ja eine sehr günstige E­Bewegung - für Störungen des Unterleibes selbst - das nicht über­triebene, aber immerhin doch sorgfältig ausgeführte künstliche Schielen. Also das ist durchaus wahr, daß jene etwas dekadenten Jogis, die ge­wisse Übungen machen, indem sie ihre Augen auf ihre Nasenspitze konzentrieren, daß die eigentlich darauf bedacht sind, eine möglichst harmonische Tätigkeit ihres Unterleibes hervorzurufen, weil sie sehr wohl wissen, was die Tätigkeit des Unterleibes auch für dasjenige, was diese Leute geistige Betätigung nennen, bedeutet. So daß man schon sagen kann: diese Dinge sind so, daß man manches eben, was man bei dem Menschen, der einen gesunden Unterleib hat, selbst mit Sprüngen ausführen muß, einfach ersetzen kann durch eine leisere Heileurythmie der Arme, der Finger, selbst der Augen, wenn es eben nötig ist. Und unter allen Umständen darf nicht etwa eine schwangere Frau zu heil­eurythmischen Springübungen veranlaßt werden. Das geht natürlich nicht.

Sie sehen, es handelt sich auch da wirklich nicht darum, daß man etwa ein Universalheilmittel hat fabrizieren wollen, das man in einem halben Tag sich aneignen kann; sondern es handelt sich darum, daß auch die Heileurythmie in ernster Arbeit erworben werden muß, und sogar ist da notwendig, daß sie in übender Arbeit erworben wird. Denn fast jedesmal, wenn man aus seinen Heilinstinkten heraus ein bißchen wird angewendet haben die hei leurythmischen Übungen, wird man die Sache besser können. Es ist durchaus so: im Üben wird man gerade in der Heileurythmie ganz besonders gut vorwärtskommen.

Nun, ich wollte Ihnen diese, ich möchte sagen, mehr theoretische Aus­einandersetzung über die Heileurythmie geben, weil ja alles andere, soweit wie die Heileurythmie heute ist, damals in Dornach gegeben worden ist, und von unseren ärztlichen Freunden weitergegeben wird, so daß Sie sie immer haben können, und weil ich eben wollte, daß Sie

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gerade den ganzen physiologischen und therapeutischen Sinn der Heil­eurythmie auch einsehen können. Es darf selbstverständlich so etwas wie diese Heileurythmie nicht wieder überschätzt werden. Sie wird in vielen Fällen ein außerordentlich wichtiges Hilfsmittel sein, aber man darf sie nicht überschätzen. Und man muß sich durchaus klar sein, daß wirk­lich mit der berauschenden Einfachheit nichts getan ist, und daß, ebenso­wenig wie durch die «berauschende Einfachheit», daß man das «Dis­harmonische harmonisieren» muß, ein Karzinom geheilt werden kann, man auch durch heileurythmische Übungen ein gebrochenes Bein oder einen gebrochenen Arm nicht zur Heilung bringen kann. Man muß sich klar sein darüber: Nicht eine Vermehrung des Dilettantismus und ärzt­lichen Laientums, sondern durchaus eine Bereicherung des medizinischen Fachkönnens soll auf dem Wege durch die Geisteswissenschaft erreicht werden. - Verzeihen Sie, daß ich das so oft betone; aber ich möchte ge­rade, um Mißverständnissen vorzubeugen, immer wieder ganz beson­ders hervorheben, daß die Methoden nicht etwa, wie das häufig bei fanatischen Bewegungen der Fall ist, in einer laienhaften Opposition gegenüber der offiziellen Medizin auftreten, sondern durchaus rechnen mit dem Stande der gegenwärtigen Medizin, und den nur auf dem Wege weiterführen wollen, auf dem er weitergeführt werden muß, aus dem einfachen Grunde, weil es nicht wahr ist, daß der Mensch bloß das­jenige ist, was die heutige Physiologie und Anatomie sagt. Er ist das, aber er ist auch etwas anderes, er muß auch noch nach seiner seelisch-geistigen Seite erkannt werden. Und dann werden solche sonderbaren Vorstellungen verschwinden, die heute immer wiederkehren, wo man zum Beispiel im Gehirn eine Art telegraphischen Mittelpunktapparates sieht, zu dem hinlaufen die sogenannten Sinnesnerven, von dem aus­laufen die Willensnerven. Während das Ganze überhaupt gar keinen Tatbestand trifft, wie Sie aus dem heutigen Vortrage gesehen haben; sondern man hat es zu tun mit dem Nerven-Sinnessystem als einer plastizierenden Dynamik, der gewissermaßen etwas abgerungen wird, dem sich dann anpaßt die Seelentätigkeit. Es ist eben sehr viel zu tun, um wiederum zurückzugeben so etwas an eine gesunde Physiologie, was ihr abgenommen worden ist dadurch, daß man in einer unrichtigen Weise in dem physischen Organismus ein Korrelat für die seelischen

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Funktionen sah. Es ist schon für jede seelische Funktion etwas Physisches da während des menschlichen physischen Erdenlebens; aber nichts wird für die Seele benützt, was nicht andererseits eine viel größere Bedeutung hätte in der Wechselwirkung mit andern Organen für die körperliche Organisation. Nichts wird für die Seele bloß als seelisches Organ be­nützt. Unser gesamtes Seelisches und Geistiges ist abgerungen dem Kör­perlichen, wird herausgeholt aus dem Körperlichen. Und wir dürfen nicht anerkennen besondere seelische Organe. Wir können nur sagen: Seelenfunktionen sind solche, welche herausgegliedert werden aus den organischen Wirkungen und besonders angepaßt werden der Seelen-tätigkeit. Erst wenn wir wirklich ernst machen damit, daß begriffen wird dasjenige, was eigentlich im physischen Organismus des Menschen wirkt, wenn wir nicht in einer so äußerlichen Weise vorgehen, daß wir das ganze Nervensystem nur für eine dem Seelenleben dienende Ein-lagerung ansehen, dann können wir hoffen, daß wir die menschliche Organisation durchschauen. Aber nur so durchschaute menschliche Or­ganisation kann auch die Grundlage abgeben für eine im Lichte arbei­tende und nicht in der Finsternis rein probierende Physiologie und Therapie. Dieses möchte ich Ihnen eben auch noch zuletzt gesagt haben, damit Sie nicht mit einem Mißverständnis fortgehen und damit Sie Mißverständnissen entgegnen können, die immer wieder und wiederum auftauchen.

Es ist zum Beispiel für unser Karzinommittel mit einer «berauschen­den Einfachheit» die Kritik in die Welt gesetzt worden, was man dadurch erreicht hat, daß man überhaupt nicht weiß, aus welchen Erkenntnissen dieses Karzinommittel gewonnen ist; sondern man hat irgendwelche leichte Analogie konstruiert und glaubt, indem man diese leichten Ana­logien abtut, die Sache abzutun. Das ist dasjenige, was als eine Be­dingung für das Gedeihen nach der geisteswissenschaftlichen Seite der Medizin durchaus da ist: daß man Mißverständnissen ein wenig in den Weg tritt. Denn die Leute werden schon bemerken, daß, wenn sie nicht mehr Mißverständnisse verbreiten können, sie dann überhaupt nicht mehr viel sagen können, weil die Hauptsache der Gegnerschaft das Ver­breiten von Mißverständnissen über die ganze Anthroposophie ist. Ver­suchen Sie nur einmal herauszubekommen, wie viele Gegner etwas

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anderes sagen, als lediglich Mißverständnisse. Ich muß sagen, ich lese oftmals gegnerische Artikel oder Schriften, und wenn da nicht mein Name stünde, so könnte ich es auf etwas ganz anderes beziehen. Es bezieht sich nämlich gar nicht auf dasjenige, was hier gepflegt wird, es macht sich nämlich mit ganz anderem zu tun. Ich werde manchmal ganz überrascht, möchte aufsuchen, wo das ist, was da widerlegt werden soll; hier ist es jedenfalls nicht. Hier wird es auch in der Medizin so gemacht wie gegenüber der Theologie, da begegnet man derselben Sache. Man kann zum Beispiel einem auf der Höhe der Wissenschaft stehenden Theologen sagen: Was du über den Christus sagst, sagen wir ja auch, nur noch etwas dazu! - Er ist aber nicht zufrieden, daß man das sagt, was er sagt und noch etwas dazu; er sagt: Man darf nichts dazu sagen. -Er kritisiert nicht dasjenige, was seinen Behauptungen widerspricht, sondern er kritisiert dasjenige, worüber er gar nichts sagt. Er kritisiert es, bloß weil man über dasjenige etwas sagt, worüber er nichts weiß. Er betrachtet es als einen Fehler, etwas über etwas zu wissen, worüber er nichts weiß. In diesen Fehler darf die Medizin nicht verfallen. Wir müssen uns die Dinge genau ansehen und nicht widersprechen, aber wir müssen auch da nur allerlei hinzufügen aus einer schon ganz gut begrün­deten Erkenntnis des gesunden und kranken Menschen.

BEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

#G315-1966-SE117 Heileurythmie

#TI

BEMERKUNGEN DES HERAUSGEBERS

#TX

Die vorliegende Ausgabe des Kurses, den Rudolf Steiner im Jahre 1921 hielt, um die hygienisch-therapeutische Seite der Eurythmie, wie er sie in den einführenden Worten zu Eurythmieaufführungen neben der künstlerischen und pädagogisch-didaktischen Eurythmie nannte, in die Wirklichkeit zu bringen, ist die erste, die im Druck erscheint und somit einem weiteren Publikum vorliegt. Die Heileurythmie ist seit jenen Tagen eine sehr viel in der ganzen Welt in ärztlichen Zusammenhängen geübte Heilmethode, die sich ebenso neben andere anerkannte Heil-methoden stellt, wie sich nach den Worten Rudolf Steiners die künst­lerische Eurythmie würdig neben andere Künste stellt.

Es sind im wesentlichen zwei Dinge zu dieser Buchausgabe zu sagen. Einmal soll, wie Rudolf Steiner das ausdrücklich betonte, die Heil­eurythmie nur auf Verordnung und unter Kontrolle eines Arztes aus­geübt werden. Und zweitens ist eine lange, gründliche Ausbildung in Eurythmie Vorbedingung zum Erlernen der therapeutisch eben doch gezielt wirkenden Heileurythmie. Wenigstens zwei Jahre nannte Ru­dolf Steiner für ein gründliches Studium der Eurythmie. Die normale Eurythmie-Ausbildung dauert zur Zeit drei Jahre. Weil der Kursus jetzt von jedermann erworben werden kann, sei noch hinzugefügt, daß es ganz unmöglich ist, mit Hilfe des vorliegenden Kurses etwa die Heil­eurythmie auf dem Wege des Selbststudiums zu erlernen. Beides, die Zusammenarbeit mit dem Arzt und das Studium der Eurythmie, sind unabdingbar. Rudolf Steiner spricht das u. a. im Heilpädagogischen Kurs (Gesamtausgabe 1965, S. 184) so aus:

«Indem die Heileurythmie herantritt an die Heilpädagogik, tritt wiederum die ganze Eurythmie heran an die Heilpädagogik. Daraus sollten Sie wiederum sehen, daß auch nach dieser Richtung hin ein leben­diger Zusammenhang gesucht werden muß, was sich auch darin äußern sollte, daß bis zu einem gewissen Grade derjenige, der Heileurythmie treibt, die Grundlagen der Eurythmie haben sollte. Die Heileurythmie sollte aus einer, wenn auch nicht bis zur künstlerischen Vollendung ge­brachten, doch allgemeinen Kenntnis der Laut- und Toneurythmie her-auswachsen. Dann aber vor allen Dingen muß ja das den Menschen

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durchdringen, daß er sich an den Menschen anschließen muß, und so kann nicht anders als da, wo Heileurythmie ausgeübt wird, die Anleh­nung an den Arzt gesucht werden. Und es ist eine Bedingung gestellt worden, als die Heileurythmie gegeben worden ist, daß sie nicht aus­geübt werde ohne den Zusammenhang mit dem Arzt. Das alles weist schon darauf hin, wie verschlungen, lebendig verschlungen die Dinge werden müssen, die in der Anthroposophie sich ausleben.»

Die vorliegenden Vorträge - ohne den vom 18. April - wurden von Frau Marie Steiner 1930 im Manuskriptdruck zugänglich gemacht. Frau Elisabeth Baumann, die am Kurs teilgenommen hatte, besorgte die Re­daktion. Eine Neuauflage erschien 1952 bei der Rudolf Steiner-Nach­laßverwaltung, herausgegeben von Frau 1. de Jaager. Dieser Auflage wurde der Vortrag vor Ärzten vom 28. April 1922 beigefügt. Beide Herausgeberinnen der früheren Auflagen haben wesentliche Bemerkun­gen zum Kursus gemacht, die nachfolgend auszugsweise wiedergegeben werden.

Für die vorliegende Druckausgabe wurden die Nachschriften geprüft und der ganze Text mit den noch erhaltenen Stenogrammen verglichen. Dabei ergaben sich einige Ergänzungen und Berichtigungen. Einige Stellen, die in den früheren Ausgaben etwas anders redigiert waren, folgen in dieser Ausgabe mehr wörtlich dem Stenogramm.

Über den Werdegang der Eurythmie orientiert in umfassender Weise der im Jahre 1965 in der Gesamtausgabe von Rudolf Steiners Werken herausgekommene Band: «Die Entstehung und Entwickelung der Eu­rythmie».

Aus der Einleitung von Frau Baumann seien folgende Worte hier wiedergegeben (Ausg. 1952, S. VII-IX):

«Daß die bewegte, sichtbare Sprache der Eurythmie eine solche ist, die in wahrhafter Harmonie mit den Gesetzen und Bedürfnissen des Geistig-Seelischen und des Leiblich-Physischen steht, das erlebten wir ja täglich an der Selbstverständlichkeit, mit der sie von den Kindern aller Altersstufen erfaßt und wiedergegeben wurde. Wir erlebten auch täglich, wie Hemmungen, seien sie im Gebiet des Willens oder im Bereich

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des Vorstellungslebens, der Denktätigkeit, durch Eurythmie bei den Kindern gelöst, ja beseitigt werden können. Wir hatten es ja an der Waldorfschule fast von Anfang an mit manchen Kindern zu tun, bei denen solche Hemmungen vorhanden waren, oft nur schwach zutage tretend, oft jedoch auch so stark das Wesen des Kindes beherrschend, daß sein Mitkommen im Unterrichtsgang der Klasse nicht möglich war und für diese Kinder eine besondere Hilfsklasse eingerichtet wurde, um die von Rudolf Steiner gegebenen Anweisungen und Ratschläge zur Seelenpflege dieser Kinder ausüben zu können.

Aus manchen Beobachtungen zeigte sich, daß man für solche Kinder in der Eurythmie etwas gegeben hatte, das mehr als alles andere zu ihnen drang, von ihnen unmittelbar ergriffen werden konnte. Und es entstand die Überlegung: Wäre es nicht möglich, Übungen zu finden, die jenem Geistigen, das sich so schwer in seinen Leib hineinverkörpern kann, dem aus dem Leiblichen so große Widerstände erstehen, entgegen­kommen und ihm die physisch-leibliche Hülle besser formen, Bewe­gungs-Übungen, die die ätherischen Bildekräfte besser eindringen lassen und die plastisch-aufbauende Kraft des Organismus unterstützen?

Aus dem innigen Konnex mit den sogenannten schwierigen Fällen, mit den zurückgebliebenen, den seelenpflegebedürftigen Kindern ent­stand der intensivste Wunsch, das hygienische, das heilende Element der Eurythmie zu suchen und zu erfassen. In wiederholten Gesprächen mit der an verschiedenen Orten Deutschlands als Eurythmistin tätigen Erna van Deventer-Wolfram ergab es sich, daß auch sie durch ihre Arbeit in stärkster Weise zu dieser heilenden Seite der Eurythmie hin­geführt worden war. Nach einiger Überlegung entschlossen wir uns, Dr. Steiner um Anweisungen für eine solche Heil-Eurythmie zu bitten. Rudolf Steiner ging mit großer Bereitwilligkeit darauf ein und ver­sprach uns, sich die Sache zu überlegen. Nach kurzer Zeit schon erhielten Frau van Deventer und ich die Aufforderung, im April nach Dornach zu kommen, wo er dem Ärztekursus am Goetheanum Vorträge über Heileurythmie anschließen wollte.

Und so wurde nun von Rudolf Steiner in den Tagen vom 12. bis 17. April 1921 das dritte Element der Eurythmie geschenkt und die anwesenden Ärzte und Eurythmisten durften erleben, wie sich ihnen

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eine ganze neue Welt von Heilmöglichkeiten erschloß, deren Fülle und Wirkungskraft, durch die Art wie Rudolf Steiner es darstellte, sich wohl jedem Zuhörer unvergeßlich einprägte. Denn da, wo wir nur um einige Anleitung und Hinweise gebeten hatten, wurde eine geschlossen auf­gebaute eurythmische Heilkunde gegeben, bei der man unmittelbar erlebte, wie auch heute noch im Wort Schöpferkraft, Heilkraft wirkt, die der menschliche Leib in seinen Bewegungstendenzen erfassen kann. Es war oft nicht leicht sich hineinzufinden, denn auch für die, die sich seit Jahren mit der eurythmischen Bewegungskunst vertraut gemacht hat­ten, war das, was Rudolf Steiner an Übungen teils selbst vormachte, teils von Frau van Deventer-Wolfram und mir vormachen ließ, durch­aus neu und überraschend. Für die anwesenden Ärzte war es besonders schwierig, da die wenigsten bis dahin sich überhaupt mit Eurythmie be­faßt hatten. Es wurden zwei Eurythmiekurse eingerichtet, in denen wir mit den Ärzten grundlegend Eurythmisches und das jeweils an dem Tage von Dr. Steiner im Heileurythmie-Vortrag Gegebene besprachen und praktisch übten.

Nun setzte ein geregeltes heileurythmisches Arbeiten an den ver­schiedensten Orten ein. Rudolf Steiner gab in den Kliniken in Arlesheim und Stuttgart und auch an der Waldorfschule noch manche Hinweise für das Anwenden der Heileurythmie in speziellen Fällen, er variierte selbst diese und jene Übung, er gab bestimmte Lautfolgen, die mit ein­zelnen Kranken geübt werden sollten, die seiner besonderen Beobach­tung unterlagen. Diese Angaben bieten eine reiche Anregung für den Arzt und die Heileurythmistin, um aus ihnen das methodische, indivi­duell gegliederte und auf sorgfältigster Beobachtung des Patienten be­ruhende Vorgehen im Behandeln des kranken Menschen zu erlernen.

Die eigentliche fest fundierte Grundlage des heileurythmischen Arbei­tens ist in dem hier vorliegenden Kursus gegeben, wie dies ja aus Rudolf Steiners eigenen Worten eindeutig hervorgeht. Er wurde im Oktober 1922, diesmal von Ärzten, anläßlich einer medizinischen Woche in Stuttgart, gebeten, auch über Heileurythmie zu sprechen. Dieser Vor­trag ist zusammen mit dem Kursus vom Jahre 1921 hier veröffentlicht. Rudolf Steiner sagt da gleich zu Beginn: «Es ist gewünscht worden, daß ich noch einiges in bezug auf unsere Heileurythmie sage. Im Grunde

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genommen ist das empirische Material für diese Heileurythmie ja von mir beim letzten Ärztekurs (s. «Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie» GA 1963) in Dornach entwickelt worden, dargestellt worden, und es ist kaum notwendig, über das dazumal Gegebene hin­auszugehen. Denn wenn es in entsprechender Weise verwertet wird, dann kann es ja wirklich sehr weittragende Bedeutung haben.»

Aus dem Nachwort von Frau 1. de Jaager (Ausg. 1952, S. 107-108):

«Dem Leser wird bald klar werden, daß ohne ein gründliches Sich-auseinandersetzen mit der Anthroposophie man mit diesem Heileuryth­miekurs nicht sehr weit kommen kann. Ebenso wie bei der Kunsteuryth­mie ist auch die Quelle der Heileurythmie in der Anthroposophie zu suchen. Das lebendige Erfassen von Mensch und Welt ist die notwendige Grundlage zu ihrer Anwendung. Unter dieser Voraussetzung nur wird sie nie zum System werden oder zu etwas, was man abstrakt-intellek­tuell auffaßt und anwendet: eine Gefahr, die in unserer Zeit immer vorhanden ist. Die Heileurythmie erfordert ferner eine weitgehende Kenntnis der künstlerischen Eurythmie. Die Phantasiekräfte, das lockere Fließendwerden des ganzen Menschen sind die Vorbedingungen zur Anwendung dieser Therapie, bei der es gilt, den zu behandelnden Men­schen künstlerisch zu erfassen. All die feinen und minutiösen Nuancen, die man braucht, um dem kranken Kind oder dem Erwachsenen zu hel­fen, fließen uns aus der Kunsteurythmie zu. Dort findet man immer neue Anregungen.

Es sei auch darauf aufmerksam gemacht, daß ein junger Mensch nicht ausschließlich Heileurythmie treiben sollte. Bis zum 28. Jahr muß der Mensch seiner Phantasie und seinen schöpferischen Kräften freien Lauf lassen können. Je mehr dies geschieht, desto besser wird er dann in der Heileurythmie Hingabe, Geduld und Einfühlungsvermögen entwickeln können. Es gilt hier, sich ganz dem kranken Menschen zu widinen und ihn mit künstlerischer Herzenswärme zu tragen.

Wie Rudolf Steiner auch im Kurs des öfteren erwähnt, sollte die Heil­eurythmie nie angewendet werden ohne eine gründliche ärztliche Dia­gnose. Je mehr ein Zusammenarbeiten mit dem behandelnden Arzt möglich ist, desto wirksamer wird die Heileurythmie sein.»

HINWEISE

#G315-1966-SE120 Heileurythmie

#TI

HINWEISE

#TX

Zu den im Text gebrauchten Abkürzungen «Frau B.» und «Frl. W.»:

Elisabeth Baumann -Dollfus, 1895-1947

Erna von Deventer, geb. Wolfram, eine der ersten Eurythmistinnen, lebt in Zeist (Holland). Vgl. auch S. 118 ff.

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10 Metamorphosische Umänderung... und

11 ... dieses goethehafle Anschauen ...

siehe hierzu: Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, herausgegeben von Rudolf Steiner in Kürschners «Deutsche National-Literatur», Band I, foto-mechanischer Nachdrutk, Troxler-Verlag Bern 1949.

85 Der hier als siebenter Vortrag angeführte vom 18. April 192 I, ist im Zusammen­hang mit dem sogenannten zweiten Arztekurs gehalten und ist auch im Buch «Geisteswissenschaftliche Gesichtspunkte zur Therapie», Gesamtausgabe Dornach 1963, abgedruckt. Rudolf Steiner weist auf den Vortrag hin, am Schluß des unmittelbar vorher gehaltenen, mit den Worten: «Nach einer kurzen Pause werden wir dann, mehr nach der Eurythmie hinüberdeutend, fortsetzen.»

99 Der achte Vortrag ist im Zusammenhang mit der in Stuttgart vom 26. bis

28. Oktober 1922 abgehaltenen «Medizinischen Woche» gehalten worden (siehe «Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geisteswissenschaft», Ge­samtausgabe Dornach 1965). Dieser Vortrag ist nur hier abgedruckt.

112 Bei den beiden Symptomenkomplexen, die ich vorhin in der anderen Stunde

dargelegt habe:

Siehe den vierten Vortrag der Reihe: «Anthroposophische Grundlagen für die Arzneikunst», in «Physiologisch-Therapeutisches auf Grundlage der Geistes­wissenschaft», Gesamtausgabe Dornach 1965, Seite 140 ff.

118 ff. und 121: Der Abdruck aus dem Vor- und Nachwort zur Ausgabe von 1952 erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Frl. Christine Baumann und Frau I. de Jaager.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.