GA 300a

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE ÜBER ERZIEHUNG

Konferenzen

mit den Lehrern der Freien Waldorfschule in Stuttgart 1919 bis 1924

Erster Band Das erste und zweite Schuljahr

GA 300a

1975

Inhaltsverzeichnis


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VORWORT

Siebzig Konferenzen hat Rudolf Steiner mit dem Lehrerkollegium der von ihm geleiteten Freien Waldorfschule abgehalten, die erste am 8. September 1919, am Tage nach der feierlichen Schuleröffnung, die letzte am 3. September 1924. Außer am 25. und 26. September 1919 wurde nie ein Stenograph hinzugezogen. Von dem, was uns heute an Nachschriften über den Inhalt der Konferenzen vorliegt, verdanken wir weitaus das meiste dem treuen Mitstenographieren von Dr. Karl Schubert. Aus der Zeit, ehe er im Sommer 1920 in das Lehrerkollegium eintrat, sind nur kurze Notizen vorhanden. Als später das Kollegium größer wurde, entstanden immer mehr, zum Teil auch stenographische Aufzeichnungen, die den Schubertschen Text ergänzen konnten.

Weil Konferenzgespräche nie so lückenlos und zuverlässig nach-geschrieben werden können wie Vorträge, tragen alle vorliegenden Aufzeichnungen einen oft recht fragmentarischen Charakter, und die Herausgeber sahen sich vor die Aufgabe gestellt, die Bruchstücke richtig ineinanderzulügen, damit sie sich gegenseitig ergänzen und stützen. Der Leser aber ist zu starker und aktiver innerer Arbeit aufgerufen, um das, was uns nur wie in einer andeutenden Partitur vorliegt, zu einem erklingenden Bilde lebendig zu machen. Der ge­naue Wortlaut bleibt nicht selten unsicher, nur wenn Rudolf Steiner längere zusammenhängende Ausführungen machte, von denen dann vielleicht mehrere Nachschriften erhalten sind, kann der Text als verhältnismäßig authentisch angesehen werden.

Die erste Vervielfältigung der Konferenz-Nachschriften wurde im Anfang der dreißiger Jahre intern an die Lehrer der Waldorfschulen ausgegeben. Diese Hefte sind längst vergriffen. Ebenso sind die Hefte der ,,Menschenschule" vergriffen, in der in den Jahrgängen 20 bis 30 (1946 bis 1956) die Konferenzen abgedruckt waren, mitAuslassun­gen, die durch den Charakter dieser Veröffentlichung gegeben waren. In die zweite vervielfältigte Ausgabe von 1962 war es mög­lich, bisher noch nicht zugänglich gewesene Notizen mit hineinzu­arbeiten. So konnten besonders die so unbefriedigend knappen Texte zu den Konferenzen vom 8. September 1919, vom Dezember 1919 und vom März 1920 nicht unwesentlich ergänzt werden. Vor allem aber konnte die Ansprache vom 20. August 1919 hinzugefügt werden. Bis vor gar nicht langer Zeit war nur aus Emil Molts ,,Lebenserinnerungen" bekannt, daß Rudolf Steiner am Vorabend

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der großen pädagogischen Kurse vor der Begründung der Waldorf schule eine Ansprache an die Kursteilnehmer gehalten habe, aber eine Nachschrift war nicht vorhanden. Jetzt ließ sich diese Anspra­che aus mehreren Aufzeichnungen wenigstens so weit wiederher­stellen, daß dadurch doch ein Eindruck vermittelt werden kann von ihrem Inhalt, aber auch von der Stimmung, die sie in sich trug.

Auch in der vorliegenden Buchausgabe sind, wie in den früheren Vervielfältigungen, im Prinzip die Namen der Lehrer wie vor allem der Schüler unkenntlich gemacht. Obwohl oft das pädagogisch Wich­tige vom Persönlichen nicht zu trennen ist, geht es in dieser Ver­ö Ifentlichung um die Erkenntnis des Allgemeingültigen, insofern es durch den Einzelfall zur Erscheinung kommt. Nur an solchen Stel­len, wo Rudolf Steiner einen Lehrer erwähnt oder mit Freude etwas Wohlwollendes, Lobendes über einen Lehrer sagt, ist der Name ge­nannt.

Für die vorliegende erste Buchausgabe wurde der Text nochmals sorgfältig mit den Unterlagen verglichen, verbessert und ergänzt. Vor allem wurden, soweit als möglich, vermehrt Voten der Lehrer auf-genommen, wodurch der Charakter des Gespräches stärker in Er­scheinung tritt.

Wir haben im Ablauf der einzelnen Konferenzen nicht einen geform­ten inneren Aufbau vor uns wie bei Vorträgen. Nur zuweilen steht am Anfang eine Ansprache oder eine längere Ausführung Rudolf Steiners, etwa über den Lehrplan einer neu zu errichtenden Ober­klasse. Aber meistens werden die im täglichen Schulleben gerade anstehenden Fragen, ohne daß zwischen diesen ein näherer Zusam­menhang bestehen müßte, der Reihe nach durchgesprochen. Darauf folgen dann in lebendigem Gespräch die Fragen, die nun von den einzelnen Lehrern gestellt werden, wobei oft auf Dinge zurückgegrif­fen wird, die in derselben Konferenz schon erwähnt waren, so daß Rudolf Steiners Äußerungen dazu im Text zerstreut dastehen. Eine gewisse Gliederung und Ordnung nach Themen schien möglich und geraten. Deshalb ist in dieser Buchausgabe wie in einigen früheren Veröffentlichungen das, was innerhalb einer Konferenz an verschie­denen Stellen über ein und dasselbe Thema - beispielsweise über die Fremdsprachen - besprochen wurde, zusammengerückt worden.

Die Konferenzen waren eine lebendige Fortbildung der Lehrer-schaft. Sie bilden eine wichtige Ergänzung zu den grundlegenden Kursen, die Rudolf Steiner den Lehrern vor und nach der Gründung der Waldorfschule gehalten hat. Oh iie die Kenntnis dieser Kurse sind diese Ausführungen nicht verständlich. Denn die hier oft nur fragmentarisch

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festgehaltenen Einzelheiten erhalten Licht und Bedeu­tung erst, wenn sie im Zusammenhang des Ganzen betrachtet wer­den. Durch die Veröffentlichung wird etwas vom Leben und der inneren Geschichte der ersten Waldorfschule unter Rudolf Steiners Leitung sichtbar.

Mit dieser Waldorfschule wurde nicht ein ideales, fertig ausgedachtes Schulprogramm verwirklicht. Rudolf Steiner hat vielmehr bis in Ein­zelheiten vorbildlich dargelebt, wie ein Schulorganismus, wie das Schulwesen überhaupt aus den individuell gegebenen Lebensmög­lichkeiten der beteiligten Menschen, der örtlichen und zeitlichen Verhältnisse nach den Bedingungen des freien Geistesleben ent­wickelt und einmalig gestaltet werden muß.

So wird selbst durch alle Mängel der Nachschriften hindurch in die­sen Texten heute noch etwas vom sich gestaltenden Geist der ersten Waldorfschule erlebbar und vermag in der Seele des Lesers etwas in Bewegung zu bringen, was von der lebendig fortwirkenden Kraft der Waldorfschul-Pädagogik zeugt.

Erich Gabert

Hans Rudolf Niederhäuser

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EINLEITUNGEN

Hier soll zunächst manches zusammengefaßt werden, was sonst in vielen einzelnen Hinweisen so sehr zerstreut dastehen würde, daß es kein wirkliches Bild geben kann. Für das Verständnis der Konferen­zen wird aber viel darauf ankommen, daß auch der ganze Rahmen deutlich gesehen werde, alles was um die Schule herum und in ihr vorging in diesen Jahren 1919 bis 1924.

Zugleich kann damit ein kleiner Beitrag geleistet werden zu einer Aufgabe, die sehr groß vor uns steht, zu einer Geschichte, gleichsam einer Biographie der Waldorfschule in der Zeit, als Rudolf Steiner sie leitete. Es kann aber eben nur ein ,,Beitrag" sein, weil die Ausführun­gen hier einseitig auf den Text der Konferenzen hingeordnet sind und nur das erwähnen, was auch dort vorkommt oder vorausgesetzt wird.

Sieben Themen, die oft erwähnt werden

1. Rudolf Steiner;

Anthroposophische Gesellschaft; Weihnachtstagung

Auch aus dem Gesamtkomplex Anthroposophische Gesellschaft können hier nur wenige Tatsachen herausgehoben werden.

a) Während die Waldorfschule entstand und heranwuchs, wurde in Dornach in der Schweiz das erste Goetheanum gebaut, an dem auch manche der Lehrer mitgearbeitet hatten. (Vgl. ,,Der Baugedanke des Goetheanum"; Liste Nr. 101.) Erwähnt werden in den Konferenzen die Säulenarchitrave (1/245), die Pflanzenfarben, mit denen die Kuppeln ausgemalt wurden, das farbige Glas der Fenster, in das Darstellungen hineingraviert waren (1/154, 245); auch der Verein ,,Goetheanismus"' der für die Erstellung und Verwaltung des Baues geschaffen worden war (1/184).

In dem 1920 provisorisch eröffneten, aber noch nicht vollendeten Bau hielt Rudolf Steiner Hunderte von Vorträgen. Auch die Hoch­schulkurse (1/153, 2/47) fanden hier statt, ebenso die Fachkurse:

für die Theologen (2/39), die Ärzte (1/153) und für viele andere Gruppen. Den am Bau Arbeitenden hielt Rudolf Steiner seine ,,Arbeiter-Vorträge" (3/34, 77), von denen seit August 1922 Nach­schriften vorliegen (Liste Nr. 112, 113, 119, 128-134). Im Umkreis des Goetheanums, in Arlesheim, entstanden im Juni 1921 das von

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Dr. med. Ita Wegman geleitete Klinisch-Therapeutische Institut und nahebei die Weleda, in der Heilmittel und Kosmetika hergestellt wer­den. - Mehrfach bezieht sich Rudolf Steiner auf die seit 1921 am Goetheanum erscheinende und von Albert Steffen geleitete Wochen-schrift ,,Das Goetheanum" (2/93, 3/89,126. Liste Nr.139).

b) Die Anthroposophische Gesellschaft hatte zunächst noch ihren Sitz in Deutschland. Rudolf Steiner stand neben ihr als Lehrer und Berater. Er gehörte ihrem Vorstand nicht an, war selbst nicht einmal Mitglied (3/114). Im Rahmen der Gesellschaft wurden in München 1910 bis 1913 die vier Mysteriendramen (1/136, 2/36) aufgeführt. In München war auch am 28. August 1913 die erste Eurythmieauf­führung (1/288). Sie wurde, wie viele spätere, von Rudolf Steiner mit einer Ansprache eingeleitet (3/89). In den Konferenzen ist auch die Rede von der Ausbildung der Eurythmistinnen durch Frau Dr. Steiner (1/199), von dem in Stuttgart 1922 gebauten Euryth­meum (1/135, 202, 3/27), von dem Kurs für Heileurythmie 1921 (1/190, 269) und von den von Rudolf Steiner entworfenen und zum Teil selbst bemalten Eurythmiefiguren (2/294, 3/96), deren Nach­bildungen auch in der Waldorfschule aufgestellt wurden.

Vom Jahre 1919 ab wurden für die Anthroposophische Gesellschaft die Schwierigkeiten zunehmend größer, sowohl von außen wie innen. Außen meldeten sich die Gegner. In der Presse, zum Beispiel in der Arlesheimer ,,Birseck-Post" (2/58) erschienen Angriffe übel­ster Art. In Stuttgart hetzte General Gerold von Gleich (2/137) in Schrift und Vorträgen. In München kam es nach Rudolf Steiners Vortrag vom 15. Mai 1922 zu Krakeel (3/192), und es wurden tät­liche Angriffe versucht.

Im Inneren der Gesellschaft hatten junge Mitglieder manche in den Universitäten üblichen ,,Methoden" oder ,,Unmethoden" (2/226) auch in die anthroposophische Arbeit hineingetragen. Daraus ergaben sich Reibereien zwischen den jüngeren und den älteren Mitgliedern. Eigene Jugendgruppen wurden gegründet. (Vgl. Abschnitt 6, ,,Jugendbewegung".)

Rudolf Steiner brauchte scharfe Worte, zum Beispiel daß ,,die Ge­sellschaft schläft" (2/147), oder daß sie ,,zerfällt in lauter Cliquen" (2/225). Er sprach auch eindringlich tadelnd vom ,,Mangel an Ver­antwortungsgefühl" (2/180). Viele Mitglieder, auch ein Komitee von sieben Waldorflehrern (2/237-239), versuchten, dem Unheil Ein­halt zu tun.

Die Krisen wurden grell beleuchtet durch ein ,,unermeßliches Un­glück"

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(2/224), den Brand des Goetheanums in der Neujahrsnacht 1922/23. Bei der nun für März 1923 einberufenen Delegiertenver-sammlung (2/292) versuchte Rudolf Steiner, die Gesellschaft zu reorganisieren. Ein neuer Vorstand wurde eingesetzt. Aber weil sich keine Hoffnung mehr zeigte für ein gutes Zusammenarbeiten der Älteren und der Jüngeren, schlug Rudolf Steiner vor, daß neben der bisherigen Gesellschaft noch eine zweite, die ,,Freie" Anthroposo­phische Gesellschaft gebildet werden solle mit eigenem Vorstand, genannt Komitee (3/17, 20). Doch alle diese Änderungen konnten der Schwierigkeiten nicht mehr Herr werden.

c) Da berief Rudolf Steiner die Mitglieder zu einer Tagung an das Goetheanum in der Weihnachtszeit 1923/24, um eine ,,vollständige Neugestaltung" (3/110) der Gesellschaft vorzunehmen. Auf dieser ,,Weihnachtstagung" wurde die ,,Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft" gegründet (Zeittafel). Ihr Sitz sollte am Goetheanum sein. Das Amt des Vorsitzenden übernahm Rudolf Steiner selbst. Die anderen Vorstandsmitglieder waren Albert Steffen, Marie Steiner, Ita Wegman, Elisabeth Vreede, Günther Wachsmuth. (Vgl. ,,Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposo­phischen Gesellschaft". Liste Nr.118.)

Viele Lehrer hatten die Weihnachtstagung mitgemacht, aber kaum jemand hatte die grundlegenden Vorträge hören können, die Rudolf Steiner am 18. und 30. Januar 1924 hielt, ehe er die Erste Klasse der Hochschule ins Leben rief. Deshalb besprach er die Fragen nach der Hochschule und besonders die nach deren Verhältnis zu den ,,Sek­tionen ,,,, , insbesondere auch der pädagogischen, soweit es die Schule anging, eingehend in der Konferenz vom 5. Februar 1924 (vgl. ,,Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft - Der Wieder­aufbau des Goetheanum". Liste Nr.50).

Die Vorstandsmitglieder und die Leiter der Sektionen werden in den Konferenzen mehrfach erwähnt. Ebenso die Tatsache, daß jetzt für die Mitglieder dem ,,Goetheanum" ein Nachrichten- oder Mittei­lungsblatt' auch ,,Mitteilungen" genannt, beigelegt werden soll mit dem Titel ,,Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht" (3/120, 122,138). Auch von Rundbriefen der Sektionen für deren Mitglieder wird gesprochen (3/118,121).

Über die Kurse, die Rudolf Steiner im Jahre 1924 hielt, soweit sie nicht in der Zeittafel enthalten sind, wird in den ,,Hinweisen" das Nötige vermerkt.

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2. Dreigliederung des sozialen Organismus

Gleich nachdem Anfang November 1918 in Deutschland der Zusam­menbruch und die Revolution erfolgt waren, begann Rudolf Steiner die Gedanken der sozialen Dreigliederung ausgiebig vor den Mitglie­dern der Anthroposophischen Gesellschaft und vom Februar 1919 ab auch vor der Schweizer Öffentlichkeit zu entwickeln.

In noch viel stärkerem Maße geschah das von Ende April ab in Deutschland. Schon im Februar hatte Rudolf Steiner seinen ,,Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt" geschrieben. Er war im März als Flugblatt und in vielen Zeitungen erschienen und wurde in kurzer Zeit von einer großen Anzahl Persönlichkeiten des öffent­lichen Lebens in Deutschland, Österreich und der Schweiz unter­zeichnet. Im April erschien dann sein Buch ,,Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft" (Liste Nr.47).

Am 22. April hielt Rudolf Steiner seinen ersten Stuttgarter Drei­gliederungsvortrag in einer öffentlichen Versammlung der Unter­zeichner des ,,Aufrufs". Nach dem Vortrag wurde der ,,Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus" gegründet (1/252). Dieser Bund war nicht eine Unterabteilung der Anthroposophischen Gesell­schaft, sondern er griff weit über deren Mitgliedschaft hinaus; in seinem Komitee saß zum Beispiel der Tübinger Staatsrechtslehrer Professor Dr. W. v. Blume. Parallel arbeitende Organisationen bilde­ten sich in der Schweiz und in Österreich. Auf diesen Bund wurden große Hoffnungen gesetzt, auch von Rudolf Steiner. ,,Von seiner Regsamkeit hängt alles ab" (1/253).

Der Bund hatte allein in Deutschland 56 Ortsgruppen. Von seiner Stuttgarter Zentralstelle aus wurde durch viele Redner eine aus­gebreitete Vortragstätigkeit für den Gedanken der sozialen Drei-gliederung veranstaltet. Vor allem hielt Rudolf Steiner selbst in vie­len Orten Süddeutschlands' besonders natürlich in Stuttgart, bis Ende Juli 1919 vor manchmal über tausend Zuhörern mehr als vier­zig öffentliche Vorträge über diese Fragen; davon sind vierzehn erhalten geblieben (,,Neugestaltung des sozialen Organismus"; Liste Nr. 84). In Stuttgart wurden vom 21. April bis 3. August für die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft über denselben Themenkreis mehr als siebzehn Vorträge gehalten (Liste Nr.83; ,,Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen" und ,,Volkspädagogische Vorträge").

Um die Dreigliederung in weiteren Kreisen bekannt zu machen und

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um den sozialen Willen anzufeuern, wurden zwei Zeitschriften be­gründet. Vom 8. Juli 1919 ab erschien die Wochenschrift ,,Dreiglie­derung des sozialen Organismus"; und später, vom April 1921 ab die Monatsschrift ,,Die Drei" (Liste Nrn. 136 und 138).

Zur Vorbereitung einer weiteren Organisation, die im besonderen für das Gebiet des Geisteslebens wirken wollte, wurde ein ,,Aufruf zur Begründung eines Kulturrates" (1/85, 164) verfaßt; er ist abgedruckt im Buche von Emil Leinhas ,,Aus der Arbeit mit Rudolf Steiner", Basel 1950, S. 211-217. Begründet wurde der Kulturrat im Juni 1919 (1/85,95).

Ebenfalls auf dem Gebiet des Geisteslebens suchte der hauptsächlich von Studenten begründete ,,Bund für anthroposophische Hochschul­arbeit" zu wirken, der sich im Herbst 1920 mit einem ,,Aufruf an die akademische Jugend" (1/254) an die Kommilitonen aller Hoch­schulen wandte. Der Aufruf ist abgedruckt in ,,Die Erkenntnisauf­gabe der Jugend", Dornach 1957, S.134-137 (Liste Nr.87). Die­sem Bunde und seinen Bitten an Rudolf Steiner ist es wohl mit zu verdanken, wenn von 1920 bis 1922 eine Anzahl von bedeutsamen ,,Hochschul"-Veranstaltungen zustande kamen, auf die auch in den Konferenzen Bezug genommen wird:

Erster Anthroposophischer Hochschulkurs in Dornach, 26. Septem­ber bis 16. Oktober 1920 (1/153, 2/47, Liste Nr.95).

Zweiter Anthroposophischer Hochschulkurs in Dornach (Oster­kurs), 3. 10. April 1921 (Liste Nr.100).

Freie Anthroposophische Hochsehulkurse (Ferienkurs) in Stuttgart, 16-23. März1921 (Liste Nr.99).

,,Anthroposophie und Wissenschaft", Hochschulveranstaltung in Darmstadt, 25.-30. Juli 1921 (Liste Nr.102).

Sommerkurs (Summer Art Course) in Dornach, 21.-28. August 1921 (Liste Nr.103).

Anthroposophischer Hochschulkurs in Berlin, 5.-12. März 1922 (2/65, 69, 70, 76-79. Liste Nr.107).

Anthroposophisch-wissenschaftlicher Kurs für Akademiker in Den Haag (Holland), 7.-12. April 1922(2/89. Liste Nr. 108).

Hierher gehören auch die ,,Kongresse", die von der Anthroposo­phischen Gesellschaft veranstaltet wurden:

Allgemeiner öffentlicher Kongreß ,,Kulturausblicke der anthropo­sophischen Bewegung" in Stuttgart, 28. August bis 7. September 1921(2/44,78. Liste Nr. 104).

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,,West - Ost. Zweiter internationaler Kongreß der anthroposo­phischen Bewegung" in Wien, 1.-12. Juni 1922 (2/117. Liste Nr. 110).

Ebenso sind hier zu erwähnen die Stuttgarter Hochschulkurse, bei denen durch viele Semester hindurch vor allem die Waldorflehrer vortrugen, nicht aber Rudolf Steiner selbst (1/233, 234 und Sach­wortverzeichnis).

Aber damit, daß so die Dreigliederung und die Anthroposophie weit­hin bekannt wurden, trat auch deren intellektuelle, politische und wirtschaftliche Gegnerschaft stärker und stärker hervor.

Schon im Hochsommer 1919 erkannte Rudolf Steiner, daß vor allem auch wegen solcher gegnerischen Strömungen die Zeit für ein schnel­les Durchdringen der Dreigliederungsgedanken in der breiten Öffent­lichkeit bereits vorübergegangen war. Es war ,,zu spät" geworden (2/254). Am 31. August 1919 hielt er seinen letzten Dreigliede­rungsvortrag in der Öffentlichkeit.

Gewiß lief die Bewegung noch weiter, aber die erste Begeisterung und Stoßkraft ließ nach. Rudolf Steiner sprach es schonungslos aus. ,,Der gut gemeinte Aufruf zum Kulturrat . . . war vollständig ins Wasser gefallen" (1/164); der Kulturrat war ,,nach einigen Wochen sanft entschlafen" (3/39). Und am 22. November 1920 hieß es: Die Wochenschrift ,,Dreigliederung des sozialen Organismus", aus der man ,,möglichst schnell eine Tageszeitung" hatte machen wollen, hat ,,in den letzten fünf Monaten nicht an Leserzahl zugenom­men . . ., auch nicht an Mitarbeiterzahl" (1/253). Der Bund für Drei-gliederung war ,,in eine Art von Theoretisieren verfallen" (2/251). Rudolf Steiner sah, daß es nur einen einzigen Weg zum Weiterkom­men gab. Er regte an, den ,,alten Dreigliederungsbund" umzuwan­deln in einen ,,Bund für freies Geistesleben" (2/255). Zur selben Zeit, Sommer 1922, wurde die Dreigliederungszeitung umbenannt in ,,Anthroposophie. Wochen schrift für freies Geistesleben". Rudolf Steiner hatte schon am 26. März 1922 im Dornacher ,,Goetheanum" während der Konferenz von Genua seinen letzten Dreigliederungs-artikel erscheinen lassen (Liste Nr. 58). Die Zeit der nach außen gerichteten Dreigliederungsbewegung war zu Ende gegangen. Daß diese Gedanken aber im Inneren als zukunfthaltige Keime kräftig weiter wirkten, darauf wies Rudolf Steiner 1924 nach der Weih­nachtstagung eindringlich hin (3/118).

Es ist nun nötig, den Blick noch einmal in die Anfangszeit zurück-zuwenden, auf eine Unternehmung, die für die wirtschaftliche

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Grundlage der Waldorfsehule eine große Bedeutung hatte. Schon im Herbst 1919 wurde der Plan erwogen, und im März 1920 erfolgte dann die notarielle Gründung von ,,Der Kommende Tag. Aktien­gesellschaft zur Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte" (1/182, 253, 256). Rudolf Steiner übernahm selbst den Vorsitz im Aufsichtsrat. Das Unternehmen sollte als ein Beispiel assoziativer Zusammenarbeit wirtschaftliche Betriebe verschiedenster Art (Landwirtschaft, Industrie, Bankwesen usw.) umfassen, um aus deren Erträgen geistige Arbeit, besonders wissenschaftliche For­schung zu finanzieren.

Dem Kommenden Tag gehörten außer kleineren an: die Werkzeug­Maschinenfabrik Carl Unger (1/254), die Kartonagenfabrik Jose del Monte (1/254), später auch die von Emil Molt geleitete Waldorf­Ast oria-Zigarettenfabrik; ferner eine Offsetdruckerei mit Großbuch­binderei und ein Verlag (1/230), in dem die 3. Auflage der ,,Kern­punkte" (40.-80. Tausend) erschien, wie auch Werke von Solow­jow, die Moltke-Erinnerungen, zahlreiche Schriften der Goethea­nisten und anderes.

Die geistigen Unternehmungen waren vor allem das von Dr. Rudolf Maier und Alexander Strakosch geleitete Forschungsinstitut für bio­logische (3/119) und physikalische Untersuchungen (1/126, 257, 3/119), das Laboratorium für die Herstellung neuer Heilmittel und das Klinisch-Therapeutische Institut auf der Gänsheide in Stuttgart (2/119, 192, 289, 3/116-119). Für die Waldorfschule kaufte der Kommende Tag weitere Grundstücke hinzu, baute Schulbaracken, ein Lehrerhaus, auch 1921 das neue Haupthaus und verpachtete das alles an den Waldorfschulverein (1/256, vgl. nächsten Abschnitt).

Wegen schärfster Gegnerschaft aus Wirtschaftskreisen' wegen finan­zieller Schwierigkeiten durch Inflation und Währungsreform, aber auch, weil trotz bester Bemühungen die Kräfte der daran Beteiligten nicht ausreichten, war auch dem Kommenden Tag kein Erfolg be­schieden. Ebenso nicht dem für dieselben Ziele in der Schweiz begründeten ,,Futurum" (1 /184).

Rudolf Steiner trat 1923 vom Vorsitz im Aufsichtsrat zurück. Bei beiden Unternehmungen wurde von da ab schrittweise die Liquida­tion eingeleitet. Die Fabriken wurden wieder selbständig. Die klei­neren Wirtschaftsbetriebe lösten sich heraus oder wurden aufgege­ben. Der Verlag wurde in den Philosophisch-Anthroposophischen Verlag in Dornach übernommen. Das Klinisch-Therapeutische Insti­tut in Stuttgart blieb als Privatklinik bestehen unter der Leitung von Dr. Otto Palmer. Von den Forschungsinstituten blieben das von

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Frau Lilly Kolisko geleitete biologische Institut in Stuttgart und die Heilmittelbetriebe in Stuttgart und Schwäbisch Gmünd erhalten; letztere wurden an die ,,Internationalen Laboratorien" in Arles­heim, später ,,Weleda", verkauft. Alles übrige wurde nach Dornach verlegt oder aufgelöst.

Die Waldorfschule konnte durch besondere Fürsorge Rudolf Stei­ners und durch großzügige Verzichte vieler anthroposophischer Aktionäre vor diesen Schwierigkeiten verhältnismäßig gut bewahrt bleiben.

3. Emil Molt; Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik;

Waldorfschulverein; Weltschulverein

In Emil Molt lebten gleichsam zwei verschiedene Naturen, die lange getrennt nebeneinander hergingen. Er hatte sich aus Armut und Ein­samkeit heraufgearbeitet, hatte seine eigene Firma gegründet, die WaldorüAstoria-Zigaret tenfabrik , und war jetzt deren General­direktor. Mit großer Kraft des Willens stand er wach in der handgreif­lichen Welt des Wirtschaftslebens darinnen. Aber in der Tiefe seiner Seele und in seinen reichen Gemütskräften war er ein treuer und nie erlahmender Sucher nach den tieferen und wahren, nach den geisti­gen Gründen des Lebens.

Schon 1903 hatte er Rudolf Steiner gehört, und ganz besonders imponierten ihm die Konzentrationsübungen. ,,Das kann man in der Praxis brauchen." Er wurde Schüler von Dr. Carl Unger und stu­dierte, was damals von Schriften Rudolf Steiners schon vorhanden war. So lebte in ihm, ohne daß es ihm recht bewußt wurde, auch der Stuttgarter Vortrag vom 8. Dezember 1906, der vor gerade zwölf Jahren gehalten worden war: ,,Erziehungsfragen vom Gesichts­punkte der Geisteswissenschaft" (Liste Nr.1). Jetzt hörte er, als er eben geschäftlich in der Schweiz war, Rudolf Steiners Dornacher Vorträge vom 9. und 10. November 1918, die ersten nach der Revo­lution. Was da gesagt wurde über die tieferen Ursachen des Zeit-geschehens und der sozialen Not, aber auch über die Dreigliederung des sozialen Organismus, das traf in Molt auf ein starkes natürliches Sozialgefühl und bewegte ihn tief.

Die praktisch tätige, rein ,,hiesige", und die durch Anthroposophie belebte geistige Seite seines Wesens wollten sich einigen und durch­dringen. Aber es war noch ein weiter Weg bis dahin.

Emil Molt wurde in seiner Firma durch die krassen Wirkungen des Kriegsendes und Zusammenbruches erneut vor die sozialen Fragen

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estellt. Er suchte in seiner väterlich fürsorgenden Art durch viel-fache humanitäre Einrichtungen zu helfen, vor allem auch nach der menschlich-geistigen Seite hin. Er ließ die ,,Waldorf-Nachrichten" herausgeben (1/80). Er richtete Arbeiterbildungskurse ein (1/110, 127), für deren Leitung er Herbert Hahn als ,,Kultusminister" der Firma berief. Und als die Arbeiter sich als ,,zu alt" vorkamen für solche geistige Arbeit, blickte er auf die kommende Generation. Er plante eine Schule für die Kinder ,,seiner" Arbeiter und wollte damit zugleich für gute Nachwuchskräfte sorgen.

Für dieses Projekt gewann er auch das Vertrauen der Arbeiter in seinem Betriebsrat, die dafür einen Fonds von 100 000 damals noch guten Reichsmark zur Verfügung stellten. Der Aufsichtsrat, die Aktienbesitzer, erfuhren es erst hinterher. Ihnen war die Schulsache eigentlich ,,ein Greuel" (1/210).

Molt ging schnell geradeaus weiter. Er erbat sich Rudolf Steiners zunächst nur bedingungsweise' dann unbedingt gegebene Zusage, die Leitung der Schule übernehmen zu wollen. Er kaufte das bisherige Restaurant ,,Uhlandshöhe" mit dem Gelände. Die Kosten dafür und für den Umbau des Hauses, das er der Schule mietfrei zur Verfügung stellte, übernahm er auf sein Privatvermögen.

Molt war anwesend bei der ersten Verhandlung Rudolf Steiners mit dem Kultusminister Heymann, bei der unter erträglichen Kompro­missen (1/61) die vorläufige Genehmigung der Schule erreicht wurde. Und er war auch bei Besprechungen mit Hahn und Stockmeyer' in denen Rudolf Steiner das Bild der neuen Schule, wenn auch erst in Umrissen, zeichnete. Weil immer noch in erster Linie an die Kinder von Werkangehörigen gedacht wurde und an nur wenige Kinder von Anthroposophen, waren zunächst Doppelklassen vorgesehen, 1. und 2. Klasse zusammen und so weiter. Jedenfalls dachte niemand an mehr als acht Klassen, die sogenannten Volksschulklassen. Für sie wurden die künftigen Lehrer gefunden und eingeladen.

Die Feier zur Eröffnung der Schule am 7. September 1919 war der Höhepunkt in Molts Leben. Als dann am 16. September der Unter­richt endgültig anfing, hielt Molt, weil Rudolf Steiner nicht anwe­send sein konnte, die Ansprache (1/69).

Wirtschaftlich und rechtlich gesehen war die Schule ein Teil der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik, von der sie ja auch ihren Namen hatte. Molt stellte die Lehrer an, und ihr Gehalt wurde von der Firma ausgezahlt. Schulgeld wie Lehrmittel waren für alle Kinder von Werkangehörigen frei. Als ,,Waldorfkind" galt aber schon, wer auch nur ,,einen näheren Verwandten in der Firma" hatte.

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Die patriarchalische, oft eigenwillige Art, in der Emil Molt seine Fabrik leitete, rief jedoch eine doppelte Schwierigkeit hervor. Die Lehrer mußten mehr und mehr ihr Verhältnis zu Molt als ihrer Unterrichtsarbeit und -verantwortlichkeit unangemessen, ja unwür­dig empfinden. Auf der anderen Seite traten wirtschaftliche und rechtliche Fragen auf.

Entgegen Molts ursprünglicher Absicht kamen immer mehr Kinder in die Schule hinein, die keinerlei Zusammenhang mit der Waldorf­Astoria hatten. Das Zahlenverhältnis war bei Schulbeginn das fol­gende: 191 Kinder von der Waldorf-Astoria, 65 sonstige, zusammen 256. Bei Beginn des zweiten Schuljahres stand das Verhältnis schon

1 : 1, und in jedem kommenden Jahr wurde die Übermacht der nicht aus der Waldorf-Astoria stammenden Kinder größer.

Die Fabrik hatte keinerlei Ursache, für die werkfremden Kinder die Schulkosten zu übernehmen. Für diese mußte eben - nach Selbst-einschätzung der Eltern - Schulgeld entrichtet werden. Aber wer sollte und wollte es einnehmen und verwalten? Sache der Fabrik war das sicherlich nicht. Deshalb mußte im Mai 1920 ein eigener Rechtsträger geschaffen werden, ein ,,Verein Freie Waldorfschule"' wie er zuerst amtlich hieß. Im Alltag nannte man ihn damals wie heute ,,Waldorfschulverein".

,,Die Waldorf-Astoria hat nichts verbrochen" (1/186), daß der Verein begründet werden mußte. Sie war ,,nicht einmal so ehrgeizig, als Trägerin der Schule zu gelten" (1/187). Die Firma, das heißt der Aufsichtsrat, die Geldgeber' die mit der Zeit wieder das Heft in die Hand bekommen hatten, tolerierten die Schule, weil sie eine ,,per-sönliche Herzenssache" (1/210) ihres geschätzten Generaldirektors war. ,,Die haben sich einverstanden erklärt, wie man sich als Vater einem Sohn gegenüber einverstanden erklärt, der zuviel ausgibt"

(1/213).

Die Firma trug auch weiterhin die Schulkosten für die Waldorfitin­der, und Emil Molt wollte von seiner Stellung aus sorgen, daß soweit möglich auch sonst noch Stiftungsgelder gegeben würden (1/189). Er wollte versuchen, auch weiterhin Geld ,,abzuknüpfen" (1/211, 213). Aber damit war für die Firma die Grenze erreicht. Mit der Gründung des Vereins war für sie die Sache geregelt.

Die Form des Vereins hat wohl im einzelnen gewechselt, im ganzen blieb sie. Zuerst war die Gefahr vorhanden, weil der Gegnerschaft alle Mittel recht waren, daß der Verein als der Besitzer von Schule, Gebäude und Gelände ,,überfremdet" werden könnte, wenn esjeder­mann freistünde, Mitglied zu werden. Deshalb waren nur die sieben

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Gründer ordentliche, stimmberechtigte Mitglieder. Rudolf Steiner nannte sie einmal ,,die sieben weisen Männer, die über die Schule beraten" (3/120). Damit die Waldorf-Astoria ,,geldgeberischer" würde (1/183), ernannte man den Vorsitzenden ihres Aufsichtsrates zum Ehrenvorsitzenden im Waldorfschulverein. Größere Bedeutung hatte das kaum. Neben Rudolf Steiner als eigentlichem ersten Vor­sitzenden waren im Vorstand noch Molt, Stockmeyer' Leinhas. ,,Nur" Mitglieder waren Hahn und Benkendörffer. Später hatten auch ein ständiger Vertreter des Kollegiums und das jeweils ge­schäftsführende Mitglied des Verwaltungsrates Sitz und Stimme im Vorstand (2/254).

Außerdem gehörten zum Verein als außerordentliche Mitglieder die Lehrer, sonstige Mitarbeiter der Schule und die Eltern. Auch die Schulpaten zählten dazu, die für unbemittelte Eltern das Schulgeld übernahmen (1/188). Schließlich gab es noch einfach nur ,,beitra­gende" Mitglieder. Rudolf Steiner hoffte auf ,,Tausende von Mitglie­dern" (1/131,132), damit ,,der Verein Millionen bringt" (1/145).

Die außerordentlichen und die beitragenden Mitglieder fühlten sich aber zurückgesetzt. Deshalb wurden nach wenigen Jahren auch Leh­rer, Eltern und Paten ,,ordentliche" Mitglieder; einige Jahre nach dem Tode Rudolf Steiners dann auch die nur ,,beitragenden".

Rudolf Steiner mußte anfangs oft drängen auf eine straffe und über­sichtliche Kassenführung, wenn er nachfragte' wieviel Geld jetzt eben ,,in der Kasse sei" (1/189), oder ,,was die reale Bilanz sei" (1/212, 213).

Die Generalversammlungen des Waldorfschulvereins wurden von den Mitgliedern gut besucht, weil sie darauf rechnen konnten, dabei nicht nur Kassen- und Revisionsberichte zu hören, sondern auch Vorträge Rudolf Steiners. (,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule. Ansprachen . . .,,S. 80, 131, 151, 178; Liste Nr.8.)

Aber auch nachdem der Waldorfschulverein schon gegründet war, schwelte es noch innerhalb des Kollegiums weiter. Die Aversionen kamen in mehreren Konferenzen vor und nach den Sommerferien 1920 heraus. Die Lehrer meinten, es handle sich in erster Linie um die wirtschaftliche Grundlage der Schule (1/182). Es ging aber in Wahrheit um die Unabhängigkeit der Schule von der Waldorf-Astoria (1/205), und damit auch von Emil Molt selbst, der sichja weitgehend mit ihr identifizierte. Erst nach langwierigen Aussprachen gelang es Rudolf Steiners geduldiger und sicherer Führung, all diese Span­nungen in einer überraschend, ja verblüffend einfachen Weise aufzu­lösen.

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Er zeigte, wie sich auf der einen Seite durch die Gründung des Ver­eins die Schule radikal von der Fabrik getrennt habe. Auf der ande­ren Seite aber bekomme erst jetzt die enge Verbindung Emil Molts zur Schule ihre richtige Form. Molt habe nicht als Generaldirektor der Firma, sondern als Privatmann die Schule gegründet durch seine großen persönlichen Stiftungen, die jetzt erst in der Konferenz bekannt wurden (1/187). Rudolf Steiner deckte auch die tieferen Gründe des Ringens auf. ,,Es handelt sich darum, daß das Kollegium jederzeit bereit sein wird, . . . ganz emit Herrn Molt zu gehen, daß es aber nichts mit der Waldorf-Astoria zu tun haben will" (1/209). Deshalb sei Molt mit Fug und Recht Mitglied des Kollegiums, aber ,,ganz und gar nicht als Finanzier" (1/210), sondern ,,als Protektor" der Schule (1/206), so wie es Frau Bertha Molt sei ,,als Schulmutter" (1/199).

Emil Molt hat sich in dies Bild der Tatsachen zunächst nur langsam, ja fast widerwillig hineingefunden. Gar zu sehr hatte er sich immer als eine Einheit mit seiner Firma empfunden. Aber immer freudiger ergriff er in tiefer Bescheidenheit die Aufgabe des selbstlosen Hel­fers' großzügig und unermüdlich, bis an die Grenzen seiner finanziel­len Möglichkeit und seiner körperlichen Kräfte. Als er in den dreißi­ger Jahren mit großem Schmerz die Firma in andere Hände über­gehen lassen mußte, setzte er doch noch in den Kaufvertrag den Passus hinein, daß noch zehn Jahre lang derselbe Betrag wie bisher an die Schule bezahlt werden müsse als Schulgeld für die ,,Waldorfkin-der".

Wie exakt die Form des Waldorfschulvereins den Schulbedürfnissen angepaßt war, zeigt sich darin, daß noch heute (1966) wohl jede der über siebzig Waldorfschulen der Welt ihren ,,Waldorfschulverein" hat, wie er auch im einzelnen Falle benannt sein mag.

Aber mit einem Waldorfschulverein war dennoch in keiner Weise erreicht, was Rudolf Steiner vorgeschwebt hatte. Ein solcher Schul­verein wird überwiegend doch nur für seine eigene Schule sorgen. Das ist sein Hauptzweck. Aber für Rudolf Steiner war das, jedenfalls in jener Dreigliederungszeit' stets nur ein kleiner Teil in dem großen Plan, eine weitausgreifende, internationale Bewegung zu entfachen zur Erneuerung des ganzen Schulwesens. Die Grundlage einer sol­chen Bewegung sollte ein Weltschulverein sein, der die nötigen Geld-summen herbeischaffen müßte. ,,Es ist sehr leicht möglich, daß wir vielleicht, wenn wir einen Weltschulverein gründen, überhaupt für solche Schulen, international, daß wir Geld kriegen" (1/177). Dabei war durchaus nicht nur an Schulen für Kinder gedacht, sondern

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ebensogut an Hochschulen. ,,Es müßte auch die Freie Hochschule in Dornach aus diesen Geldern gespeist werden . . . Wir streben an eine zentrale Finanzierung, . . . eine Zentralkasse" (1/184). Dafür hätte die Stuttgarter Schule das weithin leuchtende Fanal sein können, als, wie es in der Abendansprache des 20. August 1919 geheißen hatte, ,,ein praktischer Beweis für die Durchschlagskraft der anthroposo­phischen Weltorientierung" (1/61).

Aber das wurde in Stuttgart nicht verstanden. Das erste Jahr der Waldorfschule hatte den Beweis für die neue Pädagogik erbracht. Jetzt, als zum zweiten Schuljahr viele Kinder neu angemeldet wur­den, die nichts mit der Waldorf-Astoria zu tun hatten, wäre der richtige Augenblick gewesen, um auch für das Finanzielle das Be­wußtsein wach zu machen. Man hätte sagen müssen, ,,wir können nur weiterarbeiten, wenn von seiten der Allgemeinheit die nötigen Mittel der Sache zufließen" (1/182). ,,Wir müßten die neuangemel­deten Kinder abweisen, wenn wir nicht Mittel bekommen" (1/183). ,,Da müssen wir einen Weltschulverein gründen, der im Programm nicht die Unterstützung der Stuttgarter Waldorfschule hat, sondern die Gründung von Schulen nach diesen Prinzipien" (1/184).

Das hätte bei der Gelegenheit eines öffentlichen Vortrages von Rudolf Steiner am 29. Juli 1920 (Liste Nr.94) ausgesprochen wer­den müssen. Aber an jenem Abend wurde zwar für die Stuttgarter Schule eine gewisse Hilfe erreicht, aber das unendlich viel wichtigere Ziel, eine Weltbewegung und einen Schulverein zu begründen, wurde gar nicht erwähnt. Der fruchtbare Moment wurde versäumt. ,,Durch das, was gestern geschah, ist der Plan des Weltschulvereins durch­kreuzt worden" (1/202). ,,Dieser Agitationsstoff ist uns jetzt ent­zogen. Nun müssen wir den Weitschulverein anders anfangen"

(1/229).

Daß der Weltschulverein jetzt nicht mehr von Stuttgart aus begrün­det werden könne, sprach Rudolf Steiner in aller Schärfe aus. ,,Es ist doch besser, wenn nicht die Bettler und Landstreicher den Verein gegen Verarmung gründen, sondern die, die etwas in der Tasche haben" (1/233).

Deshalb machte Rudolf Steiner noch einen Versuch in Dornach am

12. und 16. Oktober 1920 bei Gelegenheit des ersten Hochschul­kurses (Liste Nr.95) und wiederum einen in Holland bei mehreren öffentlichen Vorträgen im Februar und März1921 (Zeittafel). Aber auch diese beiden Male wurde der Gedanke nicht aufgegriffen. Später schwieg Rudolf Steiner darüber.

Mehrere Jahre nach seinem Tode setzten holländische Freunde viele

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Kräfte daran, doch noch einen Weitschulverein ins Leben zu rufen. Aber es führte zu keinem Erfolg. Es blieb bei der einen Waldorf­schule in Stuttgart und bei einigen wenigen Nachfolgeschulen. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurde deren Zahl größer.

4. Staatliche Schulbehörden

In derselben Zeit, in der die Dreigliederungsbewegung mit ihrer For­derung nach völliger Loslösung alles Schulwesens vom Staate in voll­stem Gange war, im Sommer 1919, wurde als ein Beispiel einer staatsfreien Schule die Entstehung der Waldorfschule vorbereitet. Aber die staatlichen Schulgesetze waren ja noch keineswegs außer Kraft gesetzt, die staatlichen Schulbehörden bestanden noch, und so mußte die Genehmigung der neuen Schule in Verhandlung mit ihnen erreicht werden.

Der Zeitpunkt für diese Verhandlungen war so günstig wie niemals vorher oder nachher. Der alte Obrigkeitsstaat mit seiner festgefügten Beamtenhierarchie war durch den Umsturz vom November 1918 von Grund auf erschüttert. An die Stelle der alten, konservativ den­kenden Minister, waren die durch die Revolution heraufgekomme­nen getreten, die für neue Ideen und Initiativen sehr viel zugänglicher waren. Der Kultusminister Heymann war Sozialdemokrat. Auf der anderen Seite war die Zeit vom November 1918 bis zum Sommer 1919 viel zu kurz, als daß schon alle Schulgesetze hätten im sozia­listischen Sinne umgeformt sein können. Die neue Reichsverfassung, die auch Bestimmungen über die Schulen enthalten sollte, war noch nicht in Kraft. So galt in Württemberg noch wie bisher ein Schul­gesetz vom Jahre 1836. Es war wohl 1909 in manchen Punkten geändert worden, aber gerade die Artikel, die sich auf Privatschulen bezogen, waren tatsächlich noch die von 1836. Und diese Artikel waren so weitmaschig wie in keinem anderen deutschen Lande.

Rudolf Steiner hat den Kultusminister niemals in Zweifel gelassen, daß er grundsätzlich keineswegs gewillt war, von seiner Forderung nach einem vom Staate losgelösten Schulwesen auch nur einen Schritt zurückzugehen. Er hat dem auch deutlich Ausdruck gegeben durch den Namen Freie Waldorfschule. Aber mit den tatsächlich bestehenden Rechtsverhältnissen war nicht anders als durch Kom­promisse zurechtzukommen (1/61). Sie mußten nur als solche unmißverständlich ausgesprochen werden. Und das geschah.

Dieser Kompromisse waren es vor allem drei:

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a) Im Artikel 26 jenes Gesetzes von 1836 hieß es: ,,Privatanstalten können, wenn die Benützung derselben von dem Besuche der öffent­lichen Volksschule befreien soll, mit Genehmigung des Oberschul­rates errichtet werden." Eine solche, wenn auch wie üblich nurvor­läufige Genehmigung wurde damals bald gegeben; die endgültige erfolgte nach einer ersten Inspektion (1/273) erst am 8. März 1920. Aber weil durch die Genehmigung die Waldorfschule der staatlichen Schulaufsicht unterstand, mußten an ihr auch später die üblichen Revisionen durch den Schulrat abgehalten werden.

b) Im weiteren Text jenes Gesetzesartikels heißt es: ,,. . . es dürfen dabei nür Lehrer, welche diese Behörde nach Kenntnissen und Sitt­lichkeit für befähigt erkennt, angestellt werden." Es wurde von den künftigen Waldorfl ehrern nicht die Ablegung einer staatlichen Leh­rerprüfung verlangt, und tatsächlich besaßen von den zwölf Lehrern, die zu Beginn der ersten Konferenz vom 8. September 1919 genannt werden (1/65), nur drei bis vier ein solches Zeugnis. Diese Lehrer mußten alle einen ausführlichen Lebenslauf einreichen und sich im Ministerium persönlich vorstellen (1/64), aber sie wurden sämtlich ohne weiteres ,,für befähigt erkannt". Solche, gewiß noch nicht absolute, aber doch sehr weitgehende Freiheit der Lehrerwahl wäre damals anderswo nicht möglich gewesen. Rudolf Steiner sprach öfter von einer ,,Lücke im württembergischen Schulgesetz" (3/49). Aber der Griff des Staates wurde wieder fester, und die Lücke wurde durch Verordnungen geschlossen, so daß dann, von wenigen Ausnah­men abgesehen, von allen Lehrern der Waldorfschule staatliche Prüfungszeugnisse gefordert wurden.

c) Über den Lehrplan einer privaten Volksschule enthielt das Ge­setz von 1836 keine Bestimmungen. Es war aber zweifellos voraus­gesetzt, daß es der auch an den öffentlichen Volksschulen gebräuch­liche sein sollte.

Das kam natürlich für die Waldorfschule nicht in Frage (1/62). Der Lehrplan mußte frei sein, das heißt, nur von den inneren Bedürfnis-sen der heranwachsenden Kinder abgelesen. Andererseits aber meinte Rudolf Steiner, doch Rücksicht nehmen zu sollen auf Kin­der, die, weil etwa die Eltern an einen anderen Ort verzogen, auf eine öffentliche Schule übergehen mußten. Er arbeitete deshalb einen Kompromißvorschlag aus, der dann von der Behörde auch angenom­men wurde. Danach sollten die Schüler der Waldorfschule jeweils am Ende des 3., 6. und 8. Schuljahres das Lehrziel der öffentlichen Schule erreicht haben. Weil alle Akten der Waldorfschule beschlagnahmt

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wurden, als sie Ostern 1938 verboten wurde, sind dort keine Kopien der damaligen Eingaben an die Schulbehörde mehr vorhan­den. Von dem oben erwähnten Vorschlag aber hat sich in Rudolf Steiners Handschrift ein Entwurf erhalten, dessen Text hier folgt.

,,Das Lehrercollegium der Waldorfschule möchte den Unterricht methodisch in der Art gestalten, daß ihm für die Gliederung des Lehrstoffes innerhalb der drei ersten Schuljahre völlig freie Hand bleibt; dagegen wird es bestrebt sein, mit dem Abschluß des dritten Schuljahres die Kinder einem Lehrziele zuzuführen, das ganz über­einstimmt mit demjenigen der 3. Klasse der öffentlichen Volks­schule. Diese Absicht soll so durchgeführt werden, daß ein aus der dritten Klasse der Waldorfschule etwa abgehendes Kind in die vierte Klasse einer anderen Volksschule ohne Störung übertreten kann. Im vierten, fünften und sechsten Schuljahr soll wieder die Gliederung des Unterrichtes frei vorgenommen werden können. Mit dem voll­endeten sechsten Schuljahre sollen die Kinder bei dem Lehrziele der sechsten Volksschulklasse und zugleich bei dem einer höheren Schule angekommen sein, das klassengemäß dem vollendeten zwölften Lebensjahre entspricht. Dasselbe soll gelten für Gliede­rung des Lehrstoffes und Erreichung des Lehrzieles bis zum voll­endeten achten Schuljahre. Die Kinder sollen Realschulmäßige Lehr-ziele vollendet erreichen und auch befähigt werden, in die dem Alter entsprechende Klasse einer anderen höheren Schule überzutreten. Freie Hand erbittet sich das Lehrercollegium nur für die Gestaltung des Unterrichts aufjeder der drei von ihm festgelegten Stufen :

1. Schulanfang bis zum vollendeten neunten Lebensjahre;

2. von diesem bis zum vollendeten zwölften Lebensjahre;

3. von diesem bis zur Vollendung der dritten Stufe.

Am Ende dieser Stufen sollen die den öffentlichen Schulen vorge­schriebenen Lehrziele auch von der Waldorfschule erreicht werden."

Über eine etwa zu errichtende 9. Klasse für die über Vierzehnjährigen war in dem Gesetz von 1836 keinerlei Bestimmung enthalten, weil es sich nur mit der Volksschule befaßte. Hierfür war also die Schule ganz frei (1/119, 3/117).

Ein anderer Teil des Kompromisses bezog sich nicht eigentlich auf das Verhältnis zum Staat, sondern auf den Religionsunterricht (1/63). Davon wird noch besonders gesprochen werden (Einleitung

S. 37).

Die oben erwähnte günstige Lage bestand nicht lange. Schon kurz vor der Schuleröffnung (Anfang September) verschlechterte sie sich,

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als am 11. August 1919 die neue Reichsverfassung, die sogenannte ,,Weimarer Verfassung" (1/71) in Kraft trat. Sie enthielt im Artikel 147 die Bestimmung, daß private Schulen staatlich genehmigt wer­den können, wenn sie in Lehrzielen' Einrichtungen und in der wis­senschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrer nicht hinter den öffent­lichen Schulen zurückstehen. Weiter: ,,Private Volksschulen sind nur zuzulassen, wenn . . . die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt. Private Vorschulen sind aufzu­heben."

Dieser Artikel der Reichsverfassung wurde damit zwar bindendes Recht für alle Länder des Reiches, also für die bisherigen König- und Fürstentümer. Aber weil die Schulen auch weiterhin unter der Ho­heit der Länder standen, zog es sich lange hin, bis der Artikel 147 sich voll auswirkte.

Nur in einem Punkte griff die Reichsregierung noch direkt ein. Durch das Reichsgesetz vom 28. April 1920, das sogenannte ,,Grundschulgesetz" (2/242, 250, 3/145) wurde der Besuch der untersten drei, später vier Klassen der staatlichen Volksschule für schlechthin alle Kinder für verbindlich erklärt. Alle privaten Vor­schulen sollten abgebaut werden, indem sie keine neue unterste Klasse mehr eröffnen und die Schülerzahl ihrer schon bestehenden Klassen nicht vergrößern durften.

Das galt naturgemäß auch für Württemberg, und es wurde der Wal­dorfschule durch Erlaß vom 31. Dezember 1920 von der Behörde mitgeteilt (1/255), daß laut Grundschulgesetz jetzt schrittweise die untersten Klassen geschlossen werden müßten, weil sie eine ,,private Vorschule" seien. Es könne nur der Waldorfschule aufAntrag geneh­migt werden, daß sie für das Schuljahr 1921/22 noch eine erste Klasse eröffne, aber ihre vier Grundschulklassen - mit a- und b-Klas­sen waren es acht - dürften nicht mehr Kinder führen als bisher, also zusammen 240. Dieser Zustand wurde zwar verlängert, aber er bewirkte doch, daß erst in die 5. Klasse, die nicht mehr zur Grund­schule zählte, neue Kinder aufgenommen werden konnten. Weil nun der Andrang dazu sehr groß war, mußte im 5., 6. und 7. Schuljahr jedesmal eine dritte 5. Klasse, eine Klasse 5c errichtet werden

(3/93, 100,145).

Erst im Jahre 1926, also schon nach dem Tode Rudolf Steiners' änderte sich das. Damals nahm der Schulrat Friedrich Hartlieb die vorgeschriebene Prüfung (s. unten) vor. Bei ihm lag hinter aller behördlichen Unbestechlichkeit und Strenge eine ganz ursprüngliche pädagogische Genialität vor. AufGrund seiner eingehenden und sehr

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günstigen Beurteilung der Waldorfschule (abgedruckt im ,,Nachrich­tenblatt", 3. Jg., 1926, Nrn. 2-6) wurde vom Ministerium das besondere pädagogische Interesse anerkannt", und die Beschrän k'ung wurde aufgehoben.

Aber diese ,,gesetzliche Limitierung" (3/145) der ersten vier Klassen und andere Wahrnehmungen bewirkten, daß Rudolf Steiner eine zunehmende Einengung der ursprünglichen Bedingungen feststellen mußte. ,,Heute (im Mai 1923) könnte man auch hier nicht mehr eine Waldorfschule errichten" (3/49).

Im übrigen hatten es die Länder nicht eilig mit neuen und gründ­lichen eigenen Schulgesetzen. In Württemberg erschien zwar eines, das sogenannte ,,kleine Schulgesetz", schon 1920, aber es enthielt nur Bestimmungen, die die Waldorfschule nicht angingen. Ein wirk­lich umfassendes Schulgesetz kam bis zu Rudolf Steiners Tode nicht heraus. Die Schulbehörden behalfen sich mit Erlassen und Verfügun­gen.

Nachdem nun der Unterricht der Waldorfschule einmal im Gange war, beschränkte sich die Berührung mit den Behörden, innerhalb der Grenzen der oben genannten Kompromisse, hauptsächlich auf wenige Gebiete.

Regelmäßig wurden im Abstand weniger Jahre die vorgeschriebenen Schulrats-Revisionen vorgenommen (1/273, 2/59, 65-69, 141), und ebenso regelmäßig überprüfte der Amtsarzt den allgemeinen Gesundheitszustand der Kinder (1/121, 2/20). Wegen der beiden anderen Berührungsstellen mit den Behörden sind die Ausführungen über die einzelnen Schuljahre nachzulesen; über die Fortbildungs-schule Einleitung S.46, 47; über das Abiturium Einleitung S. 56, 58.

5. Schulbewegung

Von der Waldorfschule in Stuttgart ist die anthroposophische Schul-bewegung ausgegangen. Rudolf Steiner betonte die große Verant­wortung, die ihrer Lehrerschaft damit zufiel. ,,Die ganze zivilisierte Welt schaut auf die Waldorfschule" (2/75, 77).

Rudolf Steiner baute diese Bewegung auf durch die große Zahl von Vorträgen und Kursen, die er über Pädagogik abhielt. Zuerst waren es die Vorträge während der Dreigliederungsbewegung, in denen er, zum Beispiel für den Verein junger Lehrer und Lehrerinnen in Stutt­gart am 19. Juni 1919, die entstehende Schule und ihre Pädagogik hinstellte als ein praktisches Beispiel für eine ,,freie" Schule, eine

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Institution des vom Staate, soweit als damals möglich, losgelösten Geisteslebens (Liste Nr.84).

Dann folgte im August/September 1919 der große dreigeteilte Kurs,

in dem er die künftigen Lehrer der Waldorfschule für ihre Aufgabe vorbereitete (Liste Nrn. 4-6). Dieser Kurs wurde in jedem folgen­den Jahre fortgeführt durch eine kürzere oder längere Reihe von Vorträgen für die Waldorflehrer (Liste Nrn. 13,17, 21, 28). Noch weitere Vorträge waren schon in Aussicht genommen, konnten aber nicht mehr ausgeführt werden (Einleitung S. 59).

Zu Ostern 1923 trat die Schule zum ersten Male vor die Öffentlich­keit mit der Stuttgarter ,,Künstlerisch-pädagogischen Tagung", auf der Rudolf Steiner drei Vorträge und drei Ansprachen hielt (Liste Nr. 25). Im folgenden Jahr, Ostern 1924, wurde die ,,Erziehungs­tagung" veranstaltet, die fünf Vorträge Rudolf Steiners in sich schloß (Liste Nr.29).

Zu diesen Kursen kamen die vielen Vorträge und Ansprachen Rudolf Steiners hinzu, die er sonst noch im Rahmen der Waldorfschule hielt: für die Eltern (1/110, 2/269), bei den Mitgliederversammlun­gen des Waldorfschulvereins (2/81), und ganz besonders die herr­lichen Ansprachen an Kinder, Lehrer und Eltern bei den Monats-feiern (1/112) und bei den Feiern zu Schuljahrsbeginn und Schul­jahrsende (1/152, 157, 2/17, 36). Alle diese Vorträge und Anspra­chen sind enthalten in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule. An-sprachen . . .,,, Stuttgart 1958 (Liste Nr.8).

Rudolf Steiners Bemühen, die Waldorfschule und ihre Pädagogik bekanntzumachen, wurde gestützt durch eine wachsende Zahl von Vorträgen, die von den Lehrern gehalten wurden. In den Konferen­zen sind sie kaum erwähnt.

Als eine Art Antwort kamen an die Schule vielfache Wünsche, sie besuchen und an ihrem Unterricht hospitieren zu dürfen (1/165). So wird die Anwesenheit von englischen Lehrern erwähnt (2/191, 207-211). Damit die Schule nicht mit Hospitationen überlaufen werde, wurde festgesetzt, daß nie mehr als drei Besucher gleichzeitig in einer Klasse zuhören dürften (3/191).

Auch als die eigentliche Dreigliederungszeit vorüber war, hat Rudolf Steiner in allen Vorträgen, in denen es durch innere Verbindung mit dem Thema gegeben war, auf die Freiheit des Geisteslebens hin­gewiesen. Dabei versäumte er wohl nie, in kürzeren oder längeren Ausführungen auch von dem praktischen Beispiel, von der Stuttgar­ter Schule zu sprechen.

Aber die Zuhörer wollten mehr darüber wissen und baten ihn um

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ganze Kurse über Waldorf-Pädagogik. Rudolf Steiner hielt den ersten Kurs schon 1920 vor den Basler Lehrern (Liste Nr.12). Dem folgten außer in Dornach (Nrn. 19, 26) noch Kurse in Oxford' Ilkley, Bern, Arnheim, Torquay (Liste Nrn. 22, 27, 30, 32, 33).

Alle diese Vorträge wurden weniger aus dem Interesse für freies Kulturleben aufgenommen, sondern in erster Linie von Lehrern und Eltern, also in Gedanken an konkrete Kindergruppen. Deshalb war der Erfolg zunächst die Gründung neuer Waldorfschulen, nicht nur in Deutschland (Hamburg, Köln, Essen), sondern auch in England und Holland (Liste Nrn. 147,148, 149).

Viele Pläne kamen damals über gute Absichten und Vorbesprechun­gen nicht hinaus, so die von Paris (1/166), Berlin (1/178), Norwegen (2/100), Nürnberg (3/191). Auch die Basler Hoffnungen blieben noch in Vorverhandlungen stecken. Anfänge zu einer Schule in Dornach wurden gleich anfangs durch Einspruch der Behörde im Keime erstickt (2/50), weil die Schulgesetze des Kantons Solothurn keine privaten Volksschulen zuließen. Man mußte sich 1921 begnü­gen mit einer Fortbildungsschule für die nicht mehr Schulpflichti­gen, mit der späteren ,,Friedwart-Schule" (3/44, 143).

Aber alle diese Schulgründungen, so erfreulich sie waren, entspra­chen doch ganz und gar nicht dem, was Rudolf Steiner in der Drei­gliederungszeit erhofft hatte. Es wurden keineswegs in kürzester Zeit ,,viele" solcher Schulen eingerichtet. Die Waldorfschule blieb ,,Modell" (1/289) mit nur sehr wenigen Nachfolgeschulen. Dennoch waren es die wenigen Waldorf- und Rudolf Steiner-Schulen außer­halb Deutschlands, die, zum Teil erst nach Rudolf Steiners Tode gegründet, die Waldorf-Pädagogik in der Praxis am Leben erhielten, als in den dreißiger Jahren die deutschen Schulen verboten wurden. Auch heute (1975) ist Rudolf Steiners Ziel nicht erreicht, obwohl die Zahl der Schulen bis auf 105 hinaufging. In Deutschland sind es 46, im übrigen Europa 36 und in den außereuropäischen Erdteilen

23 Schulen.

6. Jugendbewegung

Sowohl in die Anthroposophische Gesellschaft wie in die Waldorf­schule schlugen die Wellen der Jugendbewegung hinein. Das ist gut zu verstehen, denn auch schon in ihren Anfängen um 1900 umfaßte sie beide Arten von jungen Menschen, ebenso die, die schon in der Berufsvorbereitung standen, wie auch die Gymnasiasten' die den Schülern der oberen Klassen der Waldorfschule entsprachen. Beide

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Gruppen lagen Rudolf Steiner am Herzen, denn er kannte die tiefe­ren Ursachen der Jugendbewegung, die denen unbewußt blieben, die selbst darin steckten. ,,Die Jugendbewegung hat durchausübersinn­liche Gründe" (2/46). Diese jungen Menschen suchten sehnsüchtig den Geist, um menschenwürdig ihr Leben führen zu können. Weil sie ihn nicht fanden, bot die Jugendbewegung nach außen hin das wirre Bild des Unbefriedigtseins, des eitel Absonderlichen, des fanatisch Überheblichen. Dieses selbe den Geist-nicht-finden-Können führte ebenso zu den Unzuträglichkeiten bei den Schülern der oberen Klas­sen der Waldorfschule, aber auch bei den schon älteren in die Anthroposophische Gesellschaft hineinkommenden jungen Men­schen. Rudolf Steiner zeigte beide Male den Weg zur Heilung.

Es lag aber bei den beiden genannten Gruppen ein entscheidender Unterschied vor. Während der Schülerzeit mußte das Geistige ins gedankliche Blickfeld hineingebracht werden;leise schon von der 7., 8. Klasse an, später immer deutlicher und konkreter. Um nur zwei Beispiele zu nennen: schon vor dem achtzehnten, neunzehnten Jahr, so sagte Rudolf Steiner, müsse das ,,Jüngerwerden der Menschheit" als eine der wichtigsten Geschichtsursachen verstanden werden (3/35), und ebenso jene chemischen Wirkungen, die speziell inner­halb des menschlichen Körpers, also unter dem Einfluß des Ich ein­treten. Solche spirituelle Chemie, die ,,Koliskosche Chemie", solle diesem Alter dargestellt werden (3/36).

Ebenso liegt es für die in diesem Alter von vierzehn bis achtzehn Jahren schon in der Berufsausbildung Stehenden. Sie brauchen in der Fortbildungsschule eine wirkliche, das Spirituelle enthaltende ,,Lebenskunde" (1/286, 287, Einleitung S. 44). Auch für die Dor­nacher Fortbildungsschule gilt dasselbe, um zum Beispiel den Unter­schied zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang künstlerisch zu erfassen (3/44). Wenn da etwas versäumt wird im Hinweisen auf das Geistige, entsteht seelische Leerheit und damit alle die Schwie­rigkeiten, mit denen sich soviele Konferenzen der Jahre 1922-24 zu befassen hatten.

Diesen durch die Führung des Unterrichts hilfreichen Maßnahmen steht aber nun etwas zunächst recht Überraschendes gegenüber. Ein scheinbar so naheliegendes Mittel ist durchaus zu vermeiden. Es soll und darf in diesen Jahren noch nicht die Aufmerksamkeit der Schüler hingelenkt werden auf die eigenen Seelenzustände, auf die in ihnen rumorende Sehnsucht nach dem Geistigen. Das soll noch im Unterbewußten verbleiben, soll noch verhüllt und damit vor dem Intellektuellwerden behütet werden. Schüler sollen nicht ,,die Geheimkunst

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des Erziehens kennenlernen und mitdiskutieren" (3/80). Daraus erklärt sich auch Rudolf Steiners Schrecken, als er erfuhr, daß an einigen Abenden Lehrer und Schüler wie auf gleicher Stufe stehend miteinander diskutiert hätten (2/120-122, 145).

Daß dies in der Jugendbewegung nicht beachtet wurde - einfach weil man es nicht wußte -, gehört neben dem Nicht-ergreifen-Kön­nen des Geistigen zu den Hauptgründen quälender Nöte. Wieviel und wie endlos ist da diskutiert worden, auch gerade schon mit und unter den jüngeren Jahrgängen. Das mußte die Jüngeren unnaiv und hoch­mütig machen. Bei den Älteren führte es den raschen Zerfall der Jugendbewegung mit herbei. Leitungen und Zielsetzungen konfes­sioneller, politischer, rassenmäßiger Art bemächtigten sich des ihnen dienlich erscheinenden Instrumentes der Jugendbewegung.

Als deutschvölkische Umtriebe auch in die Waldorfschule hinein­zuwirken drohten, sprach Rudolf Steiner von ,,freimaurerischen Ordensgründungen in der Jugend", wie sie damals an manchen Orten, zum Beispiel in München, von Vereinigungen ausgingen, die etwas wie Rasse-Okkultismus pflegten (3/135). Er empfahl dagegen innerhalb der Waldorfschülerschaft durch ,,unsere eigenen treuen jungen Leute aus der Freien Gesellschaft" eigene Gruppen zu bilden, ,,denen sich die Jungen und Mädchen ebensogut anschließen"

(3/134, 135).

Aber für die älteren Jahrgänge dieser jungen Menschen, die das 18. Lebensjahr schon vollendet haben, gilt grundsätzlich ein ande­res, ja entgegengesetztes. Sie sollen sich gerade selbst möglichst weit­gehend dessen bewußt werden, was tief in ihren Seelen die Unruhe bewirkt, und sie sollen daraus den Willensentschluß fassen, den gewiesenen Weg auch wirklich zu betreten.

Junge Menschen in großer Zahl wandten sich an Rudolf Steiner, wobei anstelle ihrer eigentlichen Schwierigkeiten freilich oft die mehr äußeren Fragen nach dem rechten Weg zum Beruf heraus­kamen. Diese jungen Menschen kamen auch nicht gut zurecht mit den herkömmlichen ,,Zweigen" der Anthroposophischen Gesell­schaft, in denen die Mitglieder seit Jahren miteinander arbeiteten. Deshalb bildeten sich an manchen Orten Gruppen einer ,,Freien anthroposophischen Jugend", so in Stuttgart (2/46), in Jena (2/60, 61, 116, 117), in Breslau (3/177). Was von Besprechungen Rudolf Steiners mit ihnen schriftlich erhalten ist - er hatte hier besonders ungerne Stenographen dabei -, ist gedruckt in ,,Die Erkenntnis-Aufgabe derJugend" (Liste Nr.14).

Mehrfach wurde, aber zunächst ohne Erfolg, versucht, in Jena eine

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große Jugendtagung mit Vorträgen von Rudolf Steiner zustande zu bringen (2/60, 61, 116, 117). Erst im Oktober 1922 kam es zum ,,Pädagogischen Jugendkurs" in Stuttgart (2/154). Rudolf Steiner hielt dort dreizehn Vorträge über ,,Geistige Wirkenskräfte im Zusam­menleben von alter und junger Generation" (Liste Nr.23). Ein zwei­ter Jugendkurs (3/94, 95) kam nicht mehr zustande. Über die von der Christengemeinschaft veranstaltete Jugendtagung in Kassel am 2.-8. Januar 1924 wurde im Dornacher ,,Nachrichtenblatt" (1. Jg., Nr.5) ein Bericht gegeben. Auch in Dornach selbstwurdenJugend­versammlungen abgehalten (3/137,138).

Das Entscheidende aber geschah, als sich Rudolf Steiner selbst in Briefen ,,Von der Jugendsektion der freien Hochschule für Geistes-wissenschaft" an die ,,jüngeren Mitglieder" wandte (Nachrichten-blatt 1. Jg., Nrn. 9-12), nachdem er den Entschluß gefaßt hatte: um alle Jugendprobleme in größtem Maßstab in Angriff zu nehmen, solle am Goetheanum eine Jugendsektion' eine ,,Sektion für das Geistesstreben der Jugend" geschaffen werden. (Vgl. ,,Die Konsti­tution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft . . .,, bes. S. 146-158. Liste Nr.50.)

7. Konfessioneller und freier Religionsunterricht;

Christengemeinschaft

In einem Verhältnis ganz eigener Art stand die Waldorfschule zur umgebenden Welt in bezug auf den Religionsunterricht. Er wurde in den Räumen der Schule erteilt und war doch nicht deren eigene Sache. Er war, wie Rudolf Steiner wohl sagte, ,,exterritorial".

Das galt sichtlich von dem sogenannten konfessionellen Religions­unterricht, von dem anfangs allein die Rede war. Schon am Abend des 20. August, noch vor dem grundlegenden pädagogischen Kurs, sprach Rudolf Steiner von dem ,,Kompromiß", der hier gemacht werden müsse (1/63). ,,Wir wollen keine anthroposophische Dog­matik lehren. . . . Wir wollen umsetzen das, was auf anthroposo­phischem Gebiet gewonnen werden kann, in wirkliche Unterrichts­praxis. . . . Die religiöse Unterweisung wird in den Religions­gemeinschaften erteilt werden." Und am Ende des Kurses, in der Rede zur Eröffnungsfeier am 7. September hieß es: ,,Ehrlich wer­den wir einhalten, was wir gelobt haben: daß die verschiedenen Religionsbekenntnisse, die von sich aus den Religionsunterricht erteilen wollen. ihre Weltanschauungsprinzipien in unsere Schule

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hineintragen können." (,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule" S. 27;Liste Nr.8.)

Für Rudolf Steiner schien es dem Wesen und den Bedürfnissen des heranwachsenden Menschen unangemessen, ja schädlich, wenn er ohne jegliche religiöse Unterweisung aufwachsen müßte. Deshalb wurden gleich von Anfang an Zeit und Räume bereitgestellt für die von den Konfessionen beauftragten Lehrer, selbst wenn dafür an sich bessere Prinzipien des Stundenplans aufgeopfert werden mußten

(1/65, 69).

Und Rudolf Steiner bestand streng darauf, daß diese Übergabe an die Religionsgemeinschaften in jedem Sinne ,,ehrlich" durchgeführt werde. Er wurde ungehalten, als von manchen Schulkindern einige Kameraden nicht recht ernst genommen wurden, nur weil sie aus anderen Konfessionszusammenhängen stammten (2/111, 112).

Aber schon gegen Ende des pädagogischen Kurses muß RudolfStei­ner gebeten worden sein, auch für solche Kinder, deren Eltern gar keiner Konfession angehörten, und das war bei den Arbeiterkindern vielfach der Fall, einen auf anthroposophischer Erkenntnis gegrün­deten Religionsunterricht einzurichten, einen ,,freien Religions­unterricht" von durchaus christlichem Charakter.

[n der ersten Lehrerkonferenz am 8. September 1919 wurde ein Doppeltes bemerkbar. Es war schon die Rede vom ,,anthroposo­phischen Unterricht, dem freien Religionsunterricht", aber es wurde auch deutlich, daß die Gedanken über die Gestalt dieses Unterrichts noch nicht voll ausgereift waren. So hieß es, die Klassenlehrer könnten ihn geben (1/67). Davon war zwei Wochen später, in den Konferenzen vom 25. und 26. September (1/79-81, 98-105) nicht mehr die Rede. Es wurden Herbert Hahn und Friedrich Oehlschlegel mit diesem Unterricht beauftragt. Nun wurde auch der gesamte Lehrplan des Religionsunterrichts für alle damals vorhandenen acht Klassen gegeben. Sie sollten in zwei Gruppen zusammengefaßt wer­den, 1.-4. und 5.-8. Klasse. Als dann im Herbst 1920 die 9. Klasse hinzukam, wurden es drei Gruppen, 1.-3., 4.-6., 7.-9., und stufen­weise näherte sich die Einteilung für den Religionsunterricht der üblichen Klasseneinteilung (3/157). Das machte auch immer mehr Lehrer nötig für diesen Unterricht. Dem Lehrplan wurden ständig Einzelheiten und die Erweiterungen für die neu hinzukommenden Klassen angefügt. (Näheres vgl. Sachwortverzeichnis.)

Bei einem Elternabend am 3. November 1919 wurde nun gefragt, ob nicht auch für die Schüler des freien Religionsunterrichts an den Sonntagen eine religiöse Feier eingerichtet werden könne. Nachdem

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Überlegungen darüber unbefriedigend verlaufen waren, baten die beiden Religionslehrer in der Weihnachtszeit 1919 Rudolf Steiner um seinen Rat. Wenige Tage später übergab er ihnen das Ritual für die Sonntagshandlung. Weil Oehlschlegel bald für geraume Zeit nach Amerika reiste und dann nicht mehr an die Schule zurückkam, hatte Herbert Hahn lange allein für die Sonntagshandlung zu sorgen. Sie wurde zum ersten Male gehalten am 1. Februar 1920. Rudolf Steiner war immer, wenn er in Stuttgart war, dabei anwesend, zuerst am 29. Februar 1920.

Die Teilnahme an diesen Sonntagshandlungen war strenge be­schränkt auf die Schüler des freien Religionsunterrichtes, auf die Lehrer der Schule, die Eltern und diejenigen, ,,die anerkannt werden können durch die Lehrerschaft als moralische Vormünder" (1/137). Rudolf Steiner rechnete darauf, daß möglichst viele Lehrer der Schule, nicht nur die Religionslehrer, bei den Handlungen dabei seien (2/58,199).

Nach und nach kamen die anderen Handlungen hinzu, die Weih­nachtshandlung (1/252) zum ersten Male am 25. Dezember 1920, die Jugendfeier (1/136) am Palmsonntag' dem 20. März 1921. Als letztes wurde von Rudolf Steiner, nachdem im September 1922 schon die Wirksamkeit der Christengemeinschaft angefangen hatte, im Frühling 1923 für die beiden obersten Klassen die Opferfeier hinzugefügt (2/222, 241, 305). Sie fand zum ersten Male statt in der Osterzeit 1923.

Die Absicht Rudolf Steiners war, man solle all diesen Kultus ein­richten ,,mit großer Innigkeit und Herzlichkeit . . . als etwas Ernstes, aber ohne schwül zu sein", dennoch ,,auf der anderen Seite ihn so schlicht halten, als es möglich ist" (2/199).

So wie der freie Religionsunterricht selbstverständlich kein ,,obliga­torischer" Unterricht war (2/305), so war auch die Teilnahme an den Sonntagshandlungen den Schülern des freien Religionsunterrichtes durchaus ,,freigestellt, ob sie kommen wollen oder nicht" (2/304). Das Wesen des freien Religionsunterrichtes und die Art, wie Rudolf Steiner ihm gleichsam eine Mittelstellung gab zwischen der Schule einerseits und der Anthroposophie und Anthroposophischen Gesell­schaft andererseits, ist nicht leicht zu durchschauen. Es stellte an die damaligen Waldorflehrer, und es stellt auch heute noch große Anfor­derungen an Erkenntnisbemühen und Bewußtsein. Es müssen da jedesmal Aspekte zusammengeschaut werden, die einander zu wider­sprechen scheinen.

Von der einen Seite her gesehen sollte nicht nur für den konfessionellen

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Unterricht, sondern auch für den freien vermieden werden, ,,daß er als etwas in die Schule Eingereihtes erscheine" (2/19). Dem gegenüber steht die Antwort, die von Rudolf Steiner an Emil Molt gegeben wurde, als der geäußert hatte, ,,eine reine Schulangelegen­heit spll es ja nicht sein; es ist ja losgelöst von der Schule". Da sagte ihm Rudolf Steiner: ,,Die Sonntagshandlung ist etwas im Rahmen der Schule Liegendes. Eine Einzelheit innerhalb der Schule, . . . die nicht eine allgemeine Schulangelegenheit ist" (1/138), weil eben nicht alle Schüler daran teilnehmen. Rudolf Steiner hat auch den Lehrplan und alle dessen spätere Ergänzungen innerhalb der allge­meinen Lehrerkonferenz gegeben (vgl. Sachwortverzeichnis)' hat auch seine Auswahl der Religionslehrer, die Handhabung derHand­lungen, die Ausgestaltung des Handlungsraumes, und was es sonst noch sein mochte (vgl. wiederum Sachwortverzeichnis)' fast aus­nahmslos dort besprochen. Er hat damit nicht nur die Religions­lehrer, sondern die gesamte Lehrerschaft aufgerufen zum Tragen dieses Unterrichts. Und es war keine Äußerlichkeit, wenn er sich dabei immer der Sprachform des ,,wir" bediente - ,,unser" Reli­gionsunterricht. Er tat das selbstverständlich nicht, wenn er sich äußerte über den konfessionellen Unterricht, aber auch später nicht in bezug auf den Religionsunterricht der Christengemeinschaft, von dem noch zu reden sein wird.

Ebenso treten in Rudolf Steiners Worten zwei ganz verschiedene Aspekte hervor in bezug auf das Verhältnis zur Anthroposophischen Gesellschaft. So sagte er zu einem der Lehrer: ,,Als Religionslehrer gehören Sie nicht der Schule an. Den erteilen Sie, wie wenn Sie Pastor in einer anthroposophischen Kirche draußen wären und her­einkommen" (1/286). (Dazu ist die Anmerkung einzuschieben, daß mit der ,,anthroposophischen Kirche" keineswegs die Christen-gemeinschaft gemeint ist. Denn die gab es damals noch nicht; der erste, noch vorbereitende Theologenkurs fand erst einen Monat später statt. Eine ,,anthroposophische Kirche" konnte und kann es selbstverständlich gar nicht geben. Der Ausdruck ist überspitzt gebraucht.)

Und dem steht das gegenüber, was Rudolf Steiner im Hinweis auf die Weihnachtstagung sagte. Erst wies er darauf hin, daß ,,die Schule als eine von der Anthroposophischen Gesellschaft unabhängige Insti­tution" geschaffen sei. Dann ging er auf die besondere Lage des Religionsunterrichtes ein. ,,Damit stimmt logisch ganz gut überein, daß der Religionsunterricht von den Religionsgemeinschaften aus besorgt wird, der freie Religionsunterricht von der Anthroposophischen

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Gesellschaft aus, daß die Anthroposophische Gesellschaft mit dem freien Religionsunterricht darinnensteht wie die anderen reli­giösen Gemeinschaften. Die Anthroposophische Gesellschaft gibt eigentlich den Religionsunterricht und den Kultus" (3/119).

Das sagte Rudolf Steiner nach der Neubegründung der Anthroposo­phischen Gesellschaft und nachdem er selbst das Amt des Ersten Vorsitzenden und das des Leiters der Pädagogischen Sektion über­nommen hatte. Damit waren auch für den freien Religionsunterricht Aufgaben gestellt, die sich in der kommenden Zeit auswirken soll­ten. Es kam praktisch nicht dazu, weil Rudolf Steiner starb. Diese Aufgaben aber stehen immer noch da und stehen vor uns.

Als die zuletzt angeführten Worte am S. Februar 1924 gesprochen wurden, bestand nun aber schon seit fast einundeinhalb Jahren die Christengemeinschaft.

Im Jahre 1921 waren, zuerst unabhängigvoneinander' Gruppen von jungen Theologen, meist Studenten, an Rudolf Steiner herangetre­ten mit der Frage, ob und wie sie mit Hilfe der anthroposophischen Erkenntnis in der rechten Weise ihren Lebensberuf auf dem religiö­sen Felde finden könnten. Daraufhin hielt ihnen Rudolf Steiner mehrere ,,Theologenkurse"' an deren erstem auch die Lehrer des freien Religionsunterrichtes teilnahmen (2/39. Liste Nrn. 105, 126). Auf Grund dieser Kurse schlossen sich die jungen Theologen, in deren Namen Rudolf Steiner um seinen Rat gefragt worden war, im September 1922 von sich selbst aus zusammen. Es wurde zuerst der Name üblich: ,,Bewegung für religiöse Erneuerung" (2/199). Fried­rich Rittelmeyer' der wegen Krankheit an den ersten Kursen nicht hatte teilnehmen können, gab jetzt seine Stellung als Pfarrer in Ber­lin auf. Er hatte schon seit Jahren aktiv in der anthroposophischen Bewegung gestanden und tat das auch weiterhin; aber er trat nun auch an die Spitze der ,,Religionserneuerung"' die den Namen ,,Chri­stengemeinschaft" annahm. Sie war nicht von der Anthrop osophi­schen Gesellschaft aus gegründet und auch nicht von Rudolf' Steiner. Er sprach vielfach von der ,,auf eigenen Füßen der Anthroposophi­schen Gesellschaft gegenüberstehenden Christengemeinschaft" (3/123). Er äußerte, diese Bewegung ,,hätte den Keim in sich, etwas sehr Großes zu werden" (2/199). Und fast zwei Jahre später sagte er von den Priestern, daß sie ,,in kürzester Zeit die größten Fortschritte gemacht hätten" (3/177).

Es ist verständlich, daß nun Fragen heraulkamen, wie das Verhältnis der Anthroposophie zur Christengemeinschaft sei und wie man sich

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richtig zu verhalten habe. Für die Mitglieder der Gesellschaft suchte Rudolf Steiner Klarheit zu schaffen durch seinen Vortrag vom 30. Dezember 1922. Es war der zweitletzte Abendvortrag, ehe das erste Goetheanum abbrannte (2/226, 227. Liste Nr.111).

Auch um die Waldorfschule herum entstand Unsicherheit. Sind jetzt, nachdem das neue Priestertum der Christengemeinschaft da ist, freier Religionsunterricht und Kulthandlung an der Waldor£ schule noch berechtigt?

Als dann bald die Priester anfingen, für die Kinder der Gemeinde-mitglieder auch Religionsunterricht zu geben, erhob sich die weitere

Frage: ,,Wie ist der freie Religionsunterricht in der Waldorfschule vereinbar mit dem Religionsunterricht der Christengemeinschaft? ,,

(3/175).

Rudolf Steiner sprach daraufhin in den Konferenzen deutlich aus, daß jede von diesen beiden Arten von Religionsunterricht eigenen Charakter, eigene Ziele und volle Berechtigung habe, auch in die Zukunft hinein. Er gab jetzt für den freien Religionsunterricht nicht nur, wie schon erwähnt, etwa ein halbes Jahr nach der Entstehung der Christengemeinschaft, das neue Ritual der Opferfeier, um das die Schüler der obersten Klassen gebeten hatten (2/222, 241, 305). Er hat auch das Weiterbestehen des freien Religionsunterrichtes teils als selbstverständlich vorausgesetzt (3/175-179), teils im Gespräch ausdrücklich ausgesprochen.

Es sollten keineswegs diese beiden Bewegungen ineinanderfließen. Rudolf Steiner wollte ,,so lange als möglich" vermeiden, ,,bei der Christengemeinschaft einen Religionslehrer zu suchen für die Schule". Aber man solle ,,nicht so exklusiv sein' (3/177). Einzelnen der jungen Priester hätte er, wie er sagte, diesen Unterricht gerne anvertraut (2/169).

Auf der anderen Seite gestand Rudolf Steiner auch der Christen-gemeinschaft, die inzwischen schon in ihren eigenen Räumen für die Kinder der Gemeindeglieder einen eigenen Religionsunterricht ein-gerichtet hatte, ohne weiteres zu, daß sie ,,wie die anderen Konfes­sionen" das Recht in Anspruch nehmen könnte, ebenfalls innerhalb der Waldorfschule ihren Religionsunterricht auszuüben. ,,Dann würden wir also einen Religionsunterricht mehr haben" (3/176). Er fand es aber besser, wenn es dabei bliebe, daß die Kinder der Ge­meindemitglieder, soweit sie in die Waldorfschule gingen, auch wei­terhin nur am freien Religionsunterricht teilnähmen (3/176).

So ist es denn auch in den weitaus meisten Fällen geschehen, bis 1938 die Schule verboten wurde. Erst nach dem zweiten Weltkrieg

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ist auch der Religionsunterricht der Christengemeinschaft, ebenso wie der bisherige konfessionelle, in den Räumen der Waldorfschule eingerichtet worden.

Zu Lebzeiten Rudolf Steiners wurde diese Frage nur insoweit prak­tisch, als Eltern ausdrücklich wünschten, ihre Kinder sollten an bei­den Unterrichten teilnehmen. Rudolf Steiner hielt das für durchaus möglich. Hindern könnte ,,höchstens der einzige Punkt der Gesund­heit, daß es zuviel wäre" . . . Die Waldorfschule müsse da nicht ,,dog­matisch entscheiden" (3/176). ,,Am schönsten würde ich finden, wenn dann, wenn sie an beiden teilnehmen, von dem Religionslehrer hier und dem Religionslehrer dort die Stoffe besprochen werden, so daß Einklang da ist" (3/177).

Ernsthaftere Schwierigkeiten schienen aufzukommen bei der Frage, wie sich die Jugendfeier der Christengemeinschaft und die des freien Religionsunterrichtes miteinander vereinigen ließen. Aber auch hier seien keinerlei Verhandlungen mit der Christengemeinschaft nötig. Sie sei ja in sich selbständig. ,,Wir können doch machen, was wir wollen, und die können machen, was sie wollen" (2/305).

Aber dann machte Rudolf Steiner den Weg frei, indem er auf den grundlegenden Unterschied hinwies in der Zielsetzung der beiden Handlungen. ,,Der innere Sinn unserer Jugendfeier ist, daß der Mensch ganz allgemein in die Menschheit hineingestellt wird . . . Die Christengemeinschaft aber stellt in eine bestimmte Religionsgemein-schaft hinein" (3/178).

Daraus ergeben sich zwanglos alle praktischen Handhabungen, die nötig sind: etwa die, welche der beiden Handlungen vorausgehen müsse, und dergleichen (3/177,178).

Vor allem aber - und das ist das Allerwichtigste - weisen solche Unterschiede wohl auf Wesensverschiedenheiten hin, aber sie bedeu­ten keinerlei reale Widersprüche und kein Gegeneinander. ,,Innerlich ist es durchaus vereinbar" (3/178). Es gilt auch hier, was für das ganze Verhältnis des freien Religionsunterrichtes zur Christen-gemeinschaft gilt: ,,Eine Diskrepanz zwischen beiden in inhaltlicher Beziehung kann es eigentlich nicht geben" (3/176).

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Die sechs einzelnen Schuljahre

Durch die Unzahl der gestellten Fragen und behandelten Themen haben die Konferenzen eine schwer überschaubare Form. Sie sind nicht leicht als Ganzes zu lesen. Der Benützer sucht oft nur Rudolf Steiners Äußerungen heraus zu den Themen, die ihn im Moment besonders interessieren.

Das ist aber unberechtigt, denn es ist sehr wohl ein durchgehender Duktus vorhanden. Er war gewiß niemandem von den Sprechenden bewußt, aber das Schicksal selbst hat eine Gesamtkomposition geschaffen. Um zur Erkenntnis dieser Komposition hinzuleiten, sol­len hier für jedes Schuljahr die charakteristische Stimmung und die Hauptthemen herausgehoben werden. Weil die Aufgabe schwer ist, kann es sich dabei gewiß nur um einen Versuch handeln.

1. Schuljahr: 16. September 1919 bis 24. Juli1920

8 Klassen

12 Lehrer

256 Kinder

Alte Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft versicherten oft, sie hätten Rudolf Steiner so ganz besonders strahlend gesehen, als die Waldorfschule eröffnet wurde. Dies Strahlen liegt, wie ein Nachklang des großen dreifachen Gründungskurses vom August 1919, auch noch über allen Konferenzen des ganzen ersten Jahres. Und wie Rudolf Steiner bei Kursbeginn den tiefen Dank aussprach an die über der Schule waltenden geistigen Mächte, so richtete er in diesem ersten Jahre auch mehrere Male den Dank an Emil Molt und an die Lehrer der Schule (1/162 und in den Ansprachen, siehe ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule"' besonders S. 51/52, Liste Nr.8).

Diese Stimmung trägt und beflügelt die Lehrer und schafft ihnen erstaunliche Kräfte. Mit Schwung und Begeisterung gehen sie an ihre Aufgaben heran und suchen sich noch neue hinzu. Rudolf Steiner feuert wohl die Lehrer mehrfach an zu Enthusiasmus (1/63) und Mut (1/95, 117), aber er ruft sie auch auf zum Bewußtsein und zur Besinnung (1/63) und warnt sie vor Zersplitterung ihrer Kräfte (1/84,124).

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Am 7. September 1919 fand die Eröffnungsfeier für die Freie Wal­dorfschule statt, in der Rudolf Steiner seine grundlegende An­sprache hielt (Liste Nr.8). Aber der Unterricht konnte noch nicht beginnen, weil die Räume des ehemaligen Kaffeerestaurants Uh­landshöhe' Kanonenweg 44, erst zum Teil fertig waren. In der ,,ent­scheidenden Konferenz im engsten Kreise" vom 8. September (1/65), die Rudolf Steiner im Seminarkurs zuletzt (S.184) für ,,mor­gen oder übermorgen" schon angekündigt hatte, wurde zwar ein provisorischer Plan ausgearbeitet, wie man unter Zuhilfenahme von ,,Schichtunterricht" auch mit den noch zu wenigen Räumen zu­rechtkommen könnte (1/65, 66), aber der Unterrichtsbeginn ver­schob sich dann doch auf Dienstag den 16. September. RudolfStei­ner war nicht dabei anwesend.

Das Äußere war denkbar primitiv. Schulbänke wurden erst nach und nach geliefert. Die Kinder mußten in den ersten Wochen auf den vom Restaurant her vorhandenen Stühlen sitzen und auf den Knien schreiben.

Die Waldorfschule begann als ,,Volksschule", das heißt mit nur acht Klassen. Sie hatte beim Beginn 256 Schüler; die einzelnen Klassen waren recht unterschiedlich besetzt, im Durchschnitt mit 32 Schü­lern, darunter meist ein wenig mehr Mädchen als Jungen. 191 Kinder waren ,,Waldorfkinder"' das heißt, sie hatten Eltern oder Verwandte in der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Die übrigen Schüler waren fast ausschließlich Kinder von Anthroposophen.

Dem Lehrerkollegium gehörten an: Rudolf Steiner als Leiter der Schule, Frau Marie Steiner ,,als Leiterin der eurythmischen Abtei­lung", Emil Molt als ,,Protektor der Schule", Frau Bertha Molt als ,,Schulmutter" (1/198, 199) und anfangs zwölf Lehrer. Deren Zahl veränderte sich im Laufe des Schuljahres, weil einige vorübergehend oder dauernd die Schule verließen und andere hinzukamen; am Schuljahresende waren es vierzehn Lehrer.

An die Stelle der üblichen ,,regierungsmäßigen", rektoralen Schul­führung stellte Rudolf Steiner die Verantwortung jedes einzelnen Lehrers, die sich in den Konferenzen auswirkt (1/62). ,,Recht republikanisch!" (1/83). ,,Konferenzen sind freie republikanische Unterredungen. Jeder ist darin ein Souverän" (1/68). Nach über drei Jahren schlug er für die Schulverwaltung einen drei- bis vierköpfigen Verwaltungsrat vor, ,,damit nicht die republikanische Verfassung durchbrochen wird" (2/235).

Obwohl der Aufbau, die Gliederung und der Lehrplan des Unter­richtes in den pädagogischen Kursen von August und September von

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Rudolf Steiner schon gegeben waren, war doch noch manches ein­zufügen, zu ändern oder genauer auszugestalten. Nicht alles, was im ersten Schuljahre versucht wurde, ließ sich auch schon für die Dauer ausführen.

Die 7. und 8. Klasse sollten abwechselnd von zwei Lehrern geführt werden, von Stockmeyer und Dr. Treichler (1/65). Weil Dr. Treich­ler nach einigen Wochen noch mehr Sprachunterricht zu überneh­men hatte, trat an seine Stelle als Klassenlehrer Dr. Stein (1/145, 122). Stockmeyer und Stein rückten dann jährlich mit ihren Klassen eine Stufe höher, bis in die Oberklassen hinein. Die späteren 7. und 8. Klassen hatten, wie die 1. bis 6., dann auch nur einen Klassen­lehrer (3/25).

Über den neu einzurichtenden Freien Religionsunterricht ist schon gesprochen worden im Abschnitt 7, S. 35-41.

Über die Eingliederung der ,,weiblichen Handarbeiten" hatte Rudolf Steiner im Seminarkurs noch nichts gesagt, ,,weil einfach die Beset­zung nicht da war" (Seminar S. 184). Deshalb wurde erst Ende Oktober mit diesem Unterricht begonnen, selbstverständlich für Jungen und Mädchen zusammen. Frau Bertha Molt und Fräulein Helene Rommel gaben den Unterricht lange gemeinsam; erst als zu viele neue Klassen hinzukamen, übernahmen sie ihre Klassen einzeln. Bis in den Sommer 1922 wurde das Turnen von Paul Baumann und einzelnen Klassenlehrern schlecht und recht mitversehen. Die weni­gen in dieser Zeit gemachten Angaben Rudolf Steiners zu diesem Unterricht heben stark den von ihm gewünschten engen Zusam­menhang mit dem Eurythmieunterricht hervor (vgl. Sachwortver­zeichnis). Durch die Arbeit Graf Bothmers ergab sich später für Rudolf Steiner die Möglichkeit, so konkret Grundlegendes über das Turnen zu sagen, wie es in der Konferenz vom 1. März 1923 geschah (2/292 ff.).

Handwerk und Gartenbau wurden im methodisch-didaktischen Kurs und im Seminar nur ganz allgemein erwähnt, nicht als besondere Unterrichtsgegenstände. Während nun Rudolf Steiner von Ende Sep­tember bis Mitte Dezember 1919 von Stuttgart abwesend war, wurde in der Waldorfschule eine Werkstatt mit Hobelbänken und einigem Schlosserwerkzeug eingerichtet, und es wurde ein junger Schlosser angestellt, zunächst um Apparate für den Physikunterricht herzustellen. Damit im Zusammenhang wurde Ende November, wie es scheint ohne Besprechung mit Rudolf Steiner, auch mit einem anfänglichen Handwerksunterricht durch den Schlosser begonnen, in zwei einzelnen Stunden jede Woche für die 6. bis 8. Klasse. Nach

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den Osterferien kam unter derselben Leitung Gartenarbeit hinzu, schon von der 5. Klasse ab, aber zunächst nur für Freiwillige, worauf Rudolf Steiner anordnete (1/121), dieser Unterricht solle für alle Kinder als obligatorisch gelten. Zu der Frage, in welchem Alter der Handwerks- und Gartenbauunterricht beginnen sollte, vgl. Hinweis zu S. 196. - Vom Beginn des zweiten Schuljahres ab ging dieser Unterricht über an Max Wolffhügel' der Kunstmaler war und auch die Schreinerei erlernt hatte. Den Gartenbauunterricht konnte er im Herbst 1921 abgeben an Gertrud Michels' die Gärtnerin war.

Um der in der ersten Zeit der Schule reichlich vorhandenen Unge­zügeltheit ein Gegengewicht zu geben, führte Rudolf Steiner einen ,,Unterricht für Takt und Moral" ein; er wurde meist ,,Anstands­unterricht" betitelt (1/125). Paul Baumann hatte ihn zu geben, und damalige Schüler berichten, er habe zum Beispiel eine Art Kultur-geschichte der Höflichkeit behandelt: ,,Höflichkeit" vom Worte Hof, Rittertum und so weiter. Im Laufe des zweiten Schuljahres ist dieser Unterricht dann eingeschlafen (1/268).

Hilfsklasse. Verständlicherweise hatten die Eltern aus der Waldorf­Astoria-Zigarettenfabrik besonders bereitwillig diejenigen Kinder für die neue Schule angemeldet, bei denen es in der öffentlichen Schule nicht recht vorangehen wollte. Deshalb waren in den Klassen meist vier bis sechs ,,schwierige", zum Teil sogar sehr schwierige Kinder zu finden. Für die, die als wirkliche Psychopathen besondere Sorgenkinder waren, richtete Rudolf Steiner schon im April 1920 eine Hilfsklasse ein (1/123). Etwa zehn Kinder der 1.-6. Klassewur­den während des Hauptunterrichtes, also nur von acht bis zehn Uhr, aus ihren Klassen herausgenommen und ,,separat" unterrichtet. Es sollten dabei besonders langsam und eindringlich dieselben Dinge durchgenommen werden wie im Klassenunterricht sonst auch (1/125), aber außerdem sollten auch ganz spezielle Übungen gemacht werden (1/264). Zu den Stunden nach zehn Uhr sollten die Kinder alle wieder in ihre regulären Klassen zurückkehren. Diesen Hilfsunterricht übergab Rudolf Steiner an Karl Schubert.

Leider konnte diese Hilfsklasse zunächst nur bis zum Juni 1920 durchgeführt werden, weil Dr. Schubert für eine erkrankte Klassen­lehrerin einspringen mußte, und die Hilfsklassenkinder gingen wie­der ganz in ihre jeweilige Klasse zurück. Erst im September 1921 (2/37) konnte Dr. Schubert seine Hilfsklasse wieder übernehmen. Sie veränderte sich im Laufe der Jahre zunehmend in der Richtung, daß immer mehr auch ganz schwere Fälle, das heißt Kinder, die überhaupt an keinem Klassenunterricht teilzunehmen in der Lage

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waren, in die Hilfsklasse aufgenommen wurden. Dr. Schubert leitete dann die Hilfsklasse zum größten Segen für ,,seine", aber auch für alle Kinder der Waldorfschule ununterbrochen, bis die Schule Ostern 1938 verboten wurde; ja es gelang ihm sogar, sie, im Verborgenen geduldet, auch dann noch bis 1945 weiterzuführen (vgl. Sachwort­verzeichnis).

Ebenfalls im Frühjahr 1920 wurde ein Kindergarten (Vorschule, Vorklasse) unter Leitung von Elisabeth von Grunelius eröffnet (1/121). Rudolf Steiner gab Ratschläge dafür (1/133, 134, 146, 147). Leider mußte der Kindergarten wegen Geld- und Platzmangels schon nach wenigen Monaten wieder aufgegeben werden. Fräulein von Grunelius übernahm zeitweise andere Aufgaben an der Schule. Ihr Kindergarten kam erst nach Rudolf Steiners Tode wieder zu­stande.

Ebensowenig konnte der Versuch durchgeführt werden, für Kinder, die nachmittags unbeaufsichtigt waren und verwilderten, einen Hort (1/112) einzurichten. Auch hier reichten die Räume und Geldmittel nicht aus. Außerdem war das Interesse gerade der Eltern dieser Kin­der doch nicht stark und zuverlässig genug.

Auch die Versuche, für schulentlassene Kinder eine Fortbildungs-schule zu schaffen, mußten, allerdings aus anderen Gründen, immer wieder aufgegeben werden.

Rudolf Steiner hatte ursprünglich gedacht an eine mit der Waldorf­schule nur locker zu verbindende Schule für junge Leute von vier­zehn bis fünfzehn Jahren ab, als Vorbereitung für den Eintritt in die spezielle Berufsausbildung im Handwerk oder in der Fabrik. Diese Aufgabe sollte Dipl. Ing. Alexander Strakosch (1/121, 126) über­nehmen. Er war bis Herbst 1920 in WienVorstandeinesEisenbahn­werkstättenamtes und hatte durch Urlaub im August/September an den pädagogischen Kursen, und später auch an den naturwissen­schaftlichen Kursen teilnehmen können. (Vgl. dazu: Alexander Stra­kosch, ,,Lebenswege mit Rudolf Steiner. 2. Teil." Dornach 1952, S.60.) Aber dieser erste Plan erwies sich als undurchführbar, weil die Bestimmungen über die staatlichen Fortbildungsschulen jede private Initiative auf diesem Felde ausschlossen.

Jetzt (1/121) im März 1920 trat der zweite Plan auf: für Schüler, die nach absolvierter Schulpflicht aus der 8. Klasse der Waldorfschule ausgetreten waren und nun schon in einer Berufsausbildung standen, eine solche Schule einzurichten. Sie sollte wirkliche ,,Lebenskunde" geben, und Rudolf Steiner wollte sie ,,Lebensschule für die Älte­sten" nennen. Er gab sogar schon einen skizzenhaften Lehrplan

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dafür (1/126). Aber auch dies scheiterte. Das Interesse der jungen Menschen selber war nicht nachhaltig genug, und die behördlichen Bestimmungen ließen keinerlei Spielraum. Strakosch übernahm dann im September 1920 als Klassenlehrer die 5. Klasse und war gleichzeitig in der Leitung des Forschungsinstitutes tätig (Einleitung

S. 19).

In gewisser, freilich recht anderer Weise ist später der innerhalb des Waldorflehrplanes von Strakosch gegebene Unterricht in Technolo­gie (von der 10. Klasse ab) an diese Stelle getreten (1/286, 287. vgl. Sachwortverzeichnis).

Ganz aus der damals Deutschland ergreifenden Erregung über soziale Fragen und gleichzeitig aus der Begeisterung für die Dreigliederungs-bewegung herausgeboren, waren die von Dr. Herbert Hahn für die 6. bis 8. Klasse unternommenen Unterweisungen in ,,sozialer Erkennt­nis" (1/136). Es war das, wie Rudolf Steiner es nannte, ein ,,Unter­richt abseits vom übrigen", der mit dem Wiedereintreten ,,ruhiger" Verhältnisse sein natürliches Ende fand. (Vgl. Sachwortverzeichnis.)

Vier Dinge, die zu den besonders charakteristischen Lebensformen der Waldorfschule gehören, nahmen schon im ersten Schuljahr ihre bleibende Gestalt an.

1. Dem in Württemberg damals üblichen schulfreien ersten Montag im Monat gab Rudolf Steiner einen sinnvollen Inhalt. Er machte aus dem bloßen freien Tag, den er auf den Donnerstag als den geeigneten Wochentag verlegte, ein Schulfest, die ,,Monatsfeier" (1/112), indem er einerseits den Inhalt des Festes ganz aus dem pädagogi­schen Leben der Schule herauswachsen ließ - die Kinder sollten einander zeigen, was sie gearbeitet hatten - und andererseits darauf hinwies, daß dieser Tag etwas sein sollte wie ,,ein Gedankensammeln über den Monatsinhalt". Rudolf Steiners eigene Ansprachen bei die­sen Monatsfeiern und ähnlichen Gelegenheiten siehe in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule"' Stuttgart 1958, S.29, 45, 55, 99, 141,171 (Liste Nr.8).

2. Auch bei den Feiern zum Anfang und Abschluß des Schuljahres erfüllte Rudolf Steiner den bisher üblichen leeren Formalismus mit pädagogischem Inhalt. Freilich war die Gestalt dieser Feiern, wie sie heute noch in den Waldorfschulen lebendig ist, bei Rudolf Steiner auch nicht mit einem Male vorhanden, sondern sie entwickelte sich schrittweise. Man vergleiche dazu Seite 157, ,,etwas, was den Schul­schluß eurythmisch darstellt" mit Seite 289, wo er über die Ansprachen

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der Lehrer spricht. Er gab auch selbst Vorbilder für die Art, wie da zu sprechen sei, in seinen eigenen Ansprachen, von denen sich sechs erhalten haben. Vgl. in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule",

S. 48, 75, 88,126, 145, 175.

3. Ein ähnlicher Prozeß des langsamen Wachsens einer Form zu innerer Realität hin ist bei der Frage der Zeugnisgebung und der Versetzung zu beobachten. Im Seminarkurs am 6. September 1919 (S.183) ist noch von mehreren Zeugnissen die Rede, die im Laufe des Jahres zu geben seien, ,,als von der Außenwelt Gefordertes"; ähnlich auch noch in der Konferenz am 23. Dezember 1919 (1/116). Aber am 14. Juni 1920 (1/147) wird wie selbstverständlich von nur einem Jahreszeugnis gesprochen. Der Kopf der Zeugnisse wurde später von ihm so angegeben:

Dieses Zeugnis

wird

geboren am ____________________ in

für die Klasse ______ im Schuljahr 19_/19_ gegeben

Über die Art, wie diese Zeugnisse innerlich zu gestalten seien, sollten Rudolf Steiners mehrfache Äußerungen (vgl. Sachwortverzeichnis) nachgelesen werden.

4. Der Übergang in die nächsthöhere Klasse wird von der üblichen Versetzung oder Nichtversetzung hinübergeführt zu dem Mitherauf­nehmen möglichst sämtlicher Schüler mit dem Jahrgang, der ihrem Alter entspricht. In den beiden ersten Schuljahren wird noch bei allen besonders schwierigen Kindern einzeln besprochen, ob man sie ,,versetzen", das heißt, weiter mitgehen lassen kann (1/168-171, 281-283). Im dritten Schuljahr ist eine solche Besprechung schon unnötig geworden.

2. Schuljahr: 20. September 1920 bis 11. Juni 1921

11 Klassen

19 Lehrer

420 Schüler

In den Konferenzen des zweiten Schuljahres herrscht überwiegend noch. ungeachtet gelegentlich aufziehender Wolken, die gleiche freudige,

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kraftvolle Stimmung wie im Vorjahr, vielleicht bei den Lehrern etwas weniger draufgängerisch. Es werden im ganzen auch dieselben Probleme behandelt; sie werden ausgearbeitet und vertieft.

Hauptsächlich an drei Stellen zeigt sich aber charakteristisch die Eigenart dieses zweiten Schuljahres: bei der Besprechung der neuen 9. Klasse; dann als die Frage nach der wirtschaftlichen Grundlage und nach der geistigen Selbständigkeit der Schule gestellt wird; und endlich, als Rudolf Steiner spricht über seine eigene Stellung als Leiter der Waldorfschule.

Die Schule wächst auch dieses Jahr kräftig weiter. Für die neue 1. und für die 6. Stufe müssen Parallelklassen eingerichtet werden (1/169, 178). Besonders ausgestaltet werden die praktischen Fä­cher: Handwerk und Gartenbau (1/193-196, 270) sowie Hand­arbeit (1/199, 224, 225, 241, 249, 269, 270). Bei Anstandsunter­richt (1/268) und sozialer Erkenntnis (1/286, 287) wird festgestellt, daß sie jetzt aufhören; beim Kindergarten und der Fortbildungs-schule (1/276-277), daß sie wieder zunächst nicht durchgeführt werden können. Die Art der Zeugnisgebung (1/284, 285) und der Versetzung (1/285) finden ihre endgültige Gestalt.

Für die neuen Klassen und für den praktischen Unterricht, aber auch weil einige Kollegen fortgegangen sind, müssen neue Lehrer einge­stellt werden (1/199, 225, 226, 268, 274, 285). Bei dieserGelegen­heit wird auch festgelegt, wer zum Lehrerkollegium gehören soll und wer nicht (1/198,199).

Beim neusprachlichen Unterricht taucht die Frage auf, die dann nie zur Ruhe kommen will: ob und wie in diesen Fächern die Schüler, ungeachtet ihres Klassenzusammenhanges und ihres Alters, rein nach dem Stande von Wissen und Fähigkeit zusammengefaßt werden sollen (1/171, 284; vgl. auch Sachwortverzeichnis).

Das Problem eines eigenen Schularztes (1/263) und das der Heil­eurythmie (1/284) treten auf.

Das Wichtige aber ist, daß auf die acht Volksschulklassen jetzt eine 9. Klasse, eine Oberklasse, aufgebaut wird (Einleitung S.28 und

1/119). Freilich klingen die damit berührten Probleme vorerst nur leise an. Zunächst sollen die 8. und 9. Klasse von zwei Klassenlehrern ebenso abwechselnd weitergeführt werden wie bisher die 7. und 8. Klasse (1/200).

Auch bei dem Lehrplan für das 9. Schuljahr, der jetzt aufgestellt wird (1/191, 219-226), verbirgt sich das grundsätzlich Neue zunächst noch unter dem Scheine, als ob in der 9. Klasse nur das in der 8. Klasse Besprochene ,,noch einmal" durchzunehmen sei. Aber

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gerade in dem, wie dies ,,noch einmal" geschehen soll, steckt ja die entscheidende Änderung der Unterrichtsart, die diesem Lebensalter entsprechend und notwendig ist. Das wird dann bei den folgenden Klassen immer deutlicher. Hier schauen diese Fragen nur gleichsam wie zum Fenster herein.

Aber schon als jetzt die Frage aufkommt' warum denn die Arbeiter-kinder, die proletarischen Kinder, lieber sofort ins Berufsleben ge­steckt werden, statt in die 9. Klasse weiterzugehen (1/260, 261), klingt schon das Problem des Abituriums an (1/260) und damit die Sorge, daß die heranwachsenden Oberklassen zu sehr in die Nachbar­schaft der üblichen ,,höheren Lehranstalt" geraten könnten, so daß dadurch ,,irgendwelche Dinge" verhindert würden (1/260). ,,Irgend­welche Dinge", das wären nach den ,,Volkspädagogischen Vorträ­gen" (Liste Nr.3) diejenigen Unterrichtsgegenstände, durch die der junge Mensch so, wie es unserer Zeit entspricht, ins wirklich prak­tisch-tätige Leben hineingestellt werden sollte. Diese Frage steht von nun an, ob ausgesprochen oder unausgesprochen, hinter allem, was über die Oberstufe noch verhandelt wird. Es ist ein schwerer Ver­zicht, daß diese Ziele der ,,Volkspädagogischen Vorträge" für die Oberklassen aufgegeben werden müssen.

Und ein großer Verzicht liegt auch in dem Fazit, das Rudolf Steiner am 26. Mai 1921 aus der sozialen Entwicklung der letzten Zeit zie­hen muß. Die Stuttgarter Schule kann nicht mehr als der Anfang einer weit über Deutschland hinausgreifenden Bewegung der Schul­erneuerung gelten. Sie kann nur noch ,,Modell" sein. ,,Eine zweite Schule werden wir nicht mehr errichten können" (1/289). Tatsäch­lich wurden die unvermeidbaren Kompromisse den Behörden gegen­über ständig einschneidender, nicht nur bei allen später gegründeten Waldorfschulen' sondern auch bei der Stuttgarter Schule selbst.

Ein zweites Charakteristikum dieses Schuljahres ist die Frage nach der wirtschaftlichen Grundlage der Waldorfschule. Als sie zwischen den Schuljahren, bei den Konferenzen vom 29. und 31. Juli und 21. September 1920 zur Verhandlung kommt, da lodert das Feuer hell au{ das lange schwelte.

Aber in Wahrheit ist gar nicht das Materielle der Grund dafür. Die Finanzierung bleibt in allen folgenden Jahren eine schwere Sorge. Es ist ja auch im Frühjahr 1920 der Waldorfschulverein begründet (1/183, Einleitung S. 22), dessen damals gegebene Form in den Hauptzügen heute noch besteht. Der Weltschulverein freilich, um den Rudolf Steiner sich so sehr mühte (1/183-186,189,201,202, 228-233, 289), kam weder damals noch je später zustande.

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In Wahrheit ging die Auseinandersetzung um zweierlei: um die gei­stige Selbständigkeit der Schule, das heißt praktisch um ihre Unab­hängigkeit von der Waldorf-Astoria-Fabrik' und dann um das rich­tige Verhältnis zur Person von Emil Molt.

Jetzt macht Rudolf Steiner klar, daß in Wirklichkeit die Gründung der Schule auch finanziell das Werk von Emil Molt ist. ,,Die Schule ist Ihr Verdienst" (1/213).

Gerade dadurch aber wird Emil Molts Stellung zur Schule richtig. Er ist gleichsam als Privatmann ,,Protektor der Schule" und ,,Schul­vater", so wie Bertha Molt ,,Schulmutter" ist. Damit sind beide vollgültige Mitglieder des Lehrerkollegiums (1/199). Dies Kollegium wird ,,jederzeit . . . mit Herrn Molt gehen, will aber nichts mit der Waldorf-Astoria zu tun haben" (1/209). Die Fabrik wird auch wei­terhin Beiträge geben und für die Kinder ihrer Werkangehörigen das Schulgeld bezahlen. Aber die Schule wird von ihr völlig frei und unabhängig sein.

Damit ist auch das dritte und wesentlichste Element dieser Konfe­renzen innerlich auf das engste verbunden. Rudolf Steiner spricht es aus in seiner Ansprache vor den Lehrern beim Beginn des zweiten Schuljahres am 22. September 1920 (1/214-217), daß seine Stel­lung als Leiter der Schule nie anders aufgefaßt werden dürfe als die des Esoterikers. Sie dürfe niemals auf Suggestion oder äußerer Macht beruhen, stets nur auf dem freien Willen und Vertrauen der Lehrer. Damit wird - und das ist die innerste Lebensquelle der Schule -deren Zusammenhang mit Rudolf Steiner und also mit der Anthro­posophie auf das genaueste umschrieben und dargestellt.

3. Schuljahr: 18. Juni 1921 bis 30. Mai 1922

Die Zahlen ließen sich für dieses Jahr nicht genau feststellen. Es

waren ungefähr: 15 Klassen

30 Lehrer

540 Schüler

Überwiegend klingt die Stimmung des freudigen Schaffens durch dies dritte Schuljahr weiter fort; ebenso beim fortgesetzten Aus-und Aufbau wie bei den ohne Unterbrechung durch die Konferen­zen aller Jahre durchlaufenden Themen der Besprechung einzelner schwieriger Kinder und der Beantwortung spezieller sachlicher oder methodischer Fragen.

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Auch in der Stellungnahme gegenüber der behördlichen Schulrevi­sion wird noch eine ungebrochene Einheitlichkeit erlebt. Daß die Revision von seiten der Lehrer unrichtig, weil einseitig gesehen wird, offenbart sich erst nach Monaten. Schrittweise aber werden kritische Worte Rudolf Steiners vernehmlicher. Die Wolken senken sich zuweilen drohend tief herunter.

Wieder werden zwei neue 1. Klassen (2/17, 22) und neue Parallel-klassen (2/17) eingerichtet. Auch Fachlehrer werden neu berufen

(2/19, 53).

Vor allem wird aber die zweite Oberklasse, die 10. Klasse begründet und bekommt ihren Lehrplan (2/18, 22-31). Dabei wird der bis­herige Brauch verlassen, daß die obersten Klassen wechselweise von nur zwei Klassenlehrern betreut werden. Es sollen deren jetzt drei, womöglich sogar vier werden (2/18,27,38). Für diese Klasse werden volle fünf praktische Fächer neu eingerichtet: Spinnen und Weben; Gesundheitslehre und Erste Hilfe; Feldmessen; technische Mechanik (2/18, 29, 30) und Stenographie (2/31).

Sehr eingehend kümmert sich Rudolf Steiner darum, daß für den ,,Ästhetikunterricht"' den Unterricht für das Verständnis des Künstlerischen, ein guter Fachmann zugezogen wird (2/23, 38). Von nun an werden für diesen Unterricht wiederholentlich eingehende Direktiven erbeten und gegeben (2/41, 64 und Sachwortver­zeichnis) .

Eine große Rolle spielt die Revision durch den zuständigen Schul­rat im Frühjahr 1922 (2/68-72; Einleitung S. 22, 25). Rudolf Steiner läßt sich von den Klassenlehrern sehr genau berichten, was sie dabei erlebt haben. Er muß daraus zu der Ansicht kommen, die Prüfung und Beurteilung sei engstirnig, nicht auf das Wesen der Waldorfschule eingehend, und keineswegs wohlwollend gewesen. Es werden deswegen eingehende Beschlüsse gefaßt, wie man durch Artikel in den Zeitschriften ,,Die Drei" und ,,Anthroposophie" solchen unsachgemäßen Einwendungen entgegentreten könne (2/68, Liste Nrn.136' 138).

Desto härter ist der Schlag, als Rudolf Steiner im folgenden Schul­jahr den Bericht des Schulrates an das Ministerium gelesen hat. Er sagt es dann den Lehrern mit scharfen Worten. ,,Wohlwollend ist der Bericht!" - ,,Die Dinge sind wahr, die darin stehen; das ist das Bit­tere" (2/141).

Aber auch schon in diesem 3. Schuljahr kommt gelegentlich derber Tadel zu Wort, noch schwach, aber unüberhörbar. Rudolf Steiner

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klagt über mangelnde Mitarbeit, über mangelnde Lebendigkeit der Schüler (2/20) und über zu geringen Zusammenhang unter den Leh­rern. ,,Willig zusammenarbeiten! Gegenseitig sich verstehen im Kol­legium" (2/80).

Es findet auch die erste, dieses Mal nur kurze, aber sehr eingreifende Besprechung statt über zwei besonders schwierige Schüler der beiden obersten Klassen. ,,Man muß mit den Jungen fertig werden"

(2/71, 72).

Rudolf Steiner tadelt aber nicht nur; er hebt auch wie immer gerne das Gute heraus. Er ist erfreut, ,,weil die Waldorfschule diesen guten Geist ausgebildet hat", und ,,weil sie im wesentlichen doch alles gehalten hat, was sie versprochen hat" (2/77). Er gibt auch an, was zu tun sei für ein gutes Zusammenarbeiten. Er lobt die Dissertation von Dr. von Baravalle. ,,Das ist tatsächlich so, daß spirituelle Kräfte, die im Lehrerkollegium sind, das Lehrerkollegium tragen durch die Gegenseitigkeit des inneren wissenschaftlichen Erlebens" (2/44). Ganz am Ende des Schuljahres geschieht aber etwas, was einen bösen Schatten vorauswirft. Schüler der obersten (10.) Klasse hatten gebe­ten um ein Gespräch mit RudolfSteiner (2/93). Da brachten sie alles vor, was sie an Kümmernissen über einige ihrer Lehrer auf dem Her­zen hatten. Rudolf Steiner hörte sie an, ließ sie ruhig alles ausspre­chen, fragte nicht nach und entließ sie, ohne weiter daraufeinzu­gehen. Dies Gespräch hatte eine starke Nachwirkung, aber erst im folgenden Jahr.

4. Schuljahr: 20. Juni 1922 bis etwa 24. März 1923

Auch hier sind die beiden ersten Zahlen nicht genau festzustellen:

19 Klassen

37 Lehrer

640 Schüler

Gleich zu Beginn des Schuljahres, noch ehe der Unterricht beginnt, ziehen sich die Wolken zum ersten Male dicht zusammen und entla­den sich, wie auch dann im Lauf des Jahres, Schlag auf Schlag. Rudolf Steiner gebraucht immer wieder empörte, tadelnde Worte, bis hin zum Februar 1923.

Aber in die dadurch entstandene finster lastende Stimmung der Leh­rer hinein stellt er im letzten Vierteljahr, eine nach der anderen, sieben geschlossene Sonderdarstellungen, die jeweils ein wichtiges

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Gebiet der Pädagogik erhellen. Sie umfassen manchmal eine ganze Konferenz. Es wird so gleichsam das, was abzusinken droht, mit Riesenkraft wieder in die Höhe gehoben.

Das erste Unwetter grollt gleich am Abend nach der Schuleröffnung 1922. Nach kurzer Ansprache wird in einigen der wichtigsten Fächer ein Austausch der Lehrer vorgenommen. Rudolf Steiner war dem, was die Schüler der 10. Klasse ihm im Gespräch vorgebracht hatten, selbst gründlich beobachtend nachgegangen (2/93) und hatte den Eindruck bekommen, daß ,,die Waldorfschule (mit diesen Kindern) nicht eigentlich fertig geworden wäre" (2/93). Ein schwerer Vor­wurf folgt dem anderen. (Es werden nur einige angeführt.) Statt des ,,innigen Verbundenseins" mit der Klasse sei eine ,,gewisse . . . Ent­fremdung eingetreten". Es sei zu einem ,,Zerflattern" der Klasse gekommen, nicht zum ,,richtigen Zusammenwirken". Statt ,,Begei­sterung" habe sich ,,negative, skeptische Stimmung . . . in den Unterricht hineingeschlichen" (2/95, 96).

Der Unmut Rudolf Steiners ist so tief, daß er am nächsten Abend die Konferenz schroff abbricht und im Zorn hinausgeht, als es sich zeigt, daß bei den Zeugnissen ,,ein Mangel an Ernst", ,,eine unerhörte Schlamperei"vorgekommen sei (2/110). Erst die Konferenz am drit­ten Tag (22. Juni 1922) verläuft in gewohnter Weise.

Ganz besonders schlimm wird es, als im Herbst 1922 bei einer Gruppe von Schülern der 9. bis 11. Klasse Ausschreitungen vorge­kommen waren, in denen sich eine moralische ,,Verwilderung" offenbarte. Die gründliche Besprechung darüber nimmt zwei ganze Konferenzen (2/120-137) und darüber in Anspruch.

Mehrere Schüler müssen von der Schule ausgeschlossen werden, und es gibt einigen Wirbel in den Klassen und bei den Menschen um die Schule herum.

Rudolf Steiner gebraucht auch dieses Mal gegenüber den Lehrern wieder harte Worte, und er wiederholt manche auch in anderen Kon­ferenzen dieses Jahres. (Auch hier wird nicht auf alles hingewiesen.) Er spricht von ,,gewöhnlichem Schulschlendrian" (2/205), von ,,innerer Bequemlichkeit" (2/225). ,,Die Waldorfschul-Methodik ist nicht überall angewendet" (2/205), ,,die Praxis ist noch nicht da" (2/108). ,,Das Dozieren ist nicht überwunden worden" (2/174). Es bestehe nicht genug ,,Interesse und Verständnis für das Echo, das aus der Klasse entgegenkommt" (2/173); ,,die Kinder arbeiten nicht mehr innerlich seelisch mit" (2/173). So ist ,,der Kontakt verloren mit den Kindern" (2/204). ,,Selbstdisziplinierung" ist nötig (2/224).

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Frische, . . . Wurf, Schneid gehört in unsere Unterrichtstätigkeit" (2/206). ,,Wir müssen Feuer hineinbringen" (2/179). Vor allem aber: ,,Es muß Humor hinein!" (2/108). Gerade dies wird mehrfach auch an anderen Stellen wiederholt. ,,Die Stimmung ist hier eine so gespannte" (2/224). ,,Ein harmonisches Zusammenarbeiten müßte geboren werden" (2/225).

Es kommen noch Schwierigkeiten anderer Art hinzu. In über drei Konferenzen wird endlos verhandelt über die richtige Gestaltung des Stundenplans (28. Oktober, 24. November, 5. und 9. Dezember 1922). Der Eindruck ist, daß Rudolf Steiner zuletzt resignieren muß, weil er kein Verständnis findet.

Und endlich zeigt es sich als nötig, daß Rudolf Steiner die Schulver­waltung auf eine neue Grundlage stellt. Er schlägt vor, daß neben dem, der im Schulhause wohnt und deshalb gewisse laufende Ver­waltungsdinge zu führen hat (2/235), nun für alles übrige ein ,,kleines Kollegium", ein drei- bis vierköpfiger Verwaltungsrat gebildet wird (2/235). Dies läßt sich aber erst in mühsamen und langwierigen Ver­handlungen erreichen, bei denen Rudolf Steiner mit seinen tadeln­den Äußerungen nicht hinter dem Berge hält (23. und 31. Januar 1923).

Während dieser schweren Monate wird aber dennoch der Ausbau der Schule fortgeführt. Für die neue 11. Klasse wird ein ausführlicher Lehrplan gegeben (2/97-99, 102-106, 109), und es sollen neue Lehrer berufen werden (2/151, 184). Durch neue Paralielklassen können nun die Volksschulklassen alle doppelzügig geführt werden. Vor allem aber tut Rudolf Steiner etwas tief Eingreifendes. Gerade in dieser Zeit (Januar bis März 1923), als auch in der Anthroposo­phischen Gesellschaft große Schwierigkeiten zu überwinden sind, wirkt Rudolf Steiner durch das Einfließenlassen neuer spiritueller Kräfte der niederdrückenden Stimmung entgegen.

Er spricht erstens über den Bildschmuck in den Räumen der Schule (2/228-231, 240, 241); zweitens darüber, wie sich der Lehrer fruchtbar vorbereiten kann (2/232-235). Es folgt als drittes das über die Schulhygiene Gesagte (2/257-267), und viertens ein aus­führliches Gespräch über die Stellung des französischen Unterrichts in der Schule (2/276-284). Als fünftes schließen sich an Ernäh­rungsfragen (2/284-289) und sechstens die Grundlegung desTurn­unterrichts (2/218-220, 292-301). Schließlich als siebtes werden für Lehrer und einige besonders interessierte Musikfreunde im März noch zwei große Vorträge gehalten über Wesen und Entwicklung der Musik (Zeittafel; Liste Nr. 24).

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5. Schuljahr: 24. April 1923 bis etwa 7. April 1924

21 Klassen

39 Lehrer

687 Schüler

Die Gewitterstürme des Vorjahres haben die Luft gereinigt, wenn es auch noch keineswegs ohne Rückfälle und Rückschläge abgehen will. Im Zentrum des Interesses steht, äußerlich gesehen, während des ganzen Jahres die Auseinandersetzung mit Staat und Außenwelt, das heißt hier also mit dem Abiturientenexamen. Das nimmt viel Zeit und Kraft in Anspruch.

Größte geistige Ereignisse geben die herrschende Stimmung. Erstens im Herbst 1923 die drei Vorträge für die Waldorflehrer ,,Anregungen zur innerlichen Durchdringung des Lehr- und Erzieherberufes" (Liste Nr.28). Zweitens am Ende des Schuljahres die ,,Erziehungs­tagung der Freien Waldorfschule" (Liste Nr.29). Drittens, und mehr als alles andere, die Dornac her Weihnachtstagung vom 24. Dezember 1923 bis zum 1. Januar1924 (Liste Nr. 118).

Es wird der Versuch gemacht, die Schüler schon am Ende des 12. Schuljahres ins Abitur zu schicken. Davon ist in zwei Dritteln aller Konferenzen dieses Jahres die Rede; mehr oder weniger aus­führlich, direkt oder indirekt. Besonders eindringlich wird es am 25. April 1923 und ganz zuletzt, also schon nach der Prüfung, am

27. März 1924.

Diese Abituriumsnot ist auch der Grund dafür, daß der Lehrplan der neueingerichteten 12. Klasse gar nicht so aufgestellt werden kann, wie es sein müßte. Immer wieder heißt es ähnlich wie 3/34-38: ,,Wir müßten den Lehrplan der 12. Klasse eigentlich . . .,,, und dann:

,,aber wir können des Abiturs wegen nur..." Immerhin kann doch Wesentliches gegeben werden: über Chemie (3/35, 36, 76, 77), über Zoologie und Geologie (3/34, 35, 42-44, 77-79). Ausführlich wird gesprochen über Interpunktion, ihr Wesen und die Methode ihrer Behandlung (3/56, 67-70).

Im übrigen Aufbau wird zum ersten Male eine dritte S. Klasse, eine 5c eingerichtet (3/93, 100) und wieder zwei 1. Klassen (3/21). Es gehen Lehrer fort, zum Teil nach schwierigen Auseinandersetzungen (3/21-25), und neue kommen hinzu (2/302, 3/26).

Aber wieder erheben sich Schwierigkeiten mit Schülern, diesmal nicht aus den drei obersten Klassen (dort ist eine gewisse Beruhigung eingetreten), sondern aus der 9. Klasse. Es ist in diesem Jahr nicht

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alles gar so tragisch, es klingt auch Humor hinein. Ausschlüsse kom­men nicht vor. Aber bei mehreren Schülern wird die schwierige Psychologie eingehend durchgesprochen (3/60-63, 64-66, 71, 82-86). Es handelt sich in erster Linie darum, daß die in diesem Alter heraufkommende ,,latente" Intelligenz sich von sich selbst aus nur an ,,rüpelhaften Sachen übt". ,,Die Intelligenz muß auf die rich­tigen Bahnen gelenkt werden" (3/72-74).

Diesem Negativen stehen auch in diesem Jahre wieder herrlichste Geistgeschenke gegenüber. Die ,,künstlerisch-pädagogische Tagung" vom 25.-29. März 1923 (Liste Nr. 25). Dann die ,,pädagogischen Michaelsvorträge" vom 15. und 16. Oktober 1923 (Liste Nr.28). Und schließlich Ostern 1924 die ,,Erziehungstagung" (Liste Nr.29). In ihr wird schon spürbar, was seit drei Monaten, alles überstrahlend, in die Schule hineinwirkte: die Dornacher Weihnachtstagung (Ein-leitung S. 15; Liste Nr. 118).

Rudolf Steiner, der bei dieser Neubegründung der Anthroposophi­schen Gesellschaft in ihr jetzt selbst den Vorsitz übernommen hatte, spricht in der nächstfolgenden Konferenz (3/110-123) erstmals über die neuen Aufgaben, aber auch über die neuen Kräfte, die sich aus diesem Ereignis für die Lehrer der Waldorfschule ergeben sollten. Es lag die Absicht vor, dies alles in der Folgezeit noch viel weiter und größer auszubauen.


6. Schuljahr: 30. April 1924 bis 30. März 1925

1919 1924

8 Klassen 23 Klassen

12 Lehrer 47 Lehrer

256 Schüler 784 Schüler

Die von Rudolf Steiner geleiteten Konferenzen des ersten (1919/20) und die des letzten Schuljahres (1924) stehen einander seltsam gegenüber.

So riesenhaft sich 1919 alle Anfangsschwierigkeiten auch erheben mochten, sie verbrannten ganz und gar in dem Feuer der Begeiste­rung darüber, daß diese Waldorfschule nun Wirklichkeit werden sollte. Die anthroposophische Geisteswissenschaft trat weithin sicht­bar in das allgemeine Kulturleben ein. Sie sollte der Erziehungskunst neue und befeuernde Impulse geben. Mit schier unerschöpflichem Wagemut wurden die neuen Aufgaben angepackt.

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Im letzten Jahr, 1924, mischen sich in den hellen Glanz, wie in den letzten zwei Jahren, auch wieder unübersehbar getrübte Töne hinein. Sie gewinnen nicht die Übermacht, gehen sogar zurück, aber sie rufen auf zur Selbstbesinnung und zu erhöhter Anspannung aller Kräfte, um Begeisterung und Geistesgetragenheit ständig neu erste­hen zu lassen.

Der äußere Ausbau war in allen Grundzügen an sein Ende gelangt. Die zwölf Jahrgänge, die die Schulpädagogik umfassen, standen, samt der Hilfsklasse, jetzt da. Parallelklassen wurden auch in diesem Jahr wieder neu eingerichtet (3/145), trotzdem die Schülerzahl für die vier untersten Klassen von der Schulbehörde noch eingeschränkt war (3/145, Einleitung S. 29, 30); auch neue Lehrer wurden noch eingestellt (3/143, 145), aber es wurde nicht, wie bisher, eine neue Klasse auf die eigentliche Schule daraufgesetzt.

Dafür kam der weittragende Entschluß zustande, in diesem Schul­jahr nicht mehr die Reifeprüfung am Ende der 12. Klasse abzuhalten. Dieser Versuch hatte im vorigen Jahr die oberste, 12. Klasse und ihren Lehrplan von Grund aus verdorben.

Rudolf Steiner erwog lange (3/144, 146,150, 194), wie diese Frage zu lösen sei. Er sprach sie auch mit den Schülern durch, die jetzt in die 12. Klasse eintraten (3/135, 150). Das endgültige Ergebnis war, daß vom übernächsten Jahr, also von 1925 ab, eine eigene Klasse eingerichtet werden sollte für solche Schüler, die ein staatliches Reifezeugnis benötigten für ihren Lebensweg. Damit aber diese Klasse nicht einfach als die höchste, die 13., angesehen werden könne, sollte sie schon durch die Namensgebung ,,Vorbereitungs­klasse für das Abiturium" (3/194) als eine Sondereinrichtung cha­rakterisiert werden. Die zwölf eigentlichen Klassen sollten ,,rein gehalten" werden (3/146).

Für die zwölf Schulklassen aber konnte nun, ohne Rücksichtnahme auf Abschlußzeugnisse, der Lehrplan vervollständigt werden, wie immer ausschließlich begründet auf Wesen und Bedürfnisse der jun­gen Menschen selbst (3/146-149, 150-158). Er wurde ergänzt durch einen jetzt neu gegebenen Gesamtlehrplan für den Unterricht inden neueren Fremdsprachen (3/161-165,170-175).

Das Hinausschieben der Abitursvorbereitung aus der eigentlichen Schule war aber nur ein Teil eines Kampfes, den Rudolf Steiner damals führte, um die Waldorfschule ,,rein zu halten" von den Ein­flüssen, die aus der üblichen, ,,bourgeoisen" (1/261) höheren Schule hineinwehten. Denn diese veranlaßten zum guten Teil die erwähnten Trübungen des Gesprächstones in den Konferenzen.

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Die Rücksicht auf die Prüfung drohte, schon bis in die 9. Klasse hinunter, die Oberstufe einseitig intellektuell oder lernmäßig zu machen. Sie verhinderte, die Lebenskunde oder Technologie zu erweitern; sie drohte sogar, die bestehende einzuengen, die doch gerade ins Tätig-Menschliche, ins wirkliche Leben hineinführen sollte. Das ist in den Konferenzen nicht mit direkten Worten gesagt, aber wer diesen Ton in anderen Vorträgen Rudolf Steiners, zum Beispiel 1/276, 277, oder ,,Die pädagogische Praxis vom Gesichtsi punkte geisteswissenschaftlicher Menschenerkenntnis", 7. Vortrag, S. 142-145 (Liste Nr.26), vernommen hat, hört ihn auch hier immer wieder durch. Manche Enttäuschung und Bitterkeit, mancher Tadel (3/167-169,182-185, 187-190), die schon im S. Schuljahr ausgesprochen waren, kommen jetzt verstärkt wieder. Die strengen Worte beziehen sich, wenn von den Zeugnissen (3/141, 167, 168, 180, 181) die Rede ist, auf sämtliche Klassen, sonst aber vor allem auf die oberen. Und da trifft es besonders die Lehrer des Hauptunter­richts, die selbst einst durch staatliche Oberschule und Universität mit ihren intellektuellen Forderungen hindurchgehen mußten. Davon war ihnen zurückgeblieben, womit sie jetzt zu ringen hatten:

das Dozieren (3/187), die Müdigkeit. ,,Ein Mensch kann doch nicht müde sein, wenn er im Geiste leben soll" (3/190). Mit harten Worten bezeichnet Rudolf Steiner diese Fehler, die noch nicht durch Anthroposophie überwunden sind, und wiederholt das immer wieder. ,,Es fehlt der moralische Einfluß der Lehrerschaft auf die Schülerschaft von der 8. Klasse ab eigentlich doch sehr stark" (3/183). Die Schwierigkeiten seien ,,vorzugsweise eine Sache des Interesses an den Kindern . . . und eine Sache des Enthusiasmus"

(3/189).

Aber so streng die Worte klingen mögen, so sind sie doch niemals in Resignation gesagt. Sie sind positiv gemeint, wollen weiterhelfen. ,,Ich muß einen neuen Einschlag geben' ,(3/189). Für die herandrän­genden Aufgaben soll sich der Blick stärker und klarer nach innen wenden, damit die Arbeit der Lehrer immer tiefer angeschlossen werde an das Geistige, an die wahre Menschenkunde. ,,Ich will Vor­träge halten im September oder in der ersten Oktoberwoche über die moralische Seite der Erziehung und des Unterrichts" (3/194). Aber dieser Kurs wurde nicht gehalten. Die eingetretene Krankheit Rudolf Steiners verhinderte es. Ebenso wird erwähnt ein zugesagtes Seminar über den Sprachunterricht, das nicht mehr zustande kam. Diese Lücken schmerzen seither wie brennende Wunden. Denn die Aufgaben wurden größer und größer.

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Die erste Gruppe der Absolventen, der ,,ehemaligen" Schüler stand schon da. Mit ihnen wurden zwei Besprechungen abgehalten (Zeit­tafel), und Rudolf Steiner stellte weitere Fürsorge in Aussicht.

Auch der Kreis der Jugendgruppen, die auf die Waldorfschule hin-schauten, war gewachsen. Erwähnt werden die in Breslau (3/177) und die in Dornach (3/137, 143 und Einleitung S. 35). Die Schul­bewegung erweiterte sich. Es wurden neue Schulen jetzt auch in Holland und England errichtet, für die Rudolf Steiner pädagogische Kurse hielt mit Hinweisen auf das Stuttgarter Urbild. Und ebenfalls wuchs das Bedürfnis, aus dem Munde der Lehrer Näheres über Wal­dorf-Pädagogik zu hören. Solche Vorträge waren gehalten oder in Aussicht genommen in Nürnberg und München (3/192).

Die Eltern der Waldorfschüler hatten gebeten um Belehrung und Hilfe. Ihnen hielt Rudolf Steiner einen Vortrag am 1. Juni1924 (Zeittafel. Liste Nr.8).

Überall tönte aus den Worten Rudolf Steiners die vertiefte Kraft heraus, die er in die Schule einfließen ließ. Aber das geschah wohl niemals intensiver, freudiger, strahlender als in seiner Ansprache an Kinder, Eltern, Lehrer beim Schulbeginn am 30. April 1924 (3/145). Und niemals war die Stimmung gelöster und trotz allem hoffnungsfreudiger als in der Konferenz vom 3. September (3/191) in der Nacht, ehe Rudolf Steiner nach Dornach fuhr zum Kurs über Sprachgestaltung, auf den er sich so sichtlich freute. Es war die letzte Lehrerkonferenz mit ihm.

Während der ganzen zweiten Hälfte dieses Schuljahres lag Rudolf Steiner krank in Dornach. Die Sorgen und Nöte der Lehrer konnten nur durch Briefe zu ihm gelangen, die dann durch ganz kurze Rand-bemerkungen oder durch nach Stuttgart zu schreibende Anweisun­gen beantwortet wurden. Am letzten Schultag, am 30. März 1925, starb Rudolf Steiner.

Zwei Wochen vorher hatte er noch einmal selber einen Brief an die Waldorflehrer geschrieben (abgedruckt in ,,Die Konstitution der All-gemeinen Anthroposophischen Gesellschaft , S. 405; Liste Nr.50). In diesem Brief faßt Rudolf Steiner noch einmal die Kern-kräfte der Waldorf-Pädagogik zusammen. Er spricht da von der Fruchtbarkeit der Anthroposophie und sagt: ,,Wenn die Lehrer-schaft treu im Herzen das Bewußtsein trägt von dieser Fruchtbar­keit, dann werden die guten über dieser Schule waltenden Geister wirksam sein können, und in den Taten der Lehrer wird göttlich-geistige Kraft walten."

Erich Gabert

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ANSPRACHE VON DR. RUDOLF STEINER am 20. August 1919 in Stuttgart

bei einem Begrüßungsabend für die Teilnehmer an den pädagogi­schen Kursen, die vom 21. August bis zum 6. September für die künftigen Waldorflehrer abgehalten wurden.

Anwesend Herr Molt Frau Koegel

Frau Molt Herr Baumann

Herr Stockmeyer Herr Rudolf Meier

Fräulein von Mirbach Herr Pastor Geyer

Fräulein Herrmann Herr Hahn

Herr Dr. Treichler Herr Oehlschlegel

Fräulein Dr. C. von Heydebrand

Rudolf Steiner: Heute Abend soll nur etwas Präliminarisches gesagt werden. Die Waldorfschule muß eine wirkliche Kulturtat sein, um eine Erneuerung unseres Geisteslebens der Gegenwart zu erreichen. Wir müssen mit Umwandlung in allen Dingen rechnen; die ganze soziale Bewegung geht ja zuletzt auf Geistiges zurück, und die Schulfrage ist ein Unterglied der großen geistigen brennenden Fra­gen der Gegenwart. Die Möglichkeit der Waldorfschule muß dabei ausgenützt werden, um reformierend, revolutionierend im Schul­wesen zu wirken.

Das Gelingen dieser Kulturtat ist in Ihre Hand gegeben. Viel ist damit in Ihre Hand gegeben, um, ein Muster aufstellend, mitzuwirken. Viel hängt davon ab, daß diese Tat gelingt. Die Waldorfschule wird ein praktischer Beweis sein für die Durchschlagskraft der anthroposo­phischen Weltorientierung. Sie wird eine Einheitsschule sein in dem Sinne, daß sie lediglich darauf Rücksicht nimmt, so zu erziehen und zu unterrichten, wie es der Mensch, wie es die menschliche Gesamt­wesenheit erfordert. Alles müssen wir in den Dienst dieses Zieles stel­len.

Aber wir haben es nötig, Kompromisse zu schließen. Kompromisse sind notwendig, denn wir sind noch nicht so weit, um eine wirklich freie Tat zu vollbtingen. Schlechte Lehrziele, schlechte Abschlußziele werden uns vom Staat vorgeschrieben. Diese Ziele sind die denkbar schlechtesten, und man bildet sich das denkbar Höchste auf sie ein. Die Politik, die politische Tätigkeit von jetzt wird sich da­durch äußern, daß sie den Menschen schablonenhaft behandeln wird, daß sie viel weitergehend als jemals versuchen wird, den Menschen

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in Schablonen einzuspannen. Man wird den Menschen behan­deln wie einen Gegenstand, der an Drähten gezogen werden muß, und wird sich einbilden, daß das einen denkbar größten Fortschritt bedeutet. Man wird unsachgemäß und möglichst hochmütig solche Dinge einrichten, wie es Erziehungsanstalten sind. Ein Beispiel und Vorgeschmack davon ist die Konstruktion der russischen bolsche­wistischen Schulen, die eine wahre Begräbnisstätte sind für alles wirkliche Unterrichtswesen. Wir werden einem harten Kampf ent­gegengehen und müssen doch diese Kulturtat tun.

Zwei widersprechende Kräfte sind dabei in Einklang zu bringen. Auf der einen Seite müssen wir wissen, was unsere Ideale sind, und müs­sen doch noch die Schmiegsamkeit haben, uns anzupassen an das, was weit abstehen wird von unseren Idealen. Wie diese zwei Kräfte in Einklang zu bringen sind, das wird schwierig sein für jeden einzelnen von Ihnen. Das wird nur zu erreichen sein, wenn jeder seine volle Persönlichkeit einsetzt. Jeder muß seine volle Persönlichkeit einset­zen von Anfang an.

Deshalb werden wir die Schule nicht regierungsgemäß, sondern ver­waltungsgemäß einrichten und sie republikanisch verwalten. In einer wirklichen Lehrerrepublik werden wir nicht hinter uns haben Ruhe kissen, Verordnungen, die vom Rektorat kommen, sondern wir müssen hineintragen (in uns tragen?) dasjenige' was uns die Möglich­keit gibt, was jedem von uns die volle Verantwortung gibt für das, was wir zu tun haben. Jeder muß selbst voll verantwortlich sein.

Ersatz für eine Rektoratsleistung wird geschaffen werden können dadurch, daß wir diesen Vorbereitungskurs einrichten und hier das­jenige arbeitend aufnehmen, was die Schule zu einer Einheit macht. Wir werden uns das Einheitliche erarbeiten durch den Kurs, wenn wir recht ernstlich arbeiten.

Für den Kurs ist anzukündigen, daß er enthalten wird:

Erstens eine fortlaufende Auseinandersetzung über allgemein päd­agogische Fragen

zweitens eine Auseinandersetzung über speziell methodische Fragen der wichtigsten Unterrichtsgegenstände

drittens eine Art seminaristisches Arbeiten innerhalb dessen, was unsere Lehraufgaben sein werden. Solche Lehraufgaben werden wir ausarbeiten und in Disputationsübungen zur Geltung bringen.

An jedem Tag werden wir vormittags das mehr Theoretische haben und nachmittags dann das Seminaristische. Wir werden also morgen

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um 9 Uhr beginnen mit der Allgemeinen Pädagogik, haben dann um 1/2 11 die speziell methodische Unterweisung und am Nachmittag von 3-6 Uhr die seminaristischen Übungen.

Wir müssen uns voll bewußt sein, daß eine große Kulturtat nach jeder Richtung hin getan werden soll.

Wir wollen hier in der Waldorfschule keine Weltanschauungsschule einrichten. Die Waldorfschule soll keine Weltanschauungsschule sein, in der wir die Kinder möglichst mit anthroposophischen Dog­men vollstopfen. Wir wollen keine anthroposophische Dogmatik leh-ren, aber wir streben hin auf praktische Handhabung der Anthro­posophie. Wir wollen umsetzen dasjenige, was auf anthroposophi­schem Gebiet gewonnen werden kann, in wirkliche Unterrichts­praxis.

Auf den Lehrinhalt der Anthroposophie wird es viel weniger ankom­men als auf die praktische Handhabung dessen, was in pädagogischer Richtung im allgemeinen und im speziell Methodischen im besonde­ren aus Anthroposophie werden kann, wie Anthroposophie in Hand­habung des Unterrichts übergehen kann.

Die religiöse Unterweisung wird in den Religionsgemeinschaften erteilt werden. Die Anthroposophie werden wir nur betätigen in der Methodik des Unterrichts. Wir werden also die Kinder an die Reli­gionslehrer nach den Konfessionen verteilen.

Das ist der andere Teil des Kompromisses. Durch berechtigte Kom­promisse beschleunigen wir unsere Kulturtat.

Wir müssen uns bewußt sein der großen Aufgaben. Wir dürfen nicht bloß Pädagogen sein, sondern wir werden Kulturmenschen im höchsten Grade, im höchsten Sinne des Wortes sein müssen. Wir müssen lebendiges Interesse haben für alles, was heute in der Zeit vor sich geht, sonst sind wir für diese Schule schlechte Lehrer. Wir dürfen uns nicht nur einsetzen für unsere besonderen Aufgaben. Wir werden nur dann gute Lehrer sein, wenn wir lebendiges Interesse haben für alles, was in der Welt vorgeht. Durch das Interesse für die Welt müs­sen wir erst den Enthusiasmus gewinnen, den wir gebrauchen für die Schule und für unsere Arbeitsaufgaben. Dazu sind nötig Elastizität des Geistigen und Hingabe an unsere Aufgaben.

Nur aus dem können wir schöpfen, was heute gewonnen werden kann, wenn Interesse zugewendet wird

erstens der großen Not der Zeit, zweitens den großen Aufgaben der Zeit, die man sich beide nicht groß genug vorstellen kann.

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Die Aufforderung zur Teilnahme am Kurs als Gäste ist nur an solche Anthroposophen ergangen, die spezielles Interesse haben, die an anderen Orten Ähnliches einrichten wollen.

Gäste: Andreas Körner aus Nürnberg

Fräulein Kieser aus Heilbronn

Dr. W. Stein aus Wien

Strakosch

Wolfer

An den beiden Sonntagen werden wir vormittags große Vorträge haben.

Jeder Lehrer muß der Behörde einen Lebenslauf einreichen, aus dem hervorgeht, daß er so viel gelernt hat, daß er den Unterricht geben kann. Das wird von der Schulbehörde abhängen. Auch moralische Eignung.

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Dr. Steiner über den Schulanfang

Dr. Steiner: Wir werden den Schulanfang um 8 Uhr haben. Für die Zeit vom 15. November bis zum 15. Februar kann 1/2 9Uhr in Aussicht genommen werden. Klassenlehrer werden sein:

1. Klasse Fräulein von Mirbach

2. Klasse Herr Pastor Geyer

3. Klasse Fräulein Lang

4. Klasse Frau Koegel

5. Klasse Fräulein Dr. von Heydebrand

6. Klasse Herr Oehlschlegel

7. und 8. Klasse Herr Dr. Treichler und Herr Stockmeyer.

Außerdem werden als Lehrer tätig sein: Herr Dr. Stein, Herr Hahn, Frau Baumann, Herr Baumann.

Der Religionsunterricht ist auf den Nachmittag zu verlegen. Ebenso auch das Singen und der musikalische Unterricht; das wird von 14-15.30 Uhr liegen. Auch die Eurythmie sollte nachmittags sein. Wir werden also am Nachmittag haben:

von 14-15.30 Uhr Musikalisches

eine halbe Stunde Pause zur Erholung

von 16-17 Uhr Religion

von 17-18 Uhr Eurythmie und Turnen

um 18 Uhr werden die Kinder entlassen.

Der Mittwoch- und Samstagnachmittag ist frei.

Die Stunden werden sich in folgender Weise auf die Wochentage ver­teilen:

14-15.30 Uhr 16-17Uhr 17-18 Uhr

Singen und Religion Eurythmie

Musikalisches

Montag 7./8. Klasse 7./8. Klasse 1./2. Klasse

Dienstag 5./6. Klasse 5./6. Klasse 3./4. Klasse

Mittwoch - - -

Donnerstag 4./3. Klasse 4./3. Klasse 5./6. Klasse

Freitag 2./1. Klasse 2./1. Klasse 7./8. Klasse

Samstag - - -

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Die Stundenzahl ist den Lehrern überlassen. Der Religionsunter­richt ist in absteigender Linie zu unterrichten. Es ist gut für den Leh­rer, den Sonntag nach den Kleinsten zu haben. Am Donnerstag und Freitag haben wir also in den vier niederen Klassen ab 16 Uhr den Religionslehrer.

In der 1., 2., 3. Klasse haben wir nur Eurythmie, in der 4., 5., 6., 7., 8. Klasse auch Turnen. Die Turner sollte man beider Eurythmie, die Eurythmisten beim Turnen zuschauen lassen.

Dann der Stundenplan für den Vormittag:

1. Klasse Montag Mittwoch Freitag 8 -10 Haupt-

Dienstag Donnerstag Samstag 101/4-121/4 unterricht

2. Klasse Dienstag Donnerstag Samstag 8 -10 Haupt-

Montag Mittwoch Freitag 101/4-121/4 unterricht

Es sollte in den ersten dreiviertel Jahren alles möglichst im Zusam­menhang durchgenommen werden, also die Fächer ein Vierteljahr hintereinander, nach Wahl. Im letzten Vierteljahr kann man dann die Gegenstände trennen und sie abwechselnd nehmen zur Wiederho­lung. Nur bei der Wiederholung trennt man die Gegenstände, sonst nimmt man immer eine Zeitlang nur einen Gegenstand, also etwa Märchenerzählen und dann Schreiben.

3. Klasse Montag bis Samstag 8-10 Uhr für den Klassenlehrer.

Zwölf Stunden ist genügend für den Lehrer. Das ist achtstündiger Arbeitstag mit der Vorbereitung.

4. Klasse wie bei Klasse 3

5. Klasse Montag Mittwoch Freitag 8 -10

Dienstag Donnerstag Samstag 101/4 - 121/4

6. Klasse Dienstag Donnerstag Samstag 8 -10

Montag Mittwoch Freitag 101/4-121/4

In der 7. und 8. Klasse wechseln die beiden Klassenlehrer mitein­ander.

7. Klasse 1. Lehrer Montag Mittwoch Freitag 8-10

2. Lehrer Dienstag Donnerstag Samstag 8-10

8. Klasse 1. Lehrer Dienstag Donnerstag Samstag 8-10

2. Lehrer Montag Mittwoch Freitag 8-10

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Sprachunterricht:

Die 1. Klasse hat täglich, je nachdem ob der Hauptunterricht um 8 oder um 101/4 beginnt, vorher oder nachher eine Stunde Englisch und Französisch. Das ist eventuell auf den Nachmittag zu verlegen, aber womöglich sollte es am Vormittag sein.

Die 2. Klasse ebenso.

Die 3. Klasse hat auch täglich eine Stunde Englisch oder Franzö­sisch.

Die 4. Klasse ebenso. Aber die haben dazu außerdem täglich nach­mittags zwei Stunden Lateinisch, außer Mittwoch und Samstag, also acht Stunden in der Woche. Aber alles womöglich am Vormittag.

Später wurde das von Dr. Steiner dahin abgeändert, daß sowohl mit dem Lateinischen wie mit dem Griechischen in der 5. Klasse begonnen werden sollte. Siehe auch Seminarbesprechungen S. 182.

Die 5. Klasse ebenso.

In der 6. und 7. Klasse kommt Griechisch hinzu. Dafür fallen wöchentlich vom 6. Schuljahr ab drei englisch/französische Stunden weg. Statt dessen haben sie 11/2 Stunden Latein und 1 1/2 Stunden Griechisch.

Aller Sprachunterricht sollte zwischen Pausen gemacht werden.

Das Englisch in der 1. und 2. Klasse übernimmt Fräulein Dr. von Heydebrand; alles übrige Englisch Herr Oehlschlegel.

Im Französischen übernimmt Herr Hahn die 1. bis 3. Klasse, also neun Stunden; das übrige, die 4. bis 8. Klasse Herr Dr. Treichler.

Lateinisch: 4. (und 5.? ) Klasse Herr Pastor Geyer, 6. Klasse Herr Dr. Treichler.

Griechisch: Herr Dr. Treichler.

Herr Dr. Stein vertritt Fräulein von Mirbach für die Zeit ihrer Ab­wesenheit. Vielleicht kann Dr. Stein im Latein Dr. Treichler helfen, drei bis vier Wochen, bis Mitte Oktober.

Handarbeit kann zum Teil im Hauptunterricht gegeben werden. Oder man kann es nachmittags einfügen.

Der anthroposophische Unterricht, der freie Religionsunterricht, kann durch die Klassenlehrer gegeben werden. Aber damit soll man pausieren bis zum 23. September.

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Vom 18. bis zum 21. September bin ich in Dresden, am 23. werde ich wieder hier sein. Da wird vieles zu besprechen sein. Da können Sie vieles fragen. Am 26. muß ich wieder weg.

Es wird gefragt nach Apparaten für die Physik.

Dr. Steiner: Lehrmittel muß man anschaffen, wenn sie gebraucht werden. Aber man sollte es vier Wochen vorher sagen.

Es wird eine Frage gestellt nach dem Physikunterricht.

Dr. Steiner: Man muß unterscheiden: geschlagene, gerissene, gestri­chene Töne. Am Monochord.

Dr. Steiner weist für den lateinischen und griechischen Unterricht auf in

Österreich gebräuchliche Lehrbücher hin:

Schmidt, ,,Lateinische Schulgrammatik"' ed. Hofmann,

Schenkel, ,,Griechisches Elementarbuch" und ,,Griechisches Übungsbuch".

Märchen, Sagen, Erzählungen. Geschichte (Lehrerbibliothek).

Verein Freie Waldorfschule.

Einheitliche Volks- und höhere Schule.

Dr. Steiner: Konferenzen sind freie republikanische Unterredungen.

Jeder ist darin ein Souverän.

Jeder Lehrer sollte ein kurzes Tagebuch führen.

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Konferenz vom Donnerstag 25. September 1919, 8.30 Uhr

Dr. Steiner: Meine lieben Freunde! Heute wird es sich darum han­deln, daß Sie die in den letzten zehn Tagen gesammelten Erfahrun­gen vorbringen und wir das Nötige besprechen.

Stockmeyer (als Verwalter der Schule) berichtet: Wir haben den Unterricht am 16. September angefangen mit einer kurzen Ansprache an die Schüler durch Herrn Molt.

An dem Stundenplan, wie er hier verabredet war, mußte einiges geändert wer­den, weil die evangelischen und katholischen Religionslehrer zu den von uns festgesetzten Stunden nicht Zeit haben. Es mußten auch einige Klassen zu­sammengelegt werden.

In den Unterricht von 8-10 mußte eine kleine Pause von fünf Minuten ein­geschoben werden.

Dr. Steiner: Das kann gemacht werden. Aber was in der Zeit ge­schiebt, muß im freien Ermessen des Lehrers stehen.

X.: Beim Sprachunterricht in den oberen Klassen stellte sich heraus, daß bei einzelnen Kindern noch gar keine Sprachkenntnisse vorhanden sind. Des­wegen müssen am Anfang statt eineinhalb Stunden nun drei englische und drei französische Stunden gegeben werden. Es mußte auch ein Anfängerkurs eingerichtet werden und einer für Fortgeschrittenere.

Dr. Steiner: Was unterrichten Sie in der 8. Klasse?

X.: Zinsrechnung in repetierender Weise; ich will jetzt zu Diskont- und Wech­selrechnung übergehen.

Dr. Steiner: Die beiden Lehrer der 7. und 8. Klasse müssen sich eben fortlaufend miteinander verständigen, daß immer, wenn ein Lehrer oder eine Lehrerin die Klasse verläßt, ein gewisser Abschluß vorhan­den ist. Wenn er dann in die Klasse zurückkommt, muß wiederholt werden. Tst es Ihnen in den paar Tagen schon gelungen, genau zu wissen ,wieviel die Schüler schon können?

X.: Das konnte ich ungefähr schon feststellen.

Dr. Steiner: Bei Ihrer beschränkten Schülerzahl ist dies ja wohl möglich gewesen, aber die anderen werden es kaum gekonnt haben. Man kann durchaus daran festhalten, daß Sie vielleicht ungefähr im Mittel acht Tage nehmen zum Wechseln, aber es muß dann speziell so eingerichtet werden, daß ein Kapitel abgeschlossen ist.

X.: In der 7. Klasse können sie wenig Geschichte.

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Dr. Steiner: Sie werden wahrscheinlich in so etwas wie in der Ge­schichte in jeder Klasse von vorne anfangen müssen, denn eine ordentliche Geschichte wird keiner kennen. Die Kinder werden sich vielleicht das Landläufige angeeignet haben, aber eine ordentliche Geschichte, wie wir sie hier angedeutet haben, werden Sie bei nie­mand finden. Sie werden sie in jeder Klasse von vorne anfangen müssen.

X.: Viele Eltern konnten sich nicht entscheiden, ob sie den freien Religions­unterricht oder ob sie evangelischen oder katholischen für ihre Kinder wählen wollten. Sie haben in den Fragebogen geschrieben ,,beides". Sie möchten wegen der Familie nicht auf die Konfirmation verzichten.

Dr. Steiner: Da dürfen wir nicht nachgeben; entweder-oder. Wir wer­den über die Frage später noch extra sprechen.

X.: Es ergab sich eine wirtschaftliche Frage: Sollen die Schüler, die Schulgeld zahlen, ihre Bücher selbst kaufen? Für die Kinder aus der Waldorf-Astoria­Fabrik haben wir ja Lehrmittelfreiheit, und da könnten dann Kinder neben­einander sitzen, der eine hat ein Buch, das er wieder abgeben muß, der andere kann es behalten. Das ist etwas, was die Klassengegensätze betont.

Dr. Steiner: In dieser Form kann es nicht gemacht werden, daß die Kinder die Bücher kaufen und behalten. Es kann nur so gemacht werden, daß man für die Eltern, die das Schulgeld bezahlen, dies Schulgeld um die Lehrmittelpreise erhöht; es im übrigen aber so hält, wie mit den anderen Kindern. Also die Bücher müssen zurückgege­ben werden wie bei den anderen.

X.: Soll das auch auf Hefte und solche Dinge ausgedehnt werden? Hier in Stuttgart ist das Usus geworden. Und wie soll es mit Atlanten und Zirkeln gehalten werden?

Dr. Steiner: Es würde natürlich das beste sein bezüglich der Hefte und Ähnlichem, wenn für jede Klasse ein Vorrat angeschafft würde, und die Kinder gezwungen wären, wenn sie ein Heft ausgeschrieben haben, zum Lehrer zu kommen, um ein neues zu bekommen, damit Rechnung getragen werden könnte dem Umstand, daß das eine Kind mehr Hefte braucht als das andere. Es müßte also ein Vorrat von Heften vorhanden sein, und die Hefte nach Bedarf von dem Lehrer den Kindern gegeben werden.

Für Zirkel und dergleichen, da reißen natürlich auch Unsitten ein, wenn man es bloß in den Willen der Kinder stellt, was sie sich kaufen oder nicht kaufen sollen. Diejenigen, die mehr Geld haben, die kau­fen dann bessere Sachen. Das ist auch eine Kalamität. Es wäre schon vielleicht nicht schlecht, wenn man es auch da so machen würde, daß

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das ganze Handwerkzeug der Schule gehört, und die Kinder es nur zum Benützen bekommen.

Für den Atlas würde ich etwas anderes vorschlagen: Daß eine Art Fonds gestiftet würde für solche Dinge, und daß die Atlanten, die während des Jahres gebraucht werden, ebenso behandelt werden wie die anderen Lehrmittel. Dagegen sollte beim Abgang von der Schule jedes Kind einen Atlas bekommen. Das wäre außerdem eine sehr schöne Sache, wenn die Kinder beim Abgang das eine oder andere bekommen würden. Vielleicht könnte man diese Dinge sogar als Prämie für Fleiß geben: ein größeres, schöneres Buch dem, der mehr geleistet hat; ein kleineres dem, der weniger geleistet hat; und dem, der faul war, vielleicht nur eine Landkarte. Das ist etwas, was man tun könnte; es darf nur nicht zu weit führen.

X.: Wie sollen wir es handhaben mit den Büchern für den konfessionellen Religionsunterricht? Bisher gab es da auch Lehrmittelfreiheit. Nach der neuen Verfassung wird es voraussichtlich nicht mehr so sein. Es war bei uns gemeint worden, daß die Kinder diese Bücher selbst anschaffen sollten, und daß auch der Unterricht des Pfarrers besonders bezahlt werden müßte.

Dr. Steiner: Ich habe nichts dagegen, daß es so gemacht wird. Ich würde nur meinen, daß wir zunächst für dieses Jahr, damit alles ohne Reibung abläuft, uns erkundigen sollten, wie es andere Schulen machen. In der Zukunft werden wir schon zu einem eigenen Modus kommen, aber in diesem Jahr sollten wir es so machen wie die ande­ren Schulen. Wir müssen uns nach den öffentlichen Schulen richten. Wenn diese noch nicht verlangen, daß die Religionsbücher bezahlt werden und der Unterricht bezahlt wird, dann müssen wir auch war­ten, bis die es verlangen. Das würde uns schon viel helfen, wenn wir sagen würden, wir machen es genauso wie die anderen öffentlichen Schulen.

X.: Sollen wir uns da nach den höheren Schulen richten?

Dr. Steiner: Nein, die Volksschule kommt für uns in Betracht.

X.: Es ist darin noch nichts festgelegt.

Dr. Steiner: Ja, ich würde es machen nach dem Usus der Volks­schule. Denn die sozialistische Regierung wird zunächst nichts tun, sondern alles beim alten lassen. Sie wird Gesetze machen, aber alles beim alten lassen.

X.: Es scheint sich zu empfehlen, eine Art Klassenbuch zu führen. Natürlich nicht so, wie es sonst üblic h ist, sondern für Eintragungen in ganz freier Weise, so daß jeder Lehrer sich über die Arbeit der anderen Lehrer ein wenig orientieren kann.

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Dr. Steiner: Ja, schreibt man etwas Ordentliches hinein, so braucht man Zeit. Das ist dann die Zeit, die zu den Allotria der Kinder führt. In der Zeit, in der man als Lehrer mit den Kindern zusammen ist, sollte man nie irgend etwas anderes machen. Ich meine also, man ist nicht im Klassenzimmer darinnen, wenn man eine Tätigkeit ausübt, die sich nicht auf die Kinder bezieht. Wenn man das Zimmer betritt, ist man mit den Kindern, bis man weggeht, und man sollte ihnen nicht einen Augenblick Veranlassung geben, etwa durch Eintragung ins Klassenbuch oder dergleichen, untereinander zu schwätzen und abgezogen zu werden.

Viel besser ist es, diese Fragen unter sich zu erledigen. Wir setzenja voraus, daß die Klassenlehrer keine Händel kriegen, sich sehr lieb haben und sich mündlich besprechen. Wer mit einer Klasse zu tun hat, bespricht sich mit den anderen, die auch damit zu tun haben. Und was sich die einzelnen aufschreiben wollen, das machen sie außerhalb des Unterrichts. Nichts, gar nichts machen in den Unter­richtsstunden, was vom unmittelbaren Verkehr mit den Kindern abzieht.

X.: Vielleicht kann man das in der Pause machen?

Dr. Steiner: Wozu ist es denn nötig, immer einzutragen? Erstens muß es eingetragen werden, zweitens muß es der andere lesen. Das ist ein Zeitaufwand, der verlorengeht für den Verkehr mit den Schülern.

X.: Soll man auch nicht eintragen, wenn Schüler fehlen?

Dr. Steiner: Das ist ja eigentlich auch etwas, was man nicht braucht.

X.: Nur wenn ein Kind länger fehlt, müßte man sich erkundigen, was los ist.

Dr. Steiner: Das kann bei einer nicht allzu großen Klasse auch mündlich abgeni acht werden im Verkehr mit den Schülern. Man kann ja fragen, wer fehlt, und es sich dann eintragen ins eigene Notizbüch­lein. Das ist etwas, was man tun kann. Es wird ja sonst in den Schulen in die Zeugnisse eingetragen, wieviel ein Kind gefehlt hat, aber wir brauchen dafür kein Klassenbuch.

X.: Es war notwendig, den Schülern das Klettern auf den Kastanienbäumen zu verbieten. Wir wollen aber möglichst wenig Verbote geben.

Dr. Steiner: Es ist sehr notwendig, daß wir uns darüber klar sind, daß wir in die Schule herein nicht lauter Engel bekommen. Das darf uns in keinem Falle hindern, unseren Ideen und unseren Idealen nach­zugehen. Diese Dinge dürfen uns nicht dazu führen, auch nur zu

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denken: wir können nicht erreichen, was wir uns vorgenommen haben. Wir müssen immer klar vor uns haben auf der einen Seite, daß wir das, was in den Intentionen liegt, die wir im Kursus durchgeführt haben und auch sonst, verfolgen. Wieviel wir davon nicht erreichen, ist eine andere Frage; die müssen wir für sich behandeln und von Zeit zu Zeit genau besprechen. Heute ist noch zu kurze Zeit vergangen. Sie werden nur sagen können, wie stark die Rangenhaftigkeit zum Ausbruch gekommen ist.

Aber eines möchte ich Sie doch bitten, daß Sie es recht berücksich­tigen. Das wäre das, daß wir als [-ehrerschaft selbst - was die ande­ren machen durch die Kinder, das ist eine Sache für sich -, daß wir als Lehrerschaft versuchen, möglichst nicht unsere Schulangelegen­heiten in die Öffentlichkeit hinauszutragen. Ich bin jetzt erst seit Stunden wieder da, aber ich habe schon so viel Geschwätz gehört, wer eine Ohrfeige gekriegt hat und so weiter; es geht schon insGren­zenlose, dieses Geschwätz durch die Leute hindurch, daß es mir schrecklich war. Nicht wahr, wir brauchen uns nicht zu kümmern, wenn es durch alle möglichen unrichtigen Fugen herauskommt. Da sind wir harthäutig dagegen; aber tragen wir nur ja nicht selber dazu bei. Schweigen wir über alles das, was wir handhaben in der Schule. Halten wir uns an eine Art Schulgeheimnis. Reden wir nicht zu den Außenstehenden, außer zu den Eltern, die mit Fragen zü uns kom­men, und da wiederum immer nur über die eigenen Kinder, daß nicht zu Geschwätzen Veranlassung gegeben wird. Es gibt Leute, die reden aus Sensationslust und mit Wollust über solche Dinge. Das ist Gift für unsere ganze Unternehmung, wenn sie in dieser Weise in Klatsch übergeht. Das ist ja leider besonders in Stuttgart, daß viel in anthro­posophischen Kreisen geklatscht wird. Das ist auch, was uns viel schadet, dieser Klatsch, der mir in widerwärtiger Weise schon ent­gegengetreten ist, und der von uns Lehrern nicht in irgendeiner Weise unterstützt werden darf.

X.: In einzelnen Fällen wird es vielleicht nötig sein, unbegabte Kinder in nie­derere Klassen zurückzuversetzen. Oder soll man empfehlen. diesen Kindern Nachhilfestunden geben zu lassen?

Dr. Steiner: Das Zurückversetzen ist natürlich bei niedrigeren Klas­sen schwieriger; bei höheren wird es sich leichter machen lassen. In den ersten zwei Klassen sollte man möglichst nicht zurückversetzen.

Es werden einzelne Fälle besprochen.

Dr. Steiner: Nachhilfestunden sind technisch nie zu empfehlen. Nur in den Fällen, wo die Eltern selbst an uns herankommen, wenn sie

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von schlechten Erfolgen hören, kann man ihnen zu Nachhilfestun­den raten. Wir selber als Lehrer werden nicht Nachhilfestunden geben. Das tun wir nicht. Da würde es dann noch besser sein, ein Kind herunterzuschieben in eine andere Klasse.

X. spricht über zwei Kinder in der 4. Klasse, die beschränkt sind.

Dr. Steiner: Diese Kinder müssen ganz nach vorn in die Nähe des Lehrers gesetzt werden, unbeschadet des Temperaments, damit sie jeden Augenblick im Auge behalten werden.

Rabiate Kinder kann man dadurch bei der Stange halten, daß man sie an die Ecken setzt oder ganz vorne oder ganz hinten hin, damit sie weniger Nachbarn haben, keine Vorder- und Hintermänner.

X.: Manchmal sehen Kinder nicht richtig. Ich kenne Kinder, die nur deshalb zurückblieben' weil die weitsichtig waren, und man das nicht beachtete.

Dr. Steiner: Das muß der aufmerksame Lehrer auch sehen, wo bei den Kindern Organfehler vorliegen wie Kurzsichtigkeit oder Schwer­hörigkeit. Es ist schwierig, auf alles hin ärztliche Untersuchungen anzustellen. Nur wenn der Lehrer es angibt, sollte eine solche statt­finden.

Durch die schulärztlichen Untersuchungen, wie sie an den Schulen üblich sind, kommen wir zu stark in das Sachverständigensystem hinein. Wir wollen jetzt lieber von einem Schularzt absehen, da ja Herr Dr. Noll nicht hier sein wird; das würde etwas anderes sein. Jeder fremde Arzt würde uns Schwierigkeiten bereiten. Der Arzt sollte selbstverständlich der Berater der Lehrer sein, und der Lehrer sich vertrauensvoll an ihn wenden können, wenn er etwas bei seinen Kindern bemerkt.

Bei beschränkten Kindern ist esja oftmals so, daß plötzlich etwas bei ihnen aufspringt; sie bessern sich oft ganz plötzlich. Ich werde mor­gen der Schule einen Besuch machen und werde mir dann die ein­zelnen Kinder, besonders die beschränkten, daraufhin ansehen.

X.: Meine 5. Klasse ist sehr groß und sehr verschiedenartig. Es ist sehr schwer, sie miteinander zu unterrichten und besonders, sie ruhig zu halten.

Dr. Steiner: Bei dieser Stärke einer Klasse muß man nach und nach immer mehr versuchen, die Klasse als Chor zu behandeln, und nicht einzelne unbeschäftigt zu lassen. Also mehr die ganze Klasse zusammen behandeln. Deshalb haben wir ja die lange Geschichte mit den Temperamenten gemacht.

Das Begabtsein oder Unbegabtsein beruht ja manchmal auf einem

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rein psychischen Unterschied. Die Kinder bringen oft nur nicht heraus, was sie in sich haben, und es wäre sehr ungerecht, die Kin­der, die in dem richtigen Alter sind für diese Klasse (zehn- bis elf-jährig), nicht mitkommen zu lassen. Es wird ja immer darunter wel­che geben, die in dem einen oder anderen Fache schwach sind. Es sind das oft Fehler, die dann auf einmal aufhören. Solche Fehler schleppen sich fort durch das kindliche Alter bis zu einem gewissen Schuljahr, und dann, wenn das Pünktlein aufspringt, werfen die Kin­der plötzlich die Fehler ab. Daher soll man die Kinder nicht zurück­lassen. Gerade diese Schwierigkeit mit den Begabten und Unbegab­ten, die müssen wir überwinden.

Wenn wir allerdings die Überzeugung haben, daß sie das Lehrziel der letzten Klasse nicht erreicht haben, dann müssen wir sie natürlich zurückschieben. Aber, das bitte ich Sie wohl zu unterscheiden, wir werden sie dann nicht als Unbegabte behandeln. Wenn Sie also sol­che haben, die das Lehrziel der letzten Klasse wirklich nicht erreicht haben, dann schieben Sie sie herunter. Sie müssen dies aber sehr bald tun.

Man sieht an einem Fach aber nie genau, ob das Lehrziel erreicht ist oder nicht; man darf da nie nach einzelnen Fächern gehen. Das Heruntersetzen müßte aber noch im ersten Vierteljahr erfolgen. Die Lehrer müssen die früheren Zeugnisse ihrer Schüler natürlich bekom­men. Aber ich bitte, immer durchaus streng zu beachten, daß wir nicht, um einen Schüler rascher beurteilen zu können, nun zum üblichen Stundenplansystem übergehen dürfen. Immer erst ein Kapi­tel fertig machen, auch wenn es dann etwas länger dauert, bis die Beurteilung möglich ist.

Beim Zurückversetzen werden die einzelnen Fälle genau geprüft wer­den müssen; man kann da nichts generaliter durchführen. Man darf da nichts leichtherzig tun, sondern nur nach strenger Prüfung, und was man wirklich verantworten kann.

Zu der Frage der Zurückversetzung solcher Kinder, bei denen das Lehrziel der vorigen Schule nicht erreicht ist, wäre noch zu sagen, daß man selbstverständlich mit den Eltern sprechen muß. Die Eltern müssen einverstanden sein. Man darf natürlich den Eltern nicht sagen, daß ihre Kinder blöde sind, sondern man muß ihnen beweisen können, daß sie in der früheren Schule das Lehrziel der letzten Klasse nicht erreicht haben, trotz des Zeugnisses. Das muß beweisbar sein. Es muß aber ein Defekt der früheren Schule sein, nicht ein Defekt der Kinder, um die es sich handelt.

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X.: Kann man auch hinaufschieben in eine höhere Klasse? Ich habe in der 7. Klasse zwei Kinder, die, wie mir scheint, gut in die 8. Klasse übergehen könnten.

Dr. Steiner: Ich würde das am Zeugnis prüfen. Wenn Sie es aber verantworten können, kann es sehr gut gemacht werden. Gegen das Hinaufschieben in eine andere Klasse habe ich nichts. Das kann sogar auf die andere Klasse wirken, in die die Kinder hineinkommen

X.: Es wäre doch wohl in der 7. Klasse nicht so erwünscht. Jetzt werden wir sie noch zwei Jahre zur Erziehung haben. Wenn wir sie heraufsetzen, haben wir sie nur noch ein Jahr.

Dr. Steiner: Deswegen, weil wir die Kinder hinaufschieben, könnten wir sie doch auch noch zwei Jahre haben. Wir entlassen sie nicht, sondern behalten sie auch das nächste Jahr nochmals in der 8. Klasse. Wenn sie das Alter in der 7. Klasse schon erreicht haben, nimmt man sie uns ja doch fort. Bei uns wird der Unterricht nicht so pedantisch sein, so daß er doch jedes Jahr eine große Verschieden­heit aufweist, namentlich in der Behandlung. Und das nächste Jahr, da werden wir doch schon viel ,,erleuchteter" sein als dieses Jahr, so daß es ganz gut zu machen ist, daß wir Kinder, die wir jetzt in der letzten Klasse haben, auch das nächste Jahr noch in der letzten Klasse haben.

Es ist doch schon so: Dieses erste Jahr wird so ein Probejahr sein, namentlich für die Lehrerschaft. Das liegt mir sehr auf der Seele. Auf die Lehrerschaft kommt alles an! Von Ihnen, liebe Freunde, wird es abhängen, ob die Ideale verwirklicht werden können. Es kommt wirklich darauf an, daß wir selber am meisten lernen.

X.: Ich habe in der 6. Klasse ein Kind, das wirklich sehr minderbegabt ist. Es stört aber den Unterricht nicht, es hat sich sogar eigentlich für die anderen vorteilhaft erwiesen, daß es da ist. Ich möchte versuchen, es zu behalten.

Dr. Steiner: Wenn das Kind die anderen nicht stört und wenn Sie glauben, doch noch etwas mit ihm erreichen zu können, dann würde ich meinen, daß Sie es in der Klasse behalten müssen. Es ist immer ein Ereignis, wenn wirjetzt umschieben. Lieber behalten! Gewisse Un­terschiede können wir sogar benützen; wir haben ja darüber ein­gehend gesprochen.

X.: Ich habe in der 8. Klasse einen Knaben, der melancholisch ist und zurück-geblieben. Den möchte ich in die 7. zurückschieben.

Dr. Steiner: Das müßte aber so gemacht werden, daß Sie das Kind dahin bringen, daß es sein eigener Wille ist. zurückversetzt zu werden.

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Sie müßten so mit ihm sprechen, daß Sie zuletzt seinen Willen dahin dirigieren, daß das Kind selber darum bittet. Nur nicht barsch zurückversetzen.

X.: In der 7. Klasse sind die Unterschiede sehr groß.

Dr. Steiner: Wenn Sie in der 7. und 8. Klasse nur fertig kriegen, daß die Kinder das Autoritätsgefühl nicht verlieren! Das ist dasallernot­wendigste. Das erreicht man aber am besten dadurch, daß man auf die Art, wie die Kinder sind, in höchst vorsichtiger Weise eingeht und sich doch wiederum gar nichts vergibt. Also nicht bei den Kindern wie ein Pedant erscheinen, nicht wie einer, der Lieblingsmeinungen hat. Man muß den Kindern scheinbar nachgeben, in Wirklichkeit aber gar nichts nachgeben. Gerade in dem 7. und 8. Schuljahr kommt es sehr, sehr auf die Art der Behandlung an. Da darf man sich in keiner Minute etwas vergeben, so daß die Kinder nicht hinaus­gehen und über den Lehrer spotten. Die Kinder müssen immer ehr­geizig darauf sehen - wenn ich den Ausdruck brauchen darf, er betrifft nicht einen üblen Ehrgeiz -, daß sie ihren Lehrer verteidigen und glücklich sind, daß sie diesen Lehrer haben. Das kann man doch bei den stärksten Rangen entwickeln. Man kann nach und nach das entwickeln, daß die Kinder den Drang haben, ihren Lehrer zu ver­teidigen, weil das ihr Lehrer ist.

X.: Ist es richtig, daß man im Sprachunterricht, selbst in der Klasse, wo die Kinder schon schreiben können, doch noch davon Abstand nimmt, das Schriftbild einzuführen, so daß die Kinder sich zunächst nur an das Ausspre­chen gewöhnen?

Dr. Steiner: Ja, möglichst spät übergehen zum Schreiben in den fremden Sprachen, das ist sehr wichtig.

X.: Die Kinder werden ja eben erst eingeführt, und die Sprechübungen ermü­den zunächst sehr. Kann man da den Unterricht beleben durch Erzählungen in der Muttersprache?

Dr. Steiner: Das ist sehr gut. Aber wenn Sie etwas aus der Mutter­sprache nehmen, müssen Sie doch möglichst sehen, es irgendwie mit der fremden Sprache zu verbinden, die fremde Sprache hineinzukrie-gen. Stoff schaffen können Sie dadurch, daß Sie so etwas im Unter­richt machen. Das ist das Richtige. Dann auch kleine Gedichte, Lie­der der fremden Sprache, kleine Geschichten.

Bei dem Sprachkurs müssen wir selbstverständlich weniger aufKlas­sen sehen, sondern die Kinder zusammennehmen nach ihrem Kön­nen.

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X.: Ich finde eineinhalb Stunclen Musik und eineinhalb Stunden Eurythmie in der Woche zu wenig.

Dr. Steiner: Da es sich um eine Frage der Verteilung in die Unter­richtsräume handelt, kann erst später das Nötige geschehen.

X.: Bei meinen Kindern in der 6. Klasse ist ein großes Bedürfnis, mehr zu sin­gen. Ich kann aber nicht mit ihnen singen, weil ich unmusikalisch bin. Könnte man musikalische Kinder herausnehmen, um ein Liedchen zu singen?

Dr. Steiner: Das ist dasjenige, was man tun sollte. Das richtet sich ja vielleicht in der einfachsten Weise ein, indem den Kindern einfach so etwas mit auf den Weg gegeben würde, was Sie frei behandeln kön­nen. Dazu brauchen Sie nicht sehr musikalisch zu sein, um die Kin­der singen zu lassen. Die Kinder lernen die Lieder im Gesangsunter­richt und üben sie. indem sie sie am Anfang oder am Ende der Stunde singen.

X.: Ich lasse die Kinder Lieder singen, sie sind aber recht schwerfällig. Die musikalisch Veranlagten möchte ich zusammennehmen zu einer besonderen Chorstunde, wo schwerere Sachen gesungen werden.

Dr. Steiner: Das würde der ganzen Konstitution nicht widerspre­chen, wenn nach und nach aus den vier oberen Klassen (5.-8.) und aus den vier unteren Klassen (1.-4.) Chöre zusammengestellt wür­den, vielleicht für Sonntagschöre. Durch so etwas schmiedet man die Kinder mehr zusammen als durch etwas anderes. Aber ja keinen falschen Ehrgeiz begründen; den schließen wir aus aus der Unter­richtsmethode. Der Ehrgeiz darf sich nur auf die Sache beziehen, nicht auf die Persönlichkeit. Die vier oberen Klassen zusammen und die vier unteren Klassen zusammen wäre deshalb gut, weil die Stim­men etwas anders sind. Sonst ist die Sache ja nicht an Klassen gebun­den. Im Unterweisen muß man sie als eine Klasse behandeln; da müssen wir auch für die Musik streng einhalten, was wir für die Lebensepochen festgestellt haben. Die Epoche um das neunte Jahr und die Epoche um das zwölfte Jahr müssen wir streng beachten nach der inneren Struktur. Aber für die Chöre, mit denen man even­tuell Sonntagsveranstaltungen machen kann, können wir die vier jüngeren und die vier älteren Klassen extra zusammenstellen.

X.: Es hat sich herausgestellt, daß wir in der Eurythmie sehr langsam vor­wärtskommen.

Dr. Steiner: Zunächst im Anfang nehmen Sie doch alles sehr stark im Zusammenhang mit der Musik. Die allerersten Anfangsübungen ganz aus dem Musikalischen heraus entwickeln, das würde besonders

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gepflegt werden müssen. Ohne das andere zu vernachlässigen, beson­ders in den späteren Jahrgängen.

Jetzt wäre noch über den freien Religionsunterricht zu sprechen. Da muß man den Kindern sagen: Wer freien Religionsunterricht haben will, muß ihn als solchen wählen, und es müßte dann einfach dieser freie Religionsunterricht als dritter sein neben den beiden anderen. Ein unklares Miteinandervermischen darf absolut nicht sein. Dage­gen können Sie ruhig diejenigen, die freien Religionsunterricht haben sollen, so nehmen, daß Sie sie klassenweise zusammenstellen. Sagen wir, die unteren vier Klassen und die oberen vier Klassen zusammen. Es kann ihn irgend jemand von uns geben. Wie viele sind denn da, die sich auf freien Unterricht einlassen?

X.: Es sind bis jetzt sechzig; dabei sechsundfünfzig Anthroposophenkinder. Die Zahlen werden sich noch ändern, weil manche beides haben wollten.

Dr. Steiner: Vermischen tun wir also nicht. Agitieren für diesen Unterricht tun wir auch nicht. Wir kommen nur den Wünschen ent­gegen. Wir raten mehr, den konfessionellen Unterricht zu nehmen. Die Kinder, die gar keinen Religionsunterricht nehmen sollen, die laßt man, aber immerhin könnte man doch nachforschen nach den Gründen, warum sie keinen haben sollen. Das müßte injedem einzel­nen Falle festgestellt werden. Es lassen sich dann doch vielleicht die einen oder anderen dazu veranlassen, sich zum konfessionellen Unterricht zurückzuwenden oder zu dem anthroposophischen Unterricht zu kommen. Irgend etwas muß man da schon tun. Daß man die Kinder einfach aufwachsen läßt ohne Religionsunterricht, das wollen wir nicht einführen.

X.: Soll der freie Religionsunterricht vom Klassenlehrer gegeben werden?

Dr. Steiner: Es kann jemand von uns sein, der es übernimmt. Es muß nicht der betreffende Klassenlehrer sein. Es ist nicht wünschenswert, daß jemand genommen wird, der unbekannt an uns herankommt. Wir sollten schon innerhalb des Kreises unserer Lehrer bleiben.

Bei sechzig Kindern würden wir ungefähr dreißig zu dreißig zusam­mennehmen; vielleicht die vier oberen und die vier unteren Klassen zusammen. Ich werde Ihnen dafür noch einen Lehrplan geben. Die­sen Unterricht müssen wir sehr sorgfältig machen.

Bei der ersten Abteilung muß alles, was sich auf Reinkarnation und Karma bezieht, wegbleiben. Die müssen erst in der zweiten Gruppe besprochen werden. Aber da müssen sie auftreten. Vom zehnten Jahr ab müssen die Dinge durchgenommen werden. Gerade bei diesem

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Unterricht ist es außerordentlich notwendig, daß man von An­fang an auf die Selbsttätigkeit der Schüler sein Augenmerk richtet. Nicht theoretisch soll von Reinkarnation und Karma gesprochen werden, aber praktisch.

Eine Art Rückschau auf allerlei Zustände, die da waren vor der Ge­burt, haben die Kinder noch, wenn sie dem siebenten Jahre nahe­kommen. Sie erzählen manchmal die kuriosesten Dinge, die bild­hafte Dinge sind, von diesen früheren Zuständen; zum Beispiel das ist nicht vereinzelt, sondern typisch, daß die Kinder kommen und sagen: Ich bin in diese Welt gekommen, das war durch einen Trich­ter, das hat sich immer weitergezogen. - Sie beschreiben, wie sie in die Welt gekommen sind. Diese Dinge läßt man beschreiben, läßt sie mitarbeiten und pflegt das, so daß es heraufgeholt wird ins Bewußt­sein. Das ist sehr gut, nur ist zu vermeiden, daß den Kindern etwas eingeredet wird. Man müßte dasjenige herauskriegen, was sie selber sagen. Das sollte man tun. Das gehört zum Lehrplan.

Dieser Unterricht könnte belebt werden im Sinne des gestrigen öffentlichen Vortrages. Das könnte das Schönste sein, was man macht, ohne daß man zur Weltanschauungsschule wird, wenn man reine Menschenerkenntnis zugrunde legte, und jede Minute die Päd­agogik neu belebte. In dieser Richtung ist auch mein Aufsatz gehal­ten, der in der nächsten Waldorfzeitung steht. Er handelt über ,,Die pädagogische Grundlage der Waldorfschule". Das, was ich da ange­deutet habe, das ist im wesentlichen eine Art Zusammenfassung für das Publikum alles dessen, was wir im Kursus haben. Das bitte ich als Ideal zu betrachten, was dort stehen wird in dem Waldorfblatt.

Es genügt für jede Abteilung eineinhalb Stunden Religionsunterricht die Woche; zweimal dreiviertel Stunden. Es wäre besonders schön, wenn er sonntags sein könnte, aber das würde sich wohl schlecht machen lassen. Man könnte die Kinder auch an die ,,Wochen-sprüche" gewöhnen bei diesem Unterricht.

X.: Sind die nicht zu schwer?

Dr. Steiner: Es darf niemals für uns etwas geben, was zu schwer ist für die Kinder. Es handelt sich da nicht um das Aufnehmen des Gedankens, sondern wie die Gedanken aufeinander folgen und so weiter. Ich möchte wissen, was für die Kinder schwerer sein könnte als das Vaterunser. Das bildet man sich nur ein, daß das leichter ist als die Wochensprüche im ,,Seelenkalender". Und das ,,Credo"! Daß die Leute sich gegen das ,,Credo" auflehnen, rührt nur davon her, daß es kein Mensch versteht, sonst würden sich die Menschen nicht auflehnen.

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Das enthält nur dasjenige, was im Grunde selbstverständlich ist, aber die Menschen kommen bis zum siebenundzwanzigsten Jahr nicht so weit, daß sie es verstehen können, und nachher lernen sie nichts mehr vom Leben. Die Verhandlungen über das ,,Credo" sind kindisch. Es steht nichts darinnen, was man von sich aus entscheiden kann. - Die Wochensprüche kann man auch mit den Kindern vor der Stunde sprechen.

X.: Würde es nicht gut sein, die Kinder eine Art Morgengebet sprechen zu lassen?

Dr. Steiner: Das ist etwas, was gemacht werden könnte. Ich hatte auch schon die Aufmerksamkeit darauf gewendet. Ich werde Ihnen morgen noch etwas darüber sagen; auch wegen eines Gebetes werden wir noch sprechen. Da würde ich nur Sie um eines bitten. Sehen Sie, bei diesen Dingen kommt es wahrhaftig auf Äußerlichkeiten an. Nennen Sie den Spruch niemals ,,Gebet", sondern ,,Eröffnungs­spruch der Schule". Vermeiden Sie es, daß man aus Lehrermund den Ausdruck ,,Gebet" hört. Dann haben Sie das Vorurteil, daß es eine anthroposophische Sache sei, schon für ein gut Stück überwunden. Das meiste, was bei uns gesündigt wird, wird durch Worte gesündigt. Die Leute gewöhnen sich nicht ab, Worte zu gebrauchen, die uns schädlich sind. Was glauben Sie, was ich hier ausgestanden habe, daß ich den Leuten abgewöhnt habe, zu den ,,Kernpunkten der sozialen Frage" Broschüre zu sagen. Es ist doch ein Buch, es schaut nur aus wie eine Broschüre. Es ist ein Buch! Das Itriegt man nicht fertig, daß alle Leute sagen ,,das Buch"; sie sagen ,,die Broschüre". Es hat eine gewisse Bedeutung. Das Wort ist nicht unnötig. Das sind Dinge, um die es sich wirklich h andelt. Anthroposophen sind aber diejenigen Menschen, die sich am wenigsten in etwas fügen. Denen gegenüber kann man gar nichts durchbringen. Die anderen Menschen sind so autoritätsgläubig. Und damit hat das zu tun, was ich gesagt habe: Die Anthroposophen sind störrig, und es kann gar nichts bei ihnen durchgesetzt werden; auch nichts, was berechtigt ist!

X.: Meine 5. Klasse brüllt und tobt, besonders in den Sprachstunden. Die französischen Sätze empfindet sie als Witze.

Dr. Steiner: Das Richtige wäre, auf den Witz einzugehen und aus dem Witz heraus zu lernen. Auf Witz sollte man immer eingehen, und zwar mit Humor. Aber die Kinder müßten gehorchen. Sie müßten auf Befehl wieder schweigen. Sie müßten sie mit der Gebärde ruhig kriegen.

Von Anfang bis Ende der Stunde muß man suchen, den Kontakt zu

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behalten. Wenn es auch ermüdet, es muß unter allen Umständen das Band zwischen Lehrer und Schüler bestehen bleiben. Durch äußere Disziplin ist in solchen Fällen nichts zu regeln, sondern dadurch, daß man zunächst eingeht auf die Sache und dann aus der Sache heraus wirkt.

Die größte Schwierigkeit ist wohl, daß Sie das feine Stimmchen haben. Sie müssen Ihr Stimmchen ein bißchen schulen. Sie müssen ,,unten" reden lernen, nicht piepsen beim Schreien. Es wäre schade, wenn Sie nicht Ihre Stimme behandelten, so daß etwas Baß hinein-käme. Also Tiefe muß hineinkommen.

X.: Wer soll den lateinischen Unterricht geben?

Dr. Steiner: Das ist eine Frage des Lehrerkollegiums. Vorläufig würde ich die Frage so regeln, daß Herr Pastor Geyer und Dr. Stein den Lateinunterricht erteilen. Es ist zuviel für einen.

X.: Wo soll man anfangen mit der Geschichte?

Dr. Steiner: Sie werden fast bei jeder Klasse mit der Geschichte von vorne anfangen müssen. Beschränken Sie einfach den Unterricht nach Bedarf. Wenn Sie zum Beispiel im 8. Schuljahr genötigt sind, von Anfang an zu beginnen, dann nehmen Sie eben wenig, aber versuchen doch, ein Gesamtbild zu geben über die ganze Entwicke­lung der Menschheit, nur kürzer. Also man müßte schon im 8. Schul­jahr die ganze Weltgeschichte durchmachen in unserem Sinn.

Das trifft auch zu für Physik. In der Naturgeschichte wird es sich sehr leicht machen lassen, daß die Kinder das, was sie gelernt haben, benützen und beleben. Es sind nur diejenigen Fächer, die diesem Mangel unterliegen werden, von denen wir gesagt haben, daß sie nach dem zwölften Jahre anfangen, wo die Urteilskraft beginnt. In den beschreibenden Disziplinen wird man manches benützen können, was die Kinder, wenn auch vertrackt, gelernt haben.

X.: In der griechischen Geschichte kann man wohl mehr auf die Kultur­geschichte und die Sagen eingehen und das Politische weglassen: die Perser-kriege zum Beispiel.

Dr. Steiner: Die Perserkriege kann man schon so behandeln, daß man sie kulturgeschichtlich gestaltet. In älteren Zeiten kann man die Kriege noch kulturgeschichtlich behandeln; bis zu unserer Gegen­wart sind sie ja immer unerfreulicher geworden. Man kann die Perser-kriege schon wie ein Symptom betrachten der kulturgeschichtlichen Züge.

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X.: Das Innenpolitische ist doch weniger wichtig?

Dr. Steiner: Doch, zum Beispiel, wie das Geld entstanden ist.

X.: Die Verfassungen kann man wohl kurz behandeln?

Dr. Steiner: Ja, aber den Geist der Lykurgischen Verfassung muß man schon schildern, zum Beispiel auch den Unterschied zwischen dem Athenertum und dem Spartanertum.

X.: Bei den Römern ist das Verfassungswesen so breit dargestellt in den Lehr­büchern.

Dr. Steiner: In den Lehrbüchern ist es breit und oftmals sehr falsch behandelt. Der Römer kannte keine Verfassung, aber er wußte aus­wendig nicht nur die Zwölf-Tafel-Gesetze, sondern eine große An­zahl von Rechtsbüchern. Man bekommt eine falsche Vorstellung vom Römertum, wenn man nicht durchnimmt mit den Kindern, daß der Römer ein Rechtsmensch war, und daß das gewußt worden ist. In den Lehrbüchern ist das langweilig dargestellt, aber man muß schon für das Römertum die Vorstellung erwecken, daßjeder Römer ein Rechtsknüppel war und die Gesetze an den Fingern herzählen konnte. Die Zwölf-Tafel-Gesetze sind dort so gelehrt worden, wie bei uns das Einmaleins.

X.: Wir wollen jede Woc heeine Zusammenkunft machen zur Besprechung pädagogischer Fragen, so daß das, wasderEinzelnesicherarbeitet,denande­ren zugute kommt.

Dr. Steiner: Das kann sehr gut geschehen. Das ist etwas, was mit Freude zu begrüßen wäre. Recht republikanisch müßte es gehalten werden.

X.: Wie weit geht man mit der Bestrafung der Kinder?

Dr. Steiner: Das ist natürlich ganz individuell. Am besten wäre es ja, wenn man so wenig wie möglich zu bestrafen brauchte. Man kann es vermeiden, Strafen herbeizuführen. Aber unter Umständen kann es auch einmal notwendig sein, daß man sogar ein bißchen prügelt. Aber man soll doch das Ideal befolgen, es zu vermeiden. Eigentlich sollte man die Ansicht haben, daß man die Dinge selber als Lehrer herbeiführt, daß weniger die Zöglinge sie herbeiführen als der Lehrer. Trotzdem gebe ich Ihnen zu, daß Rangen da sind, aber die Rangen­haftigkeit wird durch Strafe nicht besser. Das kann nur dadurch besser werden, daß man allmählich einen anderen Ton in die Klasse hineinkriegt. Dann werden die Rangen nach und nach auch wirklich

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verwandelt, wenn der Ton in der Klasse ein guter wird. Jedenfalls versuchen Sie, in der Bestrafung nicht zu weit zu gehen.

X.: Um dem Mangel an Lehrmitteln abzuhelfen, könnte man vielleicht eine Organisation ins Leben rufen und die Anthroposophen bitten, uns zur Verfü­gung zu stellen, was sie selbst an Lehrmitteln haben. Wir sollten auch alles bekommen, was an anthroposophischen Facharbeiten schon da ist.

Dr. Steiner: Es ist projektiert gewesen, nach dieser Richtung hin dadurch etwas zu tun, daß man die Lehrer, die in der Gesellschaft sind, einmal als solche organisiert. Es besteht also der Plan, alles, was anthroposophisch vorliegt, in irgendeiner Weise fruchtbar zu ma­chen für den öffentlichen Unterricht oder für den Unterricht über­haupt. Vielleicht könnte man anknüpfen an diese bestehende Orga­nisation der Lehrerschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft.

X.: Wir brauchen auch Lebenskunde über die verschiedenen Wirtschafts­gebiete. Da dachte ich, daß in der Waldorfschule der Grund gelegt werden könnte für eine künftige Wirtschaftswissenschaft.

Dr. Steiner: Da muß man dann feststellen, wer für die einzelnen Punkte Gewährsmenschen sind. Das sind Leute, die Sinn haben, so etwas zu machen, die aber richtig praktische Fachmänner sind. Also es müßten sich nicht Leute finden, wie sie heute als Referenten angegeben werden, sondern richtig praktische Leute, die aber Sinn für unsere Sache haben. Solche Menschen müßten sich finden. Die müßten die einzelnen Zweige der Lebenskunde zusammenstellen. Ich glaube, wenn man es nur richtig machen würde, könnte nach dieser Richtung viel geleistet werden. Aber Sie haben als Lehrer im ersten Jahr viel zu tun, und können sich nicht zersplittern. Das müßten Sie schon durch andere besorgen lassen. Es müßte eine sol­che Organisation ernsthaft gemacht werden. Es darf keine Art von Fatzkerei und von Vereinsmeierei hineinkommen, sondern es muß in großem Umfang sachlich gemacht werden. Da müßte man Men­schen aufrufen, die im praktischen Leben darinnenstehen.

X.: Herr van Leer hat schon geschrieben, daß er bereit wäre, das Nötige zu tun.

Dr. Steiner: Ja, der könnte schon helfen nach dieser Richtung. Es könnte da einmal eine Art Plan ausgearbeitet werden, wie das im wesentlichen zu machen wäre. Solche Herren wie Herr van Leer und Herr Molt und auch andere, die im praktischen Wirtschaftsleben drinstehen, die wissen, wie sie sich auf solche Fragen zu konzentrie­ren haben, wenn sie so etwas ausarbeiten. Da würde vielleicht die

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Lehre rschaft weniger leisten; das wird am besten geleistet werden, wenn man sich direkt an die Fachleute wendet. Das läßt sich viel­leicht in Zusammenhang bringen mit den Kulturratsbestrebungen. Ja, das müßte alles noch besprochen werden.

X.: Wie kann man für den geologischen Unterricht einen Zusammenhang her­stellen zwischen der Geologie und der Akasha-Chronik?

Dr. Steiner: Da wäre es natürlich gut, wenn Sie es so machen würden, daß Sie den Kindern zunächst die Schichtenbildung zum Bewußtsein bringen, daß Sie ihnen einen Begriff beibringen, wie die Alpen ent­standen sind. Und daß Sie dann den ganzen von den Alpen ausgehen-den Komplex behandeln: Pyrenäen, Alpen, Karpaten, Altai und so weiter, was ja die eine Welle ist; daß Sie diese ganze Welle den Kin­dern klarmachen. Und dann die andere Welle, die von Nordamerika über Südamerika geht. Da kriegt man also heraus diese eine Welle bis zum Altai' bis zu den asiatischen Bergen, die geht von Westen nach Osten. Und dann haben wir im Westen Amerikas oben die nordame­rikanischen und unten die südamerikanischen Gebirge. Das ist die andere Welle, von Nord nach Süd. Die steht auf der ersten senkrecht darauf.

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Von dieser Schichtung und Gliederung gehen wir aus, und da reihen wir dann die Vegetation und die Fauna an. Dann versuchen wir einfach die Westküste von Europa und die Ostküste von Amerika, die Fauna und Flora und die Schichtung zu studieren. Dann gehen wir dazu über, den Begriff davon hervorzurufen, wie der Osten von Ame­rika und der Westen von Europa zusammenhängen, und daß das Becken des Atlantischen Ozeans und die Westküste von Europa ein­fach Senkungsland ist. Von diesen Begriffen aus versuchen wir dann auf naturgemäße Weise klarzumachen, daß sich das im Rhythmus auf und ab bewegt. V on dem Begriff des Rhythmus gehen wir aus. Wir zeigen, daß die britischen Inseln viermal auf und abgestiegen

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sind. Da kommen wir zurück zu dem Begriff der alten Atlantis, auf geologischem Wege.

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Dann können wir übergehen' indem wir versuchen, in den Kindern die Vorstellung hervorzurufen, wie es anders war, als das eine da unten war, und das andere da oben. Wir gehen davon aus, daß die britischen Inseln viermal auf- und abgestiegen sind. Das ist einfach geologisch festzustellen an den Schichten. Wir versuchen also, diese Dinge in Zusammenhang zu stellen, aber wir dürfen nicht davor zurückschrecken, bei den Kindern von dem atlantischen Land zu sprechen. Wir dürfen das nicht überspringen. Auch im geschicht­lichen Zusammenhang können wir daran anknüpfen. Nur werden Sie dann die gewöhnliche Geologie desavouieren müssen. Denn die atlantische Katastrophe muß ja im 7. bis 8. Jahrtausend angesetzt werden.

Die Eiszeit, das ist die atlantische Katastrophe. Die ältere, mittlere und neuere Eiszeit, das ist nichts anderes als das, was vorgeht in Europa, während die Atlantis untersinkt. Das ist gleichzeitig, also im 7., 8. Jahrtausend.

X.: In Pierers Konversationsiexikon fand ich Artikel über Geologisches. Wir möchten gerne wissen, welche Artikel wirklich von Ihnen sind.

Dr. Steiner: Diese Artikel sind von mir geschrieben, aber die Redak­tion hei dem Zustandekommen des Lexikons war so, daß da zwei Redakteure waren. Es kann unter Umständen etwas hineingepatzt sein; ich kann nicht für die Einzelheiten garantieren. Der Artikel Basalt, Alluvium, Geologische Formationen, Eiszeit, das ist alles von mir. Der Artikel über Darwinismus ist nicht von mir. Der Artikel über Alchimie auch nicht. Nur streng die geologischen und mineralogi­schen' bis zu einem gewissen Buchstaben. G ist noch von mir; H nicht mehr, weil ich keine Zeit hatte.

X.: Der Anschluß ist sehr schwer zu finden hinter der Eiszeit. Wie ist da das, was die Wissenschaft sagt, in Parallele zu bringen mit dem, was die Geisteswis­senschaft vertritt?

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Dr. Steiner: * Da finden Sie aber in den Zyklen Anhaltspunkte. Sie haben in der Quartärzeit die erste und zweite Säugetierfauna, und Sie brauchen bloß das zu ergänzen, was über den Menschen gilt. Sie können das schon parallelisieren. Die Quartärzeit können Sie gut mit der Atlantis parallelisieren, und die Tertiärzeit können Sie paralleli­sieren im wesentlichen, nicht pedantisch, mit dem, was ich schildere als die lemurische Zeit. Da würde also die Tertiärzeit hineinkommen. Da haben Sie die älteren Amphibien und Reptilien. Da ist auch der Mensch noch in der äußeren Gestalt nur quallig da in der Substanz; er ist nur amphibienhaft gestaltet.

X.: Da ist aber doch noch Feueratmung!

Dr. Steiner: Aber diese Biester, die atmen ja auch Feuer, der Archä­opteryx zum Beispiel.

X.: Also die Tiere, deren Knochen man heute im Museum sieht, die atmeten noch Feuer?

Dr. Steiner: *Ja' alle die zu den Sauriern gehören, die gehören in das Ende der Tertiärzeit. Die im Jura gefundenen, das sind schon die Nachkommen. Ich meine die Saurier, die im Anfang der Tertiärzeit da waren. Die Juraformation erstreckt sich weiter fort. Es schiebt sich da alles ineinander. Nichts ist pedantisch zu behandeln. Vor dem Tertiären liegt das Sekundärzeitalter; da gehört der Jura hinein. Da gehört der Archäopteryx hinein. Aber das würde bei uns schon die zweite Periode werden. Man muß nicht pedantisch das eine dem anderen zuordnen.

Anmerkung der Herausgeber: In den beiden mit * bezeichneten Absätzen lie­gen offensichtlich Stenogrammfehler vor. Der Text ist in sich widerspruchs­voll; er stimmt auch weder mit den erwähnten Artikeln und der Tabelle im Piererschen Lexikon überein, noch mit Dr. Steir,ers Ausführungen in der Kon­ferenz am folgenden Tage (26. September). Der Fehler scheint sich dadurch zu erklären, daß Dr. Steiner beim Sprechen auf die Tabelle hinwies, die der Stenograph nicht vor sich hatte. - Die Herausgeber schlagen folgende Text-änderung vor, in der die geänderten Worte kursiv sind.

,,Da finden Sie aber in den Zyklen Anhaltspunkte. Sie haben in der Tertiär-zeit die erste und zweite Säugetierfauna, und Sie brauchen bloß das zu ergän­zen, was über den Menschen gilt. Sie können das schon parallelisieren. Die Tertiörzeit können Sie g ut mit der Atlantis parallelisieren' und die Sekundär-zeit können Sie parallelisieren im wesentlichen, nicht pedantisch, mit dem, was ich schildere als lemurische Zeit. Da würde also die Sekundärzeit hinein­kommen.

Ja, alle, die zu den Sauriern gehören, die gehören in das Ende der Sekundär-zeit. Die im Jura gefundenen, das sind schon die Nachkommen. Ich meine die

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Saurier, die im Anfang der Sekundörzeit da waren. . . . Vor dem Tertiären liegt das Sekundärzeitalter; da gehört der Jura hinein. Da gehört der Archä­opteryx hinein. ..."

X.: Wie ordnet sich ein, was wir über das Erdinnere gelernt haben? Darüber findet man fast nichts in der äußeren Wissenschaft.

Dr. Steiner: Das, worüber die äußere geologische Wissenschaft über­haupt handelt, bezieht sich ja nur auf die allerobersten Schichten. Diese Schichten, die bis zum Mittelpunkt der Erde gehen, die haben ja mit der Geologie nichts zu tun.

X.: Kann man diese Schichten den Kindern beibringen? Man muß doch die oben aufliegenden Schichten erwähnen.

Dr. Steiner: Ja, möglichst die Schichten angeben. Man kann es nach einer Schichtenkarte machen, aber niemals ohne daß die Kinder etwas wissen von den Gesteinsarten. Die Kinder müssen die Anschau­ung bekommen, was das für Steine sind. Bei der Erklärung fängt man an von oben herunter, weil man da leichter vermitteln kann, was da durchbricht.

X.: Der Satz von der Erhaltung der Energie in der Wärmelehre bereitet auch Schwierigkeiten.

Dr. Steiner: Warum gibt es da Schwierigkeiten? Das Bestreben müßte sein, diese Dinge allmählich hinüberzuführen zu dem, was Goethe das Urphänomen nennt, also nur Phänomene zu behandeln. Der Satz von der Erhaltung der Energie dürfte nicht behandelt wer­den wie bisher. Er ist ein Postulat, kein Satz. Und zweitens ist hier etwas ganz anderes: Das Spektrum kann man behandeln, das ist das Phänomen; aber der Satz von der Erhaltung der Energie wird als phi­losophischer Satz behandelt. Als etwas anderes ist das mechanische Wärmeäquivalent zu behandeln. Das ist das Phänomen. Warum nun nicht streng innerhalb der Phänomenologie stehenbleiben? Man arbeitet heute solche Gesetze heraus, die eigentlich Phänomene sind. Da ist es ein Unfug, daß man das ,,Gesetz" nennt, wie zum Beispiel das Fallgesetz. Das sind Phänomene, das sind keine Gesetze. Und man wird finden, daß man die ganze Physik von sogenannten Geset­zen freihalten kann, sie in Phänomene verwandeln und in sekundäre und Urphänomene gruppieren kann. Wenn man in der Fall-Lehre anfängt die soge nannten Gesetze der Atwoodschen Fallmaschine zu beschreiben, so sind das Phänomene und keine Gesetze.

X.: Da müßte man wohl so vorgehen, daß man nicht das Fal lgesetz zugrunde legt, zum Beispiel die Konstanz der Beschleunigung, und daraus das Fallgesetz entwickelt, sondern daß man es als Tatsache behandelt.

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Dr. Steiner: Zeichnen Sie es doch einfach auf, wenn Sie keine Fall-maschine haben. In der ersten Sekunde fällt es so, in der zweiten so, in der dritten so. Da kriegen Sie einfach die Zahlenreihen, und aus denen machen Sie das, was man das Gesetz nennt, was aber nur ein Phänomen ist.

X.: Über die Schwerkraft sollte man also gar nicht reden?

Dr. Steiner: Das würde ja wunderbar sein, wenn Sie es dahin bräch­ten, sich ganz abzugewöhnen, von der Schwerkraft zu reden. Man kann es dahin bringen, wenn man nur Phänomene vorbringt. Das wäre das schönste, denn die Schwerkraft ist ja nur eine Phrase.

X.: Gilt das auch von der elektrischen Kraft?

Dr. Steiner: Heute können Sie ja über Elektrizität ganz reden, ohne von Kräften zu reden. Sie können streng in Phänomenen drinnen stehenbleiben. Bis zur Ionen- und Elektronentheorie können Sie her-unterkommen, ohne von etwas anderem als von Phänomenen zu reden. Das würde pädagogisch ungeheuer wichtig sein, das zu machen.

X.: Es ist sehr schwer, ohne Kräfte auszukommen, wenn man das Maßsystem behandelt, das C-G-S-System, das man in den oberen Klassen haben muß.

Dr. Steiner: Was haben denn die Kräfte damit zu tun? Wenn Sie Rechnungen haben, wo Sie eines mit dem anderen vertauschen können, können Sie esja haben.

X.: Dann würde man vielleicht für das Wort Kraft etwas anderes setzen müssen.

Dr. Steiner: Sobald der Zögling sich klar ist darüber, daß Kraft nichts weiter ist als das Produkt von Masse und Beschleunigung, sobald er keinen metaphysischen Begriff damit verbindet, sie also immer phänomenologisch behandelt, kann man ja von Kraft reden.

X.: Könnten wir etwas Näheres hören über Planetenbewegung? Es ist vieles angedeutet worden, aber man hat noch keine klare Vorstellung über die wahre Bewegung der Planeten und der Sonne.

Dr. Steiner: Das ist eigentlich so in Wirklichkeit:

(Dr. Steiner demonstriert an der Zeichnung.) Jetzt muß man einfach sich vorstellen, das schraubt sich fort. Das andere ist scheinbare Be­wegung. Die Schraubenlinie setzt sich im Weltenraum fort. Also nicht, daß sich die Planeten um die Sonne bewegen, sondern diese

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drei: Merkur, Venus, Erde, ziehen der Sonne nach, und diese drei:

Mars, Jupiter, Saturn, gehen voraus. Dadurch wird hervorgerufen, wenn also die Erde da steht, das hier ist die Sonne, da zieht die Erde nach. Da sieht man so hin auf die Sonne von hier aus, und das be­wirkt, daß es ausschaut, als wenn die Erde herumgehe, während sie nur nachzieht. Die Erde zieht der Sonne nach. Die Steigung ist gleich dem, was man den Deklinationswinkel nennt; wenn Sie den Winkel, den Sie herausbekommen, wenn Sie den Ekliptikwinkel nehmen, den sie einschließt mit dem Äquator, dann kriegen Sie das heraus. Also nicht eine Spirale, sondern eine Schraubenlinie. Es ist nicht eben, sondern räumlich.

X.: Wie steht jetzt die Erdachse in dieser Bewegung?

Dr. Steiner: Wenn die Erde hier sein würde, würde die Erdachse eine Tangente sein. Der Winkel ist 231/2 Grad. Der Winkel, der mit der

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Schraube eingeschlossen wird, ist derselbe, den Sie herauskriegen, wenn Sie den Nordpol nehmen, und da diese Lemniskate machen als Bahn eines der Sterne in der Nähe des Nordpols. Das müßte ich kon­statieren. Da bekommt man eine scheinbare Lemniskate heraus, wenn man diese Linie verlängert. Sie ist nicht vorhanden. weil der Nordpol fix bleibt, der Himmelsnordpol.

X.: 1413 passierte doch eine besondere Konstellation?

Dr. Steiner: Ich habe heute darauf hingedeutet. Es ist das so, daß Sie nehmen können etwa 7000 Jahre vor 1413. Da bekommen Sie her­aus ein Zusammenfallen der Erdachse, also den kleinsten Winkel. Dann wird er größer, und dann jetzt wiederum kleiner zunächst; dadurch entsteht die Lemniskate. Also zeitweilig ist der Erdwinkel null. Also dann war die atlantische Katastrophe. Da waren nicht diese Jahreszeitenunterschiede. Da war immer Tagundnachtgleiche.

X.: Wie kommt es, daß der Himmelspol, der nichts anderes ist als der Punkt, auf den sich die Erdachse hinrichtet, gleich bleiben soll? Er ändert sich doch tm Laufe der Jahre.

Dr. Steiner: Das ist eben dadurch bewirkt, daß die Erdachse einen Kegel beschreibt, einen Doppelkegel. Dadurch wird fortwährend seine Bewegung ausgeglichen durch die Bewegung der Erdachse. Wenn Sie die Erdachse immerfort parallel zu sich hätten, dann würde der Himmelspol eine Lemniskate beschreiben, aber er bleibt, wo er ist. Das geschieht dadurch, daß durch die Bewegung der Erdachse im Doppelkegel aufgehoben wird diese Bewegung, die dadurch heraus­kommt, daß der Himmeispol eine Lemniskate beschreiben würde; die wird dadurch aufgehoben.

X.: Ich hatte mich eingestellt auf eine Bewegung der Erdachse, die Sie be­schrieben haben. Ich sagte mir, es muß sich am Himmel scheinbar der Punkt, der am Himmel fix bleibt, im Laufe der Jahrhunderte ändern. Das würde sein, glaubte ich, im Sinne der Lemniskate, also nicht etwa ein Kreis am Himmel im platonischen Jahr.

Dr. Steiner: Das wird dadurch aufgehoben, daß diese Linie, die Achse der Schraube, nicht eine wirkliche Gerade ist, sondern eine Kurve. Das ist nur annähernd eine Gerade. In Wirklichkeit wird hier auch ein Kreis beschrieben. Man hat es zu tun mit einer Schraube, die eigentlich zu ihrem Gewinde einen Kreis hat.

X.: Wie ist es möglich, das in Zusammenhang zu bringen mit dem Galileischen Relativitätsprinzip? Mit der Tatsache, daß wir keine absolute Raumbewegung feststellen können?

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Dr. Steiner: Was heißt das?

X.: Daß wir nicht von der absoluten Bewegung im Raum sprechen können. Wir können nicht sagen: dieser Körper steht im Raum still, sondern er bewegt sich. Es ist nur relativ. Wir können nur wissen, daß ein Körper sich zum ande­ren hinbewegt.

Dr. Steiner: Dies gilt eigentlich nur, solange man die Untersuchung nicht ausdehnt auf das Innere des betreffenden Körpers. Also, nicht wahr, wenn Sie zwei Menschen haben, die zueinander relativ in Be­wegung sind, so können Sie, solange Sie rein mathematisch räumlich untersuchen und den Untersuchungspunkt außerhalb der betreffen­den Menschen nehmen - es kann Ihnen gleichgültig sein, was absolut vorgeht -, Sie werden nur die Relativität der Bewegung bekommen. Aber dem Menschen ist es nicht gleichgültig. Zwei Meter zu laufen, ist ein anderes, als drei Meter zu laufen. Das Prinzip gilt also nur für den Beobachter, der außerhalb steht. In dem Augenblick, wo er drin­nensteht, wie wir es tun als Erdenmenschen - sobald die Unter­suchung beginnt, die innere Veränderung einzubeziehen, dann hört die Sache auf. In dem Augenblick, wo wir Untersuchungen so machen, daß wir absolute Veränderungen feststellen in den aufein­anderfolgenden Erdenepochen, hört die Sache auf.

Deshalb betone ich so scharf, daß der Mensch heute ganz anders ist als in der Griechenzeit. Da kann man nicht vom Relativitätsprinzip sprechen. Bei dem Eisenbahnzug auch nicht; beim Schnellzug wer­den die Wagen mehr abgenützt als beim Bummelzug. Wenn man beim inneren Zustand ankommt, hört das Relativitätsprinzip auf. Das Relativitätsprinzip Einsteins ist aus unrealem Denken entsprungen. Er fragte, was geschieht, wenn einer anfängt fortzufliegen mit der Lichtgeschwindigkeit und wieder zurückkommt; dann geschieht das und das. Nun möchte ich fragen, was mit einer Uhr überhaupt geschehen würde, wenn sie mit Lichtgeschwindigkeit fortflöge. Das ist doch unreal gedacht. Das ist aus dem Zusammenhang. Es sind bloß die Raumverhältnisse gedacht. Das ist seit Galilei möglich geworden. Galilei selber hat die Sache noch nicht so verzerrt, aber heute ist schon durch diese Überspannung der Relativitätstheorie möglich geworden, daß man solche Sachen vorbringt.

X.: Es ist eine Merkwürdigkeit beim Licht, daß man bei der Lichtgeschwindig­keit nicht feststellen kann, in welcher Bewegungsbeziehung man sich zur Lichtquelle befindet.

Dr. Steiner: Lorentzscher Versuch. Lesen Sie die Sache durch - sie ist interessant, aber theoretisch behandelt, was Lorentz daraus schließt. Es ist nicht nötig, daß Sie es annehmen, daß da bloß Relativitätsunterschiede

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sind. Da kommt man aus mit der absoluten Mechanik. Sie haben wahrscheinlich nicht alle diese Zwangsvorstel­lungen berücksichtigt. Es ist kein Unterschied als ein solcher, der her­vortreten würde, wenn Sie eine Röhre nehmen würden (Zeichnung) und Sie würden also hier in dieser Röhre eine sehr feine Wandung haben, eine elastische Wandung. Und Sie würden oben und unten eine Flüssigkeit haben und dazwischen auch. Da würden sich zwi­schen diesen zwei Flüssigkeiten dieselben Verhältnisse ergeben, wie sie sich bei Lorentz für das Licht ergeben. Da muß man mit der Zwangs-interpretation auftreten, wenn man diese Dinge so nehmen will.

Sie kennen ja wohl das Prachtstück: Sie bewegen sich in einem Eisen­bahnzug zunächst mit der Geschwindigkeit eines Eisenbahnzuges und lassen eine Kanone losschießen, so hören Sie sie einmal in Frei­burg, zweimal in Karlsruhe, dreimal in Frankfurt. Wenn Sie sich schneller bewegen, als die Schallbewegung ist, so hören Sie zuerst die drei Schüsse in Frankfurt, nachher erst die zwei Schüsse in Karlsruhe und nachher einen Schuß in Freiburg. Solche Sachen kann man aus-spekulieren, aber sie haben keine Realität, weil Sie sich eben nicht schneller bewegen können als die Schallgeschwindigkeit.

X.: Wie könnte man das Astronomische herausarbeiten durch die Spiralbewe­gung der Pflanzen? Ist einesolcheVorrichtungmöglich,daßmandasheraus­beweisen kann aus der Pflanze?

Dr. Steiner: Was brauchen Sie eine Vorrichtung? Die Pflanzen sind doch selbst diese Vorrichtung. Sie haben nur nötig, das Pistill, den Stempel, der Mondenbewegung zuzuordnen, und die Narbe der Son­nenbewegung. In dem Augenblick, wo Sie zuordnen das Pistill der Mondenbewegung und die Narbe der Sonnenbewegung, kriegen Sie das übrige heraus. Dann haben Sie in der Spiralbewegung der Pflanze nachgeahmt das relative Verhältnis zwischen dem, was Sonnen-bewegung ist, und dem, was Mondenbewegung ist. Dann können Sie weitergehen. Das ist kompliziert. Sie müssen es konstruieren. Zu­nächst bewegt sich scheinbar das Pistill nicht. Es bewegt sich inner­halb, in der Spirale. Das müssen Sie umkehren; das ist relativ. Der Stem p el gehört in die Stengellinie, die Narbe in die Spiralbewegung. Ich glaube aber - man kann das schwer weiter andeuten -, das können Sie in der Schule nicht brauchen. Das ist eine Sache der wei­teren Erkenntnisentwickelung.

X.: Gibt es keine Möglichkeit, diese Spiralbewegung der Sonne und der Erde aus astronomisch bekannten Tatsachen herzuleiten?

Dr. Steiner: Warum nicht? Genau wie Sie die Kopernikanische

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Lehre heute lehren. Das ganze beruht auf dem Witz, der gemacht wird, daß von den drei Kopernikanischen Gesetzen bloß die beiden ersten gelehrt werden; das dritte wird weggelassen. Fügen Sie das dritte hinzu, dann kommen Sie zu dieser Sache, daß Sie eine einfache Spirale um die Sonne bekommen. Kopernikus hat sie gemacht. Sie brauchen bloß sein drittes Gesetz zu nehmen. Sie brauchen bloß das Buch ,,De revolutionibus corporum coelestium" wirklich zu neh­men, und brauchen drei Gesetze statt der zwei zu nehmen. Man hat nur die zwei genommen, das stimmt aber nicht mit den Bewegungen, die man sieht. Da fügt man die sogenannten Besselschen Korrektur-gleichungen ein. Man sieht die Sterne nicht, wie sie von Kopernikus angegeben werden. Da muß man das Fernrohr drehen; da dreht man nach Besselschen Gleichungen. Sie brauchen das nur auszuschalten, dann kriegen Sie das Richtige heraus.

Das dürfen Sie aber heute nicht machen, sonst werden Sie ganz ver­trackt genannt. Es ist aber kinderleicht, es zu lernen, und das, was heute gelehrt wird, als Humbug zu erklären. Man braucht bloß die Besselschen Taggleichungen herauszuwerfen und das dritte Koperni­kanische Gesetz zu berücksichtigen.

X.: Könnte man das nicht veröffentlichen?

Dr. Steiner: Johannes Schlaf hat damit angefangen, indem er die Punkte am Jupiter konstatiert hat, die stimmen nicht im Verlauf mit dem Kopernikanischen System. Die Leute sind über ihn hergefallen und sagten: Das ist ein verrückter Kerl.

Gegen die brutale Gewalt ist eben nichts zu machen. Realisieren Sie die Bestrebungen des Kulturrates, daß es Luft gibt. Die Sachen sind schlimmer als man denkt. Wenn ein Professor in Tübingen aus dem Warencharakter einen ,,wahren Charakter" machen kann! Das Publi­kum will sich nicht dazu entschließen, anzuerkennen, daß unser gan­zes Schulsystem korrupt ist. Das ist etwas, was zunächst einmal gang und gäbe werden muß, daß unsere Universitäten weg müssen, daß die höheren Schulen weg müssen. Die müssen ersetzt werden durch etwas ganz anderes. Das ist die eigentliche Grundlage.

Es ist ganz unmöglich, mit den Kerlen etwas zu machen. Ich sprach in der Volkshochschule in Dresden. Ich sprach dann auch in der Schopenhauer-Gesellschaft in Dresden. Da haben nachher die Pro­fessoren richtiges Blech geredet. Nicht einen Gedanken konnten sie festhalten. Einer stand auf und sagte, er müsse die Unterschiede angeben, die zwischen der Schopenhauerschen Philosophie und det Anthroposophie bestehen. Ich sagte, ich fände das unnötig. Anthroposophie

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verhalte sich zur Philosophie wie die Krone zur Wurzel eines Baumes. Daß zwischen der Wurzel und der Krone ein Unter­schied besteht, ist selbstverständlich. Da kann sich einer hinstellen und sagen: Er ist genötigt, den Unterschied zwischen Wurzel und Krone festzustellen, und ich habe doch nichts anderes behauptet. Die Kerle können keinen geraden Gedanken fassen. Die heutige Uni­versitätsphilosophie ist geradezu Unsinn. Es ist ja in vielem, was sie bringt, ein richtiger Kern, aber mit so viel Humbug verknüpft, daß doch Unsinn herauskommt. Die ,,Wertlehre" von Rickert kennen Sie doch? Das bißchen, was darinnen steckt als guter Kern in der Uni­versitätsphilosophie, Sie finden es angeführt in meinen ,,Rätseln der Philosophie".

Mit dem ,,wahren Charakter", das kommt mir gerade so vor, wie etwas anderes: Ich habe Leute in der Gesellschaft gefunden, die wuß­ten nicht, was Gewerkschaften sind. Ich habe es oftmals betont:

diese Dinge kommen vor. Wenn man im Kulturrat sachgemäß wirken würde, würde man die Vernunft anstelle dieser schrecklichen Be­triebe setzen, dann würde alles besser werden. Dann könnten Sie auch vernünftige Astronomie lehren. Sie können aber der brutalen Macht gegenüber nicht aufkommen. Im Kulturrat könnte das gesche­hen, was von Anfang an geschehen sollte: Daß er sein Programm wirklich aufnehme und dahin arbeite, das ganze Schulwesen in die Hand zu nehmen. Die Waldorfschule ist eingerichtet als Musterbei­spiel. Sie kann aber auch nichts machen der brutalen Gewalt gegen­über. Der Kulturrat hätte die Aufgabe, das ganze Unterrichtswesen umzugestalten. Wenn wir zehn Millionen hätten, könnten wir die Waldorfschule ausbauen. Das sind ja nur ,,kleine Hindernisse", dieses Fehlen von zehn Millionen.

Mir liegt ungeheuer auf der Seele, daß Sie sich nicht abschrecken las­sen durch etwas, was Ihnen von außen entgegentritt als Ungezogen­heit der Kinder und dergleichen. Sie dürfen nicht die Vorstellung haben, daß Sie Engel in die Schule kriegen. Auch kann Ihnen viel mißlingen dadurch, daß Sie das Schulmaterial nicht so haben, wie es sein muß. Trotzdem wollen wir aber streng an dem festhalten, was wir uns vorgesetzt haben und wollen uns durch nichts abhalten las-sen, so gut es geht, es zu erreichen.

Das ist also sehr wichtig, daß Sie praktisch auseinanderhalten das, was möglich ist nach den äußeren Bedingungen, die vorhanden sind, und das, was die Stoßkraft geben soll. Wir dürfen nichts anderes glau­ben, als daß unsere Ideale verwirklicht werden können. Sie können es auch, es zeigt sich nur nicht gleich.

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Konferenz vom Freitag 26. September 1919, 16 Uhr

Zunächst findet eine Besprechung statt über einzelne Kinder, die Dr. Steiner sich am Vormittag angesehen hatte.

Dr. Steiner: Den E. E. muß man moralisch heben. Er ist ein Bol­schewist.

X., der vertretungsweise die 1. Klasse führte, stellt eine Frage.

Dr. Steiner: Man sollte das Lesen sehr stark aus dem malenden Schreiben herausarbeiten. Die Formen müßte man aus dem Künstle­rischen heraus ableiten.

X. schlägt vor, morgens mit dem Vaterunser zu beginnen.

Dr. Steiner: Ich würde es sehr schön finden, mit dem Vaterunser den Unterricht zu beginnen. Dann gehen Sie über zu den Sprüchen, die ich Ihnen sagen werde.

Für die vier unteren Klassen bitte ich, den Spruch in der folgenden

Weise zu sagen: Der Sonne liebes Licht,

Es hellet mir den Tag;

Der Seele Geistesmacht,

Sie gibt den Gliedern Kraft;

Im Sonnen-Lichtes-Glanz

Verehre ich, o Gott,

Die Menschenkraft, die Du

in meine Seele mir

So gütig hast gepflanzt,

Daß ich kann arbeitsam

und lernbegierig sein.

Von Dir stammt Licht und Kraft,

Zu Dir ström' Lieb' und Dank.

Das müßten die Schüler so empfinden, wie ich es gesprochen habe. Man müßte ihnen auch klarmachen nach und nach - erst sollen sie die Worte aufnehmen - den Gegensatz des Äußeren und des Inne­ren.

Der Sonne liebes Licht,

Es hellet mir den Tag;

Der Seele Geistesmacht,

Sie gibt den Gliedern Kraft;

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Das eine bemerkt man beobachtend, wie das Licht den Tag erhellt; das andere ist das Fühlen des Seelischen, wie es in die Glieder geht. Geistig-seelisch - physisch-körperlich: das liegt in diesem Satz.

Im Sonnen-Lichtes-Glanz

Verehre ich, o Gott,

Die Menschenkraft, die Du

In meine Seele mir

So gütig hast gepflanzt,

Daß ich kann arbeitsam

Und lernbegierig sein.

Dies also verehrend zu denselben beiden. Dann noch einmal zu bei­den sich wendend:

Von Dir stammt Licht und Kraft, (die Sonne)

Zu Dir ström' Lieb' und Dank. (vom Innern)

So, würde ich meinen, sollen die Kinder es empfinden: zu dem Göttlichen im Licht und in der Seele.

Sie müssen versuchen, mit dieser Empfindung, wie ich es vorgelesen habe, es mit den Kindern zusammen im Chor zu sprechen. Zuerst lernen es die Kinder rein wortgemäß, so daß sie Wort, Takt und Rhythmus haben. Erst später erklären Sie einmal gelegentlich: Jetzt wollen wir mal sehen, was da drinnen ist. - Erst müssen sie es haben, dann erst erklären. Nicht zuerst erklären, auch nicht viel darauf geben, daß die Kinder es auswendig können. Im Gebrauch erst, nach und nach sollen sie es auswendig lernen. Sie sollen es förmlich von Ihren Lippen zunächst ablesen. Wenn es lange Zeit, vier Wochen meinetwegen, schlecht geht, um so besser wird es später gehen. Die Größeren können es schon aufschreiben; mit den Kleinsten muß man es nach und nach einlernen. Nicht befehlen, daß sie es auswen­dig lernen! Wenn Sie es ihnen aufschreiben, ist es ja schön; dann haben sie es in Ihrer Schrift.

Den Spruch für die vier höheren Klassen gebe ich Ihnen morgen noch.

Der Spruch für die vier höheren Klassen lautet so:

Ich schaue in die Welt;

In der die Sonne leuchtet,

In der die Sterne funkeln;

In der die Steine lagern,

Die Pflanzen lebend wachsen,

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Die Tiere fühlend leben,

In der der Mensch beseelt

Dem Geiste Wohnung gibt;

Ich schaue in die Seele,

Die mir im Innern lebet.

Der Gottesgeist, er webt

Im Sonn- und Seelenlicht,

Im Weltenraum, da draußen,

In Seelentiefen, drinnen.

Zu Dir, o Gottesgeist,

Will ich bittend mich wenden,

Daß Kraft und Segen mir

Zum Lernen und zur Arbeit

In meinem Innern wachse.

Die Texte sind hier genau nach den Handschriften wiedergegeben, ausgenom­men die Absätze im ersten Spruch, die Dr. Steiner wahrscheinlich beim Dik­tieren zum Ausdruck gebracht hat, laut Stenogramm. Es ist nicht ausgeschlos­sen, daß er ,,Liebeslicht" diktiert hat.

Lehrplan für den freien anthroposophischen Religionsunterricht für Kinder.

Dr. Steiner: Dieser Unterricht müßte in zwei Stufen erteilt werden. Wenn Sie überhaupt darauf eingehen wollen, anthroposophischen Unterricht mit religiösen Zielen zu betreiben, dann müssen Sie den Begriff des Religiösen eben viel ernster nehmen, als er gewöhnlich genommen wird. Gewöhnlich wird der Begriff der Religion dadurch entstellt, daß in die Religion allerlei nicht hineingehöriges Welt­anschauliches hineingemischt wird. Dadurch wird gerade durch die religiöse Überlieferung dasjenige von einem Zeitalter ins andere hin­übergetragen, was man nicht weiterbilden will. Es blieben alte Welt­anschauungen neben den weitergebildeten Weltanschauungen gewahrt. Diese Dinge traten ja grotesk hervor in dem Zeitalter des Galilei und Giordano Bruno. Wie heute noch in Apologien diese Dinge gerechtfertigt werden, das ist geradezu humorvoll. Die katho­lische Kirche redete sich aus, daß ja dazumal die kopernikanische Weltanschauung nicht anerkannt gewesen sei, die sie selber verboten hatte; daher durfte Galilei sie auch nicht vertreten. Darauf will ich jetzt nicht eingehen, sondern ich will es nur erwähnen, um Ihnen zu sagen, daß das Religiöse ernst genommen werden muß, sobald es sich um Anthroposophisches handelt.

Nicht wahr, das Anthroposophische ist eine Weltanschauung, und die wollen wir als solche durchaus nicht in unsere Schule hinein-tragen. Wir müssen aber jenes religiöse Gefühl, welches von dieser

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Weltanschauung der Menschenseele vermittelt wird, für die Kinder, deren Eltern es ausdrücklich verlangen, entwickeln. Wir dürfen aber gerade, wenn wir von der Anthroposophie ausgehen wollen, nichts Falsches entwickeln, nichts Verfrühtes vor allen Dingen entwickeln. Wir werden daher zwei Stufen unterscheiden. Wir nehmen also die Kinder zunächst zusammen, die wir in den vier Unterklassen haben, und dann die, die wir in den vier Oberklassen haben.

In den vier unteren Klassen versuchen wir mit den Kindern Dinge und Vorgänge der menschlichen Umwelt so zu besprechen, daß bei den Kindern die Empfindung entsteht, daß Geist in der Natur lebt. Da kommen also solche Dinge dann in Betracht, wie ich sie als Bei­spiele angeführt habe. Man will den Kindern zorn Beispiel den Begriff der Seele beibringen. Da ist es notwendig, daß man erstens den Be­griff des Lebens überhaupt den Kindern nah ebringt. Den Begriff des Lebens bringt man den Kindern nahe, wenn man sie aufmerksam macht darauf, daß die Menschen zuerst klein sind, dann heranwach­sen, alt werden, daß sie weiße Haare bekommen, Runzeln bekom­men und so weiter. Also man weist auf den Ernst des Lebenslaufes beim Menschen hin und macht tatsächlich die Kinder mit dem Ernst des Todes bekannt, mit dem die Kinder ja doch bekannt werden.

Dann ist es durchaus nicht unnötig, nun Vergleiche anzustellen zwi­schen dem, was in der Menschenseele vorgeht beim Wechsel von Schlafen und Wachen. Auf solche Dinge kann man bei dem kleinsten Kinde auf der ersten Stufe durchaus eingehen. Wachen und Schla­fen: die Erscheinung besprechen, wie da die Seele ruhend ist, wie der Mensch unbeweglich ist im Schlafe und so weiter. Dann bespricht man mit dem Kinde, wie die Seele den Körper durchdringt, wenn er wacht, und macht es aufmerksam darauf, daß es einen Willen gibt, der in den Gliedern sich regt; macht es aufmerksam daraul, daß der Körper der Seele die Sinne gibt, durch die man sieht, hört und so weiter. Solche Dinge sind also als Beweis zu geben dafür, daß Geisti­ges im Physischen waltet. Das ist mit dem Kinde zu besprechen.

Vollständig vermieden muß werden irgendeine oberflächliche Zweckmäßigkeitslehre. Also der anthroposophische Religionsunter­richt darf ja nicht nach dem Muster jener Zweckmäßigkeitslehre irgendwie orientiert sein, die da sagt: ,,Wozu findet man an dem Baume Kork? ,, ,,Damit man Champagnerpfropfen machen kann. Das hat der liebe Gott weise eingerichtet, damit man Kork hat zu Pfropfen." Dieses, daß etwas da ist ,,wozu", das wie menschliche Absicht waltet und in der Natur sich auslebt, das ist Gift; das darf nicht entwickelt werden. Also ja nicht banale Zweckmäßigkeitsvor-stellungen in die Natur hineintragen.

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Ebensowenig darf die Vorstellung gepflegt werden, die die Menschen so sehr lieben, daß das Unbekannte ein Beweis des Geistes ist. Nicht wahr, die Menschen sagen: Oh, das kann man nicht wissen, da offen­bart sich der Geist! - Statt daß die Menschen die Empfindung be­kommen: Man kann vom Geiste wissen, der Geist offenbart sich in der Materie -, werden die Menschen so sehr darauf hingelenkt, daß da, wo man sich etwas nicht erklären kann, ein Beweis ist für das Göttliche.

Diese zwei Dinge sind also streng zu vermeiden, oberflächliche Zweckmäßigkeitslehre und solche Wundervorstellungen, die also das Wunder geradezu suchen als einen Beweis des göttlichen Waltens.

Dagegen kommt es überall darauf an, daß wir uns Vorstellungen ausbilden, durch die wir aus der Natur auf das Übersinnliche hinwei­sen. Zum Beispiel habe ich ja oftmals das eine erwähnt: Wir sprechen mit den Kindern über die Schmetterlingspuppe' wie der Schmetter­ling aus der Puppe kommt, und machen ihnen daran den Begriff der unsterblichen Seele klar, indem wir sagen: Ja, der Mensch stirbt, und dann geht aus ihm die Seele heraus wie ein unsichtbarer Schmetter­ling, so wie der Schmetterling aus der Puppe geht. Aber wirksam ist eine solche Vorstellung nur, wenn Sie selber daran glauben, wenn Ihnen selber die Vorstellung des Auskriechens des Schmetterlings aus der Puppe ein von göttlichen Mächten in die Natur hinein-gepflanztes Symbolum für die Unsterblichkeit ist. Man muß selber daran glauben, sonst glauben einem die Kinder nicht.

Solche Dinge muß man anregen in den Kindern, und sie werden dann besonders wirksam sein in den Kindern, wo man zeigen kann, wie ein Wesen in vielen Gestalten leben kann, eine Urgestalt in vielen ein­zelnen Gestalten. Aber es kommt darauf an, das Empfindungs­gemaße' nicht das Weltanschauungsgemäße im religiösen Unterricht zu pflegen. Sie können zum Beispiel die Gedichte über die Metamor­phose der Pflanzen und der Tiere ganz gut religiös verwenden, nur müssen Sie die Gefühle, die Empfindungen, die von Zeile zu Zeile gehen, verwenden. Und Sie können in ähnlicher Weise die Natur betrachten, bis die 4. Klasse vollendet ist. Da müssen Sie namentlich auch die Vorstellung immer wieder anregen, daß der Mensch im ganzen Weltenall drinnensteht mit all seinem Denken und all seinem Tun. Und Sie müßten auch diese Vorstellung anregen, daß in dem, was in uns lebt, auch der Gott lebt. Und immer wieder müssen Sie auf solche Vorstellungen zurückkommen: Im Baumblatt lebt das Gött­liche, in der Sonne lebt das Göttliche, in der Wolke und im Flusse lebt das Göttliche. Aber das Göttliche lebt auch im Blutlauf; das

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Göttliche lebt im Herzen, in dem, was du fühlst, in dem, was du denkst. Also immer die Vorstellung entwickeln, daß der Mensch auch ausgefüllt ist vom Göttlichen.

Dann muß man sehr stark schon in diesen Jahren die Vorstellung hervorrufen, daß der Mensch verpflichtet ist, weil er den Gott dar­stellt, weil er das Göttliche offenbart, ein guter Mensch zu sein. Der Mensch tut dem Gott Schaden, wenn er nicht gut ist. Der Mensch ist nicht um seiner selbst willen in der Welt, religiös gedacht, sondern er ist in der Welt zur Offenbarung des Göttlichen. Man drückt das oft so aus, daß man sagt: Der Mensch ist nicht um seiner selbst willen da, sondern ,,zur Ehre Gottes". - Zur ,,Ehre" bedeutet dann aber in Wirklichkeit ,,zur Offenbarung". Wie es ja auch nicht heißt in Wirk­lichkeit: ,,Ehre sei Gott in der Höhe", sondern: ,,Es offenbaren sich die Götter in der Höhe." So ist auch der Satz, daß der Mensch ,,zur Ehre Gottes" da ist, so zu fassen: Er ist da, damit er durch seine Taten und sein ganzes Fühlen das Göttliche ausdrückt. Und wenn er etwas Schlechtes tut, wenn er unfromm und ungut ist, so tut er etwas, was dem Gotte zur Schmach wird, wodurch der Gott selbst entstellt wird, zu etwas Unschönem wird.

Diese Vorstellung muß man besonders hereinbringen. Also das Inne-wohnen des Gottes in dem Menschen, das ist etwas, was schon auf dieser Stufe verwendet werden muß. Auf dieser Stufe würde ich noch von jeder Christologie absehen und nur aus der Natur und aus Naturvorgängen heraus eben das göttliche Vatergefühl erwecken. Und ich würde versuchen, daran zu knüpfen allerlei Besprechungen über Motive des Alten Testaments, namentlich auch soweit sie ver­wendbar sind - und sie sind es, wenn sie nur richtig behandelt wet­den-, die Psalmen Davids' das Hohe Lied und so weiter. Das wäre also die erste Stufe.

Bei der zweiten Stufe, die ja also die vier höheren Klassen umfassen würde, würde es sich darum handeln, daß man viel bespricht mit den Kindern die Begriffe von Schicksal, Menschenschicksal. Also dem Kinde wäre eine Vorstellung beizubringen von dem, was Schicksal ist, so daß das Kind wirklich fühlt, daß der Mensch ein Schicksal hat. Den Unterschied dem Kinde beizubringen zwischen dem, was einen zufällig bloß trifft, und dem, was Schicksal ist, das ist wichtig. Also man muß den Begriff des Schicksals mit dem Kinde behandeln. Die Frage, wann einen etwas als Schicksal trifft, oder wann einen etwas zufällig trifft, die läßt sich nicht definitionsgemäß erläutern. Man kann sie aber vielleicht an Beispielen erläutern. Ich will sagen, wenn ich empfinde bei einem Ereignis, das mich trifft, daß ich das Ereignis

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so wie gesucht habe, dann ist es Schicksal. Wenn ich nicht empfinden kann, daß ich es gesucht habe, aber besonders stark empfinden kann, daß es mich überrascht und daß ich viel daran lernen kann für die Zukunft, dann ist es ein Zufall, dann wird es erst Schicksal. Es muß an diesem, was nur empfindungsgemäß erlebt werden kann, der Unterschied zwischen ,,vollendetem Karma" und ,,aufgehendem, werdendem Karma" dem Kinde allmählich beigebracht werden. Man muß wirklich die Schicksalsfrage im Sinne der Karmafrage allmäh­lich mit dem Kinde behandeln.

Daß es in der Empfindung Unterschiede gibt, darüber werden Sie Genaueres finden in der neuesten Auflage meiner ,,Theosophie". Da habe ich diese Frage einmal behandelt in dem Kapitel ,,Reinkarnation und Karma"' das ganz neu bearbeitet ist. Da habe ich versucht, herauszuarbeiten, wie man den Unterschied empfinden kann. Da können Sie den Kindern durchaus schon klarmachen, daß es eigentlich zweierlei Ereignisse gibt. Bei dem einen empfindet man eben mehr, daß man es gesucht hat: zum Beispiel wenn man einen Menschen kennenlernt, empfindet man meistens, daß man ihn ge­sucht hat. Wenn einen ein Naturereignis trifft, in das man verquickt ist, dann empfindet man, daß man viel daran lernen kann für die Zukunft. Trifft einen etwas durch Menschen, so ist es meist ein erfülltes Karma. Selbst in einer solchen Weise, daß Sie sich hier zu­sammenfinden zum Beispiel in einem Lehrerkollegium in der Wal­dorfschule' ist ein erfülltes Karma. Man findet sich so zusammen, weil man sich gesucht hat. Das läßt sich aber nicht definitionsgemäß klarmachen, sondern nur empfindungsgemäß. Man muß dem Kinde viel über allerlei besondere Schicksale sprechen, vielleicht in Erzäh­lungen, worin Schicksalsfragen spielen. Man kann manches sogar wiederholen aus den Märchenerzählungen, indem man die Märchen noch einmal durchnimmt, in denen Schicksalsfragen spielen. Namentlich kann man auch in der Geschichte solche Beispiele auf­suchen, wo man an einzelnen Personen sieht, wie sich ein Schicksal erfüllt. Die Schicksalsfrage ist also zu besprechen, um von dieser Seite auf den Ernst des Lebens hinzuweisen.

Und dann möchte ich Ihnen klarmachen, was das eigentlich Reli­giöse im anthroposophischen Sinne ist. Das Religiöse im Sinne der Anthroposophie ist das Gefühlsmäßige, das, was wir aus der Welt­anschauung an Gefühlen aufnehmen für Welt und Geist und Leben. Die Weltanschauung selber ist eine Sache des Kopfes, das Religiöse aber geht immer aus dem ganzen Menschen hervor. Daher ist eine Religion, die Bekenntnisreligion ist, eigentlich nicht wirklich religiös.

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Dasjenige, worauf es ankommt, ist, daß in der Religion der ganze Mensch, und zwar hauptsächlich Gefühl und Wille, lebt. Das­jenige, was an Weltanschauungsinhalt in der Religion lebt, das ist eigentlich nur zum Exemplifizieren, zur Unterstützung, zur Vertie­fung des Gefühls und zur Erstarkung des Willens. Das ist das, was aus der Religion fließen soll: daß der Mensch über das, was einem die vergänglichen, irdischen Dinge an Gemütsvertiefung und Willens­erstarkung geben können, hinauswächst.

Von der Schicksalsfrage wäre dazu überzugehen, den Unterschied zu besprechen zwischen dem, was man von den Eltern ererbt hat, im Gegensatz zu dem, was man aus einem früheren Erdenleben mit­bringt. In der zweiten Stufe werden die früheren Erdenleben heran­gezogen, und alles wird beigetragen, damit ganz verstandesmäßig, gefühlsmäßig begriffen wird, daß der Mensch in wiederholten Erden-leben lebt.

Und dann sollte durchaus berücksichtigt werden, daß der Mensch zunächst sich in drei Stufen zum Göttlichen erhebt. - Also, nach­dem man mit dem Schicksalsbegriff beigebracht hat langsam, in Erzählungen, den Vererbungsbegriff, den Begriff der wiederholten Erdenleben, geht man über zu den drei Stufen des Göttlichen:

Erstens zu dem Göttlichen, das zu dem Engelwesen führt, das für jeden einzelnen Menschen persönlich da ist. Und da bespricht man, wie der einzelne Mensch von Leben zu Leben geführt wird durch seinen persönlichen Genius. Also dieses Persönlich-Göttliche, das im Menschen führend ist, das wird zuerst besprochen.

Zweitens versucht man nun zu erklären, daß es höhere Götter gibt, die Erzengel, und daß die dazu da sind - man kommt da allmählich hinein in das, was man in der Geschichte, in der Geographie betrach­ten kann -, daß die Erzengel dazu da sind, um ganze Menschen­gruppen zu dirigieren, also Völkermassen und dergleichen. Das muß scharf so beigebracht werden, daß das Kind unterscheiden lernt zwi­schen dem Gott, von dem zum Beispiel der Protestantismus spricht, der eigentlich nur der Engel ist, und zwischen dem Erzengel, der etwas Höheres ist als dasjenige, was eigentlich in der evangelischen Religionslehre überhaupt vorkommt.

Drittens ist dann nun auch der Begriff des Zeitgeistes beizubringen als eines waltenden Göttlichen über Perioden hin. Da kommt man in den Zusammenhang zwischen der Geschichte und der Religion.

Und erst, wenn man solche Begriffe beigebracht hat, geht man dazu über, so etwa im zwölften Jahr - wir können es ja jetzt nicht so machen: wir werden zwei Stufen machen; die Kinder können durchaus

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schon früher hören, was sie dann später besser verstehen -, nach­dem wir die drei Stufen dem Kinde möglichst beigebracht haben, gehen wir über zur eigentlichen Christologie, indem wir die Welt­entwickelung in zwei Teile teilen: in die vorchristliche' die eine Vor­bereitung war, und in die christliche, die eine Erfüllung ist. Da muß der Begriff eine große Rolle spielen, daß sich das Göttliche durch den Christus offenbarte ,,in der Fülle der Zeiten".

Und dann gehe man auch erst über zu den Evangelien. Bis dahin verwende man, insofern man Erzählungen braucht, um den Begriff der Engel, Erzengel und des Zeitgeistes zu erklären, das Alte Testa­ment. Man macht aus dem Alten Testament heraus, zum Beispiel das Eintreten eines neuen Zeitgeistes, dem Kinde klar an der Erschei­nung des Moses, gegenüber dem früheren Zeitgeist, wo die Offen­barung des Moses noch nicht vorhanden war. Dann macht man wie­derum klar, daß ein neuer Zeitgeist auftritt im 6. Jahrhundert der vorchristlichen Zeit. Dazu verwendet man zuerst das Alte Testa­ment. Und dann, wenn man zur Christologie übergegangen ist, aber es so erfaßt hat in einer langen vorbereitenden Zeit. dann gehe man über zu den Evangelien und versuche, einzelne Glieder der Evan­gelien herauszunehmen, und immer wie etwas Selbstverständliches die Vierheit der Evangelien beizubringen, indem man sagt: Wie ein Baum von vier verschiedenen Seiten photographiert werden muß, um richtig gesehen zu werden, so sind die vier Evangelien wie vier Gesichtspunkte. Man nehme einmal das Matthäus-Evangelium, ein­mal das Markus-Evangelium, einmal das Lukas-Evangelium, einmal das Johannes-Evangelium und lege gerade besonderen Wert darauf, daß das immer gefühlt wird. Au f den Gefühlsunterschied lege man ganz und gar den Hauptwert.

Das wäre also die zweite Stufe mit ihrem Lehrinhalt. Der Tenor der ersten Stufe ist der, daß dem werdenden Menschen beigebracht wer­den sollte alles dasjenige, was kund werden kann vermittels des Göttlichen in der Natur durch Weisheit.

Auf der zweiten Stufe ist die Umwandlung: der Mensch erkennt das Göttliche durch Weisheit allein nicht, sondern durch die wirkende Liebe.

Das ist der Tenor, das Leitmotiv in den beiden Stufen.

X. Soll man Sprüche lernen lassen?

Dr. Steiner: Ja, vorzugsweise aus dem Alten Testament, später aus dem Neuen Testament. Aber nicht die Sprüche, die oftmals in Gebet-büchern enthalten sind, die sind zumeist trivial. Also Sprüche aus der

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Bibel, und auch dasjenige, was wir haben in der Anthroposophie an Sprüchen. Wir haben ja allerlei Sprüche, die können gut verwendet werden in diesem anthroposophischen Religionsunterricht.

X. Soll man die Zehn Gebote lehren?

Dr. Steiner: Die Zehn Gebote sind ja im Alten Testament enthalten, aber es muß der Ernst der Sache immer klargemacht werden. Ich habe ja immer betont, es steht auch da drinnen, daß man den Namen des Gottes nicht eitel aussprechen soll. Das wird ja übertreten fast von jedem Kanzelredner, indem der Name des Christus fortwährend eitel ausgesprochen wird. Das muß natürlich alles gefühlsmäßig ver­tieft werden. Der Religionsunterricht soll überhaupt gegeben werden nicht in Bekenntnisform, sondern in gefühlsmäßiger Vertiefung. Das Credo ist als solches nicht die Hauptsache, sondern dasjenige, was empfunden wird beim Credo; nicht der Glaube an den Vatergott, an den Sohngott, an den Geistgott, sondern was man empfindet dem Vater, dem Sohne, dem Geiste gegenüber. So daß immer in den Seelengründen waltet:

Gott nicht erkennen, ist eine Krankheit;

Christus nicht erkennen ist ein Schicksal, ein Unglück;

den Geist nicht erkennen ist eine Beschränktheit der Menschenseele.

X. Soll man das Historische den Kindern nahebringen: den Gang der Zara­thustra-Individualität bis zur Offenbarung des Christentums? Die Geschichte von den beiden Jesus-Knaben?

Dr. Steiner: Man muß den Religionsunterricht abschließen, indem man den Kindern diese Zusammenhänge beibringt, selbstverständ­lich sehr vorsichtig.

Die erste Stufe ist durchaus mehr Naturreligion, die zweite mehr historische Religion.

X. Für den Naturgeschichtsunterricht ist auch wohl die Zweckmäßigkeits-lehre zu vermeiden? Der Schmeilsche Leitfaden für Botanik und Zoologie -der ist teleologisch.

Dr. Steiner: Bei den Büchern bitte ich durchaus zu berücksichtigen, daß ich sie nur betrachtet wissen möchte zu Ihrer Information bezüg­lich der Tatsachen. Sie können schlechtweg voraussetzen, daß die Methoden, die da drinnen befolgt sind, auch in der Anschauungs­weise, durchaus von uns zu vermeiden sind. Bei uns müssen eben alle Dinge wirklich neu werden. Diese schrecklichen Dinge, die man nur so charakterisieren kann: Der gute Gott hat den Kork erschaffen,

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damit man Champagnerpfropfen daraus machen kann -,diese Gesin­nung, die natürlich solche Bücher ganz durchdringt, die müssen wir vollständig vermeiden. Für uns sind diese Bücher nur da, damit wir uns über die Tatsachen informieren. So ist es auch in der Geschichte. Da ist nicht minder alles Kohl, was an Urteil hineingeflossen ist. In der Naturgeschichte erst recht.

Es scheint mir zum Beispiel nicht schlimm, wenn man den Brehm verwenden würde, wenn solche Dinge aktuell werden sollten. Im Brehm sind solche Trivialitäten vermieden. Er ist ja ein bißchen spießig. Es wäre ganz gut, wenn man solche Dinge herausschreiben würde, und die Erzählungen dabei mehr zugründe legen würde. Das würde vielleicht das beste sein. Er ist ja philiströs geschrieben, der alte Brehm; der neue kommt nicht in Betracht, der ist wiederum von einem Modernen bearbeitet.

Sie können ungefähr annehmen, daß alles, was vom Jahre 1885 an an Schulbüchern erzeugt worden ist, schlechtes Zeug ist. Seit jener Zeit ist alle Pädagogik in der furchtbarsten Weise zurückgegangen und in die Phrase hineingekommen.

X. Wie muß man in der Naturgeschichte den Menschen durchnehmen? Wie soll man das in der 4. Klasse anfangen?

Dr. Steiner: Für den Menschen finden Sie fast alles irgendwie in meinen Zyklen zerstreut. Es ist fast alles irgendwo gesagt. Und dann ist ja auch vieles im Seminarkursus angedeutet. Sie brauchen es nur umzusetzen für die Schule. Die Hauptsache ist, daß Sie sich an die Tatsachen halten, aber auch an die Tatsachen psychologischer und spiritueller Art. Sie nehmen zunächst den Menschen durch nach der Formung des Knochensystems; da können Sie ja nicht unsicher sein. Dann gehen Sie über zum Muskelsy stem, zum Drüsensystem. Am Muskelsystem bringen Sie den Kin dern bei den Begriff des Willens, am Nervensystem den Begriff des Denkens. Also halten Sie sich an das, was Sie aus der Anthroposophie kennen. Es ist notwendig, daß Sie sich ja nicht beirren lassen durch ein heutiges schablonenmäßiges Buch. Nehmen Sie sich sogar lieber - Sie brauchen ja nicht für Ihre 4. Klasse etwas, was ,,auf der Höhe der Wissenschaft" steht - eine ältere Beschreibung und halten Sie sich daran. Alle diese Dinge sind, wie gesagt, spottschlecht geworden, seit den achtziger Jahren. Aber in den Zyklen finden Sie überall Anhaltspunkte.

X. Ich habe hier eine Tabelle der geologischen Formationen zusammen­gestellt im Anschluß an das gestern Gesagte.

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Dr. Steiner: Sie dürfen da nie pedantisch parallelisieren. Ja, wenn Sie zu der Primitivform, zum Urgebirge, gehen, haben Sie die polarische Zeit. Die paläozoische entspricht der hyperboräischen Epoche, auch da dürfen Sie nicht pedantisch die einzelnen Tierformen nehmen. Dann haben Sie das mesozoische Zeitalter dem lemurischen im wesentlichen entsprechend. Dann die erste und zweite Säugetier-fauna oder das känozoische Zeitalter, das ist das atlantische Zeit­alter. Das atlantische ist nicht älter als etwa neuntausend Jahre. -Diese fünf Zeitalter, das primitive, paläozoische, mesozoische, käno­zoische, anthropozoische können Sie also geradezu parallelisieren, aber nicht pedantisch.

X. Es ist einmal gesagt, daß die Abzweigung der Fische und die Abzweigung der Vögel gewöhnlich nicht richtig angegeben werden, zum Beispiel hei Haeckel.

Dr. Steiner: Die Abzweigung der Fische wird allerdings etwas zu­rückgeschoben im Devonschen Zeitalter.

X.: Wie sieht der Mensch in diesem Zeitalter aus?

Dr. Steiner: Im primitiven Zeitalter ist er fast ganz noch von äthe­rischer Substantialität. Er lebt zwischen den anderen Erscheinungen. Er hat noch keine Dichte. Er wird dichter im hyperboräischen Zeit­alter. Nur diese Tierformen, die eigentlich der Niederschlag sind, die leben. Der Mensch lebt auch, nicht in geringer Kraft, er hat eine ungeheure Kraft. Aber er hat nichts an sich von einer Substanz, die zurückbleiben könnte. Daher gibt es keine Überreste. Er lebt durch die ganzen Zeitalter hindurch und bekommt erst etwa im käno­zoischen Zeitalter äußere Dichte. Wenn Sie sich erinnern, wie ich das lemurische Zeitalter beschrieben habe, das sind fast ätherische Land­schaften. Das ist alles da, aber es sind keine geologischen Überreste da. Aber wollen Sie das berücksichtigen, daß eigentlich hier durch alle fünf Zeitalter überall schon Mensch ist: Mensch ist überall. Dann hier (Dr. Steiner demonstriert an der Tabelle) im ersten Zeitalter (Primitivform> ist außer dem Menschen eigentlich noch nichts ande­res vorhanden; das sind nur geringfügige Überreste. Da ist Eozoon canadense eigentlich mehr Formation, etwas, was sich als Figur bil­det; das ist nicht ein wirkliches Tier. Dann hier in der hyperboräisch­paläozoischen Zeit tritt das Tierische schon auf, aber in Formen, die später nicht mehr erhalten sind. Hier in der lemurisch-mesozoischen Zeit tritt das Pflanzenreich auf, und hier tritt in der Atlantis, in der känozoischen Zeit, das Mineralreich auf; eigentlich schon in der letzten

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Zeit hier, in diesen zwei früheren Zeitaltern schon. (In den bei­den letzten Unterrassen der lemurischen Zeit.)

X. Ist der Mensch schon als Kopfmensch, Brustmensch und Gliedmaßen­mensch da?

Dr. Steiner: Er ist ähnlich wie ein Kentaur. Stark tierischer Unterleib und vermenschlicht der Kopf.

X. Man hat fast den Eindruck, als wäre es eine Zusammensetzung, eine Symbiose aus drei Wesenheiten.

Dr. Steiner: So ist es auch.

X. Wie ist es möglich, daß dann im Karbon Pflanzenreste sind?

Dr. Steiner: Das sind keine Pflanzenreste. Was da so ausschaut wie Pflanzenreste, das ist dadurch entstanden, daß zum Beispiel der Wind weht und ganz bestimmte Hemmungen findet. Sagen wir, der Wind weht und bringt so etwas wie Pflanzenformen hervor, die sich geradeso erhalten haben wie der Tritt der Tiere. (Hyperboräisches Zeitalter.) Es ist eine Art Pflanzenkristallisation. Es ist eine Ein­kristallisierung mit Pflanzenformen.

X. Also die Bäume, die existierten gar nicht?

Dr. Steiner: Nein, die sind als Baumformen vorhanden gewesen. Die ganze Flora der Karbonzeit ist nicht physisch vorhanden. Denken Sie sich einen Wald, der eigentlich in seiner Ätherform vorhanden ist, und der daher in bestimmter Weise den Wind aufhält. Dadurch bil­den sich da in der Form fast Stalaktiten. Was sich bildet, das sind nicht Überreste von Pflanzen. Da bilden sich Formen einfach durch die Konfiguration, die da entsteht durch Elementarwirkungen. Das sind nicht wirkliche Überreste. Man kann nicht sagen, daß das so ist, wie in der Atlantis. Da haben sich dann die Sachen erhalten, und in der letzten lemurischen Zeit auch, aber in der Karbonzeit ist keine Rede davon, daß Pflanzenüberreste da sind. Nur tierische Überreste. Aber da handelt es sich auch in der Mehrzahl um solche Tiere, die nur zu parallelisieren sind mit unserer Kopfform.

X. Wann richtete sich der Mensch auf? Man kann den Punkt nicht ein­ordnen.

Dr. Steiner: Das ist doch nicht gut, wenn Sie sich diese Vorstellun­gen so festnageln. Denn, nicht wahr, manche Rasse richtete sich eben früher auf und manche später. Man kann nicht den bestimmten Punkt festnageln. So ist es in der Wirklichkeit nicht.

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X.: Wenn das Pistill dem Monde zugeordnet ist, die Narbe der Sonne, wie drückt sich da die Bewegung von Sonne und Mond aus?

Dr. Steiner: Sie müssen sich die Sache so vorstellen. (Es wird geze ich­net.) Die Narbe geht nach oben, das wäre die Sonnenbahn; und das Pistill bewegt sich ringsherum, da ist man in der Monde nbahn darin­nen. Da haben wir ein Abbild dieser Sonnen-Erdenbahn, die ich gestern aufgezeichnet habe. Der Mond bewegt sich aber um die Erde. Der ist im Pistill drinnen. (Dr. Steiner demonstriert an der Zeich­nung.) Das erscheint daher so, die Mondenbahn' die auch natürlich so herumgeht, aber nicht in gerader Linie für die Verhältnisse er­scheint. Die Sonnenbahn ist die Narbe. Dieser Kreis ist eine Nach­bildung der Spirale, die ich gestern gezeichnet habe. Es ist auch eine Spirale, eine Schraube.

#Bild s. 109

X. Wir haben gehört, daß die Temperamente mit dem Übergewicht der ein­zelnen Leiber zusammenhängen. Im Zyklus 20 ist nun die Rede davon, daß ein Übergewicht besteht des physischen Leibes gegenüber dem Ätherleib, des Ätherleibes gegenüber dem Astralleib, des Ich gegenüber dem Astralleib. - Ist hier ein Zusammenhang mit den Temperamenten? - Im 18. Zyklus ist eine Figur erwähnt, die gibt das richtige Verhältnis der Leiber an.

Dr. Steiner: Das gibt das Kräfteverhältnis an.

X. Ist da weiter eine Beziehung zu den Temperamenten?

Dr. Steiner: Keine andere, als die im Seminarkurs angegeben wurde.

X. Es wurde gesagt, daß Melancholie durch ein Übergewicht des physischen Leibes entsteht. Ist das ein Übergewicht des physischen Leibes über den Ätherleib?

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Dr. Steiner: Nein, überhaupt ein Übergewicht über die anderen Leiber.

Es wird gefragt nach einem Elterntag.

Dr. Steiner: Er sollte schon vorhanden sein, aber es wäre gut, wenn er nicht allzuoft wäre, sonst versickert das Interesse und die Eltern kommen nicht mehr. Es muß so eingerichtet werden, daß die Eltern auch wirklich kommen. Wenn er zu oft ist, würde es eine übel emp­fundene Sache. Man sollte gerade in bezug auf Schuleinrichtungen keine Projekte machen, die nicht erfüllt werden. Man sollte sich nur vornehmen, was auch wirklich geschehen kann. Dreimal im Jahr einen Elterntag ansetzen, das würde ich für gut finden. Dann würde ich aber vorschlagen, daß er möglichst feierlich behandelt wird, daß also Karten gedruckt werden und allen einzelnen Eltern diese Karten zugeschickt werden.

Vielleicht könnte man es so einrichten, daß man den ersten so im Anfang des Schuljahres festsetzt; mehr als Courtoisie, damit man mit den Eltern wiederum in Kontakt kommt. Dann in der Mitte des Schuljahres einen Elternabend und einen am Ende des Schuljahres. Die beiden letzten sind dann die eigentlich maßgebenden. Der erste ist nur eine Courtoisie. Man könnte die Kinderja etwas deklamieren lassen, etwas Eurythmie machen lassen und so weiter.

Elternsprechstunden kann man einrichten; das ist ganz gut. Im all­gemeinen werden Sie ja wahrscheinlich die Erfahrung machen, daß sich die Elternschaft zu wenig kümmert, außer die anthroposo­phischen Eltern.

X. bittet, ihm etwas zu sagen über die Popularisierung der Geisteswissen­schaft, besonders in bezug auf die Nachmittagskurse für Arbeiter.

Dr. Steiner: Nun, diese Popularisierung muß sich mehr daraufbezie­hen, den richtigen Gang einzuhalten. Ich bin im allgemeinen nicht dafür, daß man das Popularisieren durch Trivialisierung bewirkt. Ich meine also, daß man zunächst das Buch ,,Theosophie" zugrunde legt und von Fall zu Fall herauszukriegen versucht, was ein bestimmtes Auditorium schwer oder leicht versteht. Sie werden sehen, daß die letzte Auflage der ,,Theosophie" viele Winke enthält, gerade wenn man sie als Lehrstoff vorträgt. Dann würde ich übergehen zu der Besprechung einzelner Partien von ,,Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? ,,, aber niemals mit der Tendenz, daß die Leute Hellseher werden sollen. Sie sollen sich nur informieren über die Wege des Hellsehers, so daß sie es wissen, aufwelche Weise man zu

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diesen Wahrheiten kommt. Sie sollen das Gefühl bekommen, durch gesunden Menschenverstand kann man begreifen und wissen, auf welchen Wegen diese Dinge erfaßt werden. Dann kann man richtig populär behandeln ,,Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit". Das wären für eine populäre Darstellung die drei Bücher. Im übrigen muß man sich nach dem Auditorium richten.

Es wird noch über einzelne Kinder gesprochen.

Dr. Steiner: Das Wichtigste ist, daß immer Kontakt da ist, daß der Lehrer mit den Schülern eine richtige Einheit bildet. Das ist im Grunde genommen fast durch alle Klassen hindurch in sehr schöner, erfreulicher Weise vorhanden gewesen. Ich war sehr erfreut über die Sache.

Ich kann Ihnen sagen, ich werde viel, auch wenn ich nicht da bin, an diese Schule herdenken. Denn, nicht wahr, wir müssen ja alle durch­drungen sein:

Erstens von dem Ernst der Sache. Es ist eine ungeheuer wichtige Sache für uns gerade.

Zweitens müssen wir durchdrungen sein von der Verantwortung, die wir tragen, sowohl der Anthroposophie gegenüber wie der Kultur-bewegung gegenüber, der sozialen Frage gegenüber.

Und dann drittens das, was wir als Anthroposophen besonders uns vorhalten müssen: die Verantwortung gegenüber den Göttern.

Wir müssen durchaus innerhalb der Lehrerschaft daran festhalten, daß wir Menschen nicht um unserer selbst willen da sind, sondern um die göttlichen Pläne mit der Welt zu verwirklichen. Halten wir uns das vor, daß wir eigentlich, indem wir das eine oder andere tun, die Intentionen der Götter ausführen, daß wir gewissermaßen die Ge­häuse sind, um das zu verwirklichen, was als Strömungen herunter-fließt und sich verwirklichen will in der Welt; daß wir keinen Augen­blick ermangeln, den ganzen Ernst und die ganze Würde zu empfin­den.

Empfinden Sie diese Würde, diesen Ernst, diese Verantwortung. Ich werde Ihnen mit solchen Gedanken entgegenkommen. Wir werden uns mit solchen Gedanken begegnen.

Das wollen wir heute noch als unsere Empfindung aufnehmen und in diesem Sinne eine Weile auseinandergehen, und dann uns immer wiederum geistig treffen, um die Kraft zu bekommen für dieses wirk­lich große Werk.

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Konferenz vom Montag 22. Dezember 1919, 9 Uhr

Es war ein Nachmittagshort eingerichtet worden, den die Lehrer abwechselnd je einen Tag führten. Es wird gefragt, was man darin mit den Kindern tun solle.

Dr. Steiner: Da sollen die Kinder Unterhaltung haben. Man kann sie Spielereien machen lassen. Auch Theater können sie spielen. Sie können auch ihre Schulaufgaben machen.

Man soll dabei selbst zum Kinde werden, soll die Kinder lachen machen. Sie sollten im Hort anderes tun als Schultätigkeit. Die Kin­der sollen nur fühlen, daß man da ist, wenn sie etwas brauchen.

Von besonderem Wert ist es, sich von den Kindern ihre Erlebnisse erzählen zu lassen. Man muß sich interessieren dafür. Es ist gesun­dend, wenn ein Kind sich aussprechen kann. Auch Töpferarbeiten könnten gemacht werden.

X. berichtet, daß man immer am ersten Montag jedes Monats, der nach Lan­desgewohnheit schulfrei ist, ein Schulfest veranstalten möchte; solche Feste hätten bisher schon am 3. November und am 1. Dezember stattgefunden.

Dr. Steiner: Solch eine Monatsfeier sollte besser auf den Donnerstag gelegt werden. Montag ist der Philistertag; für den Donnerstag spre­chen innere Gründe. Der Donnerstag ist als Jupitertag der geeignetste Tag. Der Inhalt einer solchen Monatsfeier sollte sein ein Gedanken­sammeln über den Monatsinhalt, etwas Ähnliches wie beim ,,Seelen­kalender". Die Sprüche aus den ,,Zwölf Stimmungen" kommen dabei aber höchstens für die 7. und 8. Klasse in Frage.

X. gibt einen Bericht über ihren Unterricht in der 1. Klasse.

Dr. Steiner: Mit Stiften zu zeichnen, ist nicht gut. Man sollte lieber Aquarellfarben nehmen zum Malen. Ölkreiden sind benutzbar.

Erzählungen sollten nicht zu lang sein. Zu empfehlen sind in den unteren Klassen kürzere, präzise, überschaubare Erzählungen. Die Hauptsache ist, daß die Sache nachher sitzt. Es ist darauf zu sehen, daß nichts, was durchgenommen wird, rasch wieder aus den Kindern verschwindet, und das sollte nicht durch Wiederholung, sondern gleich durch die erste Darstellung erreicht werden.

X. berichtet über die 2. Klasse.

Dr. Steiner: Das Dividieren müßte schon früh angefangen werden. Mit dem Rechtschreiben sollte man, wenn es einigen Kindern schwer wird, duldsam sein.

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X. berichtet über ihre 3. Klasse; sie habe da freiwillige Rechnungen als Wil­lensübungen eingeführt.

Dr. Steiner: Die Kinder in Aktivität zu versetzen, ist sehr wichtig.

Die Fortschritte in den Sprachen sind sehr gut. Der Sprachunterricht hat guten Erfolg. Der Erfolg ist um so größer, je mehr es auch hier gelingt, die Kinder in Aktivität zu versetzen.

Dabei wäre auch auf Eurythmie fremder Sprachen hinzuweisen. Jeder Laut liegt zwischen zwei anderen. Zwischen A und 1 liegt:

rechte Hand vorne, linke Hand rückwärts. Nach dem Laut, nicht nach dem Zeichen.

Anmerkung: Es wird, auch von eurythmischer Seite, folgende Ergänzung vor­geschlagen: Jeder Laut liegt zwischen zwei anderen. Zum Beispiel liegt das englische 1 zwischen A und 1. Gebärde: rechte Hand vorne, linke Hand rückwärts. Nach dem, wie der Laut tönt, nicht nach dem geschriebenen Zei­chen eurythmisieren.

X. spricht über die 4. Klasse.

#Bild s. 113

Bei dem G. R. ist, weil ihm ein Bein fehlt, eine andere Einstellung der übersinnlichen Glieder vorhanden. Das Seelenleben eines solchen Krüppelkindes ist zu geistig. Man müßte ihm Interesse erwecken für spirituell schwieriges Seelisches, ihn dorthin lenken und ihn ins See­lische zurückführen.

X. über die 5. Klasse.

Dr. Steiner: Die Kinder lieben die Lehrerin und sind doch furchtbar ungezogen. Sie sollten sehen, ihnen freier gegenüberzutreten!

Auch in den Fremdsprachen sollte man auf dem Umweg über das Schreiben zum Lesen kommen.

X. über die 6. Klasse.

Dr. Steiner: Die Kinder lernen besser denken und empfinden durch die Eurythmie und umgekehrt.

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Die A. B. könnte man nach bestimmten Sätzen, nach den Lehrer-sprechübungen eurythmisieren lassen.

Der E. H. müßte man durch Nacherzählen von Erschütterndem hei­fen.

Es wird geklagt, die Kinder in den höheren Klassen seien faul und nachlässig.

Dr. Steiner: Beim Nichtmachen der Hausaufgaben könnte man die Faulen nach zwölf dabehalten und androhen, daß das Dabehalten öfter geschehen wird.

Es wird wegen einiger Kinder der 7. und 8. Klasse gefragt.

Dr. Steiner: Die Kinder der 7. und 8. Klasse sind begabt. - Bei der G. L.' mit dem blauen Bändchen, da ist Koketterie im Spiel. Da ist es gut, keinen Namen zu nennen, sich umzudrehen, sie nicht zu nennen und nicht zu beachten. Aber man sollte darauf sehen, daß sie heraus-findet, daß man sie meint.

Lob macht die Kinder nicht ehrgeizig. Lob und Tadel darf man nicht unterlassen. Ein Tadel, der in ein Witzwort gekleidet wird, das wirkt ungeheuer. Dann erinnert sich das Kind oft daran.

X. berichtet über den Eurythmie- und den Musikunterricht.

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Konferenz vom Dienstag 23. Dezember 1919, 16 Uhr

X. berichtet über die humanistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse, die er seit dem Herbst übernommen hat.

Dr. Steiner: Römische Geschichte, da muß man die Hauptlinien ent­wickeln und dann erst, vom Hauptcharakter ausgehend, die Einzel­heiten. Es liegt gar kein besonderer Grund vor, alles zu behandeln, zum Beispiel die Geschichte von der Lukretia. Es geschah in Rom viel mehr, als überliefert ist, und es hat keinen Sinn, die zufällig überlieferten Einzelheiten alle zu erzählen.

X. Was sind die Etrusker?

Dr. Steiner: Die Etrusker sind ein südliches keltisches Element, ein nach Süden verpflanzter Zweig der Kelten.

X. fragt nach kulturhistorischen Schriften zur orientalischen Geschichte.

Dr. Steiner weist hin auf die Abschnitte über Geschichte Babylo­niens und Assyriens von Stahl und Hugo Winkler* und auf die Schrif­ten von Friedrich Delitzsch**.

* In Helmolts ,,Weltgeschichte".

** Zum Beispiel ,,Geschichte Babyloniens und Assyriens". Stuttgart, 3. Auf­lage 1891.

X. Was ist Baal?

Dr. Steiner: Baal ist ursprünglich eine Sonnengottheit.

X. über die realistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse.

Es wird berichtet über den Lateinunterricht.

Dr. Steiner: Es ist gut, die Aufmerksamkeit vom Sprachlichen auf das Gemeinte zu lenken, aufdie ,,Sache".

Es ist zu wenig persönlicher Kontakt da mit den einzelnen Schülern.

Bericht über den Handfertigkeits- und Handarbeitsunterricht.

Dr. Steiner: Was wir vorbringen, sollten wir erst selber lernen, zum Beispiel Bücher einbinden oder Schuhe machen. Wir sollten nicht von außen zuviel hereinbringen.

Es sollen auf Freitag 26. Dezember, 9 Uhr, die Kinder der 1.-4. Klasse ,,zu einer Besprechung" hergerufen werden, die in irgendeiner Beziehung den Leh­rern Schwierigkeiten bereiten, und für Montag 29. Dezember, 9 Uhr, solche Kinder aus der 5.-8. Klasse. Eine Liste der Herzurufenden wird aufgestellt.

116

X. und Y. berichten über den freien Religionsunterricht.

Dr. Steiner: Im freien Religionsunterricht könnte versucht werden, Imaginatives, mythische Kultbilder herauszuarbeiten, zum Beispiel das Mithrasbild als die Überwindung der niederen Natur. Man könnte solche Kultbilder verwenden, um Bildhaftes in den Vorder­grund zu stellen und das Erzählungsmäßige in Mythisches, in Bild­haftes einzugliedern.

Es wird nach Zeugnissen gefragt.

Dr. Steiner: Da müßte festgestellt werden, was vorgeschrieben ist. Wir können zwei Zeugnisse geben, eines in der Mitte des Jahres als Interim szeugnis und eines am Ende des Schuljahres. In diesen Zeug­nissen soll, soweit das die geltenden Bestimmungen zulassen, nur allgemein über die Schüler gesprochen werden. Es soll der Schüler charakterisiert werden, und nur dann, wenn ein Fach besonders bemerkenswert ist, soll das erwähnt werden. Es sollte alles möglichst gut zensiert werden, und beim Aufsteigen in die höhere Klasse soll­ten möglichst wenig Rangstufen gemacht werden.

Beim Übergang in eine andere Schule muß das testiert werden, was von der betreffenden Schule verlangt wird.

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Konferenz vom Donnerstag 1.Januar 1920, 14.30 Uhr

Dr. Steiner: Heute würden wir vor allem die Besprechung haben über die vorgeladenen Sorgenkinder.

Bei dem M. H. ist es notwendig, daß man ihn möglichst oft vor­nimmt.

Die E. S. wird viel gefragt werden müssen.

Einigen Kindern in der 4. Klasse kann man besondere Übungen geben, zum Beispiel dem E. E. einen Spruch wie: ,,Im Lernen er­wirbt der Mensch sich Lebenskraft." Dies können Sie ihn immer morgens im Lauf der ersten Stunde sagen lassen.

Für den F R.: ,,Ich will achtgeben auf mich im Sprechen und Den­ken."

Für die A. S.: ,,Ich will achtgeben auf mich im Sprechen und Han­deln."

In der 5. Klasse ist der H. A., den sollte man Verschmitztes zeichnen lassen, zum Beispiel eine Linie, die sich verschlingt und sich selber wiederfindet. Er könnte auch eurythmische Formen zeichnen. Auf­sagen sollte er: ,,Lernen, aufmerksam sein, Fleiß entwickeln, es sei mir ins Herz geschrieben."

Die T. E. in der 7. Klasse müßte man zwingen, recht genau und langsam zu folgen. Genau und in langsamer Folge soll sie hören, was man ihr vorbringt. Das soll ein anderes Tempo haben als ihr eigenes sprunghaftes Denken. Einen Satz mit ihr zusammen denken, ,,Ich will mit dir denken." Nur dabei doppelt so langsam denken, wie sie selbst es tut.

Der O. R. in der 8. Klasse ist schläfrig, ein seelischer Regenwurm. Die Schläfrigkeit kommt daher, daß die Menschen an den Dingen vorbeigehen und sich nicht darum kümmern. Er soll niemand scha­den durch Allotria und soll niemandes Aufmerksamkeit stören.

Bei Denkträgheit, wie in der 3. Klasse, kann man zum Beispiel einen Satz wie ,,Der Baum grünt" umkehren lassen in ,,Es grünt der Baum" und so weiter, so daß sie rasch den Gedanken umkehren müssen.

Der Gesamteindruck ist: Sie sollen trotz aller Hindernisse den uner­schrockenen Mut haben, den Unterricht zu führen.

Die in diesem Jahr noch verbliebene Zeit ist kurz, und es ist noch vieles zu tun.

Es wird noch einmal vom Hort gesprochen.

Dr. Steiner: Es muß vermieden werden, daß die Kinder Vergleiche ziehen zwischen den Lehrern.

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Man sollte achtgeben auf äußere physische Symmetrie und Asymme­trie bei Kindern und aufsuchen, was dem seelisch parallel geht. Dazu muß man die Eigentümlichkeiten der Kinder gut kennen.

Es gibt die Erscheinung der Flammensymmetrie, das Aufeinander-wirken der gleichgestimmten Schwingungen. Ellicot bemerkte sol­che Dinge zuerst und hat darüber gearbeitet. Was der Lehrer denkt, wirkt auf die Schüler, wenn der Lehrer wirklich dabei ist. Die Haupt­sache ist, daß man sich für jeden Schüler interessiert.

X. fragt nach der Bewältigung des Lehrstoffes und nach Hausaufgaben.

Dr. Steiner: Hausaufgaben sollten als freie Aufgaben gegeben wer­den, nicht als Pflichthausaufgaben: ,,Wer's machen will!"

Es wird nach einem Lesebuch gefragt.

Dr. Steiner:: Beim Lesen müssen nicht immer alle Kinder mitlesen. Man kann ein Lesestück mitbringen und es herumgebend lesen las­sen, ohne daß die anderen mitlesen. Aber es sollte möglichst wenig gelesen werden, was nicht sicher gut verstanden wird. Es wird noch zuviel von den Lehrern vorgelesen. Man dürfte nichts vorlesen, das man nicht bis ins einzelne Wort hinein kennt durch genaue Vorbe­reitung.

Es wird eine Frage gestellt nach dem Modellierunterricht.

Dr. Steiner: Man könnte eine Säule von einer bestimmten Seite her als Vorlage nehmen, aber man darf bei einem solchen Motiv die Kinder nicht zum sklavischen Nachahmen verleiten. Die Kinder zwingen zum Beobachten, aber sie das Motiv abändern lassen!

X. Wie weit soll ich die Geschichte weiterführen, ehe ich zu etwas anderem übergehe? Ich bin in der 7. Klasse mit der römischen Geschichte bis zum Ende der Königszeit und in der 8. bis zu den punischen Kriegen gekommen.

Dr. Steiner: Mit großem Schwung bis zum Christentum kommen und dann zwei Monate Deutsch nehmen; Goethe und Schiller in der 8. Klasse.

Dr. Steiner erzählt die Anekdote: Ein Kind wird gefragt, wer Goethe und

Schiller seien. - ,,Ach. das sind dic zwei Gipsfiguren, die bei uns auf dem

Klavier stehen."

In der 8. Klasse sollte im Deutschen anderes durchgenommen wer­den wie in der 7.

X.:

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Dr. Steiner: Die Lehrer sollten Aufsätze schreiben für die Zeitschrift ,,Soziale Zukunft", Beiträge aus ihrer pädagogischen Erfahrung und insbesondere Charakteristiken von Kindergemütern.

Vor Dittes, nach rückwärts, ist die pädagogische Literatur etwas wert. Da fängt sie an, etwas menschlicher zu werden.

X.: Soll im nächsten Schuljahr eine 9. Klasse eingerichtet werden?

Dr. Steiner: Eine 9. Klasse wäre sehr erwünscht. Da ist dann kein Schulgesetz mehr da, und wir können ganz spontan anfangen. Die 9. Klasse wird dann spontan geschaffen werden aus dem, was das Resultat der 8. Klasse ist.

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Konferenz vom Samstag 6. März 1920, 16 Uhr

Oehlschlegel war nach Amerika gereist und sein Unterricht mußte anderweitig verteilt werden.

Dr. Steiner: Herr Dr. Kolisko übernimmt den Hauptunterricht in der 6. Klasse.

Herr Hahn übernimmt auch noch den oberen Kurs des freien Reli­gionsunterrichts. Dann hat er aber zusammen mit dem Sprachunter­richt in der 3. und 5. Klasse im ganzen 25 Stunden; da ist eine Ent­lastung nötig. 18 Stunden wäre eine normale Stundenzahl.

Fräulein Lang übernimmt in ihrer 3. Klasse das Englische und Fran­zösische. In der 5. Klasse übernimmt Fräulein Dr. von Heydebrand das Französische, Dr. Kolisko das Englische.

Frau Koegel übernimmt das Englische in ihrer 4. Klasse, Kolisko den übrigen englischen Unterricht bis zu den Ferien.

Es werden Fragen gestellt wegen der Einrichtung der Sonntagshandlungen und wegen der Musik dabei.

Dr. Steiner: Die Sonntagshandlungen sind nur für diejenigen Kinder, die am freien Religionsunterricht teilnehmen. Sie bieten einen Er­satz für die, welche keinen Ritus haben, für die Kinder und die Eltern. Die Sonntagshandlung ist mit Musikalischem abzuschließen, mit etwas besonderem Instrumentalen.

Ein Hospitieren dabei für eingeladene Gäste soll nur stattfinden, wenn ich hier bin.

Es wird berichtet über einen Schüler der 5. Klasse, der aus dem freien Reli­gionsunterricht wieder zurückging in den katholischen.

Dr. Steiner: Rücktritte der Schüler aus dem freien Religionsunter­richt sind zu vermeiden.

Rücktritte der Pfarrer, die evangelischen Religionsunterricht geben, müssen hingenommen werden.

Es wird eine Frage gestellt zum Eurythmieunterricht.

Dr. Steiner: Eurythmie ist obligatorisch, muß mitgemacht werden. Wer nicht Eurythmie macht, wird aus der Schule ausgeschlossen. Für die Eurythmiepropaganda und für Eurythmiekurse für Außenstehende kann man ein eigenes Eurythmiekollegium bilden.

X.: Soll der Gartenbauunterricht auch weiterhin freiwillig sein?

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Dr. Steiner: Die Gartenarbeit soll als obligatorisch in den Unterricht hineingenommen werden.

X.:

Dr. Steiner: Als Schulregel kann gelten: Kinder, die öfter unent­schuldigt fehlen, werden aus der Schule ausgeschlossen.

X. klagt wegen der Behandlung des Ethischen.

Dr. Steiner: Wir sollten keine abstrakte Disziplin lehren, sondern Achtung hervorrufen bei den Kindern.

Die Kinder sollten nicht soviel aufzeigen!

Die stadtärztliche Untersuchung muß man ausführen lassen.

X.: Sollen wir für die an Ostern aus der 8. Klasse Abgehenden eine Fortbil­dungsschule einrichten?

Dr. Steiner: Man könnte sie ,,Lebensschule für die Ältesten" nen­nen. Und den Kindergarten könnte man ,,Vorschule" nennen.

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Konferenz vom Montag 22. Dezember 1919, 9 Uhr

Es war ein Nachmittagshort eingerichtet worden, den die Lehrer abwechselnd je einen Tag führten. Es wird gefragt, was man darin mit den Kindern tun solle.

Dr. Steiner: Da sollen die Kinder Unterhaltung haben. Man kann sie Spielereien machen lassen. Auch Theater können sie spielen. Sie können auch ihre Schulaufgaben machen.

Man soll dabei selbst zum Kinde werden, soll die Kinder lachen machen. Sie sollten im Hort anderes tun als Schultätigkeit. Die Kin­der sollen nur fühlen, daß man da ist, wenn sie etwas brauchen.

Von besonderem Wert ist es, sich von den Kindern ihre Erlebnisse erzählen zu lassen. Man muß sich interessieren dafür. Es ist gesun­dend, wenn ein Kind sich aussprechen kann. Auch Töpferarbeiten könnten gemacht werden.

X. berichtet, daß man immer am ersten Montag jedes Monats, der nach Lan­desgewohnheit schulfrei ist, ein Schulfest veranstalten möchte; solche Feste hätten bisher schon am 3. November und am 1. Dezember stattgefunden.

Dr. Steiner: Solch eine Monatsfeier sollte besser auf den Donnerstag gelegt werden. Montag ist der Philistertag; für den Donnerstag spre­chen innere Gründe. Der Donnerstag ist als Jupitertag der geeignetste Tag. Der Inhalt einer solchen Monatsfeier sollte sein ein Gedanken­sammeln über den Monatsinhalt, etwas Ähnliches wie beim „Seelen­kalender“. Die Sprüche aus den „Zwölf Stimmungen“ kommen dabei aber höchstens für die 7. und 8. Klasse in Frage.

X. gibt einen Bericht über ihren Unterricht in der 1. Klasse.

Dr. Steiner: Mit Stiften zu zeichnen, ist nicht gut. Man sollte lieber Aquarellfarben nehmen zum Malen. Ölkreiden sind benutzbar.

Erzählungen sollten nicht zu lang sein. Zu empfehlen sind in den unteren Klassen kürzere, präzise, überschaubare Erzählungen. Die Hauptsache ist, daß die Sache nachher sitzt. Es ist darauf zu sehen, daß nichts, was durchgenommen wird, rasch wieder aus den Kindern verschwindet, und das sollte nicht durch Wiederholung, sondern gleich durch die erste Darstellung erreicht werden.

X. berichtet über die 2. Klasse.

Dr. Steiner: Das Dividieren müßte schon früh angefangen werden. Mit dem Rechtschreiben sollte man, wenn es einigen Kindern schwer wird, duldsam sein.

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X. berichtet über ihre 3. Klasse; sie habe da freiwillige Rechnungen als Wil­lensübungen eingeführt.

Dr. Steiner: Die Kinder in Aktivität zu versetzen, ist sehr wichtig.

Die Fortschritte in den Sprachen sind sehr gut. Der Sprachunterricht hat guten Erfolg. Der Erfolg ist um so größer, je mehr es auch hier gelingt, die Kinder in Aktivität zu versetzen.

Dabei wäre auch auf Eurythmie fremder Sprachen hinzuweisen. Jeder Laut liegt zwischen zwei anderen. Zwischen A und 1 liegt:

rechte Hand vorne, linke Hand rückwärts. Nach dem Laut, nicht nach dem Zeichen.

Anmerkung: Es wird, auch von eurythmischer Seite, folgende Ergänzung vor­geschlagen: Jeder Laut liegt zwischen zwei anderen. Zum Beispiel liegt das englische 1 zwischen A und 1. Gebärde: rechte Hand vorne, linke Hand rückwärts. Nach dem, wie der Laut tönt, nicht nach dem geschriebenen Zei­chen eurythmisieren.

X. spricht über die 4. Klasse.

#Bild s. 113

Bei dem G. R. ist, weil ihm ein Bein fehlt, eine andere Einstellung der übersinnlichen Glieder vorhanden. Das Seelenleben eines solchen Krüppelkindes ist zu geistig. Man müßte ihm Interesse erwecken für spirituell schwieriges Seelisches, ihn dorthin lenken und ihn ins See­lische zurückführen.

X. über die 5. Klasse.

Dr. Steiner: Die Kinder lieben die Lehrerin und sind doch furchtbar ungezogen. Sie sollten sehen, ihnen freier gegenüberzutreten!

Auch in den Fremdsprachen sollte man auf dem Umweg über das Schreiben zum Lesen kommen.

X. über die 6. Klasse.

Dr. Steiner: Die Kinder lernen besser denken und empfinden durch die Eurythmie und umgekehrt.

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Die A. B. könnte man nach bestimmten Sätzen, nach den Lehrer-sprechübungen eurythmisieren lassen.

Der E. H. müßte man durch Nacherzählen von Erschütterndem hei­fen.

Es wird geklagt, die Kinder in den höheren Klassen seien faul und nachlässig.

Dr. Steiner: Beim Nichtmachen der Hausaufgaben könnte man die Faulen nach zwölf dabehalten und androhen, daß das Dabehalten öfter geschehen wird.

Es wird wegen einiger Kinder der 7. und 8. Klasse gefragt.

Dr. Steiner: Die Kinder der 7. und 8. Klasse sind begabt. - Bei der G. L.' mit dem blauen Bändchen, da ist Koketterie im Spiel. Da ist es gut, keinen Namen zu nennen, sich umzudrehen, sie nicht zu nennen und nicht zu beachten. Aber man sollte darauf sehen, daß sie heraus-findet, daß man sie meint.

Lob macht die Kinder nicht ehrgeizig. Lob und Tadel darf man nicht unterlassen. Ein Tadel, der in ein Witzwort gekleidet wird, das wirkt ungeheuer. Dann erinnert sich das Kind oft daran.

X. berichtet über den Eurythmie- und den Musikunterricht.

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Konferenz vom Dienstag 23. Dezember 1919, 16 Uhr

X. berichtet über die humanistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse, die er seit dem Herbst übernommen hat.

Dr. Steiner: Römische Geschichte, da muß man die Hauptlinien ent­wickeln und dann erst, vom Hauptcharakter ausgehend, die Einzel­heiten. Es liegt gar kein besonderer Grund vor, alles zu behandeln, zum Beispiel die Geschichte von der Lukretia. Es geschah in Rom viel mehr, als überliefert ist, und es hat keinen Sinn, die zufällig überlieferten Einzelheiten alle zu erzählen.

X. Was sind die Etrusker?

Dr. Steiner: Die Etrusker sind ein südliches keltisches Element, ein nach Süden verpflanzter Zweig der Kelten.

X. fragt nach kulturhistorischen Schriften zur orientalischen Geschichte.

Dr. Steiner weist hin auf die Abschnitte über Geschichte Babylo­niens und Assyriens von Stahl und Hugo Winkler* und auf die Schrif­ten von Friedrich Delitzsch**.

* In Helmolts „Weltgeschichte“.

** Zum Beispiel „Geschichte Babyloniens und Assyriens“. Stuttgart, 3. Auf­lage 1891.

X. Was ist Baal?

Dr. Steiner: Baal ist ursprünglich eine Sonnengottheit.

X. über die realistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse.

Es wird berichtet über den Lateinunterricht.

Dr. Steiner: Es ist gut, die Aufmerksamkeit vom Sprachlichen auf das Gemeinte zu lenken, aufdie ,,Sache".

Es ist zu wenig persönlicher Kontakt da mit den einzelnen Schülern.

Bericht über den Handfertigkeits- und Handarbeitsunterricht.

Dr. Steiner: Was wir vorbringen, sollten wir erst selber lernen, zum Beispiel Bücher einbinden oder Schuhe machen. Wir sollten nicht von außen zuviel hereinbringen.

Es sollen auf Freitag 26. Dezember, 9 Uhr, die Kinder der 1.-4. Klasse ,,zu einer Besprechung" hergerufen werden, die in irgendeiner Beziehung den Leh­rern Schwierigkeiten bereiten, und für Montag 29. Dezember, 9 Uhr, solche Kinder aus der 5.-8. Klasse. Eine Liste der Herzurufenden wird aufgestellt.

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X. und Y. berichten über den freien Religionsunterricht.

Dr. Steiner: Im freien Religionsunterricht könnte versucht werden, Imaginatives, mythische Kultbilder herauszuarbeiten, zum Beispiel das Mithrasbild als die Überwindung der niederen Natur. Man könnte solche Kultbilder verwenden, um Bildhaftes in den Vorder­grund zu stellen und das Erzählungsmäßige in Mythisches, in Bild­haftes einzugliedern.

Es wird nach Zeugnissen gefragt.

Dr. Steiner: Da müßte festgestellt werden, was vorgeschrieben ist. Wir können zwei Zeugnisse geben, eines in der Mitte des Jahres als Interim szeugnis und eines am Ende des Schuljahres. In diesen Zeug­nissen soll, soweit das die geltenden Bestimmungen zulassen, nur allgemein über die Schüler gesprochen werden. Es soll der Schüler charakterisiert werden, und nur dann, wenn ein Fach besonders bemerkenswert ist, soll das erwähnt werden. Es sollte alles möglichst gut zensiert werden, und beim Aufsteigen in die höhere Klasse soll­ten möglichst wenig Rangstufen gemacht werden.

Beim Übergang in eine andere Schule muß das testiert werden, was von der betreffenden Schule verlangt wird.

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Konferenz vom Donnerstag 1. Januar 1920, 14.30 Uhr

Dr. Steiner: Heute würden wir vor allem die Besprechung haben über die vorgeladenen Sorgenkinder.

Bei dem M. H. ist es notwendig, daß man ihn möglichst oft vor­nimmt.

Die E. S. wird viel gefragt werden müssen.

Einigen Kindern in der 4. Klasse kann man besondere Übungen geben, zum Beispiel dem E. E. einen Spruch wie: ,,Im Lernen er­wirbt der Mensch sich Lebenskraft." Dies können Sie ihn immer morgens im Lauf der ersten Stunde sagen lassen.

Für den F R.: ,,Ich will achtgeben auf mich im Sprechen und Den­ken."

Für die A. S.: ,,Ich will achtgeben auf mich im Sprechen und Han­deln."

In der 5. Klasse ist der H. A., den sollte man Verschmitztes zeichnen lassen, zum Beispiel eine Linie, die sich verschlingt und sich selber wiederfindet. Er könnte auch eurythmische Formen zeichnen. Auf­sagen sollte er: ,,Lernen, aufmerksam sein, Fleiß entwickeln, es sei mir ins Herz geschrieben."

Die T. E. in der 7. Klasse müßte man zwingen, recht genau und langsam zu folgen. Genau und in langsamer Folge soll sie hören, was man ihr vorbringt. Das soll ein anderes Tempo haben als ihr eigenes sprunghaftes Denken. Einen Satz mit ihr zusammen denken, ,,Ich will mit dir denken." Nur dabei doppelt so langsam denken, wie sie selbst es tut.

Der O. R. in der 8. Klasse ist schläfrig, ein seelischer Regenwurm. Die Schläfrigkeit kommt daher, daß die Menschen an den Dingen vorbeigehen und sich nicht darum kümmern. Er soll niemand scha­den durch Allotria und soll niemandes Aufmerksamkeit stören.

Bei Denkträgheit, wie in der 3. Klasse, kann man zum Beispiel einen Satz wie ,,Der Baum grünt" umkehren lassen in ,,Es grünt der Baum" und so weiter, so daß sie rasch den Gedanken umkehren müssen.

Der Gesamteindruck ist: Sie sollen trotz aller Hindernisse den uner­schrockenen Mut haben, den Unterricht zu führen.

Die in diesem Jahr noch verbliebene Zeit ist kurz, und es ist noch vieles zu tun.

Es wird noch einmal vom Hort gesprochen.

Dr. Steiner: Es muß vermieden werden, daß die Kinder Vergleiche ziehen zwischen den Lehrern.

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Man sollte achtgeben auf äußere physische Symmetrie und Asymme­trie bei Kindern und aufsuchen, was dem seelisch parallel geht. Dazu muß man die Eigentümlichkeiten der Kinder gut kennen.

Es gibt die Erscheinung der Flammensymmetrie, das Aufeinander-wirken der gleichgestimmten Schwingungen. Ellicot bemerkte sol­che Dinge zuerst und hat darüber gearbeitet. Was der Lehrer denkt, wirkt auf die Schüler, wenn der Lehrer wirklich dabei ist. Die Haupt­sache ist, daß man sich für jeden Schüler interessiert.

X. fragt nach der Bewältigung des Lehrstoffes und nach Hausaufgaben.

Dr. Steiner: Hausaufgaben sollten als freie Aufgaben gegeben wer­den, nicht als Pflichthausaufgaben: ,,Wer's machen will!"

Es wird nach einem Lesebuch gefragt.

Dr. Steiner:: Beim Lesen müssen nicht immer alle Kinder mitlesen. Man kann ein Lesestück mitbringen und es herumgebend lesen las­sen, ohne daß die anderen mitlesen. Aber es sollte möglichst wenig gelesen werden, was nicht sicher gut verstanden wird. Es wird noch zuviel von den Lehrern vorgelesen. Man dürfte nichts vorlesen, das man nicht bis ins einzelne Wort hinein kennt durch genaue Vorbe­reitung.

Es wird eine Frage gestellt nach dem Modellierunterricht.

Dr. Steiner: Man könnte eine Säule von einer bestimmten Seite her als Vorlage nehmen, aber man darf bei einem solchen Motiv die Kinder nicht zum sklavischen Nachahmen verleiten. Die Kinder zwingen zum Beobachten, aber sie das Motiv abändern lassen!

X. Wie weit soll ich die Geschichte weiterführen, ehe ich zu etwas anderem übergehe? Ich bin in der 7. Klasse mit der römischen Geschichte bis zum Ende der Königszeit und in der 8. bis zu den punischen Kriegen gekommen.

Dr. Steiner: Mit großem Schwung bis zum Christentum kommen und dann zwei Monate Deutsch nehmen; Goethe und Schiller in der 8. Klasse.

Dr. Steiner erzählt die Anekdote: Ein Kind wird gefragt, wer Goethe und

Schiller seien. - ,,Ach. das sind dic zwei Gipsfiguren, die bei uns auf dem

Klavier stehen."

In der 8. Klasse sollte im Deutschen anderes durchgenommen wer­den wie in der 7.

X.:

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Dr. Steiner: Die Lehrer sollten Aufsätze schreiben für die Zeitschrift ,,Soziale Zukunft", Beiträge aus ihrer pädagogischen Erfahrung und insbesondere Charakteristiken von Kindergemütern.

Vor Dittes, nach rückwärts, ist die pädagogische Literatur etwas wert. Da fängt sie an, etwas menschlicher zu werden.

X.: Soll im nächsten Schuljahr eine 9. Klasse eingerichtet werden?

Dr. Steiner: Eine 9. Klasse wäre sehr erwünscht. Da ist dann kein Schulgesetz mehr da, und wir können ganz spontan anfangen. Die 9. Klasse wird dann spontan geschaffen werden aus dem, was das Resultat der 8. Klasse ist.

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Konferenz vom Samstag 6. März 1920, 16 Uhr

Oehlschlegel war nach Amerika gereist und sein Unterricht mußte anderweitig verteilt werden.

Dr. Steiner: Herr Dr. Kolisko übernimmt den Hauptunterricht in der 6. Klasse.

Herr Hahn übernimmt auch noch den oberen Kurs des freien Reli­gionsunterrichts. Dann hat er aber zusammen mit dem Sprachunter­richt in der 3. und 5. Klasse im ganzen 25 Stunden; da ist eine Ent­lastung nötig. 18 Stunden wäre eine normale Stundenzahl.

Fräulein Lang übernimmt in ihrer 3. Klasse das Englische und Fran­zösische. In der 5. Klasse übernimmt Fräulein Dr. von Heydebrand das Französische, Dr. Kolisko das Englische.

Frau Koegel übernimmt das Englische in ihrer 4. Klasse, Kolisko den übrigen englischen Unterricht bis zu den Ferien.

Es werden Fragen gestellt wegen der Einrichtung der Sonntagshandlungen und wegen der Musik dabei.

Dr. Steiner: Die Sonntagshandlungen sind nur für diejenigen Kinder, die am freien Religionsunterricht teilnehmen. Sie bieten einen Er­satz für die, welche keinen Ritus haben, für die Kinder und die Eltern. Die Sonntagshandlung ist mit Musikalischem abzuschließen, mit etwas besonderem Instrumentalen.

Ein Hospitieren dabei für eingeladene Gäste soll nur stattfinden, wenn ich hier bin.

Es wird berichtet über einen Schüler der 5. Klasse, der aus dem freien Reli­gionsunterricht wieder zurückging in den katholischen.

Dr. Steiner: Rücktritte der Schüler aus dem freien Religionsunter­richt sind zu vermeiden.

Rücktritte der Pfarrer, die evangelischen Religionsunterricht geben, müssen hingenommen werden.

Es wird eine Frage gestellt zum Eurythmieunterricht.

Dr. Steiner: Eurythmie ist obligatorisch, muß mitgemacht werden. Wer nicht Eurythmie macht, wird aus der Schule ausgeschlossen. Für die Eurythmiepropaganda und für Eurythmiekurse für Außenstehende kann man ein eigenes Eurythmiekollegium bilden.

X.: Soll der Gartenbauunterricht auch weiterhin freiwillig sein?

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Dr. Steiner: Die Gartenarbeit soll als obligatorisch in den Unterricht hineingenommen werden.

X.:

Dr. Steiner: Als Schulregel kann gelten: Kinder, die öfter unent­schuldigt fehlen, werden aus der Schule ausgeschlossen.

X. klagt wegen der Behandlung des Ethischen.

Dr. Steiner: Wir sollten keine abstrakte Disziplin lehren, sondern Achtung hervorrufen bei den Kindern.

Die Kinder sollten nicht soviel aufzeigen!

Die stadtärztliche Untersuchung muß man ausführen lassen.

X.: Sollen wir für die an Ostern aus der 8. Klasse Abgehenden eine Fortbil­dungsschule einrichten?

Dr. Steiner: Man könnte sie ,,Lebensschule für die Ältesten" nen­nen. Und den Kindergarten könnte man ,,Vorschule" nennen.

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Konferenz vorn Montag 8. März 1920, 15.30 Uhr

Dr. Steiner: Wir haben jetzt noch vier Monate vor uns gegenüber den fünf absolvierten.

X. berichtet über den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht in der 7. und 8. Klasse.

Dr. Steiner: In der 8. Klasse sollte in der Optik nur behandelt wer­den die Brechung (Linse) und das Spektrum.

In der Wärmelehre das Schmelzen (Thermometer), das Sieden und die Quellen der Wärme.

Dann der Magnetismus, ganz kurz; nur wie er sich äußert. Von der Elektrizität nur das Prinzip von keibungs- und Berührungs-elektrizität.

Dann die Mechanik: Hebel und schiefe Ebene. In der Aeromechanik Auftrieb und Luftdruck.

In der Chemie: das Verbrennen, das Zusammensetzen und Zerlegen von Substanzen.

In der 7. Klasse wären Optik, Magnetismus ausführlicher zu bespre­chen als in der 8. Klasse. Dann die Mechanik der festen Körper.

X. berichtet über die humanistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse. Es ist besprochen worden die Biographie Goethes und ,,Dichtung und Wahrheit":

Schillers ,,Ästhetische Briefe".

Dr. Steiner: Da wäre zu empfehlen Herders ,,Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit". Herder stellt darin den Menschen dar als Zusammenfassung der anderen Naturreiche.

Die Weltgeschichte ist bis zur Gegenwart weiterzuführen.

X. über die 6. Klasse.

X. über die 5. Klasse. Manches vom Pensum sei noch unerledigt.

Dr. Steiner: Lieber ein Pensum unerledigt lassen, nur nicht eilen! In der Naturlehre, Mensch und Tiere, wären zu besprechen: Gehirn, Sinne, Nerven, Muskeln und so weiter.

X. über die 4. Klasse. Sie fragt nach der lateinischen Schrift und nach deut­scher Grammatik.

Dr. Steiner: Wenn man die lateinische Schrift entwickeln will, ist es am besten, erst die andere Schrift aus dem Zeichnen zu entwickeln und dann charakteristische Buchstaben aus dem Zeichnen herüberzunehmen.

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Man kann Sätze aus den Gedichten bilden, aber man muß es ganz liebenswürdig machen, daß es nicht pedantisch wird.

X. und Y. über die 3. und 2. Klasse.

X. über die 1. Klasse. Die E. S. sei seit der Entlausung nicht ,wiedergekom­men. - Eine Frage wird gestellt nach dem Einführen der Buchstaben.

Dr. Steiner: Es wäre gut, die Buchstabenformen zuerst noch mehr nach dem Bildlichen hin machen zu lassen und dann erst zum Buch­staben überzugehen. Im allgemeinen sollte man konzentrieren!

X. berichtet über Musik und Eurythmie' auch Toneurythmie.

Dr. Steiner: Alle vier Wochen kann man an die Eltern ein Zirkular herumschicken wegen der Schulordnung und kann darin sagen, daß Eurythmie ein obligatorisches Unterrichtsfach ist.

Es wird über den Sprachunterricht berichtet.

Dr. Steiner: Beim Latein und bei den Sprachen überhaupt, sollte man nicht übersetzen, sondern nur frei den Sinn sagen, den Inhalt erzählen lassen, so daß man sieht, das Kind hat das verstanden. Es beeinträchtigt sonst den Sprachgeist.

In den obersten Klassen müßte man etwas vom Lautverschiebungs­gesetz beibringen. Wir kommen zurück zum Standpunkt des Eng­lischen.

Stramm darauf sehen, daß man immer die Klasse unterrichtet, nicht nur einen einzelnen. Während man sich lange mit einem beschäftigt, da sollte man immer Zwischenfragen an die anderen stellen und sie dadurch wach erhalten. Die Klasse als Chor behandeln.

Es wird berichtet über den Unterricht in sozialer Erkenntnis.

Dr. Steiner: In der 7. und 8. Klasse könnte man das geben, was in den ,,Kernpunkten der sozialen Frage" steht.

Es wird gefragt nach dem Unterricht für die psychopathischen Kinder.

Dr. Steiner: Die Hilfsklasse ist für die ganz Unbegabten. Diese Kin­der bleiben nur aus dem Hauptunterricht weg und werden von Dr. Schubert täglich in dieser Zeit separat dressiert.

Die A. B. hat starke Anlage zu Dementia praecox.

Der E. G. ist pathologisch unruhig; er muß recht oft ermahnt wer­den. Sonst könnte auch bei ihm Dementia praecox eintreten mit fünfzehn Jahren. Wir haben sieben bis acht solche Kinder in der Schule.

Es wird berichtet über einen Schüler, der einen Diebstahl verübt hat.

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Dr. Steiner: Bei Kindern, die stehlen, ist es gut, sie erinnern zu lassen Szenen, die sie in früheren Jahren erlebt haben; sich Dinge vorstellen zu lassen, die sie Jahre zurück erlebt haben, also etwa bei Siebenjäh­rigen Erlebnisse aus dem fünften Jahr, bei Zehnjährigen Erlebnisse aus dem siebenten Jahre erinnern zu lassen. Und es ist gut, sie daran zu gewöhnen, mit solchen Erlebnissen nach vierzehn Tagen zu wech­seln. Dann bessert sich das schnell. Wenn man gar nichts macht, dann werden diese Übel größer und arten in Kleptomanie aus. Dann kann später etwas Kleptomanisches herauskommen.

Auf solche Sachen wirkt besonders das, was ihnen Festigkeit des Willens gibt, und solches Hereinrufen von Erinnerungen, daß man sie Wochen, Monate, Jahre zurückgehen läßt, bewirkt Festigung des Willens.

Bei Kleptomanie wirkt es auch gut, wenn das Kind zum Beispiel während einer Viertelstunde sitzen und die eigenen Füße, die Zehen mit der Hand halten muß, als Strafe. Das ist auch vom Gesichtspunkt der Willensstärkung ein Mittel gegen Kleptomanie.

Es gibt nun aber auch Kinder, die sich schlecht erinnern können, die am folgenden Tage nicht mehr wissen, was sie am Tage vorher getrie­ben haben. Da muß man das Erinnerungsvermögen, das Gedächtnis stärken durch rückwärts vorstellen lassen.

Sie lassen doch diesen Spruch, den ich Ihnen einmal als etwas wie ein feines Gebet für die Kinder gegeben habe, immer noch sagen, nicht wahr? ,,Im Lernen erwirbt der Mensch sich Lebenskraft", ,,Ich will achtgeben auf mich im Denken und Handeln" oder,,. .. und Spre­chen".

Das Gedächtnis kann man kaum anders stärken, als daß man ver­sucht, die Kinder sich etwas rückwärts vorstellen zu lassen: ,,Der Vater liest in dem Buch" umkehren lassen in ,,Buch dem iii liest Vater der", so daß sie es zum bildlichen Vorstellen bringen. Oder Zahlen hin und her sprechen lassen: 4 6 7 3 umkehren lassen in 3 7 6 4. Oder die Härteskala hin und zurück.

Man braucht auch nicht davor zurückzuschrecken, wenn die Kinder kleine Gedichte gesagt haben, sie sie Wort für Wort zurück sprechen zu lassen. Auch bei den Sprechübungen ist es gut, sie auch rückwärts machen zu lassen. Das ist ein technisches Mittel, das man anwenden muß, wenn die Gedächtnisschwäche sich so stark zeigt.

Es wird über die wissenschaftlichen Arbeiten im Forschungsinstitut gesprochen.

Dr. Steiner: Sie dürfen Ihre Kräfte nicht zersplittern.

Sie sollten freundnachbarlicbe Beziehungen haben zu Dr. Rudolf

Maiers Forschungsinstitut.

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Konferenz vorn Sonntag 14. März 1920, 18 Uhr

Es wird über die mangelnde Disziplin in der Schule geklagt.

Dr. Steiner: Herr Baumann soll einmal pro Woche Unterricht geben über Takt und Moral, über Lebenstakt und Lebensgewohnheiten, so daß die Kinder denken müssen: das ist eine Artigkeit, das eine Unge­zogenheit. - Daß die Kinder das denken müssen, das soll eine Emp­findung hervorrufen für die Autorität.

Das ist nicht mit anderem Unterricht zu verbinden, sondern in den Nachmittagsunterricht einzuordnen.

Es wird noch einmal über das Stehlen gesprochen.

Dr. Steiner: Es wirkt ungeheuer schädigend auf die ganze Disziplin, wenn man einzelne Fälle herausgreift.

In bezug auf das Stehlen ist zu sagen: Diese Fälle im einzelnen zu behandeln, sollte eigentlich gar nicht nötig werden. Aber man sollte die Dinge so hinstellen, daß die Kinder davor einen Abscheu bekom­men.

X.: Soll man eine Osterfeier oder Jugendfeier für die nicht konfessionellen Kinder einrichten? Eine Frühlingsfeier?

Dr. Steiner: Man kann die vier oberen Klassen vom freien Religions­unterricht zu der Feier vereinigen.

Anmerkung: Es handelt sich hier nicht um die heute vorhandene Jugendfeier; die ist von Dr. Steiner erst zu Ostern 1921 eingerichtet worden.

Dr. Steiner: Es ist gut, die Mädchen und Buben zusammenzusetzen. Es wird nach der Klasse für die pathologischen Kinder gefragt.

Dr. Steiner: In diesen Unterricht für die psychopathischen Kinder, den Dr. Schubert übernehmen würde, sollten etwa zehn Kinder hin­einkommen.

Es werden die Kinder für diesen Unterricht ausgesucht. Von den schon mehr­fach Erwähnten sind dabei die A. S. und die A. B.; die übrigen nicht.

Dr. Steiner: In diesem Unterricht muß man sich mit den einzelnen beschäftigen. Nicht viel anders, aber man muß alles langsamer machen.

X. Soll man Goethes ,,Heidenröslein" mit den Kindern behandeln? Es ist doch recht erotisch.

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Dr. Steiner: Das ,,Heidenröslein" ist kein erotisches Gedicht. wohl aber ,,Ich ging im Walde so für mich hin . . .,,

X.: Was soll man in der Fortbildungsschule mit den Kindern tun?

Dr. Steiner: Da müßte man vor allem aufs Praktische und aufs Künstlerische gehen. Denen müßten Begriffe beigebracht werden vom Leben, von der Landwirtschaft, dem Gewerbe, der Industrie, dem Handel. Geschäftsaufsätze und Buchhaltung sollten da gemacht werden, und im Künstlerischen Bildnerisches' Musikalisches und Literatur.

Das würde die Aufgabe werden von Herrn Strakosch.

Das Leben muß als eine Schule betrachtet werden. Man kann ihnen immer wieder sagen, daß sie von nun ab durch das Leben erzogen werden.

Man soll den Kindern ihr Schicksal nicht abnehmen.

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Konferenz vorn Mittwoch 9. Juni1920, 16-19 Uhr

Dr. Steiner: Dadurch daß jeder Lehrer seine Klasse behält, wird eine intimere Kenntnis der Schüler errungen. Man muß versuchen, nach dieser Richtung weiter zu streben und die Dinge anzuwenden, die im Lehrerkurs besprochen wurden. Sobald man das Temperament eines Kindes richtig beurteilen kann, kommt alles andere von selbst. Man müßte sich den Blick aneignen, daß man, wenn man den Namen aufruft, das Temperament im Klang der Stimme schon darin hat.

Es wird über einen Jahresbericht und einen Prospekt gesprochen.

Dr. Steiner: Im Jahresbericht müßte etwas stehen über Grundriß und Plan der Schule und über den Lehrplan. Dann über die Schüler, aus welchen Schulen sie gekommen sind: 161 aus Volksschulen, 50 aus Mittelschulen, 64 aus höheren Schulen, 12 Schulneulinge; zusam­men 287. Dann über die Konfessionen der Schüler.

Weiter über die Lehrerbibliotbek' viele Bände. Die Sammlungen und Kabinette; dabei sollte das Inventar der einzelnen Sammlungen nur summarisch angegeben werden. Die Schülerbibliothek.

Dann die Eurythmie als eine neue Sache. Darüber wird Herr Bau­mann gebeten, einen eigenen Bericht zu machen. Auch über Hand-fertigkeit und Handarbeit könnte etwas darinstehen, vielleicht auch mit Bemerkungen über die Mängel der Leistungen. Vor allem aber sollte immer das Dauernde berücksichtigt werden.

Abgesondert davon wäre die Geschichte des ersten Schuljahres dar­zustellen. Man beginnt mit dem Prospekt. Später würde man anstelle dieses Prospektes eine Abhandlung von einer Lehrkraft haben; dieses Jahr kann dafür der Prospekt darinstehen.

Im Jahresbericht soll sich jeder, so wie er es will, seine Autobiogra­phie schreiben. Auch Charakteristisches über die Lehrer kann im Bericht stehen; man kann da zum Beispiel sagen, im allgemeinen gehalten, was er vorher war, ehe er Lehrer wurde. Nachrufe über Verstorbene können auch darinnenstehen.

Es werden oft zu stark Dinge herausgestellt, die hinter die Kulissen gehören.

X.: Die Tätigkeit Dr. Steiners in der Leitung der Schule muß herausgehoben werden.

Dr. Steiner: Meine Kurse können erwähnt werden und ebenso die Vorträge, die die Lehrer gehalten haben. Dann sollte etwas darinnen-stehen über das Vortragswesen der Waldorf-Astoria' das ja weniger

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an die Schule angeschlossen ist, also über die Arbeiterbildungsschule; die Geschichte dieser Schule mit einer Liste der Vorträge, die die Lehrer dort gehalten haben. Überhaupt über das Bildungswesen der Fabrik. Auch über die Tätigkeit und die Vorträge der Lehrer in der freien Fortbildungsschule für Lehrlinge und über den Jugendkurs für soziale Erkenntnis. Auch über das Archiv.

Ebenso über den Vorbereitungs-Unterricht für die Jugendfeier in einem eigenen Abschnitt. Überhaupt über die Angelegenheiten des evangelischen, katholischen und freien Religionsunterrichts. Wenn man für die einzelnen Religionen kein besonderes Kapitel machen will, müßte man es auslassen.

Es werden nun alle Klassen der Reihe nach durchgesprochen. Jeder Lehrer gibt einen genauen Bericht, was er in diesem Schuljahr behandelt hat, wie weit er gekommen ist, wie der Stand der Klasse ist und so weiter.

Zuerst berichten X. und Y. über den Rauptunterricht in der 1. und 2. Klasse.

X. berichtet über den Hauptunterricht und auch über den Sprachunterricht in der 3. Klasse.

Dr. Steiner: Im Sprachunterricht sollte man nicht lexikalisch vor­gehen und nicht übersetzen. Man sollte auch möglichst vermeiden, den deutschen Text vorzusagen. Am besten ist es, den fremdsprach­lichen Text erst zu lesen und dann den Inhalt mit eigenen Worten wiederzugeben.

Es ist soviel Staub auf den Bänken, soviel Dreck in den Klassen!

Die Lehrer sollten Psychologika sammeln! Das könnte gewisser maßen eine Art Goldenes Buch der psychologischen Merkwürdig­keiten sein, ein Goldenes Buch Psychologika im weitesten Sinne. Geisteswissenschaftlich sind die Sachen selbstverständlich. Man kann sie auch sagen. Manches ist auch schon vorgekommen.

Es war mir heute interessant in der 8. Klasse. Wie heißt der Junge? Er schreibt genau wie Sie, Dr. Stein. Der O. N., er ahmt Ihre Schrift nach. Das ist eine interessante Tatsache. Wenn jemand liegende Haare hat, wird er sich die Schrift vom Lehrer aneignen. Ein Kind mit struppigen Haaren würde so etwas nicht getan haben.

X. berichtet über die 4. Klasse. Von deutscher Grammatik haben die Kinder gar nichts gewußt. Sie fragten, was das sei.

Dr. Steiner: Sehr gut ist es, wenn man die Kinder veranlaßt, sich am Ende der 4. Stunde rückwärts zu erinnern an das, was sie am ganzen Morgen gemacht und durchgenommen haben.

Frage: Wie soll so ein Goldenes Buch gedacht sein?

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Dr. Steiner: Als Sammlung der Lehrerschaft. Das kann eine große Bedeutung haben. Allerlei interessante Dinge wären darin zu ver­merken. Jeder wird, wenn er nachdenkt, gleich einen ganzen Schip­pel solcher Sachen finden. Jeder Lehrer bespricht in einer Anzahl prägnanter Bemerkungen, was er beobachtet. In den höheren Klas­sen sollte angegeben werden, was den Kindern an Wissensstoff ge-fehlt hat, als sie zu uns kamen. Man sollte solche Dinge charakteri­sieren, was den Kindern fehlte. Wenn man das im ersten Jahres­bericht zusammengestellt hätte, da würde ich sehr dankbar sein.

Daß die Kinder zum Beispiel fragten: Was ist das, ,,deutsche Gram­matik"?. - das ist kulturhistorisch bedeutsam. Also Observationen bei den in die Waldorfschule eingetretenen Kindern. Was man be­merkt, was die Kinder vergessen, was sie für Ungezogenheiten hat­ten. Dann auch mehr das Unterrichtliche. Am Schluß der Sammlung können wir sagen, es ist selbstverständlich, daß unsere Intentionen mit jeder einzelnen Klasse in diesem Jahr noch nicht voll erreicht werden, sondern nur pauschaliter.

X. berichtet über die 5. und Y. über die 6. Klasse.

Dr. Steiner: Unglaublich unorthographisch schreiben die Kinder in der 6. Klasse. Wenn sie glücklich mit zwei k schreiben, sind sie über­glücklich; Es ist viel wichtiger, daß sie Geschäftsbriefe schreiben und Buchstabenrechnung lernen, als daß sie glücklich mit zwei k schrei­ben.

X. über die humanistischen Fächer in der 7. und 8. Klasse. In der Geschichte macht die Stoffbewältigung Schwierigkeiten. Die Kinder ,wissen nichts, als was sie aus dem Religionsunterricht kennen.

Dr. Steiner: 1890 kam ich nach Weimar ans Goethe-Archiv. Dessen Direktor war Suphan, der zwei Buben hatte. Mir ist die Aufgabe zugefallen, diese Buben zu unterrichten. Ich bekam dadurch einen Einblick in die Berliner Schulen. Ich muß sagen, während man in Österreich einen ordentlichen Geschichtsunterricht bekam, war in Deutschland nichts davon zu bemerken, daß die Kinder einen Ge­schichtsunterricht hatten. In den Büchern war nichts davon zu bemerken. Da gab es dreißig Seiten Vorbereitung von Adam bis zu den Hohenzollern, dann geht die Geschichte der Hohenzollern los. Das ist in ganz Deutschland so, daß in den Mittelschulen nichts Ordentliches über Geschichte vorkommt.

X. fragt nach der Wesenheit Allahs.

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Dr. Steiner: Es ist schwer, die übersinnlichen Wesen zu charakteri­sieren, indem man sie einregistriert.

Der Mohammedanismus ist die erste ahrimanische Manifestation, die erste ahrimanische Offenbarung nach dem Mysterium von Golgatha. Der Gott Mohammeds, Allah, Eloha' ist ein ahrimanischer Abklatsch oder Abglanz der elohistischen Wesenheiten, der Elobim, aber monotheistisch erfaßt. Er bezeichnet sie immer in einer Einheit. Die mohammedanische Kultur ist ahrimanisch, aber die Gemütsverfas­sung der Islamiten ist luziferisch.

X. In den Templerprozessen wird oft ein Wesen namens Bafomet genannt. Was ist das?

Dr. Steiner: Bafomet, das ist ein Wesen der ahrimanischen Welt, welches den Leuten erschien, wenn sie gefoltert wurden. Das ist raffiniert gemacht worden. Dann haben sie eine Menge von Visionä­rem mitgenommen, als sie ins Bewußtsein zurückgekommen sind.

869 nach Christus ist der Filioquestreit. Die Sache wird in den Geschichtsbüchern verschwiegen. Darüber ist nachzulesen in Har­nacks Dogmengeschichte.

X. :.. .

Dr. Steiner: Der katholische Religionsunterricht ist weit voraus;der evangelische ist der allerbeschränkteste.

Die Goethe-Biographie des Jesuiten Baumgartner ist genial geschrie­ben gegenüber den anderen Biographien, obwohl er schimpft. Das andere ist Mist. Die Goethe-Biographie von dem Engländer Lewes ist schlecht.

Schweizerischer Volkskalender.

X. berichtet über den naturwissenschaftlichen Unterricht in der 7. und 8. Klasse.

Dr. Steiner: Naturgeschichtlicher Unterricht, den kann man jeder­zeit unterbrechen.

Fortsetzung Samstag 15 Uhr.

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Konferenz vom Samstag 12. Juni 1920, 15 Uhr

Es wird ein Prospekt erwähnt und ein Jahresbericht.

Dr. Steiner: Wozu und wie weit soll das als Werbematerial dienen?

X.: Es soll an alle interessierten Persönlichkeiten geschickt werden.

Dr. Steiner: Es soll also eine Aufforderung beinhalten. Dann ist das, was mir vorgelegt wu rde, viel zu lang. Das würde keine Wirkung haben. Wenn es in dieser Form jeder liest, der Mitglied des Waldorf schulvere ins werden soll, dann würde es zusammengearbeitet werden müssen auf einen halben Bogen. Das aber hier ist ein richtiges Heft.

X.: Ich glaube nicht, daß es so dick ist.

Dr. Steiner: Denken Sie sich die Handschrift von Dr. Stein, es hat schon dreißig Druckseiten. Es ist auch dem Stile nach zu lang und zu gelehrt. Dies ist eine Art Verständigungsschrift mit der anderen Lehrerschaft. Es ist mehr gerichtet an die, welche pädagogisch den­ken, als an die, die dem Verein beizutreten beabsichtigen. Das soll doch allgemein an alle an der Schule Interesse Habenden beim Publi­kum gerichtet sein. Die lesen nicht eine solche Sache. Dieser Ge­sichtspunkt ist das letzte Mal gar nicht aufgeworfen worden. Der Prospekt war immer unter dem Gesichtspunkt der Propaganda betrachtet worden.

Also nur in der Form als Ersatz für die sonst üblichen gelehrten Abhandlungen könnte dieser Prospekt vorangehen. Sonst ist ja immer die gelehrte Abhandlung dagewesen, und da könnte ja eine solche Sache vorangehen, die prinzipiell die Sache auseinanderlegt. Eine Beschreibung des Baues, des Hauses, und dann geht man über ganz auf die Beschreibung der Pädagogik und Didaktik der Waldorf­schule und geht ein auf die einzelnen Gegenstände.

X.: Es ist besonders auch Material für die Eltern nötig, die Kinder zu uns schicken wollen.

Dr. Steiner: Das ist so: Für solche Eltern, da wäre die Zusammen­stellung des jetzt schon vorliegenden Materials, zum Beispiel das, was in den Waldorf-Nachrichten ist, ein gutes Material. Aber alles das ersetzt nicht einen Prospekt, der nicht länger sein soll als acht Druck­seiten. Das müssen ja Tausende von Mitgliedern werden, da müssen Sie eine ganz kurze, kompendiöse Sache vorsetzen.

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X.: Es wird doch nicht ausschließen, daß der Jahresbericht auch noch sein kann.

Dr. Steiner: Sie müssen nur bedenken, wie wenig man geneigt ist, auf die Sache einzugehen. Die Leute lesen heute in einer eigenartigen Weise.

Also nicht wahr, wenn eine Zeitschrift einen Artikel haben soll, das ist etwas anderes. Wenn Sie aber jemandem ersichtlich machen und bewirken wollen, daß der Betreffende Mitglied wird und 50 Mark bezahlt, dann braucht man auch nicht in die Einzelheiten der Gegen­stände einzugehen, sondern man braucht nur große Linien vorzu-halten, die richtig sind. Dieser Prospekt würde eine Sache für sich sein. Der würde oben enthalten die Aufforderung zur Zahlung von so und soviel. Aber der Jahresbericht, der könnte eben das sein, was ich eine Historie der Schule nenne. Da läßt sich alles unterbringen, was so von einzelnen Lehrern verfaßt wird. Alles Berichtende braucht nicht kurz zu sein; alles, was Bericht heißt, kann lang sein. Wenn der Prospekt massenhaft Geld trägt, wird Herr Molt schon was abgeben für den Jahresbericht. Das ist eine ganz republikanische Frage. Der Jahresbericht wirkt durch die Mannigfaltigkeit der Namen. Da wäre es zu bedenken, ob eine Uniformität anzustreben wäre. Der eine berichtet pedantisch, das und das hat sich ergeben, Monat für Monat. Der andere schreibt, nach dem, was ich erfahren habe, könnte ich nach fünfhundert Jahren es so und so machen. (Zu Dr. Stein:) Sie haben diesen so schnell geschrieben, daß Sie den anderen auch so schnell schreiben.

Dr. Steiner wurde gebeten, doch auch selber etwas dazu zu schreiben.

Dr. Steiner: Das ist eine sehr penible Sache. Wenn ich auch nur drei Seiten schreibe, so würde ich einen Bericht schreiben müssen über dasjenige, was ich erlebt habe; das könnte den anderen unangenehm sein. Wenn ich als Lehrer schreibe, würde ich es so veranlagen, daß ich es so von dem Prospekt unterscheiden würde: der Prospekt ent­hält das, was beabsichtigt ist, was mit jedem Jahr besser werden soll; das was berichtet wird, zeigt, was man erfüllen konnte und was nicht. Es wird ersichtlich sein der Abstand der Wirklichkeit von dem, was der Prospekt enthalten muß. So wird, wenn ich etwas schreibe, es natürlich auch in diesem Stil gehalten sein. Die langen Nasen kom­men hinterher. Ich kann also auch drei Seiten schreiben; das kann ich machen.

X. berichtet über seine Hilfsklasse mit neun Kindern.

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X. und Y. berichten über den Sprachunterricht in der 1. Klasse.

Dr. Steiner: Sprachen werden um so leichter gelernt, und die Aus­sprache wird um so besser und reiner, je früher begonnen wird. Die Begabung für Sprachen nimmt mit zunehmendem Alter, vom sieben­ten Jahr an, ab. Deshalb muß man früh damit anfangen.

Chorsprechen ist sehr gut, denn die Sprache ist ein soziales Element. Im Chor läßt sich immer leichter sprechen als allein.

X. und Y. berichten über den lateinischen und den griechischen Unterricht. Für das Lateinisch gibt es zwei Kurse; im unteren sind nur zwei Buben. Der obere Kurs ist begabt und willig.

Dr. Steiner: Die Fortschritte in den Sprachen sind gut.

X. berichtet über den Kindergarten mit dreiunddreißig Kindern. Sie fragt, ob man Ausschneidearbeiten im Kindergarten machen solle.

Dr. Steiner: Wenn Sie solche künstlichen Sachen von den Kindern machen lassen wollen, dann werden Sie darauf kommen, daß das eine oder andere zu so etwas Talent hat. Es werden nicht viele sein, den anderen redet man es ein. Die Sachen sind so, daß, wenn sie hübsch sind, sind sie hübsch; an sich sind es künstliche Dinge. Ich würde nur dann, wenn ich sehe, daß ein Kind nach so einer Richtung neigt, es gibt einzelne, dem nachgeben. Einführen als solches würde ich es nicht.

Beim Malen sollte man mit Wasserfarben anfangen.

Sie meinen Ausschneiden und Aufkleben? Wenn Sie finden, daß das eine oder andere Kind zum Silhouettieren Talent hat, kann man nachgeben. Ich würde nicht fröbeln,ja nicht fröbeln! Die Kinder, die Sie bekommen, werden wahrscheinlich am besten sich beschäftigen, wenn Sie sie mit möglichst ungeschlachten Objekten sinnvolle Dinge machen lassen. Irgend etwas! Nicht wahr, man muß versuchen, zu erlauschen, was die Kinder interessiert. Es gibt Kinder, Mädchen insbesondere, denen können Sie aus jedem Taschentuch Puppen machen. Die Puppen schreiben sich Briefe, dann werden diese Briefe vermittelt; Sie können der Briefträger oder die Post sein. Sinnvolle Sachen mit möglichst ungeschlachten Dingen.

Und dann wachsen die Kinder, wenn der Zahnwechsel eintritt, in das hinein, wenn sie die Anlage haben, daß sie selbst etwas vorstellen wollen, daß der eine ein Hase ist, der andere ein Hund; sinnvolle Dinge, wo sich das Kind selbst hinein träumt. Das Prinzip des Spieles besteht darinnen, daß das Kind bis zum Zahnwechsel im Spiele sinn­volle Dinge nachahmt, Kasperl und Puppe; bei den Knaben Kasperles,

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bei den Mädchen Puppen. Oder daß der Kasperl ein Großer ist, der einen Kleineren neben sich hat; es brauchen nur zwei Holzspäne zu sein. Vom siebenten Jahre ab bringt man dann die Kinder in Reigen und Kreise, und sie stellen etwas vor. Es können zwei ein Haus sein, die anderen stehen drum herum oder wohnen darin. Jetzt steht das Kind selbst darinnen.

Für musikalische Kinder kann man etwas anderes spielen, etwas, wodurch Sie ihrer Musikbegabung entgegenkommen. Das sollte man kultivieren, daß unmusikalische Kinder durch Tanz und Eurythmie die musikalischen Anlagen herausbringen. Man muß erfinden. Man kann solche Sachen machen, man muß aber erfinden, sonst wird es stereotyp. Später wird es leichter, da knüpft man an Schulmäßiges an.

X. erzählt, sie habe im Eurythmieunterricht die Konsonanten durch Tätigkei­ten eingeprägt, zum Beispiel durch das Wachsen der Pflanzen.

Dr. Steiner: Das ist sehr schön. - Es ist so, daß die Kinder nicht sehr stark differenziert sind. Sie haben wenig ganz unbegabte, aber auch wenig geniale. Es sind mittlere Kinder. Ebenso sind von den Tem­peramenten das cholerische und tiefmelancholische Temperament wenig vorhanden. Eigentlich sind die Kinder Phlegmatiker und San­guiniker. Das spielt auch da hinein. Sie haben auch nicht alle vier Temperamente so.

Phlegmatische Kinder, die kriegt man wohl nur in Bewegung, wenn man versuchen wird, mit ihnen die schwierigen Konsonanten zu machen; die sanguinischen Kinder mit den leichteren Konsonanten. Mit den phlegmatischen Kindern macht man R und S; bei sangulnl­schen Kindern die Konsonanten, die.Ansätze zur Bewegung geben:

D und T. Wenn wir in den nächsten Jahren andere Temperamente haben, können wir ja weiteres versuchen. Merkwürdig ist, daß die Kinder, die sonst schulmäßig wenig leisten, viel Eurythmie machen. Die Fortschritte sind ganz gut, aber ich hätte gerne, daß man berück­sichtigt, was fortschreitet. Es würde unsere Aufgabe sein, daß man viel mehr mit den Kindern zu dem redet, was man als Lehrstoff vorbringt, daß man mehr auf die Schulung des Denk- und Empfin­dungslebens sieht. Man kann wirklich darauf sehen, zum Beispiel im Rechnen, daß man dem Schüler klarmacht, -5, -a' daß er 5 weniger hat, als er dem anderen geben soll. Ganz präzis darauf eingehen im Dialog.

Manchmal ist es gut, mit den Kindern abzuschweifen vom Thema.

Dann werden Sie merken, daß die Kinder nicht so schnell im Aufsatz

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perfekt werden. Nicht wahr, die Kinder, die kopfbegabt sind, wer­den gute Aufsätze schreiben, die leibbegabten Kinder werden in der Eurythmie gut sein. Man muß versuchen, das durch Unterhaltung auszugleichen. Wenn Sie sich mit den Kindern unterhalten, wird das abgelenkt vom Kopf, wenn Sie etwas, was vom äußeren Leben her­genommen ist, besprechen und es dabei vertiefen.

Es wird gefragt, wie man das Perfektum behandeln kann.

Dr. Steiner: Da würde ich mit den Kindern nach allen Noten durch­sprechen den Parallelismus zwischen dem Vergangenen und dem Vollkommenen. Was ist ein perfekter Mensch, ein perfekter Tisch? Diese Zusammenhänge zwischen dem, was vollkommen ist, fertig ist, und dem Perfektum. Ich würde dann eingehen auf das Imperfektum, wo man noch darinnen steht im Vervollkommnen.

Wenn ich heute Zeit gehabt hätte, würde ich den Kindern das Lese-stück im Perfektum vorgemacht haben - man kann natürlich nicht jeden Satz übersetzen -, das würde Leben hineinbringen, und Leben bringt auch die Eurythmie in die Kopfbildung hinein. Ich würde zwischen den Zeilen vieles treiben. Ich habe heute schon gesagt, ich kann es verstehen, daß man da sagen kann, man schweift nicht gern ab. Es ist aber doch etwas, was man als Ideal betrachten soll, immer solche Dinge einzumischen. Zum Beispiel: ich habe heute solche Lust gehabt, ich wollte durchaus Ihre Kinder in der 3. Klasse traktie­ren mit dem ,,hurtig toch", dadurch erweitert man die Gedanken. Das heißt Schnellzug. So meine ich, zwischen den Zeilen mit den Kindern etwas machen.

Es wird über den Eurythmieraum gesprochen.

Dr. Stein er: Ich habe noch nie das Glück gehabt, daß jemand mir den Raum gelobt hat. Frau Doktor Steiner möchte am liebsten nur die Wiese haben und darüber ein Dach. Wenn man durch die Eurythmie den Kindern gerade die schönsten körperlichen Affinitäten erweckt, dann spüren sie furchtbar alle Einwirkungen des Raumes - das ist das Müdewerden. Wir kennen den schönen Eurythmiesaal, man hat vergessen, die Lüftung groß genug zu machen, den können wir gar nicht benützen. Es würde notwendig sein, daß man zur Eurythmie einen gut gelüfteten Saal hat. Alles Bisherige ist für Eurythmiesäle nicht gut; man kann nur ein Surrogat schaffen. Die Eurythmiesäle müßten so sein, daß sie ganz besonders gute Ventilation haben. Das Eurythmeum muß eben gebaut werden.

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Konferenz vom Mittwoch 14. Juni 1920,

15-17.30 und 21.30-0.45 Uhr

X. berichtet über den freien Religionsunterricht auf der untersten und der zweiten Stufe. Verse aus den Mysteriendramen und aus dem ,,Cherubinischen Wandersmann" sind besprochen worden.

Dr. Steiner: Es kommt darauf an, daß man nicht die Empfindungs­reife der Kinder außer acht läßt. Können Sie ein konkretes Beispiel sagen?

X.: Auf der Oberstufe habe ich sprechen lassen: ,,Laß mich ruhend in dir wsrken . . . ,,

Dr. Steiner: Haben Sie gefunden, daß die Kinder etwas daraus machen können?

Ja, dann kann man esja weiter versuchen.

X.: Man könnte die Kurse vielleicht gliedern.

Dr. Steiner: Ja, das ist gewiß so. Ich meine, wenn die untere Stufe geteilt wird in zwei und die obere Stufe beibehalten wird, dann geht es in drei Gruppen.

Also 1.-3., 4.-6., 7.-9. Klassen.

X. berichtet über den Vorbereitungsunterricht zur Jugendfeier, für den er drei Stunden verwendete.

Dr. Steiner: Ist das nicht eine Überlastung der Schüler? Wie viele sind da?

X.: Sechsundzwanzig.

Dr. Steiner: Man wird schwer darüber etwas sagen können, bis man einen richtigen Erfolg hat. Es ist durchaus gut, das einmal zu ver­suchen. Sollte es nicht gelingen, so wollen wir sehen, wie es anders zu machen ist.

X. berichtet über den Unterricht in sozialer Erkenntnis; zwei Wochenstunden mst der 6. bis 8. Klasse und einigen von der 5. Klasse.

Dr. Steiner: Es ist natürlich eine Schwierigkeit, das elfte bis fünf­zehnte Jahr, aber das ist ein Unterricht abseits vom übrigen.

X.: Wir besichtigen auch Fabriken.

Dr. Steiner: Wenn man es richtig lebendig, lebensvoll macht, an allerlei

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Lebensfragen gerade in diesem Alter anknüpft, dann wird es gehen. Ich würde versuchen, zu sehen, ob die Kinder nicht zuviel haben, und dann versuchen, möglichst ans konkrete Leben anzu­knüpfen.

Ich glaube, daß die Zeit der Kinder zu stark beansprucht ist. Natür­lich kommt in einer Ecke die Überlastung heraus. Es wäre gut, nicht acht Stunden zu haben an einem Tage.

Ich kann nicht einsehen, warum man drei Stunden braucht, um die J ugendfeier vorzubereiten. Warum sollte nicht eine Stunde genü­gen? Es kommt gerade bei einer solchen Sache nicht auf die Menge an, sondern auf den ganzen Zeitraum, in dem das Ganze gehalten ist. Es wäre vielleicht besser, wenn man diese Dinge, die ganz entschie­den eingeschränkt werden können, wenn man die einschränken würde. Man könnte das tun, daß man für diejenigen, die vor der Jugendfeier stehen, ausfallen läßt den Religionsunterricht und ihn verbindet mit der Vorbereitung für die Jugendfeier.

Es wird eine Frage gestellt wegen der Zulassung zur Sonntagshandlung.

Dr. Steiner: Es ist tatsächlich eine Schwierigkeit. Das war nicht gedacht, daß jemand anderer kommen sollte als die Eltern. Natür­lich, wenn man einmal anfängt, dann ist es schwer, eine Grenze zu ziehen. Wie soll man das machen? Was war der Grund, daß man Nichteltern zugelassen hat? Es liegt kein Grund vor, wenn man den K. hereinläßt, warum man andere Mitglieder zurückweist. Wo fängt das an, wo hört das auf? Die Tanten kommen ja überhaupt. Es sind schon andere Störungen vorgekommen durch Fremde im Gange des Schulwesens. Ich war am meisten betroffen, als sich die Leute, die die Schule nichts angeht, in die Disziplin hineinmischten. - Ich habe nichts dagegen, wenn die Zulassung zur Handlung streng auf die Eltern beschränkt wird. Geschwister und Tanten auch nicht. Dazu haben wir diese Feier nicht eingerichtet. Es hat keine Grenze. Nur die Eltern oder die, die anerkannt werden können durch die Lehrer-schaft als moralische Vormünder.

X. fragt noch einmal wegen der Sonntagshandlung betreffend ein altes Mitglied.

Dr. Steiner: Die wird gern wegbleiben; ihr braucht man das nur in entsprechender Weise klarzumachen. Das ist die Schwierigkeit: in dem Augenblick, wo wir jemanden hineingelassen haben, der kein Kind hat, ist die Grenze schwer zu ziehen. In der Anthroposophi­schen Gesellschaft, da ist die Stätte, wo Ausnahmen sein müssen. Oder man läßt es so, wie es ist.

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X. Das hat sich eben als unzuträglich ausgestaltet.

Dr. Steiner: Diese Ausnahmen sind vielleicht für ein- bis zweimal durchzuführen, aber sie wachsen.

X. Eine reine Schulangelegenheit soll es ja nicht sein; es ist ja losgelöst von der Schule.

Dr. Steiner: Die Sonntagshandlung ist etwas im Rahmen der Schule Liegendes. Eine Einzelheit innerhalb der Schule, geradeso als wenn wir sagen würden, wir richten meinetwegen einen Unterricht für ein bestimmtes kunstgewerbliches Fach ein. Das wäre auch eine Spezial-sache, die im Rahmen der Schule darin sein könnte, die nicht eine allgemeine Schulangelegenheit ist. Wir können es nur so halten, sonst kommen eben diese Dinge. Ich wurde gefragt in den letzten Tagen, wie man das machen kann, daß in H. eine solche Sonntagsfeier für die anthroposophische Jugend eingerichtet wird. Also das ist in der gegenwärtigen Zeit, wo die Angriffe aus allen Ecken herauspfeifen, so unsinnig wie möglich gehandelt. Das sind ja Angriffsmomente, wenn sich Herr L. hinstellt und für die anthroposophischen Kinder eine Kultushandlung vollzieht. Er hat sich schon die Erlaubnis geholt, um es sich anschauen zu können. Das würde ich ganz ent­schieden verleugnen als etwas, womit ich etwas zu tun haben sollte, was außerhalb des Rahmens der Schule als eine Sonntagsfeier ein­gerichtet würde. Es hat nur einen Sinn dadurch, daß in unserer Schule eine Anzahl Kinder einen Religionsunterricht auf anthro­posophischer Grundlage hat, und für diese Kinder ist diese Sonntags-feier. So daß niemals zugelassen werden könnte - es könnten andere Kinder zugelassen werden -, es kann aber niemals jemand zugelas­sen werden, der nicht in der Schule ist.

X.: Dann muß es dabei bleiben.

Dr. Steiner: Man kann es so lassen, wie es ist; dann sind Ausnahmen da, aber es ist im Grunde genommen nicht einzusehen, wie man jemand anderes abweisen soll, wenn man Frau G. sagt, sie darfkom­men. Dann müßte auch Herr Leinhas abgewiesen werden, er ist aber im Waldorfschulverein. Das würde ja eventuell eine Art von Rechts-titel sein. Alles das, was zur Schule gehört.

X.: Können die Frauen der Lehrer zur Schule gerechnet werden?

Dr. Steiner: Die können natürlich nicht zugelassen werden. Wenn sie keine Kinder haben, so haben sie auch keinen Rechtstitel.

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X. berichtet über den Anstandsunterricht. Ich habe da versucht, den Kindern eine Diätetik der Seele beizubringen.

Es war alles mögliche Geschwätz durch Schüler in die Schule hineingetragen worden.

Dr. Steiner: Es ist nicht zu umgehen, daß die Anthroposophen-kinder zu Hause etwas aufschnappen. Das ist ungefährlich, wenn die Eltern selbst vernünftig sind. Selbst wenn es tief hineingeht, so ist durch die gesunde Gesinnung der Eltern schon ein Mittel gegen das Überschnappen der Kinder da. Solche Dinge, die wir oft ge no tigt waren zu bekämpfen, wie die, welche Sie angeführt haben von O. R., die rühren auch davon her, daß die Eltern unsinniges Zeug reden.

Sie werden bemerkt haben, daß der Unterricht seine Früchte trägt. Ich würde nur bemerken, daß namentlich in kritischen Fällen man sehr guten Erfolg mit Erzählungen hat, die einen ganz bestimmten Gang nehmen. Wenn man sicher konstatiert hat, daß ein Kind eine Unart hat, denkt man eine Erzählung aus, in der sich diese Unart durch das, was geschieht, schicksalsmäßig ad absurdum führt. Sogar bei ganz kleinen Kindern ist es schon gelungen, Genäschigkeit und solche Sachen einfach dadurch, daß die Mutter solche Erzählungen gebildet hat, sich selbst ad absurdum führen zu lassen. Etwas Aus­gedachtes - nach dem Muster des Hundes, der mit dem Fleisch im Maul über die Brücke geht -, das ist etwas, was stark wirkt auf das Kind, das so etwas verübt hat, und anhaltend wirkt, namentlich wenn man im konkreten Falle ein bißchen Zeit verfließen läßt zwi­schen dem Begehen der Handlung und dem Heranbringen der Erzäh­lung. In der Regel erreicht man mehr, wenn das Kind geschlafen hat, und man am nächsten Tage frühestens darauf zurückkommt, und dann verhandelt. Das Beschäftigen unmittelbar nach dem Ertappen, das ist das Schlechteste. Das ist etwas, was sehr theosophisch ist, aber was einfach wahr ist.

Dann wäre es sehr gut, wenn durchgeführt werden könnte, daß auch die einzelnen Kinder als solche, sei es gruppenweise oder ganz indi­viduell, gewissermaßen ein Gegenstand der Sorge des ganzen Kolle­giums werden könnten, daß man sich über sie ausspricht. Das scheint mir etwas, was ganz wünschenswert wäre. Das erfordert nur, daß man der Sache etwas Interesse zuwendet.

Ich fragte heute morgen um den P. I., er ist mir entschwunden. Also nicht wahr, da hat mir der Vater gewisse Klagen vorgebracht. Nun wäre es gut, wenn man das, was bei dem Jungen ist, vergleichen könnte mit dem, was der Vater klagt. Denn der Vater scheint in diesem Falle ein ziemlich unnützer Kläger zu sein, schultheißenhaft

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sich zu verhalten. Ja, ich werde mit dem Jungen reden. Mir scheint, daß der Vater ein unnützer Kläger ist, der allerlei Dinge, Kleinigkei­ten, die der Junge ausfrißt' phantastisch ausgestaltet, so daß der Junge die Sachen macht, die der Vater suggeriert. Das weiß er sicher nicht, was er will.

Das bildet in jeder Schule ein Hauptkapitel, weil das so schwer zu regeln und zu beherrschen ist. Gerade über solche Dinge müßte voll­ständige Klarheit herrschen in dem größten Teil der Lehrerschaft, über die einzelnen Schüler.

Gewisse Dinge sind interessant, wenn man die Statistik etwas gründlich betrachtet. Ich habe alle Klassen gesehen. Mir tritt das stark hervor, daß nur wenige ganz unbegabt sind, genialisch auch nicht, aber viele mittlere, nicht schlecht veranlagte. Ein Beweis dafür ist das, daß die Fortschritte gut sind. Ich will immer unterscheiden zwischen Fortschritten als solchen, und dem Inhalt des Fortschritts. Es kann ja sein, daß man manches nicht so vorwärts gebracht hat; das Tempo ist ein gutes.

In der 4. sind eigentlich im Grunde genommen nur die zwei wenig begabt, dann drei so halb, die nicht zurechtkommen, während die anderen nach ihrem Schreiben wünschenswert begabte Kinder sind. Es mag sein, daß viele Lausbuben sind, aber zum Beispiel diejenigen, die als Lausbuben bezeichnet worden sind, sind so, daß sie begabte Lausbuben sind; das ist etwas, was den Nagel auf den Kopf trifft.

Das hängt mit einer anderen Erscheinung zusammen. Das wirkt, wenn so sich im allgemeinen die Moral hebt, werden die Dinge sich ausgleichen. Es ist ein Charakteristikum der Waldorfschüler, daß sie furchtbar eifersüchtig sind auf ihre Lehrer, daß sie nur an den eige­nen Lehrern ein gutes Haar lassen, daß gerade die das Richtige machen. Das ist ein tatsächlicher Fall. Nun, nicht wahr, das hat seine guten Seiten und auch seine Schattenseiten. Die Hauptsache dabei ist, daß man nicht allzuviel darauf gibt. Man soll sich nicht geschmei­chelt fühlen, wenn das zurückstrahlt. Es macht sich auch im Gehaben des Unterrichtes klar. Herr A. ist schon kein Mensch mehr, sie betrachten Sie fast als einen Heiligen.

Warum sollen die Kinder nicht lachen? Sie sind mehr im Rahmen der Schule. Wer viel kennt, der weiß, daß die bedeutendsten Men­schen Lausbuben waren. Wenn man es im Zusammenhang des Lebens nimmt, hat es einen anderen Aspekt.

Wenn sie ein bißchen weniger schreien könnten, das wäre gut. Die 4. Klasse schreit fürchterlich. Das sind Dinge, die ja auch nicht furchtbar tragisch zu nehmen sind. Wenn man dann eine solche

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Eigenschaft, die hervorragend ist, den Kindern abgewöhnt hat, bedeutet es moralisch sehr viel; wenn man es dahin bringt, daß die 4. Klasse nicht so schreit, oder wenn man dem B. Ch. abgewöhnt, daß er den Tornister vor sich hinauswirft. Ganz abgesehen davon, ob man das mehr oder weniger artig oder unartig ansieht, wenn man eine solche hervorragende Eigenschaft abgewöhnt hat, das bedeutet für die moralische Haltung außerordentlich viel, wenn sich manche Buben in der 4. Klasse das furchtbare Schreien abgewöhnen würden. Im allgemeinen möchte ich sagen, es wird doch eine Frage einer allgemeinen didaktischen Ökonomie sein, wie weit das Chor-sprechen gehen soll. Würde man es zuwenig ausbilden, dann leidet die soziale Gesinnung; die bildet sich aus durch das Chorsprechen. Wenn man es zuviel macht, dann leidet die Auffassungskraft, weil es eine starke suggestive Kraft hat. Die Kinder können Dinge, für die sie sonst keinen Tau haben, wenn sie in der Masse mitsprechen. Geradeso wie eine Volksmenge auf der Straße mittut. Je jünger sie sind, desto mehr kann das täuschen. Es ist schon gut, daß man sie ganz durcheinander auffordert, dasselbe noch einmal zu machen im einzelnen, so daß jeder aufzupassen hat, wenn der andere seinen Satz bildet. Wenn Sie eine Erzählung sagen, so behandelt man Sätze, man läßt den einen fortsetzen. Solche Sachen haben eine gewisse Bedeu­tung, daß ich sagte: ,,Derjenige, der in der mittleren Bankreihe an der linken Ecke sitzt, der soll fortfahren!" ,,Der einzige, der in der Ecke sitzt, soll fortfahren!" Solche Dinge sollte man machen, wo sie auf­passen müssen, wo man die Kinder dazu bringt, immer mitzutun. Das zu viele Chorsprechen würde die Lässigkeit fördern. In der Musik bestätigt sich das in bezug auf das Brüllen.

Bei der 4. Klasse möchte ich Sie aufmerksam machen auf die Impon­derabilien. Ich rede ganz real, die Imponderabilien, die bestehen in gewissen Spannungszuständen der ganzen Klasse. Da ist einfach zum Beispiel das Zahlenverhältnis der Mädchen zu den Knaben. Ich meine nicht, daß man es als solches einrichten müßte. Man muß das Leben nehmen, wie es ist, aber man muß versuchen, auf solche Dinge doch zu achten. Wenn ich nicht irre, ist in der 4. Klasse die größte Bubenzahl im Verhältnis zu den Mädchen. Nun tritt es mir zutage, daß eine gewisse Physiognomie der Klasse ganz wesentlich davon abhängt, wie das Verhältnis der Buben zu den Mädchen ist. Bei Fräulein Lang ist das Verhältnis anders. Auf solche Dinge muß die Aufmerksamkeit gerichtet werden. Bei Fräulein Lang sind wesent­lich weniger Buben als Mädchen. Heute waren es ganz sicher mehr als zweimal so viel Buben, heute waren 25 Buben und 11 Mädchen da.

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Das stimmt, was ich sage, von der 4. Klasse. In der 6. Klasse sind 12 Buben und 19 Mädchen. Nicht wahr, das ist etwas, worauf man sehr wohl die Aufmerksamkeit richten muß. Interessant war das in der 5. Klasse, wo es gleich ist, wo heute 25 : 25 waren. (Zu Frl. Dr. von Heydebrand:) Es war außerdem die beste Gelegenheit, weil Sie heute einen interessanten Lehrstoff in die Schule gebracht haben. Das ist die richtige Art, so bringt man Anthroposophie hinein. Diese Sachen sind solche, auf die man die Aufmerksamkeit wenden muß.

X.: Ich glaube, bei den Kindern eine Verwandtschaft zu bemerken zwischen Tiefstimme und phlegmatischem Temperament, Mittelstimme und sanguini­schem, Oberstimme und cholerischem. Ist das richtig?

Dr. Steiner: Die beiden anderen stimmen vollständig; das mit der oberen Stimme ist recht merkwürdig. Im ganzen ist es so, daß die unteren Stimmen bei den Phlegmatikern' die mittleren bei den Melancholikern und Sanguinikern sind. Die Sanguiniker sind bei der höchsten Stimme. Das Cholerische verteilt sich über alle drei. Es muß noch irgendein besonderer Grund vorliegen. Würden Sie meinen, daß Tenöre besonders Choleriker sind? Auf der Bühne schon. Das Chole­rische verteilt sich überall.

X.: Wie kommt es, daß man über das Temperament eines Kindes so verschie­dener Meinung sein kann?

Dr. Steiner: Diese Frage wird man nicht mathematisch lösen kön­nen. Davon ist keine Rede. Das ist bei der Beurteilung von gewissen Grenzfällen möglich, daß der eine diese, der andere jene Ansicht hat. Sie brauchen auch nicht mathematisch gelöst zu werden. Da wird es so liegen, daß derjenige, der das Kind sieht, der es so oder so auffaßt, selbst von sich aus die Absicht hat, es so zu behandeln. Schließlich ist die Behandlungsweise etwas, was vom Wechselverhältnis herrührt. Denken Sie ja nicht, daß man darüber diskutieren soll.

Eine weitere Anfrage wegen der Temperamente.

Dr. Steiner: Das cholerische Temperament ist gleich verdrossen und entrüstet sich über alles, was eben seiner Aktivität in die Quere kommt. Wenn es in einem rhythmischen Erleben drinnen ist, ist es entrüstet und ärgerlich, aber auch sonst, wenn es ein anderes Erlebnis ist und es wird gestört, so ist es entrüstet. Das ist, nicht wahr, weil der Rhythmus eben innig verbunden ist mit der ganzen menschlichen Wesenheit. Das ist schon der Fall, daß der Rhythmus mehr als alles andere verbunden ist mit der menschlichen Wesenheit, und daß bei dem Choleriker eine starke Rhythmik zugrunde liegt, die gewöhnlich

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an sich etwas defekt ist. Napoleon wird man als Choleriker ansehen können. Bei ihm lag es so, daß sein innerer Rhythmus in sich gedrungen war. Bei Napoleon liegt das vor, daß er von einer Seite her veranlagt war, größer zu wachsen, als er gewachsen ist. Er ist zusam­mengeschoppt geblieben. Sein Ätherleib war größer als sein physi­scher Leib. Dadurch wurden seine Organe zusammengeschoppt, alles Rhythmische wurde in sich zusammengeschobener und störte sich fortwährend. Weil ein solches cholerisches Temperament auf dem fortwährenden Verkürzen des Rhythmus beruht, so lebt es in sich darinnen.

X. Kann man davon sprechen, daß in einem solchen Temperament einer von den Sinnen vorherrscht?

Dr. Steiner: Sie werden wahrscheinlich bei einem Choleriker in der Regel finden einen abnorm ausgebildeten Gleichgewichtssinn (Waage) und ihn äußerlich nachweisen können in den Kanälen im Ohr bei der Autopsie. Das Erleben des Rhythmus, Gleichgewichts-sinn und Bewegungssinn' Wechselwirkung zwischen beiden, rhythmisches Erleben. Mit dem Gleichgewichtssinn und Bewegungs­sinn wäre bei einem Sanguiniker (Jungfrau) der Bewegungssinn in der Art vorherrschend. So wie beim Melancholiker (Löwe) der Lebenssinn vorherrscht' beim Phlegmatiker (Krebs) der Tastsinn, physiologisch, weil die Tastkörper in kleinen Fettpolstern eingebet­tet sind. Das ist physiologisch nachweisbar.

Es ist nicht so, als ob die Tastkörperchen den Reiz vermittelten. Dasjenige, was geschieht, ist eine Reflexwirkung' wie wenn man Gummibälle eindrückt und sie wieder zurückgehen. Die Wärzchen sind dazu da, um es dem Ich zu vermitteln, um den Reiz im Ätherleib auf das Ich zu übertragen. Das ist beijedem der Sinne der Fall.

Es wird berichtet über den Eurythmieunterricht.

Dr. Steiner: Nun, mit der Eurythmie ist es so, daß die Begeisterung etwas theoretisch wird. Das Eurythmeum steht immer vor Augen. Aber wir haben immer zu wenig Räume. Wenn wir mehr Toneuryth­mie machen, dann wäre es erwünscht'jemanden zu haben, der etwas Klavier spielt. So etwas kann sich als eine Notwendigkeit ergeben. Wir haben jetzt verhältnismäßig wenig Toneurythmie gemacht. In Dornach hat Fräulein X. eine Kindergruppe für Toneurythmie ein­gerichtet und außerördentlich gute Erfolge erzielt. Etwas kann bemerkt werden, daß mit Ausnahme der ganz begabten älteren Leute die Kinder leichter Eurythmie lernen und namentlich leichter

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sich zur Grazie ausbilden, so daß tatsächlich die Eurythmie im Unterricht sich als fruchtbar erweist. Während es bei Großen wirk­lich schwer geht, weil sie sich nicht daran gewöhnen wollen, richtig aufzuspringen, lernen es die Kinder ganz graziös. Die Kinder, die da auftreten, denen gegenüber würde es niemand einfallen, daß er das Spreizen der Beine häßlich findet. Es ist ganz und gar nicht häßlich, aber ich bin überzeugt, daß es auch den Leuten gar nicht auffallen würde.

X. berichtet über das Turnen. Einige drücken sich auch.

Dr. Steiner: Nun müßte man konstatieren, ob die Betreffenden sich drücken vom Turnen, oder ob sie sich wegschleichen, um Allotria zu treiben.

X.: Der M. T. ist in der Eurythmie geschickt, draußen ungeschickt.

Dr. Steiner: Gerade bei ihm könnte ich mir denken, daß er sich drückt, um etwas anderes zu handhaben.

X. Er ist faul.

Dr. Steiner: Wenn er solchen Schabernack aufführt, da ist er doch sehr fleißig. Er ist ein sehr artiger Knabe.

X.....

Dr. Steiner (über den O. N.): Ich finde das eine gute Eigenschaft, daß er die Schrift nachmacht. Es ist eine Erfahrung, daß bei der Ehe der Mann die Schrift bekommt wie die Frau oder umgekehrt.

Es wird berichtet über Gartenarbeit und Handwerk. Über Schwierigkeiten mit einzelnen Kindern; sie sind unsozial und träge und mögen einander nicht hei­fen.

Dr. Steiner: Sind es viele? Nicht wahr, etwas anderes kann man kaum machen, als diejenigen, die so sind, zusammenspannen, daß man ihnen ein bestimmtes Gebiet anweist, daß man sie veranlaßt, sich zu schämen, wenn sie nichts fertig kriegen. Etwas, wo die Fertig­stellung sichtbar wird, wo sie sich schämen, wenn nur ein Viertel gemacht ist. Nicht das Moment des Ehrgeizes! Was ich sagte, rechnet nicht mit dem Ehrgeiz, sondern mit dem Schämen. Dann könnte man noch eine Kommission ernennen, die im Beisein der Kinder das anschaut und das Mißfallen ausdrückt. Ich glaube doch, wenn Frau Molt ernannt wird, die Sache anzuschauen, und Herr Hahn, dann wird sich auch M. T. entschließen zu arbeiten, um nicht das Mißfal­len zu erregen. Ein Ausweg wäre. daß man diese Kinder zusammenspannt

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und beim Unterricht in seine Nähe nimmt. Aber das ist schwer durchführbar. Sie müssen dazu getrieben werden, sich zu schämen, wenn sie es nicht fertig kriegen. Ehrgeiz würde ich nicht aufstacheln, aber das Schamgefühl.

X. fragt, ob nicht eine Buchbinderei eingerichtet werden könnte?

Dr. Steiner: Ob es sich mit der Schule vereinigen läßt? Buchbinderei wäre etwas, was in den Fortbildungsschulplan hineinfallen könnte. Probeweise könnte es im Einbinden der Bücher bestehen. Ist jemand unter Ihnen, der einen solchen Fortbildungsschulkurs übernehmen könnte? Einer oder zwei, denn die Buchbinderei ist etwas, was wirk­lich kunstgewerblich ausgebildet werden kann. Wir haben keinen rechten Übergang von den alten schönen Bänden, die nach und nach weggefallen sind, zu den ganz philiströsen Bänden. Und das, was nun neuerdings versucht wird, das sind zumeist kunstgewerbliche Koket­terien. Da irgend etwas Kunstgewerbliches zu leisten, das ist immer­hin reizvoll. Was wird heute gemacht an Büchern, die keine Bücher sind! Man müßte wieder die Bücher als Bücher machen. Das würde eben in den Rahmen der Fortbildungsschule' des Kunstgewerblichen hineinfallen.

An sich ist es eine einfache Arbeit, aber gerade in dieser Beziehung wird man ja etwas machen. Das Technische muß man natürlich gut können. Da würde es etwas zu verbessern geben. Ich meine, wenn es bis zur Goldpressung geht, da gibt es manches zu verbessern. Was gelernt werden muß, das ist verhältnismäßig einfach. Das ist Übung.

X.: Ich weiß nicht, ob ich es noch übernehmen kann.

Dr. Steiner: Es ist eine Frage, die im Zusammenhang mit dem Fort­bildungsschulwesen behandelt werden müßte.

X.: Soll ich deshalb einige Stunden abgeben in meiner Klasse?

Dr. Steiner: Dann kommen wir ins Fachlehrersystem hinein. Das muß umgangen werden, solange wir nur irgend können, wenn irgend­ein Mann da ist, und wenn es richtig angefaßt wird, daß es geht.

X.: Zwei Stunden in der Woche sind im Handarbeiten zu wenig. Könnten die Stunden nicht vermehrt werden?

Dr. Steiner: Ich habe gesehen beim Handarbeitsunterricht, daß viel Geschicklichkeit da ist. Sobald der Waldorfschulverein viele Millio­nen bringt, können wir viele Zimmer haben und viele Lehrer anstel­len. Ja, aber mehr Zeit können wir kaum dazu verwenden. Das

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andere muß erreicht werden durch Teilung der Klassen. Es ist wohl genügend, zwei Stunden in der Woche. Wir müssen die Klasse teilen, und das ist dann bloß eine Stunde.

X. Soll man Mädchen und Knaben getrennt nehmen?

Dr. Steiner: Das würde ich nicht tun, lieber nicht mit dem Ausein­anderschälen anfangen. Aber Sie lassen doch die Knaben auch andere Handarbeit verrichten als Stricken? Das gilt auch für die Mädchen. Ja, aber trotzdem würde ich es nicht tun; Knaben und Mädchen trennen, das sollten wir nicht anfangen. Da muß man aus einem anderen Prinzip abhelfen.

X. Soll die Vorklasse den Charakter eines Kindergartens haben?

Dr. Steiner: Dort sind die Kinder, die noch nicht die Schule begon­nen haben. Wir können nicht irgendwelche Lernfächer bringen. Man soll sie so beschäftigen, daß sie spielen; nicht wahr, gewisse Spiele müssen da sein. Man kann auch etwas in der Form, in der es nicht zum Lernen gehört, erzählen. Aber auch da nicht die Schulanforde­rungen stellen, nicht darauf sehen, daß unbedingt alles nacherzählt werden muß. Ein eigentliches Lehrziel scheint mir gar nicht nötig zu sein, sondern man versucht herauszukriegen, womit man die Kinder am besten beschäftigen kann. Man braucht kein Lehrziel. Es wird sich darum handeln, daß man Spiele treibt, etwas erzählt, kleine Rätsel löst.

Auch das würde ich nicht pedantisch begrenzen. Ich würde sie behal­ten, solange die Eltern sie abgenommen haben wollen. Ja, wenn wir könnten, könnten wir sie auch den ganzen Tag haben. Wenn es geht, warum nicht? Eurythmie können Sie auch versuchen, sie dürfen nur nicht verdorben werden. Sie dürfen auch durch sonst nichts verdor­ben werden. Ich sagte ja, dabei handelt es sich im wesentlichen darum, daß man die Kinder bemuttert, nicht Fröbelei treibt. Sie wollen ganz gewiß nichts schulmäßig Bestimmtes tun, da kann man das mit ihnen tun, was sie wollen.

Dies ist die Konfiguration beim Spielen: Ein Kind, das gewisse For­men des Spielens zeigt, zeigt dieselbe Form dann in der Art und Weise, wie sich der Mensch ins Leben findet. Ein Kind, das langsam spielt, wird in den Zwanzigerjahren langsam sein und langsam den­ken in all dem, was im Leben zusammengefaßt wird als Lebens­erfahrung.

Ein Kind, das oberflächlich ist im Spielen, wird auch später ober­flächlich werden. Ein Kind, das sagt, ich will mein Spielzeug zerschmeißen,

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weil ich sehen will, wie es innen ausschaut, das wird ein Philosoph werden. Das ist die Art des Denkens in der Beherrschung des Lebens.

Ja, gewiß, man kann im Spiel sehr vieles tun. Man kann ein Kind, das Neigung hat zum langsamen Spielen, veranlassen, schneller zu spie­len. Man gibt ihm eben solche Spiele, wo einige Schnelligkeit not­wendig ist.

Es wird nach Chorsprechen gefragt.

Dr. Steiner: Man kann es schon machen. - Märchen können auch erzählt werden. Es gibt sehr viele Märchen, die man den Sechsjähri­gen nicht vorsetzen kann. Damit meine ich nicht das, was der Verein für Ethische Kultur ausmerzt, sondern weil es kompliziert ist. Die Kleinen würde ich noch nicht nacherzählen lassen. Wenn sie aber selbst etwas erzählen wollen, dann anhören. Das ist etwas, was man abwarten muß.

Es wird nach den Zeugnissen gefragt.

Dr. Steiner: Wir sprachen schon einmal darüber. Man müßte schon einzelnes hervorzuheben versuchen, aber nicht in pedantischer Weise. Man müßte versuchen, vielleicht doch am Anfang nur die Personalien zu haben, und dann für jedes Kind zu individualisieren. Daß man zum Beispiel schreibt: ,,E. liest gut, erzählt anregend", und so, daß man sich selbst den Text bildet. Einen Satz, der freigegeben ist und in dem man das unterstreicht, was sonst als einzelne Fächer gegeben ist. Vielleicht ist es notwendig, alle Fächer anzuführen, viel­leicht nicht. Ich würde das Zeugnis so drucken, daß es nur einen Kopf hat: ,,Freie Waldorfschule, Jahreszeugnis des Schülers . . .,, und in der Mitte Platz, daß man schreiben kann.

Jeder wird nach seinem Genius den Schüler charakterisieren. Wenn mehr Lehrer in Betracht kommen, muß jeder einschreiben. Aber es wäre wünschenswert, daß sich die einzelnen Aussagen nicht allzu stark widersprechen; wenn der eine sagt: ,,Er liest ausgezeichnet", der andere auch etwas sagt, was dem entspricht. Nicht wahr, es fängt einer an, den Schüler zu charakterisieren, derjenige, der sein Klassen­lehrer ist. Die anderen schließen sich an. Es kann nicht gut der Klassenlehrer schreiben: ,,Es ist ein ausgezeichneter Junge", und dann schreibt jemand anderes: ,,Das ist ein kleines Scheusal." Das muß man schon verschmelzen.

Es wird gefragt nach dem Zeugnis der Religionslehrer der Konfessionen.

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Dr. Steiner: Der muß auch seinen Senf dazu schreiben, der Reli­gionslehrer, das muß schon auch ebenso sein. Hier werden sich die Herren disziplinieren müssen. Sie müssen sich darauf einlassen, sonst können sie nichts schreiben.

X. Ist eine Kontrolle nötig, daß die Zeugnisse vorgezeigt werden?

Dr. Steiner: Ich würde einfach die Einführung machen, daß die Eltern, welche wünschen, daß ihre Kinder wieder aufgenommen wer-den sollen, ihren Namen unter das Zeugnis des vorigen Jahres setzen mögen. Wenn sie nicht mehr kommen, brauchen wir darüber keine Vorschrift zu machen. Wenn sie wiederkommen wollen, sollen die Eltern den Namen daruntersetzen. Es ist ja gegangen ohne Zwischen-zeugnis. Ist das verlangt worden von den Eltern, ein Zwischenzeug­nis?

Ja, das Kind meldet sich und bringt das Zeugnis, bekommt es am Ende des Jahres wieder, wenn es schon ein Heft ist. Gewiß kann es ein Heft sein, perforiert. Nehmen Sie an, ein Kind ist anfangs schlecht, man muß ihm Tadel hineinschreiben' und es wird dann später besser, dann hat es vielleicht ein Interesse daran, die vorher­gehenden Zeugnisse wegzunehmen: also perforiert.

Da kann man ja etwas, was nicht ganz lobend ist, schreiben. Sie können nicht diesen beiden Kindern das Zeugnis ausstellen, daß sie ausgezeichnet schreiben, aber man kann es schon so fassen, indem man, ohne zu zensieren, charakterisiert, wie weit das Kind im Schrei­ben ist. Bei dieser kleinen M., da würde ich schreiben: ,,Hat es noch nicht weiter gebracht, als zum mühsamen Nachschreiben einfacher Worte, wobei das Kind sehr häufig unnötige Striche an die Buch­staben anfügt." Die Kinder charakterisieren!

Auf eine weitere Frage:

Dr. Steiner: Dann ist eben das Kind sitzengeblieben. Ich würde nur unterscheiden solche, die mitkommen, und solche, bei denen man bestimmt: wenn das Kind wiederkommt, kommt es in die Hilfs­klasse. Dieses Sitzenbleibenlassen, das würde ich gar nicht einführen wollen. Es handelt sich bei beiden um Kinder, die bald nach Weih­nachten gekommen sind. Nicht wahr, jetzt, nachdem wir die Hilfs­klasse eingeführt haben, jetzt haben wir die Möglichkeit, Kinder, die ganz und gar nicht versprechen, mit dem Lehrziel zurechtzukom­men, in die Hilfsklasse zu geben, zum Beispiel Schwachsinnige. Für die anderen ist es nicht gut, dieses Sitzenbleiben einzuführen. Das hätte gemacht werden müssen, als das Kind eintrat. Es wäre doch

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schön, wenn wir das Prinzip des Sitzenbleibens nicht kultivieren würden. Ich sehe nicht ein, nach welchem Gesichtspunkt es gesche­hen soll. In Ihrer Klasse sind Kandidaten des Sitzenbleibens außer diesen zweien, die in die Hilfsklasse kommen können, höchstens drei, und die müßte man im Grunde genommen mitschleppen kön­nen, indem man sie nicht mordsmäßig lobt, auch nicht tadelt, aber sagt, es ist das Lehrziel nicht gänzlich erreicht. Wir wären verpflich­tet gewesen, das Kind in die richtige Klasse zu versetzen bei der Aufnahme. Jetzt ist es nicht schlau, wenn wir das Kind sitzen lassen. Es wäre wichtig, sich über die H. auszusprechen, wie man das später behandeln will. Man müßte sie in die 3. Klasse stecken; wenn es so ausgesprochen ist, dann müßte sie in die Klasse kommen, in die sie kommen kann. Aber im ganzen sollten wir nicht Kinder das ganze Jahr behalten, namentlich solche, die aus fremden Schulen kommen, und dann sitzenbleiben lassen. Nun sind sie aber schon darinnen. Es sind ja nicht so ausgesprochen schlechte Kinder da, die muß man in diesen einzelnen Fällen mitnehmen und später niemals wieder ein Kind hineinnehmen in eine Klasse, die zu hoch ist.

X.: In welche Klasse soll man Kinder von anderen Schulen einreihen? Soll man sich an das Lebensalter halten oder ausgleichen?

Dr. Steiner: Nicht wahr, in der Zukunft, wenn wir die Kinder vom sechsten Jahr bekommen und alle Klassen durch haben, dann kannja das nicht vorkommen. Die müssen wir versuchen, in die Klasse zu setzen, für die sie taugen, sowohl dem Lebensalter nach, als nach dem, was sie können.

Es wird gefragt, ob ein Kind in die Hilfsklasse abgegeben werden sollte.

Dr. Steiner: Ich glaube nicht, daß es möglich ist. Gerade in der l. Klasse sollten Sie nicht zu weit gehen im Absondern zur Hilfs­klasse. Ich habe es ja gesehen, das ist richtig, aber auf der anderen Seite ist ja noch nicht so furchtbar viel verloren, wenn ein Kind in der l. Klasse noch schlecht schreibt. Nicht wahr, alle Kinder dieser Art werden, wenn man es durchführen könnte, natürlich unendlich viel gewinnen, wenn man solche Übungen mit ihnen macht, wie ich sie dazumal inauguriert habe.

Wenn man sie so etwas machen läßt (Dr. Steiner zeigt eine Übung):

Reich die rechte Hand über den Kopf und ergreife dein linkes Ohr. -Oder wenn man solche Sachen zeichnen läßt, eine Spirale, die nach innen verläuft, eine Spirale, die rechts verläuft, und eine Spirale, die links verläuft, so gewinnen sie sehr viel. Solche Übungen, durch die sich die Kinder ins Denken hineinstellen müssen.

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Dann das Schreiben: es sind einige, die sehr schlecht schreiben, und es gibt eine ganze Menge, die erstklassig sind. Die Kinder werden nicht viel davon haben, wenn Sie sie anhalten, daß sie durch die Verbesserung der Schrift besser schreiben lernen. Finger geschickt machen! Dann lernen sie besser schreiben.

Ich glaube nicht, daß Sie es zuwege bringen, eine schlechte Schrift durch die Bemühungen nach dem besseren Schreiben besser zu machen. Sie müssen Bemühungen machen, daß die Kinder geschick­ter werden im Zeichnen von Formen. Wenn sie Klavier spielen würden, würden sie besser schreiben lernen. Es ist durchaus ein rich­tiges Apercu, daß dieses eigentliche schlechte Schreiben auftritt erst in der Zeit, wo die Spielsachen der Kinder so außerordentlich mate­rialistisch geworden sind. Es ist geradezu empörend, daß ein großer Teil der Spielsachen in Baukästen besteht. Der dürfte überhaupt kein Spielzeug sein, weil er atomistisch ist. Wenn das Kind eine einfache Schmiede hat, so muß das darauf ausgehen, daß das Kind sie hand­haben muß. Ich möchte für ein Kind ein Spielzeug haben, das sich bewegt. Das steht in der ,,Erziehung des Kindes". Die Spielzeuge heute sind furchtbar schlecht, und daher lernen die Kinder nicht mehr Fingergeschicklichkeit und können schlecht schreiben.

Es würde ja genügen, wenn man solche Kinder - man kann es in der Schule nicht machen -, die schlecht mit der Hand schreiben, anhal­ten würde, ganz einfache Formen mit den Füßen zu machen. Das wirkt auf die Hand zurück. Mit den Füßen kleine Kreise zeichnen. Halbkreise, Dreiecke. Daß sie zwischen eine Zehe und die nächste einen Bleistift kriegen und Kreise machen müssen. Man kann es nicht leicht machen. Das ist sehr interessant. Es eignet sich schwierig an, aber es ist sehr interessant zu machen. Tm Sande draußen würde ich es als ganz gut betrachten, mit den Zehen mit einem Stock Figuren in den Sand hinein machen zu lassen, das wirkt auf die Hand ungeheuer stark zurück. Oder ein Kind etwas aufheben lassen mit dem Fuße; ein Taschentuch mit dem Fuß aufheben statt mit der Hand, das wirkt sehr stark. Ich will nicht sagen, daß sie essen müssen mit den Füßen. Aber, nicht wahr, man darf es nicht systematisch machen. Man muß versuchen, nicht direkt auf die Schriftverbesserung zu sehen, son­dern sie geschickt zu machen im Zeichnen von Kunstformen. Symmetrie herauskriegen in einer komplizierten Form. (Zu Herrn Baumann:) Taktschlagen, das ist eine gute Sache für die Ausbildung der Verstandesformen und logischen Formen.

X. fragt wegen linkshändigen Schreibens.

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Dr. Steiner: Ja, im ganzen wird man finden, daß diejenigen Kinder, die spirituelle Anlagen haben, unbehindert schreiben können, wie sie wollen, links und rechts. Aber Kinder, die materialistisch sind, die werden vom Schreiben mit beiden Händen idiotisch. Einen gewissen Grund hat es schon, daß die Rechtshändigkeit auftritt. Es ist so, daß Kinder in diesem materialistischen Zeitalter durch die Linkshändig­keit idiotisch werden, wenn beide Hände abwechselnd gebraucht werden. Das ist unter Umständen eine nicht unbedenkliche Sache bei all den Dingen, die Verstand in sich haben; beim Zeichnen gar nicht. Zeichnen kann man sie ganz gut lassen mit beiden Händen.

Es wird gefragt, ob man auch Märchen erzäh]en kann, in denen blutige Dinge vorkommen.

Dr. Steiner: Wenn das Märchen so wäre, daß die Absicht vorliegt, daß das Blut als Blut wirkt, dann wäre es unkünstlerisch. Bei Mär­chen kann nur entscheiden, daß es ein geschmackvolles Märchen ist. Da kann es nicht schaden, wenn auch Blut darin ist. Ich habe einer Mutter gesagt, wenn man es absolut vermeiden will, den Kindern von Blut zu reden im Märchen, so verzärtelt man sie so, daß sie später bei einem Blutstropfen in Ohnmacht fallen. Das ist eine Schädlichkeit fürs Leben. Man soll die Kinder nicht untüchtig machen fürs Leben dadurch, daß man einen solchen Grundsatz aufstellt.

Es wird gefragt wegen der L. G. in der 3. Klasse, die nervös ist und stottert.

Dr. Steiner: Abhelfen würde es nur, wenn Sie versuchen würden, Übungen zu machen, ich weiß nicht, ob unter unseren Übungssätzen solche sind, mit K und P; die müßte man sie machen und dabei gehen lassen, und dann könnte sie auch diese Sätze sprechen. Wenn sie in der Eurythmie auch K und P machen würde, wäre es auch gut. Aber solche Dinge sind nicht seriös zu nehmen, gewöhnlich verlieren sie sich später.

Wegen der Schülerin E. M. in der 5. Klasse, die stottert.

Dr. Steiner: Ja, haben Sie sie mir damals vorgeführt? Die müßte ich doch sehen. Man muß doch wissen, woran es liegt, ob es ein organi­scher Fehler ist oder seelisch. Es kann beides sein. Wenn es ein see­lischer Fehler ist, kann man bestimmt formulierte Sätze machen, wodurch sie sich trainieren müßte. Wenn es ein organischer Fehler ist, dann müßte man etwas anderes machen. Die müßte ich morgen anschauen.

Eine Frage wegen A. W. in der 5. Klasse. Er schreibt Titel zu seinem Namen und unterstreicht das ich.

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Dr. Steiner: Das ist ein Verbrechertypus, der kann ein Schriftfäl­scher werden. Ausgesprochene Anlage zum Verbrechertypus. Er kann viel besser schreiben. Ein ausgesprochener Verbrechertypus. Bei ihm müßte man eine Art seelischen Korrektionsunterricht einrichten. Den müßte man zwingen, drei solche - (?) - hintereinander stramm zu machen. Ich will ihn morgen anschauen. Der Vater ist infantil.

Es wird gefragt nach einer Schlußfeier.

Dr. Steiner: Ich würde die Jahresschlußfeier so gestalten, wenn ich eventuell da wäre, daß ich reden würde, daß dann Herr Molt redet, daß die Lehrer reden, daß das ganze eine Symphonie gibt von dem, was man den Schülern gerne sagen würde. Nicht Schülerproduktio­nen machen, das kann in der letzten Monatsfeier gemacht werden. Da würde man eine Wegleitung haben, die rückblickt auf das Schul­jahr und vorblickt auf die Ferien, die Hoffnung erweckt und vor-blickt auf das nächste Schuljahr und so weiter. Das meine ich.

Eine Dame hatte die Absicht, einen Film über die Waldorfschule und über die Dreigliederung herzustellen.

Dr. Steiner: Ich habe keine rechte Vorstellung von dem, was gemacht werden soll in dieser Richtung. Wenn jemand zum Beispiel das Haus verfilmen will, das kann nichts schaden; das ist nichts Schlimmes. Wenn sie durch einen internationalen Film auch beiträgt zum Bekanntwerden der Waldorfschule, so hat man in der Zeit des öffentlichen Auftretens nichts dagegen, da sind wir ja nicht verant­wortlich. Wir sind verantwortlich, daß die Waldorfschule ordentlich ist. Wir sind nicht verantwortlich für das, was sie photographiert, geradesowenig als wie Sie verantwortlich sind, wenn Sie auf der Straße gehen und jemand nimmt Sie auf. Wir können ruhig sagen, wir werden tun, was wir können. Wir können nichts tun. Schließlich, wenn man Eurythmiestunden photographieren kann, ich habe sogar photographieren lassen in Dornach, um es zu reproduzieren; ich habe einzelne Momente gewählt, es ist nicht gelungen. Das ist eine technische Frage. Ich glaube nicht, daß viel herauskommt. Sie will die Dreigliederung im Film bringen - ich dachte mir, warum sollte nicht auch eine gute Sache gegenüber den schlechten Sachen verfilmt werden. Darauf haben wir keinen Einfluß, wenn sie ein Stück erfin­det, wo zwei Leute sprechen über die Waldorfschule. In die Klassen braucht man sie ja nicht hineinzulassen. Sie kann nicht mehr bean­spruchen, als, wenn einmal eine öffentliche Kinder-Eurythmievorstellung

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ist, dann kann sie es photographieren lassen. Da sie für Eurythmie Reklame macht, so ist das ihr Beitrag zu den Arbeiten, die die Mitglieder machen. Es ist ziemlich sinnlos, wenn sie die Klas­sen verfilmen will; sie kann jede beliebige Schule verfilmen, es wird nicht besonders anders ausschauen. Sie könnte zum Beispiel das furchtbare Geschrei in der 4. Klasse grammophonisch aufnehmen, das erscheint dann auf der Orgel.

Ich habe kein Recht, wenn irgendwo etwas getan werden kann zum Bekanntwerden der Dreigliederung und der Schule, von vorneherein aus irgendeiner falschen Bescheidenheit dieses zu unterbinden. Es wäre schön, wenn man alles, was geschmacklos ist, unterbinden könnte. Aus einer falschen Vornehmheit heraus würde ich mir nicht getrauen, einen Weg zu verhindern. Wir haben alles Interesse daran, die Schule so vollkommen als möglich zu machen, aber wenn sie jemand verfilmt, haben wir kein Interesse daran, so etwas zu inkri­minieren. - Ich kann sagen, wenn sie sich hingestellt hätte und den Vortrag verfilmt hätte, was könnte ich dagegen machen?

Eine Frage wegen der Reisen nach Dornach zum Ersten anthroposophischen Kochschulkurs am Goetheanum (26. September bis 16. Oktober>.

Dr. Steiner: Sehen Sie, die Dinge sind nicht so leicht. Wir wollen doch im Herbst diesen Kurs machen, wo die Verschiedenen vortra­gen sollen. Es sind auch Stein und Stockmeyer eingeladen. Da wäre es natürlich wünschenswert, wenn viele hinkommen könnten. Nun ist ja das Unterkommen in Dornach ebenso schwer als in Stuttgart. Man wird nicht leicht eingeladen. Die Valutageschichte. Nun ist es möglich, daß wir, wenn die Währungsfrage gelöst werden kann, immerhin eine Anzahl von Leuten unterbringen können. Das strebe ich an, daß jeder, der von der Entente kommt, zwei andere mit zu unterhalten hat, die aus den Mittelländern kommen. Aber nun, es wird nicht familiär (?) zu sein brauchen. Man könnte esso machen, wie man es beim Ärztekurs gemacht hat, das läßt sich schon machen. Aber man darf nicht vergessen, reiche Leute haben wir auch nicht in Dornach und in Basel.

X.: Es gibt auch Paßschwierigkeiten.

Dr. Steiner: Im allgemeinen, wenn die Leute zu ihrer Erholung nach der Schweiz kommen wollen, dann geht es. Sie müssen nur nicht zu einem anderen Zweck nach der Schweiz gehen wollen; man muß nicht in die Schweiz gehen wollen, um etwas dort zu verdienen. Wie wir behandelt werden, das ist ganz horribel. Sie geben jetzt Aufent­haltsbewilligungen,

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daß man Steuersätze bezahlt. Unter dem geben sie es nicht. Wir kriegen es jetzt schon schlimm. Das sind die schwe­ren Sorgen, die man hat mit dem Dornacher Bau. Wenn nicht eine andere Stimmung eintritt durch den Bau, wird es so, daß er gar nicht von Auswärtigen besucht werden kann.

Über das Reproduzieren der Malereien in der Kuppel des Goetheanums.

Dr. Steiner: Was da in der Kuppel aus den Farben heraus gemalt ist, das muß aus den Farben heraus gemalt verstanden werden. Versucht man, das durch Photographie zu reproduzieren, so könnte höchstens etwas dabei herauskommen, wenn man es ebenso groß macht, als es da auf der Kuppel ist. Es handelt sich nicht darum, irgend etwas bloß zu reproduzieren. Je weniger entsprechend die Bilder sind denen von der Kuppel, desto besser ist es. Das Schwarz-Weiß weist dann nur daraufhin; das schreit nach der Farbe. Dieses unkünstierische Repro­duzieren, da würde ich mich nie damit einverstanden erklären. Das ist alles Surrogat. Ich möchte keine Farbenphotographie aus der Kuppelmalerei haben. Die Reproduktion soll nicht für sich etwas sein. Ich möchte dies so haben, daß dasjenige, worauf es nicht ankommt, gegeben wird.

Es ist geradeso mit den Glasfenstern. Wenn Sie versuchen würden, durch Reproduktion etwas zu erreichen, würde ich mich dagegen auflehnen. Diese Dinge muß man nicht versuchen, möglichst treu wiederzugeben. Es ist doch auch nicht wünschenswert, daß man ein musikalisches Stück durch irgendeine täuschend nachahmende phonographische Platte wiedergibt. Ich will, ich möchte das nicht. Einen modernen technischen Menschen möchte ich nicht haben. So wie diese Bilder in der Reproduktion erscheinen, so geben sie nie das wieder; es ist nur das Novellistische daran, gerade das, worauf es nicht ankommt. Man hat das Gefühl, da muß diese oder jene Farbe sein. Mir kommt das gerade so vor - Sie finden das in dem Büchel­chen ,,Die Erziehung des Kindes" -, man soll nicht dem Kinde schön gemachte Puppen geben, sondern solche aus einem Taschen­tuch.

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Konferenz vom Mittwoch 23. Juni 1920, 14.45-1 7 Uhr

Es wird gefragt, ob man eine öffentliche Unfallstation in der Schule einrich­ten soll, weil man dann die Verbandstoffe und so weiter billiger bekomme.

Dr. Steiner: Tch glaube, daß wir die Sachen selbst en gros kaufen müssen. Dies wäre zweifellos wünschenswert, daß ein Raum da wäre, wo man ein Kind hinbringen kann. Dagegen ist es nicht sehr wünschenswert, daß diese ganze Sache mit Einmischung von außen besorgt wird. Es sollte darauf ein besonderer Wert gelegt werden. Deshalb ist es gut, daß Dr. Kolisko da ist; es sollte schon vom Lehrerkollegium besorgt werden. Es kann doch nicht jeden Tag ein paarmal vorkommen. Gewiß, kleine Sachen werden vorkommen, wenn drei­hundert Kinder da sind; Fälle, wo man einen Verbandsraum braucht, in dem man sterilisieren und desinfizieren kann. Es ist doch so, daß vielleicht jede Woche etwas vorkommt. Es würde genügen, wenn ein Raum da wäre. Mir lag viel daran, daß ein Arzt da ist unter dem Lehrerkollegium. Je mehr wir uns abschließen von der Außenwelt, desto besser ist es. Angestrebt muß werden, daß man billige Ver­bandstoffe bekommt.

Nicht wahr, ich habe mir gedacht, daß manche Fragen gestellt wer­den könnten. Ich habe schon erwähnt, im ganzen sind wirkliche Fortschritte gemacht worden. Im ersten Jahr war offenbar nach meinen Apercus ein Kampf mit dem Lehrstoff vorhanden. Fort­schritte sind gemacht worden auf allen Gebieten. Es handelt sich nur immer darum, was fortschreitet, das wird in den nächsten Jahren mehr den Ideen entsprechen, die mit der Waldorfschule verbunden sind. Nun, Fortschritte liegen, glaube ich, sowohl darin, daß immer­hin die Schülerschaft etwas aufgenommen hat, als darin, daß die Lehrer sich nach und nach hineingefunden haben in die Behandlung der Schüler. Alles ist fortgeschritten, auch die Lausbübereien. Die Lausbuben sind schon starke Lausbuben, das schadet aber nichts. Das ist eine Nebenwirkung. Manche sind sogar gesitteter, kultivier­ter, intellektueller geworden. Das ist ganz gut, das schadet nichts.

Was ich meine, das ist das: wir müssen in der Zukunft immer noch mehr Wert legen auf Psychologie. In Psychologie wirken! Das ist nicht so abstrakt, theoretisch aufzufassen, wie es scheinen könnte. Sehen Sie, es schaut so aus, als ob man die Kinder analysieren wollte. Wenn man sich gewöhnt, sich recht zu bestreben, die Kinder kennen­zulernen psychologisch, dann bekommt man allmählich ein anderes

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Verhältnis zu ihnen, ganz rein durch das Ergebnis der Sache selbst. Dieses Kennenlernen bleibt nicht bloß ein Erkennen der Kinder; es wird zu einem anderen Verhältnis zu den Kindern, wenn man sich bemüht, sie kennenzulernen. Da ist natürlich noch manches nach­zuholen im Herstellen eines richtigen Erkenntnisverhältnisses zu den Kindern. Man müßte sich klar sein darüber, daß, wo so vieles so sehr auf Persönlichem beruht wie hier, daß da in intensivster Weise ein analysierendes Erkennenlernen der Kinder notwendig ist. Dann wer­den gewisse Dinge, die vorgekommen sind, in der Zukunft nicht vorkommen.

Es ist schwer, den einzelnen Fall zu charakterisieren, das ist auch nicht nötig. In Psychologie wirken! Wenn Sie nachdenken darüber, werden Sie finden, was ich darunter verstehe. Nicht so sehr die Idee haben, die Kinder müssen dies oder jenes erreichen, sondern sich fragen, was können die Kinder nach ihrer psychologischen Beschaf­fenheit erreichen? Ganz aus den Kindern heraus arbeiten! Das kann man im einzelnen sich nur angewöhnen, wenn man ein richtig reales Bestreben hat, das Kind in seinen verschiedenen Varianten kennen­zulernen. Jedes Kind ist interessant.

Fräulein Lang hat mir einen weiblichen Lausbuben B. N. vorgeführt. Sie hat furchtbar geflennt. Heute hat sie wieder geschwänzt gehabt. Aber es ist interessant, man muß sie studieren. Ich kann nicht ver­sprechen, daß sie ihr Wort hält: es wird vielleicht Jahre dauern. Das kann ich mir denken, daß sie bei den Seiltänzern war, aber das erhöht das Interesse an dem Kinde, nicht wahr?

Wenn man Forderungen aufstellt, wie ein Kind sein soll, kann man das leicht definieren. Wie die Kinder wirklich sind, das psychologisch zu erkennen, muß man sich mit schwerem Studium erringen. Dies ist eines, wovon ich meine, daß wir es nach dem ersten Jahre als eine Hauptsache betrachten: Verstehenlernen der Kinder. Sich gar nichts vornehmen, sie müssen so oder so sein.

Dann ist da etwas, was mir fast in allen Klassen stark vor die Seele getreten ist. Wir sollten recht sehr uns bestreben - was sehr belebend auf alle Kräfte des Kindes wirkt -, Anthroposophie organisch in den Unterricht hineinzubringen. So auf die Art, wie Sie es gemacht haben, Fräulein Dr. von Heydebrand, in der Anthropologie, und Sie, Dr. Stein, in der Geschichte. Bei manchem ist es von selbst vorhanden. Die Eurythmie kann man nicht ohne Anthroposophie machen. Man muß sich bemühen, möglichst ohne daß man theore­tisch Anthroposophie lehrt, sie so hineinzubringen, daß sie eben darinnensteckt.

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Ja, ich denke mir, viel Anthroposophie ist darinnen, wenn Sie ver­suchen - das ist ein Ideal -, dasjenige, was man Rhythmus nennt, in die Arbeit hineinzubringen; wenn Sie versuchen, den musikalisch­gesanglich-eurythmischen Unterricht mit dem Handfertigkeitsunter­richt in Zusammenhang zu bringen. Es wirkt auf die Kinder außer­ordentlich gut. Ich empfehle Ihnen dazu ,,Arbeit und Rhythmus" von Karl Bücher. Dies Buch sollte da sein. Alles Arbeiten ging aus vom musikalischen Arbeiten, nicht wahr, beim Dreschen, Schmie­den, Pflastern. Heute hören Sie es fast nicht mehr. Gingen Sie aber früher auf das Land hinaus und hörten dreschen, der Dreschflegel wurde im Rhythmus geführt. Ich meine, das können wir wiederum hineinkriegen. Ich meine das, wenn ich sage, daß wiederum Geist in die Sache hineinkomme. Das Prinzip finden Sie, wenn auch recht gelehrt und pedantisch, in ,,Arbeit und Rhythmus".

Dann natürlich habe ich ein bißchen den Gedanken, wie wird es werden mit dem Schulende, mit der Schulschlußfeier? Nicht wahr, das müßte doch mit einer gewissen Festlichkeit begangen werden. Es ist heute der 23., ich werde nicht kommen können; es wird nicht gehen, obwohl ich gerne anwesend wäre. Die Ferien müssen zur rechten Zeit beginnen. Ich finde, daß die Lehrer jetzt gerade genug haben, sonst brechen sie zusammen. Ich wäre natürlich furchtbar gerne bei diesem Schulschluß da. Sonst müßte es in der Form sein, daß jeder Lehrer eine Ansprache hält. Vielleicht ist Herr Baumann so gut und besorgt etwas Musikalisches. Dichten Sie doch etwas, was den Schulschluß eurythmisch darstellt. Nicht eine gewöhnliche Eurythmievorführung, sondern etwas, was den Schulschluß euryth­misch darstellt. Es wäre doch wunderschön, wenn so etwas gemacht würde. Es beginnt eurythmisch; etwas, das musikalisch begleitet ist. Dann geht es über ins bloß Musikalische, und dann schließt es euryth­misch. Das meine ich nur par exemple, daß es mehr eine Art zum Schulschluß komponierte Sache wäre. Es kann ja Fräulein Röhrle mit zwei von den größten Mädchen - es können auch drei sein -etwas machen. Dann müßte irgend etwas - das ist etwas, was mir furchtbar aufliegen würde -, es müßte natürlich eine Art von Rede sein, die wie eine Lebensrede ist, zum Entlassen und Wiederkom­men. So irgend etwas, was auf den Tag und das Entlassen und Wie­derkommen Bezug hat.

Auf einer Wandtafel hatte gestanden: ,,Der Himmel ist blau, das Wetter ist schön, Herr Lehrer, wir wollen spazieren gehn." - Dr. Steiner war sehr ärger­lich darüber.

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Dr. Steiner: Nun ja, haben Sie es noch nicht gesehen? Nicht wahr, Sie könnten ja im allgemeinen manchmal, wenn es allzu heiß ist, die Kinder weggehen lassen; früher schließen meine ich nicht, daß es richtig wäre. Ich bin nicht dafür, daß man die Kinder aus der Hand gibt, solange man sie in der Hand haben kann. Man gibt die Kinder früher aus der Hand, als man es eigentlich sollte. Man kann es natür­lich den Kindern erleichtern. Höchstens, wenn es allzuwarm ist. Fast ist es besser, man behält sie und führt sie irgendwohin und ist dabei. Nicht wahr, es ist doch besser, wenn Sie die Kinder im Kindergarten haben. Je länger man sie hat, desto besser. Sie können so doch immer die Kinder aufnehmen, die noch nicht in die Schule kommen. Wir nehmen die Kinder bis jetzt im wesentlichen so auf, wie man sie in die Volksschule hineinkriegt. Wenn das Nachahmungszeitalter beendet ist, können wir anfangen. Es wäre sehr schön, wenn man einiges in die ersten sieben Jahre der kindlichen Erziehung hinein­bringen könnte. Schließlich müßten wir schon nach unten hin etwas haben; oben ist es weit weniger wichtig.

Sie wollen ja auch sonst Schulbaracken aufführen. Ich möchte sagen, die genauen Besprechungen können am Schulende gemacht werden. Im wesentlichen ist es gegeben. Aber es wird eine Besprechung not­wendig sein. Es werden Dinge notwendig sein, die nicht geordnet werden können, wenn man sie erst am Schulanfang besprechen würde. Die Gesangsklasse muß eine Erweiterung erfahren, es muß ein Gesangslehrer kommen. Das ist notwendig. In manch anderer Hin­sicht wird es notwendig sein, daß zu verhandeln sein wird, falls wir eine nächste Klasse darauf setzen können. Dann ist ja auch das zu überlegen, schwer zu überlegen, wer die 1. Klasse bekommt. Daß Ihre Tätigkeit, Stockmeyer und Stein, aulhört, ist nicht anzuneh­men. Das muß zeitig genug besprochen werden. Aus diesen Gründen wäre es notwendig, daß ich am Schulschluß da wäre, außer es wären dringende Verhinderungen. Ich brauche ja vielleicht nur vier oder sechs Tage da zu sein. Heute ist es verfrüht.

Wie behandeln wir diese Kinder, die zu spät kommen? Ich wurde heute aufgehalten, als ich in die Schule ging. Da gingen drei Schüle­rinnen. Sie gingen einfach, sie waren nicht betrübt, daß sie zu spät gingen, sie gingen sehr gelassen. Die Persönlichkeit, die mit mir ging, sagte: ,,Denen wird es recht sein, wenn sie zu spät kommen." Nun, wie verhalten wir uns zu den Kindern, die zu spät kommen?

X.: Sie eine Viertelstunde früher kommen lassen!

Dr. Steiner: Da setzt man sich der Gefahr aus, daß sie nicht kommen.

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Es muß unter allen Umständen vermieden werden, irgendeine Strafe zu geben, wobei man nachgeben muß. Man darf in einer disziplinari­schen Maßregel absolut nicht nachzugeben brauchen. Wenn man sagt, ein Kind muß früher kommen, so muß es eingehalten werden, daß man ihm befiehlt, früher zu kommen. Es waren die in der 8. oder 7. Klasse. Da ist man unten durch, sobald man durch die Finger schauen muß. Dann ist das eine schiefe Ebene, auf der man immer weiter hinunterrollt. Man darf bei einer Strafe nicht nachgeben, lie­ber unterlasse man sie. Das kann unter Umständen auch zum Gegen­teil führen. Dann entsteht ein Verein unter den Kindern, sie machen ab, heute bin ich zu spät gekommen, morgen kommst du. Ich weiß nicht, ob das geht. Es würde uns ein bißchen ins Lächerliche ziehen. Es ist natürlich Bummelei. Früher kommen lassen ist nicht so gut, lieber eine Viertelstunde länger da lassen. Das ist etwas, was den Kindern unsympathisch ist.

Haben Sie ausprobiert, ob dies wirkt? Ein Kind kommt zehn Minu­ten zu spät; man läßt es dreißig Minuten stehen. Wenn sie dreimal so lange stehen müssen, dann überlegen sie sich doch jede Minute. Sie recht unbequem stehen lassen! Ihr Junge, der reibt sich den Hinter­kopf an der Wand, er amüsiert sich mit allerlei Zeug. Ich glaube, man kann mit solchen Dingen, wenn irgend die Strafe mit dem Verbre­chen zusammenhängt, gut wirken, wenn man sie stehen läßt an irgendeiner besonders unbequemen Stelle. Die Großen werden sich dann hüten, daß sie zu spät kommen. Man könnte eine Anzahl von kleinen Stockerln kaufen, dann werden sie auch nicht zu sechst zu spät kommen. Unter Umständen bekommen sie einen kleinen Krampf in den Beinen. Die Stockerln, die kann man auch im Hand­fertigkeitsunterricht machen.

X.: Was soll geschehen, wenn Lehrer zu spät kommen?

Dr. Steiner: Dann wird man die Schüler veranlassen, daß sie die Leh­rer auf die Stockerln stellen. - Wichtig ist es auch, daß man in sol­chen Dingen differenziert. Ich würde es im Winter weniger streng ahnden als im Sommer. Im Augenblick, wo die Kinder merken, daß in den disziplinären Maßregeln Vernunft ist, sehen sie es ein. Im Winter könnte man es weniger intensiv bestrafen und sie nur zwei­mal so lange stehen lassen. Sie stören; es sind solche, die auch selbst unaufmerksam sind. Die Fleißigen werden kaum zu spät kommen.

Es wird eine Frage gestellt wegen der Fenster.

Dr. Steiner: Man bekommt selbst Lust, wenn man da vorbeigeht,

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hineinzusteigen. Man müßte etwas wie Gitter anbringen, daß sie nicht hineinkommen.

Über F. R. in der 4. Klasse.

Dr. Steiner: Es ist ein sehr schwieriger Fall: wenn er aus der Schule weg geht, ist es ein Kasus der Schule. Nicht gerade wünschenswert. Auf der anderen Seite darf das Kind nicht darunter leiden. Die Schule sollte auch nicht das gefundene Fressen werden derjenigen, zu denen er kommen wird. Da werden solche Gymnasiallehrer sein, die werden es mit großer Befriedigung empfinden, wenn jemand kommt, der sagt, er hat es hier nicht ausgehalten. Ich muß morgen noch etwas sehen, was man da tut. Sehr schwer lösbar.

Es ist die Frage diese, man könnte es sonst mit einer Parallelklasse probieren. Hier kommt aber kaum etwas anderes in Betracht, als daß er in die vorhergehende oder nachfolgende Klasse kommt. In die vorhergehende Klasse möchte ich ihn auf keinen Fall tun. Dann würde er in Ihre Klasse kommen, in die höhere Klasse. Ich glaube nicht, daß es eine andere Lösung gibt. Das macht viel Aufsehen unter den Kindern. Man wird es tun müssen, so daß es als eine Ausnahme erscheint. Da wird man erst nachdenken müssen, wie man es tut. Es ist eine zuwidere Geschichte, wenn man bekanntgeben soll, daß es aus persönlichen Gründen ist. Natürlich ist die Gefahr diese, daß sie sagen: Na, jetzt hat er es erreicht; das können wir auch anstreben. -Aber was soll man machen mit solch einem Jungen, wenn man ihn nicht wegschicken will? Vielleicht komme ich morgen zu der Klasse. Das, was schlimm ist, ist nicht er selbst. Es ist eine vererbte Sache, und das wirkt fortwährend auf ihn. Es liegt in der Familie. Es wäre schon wünschenswert, daß man den Jungen über eine Klippe hinweg-führt. Vielleicht wird es gerade ein tüchtiger Mensch. Er ist ganz begeistert für Eurythmie und Gesang, er will den Klassenunterricht nicht haben. Er findet ihn ganz abscheulich. Das sind andere Dinge, die man zu wichtig nimmt; er hat fünf Mark genommen. Das ist ein Spaß. Er ist sehr zugänglich, sehr zugänglich. Der Junge braucht eine gewisse objektive Behandlung, weil er zu Hause recht subjektiv behandelt wird. Das haben wir alle auch getan. Der Vater ist von der Art jenes Lehrers, der, wenn der Schüler sich aufgeregt benimmt, sagt: ,,Ich werde dich lehren, was Gelassenheit ist; ich werde dir beibringen, was Gelassenheit ist", so ist der Vater.

Ihn in der 4. Klasse zu lassen, das geht nicht. Wir setzen uns der Gefahr aus, daß er ins Wasser springt. Das wäre natürlich nicht ange­nehm. Ich erinnere mich noch mit rechtem Entsetzen - ich war auf

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einer Schule mit einer Maschinenbauschule. Dort war der Sohn des Schuldieners, der war ehrgeizig. Ein Lehrer, Professor, derjähzornig war, der nahm den Laffen und haute ihm eine herunter. Der verließ die Klasse; er hat nämlich gewußt durch seinen Vater, wo Zyankali ist, hat es genommen und sich vergiftet. Seit der Zeit wurden die Lehrer immer rot, wenn jemand herausging während der Stunden.

(Zu Fräulein Dr. von Heydebrand:) Ich wollte es nur jetzt besprechen, weil er zu Ihnen in die 5. Klasse hinkommt. Er gehört nicht in die 4. Das ist ein Fehler, der gemacht worden ist.

In Psychologie wirken! Die Kindergemüter müssen studiert werden!

X. fragt wegen Spitzenklöppeln und Nadelarbeit.

Dr. Steiner: Das ist eine furchtbar zeitraubende Arbeit. Immer unter den entsetzlichsten äußeren Verhältnissen wurden diese Dinge gemacht. Es ist so, daß die Leute alle krank geworden sind. Es sind Parias dazu verwendet worden. Brüsseler Spitzenarbeit ist eine schreckliche Sache. Ich würde das nicht einführen.

Die Arbeiten, die Sie jetzt machen, sind sehr schön. Beim Handarbei­ten müssen wir ein bißchen recht exakt sein. Ich habe heute ein Mädchen bemerkt, das ohne Fingerhut nähte.

X.: Soll am Peter- und Paulstag schulfrei sein?

Dr. Steiner: Man kann freigeben. ,,Peter und Paul ist immer sehr faul."

Zu dieser Konferenz finden sich noch folgende kurze Notizen:

Schlechte Zähne, Ursache im Seelisch-Geistigen. Zusammenhang zwischen Eurythmie und Zahnbildung.

Handarbeit: Stricken entwickelt gute Zähne. Die Kinder werden geschickt durch Stricken.

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Ko ferenz vom Samstag 24. Juli 1920, 18 Uhr

Dr. Steiner: Ich darf Herrn Molt das Wort erteilen.

Molt dankt den Lehrern für ihre Arbeit im verflossenen ersten Schuljahr und spricht insbesondere den Dank aus an Herrn Dr. Steiner. Er erinnert an dessen Worte über Kraft, Mut, Licht beim Kursbeginn 1919.

Dr. Steiner: Meine lieben Freunde, auch ich muß gedenken der Stunde, in der wir unsere Kursbemühungen begonnen haben im Herbst des vorigen Jahres, und es wird wohl so sein. daß in unseren Seelen die dazumal angeregten Tmpulse' die versucht worden sind aus dem geistigen Leben herab in unsere eigenen Geister zu leiten, nachgewirkt haben. Ich möchte gerade an diesen Augenblick erin­nern und von allen über unserer Sache waltenden guten Geistern erflehen: Möge in unsere Herzen hinein der Segen und die Kraft für unsere Arbeit herabfließen.

Ich möchte an dasjenige noch einmal anknüpfen, das ich schon am Morgen mit einigen Worten berührt habe. Tch sagte zu Ihnen, meine lieben Freunde, daß es besonders zu schätzen ist, daß Sie in einem bedeutungsvollen Augenblicke der europäischen Menschheitsent­wickel ung den Glauben gehabt haben' Sie müßten Ihre Tätigkeit und Ihre ganze Persönlichkeit einsetzen für dasjenige, was mit der Wal­dorfschule gewollt werden soll. Bedenken wir doch das Folgende:

ich habe auf das, woraufjetzt hingedeutet worden ist, in einem Kurs, den ich in Basel über Pädagogik hielt, gleich in der Einleitung hin­gewiesen. Tch habe gesagt: Pädagogen, die Erziehungs- und Unter­richtsgrundsätze hervorragender Art aufgestellt haben, gibt es sehi viele, und es kann nicht die Aufgabe derjenigen pädagogischen Kunst sein, an die wir uns wenden als Anthroposophen, etwa gegenüber demjenigen, was durch das Erarbeiten von Pestalozzi, Fröbel und durch alles dasjenige, was durch Diesterweg und Dittes herauf­gekommen ist, zu ersetzen. Im Prinzip ausgesprochen: die abstrak­ten Grundsätze, die von großen Pädagogen des 19. Jahrhunderts her­überkamen, werden sich vor einer didaktisch-pädagogischen Beur­teilung im Grunde recht gut ausnehmen, und man setzt sich einer gerechten Kritik aus, wenn man von einer Erneuerung der pädagogi­schen Wissenschaft sprechen will.

Aber in Wirklichkeit handelt es sich um etwas ganz anderes. Wer heute Pestalozzi liest, wer Fröbels Schriften liest, wer Herbart liest und außerdem bis zu Dittes herauf, der wird finden, daß viel Schönes

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in pädagogischer Beziehung ausgesprochen worden ist. Aber wer da ins innere Getriebe des Unterrichts- und des Erziehungswesens hinein­schaut, selbst wenn man in das innere Getriebe der Pestalozzischen Schule selbst hineinschaut, dann zeigt sich, daß ein Geist darin nicht waltet, der diesen ausgesprochenen Grundsätzen, zu denen man sich durchaus in abstrakter Beziehung bekennen kann, entspricht. Man braucht nur zu verfolgen, was Fröbel an herber Kritik gegenüber Pestalozzischen Anstalten geschrieben hat. Und gerade wenn man die Entwickelung des Erziehungs- und Unterrichtswesens im 19. Jahrhundert verfolgt, wird man sehen, daß, trotzdem die Leute vielfach richtig denken, das Richtige nicht bewirkt, nicht getan wird. Woher kommt das? Darauf gibt es nur eine Antwort. Es ist die, daß das 19. Jahrhundert - gleichgültig auf welchen Kulturzweig man die Aufmerksamkeit richtet, es ist überall dasselbe -, daß das ganze Jahrhundert stand unter dem Einfluß der materialistischen Zeit­strömung. Und wenn wir heute aus unserer anthroposophischen Grundüberzeugung heraus irgendeinen Erziehungsgrundsatz formu­lieren, so kann er wörtlich gleichklingen dem, was Pädagogen des 19. Jahrhunderts gesagt haben - wir müssen es anders meinen. Wir sprechen aus dem Geiste heraus, diese haben aus dem sie überwäl­tigenden Impuls der materialistischen Weltanschauung gesprochen. Wenn die Dinge noch so idealistisch klingen, so sind sie dennoch aus dem Geiste des Materialismus gedacht. Es handelt sich nicht darum, in abstrakter Beziehung etwas Neues zu finden, sondern darum, einen neuen Geist zu finden.

Sehen Sie, auch Ihnen möchte ich heute etwas vorbringen, was ich in der letzten Zeit an einzelnen Orten schon wiederholt gesagt habe, was gerade in unserer Zeit berücksichtigt werden muß. Man hat heute die Meinung, wenn man von Materialismus spricht, daß der Materialismus eine falsche Weltanschauung ist, daß er abzulehnen ist, weil er nicht richtig ist. So einfach verhält sich die Sache nicht. Der Mensch ist ein seelisch-geistiges Wesen, er ist ein leiblich-physi­sches Wesen. Aber das Leiblich-Physische ist ein getreues Abbild des Seelisch-Geistigen, insofern wir leben zwischen Geburt und Tod. Und wenn die Menschen so verphilistert sind in den materialistischen Gedanken, wie das geworden ist im Laufe des 19. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart hinein, dann wird immer mehr das Leiblich-Physische ein Abdruck dieses Seelisch-Geistigen, das selbst in den materialistischen Impulsen lebt. Dann ist es nicht etwas Falsches, wenn man sagt, das Gehirn denkt, dann wird es richtig. Es werden durch das Fest-darin-Stecken im Materialismus nicht bloß Menschen

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erzeugt, die schlecht denken über das Leibliche, Seelische und Gei­stige, sondern es werden materiell denkende und materiell fühlende Menschen erzeugt. Das heißt, der Materialismus bewirkt, daß der Mensch ein Denkautomat wird, daß der Mensch ein Wesen wird, das als physisches Wesen denkt, fühlt und will. Und es ist nicht bloß die Aufgabe der Anthroposophie, an die Stelle einer falschen Welt­anschauung eine richtige zu setzen - das ist eine theoretische For­derung -, das Wesen der Anthroposophie heute besteht darin, daß angestrebt wird nicht nur eine andere Idee, sondern eine Tat: das Geistig-Seelische wieder herauszureißen aus dem Leiblich-Physi­schen, den Menschen heraufzuheben in die Sphäre des Geistig-Seeli­schen, damit er nicht ein Denk-, Fühl- und Empfindungsautomat sei. Die Menschheit steht heute in der Gefahr - einiges soll auch morgen im Zweigvortrag angedeutet werden -, das Seelisch-Geistige zu ver­lieren. Denn das, was leiblich-physisch ein Abdruck des Geistig-Seeli­schen ist, das steht heute, weil viele Menschen so denken, weil das Geistig-Seelische schläft, vor der Gefahr, in die ahrimanische Welt überzugehen, und das Geistig-Seelische wird sich verflüchtigen im Weltall. Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen die Gefahr vor sich haben, durch den materialistischen Impuls die Seele zu verlie­ren. Dies ist eine ernste Sache. Dieser Tatsache steht man gegenüber. Diese Tatsache soll eigentlich heute das Geheimnis, das immer mehr und mehr offenbar werdende Geheimnis werden, aus dem heraus wir überhaupt fruchtbar wirken wollen. Sehen Sie, aus einer Erkenntnis dieser Notwendigkeit eines Hinwendens der Menschheit zu einer spirituellen Betätigung - nicht bloß zu einer Umänderung einer Theorie -, aus dieser Erkenntnis heraus sind solche Dinge entstan­den wie die Didaktik und Pädagogik der Waldorfschule. Und aus einem solchen Geiste heraus sollte hier gewirkt werden.

Da ist vor allem zu schätzen, daß sich in Ihnen hier ein Kreis gefun­den hat, der aus einem mehr oder weniger deutlichen Gefühl heraus sich sagt: es muß so gewirkt werden. Sie brauchen nur die Keime, die hier gelegt werden in der Waldorfschule' mit all dem wüsten Zeug, das als feindlicher Sturm heraufzieht, zu vergleichen.

Wir haben die Schule begründet unter den letzten Nachwirkungen dessen, was wir von Stuttgart vom April 1919 an versuchten. Seit der Zeit hat sich ja so herrlich viel vollzogen. Vollständig versagt, meine lieben Freunde, das dürfen wir nicht vergessen, vollständig ins Wasser gefallen ist dasjenige, was da unternommen werden sollte mit dem gutgemeinten Aufruf zum Kulturrat im vorigen Jahre. Warum er versagen mußte, das zeigt der wüste Skandal am Goetheanum, das

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zeigt dieser krasse Niedergang des deutschen Geisteslebens, das sich doch nur als in einem Symptom in den Dingen am Goetheanum ausdrückt. Wir werden natürlich jetzt nötig haben in einer noch ganz anderen Weise, als wir es getan haben, unsere Kräfte darauf zu ver­wenden, um diesem Niedergang entgegenzuarbeiten. Das kann ja natürlich nicht von der Waldorfschule allein ausgehen, aber durch jene Erkenntnis, die unsere Waldorflehrer gezeigt haben, indem sie sich dieser Aufgabe gewidmet haben, sind sie die Berufenen, um nach dieser Richtung hin allgemein anthroposophisch-kulturell zu wirken.

Das ist dasjenige, was ich heute am Schlusse des ersten Schuljahres so lebhaft empfinden mußte, was ich mit den ernsten Worten gemeint habe, die ich in Gegenwart der Kinder heute morgen ausgesprochen habe. Die Kinder werden die Worte nicht verstanden haben, aber das macht nichts. Wir wissen, daß es sich nicht darum handelt, daß nur das herangebracht wird, was die Kinder verstehen, sondern manches, was später in den Seelen der Kinder lichtvoll aufgeht. Der Dank, den Herr Molt ausgesprochen hat, der wird auch von mir selbst warm empfunden im Namen desjenigen Geistes, der die Waldorfschule durchdringen soll, der immer mehr und mehr der Geist der mittel­europäischen Kultur werden soll. Diejenigen, die sich selbst materia­listisch machen, die ihre Seele verlieren, so daß die Zivilisation eine materialistische Zivilisation würde, diejenigen Menschen wären heute noch zu retten, wenn das, was wir hier an Waldorfschulgeist haben, weiter in der Welt verbreitet werden könnte.

Wir müssen selbstverständlich die Waldorfschule behüten vor jedem Scheinwesen. Wir müssen uns klar sein darüber, daß wir gewisser­maßen immer zurückhaltender und zurückhaltender sein müssen gegenüber all denjenigen Leuten, die, nachdem sie gehört haben, die Waldorfschule ist begründet worden, es nun als nächste Aufgabe betrachten, ihr Welt-Herumlungern darauf auszudehnen, daß sie auch in die Waldorfschule hineinriechen, um hier zu hospitieren, um hier einiges mitzunehmen, um etwas Ähnliches da oder dort ein­fließen zu lassen. Wir müssen uns klar sein darüber, daß es sich nicht darum handelt, das zu fördern, daß möglichst viel Welt-Herumlun­gerer hier hospitieren, sondern daß es darauf ankommt, daß der anthroposophische Geist klar da sein muß, aus dem heraus die Nach­folgeschaft der Waldorfschule entstehen soll.

Zu mir kam vor einigen Monaten eine Persönlichkeit, die auch in Frankreich etwas Ähnliches begründen will wie eine Waldorfschule, und fragte, ob ich nicht Ratschläge dazu geben könne, ob sie nicht

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hier in der Waldorfschule hospitieren könne. Ich habe ihr gesagt, anerkannt, als im Geiste der Waldorfschule gehalten, würde das­jenige, was sie in Frankreich, in Paris, begründen will, von mir nur dann, wenn es ganz genau ebenso eingerichtet würde, wie die Wal­dorfschule eingerichtet ist. Es müßten sich sodann die französischen Freunde zunächst bereit erklären, mich dorthin zu rufen, um einen Kurs abzuhalten, nicht wahr, und ausdrücklich erklären, daß die Schule aus demselben Geist hervorgegangen ist. Sonst würde ich es strikt ablehnen, daß so etwas wie eine Nachfolgerschaft vorliegt.

Glauben Sie nicht, daß solche Antworten nur eigensinnige Dinge sind. Sie müssen sich klar sein darüber, wir kommen nicht weiter, wenn wir uns nicht auf den Standpunkt des bestimmt Anthroposo­phischen stellen, wenn wir uns nicht freih alten von jeder irgendwie gearteten Kompromißlerei. Stellen wir uns auf einen scharfbegrenz­ten Standpunkt, dann ist es nicht ausgeschlossen, daß wir selbst in Paris eine Waldorfschule begründen können. Es kommt nur darauf an, daß wir uns nicht bewegen lassen, irgendwie Kompromisse zu schließen. Heute ist es so, daß man am weitesten kommt, wenn man sich fest auf einen bestimmten Standpunkt stellt. Nach außen mag man konziliant sein, aber innerlich, wenn es sich um Prinzipielles handelt, da kommt es darauf an, daß man ganz fest auf seinen Stand­punkt sich stellt. Dazu ist es notwendig, die Kraft zu haben, die Dinge wirklich radikal zu durchschauen und keine Neigung zu irgendwelchem Kompromiß zu haben. Sie wissen ja, wenigstens im Sinne und Geist der Führung nach haben wir uns bemüht, während des ersten Jahres solche feste Standpunkte anzustreben. Ich hoffe, daß sie immer mehr zum Ausdruck kommen werden. Sie selbst als Lehrer der Waldorfschule werden sich immer mehr in die Durch­schlagskraft des Geistes hineinfinden und die Möglichkeit finden, alle Kompromisse beiseite zu lassen. Wir können nicht darum herum kommen, daß allerlei Leute von außen in die Angelegenheiten der Schule hineinreden. Wenn wir nur selbst in unserem Gemüte nichts von der notwendigen Anschauung, die wir haben müssen, aufgeben, daß im Grunde genommen jede Zustimmung, die von irgendwelchei pädagogischen Seite von heute kommt, zu dem, was in der Waldorf­schule geschieht, uns eher traurig stimmen könnte als heiter. Wenn solche Leute, die im heutigen pädagogischen Leben drinnenstehen, uns loben, da müssen wir denken, da muß etwas bei uns nicht stimmen. Wir brauchen nicht jeden gleich hinauszuwerfen, der uns lobt, aber wir müssen uns klar sein, daß wir sorgfältig unter­suchen, was wir nicht richtig machen, wenn wir gelobt werden

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von denjenigen, die im heutigen Erziehungswesen drinnenstehen. Das muß unsere gründliche Überzeugung werden.

Indem ich ganz lebhaft empfinde, was es eigentlich von Ihnen bedeu­tet, daß Sie sich mit Ihrer ganzen Persönlichkeit der Angelegenheit der Waldorfschule gewidmet haben, möchte ich an das Gesagte die­ses eine noch hinzufügen: Wir müssen auch innerlich, dem Gemüte nach, tatsächlich Anthroposophen sein im tiefsten Sinne des Wortes als Waldorflehrer und müssen Ernst machen können mit einer Idee, die auf anthroposophischem Boden wiederholt ausgesprochen wor­den ist, die für uns wichtig ist: Wir sind zu einer bestimmten Zeit heruntergestiegen aus den geistigen Welten in die physische Welt. Diejenigen, die uns als Kinder entgegentreten, sind später herunter­gekommen, sie haben die geistige Welt noch eine Zeitlang durchlebt, in der wir schon hier in der physischen Welt waren. Es ist etwas tingeheuer innerlich Erwärmendes, etwas ganz in der Seele Wirken-des, wenn man in einem Kinde sieht ein Wesen, das einem etwas herunterträgt aus der geistigen Welt, das man nicht selbst mit­gemacht hat, in der geistigen Welt, weil man älter ist. Dieses Ältersein bedeutet für uns noch etwas ganz anderes. Wir empfangen mit jedem Kinde eine Botschaft aus der geistigen Welt über Dinge, die wir nicht mehr miterlebt haben.

Dieses Bewußtsein gegenüber der Botschaft, die das Kind herunter-trägt, das ist ein positives Gefühl, das in vollem Ernst Platz greifen kann in der Waldorflehrerschaft, das der abwärtsgehende Kultur-verlauf bekämpft, sogar getreten hat. Das tun auch die traditionellen Rel igionsbekenntnisse' die von allen Kanzeln die Ewigkeit predigen, die Post-mortem-Ewigkeit, jene Ewigkeit, auf die die Leute hin-schauen aus dem raffinierten Egoismus ihrer Seele heraus, weil sie nicht zugrunde gehen wollen. Der Mensch geht nicht zugrunde, aber es handelt sich darum, wie man zur Überzeugung kommt von der Ewigkeit der Seele, ob aus Egoismus heraus, oder ob man lebendig, aus der Anschauung, drinnensteht in der Erfassung der ewigen Men­schenseele. Hier in dieses lebendige Darinnenstehen führt das Hin­schauen auf die Präexistenz der Seele, das Hinschauen auf das, was der Mensch vor der Geburt erlebt, das Hinschauen auf den Menschen hier in der physischen Welt, wie sein Leben eine Fortsetzung des­jenigen ist, was er vorher erlebt hat. Die traditionellen Bekennt­nisse, die versumpft sind, diese Bekenntnisse bekämpfen am schärfsten die Präexistenz' dasjenige, was den Menschen selbstlos machen kann, dasjenige, was niemals zielt auf dieses dumpfe, ver­sumpfte erkenntnislose Glauben, das zielen muß auf Wissen, auf das klare Licht der Erkenntnis.

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Solche Dinge werden praktisch, wenn wir sagen: Dieses Kind ist später heruntergekommen aus der geistigen Welt als ich selbst. Ich kann erraten aus dem, was es mir entgegenlebt, was geschehen ist in der geistigen Welt, nachdem ich selbst die geistige Welt verlassen habe. Daß wir das als lebendiges Gefühl in uns tragen, das ist eine rechte Lehrermeditation, von einer ungeheuer großen und starken Bedeutung. Und durch ein solches bestimmtes Ausleben des anthro­posophischen Wesens werden wir in Wahrheit dasjenige, was Lehrer sind, die aus anthroposophischem Geist heraus wirken. Das Beste, was hier in Anthroposophie entwickelt wird, ist nicht dasjenige, was die Welt-Herumlungerer bei uns heraushospitieren wollen, das Beste ist dasjenige, was sich in JhrenGemütern,in Ihren Seelen, als derGeist der Waldorfschule entwickelt. Es ist wirklich im ersten Jahre dieser Geist in Ihren Seelen schon lebendig. Und es soll unser Bemühen sein - das wollte ich mit diesen Worten zu Ihnen sprechen -, gerade diesen Geist in der Folgezeit weiter zu pflegen.

Aus diesem Geiste heraus wollen wir auch versuchen, alle Einzelmaß­nahmen vorzunehmen. Es hat mir leid getan, daß ich erst am 24. kommen konnte, denn bei der Ausgestaltung der Zeugnisse wäre ich gerne dabei gewesen. Das was ich sage, praktisch-pädagogische Psychologie zu treiben, das muß ausgebaut werden. Ich sehe, wie sehr Sie sich haben angelegen sein lassen, diese Psychologie sich zur Kraft werden zu lassen. Wir wollen weiter streben, denn wenn wir uns entschlossen haben, Waldorflehrer zu sein aus einem welthisto­rischen Impuls heraus: wir wollen es im ernstesten Sinne bleiben, wiederum aus einem großen welthistorischen Impuls heraus.

(Dr. Steiner, der bis dahin stehend gesprochen hatte, setzt sich nieder.)

Dr. Steiner: Wir wollen jetzt weitergehen in unseren Verhandlungen. Namentlich werden wir einiges zu besprechen haben, was sich uns in der letzten Zeit ergeben hat, und dann werden wir zu sorgen haben für die Art und Weise, wie unser Unterricht und die Führung weiter­gehen sollen.

X. berichtet über die Zeugniskonferenzen. Es sei bei einzelnen Kindern die Frage entstanden, ob sie nach Alter und Kenntnissen auch wohl in der richti­gen Klasse wären

Dr. Steiner: Eine sehr wichtige Frage, und es wird ja natürlich berücksichtigt werden müssen, daß die Lösung der Frage praktisch nicht ganz leicht sein wird. Aber wenn Sie jetzt, namentlich beim Durchsprechen der Dinge' die zum Verfassen der Zeugnisse geführt

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haben, nach dieser Richtung bestimmte Eindrücke bekommen haben, so wird es notwendig sein, diese vielleicht im einzelnen zu besprechen. Die ganze Frage nimmt sich anders aus, wenn es sich nur um einzelne Fälle handelt, oder wenn in einem erheblichen Maße Schüler nicht in der richtigen Klasse gesessen haben. Wir müssen eine Vorstellung bekommen darüber, wie groß die Anzahl der Schüler sein könnte, die wir das nächste Mal nicht in eine nächsthöhere Klasse setzen, sondern in eine niederere Klasse zu setzen haben; wir müssen das im einzelnen durchgehen, namentlich die Zahl. Natür­lich, eine neue Verteilung der Schüler im größeren Maße wirkt zu­rück auf unsere unzulänglichen Maßnahmen bei diesem Schulanfang, bei dem wir uns haben leiten lassen, einfach die Kinder hereinzuneh­men nach Maßgabe der Klassen, in denen sie draußen waren. Wir werden vielleicht nicht davor zurückschrecken dürfen, uns in dieser Beziehung zu desavouieren. Das müssen wir im einzelnen durchprü­fen. Ich würde die Lehrer, die solche Kinder in den Klassen haben, von denen sie glauben, daß sie nicht richtig in der Klasse waren, bitten, sich auszusprechen. Kann man etwas über solche sagen?

X. erwähnt den G. T. in der 4. Klasse, der zu alt ist.

Dr. Steiner: Bei G. T. würde es sich darum handeln, ob wir ihn in eine andere Klasse setzen. Es fragt sich, ob wir das nächstes Jahr noch nachholen können. Er ist beinahe zwölf Jahre alt. Ich glaube doch, daß wir es versuchen sollten. Die Sache mit dem Französischen und Englischen, die kann nebenbei geregelt werden. Er lernt sehr gut. Das Zeugnis ist so, daß er mit Unrecht in der 4. sitzt. Man ist verpflichtet, diesen Unterschied wieder gut zu machen.

(Zu Fräulein Dr. v. Heydebrand:) Haben Sie mit dem F. R. schon irgendwelche Erfahrungen gemacht?

X.: Sein Betragen ist ausgezeichnet. Er hat nicht die Kenntnisse der Kinder meiner Klasse.

Dr. Steiner: Aber die Reife hat er. Mitkommen wird er sicher. Dann ist dies kein Fehlschluß gewesen.

Im Zusammenhang damit können wir auf die Frage eingehen, von der ich gehört habe, daß sie Ihnen sehr viel Kopfzerbrechen machte. Nicht wahr, ich kann mir denken, wie ungeheuer schwierig es werden soll, aber es muß sachlich erwogen werden, ob wir nicht eben eine Klasse zusammenstellen als 6., die psychologisch alle die Eigentüm­lichkeiten hätte, die die jetzige 5. hat; ob wir nicht doch eine Nebenklasse einrichten. Es ist nicht notwendig, daß wir sie in der

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Mitte auseinander schneiden, es kann so sein, daß Sie als bisherige Klassenlehrerin absolut das freie Vorschlagsrecht hätten. Es sind einundfünfzig Kinder; also ich meine, es würde so sein müssen, daß Sie das Vorschlagsrecht hätten, daß Sie eventuell Ihre 6. Klasse aus dreißig zusammenstellen und zwanzig abspalten würden. Und da würde ich absolut das Vorschlagsrecht für jeden einzelnen nehmen. Wählen Sie fünfzehn Buben und fünfzehn Mädchen aus.

X.: Ich hatte eine Liste, sechsundzwanzig für mich.

Dr. Steiner: Wie Sie es wollen. Dieser Vorschlag steht ganz bei Ihnen. Aber es scheint doch, daß dies gemacht werden müßte, denn die Klasse war etwas zu groß.

Was haben Sie gegen die Teilung der Klasse? Sie haben sie alle so gern, daß Sie keinen weggeben wollen. Es ist doch besser. Sie werden mit dem Pensum der 6. Klasse leichter zurechtkommen, wenn Sie nicht mehr als dreißig haben. Wenn Sie also selbst die zurückbehal­ten, die Sie für richtig halten, und eine Klasse von zwanzig abspalten, werden Sie auch einverstanden sein können. Das ist richtig. Dann wird ja auch das leichter sich machen lassen mit solchen Leuten wie G. T. Ist noch jemand, der in Betracht käme?

X.: Ich hätte den A. S. K. in der 6. Klasse. Er ist Epileptiker und mußte monatelang wegbleiben.

Dr. Steiner: Der müßte wieder in der 6. bleiben. Den würde man in die neue 6. setzen. Wir wollen im allgemeinen mit dem Sitzenbleiben vorsichtig sein. Bei ihm müßte mit den Eltern gesprochen werden.

X.: Heikel ist es. Die Eltern werden es nicht verstehen. Sie sind nicht sehr günstig eingestellt; es gibt mit dem Buben immer Schwierigkeiten.

Dr. Steiner: Das darf kein Grund sein. Nun gewiß nicht! Der Vater ist ja ein vernünftiger Mensch; er ist kein wahrer Mensch, vernünftig ist er doch. Man wird am besten mit ihm reden, nicht mit seiner Frau. Der Bub, der erweist sich als verwahrlost. Nicht wahr, es würdeja an sich nichts machen, wenn er in der 6. Klasse bleibt; es ist nur die Frage, ob er nicht hinausgenommen wird, und ob wir es dazu kom­men lassen sollen. Es liegt auch der Grund vor: bei dem Buben ist es so, wenn er wirklich herauskommt, dann ist es Schluß. Wenn er hier bleibt, wird er nicht weiter herunterkommen.

Nach dem Zeugnis ist es nicht gut anders möglich, als daß man ihn in der 6. zurückläßt. Zunächst würde ich vorschlagen, man redet einmal mit dem Vater. Es braucht erst zu geschehen, wenn das neue Schul­jahr beginnt. Es hat Vorteile, wenn der Junge die 6. noch einmal

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macht. Ich würde dem Vater das einfach objektiv auseinanderlegen; so wie Sie ihn beurteilen müßten, muß man sagen, wenn er manches von dem, was er lückenhaft gehört hat, noch einmal hören würde, wäre es gut. Wenn Sie dann bemerken, daß der Vater ihn heraus­nehmen würde, so nehmen wir ihn herauf in die 7. Klasse. Aber es ist eine schwierige Sache. Es sind nur diese paar Fälle?

X. fragt wegen des F. M. in der 4. Klasse.

Dr. Steiner: Da liegt kein richtiger Grund vor, den müßten wir schon mitnehmen. Das ist ein schwer zu behandelnder, schwacher Schüler. Den müssen wir vorläufig mitnehmen. Man kann etwas tun, daß er das eine oder das andere lernt, daß er nachkommt. Da würde man sich zu stark desavouieren.

X. fragt wegen K. A. in der S. Klasse und schlägt vor, daü er ein Vierteljahr in die Hilfsklassc kommt.

Dr. Steiner (zu Dr. Schubert): Vielleicht können Sie sich für ein Vierteljahr die Aufgabe setzen, ihn nachzubringen. Offenbar liegt eine gewisse Gehirnweiche in der Familie. Da würde ich doch raten, ihn mitzunehmen.

Die H. bleibt weiter bei Ihnen in der Hilfsklasse, und man kann es dann entscheiden, wenn Sie finden, daß sie soweit nachgeholt hat, daß sie in eine Klasse kommen kann. Die Hilfsklasse bleibt wie bisher zusammen.

Ich dachte, die M. G. wird in der nächsten 2. Klasse nicht mitkom­men können. Sie wird ziemlich lange in der Hilfsklasse bleiben müssen, das ist so ein Kind, bei dem doch eines schönen Tages der Knopf aufspringen könnte. Es könnte sein, daß der Knopf kommt. Wir behalten sie doch in der Hilfsklasse und entscheiden später. Wenn Sie sie in der untersten Klasse mitmachen lassen wollen, das schadet nichts, wenn sie da mitmacht. Da kann sie auch sein. Lassen Sie sie da in der untersten Klasse mitmachen. Im allgemeinen ist esja nicht so, daß wir eine Revision vornehmen müssen. Die Fälle, die wir vorgehabt haben, lassen sich ohne weiteres lösen. Eine richtige Revi­sion brauchen wir nicht vorzunehmen.

Beim Fremdsprachenunterricht ist es so, daß man leichter zurecht­kommt, weil es immerhin da nicht so streng klassenweise eingeteilt ist. Wir sollten nicht so streng klassenweise gehen im Sprachunter­richt. Es hat sich so herausgebildet, aber im ganzen braucht der Sprachunterricht nicht klassenmäßig eingerichtet zu werden.

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Beim Sprachunterricht, da ist dieser tatsächlich grandiose Unter­schied zwischen Chorsprechen und Einzelsprechen. Die Kinder reden im Chor alle glattweg mit und können es einzeln nicht. Es würde sich darum handeln, daß man es ausnützt. Das werden wir bei den pädagogisch-methodischen Fragen im nächsten Jahre behan­deln, daß man versucht, bei den Kindern, nachdem sie es im Chor gesprochen haben, rasch es einzeln zu machen. Man soll es machen als Grundlage des Lernens. Das ist zweifellos so.

X.: Der Stundenplan ist schwer durchführbar, wenn Kinder aus einer Klasse mit anderen Klassen Sprachunterricht haben sollen.

Dr. Steiner: Beim Sprachunterricht wäre es wirklich ganz gut - aber das ist nicht durchführbar -, wenn man systematisch zwei Alters­klassen beieinander haben könnte, daß das eine Kind vom anderen lernte. In der Sprache ist es gut, wenn die Jüngeren von Älteren lernen. Das ist ein Surrogat, wenn Schwächere und Bessere da sind. Es ist in der Zeit nicht durchführbar, aber wenn wir können, sollten wir in der Sprache Schwächere und Bessere durcheinander haben.

X.: Was ist im Sprachunterricht zu machen mit den neu dazu kommenden Kindern? Soll man denen Nachhilfestunden geben?

Dr. Steiner: Da müßte man den Eltern sogleich sagen, daß es an einer Nachmittagsstunde gemacht werden müßte. Das läßt sich nicht anders machen, als daß wir einfach die etwas nachpumpen. Kommen tatsächlich so viele Neue nach?

X.: Ich habe seit Weihnachten vierzehn neue Schüler gehabt.

Dr. Steiner: Ein Prinzip wollen wir in dieser Frage doch nicht auf­stellen, sondern immerhin jeden einzelnen Fall prüfen. Im großen und ganzen, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, rät man den Leuten, sie sollen bis zum Ende des Jahres in ihrer Schule bleiben. Aber wir wollen nicht uns ganz abweisend verhalten.

Der Separatkurs in den Sprachen muß für solche Kinder eingerichtet werden. Das ist unbedingt nötig. Sonst könnten wir nicht Schüler in die höheren Klassen aufnehmen. Wenn es geht! Man muß das machen, was notwendig ist. Im großen und ganzen kann man sagen, in den Sprachen lassen sich vielleicht durcheinander haben Alte und Junge, weil die Jüngeren von den Älteren lernen, und die Älteren dadurch vorwärtskommen, daß sie die Jüngeren mitnehmen müssen. Da kann man Altersklassen durcheinander haben.

X. fragt wegen Vermehrung der Sprachstunden.

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Dr. Steiner: Sie haben die Sehnsucht, mehr Stunden zu haben. Aber auf der anderen Seite ist es wirklich so, daß wir eigentlich die Kinder genügend viel in der Schule haben. Wir können nicht gut die Stun­denzahl vermehren. Ich glaube nicht, daß wir da etwas machen dür­fen. Wir könnten ja in den höheren Klassen später einmal daran denken. In der 9., 10. Klasse, da können wir vielleicht etwas mehr Sprachunterricht einführen. Viel mehr dürfen wir nicht vom Klassen-unterricht wegnehmen; keine halbe Stunde kann entbehrt werden. Wir können nicht gut die Kinder noch einmal mehr in der Schule drin haben, sie sind eigentlich doch nachmittags meist da.

K. Wie hoch ist das Maximum der Stunden, die wir in den Volksschuljahren den Kindern in der Woche geben können? Wir geben in der 1. Klasse sechs­undzwanzig, weiter herauf sehr viel mehr durch fakultative Stunden in Latein.

Dr. Steiner: Wir können die Stundenzahl nicht vermehren.

Wie kommt es, daß in den Zeugnissen Eurythmie nicht als beson­derer Gegenstand auftritt, sondern mit Musik zusammen? Das ist etwas, was ich als Mangel empfinde.

X.: Weil ich alle Kinder zu unterrichten hatte, kannte ich die einzelnen zu­wenig. - Auch in der Musik möchte ich vorschlagen, daß wir eine Stunde mehr anfügen.

Dr. Steiner: Beim Musikunterricht ist es möglich, daß wir etwas tun. Es sind wenige Stunden, das ist richtig. Wollen Sie nicht ganz be­stimmte Vorschläge machen, wieviel Stunden Sie in den einzelnen Klassen haben möchten?

X.: Wir können es verschieden machen. Wir können es so einrichten, daß wir getrennt Chorgesang und Gehörsübungen haben, oder daß wir Chorunterricht zu bestimmten Zeiten, zu den Festzeiten geben; das wtirde ich vorziehen. -Ich nehme an, daß ich die Klassen so bekomme, wie sie jetzt sind. Bei zu großen Klassen kann ich die Kinder nicht genügend kennenlernen.

Dr. Steiner: Wieviel würden Sie brauchen in der Musik für die 1. Klasse? Wir haben da 261/2 Stunden.

X.: Eine Stunde.

Dr. Steiner: Dann würde sich das erreichen lassen, daß Sie die einzel­nen Kinder auch kennenlernen. Über den Stundenplan als solchen würde manches noch zu gestalten sein. Diese eine Stunde kann ja wohl sein. Auch in der 2. Klasse eine Stunde, und in der 3. Klasse. -Es fragt sich nur für die oberen Klassen, ob wir nicht ständig den Chorunterricht beibehalten. Das kann gemacht werden von Fall zu

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Fall. Ich glaube, die Zeit, die Sie haben für den Musikunterricht, die können Sie einteilen für Einzelunterricht oder Chorunterricht.

Es kommt auch der Anstandsunterricht dazu. Der belastet ja nicht. Den können wir ruhig ansetzen. Ich meine, der kann zu den anderen Stunden dazukommen. Der darf nichts wegnehmen vom Musikali­schen. Das was Sie wünschen, wenn Sie die neue Lehrkraft bekom­men, daß Sie die einzelnen Schüler klassenweise haben und nicht zusammengelegt, das muß gemacht werden.

Außerdem liegt das vor, daß wir, sobald wir eine Möglichkeit haben auch etwas Turnen anfügen. Turnen können wir ohne weiteres dazu-bringen, so daß wir sagen können: ,,Turnen und Eurythmie."

Das wäre schon ganz gut. Es braucht nur so mit zu unterlaufen, daß wir das physiologische Turnen neben der psychologischen Euryth­mie auch pflegen. Sobald gefragt wird, wird man sagen, wir haben es nicht ausgeschaltet, es wird einbezogen. Die Eurythmie, die könnte nicht vermindert werden, da müßte eine besondere Stunde dazu­kommen. Es genügt wahrscheinlich, wenn wir eine halbe Stunde Turnen in der Woche anfügen an die Eurythmie, oder wenn wir die Übungen daruntermischen. Gerade das müßte darin sein. Geräte-übungen.

Eine Schwierigkeit ist da bei dem Turnen. Da können wir die Mädchen und Buben nicht zusammennehmen. Die Teilung ist eine Raumschwierigkeit. Man kann nicht Mädchen und Buben mitein­ander nehmen; beim Geräteturnen ist es nicht möglich. Ja, bei Frei-übungen könnte man sie ohne weiteres zusammennehmen. Wenn die Kinder Turnanzüge haben, dann ginge es; es ist doch nur ein Vor­urteil.

Es wird ein Einwand gemacht.

Dr. Steiner: Warum meinen Sie? Es ist so, daß die Mädchen vieles nicht machen, was die Buben machen können. Da würde man Riegen zusammenstellen und würde sie abwechselnd behandeln. Der eine ist mit den Mädchen am Reck, der andere macht mit den Knaben Stab-übungen. Die Mädchen müßten Turnhosen haben; dezente Hosen müßten fabriziert werden drunten in der Fabrik.

Ja, es ist nur dann die Frage, wer den Turnunterricht gibt, daß Sie nicht überlastet werden. Nun liegt die ganze Schule, was Gesang und Eurythmie und Musik betrifft, an Ihnen: im Ganzen liegt viel an Ihnen.

X. der bisher auch etwas Turnen gegeben hatte: Wenn wir elf Klassen haben, dann ist sehr stark die Frage, ob das möglich ist. Könnten nicht auch die Klas­senlehrer Turnunterricht geben? Nicht immer, aber hier und da?

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Dr. Steiner: Die Klassenlehrer sind angestrengt. - Turnstunden brauchen in den drei untersten Klassen nicht gegeben zu werden. Die 1. und 2. Klasse könnten wir mit der Eurythmie schon befriedigen. Aber nachher müßten wir, um es nicht nicht zu haben, schon das Turnen haben. Es ist auch ganz gut, wenn es gemacht würde. Es wäre ganz schön, wenn es möglichst sich anschließen würde an die Euryth­mie, daß die Kinder zuerst Eurythmie treiben und dann etwas turnen würden.

Das Turnen würde für Sie etwas viel werden. Daran hatte ich nicht gedacht. Es müßte die Möglichkeit gegeben werden, daß jemand anderer den Turnunterricht gibt, insbesondere da zwei da sein müs­sen. Die Eurythmielehrerin müßte dabei sein, das ist nicht schwer.

Nun ja, das muß ins Auge gefaßt werden. Wir können entweder das Turnen weiter weglassen, oder wir müßten die Möglichkeit haben, eventuell noch eine Turnkraft zu haben. Das würde genügen, die eine Stunde für Eurythmie' und dann im Anschluß daran eine halbe Stunde das Turnen. Aber dann kriegen wir zuviel Stunden.

(Zu Frau Baumann): Jetzt hatten wir zwei Stunden Eurythmie. So wie Sie es jetzt gehabt haben in der letzten Zeit, hatten Sie nicht zuviel?

X.: Ich hatte oft einundfünfzig auf einmal. In der 3. Klasse hatte ich acht­undvierzig. Ich habe es so gemacht, daß ich die eine Hälfte zusehen ließ, während die anderen Eurythmie machten.

Dr. Steiner ist damit einverstanden.

X. möchte die Klassen teilen.

Dr. Steiner: Das werden wir machen müssen, wenn wir das für die anderen Klassen erst sehen. Das muß man am Beginn des nächsten Schuljahres festlegen. Die Größe der Klasse ist nicht festliegend, es kommt ein Zuwachs hinzu. Wie viele Schüler meinten Sie, werden wir in der nächsten 4. Klasse haben?

X.: Fünfundsechzig.

Dr. Steiner: Das müßten natürlich zwei werden. Für die 2. Klasse kommt das nicht in Betracht. Die künftige 4. Klasse ist auch so groß, daß es über fünfzig Kinder werden. Da sind soviel Neue. Ich dachte auch, die Kleinsten im Singen an Fräulein Lämmert zu geben. Sonst wird es für Herrn Baumann zuviel mit dem Singen. Auch mit dem Turnen wird es viel zuviel. Da muß man sehen, wie man mit der Lehrerschaft zurechtkommt.

Die Frage der Lehrerschaft muß also besprochen werden. Wir vermehren

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die Klassen, wir brauchen neue Lehrer. Es sind jetzt die zwei Baracken im Bau, die zu Anfang des nächsten Schuljahres fertig werden, hoffentlich. Und wenn die fertig sind, dann können wir gerade auskommen. Es geht vielleicht sogar auch, daß wir auskom­men, wenn wir die künftige 4. und 2. teilen, weil die beiden weit über fünfzig hinauskommen. Dann geht es knapp mit den Räumen. Es geht nur so, daß wiederum die Nebenräume notleiden. Es bleibt unerledigt. Es würde so eben gehen mit den Bauten, die wir jetzt haben. Aber es fehlt dann ein Raum für Gesang vorläufig, es fehlt ein Raum für den Kindergarten, und es fehlen weiterhin Klassenräume für weitere Klassen, die in den folgenden Jahren kommen. Es fehlt eine Bibliothek, es fehlt die Turnhalle, es fehlen Räume für die Fort­bildungsschule - vielleicht kann man die Fortbildungsschule schließlich beiseite lassen -, es fehlt das Arztzimmer' von dem wir gesprochen hatten, eine ganze Anzahl Dinge. Das sind Dinge, die wir neulich besprochen haben. Es sollte versucht werden, diese Dinge zu lösen dadurch, daß man einen Stock aufsetzt.

X.: Das stellt sich als unmöglich heraus.

Dr. Steiner: Warum ist das unmöglich? Woran liegt es, daß man einen Stock aufbauen wollte undjetzt nicht kann?

X.: Die Standfestigkeit des Unterbaues ist dann zu stark in Anspruch ge­nommen.

Dr. Steiner: Ich verstehe nichts. Was sagt der Architekt? Hatte er das nicht vorher gewußt? Es ist schrecklich, daß immer Ideen ent­stehen, die nachher nicht durchführbar sind. Natürlich kann man -, heißt es, nachher muß alles umgeändert werden. Der baupolizeiliche Gesichtspunkt hätte vorher durchdacht werden müssen. Tch würde mich in Dornach zum Beispiel nie einlassen darauf, daß mir ein Plan vorgelegt würde von etwas, was nicht absolut ausgeführt werden kann. Man verliert die Zeit damit. Man soll sich herumtragen mit einer Idee und nachher ist wieder nichts. Man hat doch gerechnet damit, daß der Eurythmiesaal hinaufgelegt wird. Ich meine, wir haben damit gerechnet. In Dornach erzählten Sie es mir noch.

X.: Nicht als feste Tatsache, sondern als eine Möglichkeit.

Dr. Steiner: Möglichkeiten kenne ich nicht. Wenn mir das jemand erzählt, so halte ich es für eine Wirklichkeit, oder es ist nichts. Die Baupolizei muß doch erst definitiv gefragt werden, und der Archi­tekt muß wissen, ob er darauf bauen kann.

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Nun ist der einzig mögliche Plan, eine Turnhalle und neben der Turnhalle anzugliedern die Nebenräume, die ich hier nannte, der gewissermaßen den ersten Teil eines rationell gebauten Schulgebäu-des darstellen müßte. Es würde sich darum handeln, wohin das gebaut werden soll.

Das müßte in aller Sorgfalt überlegt werden. Ist dazu Geld da? Es handelt sich darum vor allen Dingen, ob das Geld dazu da ist. Man muß das Geld ausgeben, auch wenn es nicht gerechtfertigt ist. Es ist da. Es sind zehn Millionen eingezahlt worden. Nur wollen die Herren nur unriskante Geschäfte machen. Die ganze Frage ist eine Mutfrage. Wir müssen darauf aufbauen. Die geistigen Werte werden ohnehin aus der Schule hervorgehen und nicht aus dem übrigen. Infolgedes­sen müssen wir den Mut haben, unsolide Geschäfte zu machen. Wir dürfen aber nicht mehr unsolide machen als solche, die wir durch die soliden ausgleichen können.

Man muß in den sechs Wochen herumreisen und das Geld aufbrin­gen. Es ist nur die Frage, wie es gemacht wird. Dann muß man sehen, daß man durch Erfindungen etwas herausholt. Es müßte Geld geschafft werden. Und da ist es notwendig, daß wir den Plan mit dem Schulverein doch vergrößern. Es ist sehr leicht möglich, daß wir vielleicht, wenn wir einen Weltschulverein gründen, überhaupt für solche Schulen, international, daß wir Geld kriegen, während es jetzt einem überall begegnet, daß die Leute sagen, wir haben in Berlin kein Interesse daran, just für die Waldorfschule zu bezahlen. Wenn wir einen Weltschulverein gründen, dann ist es vielleicht möglich, daß man für Stuttgart etwas verwenden kann. Es ist wahrscheinlich gar nicht möglich, wenn die Leute von vornherein bezahlen sollen für die Stuttgarter Waldorfschule, daß wir viel hereinkriegen. Dann müßte man sehen, daß wir durch Erfindungen etwas bekommen. Es ist allerhand in Arbeit, aber das geht nicht so geschwind. Wir haben etwas sehr Aussichtsreiches in Dornach, eine Rasierseife und das Haarmittel ,,Verlockung", aber es geht nicht so schnell mit dem Inaugurieren. So geschwind kann man die Sachen nicht erfinden, daß wir schon für den Herbst einen Tumsaal und einen Eurythmie-und Gesangssaal haben. Dann müßten zuerst allen Kahlköpfen Locken wachsen.

X.: Ich wollte es ausprobieren, auf die Gefahr, daß meine Frau mich nicht mehr kennt.

Dr. Steiner: Unsere Eurythmiedamen haben es schon auf sich genom­men, das Haarmittel hier zu verwenden, damit ihnen Schnurrbarthaare

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wachsen. Dann werden sie es mit der Rasierseife wieder weg­nehmen. Dann wachsen einem die Tausendmarkscheine auf dem Kopf. Es ist noch Geld da. Die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft wissen nicht, wie wichtig die Waldorfschule ist. Ich habe neulich mit einigen Damen gesprochen, die haben keine Ahnung gehabt, daß es so drängt. Es wird überall, an vielen Stellen gesagt, daß Schulen gegründet werden sollten. Das einzige ist das, daß man die Leute bittet. Diese Idee dürfen wir nicht aufkommen lassen, daß wir hier alles absorbieren wollen. Deshalb habe ich es besprochen, daß man nicht hier in Stuttgart alles zentralisiert, sondern herumreist in den einzelnen Städten, daß sich die Sache verbreitet, daß man nicht Sachen herum schickt und den Leuten diktiert. So entstand in Berlin der Gedanke, eine Schule zu begründen. Das dürfen wir nicht pro­bieren, daß die Leute ihre Schulpläne zurückstellen sollen. Da han­delt es sich darum, daß wir die Leute nicht vor den Kopf stoßen. Da müssen wir eben reisen. Für die Turnhalle wird man den ,,Kommen­den Tag" um Kapital angehen und sich verpflichten, das Kapital zu verzinsen. 400 000 Mark, dafür kann man die Zinsen aufbringen, so daß das, was jetzt sein muß im Interesse des Fortganges, sofort geschehen kann. Ein anderes ist der weitere Ausbau der Schule selbst. Denn wenn wir die Schule weiterführen wollen, auch über das nächste Jahr hinaus und die von selbst sich ergebende Vergrößerung machen wollen, dann brauchen wir noch viel mehr Raum.

X.: Man wird sich vielleicht helfen können, daß man eine von den großen Klassen nachmittags als Gesangssaal verwendet.

Dr. Steiner: So kann man sich vielleicht helfen, bevor der Turn­hallenbau hergestellt ist. Jetzt kommen wir zu der Frage, die doch in irgendeiner Weise gelöst werden muß. Es geht die Schule nicht wei­ter. Die Raumfrage und die künftige Lehrerfrage müßten gelöst wer­den.

Es wird über die Notwendigkeit gesprochen, auch Lehrerwohnungen zu bauen.

Dr. Steiner: Eigentlich ist im Grunde genommen die ganze Raum-frage ungelöst. Die Raumfrage ist nur soweit gelöst, daß die Klassen untergebracht werden können. Die notwendigen Nebenräume sind zum großen Teil unvollkommen oder nicht da.

Wieviel neue Klassen werden wir haben? Eine 1., eine 6., eine 9. Es fehlt die Turnhalle, der Zeichensaal. Turnhalle würde der Euryth­miesaal sein. Da müssen wir uns nach der Decke strecken. Nur, für die Eurythmie muß er groß sein. Da müßte man sehen, wie man fertig

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bringt, daß man die Turnhalle mit den entsprechenden Nebenräu­men noch bauen kann.

Es scheint mir, daß wir heute nur zur Aufzählung kommen dessen, was unbedingt gemacht werden muß. Es zeigt sich an dem Falle, daß man nicht weiterkommt, wenn man es nur auf kleine Dimensionen anlegt. Wenn jetzt mit der Turnhalle angefangen würde, dann werden sich gegen Weihnachten hin die Verhältnisse so verbessern können, daß wir wirklich annehmbare Verhältnisse haben. Es schwebt alles in der Luft, es weiß niemand, ob es nicht in vierzehn Tagen anders ist. Man müßte eine bestimmte Angabe darüber haben, was die Dinge kosten. So kann man nicht die Verhandlungen treiben.

Für den folgenden Tag war eine Besprechung mit den Architekten vorgesehen.

X.: Wir sind selbst daran schuld, weil wir nur für Augenblicke gesorgt haben. Die Anmeldungen haben sich überstürzt. So kam es, daß innerhalb drei Wochen die Verhältnisse veraltet waren.

X.: Wir müssen die Dinge so anschauen, daß das, was für die Bedürfnisse da sein muß, das muß gemacht werden. Dazu muß das Geld aufgebracht werden. Die Geldfrage hat sich unterzuordnen. Wir haben noch keine persönliche Propa­ganda getrieben unter den Eltern, die ein wirkliches Interesse am Bestehen der Waldorfschule haben. Da gibt der eine und andere ein Darlehen. Die persönliche Bearbeitung muß vorgenommen werden. Was nicht auf diese Weise zusammen-zubringen ist, das muß durch ein Darlehen vom Kommenden Tag aus bewirkt werden. Wir werden in diesen Tagen zu einem umfassenden Plane der Geld-beschaffung kommen müssen. Ich bin der Ansicht, daß an den pekuniären Sachen der Fortschritt der Waldorfschule nicht scheitern sollte.

Dr. Steiner: Ja, es muß irgend etwas Bestimmtes vorliegen. Man kann auf all das hin nicht verhandeln, wenn man die Erfahrung macht, daß der Architekt erklärt, er kann den Saal machen, und dann, er kann es nicht machen. Auf solche Dinge hin verhandeln, das ist eine furchtbare Wirtschaft. Daß wir einen Eurythmiesaal brau­chen, wissen wir schon lange, das haben wir in der letzten Konferenz besprochen. Es ist unter dem Eindruck des dazumal Beschlossenen der Plan aufgetaucht, und Sie hatten mir gesagt, daß der Architekt gesagt hat, man kann das draufbauen. Jedenfalls haben wir drei Wochen verloren dadurch, daß der Architekt behauptet hat, er kann einen Stock aufbauen, was heute nicht wahr ist.

Wir wollen jetzt nicht mehr interimistisch bauen; man muß doch jetzt, was wir neu hinstellen, ein bißchen mehr auf längere Zeit bauen. Die Konferenz morgen muß man unter allen Umständen haben.

Informatorisch können Sie sich bei der Baupolizei immerhin schon

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erkundigen, bevor Sie offiziell eine Sache vorlegen, oh die Sache Aussicht hat auf Genehmigung. Jedenfalls können wir nichts weiter darüber reden, da kein Plan vorliegt. Das wollte ich nur prinzipiell vorbringen.

Es wird gebeten um eine Äußerung Dr. Steiners zur Frage der Lehrerwoh­nungen.

Dr. Steiner: Nicht wahr, es ist schwer für mich, mich zu äußern, da ich nicht in der Lage bin, dasGeld aufden Tisch zu legen. Das ist das erste, wovon man ausgehen muß. Solange man das Geld nicht hat zu den Lehrerwohnungen, ist es eine rein akademische Frage. Wenn man von den Lehrerwohnungen absieht, so ist es so: es sind gewisse Sachen, die beschafft werden müssen. Entweder werden die Sachen nicht durchgeführt, oder die Dinge müssen gemacht werden. Es wäre wichtig, diese Fehler, daß die Dinge auf kleinem Maßstab angelegt werden, zu vermeiden; daß man die Sachen unbeschadet der finan­ziellen Verhältnisse so anlegt, wie es sein muß.

Ich bin sicher, daß, nachdem die Sache so angehoben hat mit der Selbstaufopferung der Lehrer, daß die Sache geistig gehen wird, gei­stig nicht Fiasko macht. Das zeigt der Stoß des ersten Jahres, daß wir durchhalten können. Ob die Welt uns Geld gibt? - Ich glaube schon kaum mehr, daß die Welt zu solchen Sachen Geld gibt. Die Leute zeigen nicht Verständnis dafür. Das ist dasjenige, was mir wirklich eine furchtbare Sorge ist. Das was wir heute auch am Anfang dieser Stunde gesagt haben, das ist durchaus richtig auf geistigem Gebiet. Die ganzen materiellen Fragen müßten auf einen vernünftigen Boden gestellt werden.

Was können wir dazu tun? Da ist die wichtige Frage, inwieweit wir die Ausdehnung der Schule vornehmen können. Irgendwie müssen wir dann eine gewisse Begrenzung haben, oder wir müssen so Leute hinter uns haben, die Millionen stiften. Die Unzuträglichkeit hängt zusammen mit der Tatsache, daß wir jede Anmeldung angenommen haben. Deshalb möchte ich vorschlagen, im Sinne der Einführungs­rede, daß wir jetzt erklären, daß wir die Schule in dem Ausmaße fortführen, als es war; daß wir ablehnen, neue Kinder aufzunehmen, wenn wir nicht in der Lage sind, einen Tumsaal zu bauen. Wir teilen es der Welt mit, daß wir von keiner Seite unterstützt werden. Dies müßte in möglichst wirksamer Weise der Welt mitgeteilt werden. Wir führen die Schule im Rahmen des vorigen Jahres fort, wir müssen aber die schon aufgenommenen Schüler leider zurückweisen. Die Welt sollte wissen. wie es sich verhält. Dies müßte der Welt bekanntgegeben

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werden. Wir werden hypothetisch sagen, wenn wir nicht in der Lage sind, die Mittel zu bekommen, daß wir bis Herbst einen Eurythmie und Tumsaal aufführen können, müssen wir die Schule beschränkt lassen auf die Größe, die sie schon hat. Wenn wir nicht solche radikale Maßregeln treffen, kommen wir nicht vorwärts. Wir können auch die Lehrer nicht bezahlen.

X.: Können wir durch Vorträge Geld zusammenbringen, wenn wir herumreisen?

Dr. Steiner: Gewiß, das kann gemacht werden. Ich glaube nicht, daß Ihre Arbeit eine fruchtbare sein wird, wenn wir die Welt nicht darauf aufmerksam machen, daß wir nicht arbeiten können, wenn es so bleibt, wie es jetzt ist. Ich glaube schon, daß es einen Eindruck machen würde, wenn wir die früheren Schüler behalten, aber keine Neuen aufnehmen, und daß wir denen wieder absagen müssen. Wenn wir dies der Welt bekanntgeben, so glaube ich, würde es nützen. Wenn wir in dieser schrecklichen Weise wirtschaften, so daß man nie weiß, wohin es kommen soll, da kommen wir nicht weiter. Es müßte eine geharnischte Erklärung sein, dahingehend, daß hier etwas auf­gehen kann durch die Tätigkeit einer dazu geeigneten Lehrerschaft, und daß die Welt dazu versagt mit ihren finanziellen Mitteln, die dahinterstehen sollten.

X.: Die Leute sagen, warum soll man alles nach Stuttgart geben. Es haben doch die Leute in Hamburg und Berlin kein Interesse an Stuttgart.

Dr. Steiner: Das Wichtige ist, daß überhaupt die geistige Bewegung gefördert wird. Das können wir nicht sagen, daß es wichtig ist, daß es hier entsteht, wenn wir etwas gründen wollen, was für alle ist. Das geht ganz entschieden nicht, daß wir sagen, sie sollen für Stuttgart geben und von anderem absehen. Es muß mindestens der Gesichts­punkt angeschlagen werden, man kann ein Zentralinstitut in Stutt­gart bauen und verlangen, daß die Welt dazu Beiträge gibt.

X.: Soll man eine Erklärung bringen in den Zeitungen, die zum Ausdruck bringt, daß die Sehülerzahl in einer bisher nicht gedachten Weise angewachsen ist, daß wir dadurch in eine Lage versetzt sind, Lehrer anzustellen, um die Schule im gleichen Geist fortzuführen? Und daß wir angewiesen sind auf die Unterstüt­zung?

Dr. Steiner: Wir müssen positiv sagen, daß wir bereit sind, die Schule in der bisherigen Weise fortzuführen, daß wir aber nicht in der Lage sind, die Anmeldungen zu berücksichtigen, wenn uns die Welt nicht unterstützt. Wir müßten irgendein radikal ernstes Wort sagen. - Wir werden die Errichtung der neuen Klasse nicht mehr unter dem Ge­sichtspunkt betrachten, wieviel Anmeldungen wir haben.

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Konferenz vom Donnerstag 29. Juli 1920, 10.30-13.30 Uhr

Dr. Steiner: Zunächst möchte ich bitten, ob jemand, nachdem eine schöne Zeit zum Überlegen war, sich zum Wort meldet.

X. möchte gern etwas über die wirtschaftliche Grundlage der Schule wissen.

Dr. Steiner: Darf ich Herrn Molt bitten, über die Frage zu sprechen, da er Bescheid weiß.

Molt berichtet über die finanzielle Lage der Schule.

X. fragt, ob man sich nicht bei dem öffentlichen Vortrag heute Abend an die Hörer wenden könnte.

Es wird ein Aufruf verlesen, den Dr. v. Heydebrand zusammen mit Dr. Hahn verfaßt hat.

Dr. Steiner: Dieser Aufruf ist ausgezeichnet und wird sicher nicht ohne Wirkung sein. Meiner Auffassung nach kann es aber nur dann geschehen, wenn gleichzeitig damit verbunden wird, daß man sagt:

Wir können nur weiterarbeiten, wenn von seiten der Allgemeinheit die nötigen Mittel der Sache zufließen.

X. Ich wollte nur warten mit der Rückgängigmachung der Neuanmeldungen.

Dr. Steiner: Warum sollen wir nicht schon jetzt den Leuten sagen können, daß wir, wenn wir nicht die Mittel bekommen, die neu-angemeldeten Kinder abweisen müssen? Gerade damit unsere Agita­tion wirksam werde! Wir müssen die Kinder abweisen, weil wir keine neuen Lehrer anstellen können. Das scheint mir notwendig zu sein, um die Agitation wirksam zu machen.

Nicht wahr, diese Agitation hat ihre Schwierigkeiten. Erst meint die Öffentlichkeit, die Schule sei eine Waldorf-Astoria-Schule, es wird von vielen Seiten die Schule eine Waldorf-Astoria-Schule genannt. Man hat die Meinung, daß die Schule finanziell gespeist wird von der Waldorf-Astoria- Zigarettenfabrik, und man ist überrascht, daß dies nicht der Fall ist. Nun, das ist das eine. Man muß auf irgendeine Weise gegen dieses Überraschtsein der Öffentlichkeit eben einen Weg einschlagen. Man muß es deutlich sagen, daß die Mittel der Öffent­lichkeit notwendig sind, das ist das eine.

Zweitens ist es schwierig, von auswärts Geld zu bekommen für den Waldorfschulverein, der für Stuttgart gegründet wird. Da ist es nicht so, wie bei den anderen in Stuttgart zentralisierten Einrichtungen. Selbstverständlich kann der Kommende Tag und die Dreigliederung

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in Stuttgart zentralisiert sein. Das ist für die Welt. Um für die Wal­dorfschule Geld zu geben, da müßten die Leute die Kinder her-schicken können. Die Leute fragen: Warum ist das vorhandene Geld nicht in Stuttgart und Umgebung aufgebracht worden, woher doch die meisten Kinder stammen? Man kann verlangen, daß die Leute, die die Kinder von auswärts bringen, soviel zahlen, um die Kinder hier zu haben. Da kann man hohes Schulgeld verlangen. Wenn die Leute von auswärts Geld geben sollen, wenn ein Schulverein für das Prinzip der Waldorfschule wirken soll, dann muß es klar sein, daß wir hier in Stuttgart anfangen, daß wir selbst etwas tun, um die Waldorf­schule in die ganze Welt zu tragen. - Natürlich fragt jeder: Warum verschafft ihr euch nicht aus Stuttgart und Umgebung Mittel? - Das sind Schwierigkeiten, denen wir dadurch begegnen, daß wir sagen, wir sind eben nicht in der Lage, die Schule über das jetzige Maß hinaus zu gestalten. Wir müßten die Kinder abweisen, wenn wir nicht Mittel bekommen. Ich glaube also nicht, daß man in dieser Richtung optimistisch sein darf. Die zwei Gründe spielen wesentlich mit.

X. Kann denn die Umwandlung des Waldorfschulvereins in einen solchen Weltschulverein durchgeführt werden, wenn man sich einig darüber würde?

Dr. Steiner: Nicht wahr, den Waldorfschulverein haben wir als einen lokalen Verein gegründet, auch ein wenig unter dem Gesichts­punkt, daß es den Herren Aktionären von der Waldorf-Astoria imponiert, daß sie geldgeberischer werden. So habe ich mir vorge­stellt, der Weltschulverein müßte extra dazu gegründet werden.

X. Herr Doktor, Sie sagten, daß der Weltsehulverein wirksam in Angriff genommen werden kann, wenn man vorgestoßen hat.

Dr. Steiner: Es würde sich darum handeln, dies auszuarbeiten, um den Boden zu schaffen, aus dem das erwachsen kann. Daß wir mit Klarheit hinweisen auf die Schwierigkeiten, die bestehen, um die Stimmung für den Weitschulverein gebrauchen zu können.

X. fragt, ob man nicht bei den Schweizer Mitgliedern Propaganda machen kann?

Dr. Steiner: Die Schweizer Mitglieder werden so sehr auf die Valuta angezapft, daß da wohl kaum etwas zu machen ist. Ich habe letzthin gerade in einem Prospekt, der hinausgeschickt worden ist, heraus­streichen müssen die Worte in dem einen Satz, der daraufhingewie­sen hat, daß die Angehörigen der Mittelländer wegen der Valuta nichts leisten können. Dieses zu starke Pochen auf die außerordent­lich stark in Anspruch genommenen Schweizer, die ohnedies nicht gern die Taschen aufmachen - furchtbar ungern. Da müssen wir

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einen Weltschulverein gründen, der im Programm nicht die Unter­stützung der Stuttgarter Waldorfschule hat, sondern die Gründung von Schulen nach diesen Prinzipien. Der muß es verantworten, daß er zunächst die Waldorfschule unterstützt.

Frau Dr. Steiner: Ich glaube, es wäre besser, daß der Goetheanumbau fertig würde, sonst kommt das Frühere durch das Spätere in Leid. Für die Schule können die Angehörigen der Mittelländer noch vieles tun. Die Schweden, Nor­weger sind empfänglich, Geld zu geben. Wenn aber eine große Anzapfung der Ausländer für die Schule vor sich geht, dann wird der Bau nie zu Ende geführt.

Dr. Steiner: Nicht wahr, es würde sich, wenn wir den Weltschul­verein gründen, darum handeln, daß der vor allen Dingen das haben müßte, daß er über seine Gelder frei verfügen kann, daß auch die Freie Hochschule in Dornach aus diesen Geldern gespeist werden könnte. Es war unsere Idee, eine Art Zentralisation des gesamten Finanzwesens zu machen. Wir strebten an eine zentrale Finanzie­rung, so daß all das Geld, das für unsere anthroposophische Sache gegeben wird, in eine einzige Zentralkasse zusammenfließt. Das ist dasjenige, was wir angestrebt haben in den Tagen, wo wir daran­gegangen sind, den ,,Kommenden Tag" und das ,,Futurum zu begründen. Da kam in die Quere' daß die Waldorf-Astoria nicht mehr weiter (helfen) konnte. Dann mußte der Waldorfschulverein gegrün­det werden. Ebensogut mußte man in Dornach eine Anzahl von Dingen gründen. Das ist nur formell. In dem Augenblick läuft der Verein Goetheanismus in das Ganze ein, wenn es notwendig ist. Die Dinge, die wir führen, die müssen so gegründet sein, daß es zuletzt in eine Zentralverwaltung einläuft.

Das war auch die Absicht, als wir den Kommenden Tag begründeten. Der Kommende Tag hat nicht die Möglichkeit, Jahresbeiträge ent­gegenzunehmen. Insofern würde ja eine Organisation wie der Welt­schulverein auch keine Dezentralisation darstellen. Es handelt sich nicht darum, daß der Kommende Tag die Zentralverwaltung hat. Der Kommende Tag ist das Institut, das sich daran beteiligt. Das was wir als Zentralverwaltung denken, wäre umfassender. Ich sagte nicht, man solle den Kommenden Tag als Zentralverwaltung betrachten. Wir hatten in Aussicht genommen, daß alles das, was wir bekommen, in eine einheitliche Zentralkasse zusammenfließt' und da nach Gebrauch ausgegeben wird. Wenn wir den Weltschulverein gründen, dann würde dieser Weltschulverein seinerseits selbst seine Gelder verwalten lassen können. Aber er würde so gegründet sein müssen, daß er einlaufen kann in dieses Zentralinstitut, wie der Verein Goetheanismus in Dornach, der jederzeit einlaufen kann in dem

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Augenblick, wo wir die Persönlichkeit haben. Da müssen rein sach­liche Prinzipien walten. Ebenso kann der Weltschulverein gegründet werden, indes muß einer seiner Paragraphen der sein, daß er seine Gelder ebensogut in eine Volksschule wie in die Kasse der Freien Hochschule einfließen lassen kann.

Frau Dr. Steiner: Sonst wäre es geschehen ums Goetheanum.

X. Ich finde, wie die Dinge liegen, den Namen Waldorfschulverein nicht mehr richtig. Man könnte es für die unteren acht Klassen gelten lassen. Für das dar­über sollte man einen ,,Verein zur Gründung von Rudolf Steiner-Schulen" haben.

Dr. Steiner: Das darf auf keinen Fall sein.

X. (spricht weiter): Ich will damit kundtun, daß es sich um ganz bestimmte Schulen handelt. Den bisherigen Namen halte ich für schädlich.

Dr. Steiner: Da muß man eine viel aktuellere Flagge finden. Ein großer Teil der Gegnerschaft beruht auf der einseitigen Betonung des Namens. Sie werden sehen, daß es noch in viel ausgesprochenerem Maße herauskommt. Ich weiß zu erzählen, wie Aufsätze, die ich da und dort anonym habe erscheinen lassen, angenommen wurden, und wie die Sache sofort umgekehrt worden ist, als der Name darauf kam. Man kann eine andere Firma haben. Der Sache wird nicht genützt durch persönliche Name ngebung.

Frau Dr. Steiner: ob man nicht doch erraten könnte, welcher Name der wünschenswerte wäre?

Dr. Steiner: Es wäre ganz gut, wenn diese Frage gestellt würde. Dann würde der Betreffende damit verbunden werden. Goetheanismus-Schule, vielleicht Schule des Kommenden Tages. Es müßte so irgend etwas sein, was hinweist auf die Zukunft. Da müßte man scharf nachdenken, auf etwas, was darauf hinweist, daß es sich um staats-lose Schulen handelt. Staatslosigkeit, die Begründung der Schule ohne den Staat, daß diese Sache sichtlich zum Ausdruck kommt. Das kommt nur durch eine neutrale Bezeichnung zum Ausdruck. Das haben wir in der Waldorfschule durch ,,frei" zum Ausdruck ge­bracht. Die Bezeichnung der ,,Freien Waldorfschule" war gut für den ersten Anfang. Und wenn es weitergegangen wäre in dieser Weise, wenn es nicht notwendig geworden wäre, den Waldorfschulverein zu gründen, so wäre gegen den Titel das allerwenigste einzuwenden. Aber nicht wahr, es ist nicht weitergegangen. Es müßte zum Aus­druck kommen dieses Prinzip des staatslosen, des aus dem freien

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Geistesleben geschaffenen Schulwesens. Es ist die Frage, ob man da

nicht sehr gut den Weitschulverein gründen könnte.

X. Dürfte man den Namen Anthroposophie nennen?

Dr. Steiner: Wir müssen Anthroposophie weglassen.

X. Damit das Interesse nicht erlahmt, sollte bis zu einer gewissen Größe der Name Waldorfschule erhalten bleiben.

Dr. Steiner: Mit Ausnahme der 9. Klasse giltja heute schon das, daß wir auch nicht die acht Klassen auf der alten Grundlage vorwärts-bringen. Ohne Zuschüsse kriegen wir doch nicht die acht Klassen in dem Sinne weiter, wie wir es wollen. Wir müssen die neuen Kinder der acht Klassen abweisen, wenn wir nicht Zuschüsse bekommen. Daß der laufende Betrieb erhalten wird, das würde schon ins Gleich­gewicht gebracht werden. Dann die Frage des Platzes. Wir können nicht die Zahl der Schüler vermehren ohne Platzvergrößerung. Es wird sich um weitere Lehreranstellung handeln. 4. Klasse 53, 2. Klasse 56 Schüler, da wird es eine Lehrerfrage. Ich bin der Mei­nung, daß ein Lehrer, wenn er den nötigen Raum hat, selbst hundert Kinder haben könnte, aber aus dem einfachen Grunde, weil wir den Raum nicht haben, einfach deshalb, weil unsere Klassenräume zu klein sind, müßten wir mehr Lehrer haben. Es betrifft die beiden Klassen; dann würde es sich um die Zerlegung der künftigen 4. und 2. Klasse handeln. Die 1. und 5. müssen wir unter allen Umständen teilen. Die Raumfrage ist aktuell geworden. Dann daß der Euryth­mie- und Turnsaal absolut nichts taugt.

X. Kulturschule.

X. Ich hatte mir auch aufgeschrieben Freie Kulturschule.

Frau Dr. Steiner: Vielleicht fällt noch jemand etwas anderes ein.

Dr. Steiner: Es kommt nicht darauf an, einfach einen Namenwechsel einzugehen. (Es handelt sich darum,) ob die zwei Millionen Mark eingehen oder nicht. Die Kalamität ist deshalb eingetreten, weil man jedes Kind aufgenommen hat. Die Waldorf-Astoria hat nichts ver­brochen.

X.: Es wäre wichtig zu unterscheiden zwischen Waldorfschulverein und Wal­dorfschule. Man könnte die Waldorfschule weiter als Waldorfschule lassen.

Dr. Steiner: Der Finanzierungsverein braucht nicht mehr den Namen zu haben. Das würde der Waldorf-Astoria nicht schaden. Die Waldorfschule ist eine historische Sache, die bleiben soll. Auf der

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anderen Seite ist wirklich nicht zu verlangen, wenn wir an weitere Kreise Deutschlands und Österreichs gehen, daß das unter der Flagge einer Waldorfschule für Stuttgart geschehen soll. Ich meine rein aus praktischen Gründen, weil auch die Leute dafür kein Geld geben. Die Propaganda für den Verein als solchen bleibt auf Stuttgart und Württemberg beschränkt. Dagegen scheint es mir durchaus klar zu sein, daß man auf das Große geht, für das man Propaganda machen kann international.

X.: Da würde man zu dem Entschluß kommen, den Verein fallen zu lassen?

Dr. Steiner: Ich bin der Überzeugung, daß die Fortführung bis zur 8. Klasse eine Gehaltsfrage ist. Ich meine, wieviel liegt in der Kasse des Schulvereins? Sonst kommen wir nie aus den unklaren Verhält-nissen heraus. Klare Verhältnisse hätten wir nur, wenn der Schul-verein bestehen würde und die Waldorf-Astoria ihre Stiftungsbeträge möglichst hoch geben würde. Dann würden die Gelder in der Kasse des Vereins liegen. Es handelt sich darum, daß man genau müßte sagen können, wieviel die Waldorf zuschießen kann. Entweder in dem Modus, für jedes Kind wird so und so viel zugeschossen, oder eine bestimmte Summe, mit der gerechnet wird. Jetzt haben wir da eine Unklarheit.

Ich habe das Gefühl, nicht wahr, daß die Schule im ganzen ihre finanzielle Grundlage aus der Kasse der Waldorf-Astoria, vor allen Dingen aber in hohem Maße durch die Privatgaben von Herrn Molt hat. Das sind zwei Dinge, die im wesentlichen zu unterscheiden sind. Ich habe das Gefühl, daß Herr Molt auch finanziell die ganze Wal­dorfschule als Privatmann gegründet hat. Die Waldorf-Astoria-Fabrik hat schon zu dem, was Herr Molt persönlich gemacht hat, einen Zuschuß gegeben, aber - ja vielleicht ist es nicht opportun -, aber es ist doch vor allen Dingen so, daß, nicht wahr, die Privat-schatulle des Herrn Molt darinnensteckt in hohem Maße.

Molt: Es ist nicht angenehm, darüber zu reden. Die Schule, die als solche eingetragen ist, ist mein Privatbesitz. Die Baukosten wurden von mir bestritten. Die Schule zahlt keine Miete. Für die anderen Schulbaracken kommen andere Beträge in Frage.

Dr. Steiner: Es ist ganz gut, daß es gewußt wird. Worunter wir leiden, das ist, daß eigentlich die Waldorf-Astoria als Firma ein bißchen sehr gut weggekommen ist bei der Inszenierung der Waldorfschule vor der Welt. Ich kann es nicht recht verantworten, der Waldorf-Astoria, die nicht einmal so ehrgeizig ist, als Trägerin der Schule zu gelten, diese Sache zuzugestehen, daß sie der ganzen Schule die Ehre gibt. während

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Herr Molt als Person es doch getan hat. Man könnte höchstens davon sprechen, daß die Waldorf Mitglied des Schulvereins war.

Gewiß, wenn heute Leute von auswärts Kinder herschicken wollen, so ist es richtig, daß sie nicht nur zur vollständigen Erhaltung des Kindes, sondern auch zum Teil etwas für das, was Bänke sind, was innere Einrichtung ist, beitragen. Aber dieses, was vollständig gerechtfertigt ist, muß kompensiert werden dadurch, daß man die Sache nicht zu einer Stuttgarter Angelegenheit macht. Die Leute werden wissen, wir brauchen nicht mehr so viel zu bezahlen, wenn es eine Weltangelegenheit ist.

X. Es würde sich um ein Schulgeld handeln von 1000 Mark. Jedes Kind kommt unsjetzt auf 1000 Mark.

Dr. Steiner: Wenn wir nur herausbekommen, daß die Waldorf­Astoria-Fabrik für die Kinder ihrer Betriebsangehörigen diesen Bei­trag bezahlt, dann würde uns damit wenig gedient sein, weil wir nicht in der Lage wären, abgesehen von Beiträgen von außen, andere Kin­der aufzunehmen. Es muß doch gerade weiterhin Grundsatz sein, Kinder aufzunehmen, die das Schulgeld nicht bezahlen können. Selbstverständlich leidet die Schule dadurch, daß sie eine Kapita­listenschule wird, abgesehen von Kindern aus der Waldorf-Astoria Die Dinge können vertreten werden vor der Welt. Ich war längst dafür, daß man in der Schweiz vertreten würde, daß wenn jeder Schweizer eine einzige Mark geben würde für den Dornacher Bau, so würden wir den Bau glänzend zu Ende führen. Nicht wahr, wenn man das in möglichst starker Weise den Leuten sagen würde, dann würden sie einsehen, wie man eine Sache zu einer allgemeinen Sache macht auf die Weise, daß wir arme Kinder aufnehmen, daß aber ein Reicher das Schulgeld bezahlt. Ich wollte das vorher bloß sagen, daß das Schulgeld der fremden Kinder nicht bestimmt werden kann nach dem, was fehlt. Daher werden wir immerversuchen müssen, von der Öffentlichkeit das Geld zu bekommen. Nun ja, nicht wahr, das ist die eine Sache, die so nur geregelt werden sollte, daß für jedes arme Kind irgendein Reicher das Schulgeld bezahlt.

Haben wir die Einrichtung der Patenschaften im Waldorfschul­verein?

X. Ich habe gedacht, daß 1000 Mark der Beitrag sein soll für ein Mitglied, das Pate wird. Es sind noch nicht viele Paten gekommen.

X.: Es sollten Bausteine gegeben werden für die Waldorfschule.

Dr. Steiner: Man kann natürlich auch das machen. Die Sammeltätigkeit

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ist eine gute Arbeit. Natürlich, wenn wir den Leuten sagen, sie können kleine Beiträge geben, so werden sie kleine Beiträge geben. Die Mitglieder sollten sammeln gehen.

Die Hauptfrage ist offenbar die Begründung des Weltschulvereins. Alles andere müßte sich an diese Hauptfrage anschließen. Aber ich habe noch immer nicht gehört, wieviel eigentlich der Waldorfschul-verein in der Kasse hat. Das hätte ich gerne gewußt.

X. 60 000 bis 80 000 Mark.

Dr. Steiner: Das ist gewissermaßen, was in der Kasse ist.

X. Was von der Waldorf ist, das ist ein Jahresbetrag von 170 000 Mark.

Dr. Steiner: Wird man auf solche Stiftungen in den kommenden Jahren rechnen können?

Molt: Wenn das Wirtschaftsleben nicht zusammenbricht. Der Beitrag wird auf 200 000 hinaufgehen.

Dr. Steiner: Und wenn er es nicht tut?

Molt: Dafür bin ich an der Spitze des Unternehmens, um genügenden Einfluß auf die Sache zu nehmen.

Dr. Steiner: Das wären die Kosten, die der Waldorf erwachsen. Wir haben so viel begüterte Eltern, die entsprechende Beiträge leisten könnten, die können nicht von der Waldorf verlangen, daß sie große Beträge gibt. Deshalb muß an diese Menschen herangetreten werden, die Interesse haben an der Schule, wenn das Interesse nicht verdun­stet, sobald sie die Taschen aufmachen sollen. Dann ist es besser, die Kinder bleiben weg. Wir sind nicht da, bloß um die Kinder aufzuneh­men, weil die Schule näher liegt. Das wird sich erproben in den nächsten acht Tagen. Wenn sie es nicht tun, dann werden wir die Anmeldungen rückgängig machen. Es werden sich die Geister schei­den. Wenn man sagt: Wir verstehen unter einer Einheitsschule das­jenige, daß keiner etwas bezahlt, daß alle gleich sind, gegen dies habe ich nichts. Wir brauchen es nicht zur Ehre anzurechnen, daß Mini­sterkinder da sind, aber daß auch künftig die Kinder der Wohlhaben­den neben den Kindern der Armen sitzen.

Vielleicht könnte es noch gelingen, über die Frage des Weltschul-vereins zu einer gewissen Klarheit zu kommen. Bei all diesen Dingen darf nicht vergessen werden: wir haben große Schwierigkeit, unmit­telbar Gelder zu bekommen für den Bau in Dornach. Wir werden geringere Schwierigkeiten haben, namentlich in Amerika, für die Begründung von Schulen. Wir haben die allergeringste Schwierigkeit,

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wenn man Sanatorien begründen will. Die Menschen verstehen, daß man ein Sanatorium braucht, sie verstehen weniger, daß man Schu­len braucht, aber sie verstehen nicht, daß man die Grundlage von allem braucht, daß man den Dornacher Bau braucht.

X. Dann muß man das Sanatorium verbinden mit der Schule.

Dr. Steiner: Unsere Schulen sind anders gebaut, das können wir nicht zum Ausdruck bringen. Oder wir gründen einen Weltverein der ganz jungen Invaliden. ,,Gesundheitsschule", das würde mehr zie­hen. Das wird aber nicht gehen. Es würde sich nur darum handeln, in der Propaganda die Dinge zu verbinden, daß man einen gemeinsamen Fonds hat, daß man auf der einen Seite Sanatorien macht und auf der anderen Seite eine Schule. Wir müssen, wenn wir Schulen begrün­den wollen, dem Verein das Recht geben, daß er auch das Geld für Dornach verwendet. Sonst wird der Verein ein Kontraverein für Dor-nach, der jedes Zuweisen aufsaugt. Wenn wir die Eurythmie um­gestalten zur Heileurythmie, dann kriegen wir sehr bald ein Sanato­rium. Ich werde im kleinen, bescheidenen Maßstabe den Versuch machen, um etwas zu zeigen. Ich bin gebeten worden, ob nicht etwas als Heileurythmie gemacht werden kann. Ich werde diesen Versuch machen. Sie werden sehen, da werden alle Leute kommen.

Wir müssen schon die Schule als solche als staatslose Schule, die aus dem freien Geistesleben geschaffen ist, betonen.

X. Man sollte konkrete Vorschläge machen zum Weltschulverein. Man sollte, ehe man an die Öffentlichkeit tritt, abwarten, wie das wirkt, was versucht ist. Jetzt sollte man nicht den Eindruck entstehen lassen, daß man nicht weiter kann.

Dr. Steiner: Wir haben so viel Anmeldungen, daß wir nur dann diese Anmeldungen entgegennehmen können, wenn wir mehr Beiträge bekommen. Haben Sie den Eindruck, daß der Aufruf so klingt, als ob wir Gefühle des Versagens haben? Ich wollte hervorrufen, daß von der Lehrerschaft betont wird, daß etwas erreicht worden ist mit der Schule, wofür sich die Öffentlichkeit interessieren kann, um beizu­tragen aus einem allgemeinen Interesse heraus. Die zahlreichen An­meldungen sind betont worden. Es schien mir wichtig, daß man mit den Zahlen aufwartet. Jetzt sind hundert da, die wir nicht aufneh­men könnten, wenn wir nicht Mittel bekommen. Ich würde vorschla­gen, daß man in einem sehr guten Aufruf hinschreiben würde: Es strömen uns die Kinder zu! - Dann würde ich vorschlagen, daß es jedenfalls ein Lehrer vorbringt, weil es viel mehr Eindruck macht. Nun müssen wir den Modus finden, daß uns nicht die Menschen

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sagen: Nun ja, wenn die Kinder zuströmen, dann sollen es auch die Eltern der Kinder bezahlen. - Es ist eine prinzipielle Sache, daß wir nicht von jedem Schulkind das Schulgeld bezahlen lassen können. Deshalb sind die Schwierigkeiten, die darin beruhen, daß wir Kinder aufnehmen, die nicht Schulgeld bezahlen.

X. stellt den Antrag, daß Heydebrand und Hahn den Aufruf im Sinne des Entwurfs ausarbeiten, und daß es heute abend vorgebracht wird.

Dr. Steiner: Ich habe nichts dagegen, weil es keine Versammlung ist. Es kann gemacht werden. Mir scheint, es müßte schärfer herausgear­beitet werden, so daß etwas Bestimmtes ins Bewußtsein der Men­schen fällt. Eine solche offizielle Erklärung scheint mir nicht gegen eine Privatwerbung zu wirken. Es ist vielleicht gut, in voller Öffent­lichkeit aufzutreten.

Es liegt der Antrag vor, daß die Sache nochmals vertagt wird, daß man mit geladenen Revolvern kommt. Ist dagegen etwas zu sagen? Wenn Sie heute noch eine Sitzung unter sich, unter irgend jemand von sich aus berufen wollen, so bitte ich das zu tun; ich kann am Nachmittag nicht.

X. fragt nach dem Lehrplan der 9. Klasse und nach der Errichtung eines Inter­nats. Es liegen verschiedene Vorschläge vor von Persönlichkeiten, die Kinder aufnehmen würden, um sich eine Existenz zu gründen, oder die sie nebenher aufnehmen würden. Dann die Frage der Reifeprüfung.

Dr. Steiner: Was den Lehrplan der 9. Klasse betrifft, so ist das eine eminent pädagogische Frage, etwas, was ganz gewiß vorliegen wird im Beginne des nächsten Schuljahres, was verbunden sein würde mit einem Kurs von fünf bis sieben neuen Vorträgen, die aufgesetzt wer­den müssen. Der würde dann für das Lehrerkollegium am Anfang des Schuljahres zu halten sein. Das eigentliche, das lehrplanmaßige Ein­richten der 9. Klasse, das ist etwas, was einen fünf- bis sechstägigen Kurs notwendig machen würde. Insofern würden wir die pädago­gische Ordnung vertagen können bis zum Beginn des nächsten Schul­jahres. - Wir müssen uns nur klar werden über die Besetzungsfragen der einzelnen Klassen.

Dann ist da die Frage der Reifeprüfung. Das ist eine nicht ganz leichte Sache aus dem Grunde, weil wir dadurch, daß wir auf die staatliche Anerkennung unserer Mittelschule hinarbeiten, ja eigent­lich unserem Prinzip untreu werden. Wir bringen uns in Abhängig­keit vom Staate. Wir haben nicht mehr das Recht, von einer staats-freien Schule zu reden. Wir bleiben nur treu, wenn wir die Kinder einfach darauf verweisen, daß sie sich einfach prüfen lassen müssen,

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falls sie eine Staatsanstellung wollen; daß sie sich prüfen lassen müssen auf einer Staatsschule' die ihnen das Recht gibt, eine Univer­sität zu besuchen. Sobald wir mit dem Staate zu verhandeln anfan­gen, begeben wir uns in seine Abhängigkeit. Er wird wahrscheinlich auch die Bedingung stellen, daß irgendein staatlich modellierter Stu­dienrat auch bei unserer Abgangsprüfung erscheinen soll. Die dürfen wir nicht in die wirkliche substantielle Einrichtung hineinlassen. Wenn sie die Schule anschauen wollen, da mögen sie es tun, wenn sie herumlungern. Aber in wirkliche Verhandlungen können wir uns nicht einlassen. Wir werden nicht untreu, wenn sich die Kinder, die doch in Abrahams Schoß zurückkehren, staatlich prüfen lassen.

Einen wirklichen Sinn hat die Begründung der 9. Klasse nur dann, wenn wir die Begründung einer vollständig freien Hochschule in Aus­sicht nehmen. Es hat nur einen Sinn, wenn wir eine freie Hochschule zu gleicher Zeit in Aussicht nehmen, und dann kann es uns egal sein, wie diese Reifeprüfung entschieden wird. Dann wird nur die Hoch­schulberechtigungsfrage in Aussicht genommen werden müssen. Das ist eine solche Frage, die wir vertagen. Bis dahin werden sich die Verhältnisse geändert haben, daß man einer solchen Hochschule die Anerkennung versagen kann.

Die Frage des Internats ist etwas, was wünschenswert ist. Sie hängt zusammen mit der Aufnahme von auswärtigen Schülern. Es wäre sehr schön. Alle Leute reden davon, daß sie ihre Kinder hierher-schicken würden. Wir kriegen gleich die zwei (X.)-Buben aus Dor-nach. Uns sind sie vorläufig auf den Dächern herumgetanzt. Sie können das Tanzen fortsetzen auf der Nase der Internatsleitung. Das wird ja verlockend sein.

Es wird gefragt, in welcher Farbe die Bänke angestrichen werden sollen.

Dr. Steiner: Das kann wohl gemacht werden, das Anstreichen der Bänke. Ein lila Anstrich; bläulich, hell. Das kann mit gewöhnlichen Farben geschehen. Die Dornacher Farben können aus geldlichen Gründen nicht realisiert werden.

Ich habe eine Mappe aus Dornach mitgebracht. Es handelt sich darum, daß in Dornach eine kleinere Anzahl von Kindern von Herrn

B. in dieser Weise sehr gut vorwärts gebracht worden ist. Es sind Zeichnungen, die die Kinder so gemacht haben, daß ihnen eigent­liche Motive gegeben worden sind, und es kommt dabei die Indivi­dualität der einzelnen Kinder gut heraus. Wenn wir auf eine Stunde zusammenkommen, dann werde ich Ihnen diese Mappe suchen und auseinandersetzen. Es ist immerhin wichtig, wenn Sie daran denken,

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etwas zu veröffentlichen. Die kleine G. W. hat mir gesagt, als ich ihr erzählte: ,,Eure Zeichnungen werden wir in der Waldorfschule zei­gen": ,,Jetzt modellieren wir auch schon." Es sind die Individuali-täten der Kinder ganz famos zum Ausdruck gekommen. Ich denke nicht daran, das zu einer Norm zu machen. Ein anderer mag es anders machen, aber man kann daran viel lernen. Was B. will, ist, daß er den Kindern das eine oder andere erzählt; dann läßt er sie, nachdem er ihnen ganz spärliche Anleitungen gegeben hat, einfach nach ihren Ideen das, was er erzählt hat, in Formen zum Ausdruck bringen. Das haben die Kinder untereinander besprochen.

Am Nachmittag fand dann eine Besprechung statt in einem erweiterten Kreise, ohne Dr. Steiner, über die Möglichkeiten, Geld zu beschaffen und über die Gründung des Weltschulvereins. Am Abend war ein öffentlicher Vortrag Dr. Steiners: ,,Wer darf gegen den Untergang des Abendlandes reden? (Eine Gegenwartsrede.)"


Konferenz vom Freitag 30. Juli 1920, 15 Uhr

X. Die Anstellung neuer Lehrer müßte besprochen werden.

Dr. Steiner: Es handelt sich also um die Personalfrage. Es handelt sich darum, daß unser bisheriger Lehrer für den Handfertigkeits-unterricht nicht das leisten konnte, was man von ihm erwarten muß, und daß deshalb an einen Ersatz gedacht werden muß. Es ist viel­leicht nicht notwendig, über die Einzelheiten zu sprechen. Ich weiß nicht, inwiefern es bekannt ist. Es handelt sich darum, daß er einer­seits nicht fertig wurde mit den großen Klassen, daß er gesagt hat, daß die Kinder der oberen Klassen nicht zur Arbeit kämen. Das zeigt sich auch dadurch, daß die Kinder der oberen Klassen nicht fertig geworden sind.

Es ist ihm schwer geworden, sich in ein Gebiet, das er zu betätigen hat, hineinzufinden. Es zeigte sich mir, daß er nicht die genügende praktische Begabung hat, daß die Arbeiten, die er machen läßt, nicht gut sein können, weil er selbst nicht den Blick dafür hat, was exakt ist. Manche dieser Arbeiten blieben Spielereien und wurden nicht zu dem, was sie sein sollten. Die Kinder haben kein exaktes Arbeiten bei ihm gelernt. Im Gartenbauunterricht, da blieb die Arbeit darin stecken, daß jedes Kind ein kleines Gärtchen bekam, wo die Kinder

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wild das draufsetzten, wozu sie Lust hatten, das mehr ein Kinder­gärtchen als ein Schulgarten geworden war.

Was aber das Schwerwiegendste ist, das ist, daß er kein Herz für die Dinge aufgebracht hat, die ihm oblagen; daß sein Interesse darin liegt, sich mit gutem Studium zu beschäftigen, daß aber darüber das, was eigentlich zu tun gewesen wäre - eine Durcharbeitung seines Gartenunterrichts zu pflegen -, eben nicht geschah. So daß für mein Urteil schließlich nichts übrig bleibt, als sich nach einer besseren Kraft umzusehen. Ich glaube, daß eine wirklich künstlerische Durch­dringung des Handfertigkeitsunterrichts von seiner Seite nicht möglich sein wird. So wie sich die Dinge entwickelt haben, ist es unmöglich, daß wir ihn im Kollegium weiter haben. Er ist kein Mann, der sich hineinfindet in den Geist der Schule.

X.: Es ist natürlich wichtig, weil wir ihn hergebracht haben, daß wir ihn auch so unterbringen, daß er nicht zu einem Feind wird, wenn wir ihn absetzen.

Molt: Ich werde das meine Sorge sein lassen, zu sehen, wie wir ihn unterbrin­gen.

X. Ich wollte nur bemerken, daß ich die Sache nicht ganz verstehe. Y. hat sich große Mühe gegeben, sich in den Geist der Sache hineinzufinden. Er hat meine Kinder gut beurteilt. Im Gartenbau ging es gut mit meiner Klasse. Ins Künstlerische wird er sich hineinfinden.

Dr. Steiner: Das wird schwer gehen. Das Künstlerische bezog sich auf den Handfertigkeitsunterricht. Da ist es so, daß er kaum sich wird hineinfinden können.

X. Er hat den besten Willen. Er wird es sehr schwer empfinden. Er will in den Ferien Schresneres noch besser lernen, auch Schuhmacherei.

Frau Dr. Steiner: Ich glaube zu bemerken, daß Y. etwas Zutrauliches hat.

Dr. Steiner: Das ist zweifellos, daß er sich gern mit den Kindern beschäftigt, daß er ernsthaft hinein will. Es fehlt an verschiedenen Stellen. In dem Moment, wo ich mehr das eine oder das andere hervortreten sah, immer mußte ich zu dem Entschluß kommen, daß es nicht möglich ist, ihm diese Sache zu überlassen.

X.: Ist ein Grund da, ihn als Mensch auszuschließen, oder könnte man ihn anderswo, etwa in der Bibliothek, beschäftigen?

Dr. Steiner: Nicht wahr, es ist schwierig, das klipp und klar auf eine Formel zu bringen. Ich glaube, daß es ihm schwer wird, sich in den ganzen Geist der Schule hineinzufinden, weil er dazu noch nicht den Geist in sich hat.

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Nun, nicht wahr, es ist ja so, einer der darin ist, der kann mitgezogen werden. Aber glauben Sie denn, daß es auf die Dauer möglich ist, ihn für den ganzen Handfertigkeitsunterricht zu haben? Für den ganzen Handfertigkeitsunterricht ihn zu haben, würde nicht möglich sein. Es würde möglich sein für die vier unteren Klassen, wenn wir einen Lehrer für die höheren Klassen hätten. Ob er geistige Kapazität dazu hat, in den höheren Klassen Handfertigkeit zu geben, das bezweifle ich. Ich habe angesehen, wie gearbeitet wird. Das ist ganz schön für die kleinen Kinder, wenn sie sich überhaupt anstrengen. Aber später, wo ein gewisser kunstgewerblicher Geist hinein muß, ist es eine Frage, ob er den Geist bekommen kann. Es macht große Schwierig­keiten, und es muß viel umgedacht werden, wenn er bleiben sollte. Ich habe den Eindruck bekommen, daß dies die allgemeine Meinung des Kollegiums ist.

Der Mann hat dichterischen Ehrgeiz, aber er bildet sich sehr viel ein. Er hat einen Fond von gutem Willen. Mir tut er leid, weil ich glaube, daß sich in ihm ein starkes Ressentiment entwickeln wird. Schwierig­keiten macht es immer, wenn so jemand, der eine gewisse persön­liche Note in den Dingen hat, in so etwas wie die Schule hinein­gestellt ist. Er hat in all den Dingen eine persönliche Note. Er ist wenig auf das Sachliche eingestellt. Er möchte ein Mensch sein, der es dazu gebracht hat, Waldorflehrer zu sein. Er möchte Dichter sein. Er möchte, daß die Kinder zu ihm Zutrauen haben. Die besonderen Eigenschaften, die er hat, all das fordert das Mitleid heraus. Es müßte gesorgt werden, daß ihm ein Ersatz geschaffen wird. Aber schwierig wird es immer sein mit ihm. Denn er wird gewisse Dinge aus dem Geist der Waldorfschule heraus gar nicht verstehen, besonders auch im Handfertigkeitsunterricht selbst. Es ist furchtbar schwer, aufdie­sem Gebiet, wo Sachlichkeit notwendig ist, das Mitleid spielen zu lassen. Es führt leicht auf Abwege.

Ist denn eine Möglichkeit vorhanden, daß man die Sache so löst, daß man ihn in den vier unteren Klassen hat? Das wäre wünschenswert. Wir kommen dadurch auf ein mächtiges Budget. Die Schule wird größer.

Molt: Mir scheint, nur um eine Sinekure zu schaffen, dafür ist kein Geld da, wo wir neulich gesehen haben, daß wir mit jedem Pfennig rechnen müssen. Das wird nötig sein, daß man im Zusammenhang der Firma etwas unter­nimmt, daß ihm nicht geschadet wird und nicht wehgetan wird.

Dr. Steiner: Untergebracht muß er werden. Man muß sehen, wie man ihn unterbringt. Ein sehr schwieriger Fall.

Sachlich ist dies zu sagen, daß er der Aufgabe nicht gewachsen war.

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Er hat nicht den künstlerischen Geist. Ich glaube nicht, daß er sich in den hineinfinden würde. Wie gesagt, es würde das gar nicht schaden, wenn er die unteren Klassen haben würde, ein anderer die oberen Klassen. Oftmals wird dadurch am meisten erreicht. Die Kinder wer­den einfach arbeiten. Nachher, wenn sie sich mittätig erweisen müssen, ist es um so besser. Sachlich ist nichts einzuwenden für die untersten Stufen, aber für die oberen Stufen reicht er nicht mehr aus.

X.: Ist es beabsichtigt, alles in einer Hand zu lassen?

Dr. Steiner: Das sind budgetäre Fragen. Beim Handfertigkeitsunter­richt ist es so, daß man sich nach der Decke streckt. An sich wäre wünschenswert, daß der Handfertigkeitsunterricht recht stark aus­gebaut wird. Wenn wir einen Handfertigkeitslehrer haben, würden wir auskommen, wenn wir von der 6. Klasse an den Unterricht geben lassen. Etwas anderes kommt dadurch herein, daß wir Gartenbau­unterricht geben. Das erfordert auch eine sachverständige Kraft. Ich würde am liebsten sehen, wenn wir zwei hätten, daß der eine das eine Jahr den Handfertigkeitsunterricht gibt, der andere den Gartenbau-unterricht gibt.

Es kommen die Dinge in Betracht, daß wir für die Schule gewisse Schwierigkeiten haben, wenn wir ihn behalten.

Ich habe den Eindruck gehabt, daß es die Meinung des ganzen Kolle­giums sei; ich habe anfangs gemeint, es sei eine beschlossene Tat­sache. Aber jetzt, wo ich sehe, daß es nicht so ist, ist es gut, daß wir uns unterhalten haben und daß wir erfahren haben, daß es nicht so ist.

X. Ist es nicht möglich, das früher zu bemerken, daß ein Mensch nicht taugt für diese Arbeit?

Dr. Steiner: Ich habe es schon lange bemerkt. Ich habe es schon Weihnachten und im Februar gesagt. Ja, nicht wahr, ich bin ja nicht gern darauf eingegangen, weil es mir eine schreckliche Sache war, was leider oft vorgekommen ist, daß Leute ausgeschlossen worden sind. So ging ich darauf nicht gerne ein. Es sind manche Momente dazugekommen in den letzten Tagen, die die Sache plausibler erscheinen lassen.

Ja, dann wird nichts übrigbleiben, als daß wir eine andere Lösung suchen. Dann müssen wir eine andere Lösung suchen.

X. Jedenfalls muß eine erste Kraft für den Handfertigkeitsunterricht herkom­men. Es läßt sich so machen, daß man ihn einer ersten Kraft als zweite Hilfe gibt. Herr X. wollte sich damals um die Handfertigkeit annehmen.

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Dr. Steiner: Ich habe gesagt, daß es am besten ist, wennjemand, der im Lehrerkollegium ist, selbst Schuhe machen lernt. Es war nicht meine Meinung, daß wir einen Handwerker anstellen. Es muß der Handfertigkeitsunterricht aus dem Lehrerkollegium hervorgehen. Y. war plötzlich da. Erwähnt worden ist er mir nur ganz flüchtig. Es war ja nicht der Gesichtspunkt, ihn ganz zum Handfertigkeitslehrer zu nehmen.

X. Ins Lehrerkollegium ist er hereingewachsen, ohne daß es bestimmt war, daß er hereinkommt.

Dr. Steiner: Jetzt sind wir in einer gewissen Weise dadurch gefangen. Solche Dinge sollte man nicht so nehmen. Neulich, wir haben auch davon gesprochen, war ich sehr überrascht, als jemand, der über­haupt noch nicht in Betracht kommt für das Lehrerkollegium, bei der Sitzung dabei war. Wer noch nicht im Kollegium tätig ist, kann doch nicht bei der Sitzung dabei sein.

X. Ich glaube, daß man ihn ruhig als zweite Kraft nehmen könnte.

Dr. Steiner: Es wird für eine Kraft zuviel werden, die Gartenarbeit und der Schuhmacherkurs. Dann muß es vom Budgetgesichtspunkt möglich sein, ihn zu besolden.

Molt: Da möchte ich sagen, daß sich das Budget den großen Gesichtspunkten unterordnet.

Dr. Steiner: Es hat sich bis jetzt kein Schaden gezeigt, wenn er darin war; es kann der Schaden sich erst zeigen, wenn er draußen ist. Er ist zum Lehrer sozusagen geworden auf eine Weise, wie mir das mehr­fach in Stuttgart entgegengetreten ist. Wenn man fragt, wie sind sie hineingekommen, so ist es so, die Leute haben sich hineingeschoben. Sie treten plötzlich auf. Ich kann nicht dahinterkommen, wie sie stufenweise aufgerückt sind. Nun, nicht wahr, das geht doch nicht auf die Dauer.

Nicht wahr, Herr X.' Sie müssen denken, daß man auf die Dinge baut. Es hat sich darum gehandelt, daß abgesprochen war, daß Sie der geistige Umfasser des Handfertigkeitsunterrichts sind. Ich bin gefragt worden von Herrn Molt, ob der Y. in Betracht kommen wird als Handlanger von Ihnen. Aber davon war ich betroffen, daß er hier im Lehrerkollegium gesessen ist. Als Lehrer der Waldorfschule war er nicht in Aussicht genommen. Das bestätigt sich ganz gut, denn er ist Arbeiter der Waldorf-Astoria und ist abkommandiert hierher. So ist gar nicht die geringste Berechtigung gewesen, ihn hier ins Lehrer­kollegium hineinzusetzen.

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X.: Ich glaube, daß wir zu einer intimen Arbeit nicht kommen können, wenn jemand unter uns ist, der nicht hineingehört

Dr. Steiner: Wenn er schon einmal da ist, würde das nicht in Betracht kommen, wenn er in dem Fache tüchtig wäre, wenn sich nicht andere Schwierigkeiten hinzugesellten, daß Y. nicht mehr im Kollegium sein kann.

X. Es war ein Fehler, ihn hereinzunehmen.

X. Diejenigen, die den Fehler begangen haben, das sind wir.

Dr. Steiner: Tragen wird ihn die Waldorfschule. Geradeso wie in der Anthroposophischen Gesellschaft Fehler gemacht worden sind, und trotzdem immer dieselben Fehler gemacht worden sind, mußte immer ich darunter leiden. Unter jedem Herausgeschmissenen mußte ich leiden! Hier wird die Waldorfschule darunter leiden, das ist selbstverständlich. Ich halte es für besser, sie leidet von außen als von innen.

Nach weiteren Erörterungen:

Dr. Steiner: Nun, nicht wahr, da müssen wir halt versuchen, ihn zu behalten, wenn es nicht anders geht.

Nach einer weiteren Besprechung am andern Tag, von der keine Notizen vor­liegen, wurde Y. mitgeteilt, daß er nicht mehr an der Waldorfichule mitarbei­ten könne.

Dr. Steiner: Es ist gar nicht von vornherein ausgemacht gewesen, daß jeder Fachlehrer im Lehrerkollegium sitzen soll. Es sollte da sein ein engeres Kollegium, in dem die Klassenlehrer sind mit den älteren Fachlehrern, und daneben das erweiterte Kollegium.

X. Mir scheint der Gesichtspunkt der zu sein, daß niemand im Kollegium sein sollte, der nicht von Herrn Doktor berufen ist. Daß nicht jedes Hiersein in irgendeiner Position einfach das selbstverständliche Beisitzen beim Kollegium zu bedeuten hat.

X. Wer soll denn beim Kollegium sitzen?

Dr. Steiner: Ja, im Kollegium sollten nur die sitzen, die leitende Lehrer sind, die ausübenden, nicht die beurlaubten. Im Kollegium müßten im Grunde genommen diejenigen sein, die ursprünglich zur Schule gehört haben, und die, die später gekommen sind, bei denen man es bedauern kann, daß sie den Kursus vom vorigen Jahr nicht gehört haben. Wer als wirklicher Lehrer hereinkommt, darüber ist

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immer verhandelt worden. Erstens müßte man ausübend sein, wenn man hier sitzt, zweitens müßte man wirklicher Lehrer sein.

Frau Molt: Dann gehöre ich auch nicht dazu.

Dr. Steiner: Sie sind Schulmutter. Das war von Anfang an in Aus­sicht genommen gewesen. Frau Doktor sitzt hier als Leiterin der eurythmischen Abteilung, Herr Molt als Protektor der Schule. Das war von Anfang an in Aussicht genommen, da ist kein Zweifel.

Wenn es besprochen ist, da ist nichts zu sagen; auch als Baravalle einmal darin war. Er hatte die Vertretung, er war ausübend, das ist besprochen worden. Da wußte man auch, daß er in ein Verhältnis zur Schule kommt, weil er einmal eine erste Kraft sein wird.

Jetzt fragt sich nur, wer als Lehrer noch in Betracht kommt.

X. Müßte der neue Lehrer Anthroposoph sein, oder kann es ein Außen-stehender sein?

Dr. Steiner: Da bin ich nicht darauf versessen. Das ist schon durch­gesprochen.

Für den Handfertigkeitsunterricht würde ich vorschlagen, daß mit Wolffhügel verhandelt wird, um zu sehen, ob er will. Ich glaube tatsächlich, daß der Wolffhügel sich eignen könnte. Das wäre glän­zend. Er ist Maler und arbeitet in einer Möbelschreinerei. Das wäre ausgezeichnet.

Jetzt muß man nur wissen, wer von den neu zu Berufenden in die Konferenz kommt. Wolffhügel käme selbstverständlich für die Kon­ferenz in Betracht.

Im Handarbeitsunterricht war ich nur wenig darinnen, aber das eine Mal mußte ich mir sagen, warum hat das Kind keinen Fingerhut? Ich habe immer gesagt, wir müssen die Kinder daran gewöhnen, mit Fingerhut zu nähen. Es kann das Kind nicht ohne Fingerhut nähen, das geht nicht an.

Man kann nicht vorher wissen, daß ein Lehrer die Kinder nicht ruhig halten kann. Im allgemeinen, glaube ich, kann man es schon wissen, aber man kann Überraschungen erleben. Man kann es nicht von vornherein sehen.

Dann würden wir für die ersten Klassen zwei Lehrer brauchen. Da würde ich für die Klasse 1 b vorschlagen Fräulein Maria Uhland und für die Klasse a den Killian. Ich würde meinen, daß man beide provi­sorisch anstellt, auf Widerruf, und sie noch nicht ins Kollegium auf­nimmt

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Dann hat die 2. Klasse Fräulein v. Mirbach

die 3. Klasse Pastor Geyer

die 4. Klasse Fräulein Lang

die 5. Klasse Frau Koegel.

Dr. Schubert hat die Schwachen, die Hilfsklasse,

die 6. Klasse Fräulein Dr. v. Heydebrand.

Dann brauchen wir noch jemanden. Da wäre Baravalle eine aus­gezeichnete Kraft für die zweite 6. Klasse. Ich würde doch meinen, daß wir den Baravalle nehmen. Er kann den Doktor auch hier machen.

Die gesamte 7. Klasse übernimmt Dr. Kolisko.

Dann würde ich meinen, daß wir es mit der 8. und 9. Klasse machen wie bisher mit der 7. und 8. Wie haben Sie das gemacht?

X.: Wir haben wochenweise gewechselt. Wir haben den Eindruck, wenn wir zum Ursprünglichen zurückgekehrt sind, wenn wir tageweise gewechselt haben, daß wir dann die Klasse nicht gut kennengelernt haben.

Dr. Steiner: Der Gesichtspunkt ist, daß es besser ist, acht Tage lang vorzutragen. Besser wochenweise als tageweise.

X.: Warum wir zwei unsere Klasse nicht so gekannt haben, darüber bin ich mir nicht ganz im klaren. Die Tatsache ist die, daß ich die Kinder am wenigsten von allen Kollegen kennengelernt habe. Könnte Herr Doktor etwas sagen, was daran schuld ist?

Dr. Steiner: Das wird nicht besser, bis Sie ganz genau das Rationelle in bezug auf die Behandlung und den Gang des Lehrstoffes haben. Sie haben sich erdrückt gefühlt. Sie sind überhaupt wenig mit den Schülern in Kontakt gekommen. Sie haben zuviel vorgetragen.

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Konferenz vom Samstag 31. Juli 1920, 17.30 Uhr

Dr. Steiner: Was ist vorzubringen? Wer wünscht das Wort?

X. Ich woTlte die Verteilung des Sprachunterrichts vorbringen.

Dr. Steiner: Es würde sich im wesentlichen darum handeln, daß der Sprachunterricht mit den Klassen weiterläuft, daß die bisherigen Lehrer auch in den folgenden Klassen den Sprachunterricht haben. Nur würde etwas neu hinzukommen durch die 1. Klasse. Wie viele Klassenlehrer haben den Sprachunterricht in ihrer Klasse selbst gege­ben? Fräulein Lang und Frau Koegel beide Sprachen; Geyer, Fräu­lein Dr. v. Heydebrand, Fräulein v. Mirbach und Kolisko eine Spra­che. Im nächsten Jahre wird Fräulein Uhland in ihrer 1. Klasse beide Sprachen übernehmen, vielleicht auch Killian in der seinigen.

Im Lateinischen übernimmt Dr. Schubert die Anfänger in der 4., Geyer die 5. und 6. Klasse.

Es wird sich erst zeigen, wie viele Lateiner sich melden. Die Begeiste­rung ist nicht groß.

Im freien Religionsunterricht würde Hahn die 1.-3. Klasse als eine Gruppe zusammennehmen, und ebenso als eine Gruppe die 7. bis 9. Klasse. Dann brauchen wir für die 4., 5., 6. jemanden. Was tut man da?

Ja, wie wäre es, wenn wir Herrn Uehli dazu einladen würden? Es wäre eine Lösung. Nicht wahr, er hat nicht viel Zeit, aber zwei Stun­den in der Woche, das würde vielleicht gehen. Ich würde also Herrn Uehli in Aussicht nehmen für die Gruppe der 4.-6. Klasse.

Wenn sonst nichts zu besprechen wäre, würde ich etwas vorbringen, was von einigen gewünscht wurde, die Frage des Weltschulvereins.

X. Wir meinten, man sollte unmittelbar herantreten an die Gründung des Weltschulvereins, der Geld sammeln soll, sei es für Schulen, sei es für das Goetheanum. Der Waldorfschulverein sollte dann Mitglied des Weltschulver­eins werden.

Dr. Steiner: Wie stellen Sie sich das vor, daß diese Gelder zentrali­siert und von einer Stelle verwaltet würden? Wir können doch nicht das, was gestern abend nach dem Vortrag gefordert wurde, zentrali­sieren. Das wird für die Waldorfschule gesammelt. Es sollte das, was für die Waldorfschule gesammelt wird, nicht in den Hintergrund treten. Sollen wir eine Versammlung einberufen und sagen, außer dem, was wir gestern gemacht haben, machen wir auch das dazu?

Es wird ausgiebig über den Verlauf des gestrigen Abends gesprochen.

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X. Was gestern getan wurde, bezieht sich auf die Sammlung für die Waldorf-schule sp eziell. Und was von seiten eines Weitschulvereins getan werden könnte, bezieht sich darauf, Geld zu bekommen für alle Unternehmungen, so daß eine Konkurrenz zwischen diesen verschiedenen Sammlungen, die von verschiedenen Stellen unternommen werden, nicht mehr vorhanden wäre.

Dr. Steiner: In einem gewissen Sinn ist sie vorhanden. Wir können warten, bis diese Sache, die gestern ventiliert worden ist, verwirk­licht ist, dann können wir daran denken, einen Weltschulverein zu gründen. Wenn also klar vorliegt, was für den Waldorfschulverein herauskommt, dann erst würde man mit der Gründung des Welt­schulvereins an die Menschen herantreten. Fortwährend probieren können wir nicht. Denn durch das, was gestern geschah, ist der Plan des Weitschulvereins durchkreuzt worden. Ich sage gar nicht, daß das schade ist. Aber man kann nicht zwei solche Dinge nebeneinander machen.

X. Könnte der Weitschulverein nicht von Dornach aus gegründet werden?

Dr. Steiner: Das brauchen wir hier nicht zu beschließen. Das würde dem nicht hinderlich sein, daß hier für die Waldorfschule gesammelt wird. Dann würde es unsere Aufgabe sein, uns dahinterzustellen, wenn es von Dornach ausgeht.

X. Der Eurythmeumsplan dürfte nicht zurückgestellt werden; der darf nicht erledigt sein.

Dr. Steiner: Der ist wohl erledigt durch die ganze Stimmung, die geschaffen ist. Schließlich war schon das furchtbar lächerlich, daß ich mich dagegen wehren mußte und die Sache in einer durchaus nicht genügenden Weise korrigieren mußte. Aber nun, so etwas ist geschehen. Man muß nur jetzt die Konsequenzen ziehen! Dumm­heiten, die man macht, sind dazu da, daß man sie verbessert: Eine große Sache darf dadurch nicht leiden. Das einzelne erscheint da­durch als der Ausdruck einer Korporation.

X. Herr Doktor, Sie hatten doch die Aufgabe gestellt, über den Namen der Schule nachzudenken. Da mußte man doch annehmen, daß die Angelegenheit des Weltschulvereins unsere Sache sein sollte.

Dr. Steiner: Ich habe gesagt, der Name müßte das staatslose enthal­ten. - Nicht wahr, ich habe dazumal gemeint, daß die Schwierigkei­ten, die darin bestehen, daß Leute von auswärts ihre Schulen da oder dort haben wollen, wenn sie nicht nach Stuttgart herkommen können, daß diese Schwierigkeiten umgangen werden könnten, wenn man in großem Stile einen Weltschulverein begründen wollte,

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der die Aufgabe hätte, solche Schulen überall zu gründen. Da sagte ich, daß man damit anfängt, die Waldorfschule auch in bezug auf die Mittel, die sie braucht, zu unterstützen. Es war das aber nicht so gemeint, daß wir uns damit beschäftigen wollten. Es würde aktuell geworden sein, wenn man die Sache so wollte. Das ist durchaus der Fall. Real können wir es jetzt nur aufschieben, bis der gestern gemachte Appell seine Wirkung getan hat. Wir können jetzt nicht von hier aus uns hinstellen und sagen: Nun ja, wir haben gesagt, daß 256 000 Mark für die Waldorfschule gesammelt werden. Heute ste­hen wir wieder da, nur geben wir dem Kinde einen anderen Namen. Jetzt sammeln wir für den Weltschulverein.

X. So war es nicht gemeint. Von mir aus war es so gemeint, daß wir uns hinter diese Absicht stellen wollen, daß ein solcher Weltschulverein zustande kommen sollte.

Dr. Steiner: Was hat das für eine reale Bedeutung? Wenn Sie gestern in Ihrer Rede zu dem, wie die Schule sich bewährt hat, und daß wir gewillt sind, nun jetzt wieder eine Sammlung einzurichten, hinzu-gesagt hätten, daß wir den Weltschulverein gründen wollen, dann wäre er jetzt auf der Tagesordnung. Wir können hier nicht den Welt­schulverein gründen. Es ist nicht meine Meinung gewesen, daß hier das Kollegium den Weltschulverein begründet. Es kommt keinen Schritt weiter, wenn wir es noch so stramm beschließen.

X. Ich hatte es so verstanden, daß wir Herrn Doktor bitten wollten, uns einige weitere Winke zu geben.

Dr. Steiner: Es scheint manches verfrüht. Es scheint wohl verfrüht, irgend etwas über die Arbeit eines solchen Vereins zu sagen. Er ist jetzt nicht aktuell. Nicht wahr, er wäre das Instrument gewesen, wenn wir uns wirklich ganz stramm auf den Standpunkt gestellt hätten: Wir führen die Schule nicht weiter, wenn wir nicht der Welt begreiflich machen können, daß sie Opfer bringen muß für die Sache. So war zunächst die Erklärung, die wir abgeben wollten. Das Bild hat sich verschoben, vor allen Dingen dadurch, daß die lächerlich kleine Summe dessen, was wir brauchen, herausgekommen ist. Sie ist eine Illusion, weil das zweieinhalbfach überschritten wird. Aber nun, nicht wahr, diese Summe wird sicher aufgebracht, das steht fest. Dann ist der nächste Zweck erreicht.

X. ob man Zeitungsberichte in norwegischen und holländischen Zeitungen bringen solle. ob das etwas helfen würde?

Dr. Steiner: Wenn es jemand tut, gewiß. Alle diese Dinge sind gut.

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wenn sie getan werden, sehr gut sogar. Das braucht man nicht zu beschließen, das kann jemand tun.

Ja, dann hätten wir unsere Fragen jetzt wohl erledigt, wenn nicht etwas aus dem Kollegium herauskommt. Es tut mir sehr leid, daß allerlei zum Vorschein gekommen ist, was vielleicht nicht gerade harmonisch untereinander war.

Ich habe nur sagen wollen, daß es mir leid tut, daß es nicht besser geschlossen hat. Jetzt werden wir nicht mehr zusammenkommen. Ich möchte allen eine recht gute Zeit und eine auch für das nächste Jahr fruchtbare Zeit wünschen. Für manche wird es eine harte Arbeitszeit, wenn irgendwie das in Betracht kommt, was wir bespro­chen haben. Es ist nicht die Möglichkeit, daß ich jetzt eine längere Rede halte. Wir wollen frisch und kräftig das nächste Mal die Schule beginnen.

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Konferenz vom Dienstag 21. September 1920, 11-12 Uhr Nach dem dritten Vortrag des Kurses über „Meditativ erarbeitete Menschenkunde“

Dr. Steiner: Der Professor Ahderhalden war in Dornach. Er konnte nicht verstehen, was er mit dem Vorder- und Hinterknoten im Rückenmark machen soll. Das bewegt die meisten solcher Menschen; nicht etwa auf die Sache sich einzulassen, sondern sie denken sich, wenn ich da hineinsteige, dann wird es ungemütlich. Lieber ein biß­chen fernbleiben!

Sonst hat er ziemlich radikale Ansichten. Er hat gesagt: Was Sie ausgeführt haben über das Turnen - vom physiologischen Stand­punkt ist das Turnen eine Barbarei! Ich sagte ihm: Bitte, sagen Sie das nur, Sie haben eine Professorenstellung. Wenn jemand anders das vertritt, verärgert es die Leute. Der Physiologe kann es den Leuten schon sagen.

Eine Sache ist höchst interessant. Er sagte, in derZeit, in der dazumal die Revolution gespielt hat, da bekamen einzelne einen Stich. Da hat er den Antrag gestellt, daßjeder Professor sich sein Lehrfach einrich­ten kann, wie er will. Da haben die anderen sich gar nichts dabei vorstellen können. So sagt er selbst.

Beginnen wir unsere andere, mehr pädagogische Arbeit. Es handelt sich darum, daß wir ins klare kommen müssen über manche Dinge, die wir - mitverursacht durch andere Überarbeitungen - zum Teil genötigt waren, in Regionen des Dunklen sich abspielen zu lassen, und die heute zur Klarheit gebracht werden können.

Es hatte Meinungsverschiedenheiten gegeben über die Stellung der Schule und des LehrerkoHegiums zur Waldorf-Astoria-Fabrik. Dann war ein Statut ausge­arbeitet worden, in dem unter anderem enthalten war, daü die Lehrer nicht mehr, wie bisher, von der Waldorf-Astoria-Fabrik aus angestellt werden soll­ten, und in dem auch die Stellung Dr. Steiners als des Leiters der Schule fest­gelegt werden sollte.

Dr. Steiner: Wollen Sie, Herr Molt, das Wort ergreifen?

Molt spricht ausführlich über die vorliegenden Schwierigkeiten, besonders über seine eigene Stellung zum Lehrerkollegium, über das Statut und über einen Vorschlag, Dr. Steiner zum Vorsitzenden zu wählen.

Dr. Steiner: Ich meine, es könnte von vorneherein - das ging aus der Rede des lieben Herrn Molt hervor - ausgeschaltet werden diese Wahl von mir zum Vorsitzenden. Ich glaube nicht, daß durch den

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Statutenparagraphen in bezug auf mich das geringste geändert wor­den wäre.

Dann bitte ich, sich daran zu erinnern, daß die Ernennungen neuer Lehrer eigentlich immer im Lehrerkollegium besprochen worden sind. Das würde ich weiter gerne so halten. Ich glaube, daß wenig­stens Ideale mitzuarbeiten haben, und daß eigentlich die Sache so liegen müßte, daß das Lehrerkollegium voraussieht, daß man bei der Ernennung einiges durchschaut und daß man auf das Urteil etwas gibt. Mitteilen würde ich schon immer, was da geschieht. Ich würde niemals ausschließen, daß, wenn die eine Seite die entsprechenden Vorschläge macht, von mir auf diese Vorschläge eingegangen wird. Diese Dinge sind so, daß sie sich statutarisch nicht festlegen lassen. Wenn man es festlegt, so wird das die Sache nicht treffen. Dies soll vielleicht nichts anderes sein als ein bißchen Richtigstellung, damit nicht noch mehr Mißverständnisse gehäuft werden.

Mir kommt es vor, daß schon Dinge im Hintergrund stehen, die vieles erklären. Als ich in Berlin davon hörte, da schien mir das doch mehr oberflächlich zu sein, aber darunter schienen gewisse Sorgen zu leben; etwas, was sicher nichts zu tun hat mit einer Disharmonie zwischen Herrn Molt als Protektor und der Lehrerschaft, was aber etwas zu tun hat mit gewissen Sorgen. Und da wäre es natürlich schon wünschenswert, daß dann auf diese wahren Grundlagen, auf diese gemeinsamen Sorgen etwas eingegangen würde. Äußere Ein­flüsse dürfen nicht in die Sache hineinspielen. Aber Sorgen, die wir gemeinsam haben, die, wie das schon ist, in dieser Weise zur Explo­sion kommen, die bespricht man lieber als Sorgen, als daß sie sich durch eine Explosion entladen sollten. Wer wünscht zu sprechen?

X.: Ich habe das Statut gemacht, um die Form des Zusammenarbeitens zu regeln. Wichtig war die Selbständigkeit des Kollegiums in geistigen Dingen, als Korporation geistiger Arbeiter, und dazu gehört ja auch die Anstellung und Entlassung der Lehrer. Es lag mir daran, die Form zu finden, die richtig aus drückt, wie Dr. Steiners Stellung zum Kollegium sich darstellt.

Dr. Steiner: Mir ist es schwer, zu einem Statut Stellung zu nehmen, weil mir jedes Statut gleichgültig ist. Man kann die Sache nur so machen, wie sie von Tag zu Tag gefordert wird. Statuten sind not­wendig der Außenwelt gegenüber, daß es nach etwas aussieht. Des­halb ist es mir immer schwer, zu einem Statut Stellung zu nehmen, weil es mir viel zu gleichgültig ist. Ich glaube nicht, daß durch ein Statut in einer Sache irgend etwas Wesentliches geändert werden kann.

Nicht wahr, klären kann es sich nur dadurch, daß wirklich aus dem

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Kreise der Freunde heraus gesprochen wird; daß vom Kollegium selbst gesagt wird, wie die Sache aufgefaßt wird, wie man sich denkt, daß das werden soll.

Mehrere Lehrer sprechen über ihre Auffassung.

Dr. Steiner: Das ist schon dasjenige, was ich gemeint habe. Es haben sich Dinge nach oben hin explodierend entladen in der Statut- und Exposegeschichte, welche im Leben ineinanderspielen. In den Statu­ten konnte man sie auseinanderhalten. Die Sorgen, die ich gemeint habe, sie sind so einzusehen. Nicht wahr, man kann lange diskutie­ren, ob es eine geistige Angelegenheit des Kollegiums ist oder nicht, sich um die Finanzen der Schule zu kümmern; man kann beweisen, es ist eine Angelegenheit des Kollegiums, sich um die Finanzen zu kümmern, dennoch gehört dazu das Gefühl einer gewissen Sicher­heit, daß die Schule fortbestehen wird. Es läßt sich nicht ausschal­ten, das Gefühl der Sicherheit oder Unsicherheit über das Bestehen der Schule. Und den letzten Stoß hat das ganze, was sich entladen hat in den letzten Tagen, es hat ja vorher schon geglimmt, den letzten Stoß hat es erfahren - das glaube ich, scheint mir aus diesem Exposé hervorzugehen - durch das, was sich abgespielt hat am Ende des letzten Schuljahres in der Besprechung der nächsten Finanzierung der Waldorfschule. Diese Maßnahmen, die damals besprochen wor­den sind, die waren so, daß ich mir schon selbst sagte, ja, da kann man eigentlich nicht wissen, wie es schon nächste Ostern mit unserer Waldorfschule stehen wird. Nicht so sehr dadurch, weil das Geld nicht da ist; es ist selbstverständlich, daß wir mit nicht vorhandenem Geld denken müssen. Aber mir schien notwendig, daß auch eine Einigkeit mit den Lehrern der Waldorfschule über die Wege vorhan­den sein muß, die einzuschlagen sind, um eine finanzielle Sicherheit für die Zukunft der Waldorfschule zu haben. Wenn man arbeiten soll als Lehrer mit der absoluten Unsicherheit in die Zukunft hinein, dann geht es nicht weiter. Mehr symptomatisch als etwas anderes ging das daraus hervor, daß wir am Ende des letzten Jahres es nicht dahin bringen konnten, uns eine Vorstellung darüber zu machen, wie wir eigentlich in diesem Herbst stehen in bezug auf die zukünftige Aussicht der Waldorfschule. Ich selbst habe auch keine Vorstellung, wie wir stehen, wie wir die mehr als hundert aufzunehmenden Kin­der fortbringen. Aber ich sagte mir auch, wenn wir auf diesem Wege fortfahren, stehen wir nächste Ostern ganz genau wiederum vor der­selben Situation, und das, schien mir, hätte das Gefühl hervorgeru­fen, es sei nicht möglich, aus den bisherigen Beziehungen zwischen

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Waldorfschule, Waldorfschulverein und Lehrerkollegium irgend etwas darüber sich vorzustellen, was zu bestimmten, ordentlichen Vorstellungen über die Sicherheit der Schule führt. Das, scheint mir, ist mehr oder weniger geschickt eben dazugetreten. Man wollte ein­fach mit all diesen Dingen die Frage aufwerfen, wie kommen wir weiter.

Ich muß sagen, ich hatte eine große Sorge. Denn sehen Sie, wenn wir eines Tages die Waldorfschule aufgeben müssen, so bedeutet das etwas, was unserer ganzen anthroposophischen Bewegung den Boden unter den Füßen entzieht. Die Waldorfschule muß etwas sein, was durch den eigentlichen Inhalt gelingen muß, weil es eine Probe aufs Exempel ist. Sie darf nur zugrunde gehen atif zwei Weisen:

Erstens etwa dadurch, daß wir durch ein Schulgesetz nicht geduldet werden; das ist ein Zugrundegehen, das wir aushalten können. Zwei­tens darf sie zugrunde gehen, wenn die Welt uns nicht so viel Ver­ständnis entgegenbringt, daß wir das, was wir machen können, auch finanzieren können. In dem Augenblick, wo wir sagen können, die Schule ist an dem Unverstand in bezug auf die Finanzierung zu­grunde gegangen, in dem Augenblick ist sie so zugrunde gegangen, daß wir bestehen können. Eine dritte Möglichkeit kann ich gar nicht denken.

Aber gerade diese dritte Möglichkeit ging aus den Vorgängen der letzten Tage hervor. Das war dies, daß innerhalb des Lehrerkolle­giums, zu dem auch Herr Molt gehört, Differenzen entstehen könnten. Das wäre der Welt recht. Das war es, was mir vor Augen schwebte. Jetzt könnte etwas geschehen, etwas, was nicht geschehen dürfte. Während wir mit Ehre finanziell zugrunde gehen dürfen, dürfen wir absolut nicht auf eine solche Weise irgendwie unsere Stel­lung gefährden. Dadurch würde in einer sehr schlimmen Weise kaschiert werden gerade unsere finanzielle Misere. Deshalb scheint es mir auch, daß es viel besser ist, die Sache beim Namen zu nennen. Einfach aus der Sorge, was soll werden aus der Waldorfschule, scheint mir die ganze Geschichte hervorgesprudelt zu sein. Ich kann in all diesen Konflikten nichts anderes sehen als diese finanziellen Konflikte. Weswegen sollen wir darüber verbrämt reden?

Es kann gar nicht die Rede sein, daß irgend etwas kritisiert wird. Es ist, nicht wahr, ja furchtbar schwer, diese Dinge zu behandeln, weil für das, was nötig wird, kein Interesse erwacht in unseren Kreisen. Wir haben bisher keine Möglichkeit gefunden, daß die Ideen, die tatsächlich umgesetzt werden könnten, ausgeführt werden, weil sich die Menschen aus einer gewissen inneren Opposition einfach nicht

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darauf einlassen, die finanzielle Verwirklichung unserer Ideen zu besorgen. Die Leute lassen sich darauf ein, allerlei konfuse Geschäfte zu machen, aber es besteht eine gewisse innerliche Opposition gegen das Arbeiten in unserem Sinne. Am meisten macht es sich geltend bei den Menschen, die amtlich berufen wären, sich sachlich damit zu befassen. Das gehört zu unseren wesentlichen Sorgen. Daraus folgt um so mehr, daß wir es selbst machen müssen. Dann muß die Fort­führung durch uns gemacht werden.

X.: Der Versuch, die Schule von der Waldorf-Astoria zu lösen, hat sich auf Herrn Molt übertragen, was ein Mißverständnis ist. Das Kollegium, zu dem Herr Molt auch gehört, repräsentiert die Waldorfschule. Das Verhältnis der Konferenz zum Waldorfschulverein und zur Waldorf-Astoria ist bis heute noch nicht klar. Der Konflikt ist nur ein Ausdruck dafür, daß das Kollegium die Leitung selbst in die Hand nehmen will.

Dr. Steiner: In gewisser Beziehung haben wir des Pudels Kern gefan­gen. Es handelt sich darum, daß das Kollegium jederzeit bereit sein wird, in allem, was sich aus dem historischen Verhältnis ergibt, ganz mit Herrn Molt zu gehen, daß es aber mit der Waldorf-Astoria nichts zu tun haben will. Das ist die tatsächliche Praxis, die, was mich betrifft, befolgt worden ist. Ich wollte alles mit Herrn Molt zu tun haben, aber ich konnte schon aus dem Grunde mit der Waldorf nichts zu tun haben, weil die mit mir nichts zu tun haben will. Das ist die Schwierigkeit. Und über diese Schwierigkeit müßte schon in einer geschickteren Form hinweggekommen werden und in positiver Weise. Daß wir also nicht nur sagen, wir nehmen die Sache in die Hand, sondern daß wir der Sache eine Form geben, wie wir das in die Hand nehmen.

Da handelt es sich darum, daß Sie doch nicht außer acht lassen, was wir am Ende des ersten Schuljahres hatten: eine von mir oft er­wähnte geistige Überbilanz, die auf das Konto des Lehrerkollegiums kam, und eine absolute pekuniäre Unterbilanz, die scharfinGegen­satz dazu gestellt werden muß. So daß man sagen muß: Verständnis ist der Waldorfschulsache entgegengebracht worden von seiten des Kollegiums; Nichtverständnis ist von seiten derjenigen entgegen­gebracht worden, die hätten eintreten müssen, um die selbstver­ständlich beschränkten Mittel derjenigen zu ergänzen, die innerhalb des Kreises, der bei uns wirksam ist, etwas tun können. Ich habe selbst am Ende des letzten Schuljahres betont, daß zum Beispiel das Haus ja nicht eine Schenkung der Waldor£Astoria, sondern des Herrn Molt war.

Was meine persönliche Meinung betrifft, so ist es die, daß der Waldorf-Astoria

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die ganze Schule ein Greuel ist, und daß Herr Molt viele Mühe hatte, diesen Greuel zu überwinden, um seine persönliche Her­zenssache in Einklang zu bringen. Das sind schon die Schwierigkei­ten. Das lagert sich schon in einer Stimmung ab, in dem Bestreben nach Loslösung von der Waldorf-Astoria. Das ist schon etwas, was voraussetzt, daß Herr Molt ins Kollegium gehört als Protektor der ganzen Schule, und ganz und gar nicht nur als Finanzier.

Wenn das vorausgesetzt wird, können wir auch auf einem gesunden Boden objektiv über die Sache reden. Es sollte nur der Wille vorhan­den sein, Herrn Molt mit sich zu identifizieren und nicht mit der Waldorf-Astoria. Wenn wir uns auf diesem gesunden Boden bewe­gen, werden wir uns besser verstehen. Das scheint mir des Pudels Kern zu sein. Die Schwierigkeiten werden immer größer werden, wenn wir nicht versuchen, auch finanziell auf einen gesunden Boden zu kommen, also aus uns selbst heraus. Ich sehe keine andere Mög­lichkeit, als daß wir durch uns selbst auf einen gesunden Boden kommen.

Molt: Wenn die Schule nicht über den ursprünglichen Rahmen hinausgewach­sen wäre, so wären diese Schwierigkeiten nicht entstanden. Die Schule ist vom Kultusministerium erlaubt worden auf das Renommee der Waldorf-Astoria hin; deren Renommee besteht auch weiter.

Dr. Steiner (zu Molt): Es ist gegenüber dem, was über die Waldorf gesagt wird, schon notwendig, daß Sie selbst in Schutz genommen werden gegenüber der Meinung der Waldorf-Astoria. Es ist nicht ganz richtig, daß die Schule abhängig gewesen wäre von den Waldorf­Astoria-Kindern. Wir hätten eine solche einfach aufrichten können mit anthroposophischen Kindern. Sie wäre ganz sicher auch gelun­gen. Worauf der besondere Wert zu legen ist, ist, daß Sie als der erste in der ganzen Gesellschaft diese Sache der Schulgtündung in die Hand genommen haben. Das hat gar nichts zu tun mit der Waldorf­Astoria, sondern nur mit Ihrer Persönlichkeit. Ich sehe nicht ein, warum Sie sich mit der Waldorf identifizieren. Die hätte nichts davon verstanden. Dies war Ihre persönliche Gründung. Deshalb habe ich gesprochen von der Gründung des Herrn Emil Molt. Bei mir sind die Dinge absolute Absicht. Daß das gerade Arbeiterkinder waren, das lag rein an den Umständen, wie die soziale Bewegung 1919 inauguriert worden ist. Dasjenige, was als Vertrauensfrage vor­liegt, ist Ihr Vertrauen zur anthroposophischen Sache. Aus der her­aus ist die Sache gekommen. Ich glaube nicht einmal, daß, so wie die Sache damals bestand, auf das Vertrauen zu Ihnen hin das Württem­bergische Ministerium weniger sich für die Schule herbeigelassen

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hätte, als auf das Renommee der Waldorf-Astoria hin. Dies ist not-wendig, daß das stramm festgehalten worden wäre.

Es ist das etwas, was in gewisser Weise berechtigt war: sich loszulösen von der Waldorf-Astoria, weil man unter allen Umständen in die Sache hineinkommen mußte. Wenn wir die Schule vor die Welt hin-gestellt haben, so war meine Absicht nicht, sie auf die Waldorf­Astoria zu beschränken, sondern der Welt klarzumachen, daß sie etwas tun soll, daß es nicht eine Waldorf-Astoria-Schule bleibt. Die Waldorf-Astoria würde nach ihrer eigenen Meinung, so wie heute die Stimmung ist, zufrieden sein, wenn Sie eines Tages sagen würden, wir schmeißen die Schule hinaus. Vielleicht würde damit das Renommee der Waldorf-Astoria gehoben werden können. Vielleicht sinkt dieses Renommee bei gewissen Leuten unter dem Einfluß der Gründung. Einen gewissen Grund, die Waldorf als solche mit der Schule in Verbindung zu bringen, haben Sie eigentlich nicht. Denn tatsächlich, für uns sind Sie die Persönlichkeit, die verstanden hat, eine Initiative zu entfalten. Es kommt mir so vor, daß wir mit Ihnen alles zu tun haben wollen, und mit der Waldorf nichts zu tun haben wollen. Stellen Sie sich vor, es stünde jemand anderes auf Ihrem Posten, so würde der Kulturfonds nicht um 80 000 Mark erweitert worden sein. Das hat ja nichts zu tun mit der Waldorf-Astoria, sondern nur mit Ihnen. Daher wurde diese Summe, um diesen unpoetischen Aus­druck zu gebrauchen, abgeknüpft, und nicht die Waldorf-Astoria hat das Wohlwollen gehabt, das zur freien Verfügung zu stellen.

Wieviele haben wir Waldorfkinder? Wieviele andere Kinder?

X.: 164 Waldorfkinder, 100 Kinder von Anthroposophen, 100 fremde.

Dr. Steiner: Jetzt ist die Verhältniszahl der Realität nach die denk­bar ungünstigste. Wäre natürlich in Stuttgart freier Zuzug, dann würden die Anmeldungen gerade zahllos sein. Das ist kein Zweifel. Es kommen außerordentlich viele Anfragen, die nicht zur Erledigung führen, weil die Kinder keine Wohnung finden. Die Leute können die Kinder nicht herschicken, sonst würden sehr viele Auswärtige kom­men. Vorläufig steht die Sache so, daß es für die Wirksamkeit der Schule nach außen ungünstig ist. Dagegen wäre gerade jetzt der Zeit­punkt gewesen zu sagen, wir nehmen die 100 Kinder nicht auf aus dem Grunde, weil wir kein Geld haben. Am Ende des letzten Schul­jahres, da hätten wir es tun können. Dann würden wir dieses Schul­jahr zu eröffnen gehabt haben statt mit 465 mit 365 Kindern in den alten Räumen. Dann würde die Sache reinlich zum Ausdruck gekom­men sein. Dann hätten wir sagen können, die Waldorf-Astoria be­zahle die Klassen.

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Es kommt zunächst darauf an, wie sich im Waldorfschulverein her­ausstellen wird, was die reale Bilanz ist.

X.: Es ist eine vorbereitet.

Dr. Steiner: Es sind immer die Sachen in Vorbereitung! Das sagt man mir bis zur letzten Stunde meiner Abreise. Wir müßten in bezug auf diese Dinge dahin kommen, daß die Sachen im Stadium der Vorbe­reitung sind während der Zeit, bis ich ankomme. Alle finanziellen Dinge sind immer in Vorbereitung, wenn ich abreise. Gewöhnlich auch, wenn ich zurückkomme.

Es ist ohne weiteres klar, daß es auf finanzielle Fragen hinausläuft. Wir werden doch jetzt, nachdem die Sache angefangen hat, nicht so leicht stoppen, wie wir es hätten tun können am Ende des letzten Schuljahres. Wir stehen nächste Ostern vor derselben Situation. Wir müssen Geld schaffen. Daß die Waldorfschule weiter finanziert wer­den muß, das ist schon klar. Da fragt es sich aber, ob wohl der Waldorfschulverein die entsprechende Behörde sein kann. Nach sei­ner bisherigen Fähigkeit ist er es nicht.

X.: Wäre es nicht ein Weg, den Eltern, die jetzt ihre Kinder anmelden, zu sagen, wir haben nichts mehr?

Dr. Steiner: Das ist eine Art Skandal. Nächste Ostern können wir es schon machen. Besser ist es, wenn wir schauen, daß wir Geld bekom­men.

Wenn man die Sache auf eine allgemeinere Basis stellen könnte! Wenn die Wege gefunden werden könnten, so wäre es gut. Man möchte auch gern etwas tun bei dem jetzigen Hochschulkurs in Dor­nach. Es muß die Schulangelegenheit auf einer anderen Basis betrie­ben werden.

Sehen Sie, ich habe Ihnen gesagt, am wenigsten bekommt man Geld für Dornach. Am leichtesten für ein Sanatorium. Dazwischen könnte man Geld bekommen für ein Schulwesen. Wir haben einen prakti­schen Fall gehabt in Dornach, wo wir sehen konnten, es bestand bei einer Gruppe von Menschen nicht das geringste Interesse, für Dor­nach viel zu tun. Als ein anderer Mensch gekommen war, um etwas Sanatoriummäßiges zu gründen, da war das etwas, was mit dem größten Interesse aufgenommen worden ist. Da waren alle wie Quecksilber. In dem Augenblick, wo es sich um so etwas handelt, bekommt man Geld. Mitten darinnen würde das Schulwesen liegen. Da würde man wissen, die Wege zu finden, wenn aus dem, was wir bisher gegründet haben, uns eben nicht fortwährend die Hindernisse

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in den Weg gelegt werden. Es handelt sich darum, daß alle Leute, die bei uns arbeiten, zusammenwirken, und keine solche innere Oppo­sition entgegengestellt werde, wie esjetzt geschieht.

Vorläufig haben wir alle den guten Willen, Bücher zu führen über dasjenige, was bei uns ausgegeben wird, aber keine Meinung, daß auch etwas eingenommen wird. Leute erklären sich bereit, ganze Nächte zu arbeiten, wenn es darauf ankommt, die Gelder auszu­geben. Aber dasjenige, was vor allen Dingen notwendig wäre, daß etwas eingenommen wird, da findet man eine innere Opposition.

Wenn wir nicht unsere finanziellen Angelegenheiten auf eine gesun­dere Basis stellen, ist man nicht mehr imstande, den Leuten Geld abzunehmen. Wir müssen Leute finden, die uns das Geld verwalten, das wir den Leuten abknüpfen. Vorläufig finden wir keine anderen Menschen als diejenigen, die zum Schreiben von fünf Ziffern ein neues Amt schaffen wollen. Das ist innerhalb des Lehrerkollegiums gesagt. Es darf nicht eine Fama werden. Aber die anthroposophisch treulichen Mitarbeiter müssen wissen, wo die Sorge besteht. Die Sorge für die Schule hängt mit dem anderen innig zusammen. Wir haben einen außerordentlichen Mangel an Leuten, die geschäfts-mäßig etwas führen können. Daran kranken wir. Wir brauchen nicht in der Misere zu stecken. Das weiß Herr Molt ebensogut wie ich. Er leidet furchtbar. Er wird erdrückt von der absoluten Unmöglichkeit, zur Erweiterung der Arbeit auf wirtschaftlichem Gebiet Persönlich­keiten zu finden, die es können.

Die Schule ist Ihr Verdienst. Die anderen haben sich doch passiv dazu verhalten. Wenn man in der Öffentlichkeit von der Waldorf als solcher redet, dann kann man es nicht ändern. Wenn man aber redet von der Waldorfschule, dann muß man es trennen. Die haben nicht die Mittel gegeben. Sie haben es ihnen doch abgeknüpft. Die haben sich einverstanden erklärt, wie man sich als Vater einem Sohn gegen­über einverstanden erklärt, der zuviel ausgibt. Schließlich liegt die Sache doch so!

Wir werden sehen, daß wir eine kurze Sitzung des Kollegiums haben können, aber erst müssen wir die Sitzung des Vorstandes des Wal­dorfschulvereins haben. Dann wollen wir eine Sitzung des Kolle­giums ansetzen, damit die Sache in Ordnung kommt auf irgendeine Weise.

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Konferenz vom Alittwoch 22. September 1920, 20-0.15 Uhr

Dr. Steiner: Meine lieben Freunde! Ich muß einige Worte voran­schicken, bevor wir in die Einzelheiten der Verhandlung eintreten, da wir am Beginne eines Schuljahres stehen und einige Dinge kurz geklärt sein müssen. Es ist gesprochen worden auch von meiner eigenen Stellung im Lehrerkollegium. Ich will heute zunächst nicht vom Äußeren dieser Stellung sprechen, nur vom Inneren. Das scheint mir doch angemessen zu sein am heutigen Abend, weil auch diese innerliche Stellung wenigstens zwischen den Zeilen berührt worden ist. Ich möchte in den Dingen, die sich auf unsere geistige Bewegung beziehen - und die Ordnung der Waldorfschule, insofern sie geistige Angelegenheiten sind, insofern sie pädagogisch-didaktisch von der Lehrerkonferenz zu behandelnde Fragen sind, gehören in unsere anthroposophische Bewegung hinein -, in allen solchen Fragen fühle ich mich, meine lieben Freunde, und werde mich nie anders fühlen können denn als Esoteriker den Freunden gegenüber. Und da ist es heute nötig, einiges zu sagen, das Sie nur zu spezialisieren brauchen auf die besondere Lage der Waldorfschule, über die Auffas­sung der Stellung des Esoterikers, die dieser selbst von sich hat.

Natürlich rechnet man als jemand, der aus den geistigen Welten her­aus Dinge an seine Mitmenschen bringen will, darauf, daß diese Dinge in einer gewissen Weise, vielleicht zwar nicht auf Autorität hin, aber auf das Gefühl hin angenommen werden: daß Forschungs­resultate vorliegen, die nach bestimmten Richtungen hin vielleicht nur von demjenigen, der sie in einer solchen Weise vertritt, zunächst bekanntgegeben werden können; die selbstverständlich verstanden werden können, wenn sie einmal ausgesprochen sind, die aber eben von einem oder einigen erst als ihre Forschungsresultate ausgespro­chen werden müssen. Das ganze Verhältnis, in dem man solche Wahr­heiten aufnimmt, ist nicht dasjenige auf Autorität hin, aber es ist ein solches, das in einer gewissen Weise anerkennt, daß aus einer solchen Quelle solche Dinge geschöpft werden können.

Meine lieben Freunde, es sieht manches einfach aus, was man in einer solchen Weise zu seinen Mitmenschen spricht, wie es zu Ihnen in diesen Tagen geschehen ist, aber es erforscht sich nicht in einfacher Weise. Es erforscht sich gerade dasjenige, was sich auf so spezielle Zweige der Pädagogik bezieht, eigentlich doch nur dadurch, daß man vieles erst durchmacht, vieles durchlebt, daß man erst langjährige Forschungswege einschlägt. Das Verstehen ist einfach und kann in

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kurzer Zeit geschehen, das Erforschen ist keineswegs so einfach und erfordert durchaus Initiationswege. Aber wenn derjenige, der solche Forschungen mitteilt, sich an seine Mitmenschen wendet, so tut er das auch von sich aus niemals in der Form, daß er als Autorität sprechen möchte in dem gewöhnlichen Sinn des Wortes, wie man in der äußeren exoterischen Welt die Autorität auffaßt.

Ich bitte, dasjenige, was ich in diesem Zusammenhang sage, durchaus sehr ernst und exakt zu nehmen: es spricht also derjenige, der so spricht, nicht in dem Sinne, daß das, was er sagt, auf Autorität in dem gewöhnlichen Sinne angenommen wird. Denn, meine lieben Freunde, dann würde es nicht wirken, nicht durch jene imponderab­len Kräfte an die Mitmenschen übergehen, durch die es übergehen soll. Es muß das ganze Verhältnis ein anderes sein. Das Verhältnis muß ein solches sein, daß alles dasjenige, was gesagt wird, angenom­men wird von den Hörenden auf völlig freien Willen hin, daß beim Aufnehmen gar nichts ankommen darf auf den Willen desjenigen, der spricht, sondern alles einzig und allein ankommen muß auf den Willen derjenigen, die zuhören. Das ist, so genau man es kann in der menschlichen Sprache, ausgedrückt das Verhältnis, das bestehen muß. Man spricht sich nicht aus dem Grunde aus, weil man irgend etwas ins rechte Licht stellen will, sondern aus dem Grunde, weil darauf die ganze Wirksamkeit der Arbeit, die auf Esoterik aufgebaut ist, in unserer Zeit beruhen kann.

Wollte man in unserer Zeit etwas auf autoritativen Wegen, sei es auf autoritativen Wegen des suggestiven Wirkens oder zahlreicher ande­rer seelischer Mach twege, in die Welt bringen, so würde das das größte Unheil nach und nach bedeuten. Wir sind eben in jenem Entwicke­lungsstadium der Menschheit, in dem es notwendig ist, daß immer mehr und mehr Freiheitsimpulse aus den dazu reif'en Menschen in die Welt gesetzt werden. Wir dürfen gerade dasjenige, was die Welt aus dem Geiste heraus vorwärtsbringen will, wenn wir so arbeiten, wie Lehrer arbeiten müssen, wir dürfen das unter keinen Umständen auf ein seelisch aufgezwungenes Autoritatives aufnehmen. Alles muß aufgenommen werden ideal auf den guten Willen, auf die Ein­sicht des Zuhörers, daß derjenige, der spricht über die Dinge, nach dem Gefühl des Zuhörers etwas zu sagen hat. Ein anderes Verhältnis darf nicht bestehen. Jedes andere Verhältnis beeinträchtigt die Wir­kung, wenn es sich darum handelt, daß auf Grundlage solcher Mit­teilungen und solcher Zuhörer äußere Arbeit geleistet wird, äußere Arbeit, die dann im Zusammenwirken der Menschen geleistet wer­den kann. Wenn da der Geistesforscher mitwirkt, dann muß das

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ganze Verhältnis auf dieses autoritativ-freie Aussprechen und frei­heitliche Zuhören aufgebaut sein.

Anders dürfen auch die äußeren Verhältnisse nicht aufgebaut sein. Daher muß es bis zum letzten i-Tüpfel so sein, daß meine Stellung zum Lehrerkollegium diejenige ist, die nicht von mir oder von irgend jemand gewollt wird gegen den Willen irgendeines Mitglieds des Leh­rerkollegiums, sondern die akzeptiert wird im innersten Herzen und gewollt wird vom Lehrerkollegium in seiner Gänze. ob so etwas durch eine äußere Wahl dokumentiert wird oder nicht, darauf kommt es nicht an. Das innere Verhältnis muß ein solches sein. Im Augenblick, wenn es nicht ein solches wäre, in diesem Augenblick würde die rechte Stellung nicht vorhanden sein. Wir müssen geradezu ein wenig wachen über dieses Verhältnis.

Es geschehen ja Gruppierungen auf diesem Felde so, daß man nicht Vereine bildet, sondern daß die Gruppierungen eben um diejenige Persönlichkeit geschehen, welche in dem angedeuteten Sinne etwas zu sagen hat, und daß gewissermaßen diejenigen, die das aufnehmen wollen, sich dann aus ihrem freien Willen heraus gruppieren. Mag nun die Außenwelt dieses oder jenes verlangen für eine solche Grup­pierung, innerlich ist allein das berechtigt, was ich gesagt habe.

Sie werden fühlen und empfinden, meine lieben Freunde, daß ich dadurch meine innerliche Stellung zum Lehrerkollegium charakteri­sieren will, daß ich Sie bitte, sie als solche aufzufassen. Darauf wird die heilwirkende Kraft in aller Zukunft beruhen müssen. In dieser Richtung müssen auch die einzelnen Dinge liegen. Sie müssen spüren, wie ich durchaus immer bestrebt bin und bestrebt sein werde, im Einklange mit jedem einzelnen dasjenige zur Entscheidung zu brin­gen, was durch mich zur Entscheidung zu bringen ist, aus dem Grunde, weil der Betreffende mich um die Sache fragt, weil er aus seiner Einsicht heraus mich um die Sache fragt. Wenn Sie dies ganz durchdenken, dann werden Sie zu einer reinlichen Scheidung des­jenigen kommen, was das esoterische Verhältnis zwischen uns sein muß, und was allein aus diesem esoterischen Verhältnis heraus segensreich sein kann.

Das, meine lieben Freunde, wollen wir heute zum Ausgangspunkt machen, und Sie werden vielleicht aus mancher Lebensbeobachtung heraus schon gefunden haben, daß die Dinge, die aus dem Geiste heraus geschaffen werden, doch nur dann richtig gehen, wenn ihnen eine solche Auffassung des geistigen Verhältnisses zugrunde liegt. Trennen Sie also manches, was nun schon einmal bei einer exoteri­schen Einrichtung, die gegenüber der Außenwelt notwendig ist, da

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sein muß, trennen Sie mancherlei, was einfach die Welt notwendig macht, von dem, was innerlich zwischen uns sein muß: dann werden wir am günstigsten nicht nur rationalistisch vorwärtsarbeiten, son­dern spirituell arbeiten; wir werden vorwärtskommen.

Und dieses, was ich zu Ihnen sagen wollte, ist auch eine Art Inaugu­rierung unserer diesjährigen Arbeit; eine Inaugurierung, durch die ich ganz besonders möchte, daß auch dieses Jahr wiederum spiri­tuelle Kräfte durch unsere Arbeit gegossen werden. Sie können davon überzeugt sein, daß ich über die ganze Arbeit und die Einzel­heiten der Arbeit, die auch dieses Jahr geleistet wird, den Segen derjenigen geistigen Mächte stets herflehen werde, die unsere ganze Bewegung tragen. Und wenn Sie auch sich bewußt sind, daß das der Fall ist, wenn Sie gewissermaßen nicht nur zusammen handeln, wenn Sie zusammen denken und empfinden und dadurch die guten geisti­gen Kräfte in dieses Zusammen-Denken, Zusammen-Empfinden, Zusammen-Klingen des ganzen Seelenlebens aufnehmen, dann wird unsere Arbeit auch in diesem Jahre gelingen.

Nun können wir zu den einzelnen konkreten Punkten übergehen. Wünscht jemand zur Tagesordnung etwas zu sprechen?

Es wird gefragt wegen der Angelegenheit der Anerkennung der Waldorfschule als Grundschule seitens der Behörden.

Dr. Steiner: Diese Frage ist eine solche, die je nach dem Wohlwollen dieser oder jener Schulbehörde nach der einen oder anderen Rich­tung gedreht werden kann. Zurecht kommen wird man nur - so daß man darin eine gewisse Sicherheit hat für den wirklichen Bestand der Schule -, wenn man irgendwie durch persönlich-gewichtige Rücksprachen verhandelt, wobei ich ausdrücklich bemerken möchte - wir müssen ganz dezidiert reden -, daß das nicht durchs Telephon geschehen sollte; wenn man durch persönliches Ausein­andersetzen mit allen jenen Betonungsmöglichkeiten der Sätze und Wörter und der Unterredung überhaupt, die vorhanden sind in einer persönlichen Aussprache, eine solche Stimmung schafft, daß dann eine gewisse Sicherheit vorhanden ist. Wir können gar nicht vermei­den, wenn wir die Sache bloß so anstreben, daß sie bürokratisch behandelt wird, daß wir nicht in der Zukunft mit derselben Sache angerempelt werden.

Deshalb meine ich, daß es das beste wäre, wenn Herr Molt in der Sache persönlich etwas tun könnte, wenn Sie persönlich vorsprechen würden. Die Frage ist eine solche, daß man nur ruhig sein kann über

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die Waldorfschule, wenn Sie selbst vorstellig würden bei irgendeiner der Persönlichkeiten, die Einfluß haben auf die Sache. Ich bin über-zeugt davon, wenn in dieser Weise irgendwelche Worte gewechselt worden sind und man nun eine solche Spitze der Behörde dazu getrieben hat, irgend etwas, wozu sie sich bekennen muß, zu sagen, dann ist man am besten geschützt; nicht durch Akte hin und her schreiben, sondern durch so etwas. Insbesondere hier in Württem­berg, wo es wirklich vielleicht möglich ist, daß man in einer solchen Sache mehr erreicht als in Preußen. In Preußen würde, nachdem der Erlaß geschickt worden ist, diese Schule in kurzer Zeit abgebaut werden müssen.

Die Sache müßte zunächst so getrieben werden. Denn das darf nicht verkannt werden - ich hatte leider in Berlin viel zuwenig Zeit, um, wenn solche Fragen aufgerührt worden sind, die nötige Antwort zu geben -, es kommt immer wiederum vor, daß irgendwelche Schul­vorsteher oder Lehrer der gewöhnlichen Schulen kommen und die Pädagogik der Waldorfschule haben wollen und fragen, wie können sie etwas tun, um ihrer Schule aufzuhelfen. Das ist der reinste Un­sinn. Das erste würde darin bestehen, daß sie sich vom Staate los-sagen würden, und es bezeugt solch eine Zumutung nur, wie wenig konsequent die Leute zu denken in der Lage sind.

Es handelt sich darum, daß dasjenige, was man unsere Schulbewe­gung nennen könnte: die Bewegung nach einer freien Schule hin in immer mehr Köpfe hineinkommt, so daß eine wirkliche große Bewe­gung nach der Freiheit der Schule entsteht, als ein Teil der Dreiglie­derungsbewegung. Die Ausrede mit der Einheitsschule, die mögen wir als Opportunität gebrauchen; allein ich muß meinerseits geste­hen, mir war immer die ausdrücklich dezidierte Definition der Ein­heitsschule etwas Unangenehmes - obwohl man sie aus Opportuni­tät wählen mußte -, weil sie nicht genau betont, daß man nicht das will, was vom Staate als Einheitsschule definiert wird, daß es uns nicht so sehr ankommt auf die Einheitsschule als auf die freie Schule. Dann wird sich das von selbst ergeben. Dasjenige, was als Einheits­schule von der jetzigen deutschen Regierung erstrebt wird, das ist das Gegenteil. Wir machen erst einen Kratzfuß vor dem, was uns ein Greuel ist, wenn wir solchen Dingen nachgeben. Man muß sich durchschlängeln; man muß sich bewußt sein, daß dies doch im Leben - nicht von innen veranlaßt, dann wäre es jesuitisch -, aber daß es von außen mit einer gewissen Reservatio mentalis gemacht wird. Man muß sich bewußt sein, nicht von innen her, von außen her, daß man nötig hat, um wenigstens das zu machen, was wir

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durchbringen wollen, mit den Leuten zu reden, und ihnen inner­lich eine Nase zu drehen.

Molt: Ich werde versuchen, die Sache in Ordnung zu bringen.

X. fragt nach dem Lehrplan für die 9. Klasse.

Dr. Steiner: Wir werden am besten zunächst mit diesem Lehrplan zustande kommen - ich will ihn dann noch für morgen niederschrei­ben -, wenn wir ihn so feststellen, daß wir ihn aus der Kontinuität heraus definieren. Ich würde Sie also bitten, daß Sie mir angeben, was Sie mit Bezug auf all das, was man deutsche Sprache und Litera­tur nennen könnte, getrieben und vollendet haben.

X.: Ich habe Goethe, Schiller, Herder durchgenommen, Sonst weiter nichts. Nur daß ich in die Geschichte einzelne Besprechungen wie Dantes ,,Göttliche Komödie" hineingefügt habe; das Wesentliche waren Goethe, Schiller, Herder. Im Sprachlichen Aufsätze und Versuch, orthographische Fehler von der Aus­spracheseite zu behandeln. Auf das Grammatische bin ich gar nicht einge­gangen.

Dr. Steiner: Nun würde es sich darum handeln, daß Sie in bezug auf die Literatur versuchen würden, Jean Paul zu behandeln, und zwar so, daß Sie mit den Schülern der 9. Klasse einzelne Partien der ,,Ästhetik oder Vorschule des Schönen" von Jean Paul durchneh­men, namentlich auch solche Partien, die dort über Humor handeln, und ohne dabei viel auf die Historie zu sehen. Dann - das kann schon ein halbjähriges Pensum sein -, ohne viel auf die anderen Zusammenhänge zu sehen, dazu übergehen, mit den Schülern, es sind immerhin schon Vierzehn-, Fünfzehnjährige' einzelne Kapitel zu lesen und zu besprechen, die in Herman Grimms Goethe-Vorlesun­gen stehen. Das würde in bezug auf Literatur sein.

In bezug auf das Sprachliche würde ich Ihnen empfehlen, lür das erste Halbjahr weniger auf die pedantische Sprachlehre zu sehen, sondern das Gesetz der Lautverschiebung in der verschiedensten Weise mit den Schülern zu besprechen, das Grimmsche Gesetz der Lautverschiebung. Und im Aufsatz - wobei Sie alles Grammatika­lische, alles Syntaktische an die Korrektur anschließend gelegent­lich besprechen -, im Aufsatz würde ich empfehlen, namentlich solche Aufsätze zu versuchen, welche Themen behandeln, die geschichtlich sind, wobei die Schüler im wesentlichen das Material verarbeiten, welches Sie selbst im vorigen Jahre in der Geschichte vorgetragen haben. Da müssen Sie, bevor Sie den Aufsatz machen lassen, für die Neuen durch die Alten ein Thema mündlich behandeln lassen.

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Nun, die Geschichte. Was hatten Sie da durchgenommen?

X.: Bis zur Reformation, die Luther-Biographie sehr genau. Dann habe ich angeschlossen Buckles ,,Geschichte der Zivilisation in England" und habe ver­sucht, Lichtblicke auf die Gegenwart zu werfen.

Dr. Steiner: Jetzt würde ich empfehlen, zunächst nicht weiterzu­gehen, sondern die ganze Sache noch einmal durchzuarbeiten in geisteswissenschaftlicher Umarbeit, anschließend an Lecky ,,Ge­schichte der neueren Zivilisation".

X.: Ich habe jetzt im Deutschen 8. und 9. Klasse vereinigt.

Dr. Steiner: Es wird dann vielleicht gut sein, wenn Sie den Herman Grimm mit Goethe vorausschicken. Da können Sie manches von dem nachholen, was Sie mit Bezug auf Goethe, Schiller und Herder gesagt haben, so daß Sie den beiden Klassen gerecht werden, und Jean Paul für später lassen. Geschichtliches können Sie mit beiden Klassen zusammen machen.

Dann würde es sich um die Geographie handeln.

X.: Vorzugsweise durchgenommen ist die Eiszeit; Umlagerung von Land und Wasser. Überhaupt viel Geologisches von dieser Zeit.

Dr. Steiner: Ich würde empfehlen, mit Anschluß an alles dasjenige, was man in eine solche Sache hineinbringen kann, eine vollständige Gliederung der Alpen durchzunehmen. Nördliche Kalkalpen, süd­liche Kalkalpen, mit allen Flußtälern, die die Grenzen bilden, die Gebirgszüge, die Gliederung, dann Land schaftliches, einiges über die geologische Beschaffenheit, angefangen von den Seealpen bis hin­über zu den österreichischen Alpen durch die ganze Schweiz hin­durch. Dabei können Sie in dieser Besprechung der Alpen immer einfließen lassen, daß ja eigentlich in der Erdstruktur eine Art Kreuz vorhanden ist, auf das die äußeren Gebirgsformationen deuten. Set­zen Sie die Alpen fort durch die Pyrenäen, dann durch die Kar­paten, gehen Sie über durch die waldigen Gebirge, gehen Sie bis zum Altai, so haben Sie einen ausgedehnten Ost-West-Gebirgszug' der, sich unterirdisch fortsetzend, wie ein Ring sich um die Erde schließt, der senkrecht durchkreuzt wird von der Anden-Cordilleren­Richtung, die einen anderen Kreuzring bildet. Sie können zwei kreuzförmig aufeinander stehende Ringe als Struktur der Erde sehr schön den Kindern klarmachen. Sie bekommen dadurch eine Vor­stellung, daß die Erde ein innerlich organisierter Körper ist. Das können Sie alles so tun, daß Sie nicht allzu kurze Zeit verwenden. Sie brauchen nicht alles, das ganze geographische Thema auf einmal zu machen.

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Dann Mathematik. Nicht wahr, Sie haben Gleichungen durchgenom­men. Wie weit sind Sie im Potenzieren gekommen, Quadrieren, Kubieren, allgemeines Potenzieren? Haben Sie Binome und Tri­nome kubiert?

X.: Es wäre keine Schwierigkeit. Es lag kein Grund vor, den Binomischen Lehrsatz durchzunehmen' (a+b)^2, (a+b)^3, (a+b)4.

Dr. Steiner: In welcher Form können das die Schüler?

X.: Ich habe das nacheinander ausmultiplizieren lassen.

Dr. Ste iner: Ich meine, wissen Ihre Schüler, daß (a+b)^3 gleich ist a3 und so weiter als Formel? Können sie das? Wenn Sie es nicht als Formel verlangt haben, dann sind Sie noch nicht übergegangen zum Potenzieren von Zahlen, dann haben Sie nicht ausführen lassen nach der Formel 355^3, oder 355^2. So würde ich diesen Zweig fortsetzen, indem ich das Potenzieren und Kubieren treibe für Zahlen, von der Formel ausgehend; das Radizieren, auch das Ziehen der dritten Wur­zel.

X..: Ich habe es nicht für wichtig gehalten.

Dr. Steiner: Bei diesen Dingen kommt es nicht darauf an, daß man die Dinge so macht, wie man es später braucht, sondern daß man gewisse Formen des Denkens übt. Die Formen des Denkens, die man beim Kubieren, Quadrieren, beim Ziehen der Wurzeln übt, dieses eigentümliche, daß man gewissermaßen abstrahiert von der Konkret­heit der Zahlen und die Zahlen zusammenfügt, in anderer Weise gruppiert, das führt so tief hinein in das ganze Gefüge der Zahlen, ist denkerisch so bildend, daß man es tun müßte.

Dann würden praktische Rechnungen notwendig sein. Ich würde es doch sehr richtig finden, wenn man mit den Schülern solche Dinge rechnen würde wie zum Beispiel praktische Inhaltsberechnungen, was ja durchaus auf Ihre Voraussetzungen ginge. Ich will sagen:

wenn eine Wasserkanne zylindrisch-kegelförmig* ist, enthält sie ein gewisses Quantum Wasser. Wie groß ist das Quantum Wasser, wenn der Boden einen Durchmesser hat, der die Hälfte ist des Durchmes­sers der anderen? **

* zylindrisch oder kegelförmig.

** Ergänzungsvorschlag der Herausgeber: ... wenn in einer anderen Kanne

von gleicher Höhe oder gleicher Gestalt der Boden einen Durchmesser hat, der die Hälfte ist des Durchmessers der ersten Kanne?

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Dann würde ich daranschließen Näherungsrechnungen, daß die Kin-der diese Begriffe bekommen. Ich würde ausgehen - das kann durch­aus hier geschehen - von der Behandlung des Nivellierdiopters und dem Herausfinden des mittleren Wertes bei irgendwelchen solchen praktischen Behandlungen, zum Beispiel beim Wiegen mit einer Apothekerwaage. - Dann auch dasjenige, was sich noch an weiteren Rechnungen in der Wechselkunde anschließt. Dann, nicht wahr, kommt die Geometrie in Betracht. Körper-Inhaltsberechnungen müssen Sie vorangehen lassen, und dann würde ich raten, die ersten Elemente der Deskriptive zu nehmen.

X. sagt, was er in der Physik gemacht hat.

Dr. Steiner: In der Physik müßten Sie versuchen, zweierlei zu trei­ben: Erstens Akustik und Elektrizitätslehre, dazu gehörig Magnetis­mus, daß die Schüler ganz genau das Telephon verstehen können. Zweitens Thermik und Mechanisches, alles, was dazu notwendig ist, daß die Schüler ganz genau die Lokomotive verstehen können. Das wäre das Pensum der 9. Klasse.

X.: Im letzten Jahr war eine Teilung der Geographie, indem ich den astrono­mischen Teil durchgenommen hatte.

Dr. Steiner: Da käme natürlich im Anschluß daran das Dopplersche Prinzip, die Bewegung der Sterne in der Sehrichtung. Sie haben die Bewegung der Sterne an der Sehrichtung vorbei behandelt. Nehmen Sie alles dasjenige, was dazu führt, die Bewegung der Sterne in der Sehrichtung zu erfahren. Sie müssen dahin arbeiten.

X.: In der Physik also keine Optik, nur Thermik, Mechanik, Elektrizität?

Dr. Steiner: Da können Sie das Optische einfügen, was Sie brauchen, um das Dopplersche Prinzip zu erklären. Exkurse aus der Akustik auch mitbesprechen.

X.: Ist es berechtigt, aus der Verschiebung der Spektrallinien die Bewegung nach vorne zu schließen?

Dr. Steiner: Warum nicht? Nicht wahr, wenn Sie zwei Spektren haben, und Sie haben einmal die Linie an einer Stelle, das andere Mal an anderer Stelle, so ist mit vollkommener Richtigkeit der Schluß der, daß man es mit verschiedenen Entfernungen zu tun hat. Das ist ein richtiger Schluß.

X.: Man würde ihn an der Sonne ziehen können.

Dr. Steiner: Ich würde das Dopplersche Prinzip nur bei Doppelsternen

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anwenden. Ich würde es nicht weiter verallgemeinern. Nicht wahr, es istja eigentlich nur anzuwenden, zu unterscheiden, daß sich Sterne um sich herumdrehen' denn man konstatiert, daß die Sterne in der Sehrichtung sich zyklisch bewegen. Nur auf das hinarbeiten.

Chemie: Das, was wir für die 8. Klasse bestimmt haben, die ersten Elemente der organischen Chemie, was ein Alkohol ist, was ein Äther ist, das wäre jetzt in der 9. Klasse fortzusetzen.

Anthropologie: Menschenkunde fortsetzen, daß eine richtige Anthropologie den Kindern übermittelt wird. Das müßte in konzen­trischen Kreisen von Klasse zu Klasse aufsteigen und das übrige Naturwissenschaftliche angereiht werden.

Herr Baumann, was denken Sie im Musikalisch-Gesanglichen mit den Schülern der 9. Klasse zu machen?

X.: Ich habe das nicht machen können, was ich wollte, weil die Schüler ganz unvorgebildet waren für Musik.

Dr. Steiner: Ist es nicht durchführbar, daß der Musikunterricht erteilt würde im Eurythmiesaal. wenn es nicht kollidiert mit der Eurythmie?

X.: Er reicht kaum für die Eurythmie aus.

Dr. Steiner: Dann werden wir, bis der große Saal gebaut wird, mit dem Musikunterricht gar nicht in Ordnung kommen können. Es geht der Musikunterricht nicht, wie er gehen sollte, bis wir den großen Raum haben.

Zwei Dinge gelten. Man muß den Musikunterricht so vollkommen als es geht gestalten. Man kann gerade, wenn man Kinder vorschulen will, nicht genug tun mit der Güte des Instrumentes. Es wird ihr ganzes Tongehör verdorben, wenn sie schlechte Instrumente hören. Das sind große Gesichtspunkte.

Mit dem alten Kirchengesang könnte man sehr gut weitergehen.

X.: Ich wollte hinweisen auf Dur und Moll, auf die Klangfarbe im rein Ton­lichen.

Dr. Steiner: Das sollte gerade der Lehrstoff der 9. Klasse sein. Das müßte man doch unter allen Umständen anstreben. Gerade dieses etwas theoretisch pflegen und auch etwas in der Empfindung pfle­gen, Dur und Moll als Empfindungsinhalt.

X.: Ich habe im Anstandsunterricht diesen Gegensatz in bezug auf Männliches und Weibliches behandelt. Da schienen die Kinder darauf einzugehen.

Dr. Steiner: Da würde ich finden. daß es nett wäre. das gerade mit

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dem Gesanglichen zu verbinden, auf männliche und weibliche Stim­men diese Sache zu behandeln. Es ist wenig nach dieser Richtung ausprobiert worden, und es ist ganz sicher feststehend, daß ein sol­cher Unterricht, der in diesem Alter gerade einsetzen würde mit Bezug auf die Beobachtung der männlichen und weiblichen Gesangs­stimmlage, außerordentlich entgegenwirken würde dem heute stark auftretenden, falschen Sexualempfinden. Das würde wohltätig wir­ken.

Das ist mir ein Schmerz, daß man nicht vorschreiten kann zur Be­handlung des Instrumentes. Die Instrumente behandeln, ist etwas, was unersetzlich ist. Nicht wahr, was Privatstunden sind, Privat-stunden sind Privatstunden. Hier würde darauf gesehen werden, daß, so wie wir es auffassen, es in die ganze Erziehung eingreift. Dazu trägt eine Privatstunde nichts bei. Schade ist es schon, daß wir es nicht können. Ich fürchte, wir werden sehr lange überhaupt zu die­sem nicht kommen.

X.: Wir haben einige Instrumente, aber wir brauchen Räume, und man müßte einen Lehrer haben.

Dr. Steiner: Das war in Aussicht genommen. Handelt es sich nur um Räume?

X.: Es sind gegen fünfzehn Instrumente da. Wenn wir den Gesangsraum hät­ten, dann könnte man solche Sachen schon machen wie die Kindersinfonic von Haydn.

Dr. Steiner: Das wäre richtig.

Es wird eine Frage gestellt wegen des Sprachunterrichts.

Dr. Steiner: Ich würde versuchen, viel Wert zu legen in diesem Mter auf das rezitatorische Element. Im Rezitieren noch einiges lernen in der Beberrschung der Sprache. Sinn von Wendungen, die sie im Rezi­tieren aufnehmen, und das anwenden auf anderes.

In der Eurythmie setzt man fort. Grammatikalisches.

Tm Handfertigkeitsunterricht hätte ich gemeint, daß man ganz so unter der Hand, im Nebenbei, überall Künstlerisches, Kunstempfin­den und so etwas kultivieren sollte. Bei ihm kommt es darauf hinaus, daß man die Kinder abwechselnd das und jenes machen läßt, immer Dinge, die bis zum Fertigwerden kommen. Ich würde nicht bloß nützliche Gegenstände machen lassen, sondern auch Spielsachen, vernünftige Spielsachen. Ganz nett würde ich finden, wenn man ins Handfertigkeitsunterricht die Kinder solche Schmiede, die sich gegeneinander bewegen, machen ließe. Die Kinder werden geschickt.

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Man kann auch die Kinder Geschenke machen lassen. Ich würde auf das auch hinausarbeiten.

Und wenn man es dahin bringt - das ist etwas, was Feierliches ins Leben des Kindes bringt -, wenn man es dahin bringt, daß man Moos sammeln läßt und sie zu Weihnachten sich Krippchen machen läßt, so daß sie sie selbst formen, daß sie die Schäfchen und so weiter bemalen, da kommt sehr viel dabei heraus. Nützlichkeitsgegenstände natürlich nicht versäumen. Besonders Freude haben sie, wenn so etwas gemacht wird wie Ratschen, die sind auch so wie ein Schaber­nack:

Wir ratschen, wir ratschen die zwölfe z'samm,

Die Glocken kommen von Rom.

X.: Dann ist da noch die Frage nach dem Handarbeitsunterricht. Ich habe mit Fräulein S. gesprochen. Sie ist Zeichenlehrerin, bat aber auch die Lehrbefähi­gung für Handarbeit.

Dr. Steiner: Das wäre das Richtige, wenn also eine zugleich künstle­risch gebildete Kraft den Handarbeitsunterricht besorgen würde. Man müßte sich klar werden, daß die Befähigung dadurch erwiesen ist. Sie wird sich gut einfügen.

Aber nun kommt unter Umständen noch etwas anderes in Betracht. Eine Eigenschaft hat sie nicht, die eine andere Dame hätte, das ist Fräulein Hauck. Die hat die Eigenschaft, daß sie von hier ist und die Tochter vom ehemaligen Professor Guido Hauck' der einen Aufsatz über ,,Arnold Böcklins Gefilde der Seeligen und Goethes Faust" geschrieben hat. Und über ,,Technikers Faust-Erklärung". Hauck war einer der letzten. Wenn die sich entschließen könnte, Hand­arbeitslehrerin zu werden, so hätte man den Vorzug, daß sie eine Schwäbin wäre, was ganz gut wäre. Sie hat bis jetzt gelehrt an einer Arbeiterschule; das würde ich aber als einen Grund betrachten, sie nicht hierher zu rufen, weil es sehr gut wäre, wenn solche Leute da unterrichten würden. Die Arbeiterschulen sagen, es sei nicht not­wendig, daß die Leute solchen Firlefanz lernen wie darstellende Geometrie. Es muß der ganze Unterricht ausgefüllt werden mit Klas­senkampf und Vorbereitung in der Revolution. Das ist das eine, und das andere ist aus der Zeitgeschichte erklärlich. Das andere ist, daß man in der Technischen Hochschule ihr den Stuhl vor die Tür gesetzt hat. Ich bitte Herrn Strakosch, darüber ein Urteil zu fällen: Die Leute sollen beim Maschinenbau in der Fabrik die darstellende Geo­metrie lernen, solches Zeug sei nicht mehr nötig. Ich glaube - ich bitte Sie, dann auch Ihre Meinung zu sagen -, daß Architektur und

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Maschinenbau aufhören muß, wenn man nicht darstellende Geome­trie auf der Hochschule lernt; das wäre das Versinken zur Barbarei. Man kann im Maschinenbau nicht einen Zapfen durch ein Loch dirigieren, die Leute können keine Durchdringung konstruieren. Es ist der reine Wahnsinn.

Die Dame wäre mir auch geeignet. Aber ich fürchte, daß da unter Umständen die Ansprüche unsere gegenwärtigen Verhältnisse über­steigen könnten. Sie war langjähriger Assistent an der Technischen Hochschule. Diese zwei Damen würden in Betracht kommen. Fräu­lein S. ist es aus persönlichen Gründen lieber, wenn sie nicht gerufen wird. Vielleicht kann man morgen an Fräulein Hauck telegraphieren, ob sie kann.

Im Freien Religionsunterricht könnten wir für diese Gruppe der 7.,

8., 9. Klasse dazu übergehen, nun in einer freien Form mit ihnen solche Dinge wie Präexistenz und Post-Mortem-Leben, die ganze Konsequenz des Präexistenzlebens, theoretisch zu erklären. Bei­spiele dafür geben. Die großen Kulturzusammenhänge den Kindern beibringen, wie man das sieht. Die Mission des Menschen auf der Erde. Man braucht nur Goethe auf das anzuschauen oder Jean Paul; man sieht schon, man kann nachweisen überall, daß ihre Fähigkeiten vom vorgeburtlichen Leben kommen.

Dann, nicht wahr, ist es ein sehr gutes Bild, das wirklich bis ins Religiöse hinaufgetrieben werden kann, wenn man den Leib des Laokoon erklärt. In Wirklichkeit ist es so beim Laokoon, daß der Ätherleib sich trennt und dadurch der physische Leib diese Verren­kungen macht. Dieses Zerbrechen des physischen Leibes beim Lao­koon, das ist etwas, wo man viel daran demonstrieren kann. Man müßte eine Gruppe haben. Aber es ins Religiöse heraufheben. diese Scheu vor dem sich auflö senden Menschenkörper.

Die Sonntagsfeier ist festgelegt. Anstelle von Frau Koegel wäre jemand zu designieren, der die Kinder einführt. Da würde ich um Vorschläge bitten. Es ist das etwas, wozu man sich besonders bestimmt fühlen muß. Schlägt sich jemand selbst vor? Möchten Sie es mit Fräulein Röhrle zusammen machen?

X.: Es ist ein Mädchen angemeldet, das taubstumm ist.

Dr. Steiner: Sie kann doch nicht zu uns in die Waldorfschule kom­men.

Ein Klassenlehrer fragt wegen eines anderen Kindes, das angemeldet wurde. Dr. Steiner: Wie ist es mit dem? Der Junge erbarmt einen.

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X.: Er ist im Klassenunterricht unmöglich.

Dr. Steiner: Das wird vielleicht nur vorübergehend sein. Wie er bei mir war, hat er durchaus so ausgesehen, als ob er gebessert werden könnte. Ich bin auch überzeugt, wenn man das mit ihm macht, was ich vorgeschrieben habe, daß es in einem halben Jahre besser ist. Auf der anderen Seite kann man nicht hoffen, daß es, wenn er ganz isoliert ist, besser wird. Das kann man nicht machen.

X.: Dann kommen mesne Kinder zu kurz.

Dr. Steiner: Ich glaube, daß es vorübergehend sein wird. Es wird wahrscheinlich doch mit dem zusammenhängen, daß er gerade in die Schule gekommen ist, was durchaus vorauswirken kann.

X.: Er war furchtbar aufgeregt.

Dr. Steiner: In diesem Kinde ist eine ziemliche Unregelmäßigkeit in der ganzen Konstitution. Das ist ein Junge, der hat so etwas wie -man kann sich mit dem physischen Leib einen Arm brechen oder ein Bein brechen, man kann sich nicht den Kopf brechen -, dieser hat einen gebrochenen Ätherkopf, und so ist er natürlich alle Augen­blicke aufgeregt. Bei ihm äußert es sich mehr als bei einem anderen Kinde. Aber ich glaube, es wird vorübergehend sein. Jedenfalls muß man den Eltern sagen, sie müssen sich gedulden, bis wir diese Hilfs­klasse haben. Kennen Sie ihn schon lange? War er immer so? Durch jede Erschütterung wird die ganze Geschichte in Unordnung gebracht. Wird ihm die Arznei beigebracht? Hat er Krankheiten gehabt? Wir haben etwas konstatiert. Sie sagten Gehirnrachitis. Das stimmt auch. Man bekämpft Gehirnrachitis durch Beibringen von Hypophysis Cerebri. Hat er Geschwister? Es ist eine Wachstums-störung da, die durch irgend etwas bewirkt worden ist, was der Mut­ter passierte vor der Geburt.

X.: Sie hat mir nachher erzählt, daß sie die ganze Zeit halb irrsinnig gewesen ist.

Dr. Steiner: Der junge ist in diesen Zustand versetzt worden durch die Schwangerschaft. Dann werden wir das machen mit ihm und ihn in die Schule hineinnehmen, wenn die Hilfsklasse von Dr. Schubert eröffnet wird.

Dann haben Sie wohl andere Frage n.

Es wird noch einmal gefragt nach der Feststellung der Stellung Dr. Steiners im Äußeren der Schule.

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Dr. Steiner: Diese Feststellung meiner Stellung hat nur einen Oppor­tunitätswert. Das wäre gut gewesen, wenn dazumal, als das Lehrer-kollegium eingereicht war, ich mit eingereicht worden wäre. Nur da, wenn es einmal geschehen könnte, daß man nötig hätte der Behörde gegenüber die Sache exakt zu haben, das ist natürlich das, worauf es ankommt.

X.: Wenn ich vorschlagen darf, wenn man jetzt eine Gesamtliste einreicht und an der Spitze Sie selbst nennt.

Dr. Steiner: Es sieht immer jetzt komisch aus, weil sie es mit den alten Listen vergleichen.

X.: Repariert werden muß es doch.

Dr. Steiner: Man kann kaum etwas anderes machen, als daß man schreibt, es sei vergessen worden, und man trägt es nach. ,,Wir haben leider das vorige Mal vergessen und tragen es nach." Ich wüßte sonst keine Möglichkeit, darüber wegzukommen. Sonst sieht es immer komisch aus, wenn man es stillschweigend macht. Auch wenn man eine neue Liste macht.

Es wird eine Frage gestellt wegen der Gegnerschaft gegen die Anthroposophie.

Dr. Steiner: Diese Gerüchte tauchen immer auf. Das steht überall in der Schweiz. Jetzt ist man auf der Spur nach anderen Verzweigungen dieser verleumderischen Dinge, die darauf hinzielen, durch Machina­tionen die Spur zu verwischen, daß ich etwas mit der Anthroposo­phie getan hätte, aber die Lehre zu nehmen und von anderer Seite zu verbreiten. Man geht darauf aus, die Lehre von sich aus zu verbreiten, aber die Spur zu verwischen, daß es von mir kommt.

Wäre außerdem noch etwas?

X. fragt wegen des Weltschulvereins' der seinen Sitz in Dornach haben, aber in Deutschland arbeiten solle. Wenn man jetzt die deutsche Sektion gründen würde, dann könnte man bei den Hochschulkursen in Dornach das ganze ord­nen.

Dr. Steiner: Müssen wir nicht zuerst den Weitschulverein haben, bevor wir eine deutsche Sektion begründen könnten? Der Weg zum Weltschulverein könnte jetzt nur der sein, daß man nun wirklich sichtbarlich von einem bestimmten internationalen Zentrum aus die Sache macht.

Es könnte das Zentrum des Weltschulvereins Dornach sein, aber es muß nicht das Zentrum sein, von dem aus es gemacht wird. Damals

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hätten wir eine ganz bestimmte Form der Agitation gehabt, daß wit mit aller Schärfe betont hätten, wir haben noch eine kleine Schule und können nicht weiter, müssen so viele Kinder abweisen. Dieset Agitationsstoff ist uns jetzt entzogen. Nun müssen wir den Welt­schulverein anders anfangen. Da kann man natürlich, wenn wir in Dornach einen guten Besuch haben, zunächst anfangen, Stimmung zu machen. Ich glaube nicht, daß es von hier aus gemacht werden soll, weil wir nicht die negative Anlehnung haben, daß wir sagen können, da warten hundert Kinder vor den Toren der Schule.

Nun müssen wir es anders anfangen. Da können wir in Dornach dafür agitieren, und dann habe ich gedacht, daß es jetzt von einem inter­nationalen Orte aus geschehen müßte, etwa vom Haag aus. Wir haben eine begründete Hoffnung, daß man für unsere Bewegung noch etwas tun könnte. Aber natürlich würden wir uns das Ganze verpfuschen, wenn wir hier den Weltschulverein begründen würden. Wir können alles mögliche für die Waldorfschule tun, dafür ist soviel Stimmung da; gründen dürfen wir ihn von hier aus nicht. Damals habe ich mir gedacht, wir leiten hier eine energische Agitation ein. Von London aus würde ich die Begründung viel eher begrüßen. Das ist noch nicht zu erreichen. Und außerdem ist die Hoffnung, daß die andere Sache viel schneller geht.

Die Textüberlieferung wird an dieser Stelle sprunghaft und unsicher, sowohl was die Interpunktion anbelangt als auch, wer was gesagt hat. Mögliche Lücken sind hier durch Punkte angedeutet. Im Manuskript steht: . . . das ist hoffnungslos, vom Haag aus . . . da sitzt niemand . . ., im Haag; vielleicht um so besser . . .

Dr. Steiner: Das hatte ich auch früher beim Weltschulverein gemeint, daß ich es machen müßte. Wir haben im Haag eine Anzahl von Anthroposophen.

X.: Ich glaube, sie sind alle durcheinander.

(X.): Sie können mit H. nicht rechnen. Er bekennt niemals, daß er zur Anthro­posophie gehört.

Dr. Steiner: Wenn ich nach dem Haag ginge, würde ich in H. einen Helfer haben.

X.: Solange Sie da sind!

Dr. Steiner: Mehr braucht es nicht . . . Es genügt, wenn er das eine auf die Beine bringt, wenn er die Wege ebnet.

X.: Er versperrt die Wege . . . Er hat verheimlicht, daß es ein Goetheanum

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gibt. Die Studenten waren überrascht, als sie hörten, daß es das gibt, obgleich sie unter H.s Leitung in die Schweiz geführt wurden.

Dr. Steiner: So sind die Menschen! Aber auf eine andere Weise, als daß man die Menschen nimmt, wie sie sind, kommt man nicht wei­tcr . . .

In der weiteren Debatte werden außer Haag auch noch Zürich und Genf ge­nannt.

X.: Müssen wir von hier aus nicht noch einige Voraussetzungen machen? Wir sollten über den Namen der einzelnen Schule nachdenken. Wir finden nicht das, worauf Sie abzielten.

Dr. Steiner: Ich glaube nicht, daß es besonders aktuell ist, den Namen der einzelnen Schule zu finden. Was wollen Sie von hieraus für Bedingungen schaffen?

X.: Ich bin mir nicht sicher, ob von uns aus alles bedacht ist.

Dr. Steiner: Schließlich handelt es sich darum, daß man sich auf die Höhe der Situation stellt im gegebenen Augenblick, das ist heute. Ich habe es mitgeteilt. Wenn man mit solchen elementaren Sätzen unse­rer Bewegung dienen würde, dann wäre gedient. Man muß die Welt­situation begreifen.

Wir müssen die Dinge ausnutzen. Sehen Sie, wir haben zum Beispiel hier den Verlag gegründet, dieser Verlag hat bis jetzt wenig getan. Aber zwei Bücher sind erschienen, Dr. Steins Buch und Polzers Buch. Also fast wenigstens Erstlingswerke in großer Auflage. In wenig Wochen sind die beiden Bücher abgesetzt. Uns ist heute gesagt worden, daß auch das Buch gegen Traub ausverkauft ist. Die Leute da verschlafen. Die Bewegung trägt heute schon, wenn man die Strömung aufnehmen wird. Die Strömung als solche ist da. Es schwimmt niemand darinnen. Man muß wirklich sagen, die Strö­mung ist da, es schwimmt niemand darin. Man sieht es an den öffent­lichen Vorträgen, die immer stark besucht werden. Es ist wirklich wahr, Bewegung ist schon da. man denkt gar nicht daran, daß eine solche Bewegung da ist.

In Wirklichkeit - nicht wahr, die Dinge, die hier gesagt werden, werden auch vertraulich gesagt - ist es notwendig, eine Bemerkung zu machen. Es kommt vor, daß die Leitung des Kommenden Tages keinen richtigen Begriff hat, daß es eine Dreigliederungsbewegung gibt. Das ist nicht etwas, was man zur Agitation unter uns brauchen darf, man soll sich bewußt werden, daß Schlafzustand vorhanden ist. Es wird viel begonnen und hört dann auf. Wenn ich sollte alle einzelnen

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Aufträge geben, dann kann ich nur sagen, das kann alles gesche. hen; dann dürfen nicht die Sitzungen bis drei Uhr nachts dauern.

In Berlin werden Sie die wenigste Unterstützung finden. In Berlin ist keine Neigung vorhanden. Aber in Berlin könnte man nur eben etwas machen, wenn wir einmal acht Tage dort sein könnten. In drei Tagen könnten wir es nicht machen. Berlin sieht nicht über die Mauern von Berlin hinaus.

X.: Wann würde es möglich sein, das im Haag zu machen?

Dr. Steiner: Wenn man sehen würde, daß man Stimmung machen kann, dann wird man in Dornach daran denken, ziemlich nahezu im Anschluß daran.

X.: Dann müßte man schlüssig werden, wie man die Stimmung am besten erzeugt.

Dr. Steiner: Ja, sehen Sie, da müßte man manchmal in edlerem Sinne agitieren lernen. Nicht wahr, wenn Sie zum Beispiel die Gruppe Haaß-Berkow bei ihrer Jause anhören würden, so würden Sie sehen, sie haben eine Hand dafür, Stimmung zu machen. Es müßte zum Beispiel einmal, wo die Leute aus der Fremde kommen, gelingen, andere Gesprächstitel anzuführen. Es kommt auf Stimmungmachen an. Das muß nicht in unedlem Sinne gemeint sein. Es kommt darauf an, daß man Stimmung macht, statt daß man sich darüber unterhält, wie man - ich will nicht sagen, von was man sich unterhält! Wenn so viel Menschen auf einem Platz beisammen sind, da geht so viel von Mensch zu Mensch zu machen.

Es handelt sich darum, für Zwecke der Gründung des Weltschul-vereins die rechte Stimmung zu machen. Nehmen Sie an, Sie bringen es zustande, daß also fünfzig Menschen die Meinung kriegen, es muß ein Weltschulverein gegründet werden. Wenn die Leute von Dornach abreisen, und es in der richtigen Weise erregt wird, das bedeutet, daß drei Wochen darauf fünfhundert, sechs Wochen darauf fünftausend die Meinung haben, es muß ein Weltschulverein gegründet werden. Man muß das Zeug haben, in einer Anzahl von Menschen eine solche Meinung zu erregen.

X.: Wäre es nicht möglich. daß die Waldorflehrer Propaganda machen im Anschluß an Vorträge?

Dr. Steiner: Das können Sie selbstverständlich. Dem müßte die Stim­mungsmachc parallel gehen. Wie kommt es denn eigentlich, daß so etwas in der Anthroposophischen Gesellschaft nie aufkommen kann, wie im besten Sinne des Wortes ein Korpsgeist?

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Mehrere Lehrer versuchen, diese Frage zu beantworten.

Dr. Steiner: So lange wir eine Anthroposophische Gesellschaft bloß waren, kam es auf all das nicht an, da brauchten wir kein Geld. Es ist das Unglück da, daß wir es jetzt brauchen. Und jetzt handelt es sich nicht darum, daß man geldgierig ist, es handelt sich darum, daß die Bewegung getragen werden muß. Das kriegt man nicht anders, als wenn Stimmung gemacht wird. Nun möchte man durchaus - das ist dasjenige, was ich schmerzlich empfinde: es besteht eine gewisse innere Opposition bei sehr vielen, die etwas tun sollten. Sie möchten das nicht tun, was ich für das Rechte halte, sondern irgendwie etwas anderes. Sie sträuben sich furchtbar. Das ist die Sitte unserer Zeit, als wenn wir bloß aus dem Geiste zu wirken brauchten, als wenn wir kein Geld brauchten. Wenn man Geld braucht, da muß man eben etwas tun dazu. Es braucht nicht unidealistisch zu sein, aber es muß etwas getan werden. Ich glaube nämlich, daß viel mehr Opposition ist, als Sie annehmen, innere Opposition. So ein Sich-Stemmen, Sträuben ist da; Schla{ absolute Cliquenbildung. Es wäre gut, wenn man Korpsgeist entwickelt.

Wir können noch nicht eine Sektion begründen von etwas, was noch nicht besteht.

X.: Von irgendwo dürfte doch der Anstoß ausgehen.

Dr. Steiner: Das müßte von einem weiteren Kreis ausgehen.

X.: Vielleicht könnte man herantreten an Vertreter der lokalen Schulbestre­bungen und sie erwärmen für den Weitschulverein, zum Beispiel Rektor B. in Br.

Dr. Steiner: Es handelt sich nicht darum, daß man den Namen Welt­schulverein in die Welt bringt, sondern daß man eine Organisation in die Welt setzt. B. ist warm genug. In dem Augenblick, wo man den Weltschulverein hat, ist er auch dabei und wird wirken. Nicht wahr, bei B. in Br. bedeutet es nichts anderes, als daß man ein Loch mehr aufmacht für das Geldschnorren. Ob Sie als Waldorflehrerschaft oder als Weltschulverein herumgehen und Geld sammeln, auf das kommt es nicht an. Das ist nur ein neuer Name für dieselbe Sache. Man muß eine wirkliche Organisation schaffen, die eine Organisation für sich ist.

X.: Wir müssen den Zeitpunkt des Dornacher Hochschulkurses ausnützen.

Dr. Steiner: Es ist nötig, daß wir diese Leute zu Trägern des Agita­tionsgedankens machen. Von den Menschen werden wir direkt nicht

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viel haben können, das werden arme Schlucker sein, die lieber etwas beziehen möchten. Solche haben wir auch. Es kommt darauf an, daß diese Leute die Träger des Gedankens sind und diesen Gedanken hinaustragen. Dann kommt es darauf an, daß diese Agitation warm erhalten bleibt. Wenn wir im Haag etwas inaugurieren - es braucht kein Verein zu sein, eine Agitation braucht nur entfaltet zu wer­den -, wenn wir das vom Haag aus machen können, so darf man nicht vergessen, es besteht eine starke Stimmung dafür, man muß Mitteleuropa aufhelfen. Sie möchten das schon. Wenn man da den rechten Ton trifft, so geschieht etwas. Man muß versuchen, die Ge­fühle, die da sind, so zu formulieren, daß es in die rechte Richtung kommt. Der Gesichtspunkt ist schon da. Das wäre schon zu errei­chen. Das könnte bald geschehen, wenn die Seelen aufwachen würden. - Sie sind wach genug. Wenn Sie etwas recht Gescheites mit derselben Kraft in Dornach hinausschmettern' so ist das schon ganz gut.

Es ist doch besser, wenn nicht die Bettler und Landstreicher den Verein gegen Verarmung gründen, sondern die, die etwas in der Tasche haben.

Es wird über Stuttgarter Hochschulkurse im kommenden Winter gesprochen und berichtet, über welche Gebiete einzelne Lehrer vorzutragen gedenken.

Dr. Steiner: Es ist viel geredet worden, es müßte etwas geschehen. Ich würde nur nicht wünschen, daß es von hier aus in die Hand genommen wird, eine Art hochschulmäßige Vorträge, und daß das ins Wasser fällt. Das wäre das allerschlimmste. Ich würde über Anthroposophie, Philosophie und so etwas reden.

X.: Wir hatten in Aussicht genommen, eine Art Semestralvorlesungen.

Dr. Steiner: Man kann die Lehrfächer anders gruppieren. Ich würde nicht so nach diesen alten Schablonen gruppieren. Ich würde mehr nach den sachlichen Gesichtspunkten gruppieren. - Sie können doch, Herr von Baravalle, Einsteins Theorie und Quantentheorie behandeln.

X.: Ich glaube, daß wir es den Studenten leichter darstellen. Die Leute wer­den es hier verstehen.

Dr. Steiner: Synthetische Geometrie, davon verspreche ich mir ungeheuer viel für eine Gesundung. Ich bin einverstanden mit dem, was Sie sich als Programm vorsetzen. Diese vielleicht wirklich ganz andersartigen Vorstellungen, die die Leute bekommen, wenn außer dem, eine Ellipse aus der Gleichung bestimmen zu können, wenn sie

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aus einem Strahlenbüschel die Genesis einer Ellipse begreifen, das ist viel.

Ich weiß nicht, ob das nicht zum Beispiel ganz interessant wäre, die Grundbegriffe der analytischen Geometrie, dann die der syntheti­schen Geometrie, dann parallele Kegeischnittlinien, analytisch und synthetisch. Jetzt wird es meistens so gelehrt, daß man einen Kurs hat für analytische Geometrie und einen für synthetische. Dieses reizvolle, was da wäre, wenn man die ganze Kegelschnittlehre analy­tisch und synthetisch lernt!

Ich glaube, wir müssen es heute beschließen. Die Hochschulkurse würde ich Ihnen sehr ans Herz legen. Bringen Sie den Plan nach Dornach mit. In Dornach haben wir mehr auf Personen uns gerich­tet. Die Studenten wollen es mehr nach Fächern. Man könnte doch spezialisieren. - Dr. Schubert, über die Seele der Sprache ist nicht viel erforscht worden!

Im Sinne meiner heutigen Anfangsworte möge sich unser Zusam­menwirken entfalten.

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Konferenz vom Montag 15. November 1920, 20 Uhr

Dr. Steiner: Wir werden heute zuerst wohl die Wünsche und Mitteilungen der verehrten Mitglieder des Lehrerkollegiums entgegen­nehmen, nicht wahr?

Ich möchte bitten, da wir den ersten Teil der Konferenz haben, ob Wünsche von den einzelnen Mitgliedern vorliegen oder Fragen, die aus dem Kollegium hervorgehen, und die innerhalb der Lehrerschaft ohne das erweiterte Kollegium, also ohne die später erscheinenden jüngeren Lehrer zu besprechen wären?

Ich würde zunächst fragen wollen, wie sich der Unterricht in der 9. Klasse nach den Erfahrungen der daran beteiligten Lehrer gestal­tet hat.

Im Deutschen wird Kerman Grimm gelesen, in der 8. und 9. Klasse.

Dr. Steiner: Hat sich Ihnen die Möglichkeit ergeben, verschiedenes hineinzubeziehen in die Lektüre von Grimm? Wie weit sind Sie gekommen mit den Schülern in der Geschichte? Was haben Sie gemacht bei der Stelle, wo er im ersten Vortrag des zweiten Teiles die Charakteristik der letzten Jahrhunderte gibt, wo er über Rom spricht?

X.: Da haben die Kinder die Geschichte nicht gekannt.

Dr. Steiner: Es würde sich darum handeln, daß Sie die Geschichte des 16., 17., 18., 19. Jahrhunderts behandelten, mindestens in der 9. Vielleicht daß Sie es doch so machten. In der 9. fehlt es. Nicht wahr, bei diesen Jahrhunderten würde es sich darum handeln, daß man auf das Ziel losgeht, daß die Schüler ein Verständnis für die Gegenwart bekommen. Sie sind schon fünfzehn Jahre alt. Die Themen könnten Sie so nehmen, wie sie in dem Kapitel bei Herman Grimm für jedes Jahrhundert angegeben sind, das 19. Jahrhundert als Zusammenfluß der Völkergeschichte. Ich meine, die Themen für die letzten vier -Jahrhunderte, als Leitmotive. Eigentlich würde es sich darum han­deln, das in beiden Klassen zu machen. Nur wird es sich darum handeln, daß Sie die Dinge in verschiedener Weise vornehmen kön­nen: in der 8. mehr erzählend, in der 9. mehr auf die leitenden Ideen der letzten Jahrhunderte eingehend.

Sie müßten schon dahin arbeiten, daß Sie die leitenden Ideen den Kindern vortragen könnten. Es ist viel Material in den Zyklen da, was einfach erweitert werden kann dadurch, daß man die Literatur da und dort überall hernimmt.

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(Zu einem anderen Lehrer): Dann hatten Sie die mathematischen Fächer. Haben Sie mit den Kindern schon geometrisches Zeichnen durchgenommen?

Finden Sie notwendig - ich habe durch die viele Inanspruchnahme von anderer Seite zu wenig gesehen -,finden Sie, daß es notwendig ist, soviel Verstandesmäßig-Theoretisches in der Physik durchzuneh­men? Hält das nicht auf, so viel rein Begriffliches?

X.: Ich möchte nur so viel bringen, als unbedingt notwendig ist.

Dr. Steiner: Wieviel beherrschen denn die Schüler vom reinen Tat­sachenmaterial? Es wäre natürlich bei der Elektrizität darauf zu sehen, daß man möglichst in rationeller Weise die Erscheinungen selbst in den Vordergrund stellt. Möglichst wenig theoretische Spe­kulationen. Das ist etwas, was vielleicht eben doch nicht sehr inten­siv haftet; vom rein didaktischen Gesichtspunkt aus dürfte es nicht sehr haften. Ich würde meinen, daß man bei diesem Gegenstand als Tdeal betrachten soll, möglichst nur am Experiment als solchem die nötigen Begriffe zu entwickeln, und zunächst möglichst wenig an der Tafel zu zeichnen, sondern die ganze Sache an dem Experiment entwickeln. Dann kann man auch die Sokratische Methode, die Sie anwenden, versuchen. Wenn man so theoretisch die Sache ent­wickelt, dann hilft einem die Sokratische Methode nichts. Woher sollen die Kinder etwas wissen? Man kann sie kaum so fragen. Da Sie schon die Möglichkeit zum Experimentieren haben, das habe ich gesehen, da würde ich die Experimentier-Möglichkeit ausnützen. Dann erspart man sehr viel Zeit. Wenn Sie so die Elektrizität durch­nehmen wollen, dann werden Sie durchkommen. Die Kinder lernen dabei viel mehr, als wenn man ihnen die Begriffe der Spannung auseinandersetzt. Das wäre didaktisch nicht schlau. Sie müssen dann zwei Wochen geometrisches Zeichnen betreiben. Nur zwei Wochen die Deskriptive.

X.: Im Fremdsprachenunterricht ist die Forumszene aus dem ,,Julius Cäsar" gelesen worden.

Dr. Steiner: Können Sie es nicht auch schriftlich machen lassen, als eine Art Aufsatz? Es wäre notwendig, daß so etwas eingefügt würde. Auch im Deutschen, daß man doch zu einer Darstellung käme. Daß sie wirklich das auch formulieren.

(Zum Deutschlehrer): Irgendwelche Themen stellen Sie gar nicht? Es würde nicht schaden, wenn vorher der Stoff im Vortrag wieder­holt ist. Wenn sie nur eigene Formulierungen bringen.

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Es wird über das Französische berichtet.

Dr. Steiner: Jedenfalls können wir das, was wir für die 9. Klasse projektiert haben, durchführen.

Der Deutschlehrer: Ich muß jetzt Jean Paul nehmen.

Dr. Steiner: Ich habe das nicht so gemeint, daß es der Reihe nach gehen muß. Wir haben ja doch Mitte November; etwas Geschichte müssen wir bewältigen. Zunächst eigentlich die vier Jahrhunderte im Zusammenhang. Sie können damit wirklich brauchen bis Mitte Januar in beiden Klassen. - Für alle anderen Klassen ist der Lehrplan gegeben.

X.: Wird dieser Lehrplan nicht allgemein als Norm gültig sein?

Dr. Steiner: Zunächst ist es notwendig, daß wir in diesem Jahre wissen, was wir zu tun haben.

X.: Ist im Sprachunterricht schon so etwas wie Literaturgeschichte zu trei­ben?

Dr. Steiner: Mehr Literaturgeschichte als an dem Objekt einiges nebenher zu sagen über Shakespeare, und wenn Sie gerade das eine oder andere behandeln, die Kinder damit bekanntmachen, mehr Literaturgeschichte ist doch bei solchen Kindern nicht nötig.

Die Methoden in der Staatsschule für Latein und Griechisch, die sind die gräßlichsten, die äußerste Dekadenz. Wir müssen unsere Kinder so weit bringen, daß sie den Anschluß finden. Wenn wir einiger­maßen unsere Methoden ausgebildet haben, müssen wir die Kinder ganz genau so weit bringen. Unsere Methode wird noch nicht so gehandhabt. Ich glaube, wenn einmal dieses Problem gelöst ist, daß Sie durch die Disziplin nicht mehr gestört werden, dann erreichen Sie das schon. Das ist die Crux, weil die Kinder Ihnen doch alle viet bis fünf Minuten einmal über den Kopf wachsen.

Die österreichischen Gymnasien waren Musteranstalten. Dieset Lehrplan war schon das allerbeste, was man denkt, wenn man die Sache als solche zugibt. Leo Thun, 1854; Gautsch hat es verdorben. Es war die Geschichte gut verteilt. In Weimar fand ich gleich die Auffassung der Weltgeschichte: Von der Erschaffung der Welt bis zu den Hohenzollern fünfzig Seiten, und drei Bände Hohenzollern-Geschichte.

Nicht wahr, dann haben wir ja für diese Klasse auch diesen freien Religionsunterricht. Wie ist der eingeteilt?

X.: Wir haben neun Klassen in drei Gruppen.

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Dr. Steiner: Wodurch sind die Klassen so riesig geworden? Wenn die Verteilung ordentlich ist, so schaden große Klassen nichts, aber bei Ihnen sitzt schon wirklich der eine auf dem Kopf des anderen. Die Klasse des Herrn U. ist zu groß. Die Klasse müßte geteilt werden. 73 Kinder! Sie gehen in die Bänke nicht hinein, und dann puffen sie sich wieder hinaus. Das ist eine Kalamität. Heute waren die schlimm­sten Schüler nicht da. Also nicht wahr, bei dieser Klasse ist wohl eine Trennung notwendig. Ich würde doch meinen, es müßte die Klasse geteilt werden. Und da gerade bei diesem Unterricht doch wirklich sehr viel davon abhängt, daß man Kontakt hält mit den einzelnen -man müßte die Möglichkeit haben, den einen und den anderen mög­lichst oft zu fragen -, müßte die Möglichkeit bestehen, noch zwei Stunden einzurichten und die Hälfte der Schüler abzugliedern.

Es kann höchstens eine Raumfrage sein. Gelöst wird es werden müssen, sonst werden wir gerade mit diesem Unterricht scheitern. Wer könnte diesen Unterricht noch erteilen?

X.: Ich würde es gerne tun.

Dr. Steiner: Es müßte jemand sein, der früher nicht in der Religion darinnen gestanden hat. Es kann ja sein, daß Sie nach vielen Jahren heraus sind. In den Gedankenformen sicher nicht. Es ist im Lehrer-kollegium niemand da. Es ist natürlich eine schwer zu lösende Sache. Man muß auch, nicht wahr, die Klippe überwinden, Wärme hinein­zukriegen in den Unterricht, Wärme, Wärme! Ich würde zum Beispiel ja schon A. vorschlagen, weiß aber nicht, ob er sich den nötigen pädagogischen Duktus aneignen würde. Wenn man es mit A. pro­biert? Denn wer ist sonst in der hiesigen Krisenzeit aus der anthro­posophischen Bewegung heraus vorzuschlagen? Es gibt niemand. Hier friert man furchtbar viel!

Ich wüßte niemand anders zu finden. Den Lehrern von hier kann man nicht noch etwas aufhalsen. - Die 9. Klasse ist so klein, daß man sehr viel an die einzelnen Schüler herankommen kann.

(Zu einer Lehrerin): Ich habe die Meinung, daß Sie eigentlich eine Hilfe in Ihrer Klasse brauchen, Fräulein H. Auf die Weise würde es zu machen sein, daß Fräulein S. Ihnen hilft. Darüber müßte man reden. Das namentlich dann, wenn es sich darum handelt, die Kinder zu beschäftigen. Die Klasse ist für Chorunterricht so, daß sie sich weitet. Sie hat eine Peripherie, Sie dringen nicht ganz durch bis zu den letzten. Am liebsten wäre es mir auch, wenn es zwei Klassen werden könnten. Daß es schon möglich wäre, daß Fräulein S. am Unterricht teilnimmt und Ihnen mithilft, wenn Sie die Kinder beschäftigen.

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wenn sie malen oder zeichnen. Die Klasse fällt auseinander. Die einzelnen Kinder sind zu wenig aktiv dabei beim Unterricht. Die bleiben untätig eine Zeit. Ich habe mir auch schon gedacht, ob es nicht möglich wäre, daß Sie eine Stunde geben und darin bleiben, und die andere Stunde Fräulein S. den Unterricht gibt. Dadurch wäre auch für die Disziplin gesorgt. Man könnte noch nachdenken über den Modus. An sich kann man auch 150 Schüler haben. Wir werden solche großen Klassen nicht haben. Sie haben 50 Schüler, und Ihre Klasse, Fräulein H., ist im konkreten Fall zu groß.

X.: Darf ich fragen, soll die C-Dur-Tunleiter festgehalten werden, und soll in der Toneurythmie Wert gelegt werden auf den absoluten Ton? Ich hätte mir ge­dacht, ob man nicht die Toneurythmie als relative Toneurythmie hinnähme.

Dr. Steiner: Das kann man gut machen.

Eine Eurythmielehrerin: Ich ging immer auf den absoluten Ton.

Dr. Steiner: Man kann das Befestigen der eurythmischen Bewegung schon machen dadurch, daß man im Absoluten bleibt. Man braucht das nicht pedantisch festzuhalten.

Was machen die Kinder bei Ihnen im Werkstattunterricht?

Ein Werklehrer: Wir haben an den Arbeiten weitergemacht vom vorigen Jahr.

Dr. Steiner: Geht es dieses Jahr mit der Disziplin im Handarbeits­unterricht? Im vorigen Jahr die letzte Stunde war in der Sache und Disziplin ganz schön.

Haben Sie viel zu tun? Ich frage deshalb, weil ich meine, daß zu einer gewissen Anregung gut wäre, wenn gerade dieser Stoff der Pädagogik und Didaktik im vorjährigen Kurse verarbeitet würde. ob es nicht möglich wäre, alle vierzehn Tage eine sachliche Konferenz zu machen? Abgesehen von der Schule als solcher. Bringen Sie es dazu, daß Sie Fragen formulieren, die ein positives Erträgnis haben. Es wäre doch gut, wenn man bei diesen Dingen in einem gewissen Kon­takt bleiben könnte, indem Sie Zweifelsfragen ausarbeiten, und ich Themen stellen könnte, die dann zur Besprechung kämen, wenn ich hierherkomme. Aber ich hoffe, daß es in der Zukunft Zeit gibt, wo ich mich der Waldorfschule widmen kann. Notwendig wäre es doch, daß Sie Zweifelsfragen ausarbeiteten und diese Fragen mir schick­ten, und daß diese Fragen beantwortet würden, wenn ich komme.

Über den Malunterricht.

Dr. Steiner (zu einer Klassenlehrerin): Sie haben den Unterricht ver­anlagt?

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X.: Herr Doktor haben heute einige Versuche gesehen.

Dr. Steiner: Die sind als solche ganz gut. Es müßte noch mehr dazu kommen, daß das Herausarbeiten des Konventionellen, daß die Schrift aus dem Malen und Zeichnen herausgearbeitet wird; dazu müßte es überhaupt mehr kommen. Für die 1. Klasse sind Richt­linien gegeben. Allmählich weiter ausbilden, daß die Farbe weiter entwickelt wird.

X.: Ich finde es im Augenblick nicht, ich tappe herum.

Dr. Steiner: Einige von diesen Kindern haben ganz Gutes gemacht. Es müßte etwas herauskommen aus der Farbe. Bei der T. F. ist etwas darinnen.

X.: Ich habe gefunden, daß die Kinder bei den Wasserfarben sehr schwer zu Formen kommen.

Dr. Steiner: Die Kreidestifte sollte man nicht kultivieren. Worauf es ankäme, das wäre - nur sind wir nicht so weit -, daß wir abgrenzen könnten. Es würde erst ein ordentlicher, reinlicher Lehrplan sein in den unteren Klassen. Die anderen müssen natürlich fast dasselbe durchführen. Nur daß man auf das Alter des Schülers Rücksicht nimmt. Die Hauptsache liegt jetzt schon darin, daß ein innerliches Gefühl vom Farbaufhau in den Kindern erweckt wird, ein Erleben der Farbenwelt, daß die Kinder ein Gefühl bekommen vom Leben der Farbenwelt im Erleben der Märchen.

X.: Man muß doch den Kindern Formen geben, bestimmte Motive.

Dr. Steiner: Die Kinder kriegen schon Formen, wenn Sie die Phan­tasie wirken lassen. Sie müssen die Formen aus der Farbe heraus-wachsen lassen. Sie können in der Farbenwelt mit den Kindern reden. Denken Sie nur, wie anregend es ist, wenn Sie mit den Kin­dern bis zum Verständnis dessen es brächten: Da ist dieses kokette Lila, und im Nacken sitzt ihm ein freches Rötchen. Das ganze steht auf einem demütigen Blau.

Sie müssen es gegenständlich kriegen - das wirkt seelenbildend -, so daß die Farben auch etwas tun. Das, was aus der Farbe heraus gedacht ist, das kann man auf fünfzigerlei Weise machen. Man muß das Kind zum Darinnenleben in der Farbe bringen, indem man sagt:

,,Wenn das Rot durch das Blau hindurchguckt", und das wirklich schaffen läßt vom Kinde. Tch würde versuchen, viel Leben gerade in dies hineinzubringen. Sie müssen sie etwas aus dem Klotzigen (Klätzigen?), aus dem Lässigen herausbringen. Es muß Feuer hinein!

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Es ist im allgemeinen notwendig, daß in derjetzigen Zeit dieses Farbengefühl, das nicht so korrumpiert ist wie das Musikalische, entwickelt wird. Es wird auf das Musikalische günstig zurückwirken, wenn das Farbenleben entwickelt wird.

X.: Wären Sie dafür, daß man außer dem Malen das Zeichnen übt?

Dr. Steiner: Das lineare Zeichnen nicht. Das lineare Zeichnen nur, wenn es sich darum handelt, Geometrischeszu verstehen. Jedenfalls wichtig ist das andere: aus dem Hell-Dunkel heraus arbeiten! In dieser Beziehung hat sich die 9. Klasse noch nicht lebendig erwiesen. Man muß alles zu Hilfe nehmen.

X.: Könnte die 9. und 8. Klasse Malstunden nehmen?

Dr. Steiner: Man müßte das in den Stunden, die jetzt schon da sind, hereinbringen. Daß mehr Künstlerisches getrieben werden sollte, das ist ganz evident. Deshalb war mir zu tun, daß Fräulein Hauck herein­kommt in den Handfertigkeitsunterricht' daß die Handarbeit künstlerisch gestaltet wird. Zumeist ist das Handarbeitliche phili­strös. Ich möchte, daß es wirklich künstlerisch gestaltet wird. Da in der Handarbeit kann man das Lineare anwenden. Auf dem Papier ist das Lineare etwas unwesenhaft. Es kann die Brücke geschlagen wer­den vom Handarbeitsunterricht zum Handfertigkeitsunterricht. Es gibt doch eine ganze Menge Gegenstände, die man bemalen kann. Es gibt im Haushalt Dinge, die von den Menschen selbst bemalt werden sollten. Wenn die Kinder Puppensachen machen, da könnte viel Kunst entwickelt werden. Da könnte Stil, Farbensinn entwickelt werden; alles könnte entwickelt werden. Wenn man da durchdringt damit, daß der Naturalismus der Puppenbereitung überwunden wird, daß etwas Lebendiges da wäre, lachende Puppen, künstlerisch gestal­tet, da könnte man segensreich wirken.

Geradeso wie man die Kinder daran gewöhnt, daß sie Wechsel schrei­ben lernen, weiß ich nicht, warum man die Kinder nicht daran gewöhnen soll, wie man ein Plakat macht, wie man ein Plakat schön findet und bei einem schönen Plakat auch dessen Schönheit wirklich erkennt. Das häßliche, unmögliche Plakat sollte ebenfalls erkannt werden. Aber die Menschen schauen sich die Sachen an, ohne rasend zu werden. Der Geschmack müßte gebildet werden; Stilgefühl müßte entwickelt werden. Was Stilgefühl betrifft, ist der Unterricht, selbst in künstlerischen Anstalten, etwas Scheußliches.

Die scheußlichsten Proben haben wir hier vor kurzem erlebt. Sie kennen das graphische Zeichen der Dreigliederung von den Kernpunkten.

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Es ist abgeändert worden. Es hat sich darum gehandelt, etwas Aktuelles zu machen. Was tut der Künstler? Er setzt das Motiv, das er macht, so zusammen, daß er das, was links ist, wieder rechts macht. Er macht ein gotisches Fenster daraus. Diese Dinge kommen vor.

Es wäre wirklich möglich, daß etwas Schönes erreicht wird in der 10., 11. Klasse. Jetzt will einer unserer Fabrikanten eine Vignette haben für Kindermehl. Daß von innen heraus etwas geschaffen wer­den kann. Es gibt innere Notwendigkeiten. Heute kennt ja der Mensch bloß ein Kunstobjekt. Das muß so sein, wenn es etwas nach­ahmt. In Basel gibt es einen Lehrer des Kunstgewerbes, der sagt, er sehe gar nicht ein, wozu es notwendig ist, wenn ich das eine Auge hier male, warum ich das andere nicht hier malen kann. Das hat etwas für sich, solange man nicht mit den Sachen mitgeht. Was ich meine, ist das innerliche Erlebenkönnen. Das meine ich mit dem Stilgefühl. Man muß ein Dreieck erleben können, ein Viereck erleben können. Nicht sich halten an die Imitation, an die Nachahmung. Es macht doch heute jeder nur eine Puppe, indem er nachahmt und nicht innerlich erlebt. Man muß es von innen heraus erleben können, wie eine Puppe weint oder lacht. Dies müßte alles sinnvoll bis auf die Kleidung hin gemacht werden. - Die Mädchen können eine Puppe, die Knaben einen Kasperl machen. Das innerliche Erlebenkönnen, das müßte berücksichtigt werden beim Farbenmalen.

X.: Läßt sich auch bei den Tönen etwas anwenden?

Dr. Steiner: Ich glaube doch, daß es sich auch innerlich erleben läßt.

Musiklehrer: Soll man mit Worten den Kindern etwas näherzubringen suchen? Die Melodie als solche oder die einzelnen Töne?

Dr. Steiner: Es wird sich nur im Thema oder in der Melodie ergeben. Wenn man so die Töne behandelt, kommt ein Künstlerisches heraus. Ich glaube, daß Goethe so etwas meint, wie er Klavier gelernt hat.

Es wird gefragt, ob die Kinder Eurythmieschuhe herstellen sollen.

Dr. Steiner: Dadurch würden die Kinder schwächlich und kränklich. Ich glaube, daß es zu Unzukömmlichkeiten kommen könnte. Auf der anderen Seite, ist so furchtbar viel an Eurythmieschuhen zu erzeugen?

X.: Jetzt ist es so, daß viele Kinder es für die anderen machen.

Dr. Steiner: Wie lange braucht ein Kind, um ein Paar Eurythmieschuhe

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zu machen? Ich denke, daß unter den Mitgliedern sehr viele wären; ich kann mir denken, daß unter den Mitgliedern manche Frau ist, die kann mindestens im Tag ein Dutzend solche Schuhe machen, oder neun oder zehn.

X.: In der S. Klasse ist ein Schüler, der nicht Eurythmie machen will. Er hat für Künstlerisches kein Interesse, sondern nur für Physik, Elektrizität.

Dr. Steiner: Wie es unmusikalische Menschen gibt, kann es auch uneurythmische Menschen geben. Ich würde ihn nicht dispensieren. Man sollte nur dispensieren, wenn partielle Idiotie vorhanden ist.

Wegen eines Schülers S.

Dr. Steiner: Der unter den Bänken hervorgekrochen ist?

Man muß immer denken, zum Beispiel: werde ich die Zeichnung in die Ecke machen, werde ich es klein oder groß machen. Der muß veranlaßt werden, innere Aktivität zu entwickeln. Der muß angehal­ten werden, nicht so hinzuschlafen. Innerlich tätig sein. Es ist besser, wenn der Junge etwas machen muß, wozu er sich erst entschließen muß. Das meiste erreicht man mit dem Jungen, wenn man ihn berücksichtigt und freundlich ist. Er kann auch artig sein. Ich habe es merkwürdig gefunden, ich habe immer nur bemerkt, wenn er bestraft worden ist. Was er getan hat, habe ich nicht bemerkt.

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Konferenz vom Montag 22. November 1920, 16-18.30 Uhr

Dr. Steiner: Nun, nicht wahr, einiges möchte ich so sagen von den Eindrücken, die mir noch in diesen Tagen gekommen sind. Vor alTen Dingen würde ich wünschen, daß man hätte so etwas bespre­chen können - ich fürchte, es wird während der diesmaligen An­wesenheit nicht mehr gehen; es ist früher nicht so arg gewesen, aber jetzt fällt es mir so auf, namentlich in den Klassen, die angebaut worden sind -, daß die Wände irgend etwas von Bildern haben müßten. Die 4. Klasse ist eine greuliche Klasse in bezug auf die Bild-losigkeit. Und es fiel mir insbesondere so stark auf, ich sagte es Herrn U., als er die Religionsklasse hatte, da geht es stark ab. Man müßte dafür sorgen. Es ist auch die 5., die zu wünschen übrig läßt. Es ist mir aufgefallen, daß es notwendig wird, daß die Wände einem nicht als Wände entgegentreten, daß sie etwas von Bildern haben müßten. Es müßte sehr sorgfältig gemacht werden.

Es wird ein Mitglied der Anthroposophischen GeseiTschaft erwähnt, das für Bilder sorgen wifl, Herr G.

Dr. Steiner: Davor habe ich eine kleine Angst. Es müßte ganz im Sinne unserer Pädagogik geschehen. Deshalb kann es sich nicht voll­ziehen, bevor ich komme.

Wo sind Maler, die etwas machen könnten? Es müßten geradezu die Anregungen von den betreffenden Klassenlehrern ausgehen. Und dann müßte die Sache wirklich recht künstlerisch behandelt sein. Gar nichts Unkünstlerisches darf vorhanden sein. Es müßte wirklich für diese Schule Besonderes geschaffen werden.

Es würde zum Beispiel von einer großen Bedeutung sein - heute morgen hat Fräulein L. durchgenommen das ,,Riesenspielzeug", und nun, nicht wahr, ist von Chamisso das Gedicht so gemeint, daß man, sobald man es den Kindern in dieser Chamisso-Gesinnung vor-bringt, leicht etwas ins Rationalistische kommt, und ihm leicht den Duft nehmen kann. Das Gedicht ist so - so hat man das aufzufas­sen -, daß die Burgriesen die alte Gutsaristokratie sind. Es ist ein gründlich tief soziales Gedicht. Das Riesenspielzeug ist der Bauer, der von der Gutsaristokratie als Spielzeug benutzt wird. Ich würde heute morgen zurückgeschreckt sein, so etwas anzudeuten. Es wird so etwas leicht rationalistisch. Dagegen dies: da die Kinder es sehr lieb gehabt haben, sollte man versuchen, dies nun ins Malerische zu übersetzen, aber mit diesem Gedanken - wodurch es den Duft nicht

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verliert -, mit diesem Gedanken des Spielens der untergehenden Gutsaristokratie, daß man das darin hat. Also gewissermaßen nicht den Kindern das Gedicht in Prosa übersetzen, sondern es ins Bild übersetzen. Das gibt einen tiefen Eindruck, wenn so etwas gerade da hängt, was dem Unterricht entnommen ist und was die Kinder durchge fühlt haben.

Ich habe mit Fräulein WalTer am Anfang der Waldorfschule längst davon gesprochen, daß man etwas schalfen müßte, was den Meta­morphosegedanken dtirch die Reiche des Lebendigen hindurch gibt in einem wirklichen Kunstwerk. So etwas Ähnliches, was durch­geführt ist in Dornach in den Übergängen von einem Architrav zum anderen. Dadurch würde es dem Lehrer ungemein erleichtert sein, in solchen Dingen etwas, was zum Unterricht gehört, gerade daran zu erklären. - Wenn uns G. etwas liefert, so liefert er Dinge, die ihm gefallen. Das ist etwas, wovon wir nichts haben. Vielleicht denken Sie zunächst über solche Sachen nach. Aber so etwas brauchen wir.

X.: Ist es pädagogisch ungünstig, wenn die Kinder selbst etwas machen?

Dr. Steiner: Ihre Nichte war bei mir und brachte mir ihre erste Malerei. Sie sagte, das wäre nicht bloß, daß ich es ansehen müßte, sondern das müßte ich mir zuhause an die Wand hängen.

Da kommt es darauf an, wie die Sachen sind. Ich habe nichts da­gegen, wenn auch die Sachen von Kindern aufgehängt werden. Bei Bildern ist es furchtbar schwer; eigentlich ist ein gewöhnliches Bild an die Wand zu hängen, ein Ungedanke. Was soll ein Bild an der Wand? Künstlerische Zeiten haben nie so gedacht, Bilder an die Wand zu hängen. Ein Bild muß dem Raum angepaßt sein. Däs Abendmahl von Leonardo ist im Speisesaal des Klosters. In Kreis-form saßen die Mönche, die vierte Wand wurde gemalt. Er aß mit, Ei gehörte dazu. Das ist aus dem Raum und aus den Verhältnissen heraus gedacht. Solche Dinge rechtfertigen die Sachen. Einfach Bil-der aufzuhängen, dann wird die Sache um so irriger.

X.: Ich wollte Nachbildungen der Dornacher Glasfenster aufhängen. Dr. Steiner: Man läßt es eine Zeitlang.

X. fragt, ob man Bilder von einem anihroposophischen Maler aufhängen solle.

Dr. Steiner: Es kommt darauf an, wie es gemacht wird. Es hat schon eine Bedeutung, wenn die Kinder Bilder haben, die auf sie einen bleibenden Eindruck machen.

Dann ist da eine Sache, die ich zur Sprache bringen muß. Es sind

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allerlei Dinge im Bau begriffen. Nun, nicht wahr, ist es so, daß der musikalische Unterricht unter dem Nichtvorhandensein von geeig­neten Räumen an allen Möglichkeiten des fruchtbaren Unterrichtes leidet. Das ist doch eine Kalamität. Nicht wahr, wenn halt der Musik-lehrer taub wird dadurch, daß er in einem ganz ungeeigneten Raum unterrichten muß, so ist das eine Kalamität. Das ist etwas, dem abgeholfen werden müßte. Man hat eine solche Befriedigung für die Waldorfschule , wenn so ein Quartett auftritt. Das zeigt, was geleistet werden könnte, wenn alle Grundlagen da wären. Es wäre gut, wenn eine gewisse Sicherheit dafür vorhanden ist, daß darauf Rücksicht genommen wird, daß die Musik tatsächlich einmal für drei, vier Jahre ordentlich untergebracht ist.

X.: Ein Musiksaal ist vorgesehen.

Dr. Steiner: Ist der Musiklehrer als Sachverständiger zugezogen wor­den? Das wäre notwendig, daß Sie das selbst anordnen, was Sie wollen. Es müßte schon dafür gesorgt werden, daß die Turnhalle zu gleicher Zeit für den musikalischen Teil der Schule etwas hat.

Der Musik lehrer: Ich brauche auch für die Vorbereitung des Unterrichts einen geeigneten Raum. Ich müßte etwas klanglich ausprobieren.

Dr. Steiner: Es wäre notwendig, daß diese Sachen so eingerichtet werden, wie Sie es selbst angeben.

Werden genügend große Räume da sein für den Handfertigkeitsunter­richt? Wie kommen Sie durch mit allen Kindern? Wenn Sie immer solch einen Trupp haben, dann können Sie kaum durchkommen.

X.: Es fängt mit der 6. erst an.

Dr. Steiner: Trotzdem weiß ich nicht, ob Sie durchkommen können. Viel mehr hat man nicht Platz in den Räumen, die ein Winkelwerk sind. Die Kinder werden krank werden. Das wären Fingerzeige, die notwendig gewesen wären zu beachten.

Jetzt möchte ich, daß sich die Freunde aussprechen über die Dinge, die sie gerne besprochen hätten.

X.: Ich wollte fragen, wie man Kinder behandeln soll, die lethargisch sind.

Dr. Steiner: Wie ist der Sch. im Handfertigkeitsunterricht? Er geht so komisch. Ich habe im vorigen Jahre bei einigen schwach begrei­fenden Kindern so etwas als Grundübungen angegeben, daß sie am eigenen Körper denken mußten. ,,Greife mit dem rechten dritten Finger deine linke Schulter an." Solche Dinge werden sie am eigenen

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Körper denken müssen. Ich habe auch gezeigt, man zeichnet ihnen etwas auf, was man stilisiert; sie müssen darauf kommen, was das ist. Oder man läßt sie das Symmetrische dazu machen. Man bildet Anschauungen, die mit dem Körperbau zusammenhängen. Diese Übungen in den Unterricht eingefügt, sind außerordentlich weckend für schläfrige Kinder. Bei diesem Jungen ist das Schlaf.

Ich würde Sie darum bitten, bei den Kindern keine Lässigkeit im Kleinen zu dulden. Nicht dulden, daß die Kinder die Kreide halten wie die Feder, daß die Kinder keine Ungeschicklichkeit begehen. Auf solche Sachen würde ich ganz stark achten. Fast die Hälfte der Kinder hält die Kreide schlecht. Das muß man ihnen nicht durch-lassen. Auf diese Dinge muß man doch furchtbar stark sehen.

Ich würde den Kindern nicht gestatten, so herauszutröpfeln, wie heute das kleine Mädchen. Da würde ich trachten, daß die sich den Gang bessern kann. Das hat ungeheuer viel Weckendes.

Der N. in der 6. ist auch so sehr apathisch. Bei dem würden solche Übungen sehr rasch helfen.

Ich würde auch eine Zeitlang sehr sehen auf das kleine Mädchen in der 4. Klasse, rückwärts auf der rechten Seite. Die neigt dazu, sich furchtbar viel auszudenken. Sie hat sich ausgedacht, daß die ganze Szene von dem ,,Lied vom braven Mann" am Mittelländischen Meer spielt. Das alles schreibt sie in Anlehnung an das Lied vom braven Mann. ,,Der Tau wind kam vom Mittagsmeer." Von da aus macht sie eine phantastische Geographie. Mit diesem kleinen Mädchen muß man oft sprechen, die ist der Gefahr ausgesetzt, an Gedankenflucht zu leiden. ,,Das Ägäische Meer fließt ins Mittelländische Meer."

Der Junge, der Kleine - es sind einzelne darunter, die haben eine reizende Schrift, einzelne sind sehr weit -, der kleine Junge schreibt so, wie mancher kommunistische Redner redet. Er paßt dann nicht auf. Er schreibt ohne Zusammenhang, wie ein Redner vom Kom­munismus redet. Für den wären auch solche Übungen weckend.

X. fragt wegen F. L.

Dr. Steiner: Der Junge, der F. L., müßte vielleicht doch oft aufgeru­fen werden. Es ist nicht so schlimm. Er ist nur verträumt. Er kommt mit sich selbst schwer zurecht. Er müßte das Gefühl haben, man interessiert sich für ihn. Dann wird es sofort gehen. Es geht doch jetzt besser.

X.: Er spricht in der Stunde nicht mit.

Dr. Steiner: Ob er sich nicht aufraffen könnte? Er hat eine fortwährende

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Angst, daß man ihn nicht lieb hat. Das ist sein Grund­phänomen. Man soll nicht hinter ihm etwas suchen.

X.: Was würden Sie raten für Ch. D. in der 2. Klasse?

Dr. Steiner: Hat sie etwas angenommen vom Unterrichtsinhalt? Was haben Sie gegen sie?

X.: Ich werde charakterlich nicht fertig.

Dr. Steiner: Setzen Sie sich ganz in die Nähe und bemerken Sie nicht, wenn sie mit Ihnen kokettiert. Bemerken Sie es zunächst nicht, und immer erst am nächsten Tag sprechen Sie mit ein paar Worten über das, was sie ausgefressen hat am ersten Tag. Nicht wenn es gerade ausgefressen wird, sondern vierundzwanzig Stunden da­nach.

X.: Bei mir in der 4. ist der W. R. K. Der folgt nicht; er lernt nicht und stört dauernd die anderen Kinder. Er ist schläfrig und apathisch.

Dr. Steiner: Da würde ich es auch versuchen mit diesen Übungen. Alles von Grund auf mit den Kindern machen, daß sie keine Schablo­nen in die Hand bekommen, noch ausgesprochene Formen, die über­sichtlich sind.

X. (der die S. Klasse übernommen hat, weil Frau K. krank wurde): Es ist vor allem eins, daß dadurch, daß die Klassen viel an Lehrern gewechselt haben, im Rechnen die Kenntnisse ungleichmäßig sind. Soll ich das Rechnen abbrechen und lieber einen anderen Gegenstand nehmen?

Dr. Steiner: Wie lange glauben Sie zu brauchen, daß jedes Kind so weit ist, daß es geht?

X.: Die Majorität in der Klasse ist nicht schlecht im Rechnen.

Dr. Steiner: Nun meine ich das: der Unterricht im Chor ist gut; er ist gut mit Maß gemacht. Wenn allzuviel im Chor gesprochen wird, dann bitte ich nicht zu vergessen, daß die Gruppenseele eine Realität ist, daß Sie nie darauf rechnen können, daß die Kinder als einzelne das können, was sie im Chor richtig machen. Man hat so das Gefühl, wenn die Kinder im Chor sprechen, daß man sie leichter ruhig erhält. Ein so gutes Mittel es ist, mäßig betrieben, damit die Gruppenseelen­haftigkeit in Regsamkeit kommt, so wenig ist es doch gut, die Kinder allzusehr der Gruppenseele zu überlassen. Sie können als einzelne nicht das, was sie im Chor können. Da müßte noch weiser geschaltet werden. Sie müssen die Kinder einzeln recht viel fragen. Man muß es tun. Es hat seinen großen erzieherischen Wert. Ja nicht glauben,

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wenn die Kinder unruhig werden, daß man sie dann im Chor spre­chen lassen muß.

X.: Was soll man gegen die Unruhe tun?

Dr. Steiner: Was machen die Kinder dann?

X.: Sie sprechen, schwätzen, lärmen.

Dr. Steiner: Es scheint beim Rechenunterricht zu sein. Neulich, wie ich da war, waren die Kinder wunderbar ruhig.

X.: Die haben Angst gehabt vor Dr. Steiner, das haben die anderen nachher gesagt.

Dr. Steiner: Sie müssen es eine Zeitlang so machen, daß Sie ver­suchen, die Neugierde der Kinder zu erregen, daß sie unter einer gewissen Spannung dem Unterricht folgen; durch die Sache selbst, nicht durch außerunterrich tliche Mittel.

(Zu Fräulein Hauck): Nicht wahr, die Kinder im Handarbeitsunter­richt, ich habe sie noch nie unartig gefunden. Ich glaube, es wird sich auch geben. Die Kinder werden sich an Sie gewöhnen. Die 4. ist eigentlich artig und regsam. Sie gingen auf eine schwierige Ausein­andersetzung ein und dachten gründlich nach. Ich habe etwas dar­über gesprochen. Sie müssen nur nicht gleich - Sie sind ganz noch jung und morgenschön als Lehrerin der Waldorfschule; Sie müssen noch warten, bis die Kinder kommen, Sie nahe zu sehen.

X.: Der G. Z. leidet an Heimweh. Er hat einen großen Fragetrieb.

Dr. Steiner: Er ist auch im Physikunterricht ganz aufmerksam. lch war verwundert darüber, daß er so artig ist. Die Frau, bei der er wohnt, sagt, er kritisiert sehr stark und schimpft furchtbar über die Lehrer und über die Schule und sagt, auf anderen Schulen hat er viel mehr gelernt. Man müßte wissen, ob es stimmt.

X.: Das Kind G. D. fühlt sich leicht gekränkt und ungerecht behandelt.

Dr. Steiner: Die Mutter hält sich für eine geistvolle Dame und da scheint sie manchen Kohl zu reden. Sie hat fürchterliches Zeug im Laufe der Jahre geredet. Was ist für eine Kalamität vorhanden?

X.: Die Mutter beklagt sich, ich würde das Kind überanstrengen.

Dr. Steiner: Ich glaube nicht, daß man mit der Mutter so leicht fertig wird. Sie ist so eine Salonspinne.

Man bemerkt oftmals bei den Kindern, die noch lenkbar sind und mit denen man im Grunde alles machen könnte, daß bei denen die

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schrecklichsten Familienverhältnirsse zugrunde liegen. Dieser klei­nere Bruder, der bei einer vorsichtigen Behandlung ein ausgezeich­neter Junge wäre, der kann nicht hochkommen in diesem Milieu. Er ist begabt, er hat alle die Krankheiten, die seine Mutter hat, in erhöh­tem Maße, nur in anderer Form. Auf diese Dinge braucht man nicht zu achten, dann tut man sofort das Richtige.

Eine Eurythmielehrerin: Bei R. F. gelingt es mir nicht, daß er Interesse an der Eurythmie gewinnt.

Dr. Steiner: Ironisieren Sie ihn doch einmal! Er war in einer Kloster-schule. Die Hauptsache ist, daß er in der Eurythmie nicht mittut. Ich würde doch versuchen, ihn Eurythmieformen zunächst zeichnen zu lassen. Er soll Ihnen Formen zeichnen. Wenn er gezeichnet hat, dann lassen Sie ihn sie machen.

X.: ...

Dr. Steiner: Nun haben wir Ihre Fibel. Die Sache ist ausgezeichnet und würde für den, der sie benützt, außerordentlich anregend sein. Es könnte sich das Allerverschiedenartigste daran knüpfen. Die Sache jetzt als eine Probe des Geistes, der in der Waldorfschule waltet, zu geben, das wäre sehr gut. Wie ich überhaupt meine, daß es gut wäre, wenn man von dieser Art das, was auf den Unterricht Bezug hat, herausgeben würde. Nicht bloß die Aufsätze, sondern das, was im Unterricht sich betätigt. Es kostet aber ein Kapital. Es handelt sich darum, wie wir zurechtkommen. So wie Sie es zusammengestellt haben, wenn diese Zeichnungen darin sind, muß das auch entspre­chend gedruckt sein. Die Schrift herbekommen, das kann man schon. Man kann sie machen. Wir machen auch das Titelblatt. Die Schriften, die jetzt zu haben sind, sind fürchterlich. Es handelt sich darum, das durch das ganze Buch durchzuführen. Das Ganze würde 20 000 Mark kosten; wenn wir zunächst darauf rechnen, daß wir

1000 absetzen, so müssen wir solch eine Fibel für 40 Mark verkau­fen. Wie kommen wir da finanziell zurecht ! Es wäre interessant, sich darüber zu unterhalten, wie man es machen kann. Man müßte es überlegen. Bücher sind furchtbar teuer. Sie können diese Dinge nicht mit einer gewöhnlichen Schrift machen. Es ist etwas so eigenartiges und als Fibel so charakteristisch, daß es gefördert werden sollte. Nun würde ich ein Nachwort dazu schreiben. Wenn es so hinauskommt, versteht es kein Mensch. Es würde darüber gesprochen werden.

Jetzt haben sie ein System, das ich ganz brauchbar finde, für ein Bilderbuch mit verschiebbaren Bilder rn, wo man unten an Schnüren

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zieht, wo man einen kurzen Text hat und oben verschiebbare Bilder. Ein solches Bilderbuch würde außerordentlich notwendig sein beim Kindergarten. Wenn Sie sich damit beschäftigen würden! Fürchter. lich philiströs sind die heutigen Bücher.

X.: Ich wollte fragen, ob man im Religionsunterricht auch alte Dokumente heranziehen kann.

Dr. Steiner: Natürlich. Auch Selbsterfundenes. - Ich meine, daß man Herrn A. schon den Vorschlag machen sollte, daß er die Hälfte der Religionsklasse übernimmt. Geben Sie ihm nur die Hälfte. Wäh­len Sie selbst aus die, die Sie loshaben wollen. Er wird trotz seines Alters ebenso jung und morgenschön sein.

X.: Würde Herr A. auch teilnehmen an den Handlungen?

Dr. Steiner: Das wird sehr bald nötig sein.

(Zu Fräulein H.): Jetzt möchte ich, daß Fräulein S. zu Ihnen kommt. Tch meine, daß es gut wäre, wenn Fräulein S. bei Ihnen darin wäre, daß Sie ihr die Fortsetzung des Unterrichts überlassen. Sie unterrichten eine Stunde, Sie sind darin, bleiben im Kontakt. Dazwi­schen jemand anderes. Mir kommt vor, daß Sie das wollen sollten. Natürlich braucht das nicht pedantisch durchgeführt zu werden. Nur meine ich, daß angefangen werden sollte, denn in diesem Raum ist diese Klasse von Ihnen allein nicht zu bewältigen.

Ich habe sicher gedacht, daß ich Ihnen diesen Bericht geben kann. Ich habe so viel zu tun, daß ich ihn erst von Dornach aus schicken kann. Das war mir eine Beruhigung, daß Sie auch nicht fertig sind. Für das Goetheanum habe ich schon geschrieben. Da haben Sie noch nicht geschrieben.

K.: Ich möchte den Jahresbericht jetzt doch setzen lassen.

Dr. Steiner: Ich schreibe ihn wirklich, wenn ich in Dornach an­komme. Ich gebe ihn Herrn M. mit. Man müßte diese Beiträge durch­redigieren. Wenn ich nur Zeit hätte! Ich müßte ihn mitnehmen und ihn machen in Dornach.

Dr. W. ist auch unglücklich und macht schon so verdrossene Gesich­ter den ganzen Tag. Sie sollen die Vorträge von H. machen? Mein Vater hat zwar, wie ich immer mit einer gewissen psychologischen Sensation erzähle, die Liebesbriefe für die Burschen des ganzen Ortes geschrieben. Die sind immer gekommen und haben sich die Liebes­briefe schreiben lassen. Die Mädchen waren furchtbar entzückt. Aber daß Sie die H.'schen Vorträge machen sollen! Ich werde in

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Zürich Vorträge zu halten haben, ich werde dem H. sagen, daß er seine Vorträge selbst machen muß.

Dann habe ich daran zu denken, Sie möchten eine Art Ritual für die Weihnachtshandlung haben. Ist sonst eine Frage noch zu besprechen? Anschaulichkeit hat man nicht bloß, um das, was zu erklären ist, anschaulich zu machen, sondern auch, um den Geist beweglicher zu machen. So würde ich es gar nicht unberechtigt finden, wenn man das größte gemeinschaftliche Maß durch Zeichnungen so veran­schaulichen würde, daß man die in beiden Zahlen enthaltenen Prim­zahlen in ein Gefäß hineinwirft; dann sind nur die Primzahlen, die in beiden sind, darin. Man hat die Möglichkeit, das ins Anschauliche zu versetzen. Ein großes Gefäß, man nimmt den Primfaktor 2, den schmeißt man hinein. Das ist ein Maß, mit dem kann man beides messen.

Es handelt sich darum, nicht bloß das zu unterstützen, was man begreiflich machen will, sondern das Gedächtnis wird dadurch unter­stützt, daß man Raumesvorstellungen einführt, die anschaulich sind; daß die Kinder genötigt sind, da Raumesvorstellungen zu haben. Es ist das kein Tadel. Diese Stunde war schon eine ausgezeichnete. Es könnte sich daran etwas anschließen, um die Kinder zum räumlichen Vorstellen zu bringen.

Wenn niemand mehr etwas zu fragen hat, werdenwir abschließen. Ich kann nur sagen, dies, was zum Teil herumgesprochen wird, daß die ganze Schule durch die Zunahme der Kinderzahl an Intimität verlo­ren hat, kann ich nicht als Mangel empfinden. Ich kann nicht sagen, daß es etwas ist, was man besonders unangenehm empfinden muß. Das muß man nehmen, wie es ist. Im übrigen, eigentlich kann ich sa­gen, ich finde, daß die Schule doch recht gute Fortschritte gemacht hat nachjeder Richtung hin. Hatjemand eine andere Meinung?

Nun möchte ich noch erwähnen; unsere Stuttgarter Unternehmun­gen müssen in einer gewissen Beziehung ein harmonisches Ganzes sein und müssen als solches empfunden werden. Es muß ein harmo­nisches Zusammenwirken sich immer mehr herausbilden. Wenn die Dinge überall so gegangen wären, wie sie im vorigen Jahr in der Waldorfschule gegangen sind, in bezug auf das Pädagogisch-Didak­tische, so würde es gut sein. Die Waldorflehrer wirken wacker mit, damit das andere auch unterstützt werden kann. Es muß das, was hier in Stuttgart ist, als Ganzes betrachtet werden. Die Anthroposo­phische Gesellschaft mit der Waldorfschule zusammen ist der gei­stige Teil des dreigliedrigen Organismus. Der Bund für Dreigliede­rung muß ein politischer Teil sein; dazu müssen die Waldorflehrer

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durch ihren Rat beitragen. Der Kommende Tag wäre der wirtschaft­liche Teil im Ganzen. Die Waldorfschule gingeja fort. Jeder muß das Nötige dazu tun, daß die anderen Dinge nicht einschlafen. Nament­lich der Bund für Dreigliederung, von dessen Regsamkeit hängt alles ab. Wir müssen darauf bedacht sein, daß uns mit jedem neuen Schritt neue Aufgaben erwachsen. Dadurch, daß die Del Montesche Fabrik hinzugekommen ist, haben wir eine Schar von Arbeitern. Eine solche Betriebsversammlung, wie wir sie gehalten haben, ist ja vom heutigen sozialen Leben aus gesehen wirklich ganz deutlich. Es ist jede Brücke abgebrochen zwischen Arbeiterschaft und führenden Klassen. Wenn wir nicht in der Lage sind, durch die Dreigliederungsbewegung gemeinsame Interessen hervorzurufen, wie sie in den siebziger Jah­ren vorhanden waren in der europäischen Bevölkerung, wo die Prole­tarier sich interessiert haben für die demokratische Idee, so daß gemeinsame Interessen vorhanden sind, daß man auf etwas anderes denkt als bloß das Brot, wenn das nicht der Fall sein kann, kommen wir auf keinem Gebiete weiter. Wir müssen eine geistige Atmosphäre schaffen. In bezug darauf schläft das Stuttgarter geistige Leben in den letzten fünf Monaten einen tiefen Schlaf, und es muß wiederum auferweckt werden.

Das tritt dadurch hervor, daß die Dreigliederungszeitung, die so gut ist, als sie sein kann, in den letzten fünf Monaten gar nicht an Leser-zahl zugenommen hat. Sie hat auch nicht zugenommen an Mitarbei­terzahl. Wir brauchen Mitarbeiter für die Dreigliederungszeitung. Das Ziel muß uns vor Augen schweben, die Dreigliederungszeitung möglichst schnell in eine Tageszeitung zu verwandeln. Wenn gewisse Konsequenzen gezogen werden, wenn wir also solche Betriebe angliedern, ohne daß wir etwas Positives leisten für die politische Bewegung Mitteleuropas, dann überleben wir das nicht. Wir können nicht Betriebe nach und nach aufnehmen und nicht zu gleicher Zeit etwas mit Stoßkraft leisten, was etwas ist.

Im politischen Leben und im sozialen Leben sind nicht Dinge ein­fach wahr, sondern sie sind, wenn man heute zu einer solchen Ver­sammlung geht, etwas sagt, das ist heute wahr, aber wenn man sich nicht entsprechend verhält in den nächsten Monaten, so ist es nicht mehr wahr, so wird es unwahr. Wenn der Kommende Tag so etwas bleibt wie eine gewöhnliche Unternehmung, so wird das unwahr. Es ist wahr. wenn es uns gelingt, wirklich mit Stoßkraft vorwärtszu-kommen. Da handelt es sich darum, wie weit wir in der nächsten Zeit gegen alle Vorurteile im Aktuellen zugreifen.

Solch ein Mensch wie der Stinnes hat eine große Bedeutung für die

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nächste Zukunft. Seine Ideen gewinnen an Anhang. Insbesondere in seiner Partei, der Deutsch-Idiotischen Partei, das heißt der deutschen Industrie-Partei, da gewinnen diese Ideen eine agitatorische Kraft. Man muß sich klar sein, daß da geniale Hintermänner sind. Er strebt an, es dahin zu bringen durch eine Riesenvertrustung des geistigen Lebens und der wirtschaftlichen Unternehmungen, daß das Prole­tariat knierutschend vor den Toren seiner Unternehmungen erscheint, um Einlaß zu bitten. Dazu ist er auf dem besten Wege. Und es ist systematisch, was er tut. Und mit solchen Leuten steht schon wiederum die geistige Bewegung in Deutschland in einem gewissen Zusammenhang. Bei uns versteht man die Mache viel zu wenig. Graf Keyserling (in Darmstadt) hat die Mache sehr gut verstanden. Er hat starke Finanzkräfte hinter sich. Dasjenige, was mit Stinnes herauf­zieht - Sie können das verfolgen in den Badenschen Zeitungen -, wird als eine Heilslehre hingestellt. Das bringteineArtvonDreigliede­rung herau{ aber in ahrimanischer Ausgabe. Sie kommt als Teufels-werk, wenn sie nicht so gemacht wird, wie wir sie machen können.

Nun handelt es sich darum, daß man die Augen sehend, die Ohren hörend, die Nasen riechend macht für alles das, was heraufzieht. Es ist schön, absolute Theorien hinzustellen. Es ist notwendig, daß man das Größte an die Einzelheiten anknüpft. Unser Wirken muß aktuell werden. Ich habe in meinem Vortrag in der Liederhalle am Berg­arbeiterstreik angeknüpft. Wir sollen vom Alltäglichen die Leute her-aufheben zu großen Gesichtspunkten. Da muß schon hier alles zusammenwirken. Der Kommende Tag wird dadurch wahrscheinlich funktionieren. Dem Bund für Dreigliederung schadet es nicht, wenn ihm manchmal ein bißchen Feuer unter den Sitz gemacht wird.

Unmittelbar aktuell ist die Frage, was wird mit der Kinderschar der neu übernommenen Fabriken? Das ist die Frage, die ein Vorwurf wird, wenn wir nicht zugreifen. Nun, nicht wahr, Dr. Ungers Betrieb hat eine Kinderschar, Del Montes Betrieb hat eine Kinderschar; dadurch, daß wir sie übernommen haben, wächst uns die Aufgabe, wie gründen wir dafür eine Waldorfschule. Wir müßten dafür sorgen. Ebensogut möchte ich erinnern an das, was ich gestern an einem anderen Ort gesagt habe; die Studenten, die sich engagiert haben dafür, diesen Aufruf zu verbreiten, gegen die haben wir die heilige Pflicht, sie nicht sitzen zu lassen. Da müssen wir fest dahinter sein. Der Aufruf ist eine furchtbar wackere Tat. Er schlägt ein. Die land­wirtschaftlichen Schüler von Hohenheim haben reagiert darauf. Wir müssen unsere Bewegung als eine solche auffassen, die nicht stehen­bleiben kann, die mit jedem Tag fortschreiten muß, sonst hat sie gar keinen Sinn. Ins Austragsstübel können wir uns noch nicht setzen.

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Konferenz vom Sonntag 16. Januar 1921, 9.45 Uhr

Dr. Steiner: Da wir nur diesen Winkel der Zeit hatten, werden wir die allernotwendigsten Dinge besprechen müssen. Vielleicht sind Sie so gut und bringen die Dinge zur Sprache, die aus dem Kolle­gium heraus vorgebracht werden sollen.

X.: Die Schule ist zwar genehmigt, aber es ist jetzt ein Erlaß der Behörde gekommen, der festsetzt, wieviel Kinder wir im 1. Schuljahr aufnehmen dür­fen. Das müßte besprochen werden.

Dr. Steiner: Das Besprechen hilft nicht viel. Der Erlaß besagt doch, daß wir im besten Falle, so lange es der Regierung gefällt, die ersten Klassen nur so groß machen dürfen, als sie in diesen beiden Schul­jahren sind, daß wir nicht mehr Kinder aufnehmen dürfen. Das ist das, was glattweg darinnensteht. Daß die Schule in beliebiger Weise fortgeführt werden kann, davon kann gar keine Rede sein. Wir dürfen nicht mehr Schüler aufnehmen, als wir bisher hatten.

Was darüber zu sagen wäre, ist dies: wenn wir noch einen wirklich bestehenden Bund für Dreigliederung hätten, so müßte der die Agita­tion gegen dieses Schulgesetz aufnehmen. In bezug auf diese Dinge wird im einzelnen nichts erreicht; es muß gegen diese Tendenzen in umfassender Weise Stellung genommen werden. Etwas anderes ist darüber nicht zu sagen. Wir können mit dem Erlaß sonst nichts machen.

Gegen die Einschränkung in dieser Beziehung muß ich mich auch auf einem anderen Gebiet wenden. Es ist nie aus unserer Anthroposo­phischen Gesellschaft die Tendenz hervorgegangen, gegen die Ein­schränkung durch die Ärztetyrannei irgend etwas öffentlich zu tun. Dagegen besteht ständig die Tendenz, irgendwie zur Kurpfuscherei anzuregen. Das ist dasjenige, was auch unsere Bewegung ruiniert, dieses heimliche Wollen von etwas, wogegen man öffentlich nicht angehen will; daß das fortwuchert. (Zu einem Lehrer:) Sie waren heute mutig genug, indem Sie Tropfigkeit gesagt haben. Es kann zu Konsequenzen führen, gewiß, das schadet nichts.

Es ist so, daß es durchaus ausgesprochen werden muß, es ist eine der Tatsachen, daß die Dreigliederungszeitung seit Ende Mai kein ein­ziger abonniert hat. Daß der Bund für Dreigliederung absolut nicht funktioniert, das ist etwas, was gesagt werden muß.

X.: Das Schulgebäude wird nicht rechtzeitig fertig werden. Man muß viel-leicht eine Baracke zur Aushilfe nehmen.

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Dr. Steiner: Wahrscheinlich wird es darauf hinauskommen, daß man eine solche Baracke bauen muß. Es ist außerordentlich wenig Aus­sicht vorhanden, daß dieses große Schulgebäude, das also Millionen kostet, in der nächsten Zeit geleistet werden kann. Das Geld müßte geleistet werden von seiten des Kommenden Tages. Daß es geleistet werden kann, das ist nicht sehr wahrscheinlich, denn der Kommende Tag hat, wenn er zurecht kommt, eine ganze Reihe von Dingen zu tun, die eigentlich unbedingt geschehen müßten. Und es ist fast unmöglich, etwa das erste Geld für den Bau des Schulhauses zu verwenden. Wenn nicht das erste Geld verwendet werden kann, dann ist nicht daran zu denken, daß das Schulhaus für das nächste Schul­jahr fertiggestellt werden könnte. Technisch fertigstellen könnte man es ja, aber es wird finanziell nicht möglich sein.

Mehrere Lehrer sprechen über die Wege, Geld zu schaffen.

Dr. Steiner: Es steht nichts im Wege, Geld irgendwie zu bekommen. Diese Art von Propaganda hängt davon ab, daß sie mit einigem Hu­mor gemacht wird. Nicht wahr, ich konnte mich ja in der letzten Zeit zu wenig in der Waldorfschule umsehen. Es war mir furchtbar schmerzlich; ich bin niemals mit so schmerzlichen Gefühlen weg­gegangen als diesmal. Einiges werde ich sagen. Es erscheint mir nicht möglich, daß unsere jetzigen Waldorflehrer zu einer solchen Propa­ganda etwas beitragen können. Tm großen ganzen hat es den Ein­druck gemacht, daß die Waldorflehrer mit der Sorge für die Hoch­schul kurse schon genügend belastet sind. Es wäre notwendig, daß sie für manche Dinge entlastet würden, wenn die Schule richtig gedeihen soll. Ich habe den Eindruck, daß Sie nicht weiter belastet werden können. Man braucht, wenn man lehren will, wirklich eine gewisse Zeit des Vorbereitens. Man muß die Sachen gründlich verarbeiten. Einzelne sind so überlastet, daß das nicht mehr möglich ist. - Also ich würde dem Dr. Stein entschieden raten, wenn man von seiten des Bundes für Dreigliederung ihm etwas zuschiebt, daß er es energisch zurückweist, damit die Dinge auf diese Weise einige Korrektur erfah­ren. Wenn der Bund für Dreigliederung diejenigen Dinge, die in seiner Aufgabe stehen, auf Sie abschiebt und sich darauf beschränkt, sich zurückzuziehen in seine Räume, dann ist das eine Methode, die weni­gen Leute, die arbeiten, so zu ruinieren mit der Überlastung und die anderen auf die Festung sich zurückziehen zu lassen, daß es nicht weitergehen kann.

X.: Vorträge sollte ich halten. Ich weiß schon lange, daß ich absolut nicht diese Vorbereitung aufbringen kann, die notwendig ist.

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Dr. Steiner: Ich tadle nicht! Ich wollte nicht Kritik üben. Es wäre unangebracht, an der besten Institution Kritik zu üben. Es müssen die Dinge durchaus eingeteilt werden. Man kann zugeben, wenn das Arrangement in Ordnung ist, daß Sie solche Dinge machen, wie die in Darmstadt; dann müßte ein viel intensiveres Zusammenarbeiten mit dem Bund für Dreigliederung da sein. Jedenfalls müssen Sie sehen, daß man lhnen nicht so etwas auflialst, was eminenteste Pflicht der Leute vom Bund für Dreigliederung ist. Die anderen Herren auch.

Vor allen Dingen haben wir für die Schule zu sorgen, das ist in erster Linie unsere Aufgabe. Forschungsinstitut und Schule gehören zu­sammen, um daraus ein Einverständnis zu bewirken. Das gehört zusammen.

X.: Ich hätte gerne gefragt, wie ist es mit der Beigabe von Musik zum Unter­richt. Ich hatte es so gemacht: um die Stimmung vorzubereiten, hatte ich am Beginn ein Stück Klavier vorspielen lassen.

Dr. Steüier: Dieses, was Sie jetzt auseinandersetzten, das ist ein Unfug. Denn nicht wahr, wir dürfen nicht die Sitte einführen, welche sowohl den Unterricht nach einer Seite durch eine künstlich erzeugte Stimmung beeinträchtigt; auf der anderen Seite dürfen wir nicht eine Kunst zu einem solchen Mittel verwenden. Der Kunst muß schon gewahrt bleiben, daß sie Selbstzweck ist, daß sie ja nicht dazu dient, Stimmung vorzubereiten. Es erscheint mir eine bedenkliche Annähe­rung an spiritistische Sitzungen. Ich glaube nicht, daß das weiter verfolgt werden darf. Etwas anderes ist es, wenn über Akustik vor­getragen wird.

X.: Ich habe immer Zusammenhänge gesucht.

Dr. Steiner: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen den Punischen Kriegen und einer musikalischen Sache. Was gibt es für einen Zusam­menhang? Worauf soll das hinaus? Auch Eurythmie nicht! Sicher­lich, Sie können nicht eine Eurythmieaufführung machen, um eine Stimmung zu machen für eine Schattenkonstruktion. Wollen Sie Eurythmieaufführungen machen, um nachher Frachtbriefe zu schreiben? Das wäre eine Ausweitung nach der anderen Seite. Wir haben die Aufgabe, den Unterricht so musisch zu gestalten, innerlich so musisch wie möglich, nicht durch rein äußerliche Mittel. Das ist schädlich für den Inhalt dessen, was vorgebracht wird, wie für die Kunst selber. Man kann nicht ein Märchen erzählen, um hinterher Farbenlehre zu behandeln. Es würde der Unterricht auf eine ganz falsche Bahn gebracht werden. Der Unterricht muß in sich so gestaltet

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sein, daß er Stimmung erzeugt. Wenn man nötig hat, durch irgendeine dekorative Sache die Stimmung erst zu erzeugen - wobei die Kunst leidet -, so würde man aussprechen, daß man durch den Inhalt des Unterrichts nicht diese Stimmung hervorbringen wollte oder könnte. Mir war es bedenklich, wenn man manchmal anthro­posophischen Erläuterungen irgendein Musikstück vorausgeschickt hat, was ja noch immerhin etwas anderes ist, weil es erwachsene Leute sind. Im Schulunterricht geht es nicht. Da werden wir es abschaffen können.

X.: ob wir das in der Physik verwenden können als eine Brücke vom Musikali­sehen zum Akustischen?

Dr. Steiner: Da wäre es wünschenswert, daß man die Akustik musi­kalischer macht, daß man eine Akustik herauskriegt, die man ver­binden kann durch eine Art künstlerischer Brücke mit dem Musikali­schen. Es gibt schon diese Möglichkeit, in die Sache so etwas Musi­sches hineinzubringen. Man darf nicht versuchen, es auf die vorhin erwähnte Art möglich zu machen. Ich weiß auch gar nicht, was übrigbleiben soll für den Punischen Krieg, wenn Sie eine halbe Stunde wegnehmen für alles das.

Eine Eurythmielehrerin: Es war ein ganz kurzes Gedicht.

Dr. Steiner: Das ist eine phantastische Pädagogik! Es ist das beste Mittel, die Eurythmie lächerlich zu machen.

Eurythmielehrerin: Ich hatte die Wirkung in der Klasse, daß die Klasse sehr interessiert war.

Dr. Steiner: Vielleicht ist sie noch mehr interessiert, wenn Sie einen kleinen Film vorführen. Wir dürfen nie darauf gehen, wie die Kinder interessiert sind durch irgend etwas. Da könnten wir ein Tänzehen aufführen lassen. Es kommt nicht darauf an, daß sie interessiert sind, das wäre eine furchtbar phantastische Pädagogik. Wenn das ein­reißen würde, dann würde unser Unterricht leiden und die Euryth­mie diskreditiert sein. Entweder ist es im Prinzip richtig, dann müßte es gemacht werden, oder es ist falsch. Das kann man nicht erwidern. Dies ist jedenfalls etwas, das nicht gehen kann.

Da war der eine junge T. L. in der 6b, der mit der Schrift die Schwie­rigkeit hat, der einen Strich in den anderen hineinmacht. Bei solchen Dingen, wo im zentralen Nervensystem vorliegt eine leichte Neigung zu nicht herauskommenden Krämpfen, die vielleicht sogar in späte­rem Lebensalter zu Schreibkrampf führen können, da müßte man versuchen, dem sehr früh entgegenzuarbeiten. Und bei diesem

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Buben, den sollte man Eurythmie machen lassen mit Hanteln; er müßte die Bewegung mit Hanteln machen. Sie brauchen vielleicht nicht besonders schwer zu sein, aber er soll Eurythmie mit Hanteln machen. Sie werden bemerken, daß dadurch die Schrift sich korri­giert. - Man könnte auch noch andere Dinge machen. Man könnte versuchen, ihm eine andere Federrichtung zu geben. Es gibt solche Federn - ich weiß nicht, ob es sie nach dem Kriege noch gibt -, die im Winkel angesetzt sind an den Federstiel. Da ist es notwendig, daß ein solcher Bub sich erst gewöhnt an die andere Einstellung. Das hilft ihm auch, wenn er Bewußtsein in die Fingerhaltung hineinbringt. -Dann hat er zu stark konvergierende Augenachsen; man müßte ihn veranlassen, die Augen etwas weiter vom Papier zu halten, damit die Augenachsen sich weniger konvergierend einstellen. Man müßte abwarten, wie sich die Schrift unter Einfluß dieser mehr organischen Mittel ändert. Wenn man es beobachtet, daß er sich Mühe gibt, daß er irgend etwas ordentlich schreibt, dann kann man ihn lenken, dann kann sein bewußter Wille eingreifen.

Der andere Bub R. F., der ist etwas stumpfsinnig. Im Schreiben habe ich ihn nicht gesehen.

X.: Seine Schrift ist ganz schön. Er hat eineinhalb Stunden geschrieben.

Dr. Steiner: Man braucht nicht mit einer Kur einzusetzen. Er war immer ein Sorgenkind. Es ist jetzt wohl kaum viel mit ihm zu machen. Bis ihm der Knopf aufgeht, muß man ihn, trotzdem er Schwierigkeiten macht, öfters mal fragen, so daß er sieht, daß man ihm Liebe zuwendet. Und dann, daß er denkt: Ich kann öfter gefragt werden!

Man muß bei solchen Kindern daran denken, daß man sie öfters aufruft, und vielleicht manchmal von den fortgehenden Dingen ab-rückt auf Nebengeleise. Vieles andere kann man mit ihnen nicht tun. Kurzsichtig ist er nebenbei. Er ist stumpfsinnig. Es ist wahrschein­lich, daß da organische Sachen zugrunde liegen; da müßte man sich im einzelnen mit ihm beschäftigen. Wahrscheinlich leidet der Bub an organischen Sachen. Ich hatte den Eindruck, daß der Bub behandelt werden müßte jeden zweiten Tag mit Wurmzucker, durch vierzehn Tage. Es müßte geprüft werden. Ich glaube, daß er an Würmern lei­det. Wenn man dies kurieren könnte, so wird die Sache besser wer­den. Man müßte sich mit diesen Dingen der Schülerschaft beschäf­tigen. Vielleicht sehen Sie ihn einmal an, Dr. Kolisko, ob dies oder etwas ähnliches im Verdauungssystem vorliegt. Vielleicht liegt sonst ein Grund zu einer besonders trägen Verdauung vor. Man wird die

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eigentliche Ursache seines Stumpfsinns im Verdauungssystem zu suchen haben.

Bitte vergessen Sie nicht, wenn ähnliche Sachen vorliegen, wie mit diesen zwei Schülern, das noch vorzubringen. Nicht so sehr wegen des einzelnen Falles, sondern daß sich überhaupt durch Besprechung einer Anzahl von solchen Fällen, wo Schüler im einzelnen durch-genommen werden müssen, nach und nach eine Erfahrung ergibt. Vergessen Sie nicht, diese Dinge vorzubringen, die Ihnen sonst noch notwendig oder fruchtbar erscheinen.

Dann diese Sache mit den Austritten, wie verhält sich das?

X.: Viele Eltern nehmen die Kinder nach der 8. Klasse heraus, um sie in einen Beruf zu stecken. Die Proletarier sind übermäßig empfindlich.

Dr. Steiner: Nicht wahr, das wird wahrscheinlich schwer gehen, wenn wir nicht in der Lage sind, für die höheren Klassen hinauf den Unterricht zu erweitern durch irgendwelche Dinge, die die Leute so ansehen können, daß es ihnen Ersatz gibt für das, was sie durch irgendeine Lehrlingszeit haben. Da müßten wir unsere höheren Klas­sen so einrichten, wie es in meinen Volkspädagogischen Vorträgen steht. Dann würde man das erreichen können, daß die Kinder blei­ben. Aber wenn wir also nicht zu dem übergehen, dann wird es sehr schwer werden, daß die Eltern sie darin lassen. Es werden viele nicht einsehen, worauf das hinaus will bei ihren Kindern. Wir stehen immer vor der Schwierigkeit, daß man die Kinder bis zum Abiturien­tenexamen bringt. Das ist eine sachliche Schwierigkeit. Da müßte man einen Ausweg suchen. Möglich wäre es trotzdem, die Kinder zum Abiturientenexamen zu bringen, wenn sie auch praktisch arbei­ten. Es müßten diejenigen, die für praktische Arbeit geeignet sind, mehr für das Praktische unterrichtet werden, ohne daß man die Schule gabelt. Ich glaube nicht, wenn wir die Schule auslaufen lassen in eine ,,höhere Lehranstalt", daß wir dann darum herumkommen. daß mit dem fünfzehnten Lebensjahr eine Anzahl austritt.

X.: Ich habe nur den Wunsch, daß die Kinder der Proletaricr so lange wie möglich in der Schule erhalten bleiben.

Dr. Steiner: Erst haben die Eltern kein Verständnis, was bei sozial­demokratischen Kreisen nicht weit geht. ,,Unsere Jungen sollen etwas Besseres werden"; da hätten sie vielleicht Verständnis. Jetzt ist die Gesinnung sehr wenig vorhanden. Da hätten sie vielleicht die Gelegenheit ergriffen, auf billige Weise die Mädchen unterrichten zu

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lassen. Auf eine andere Weise werden wir gegenüber dem, was in Lebensgewohnheiten liegt, nicht sofort etwas erreichen. Es wird auch nicht leicht sein mit den Kindern, die nicht wenigstens die ganze Volksschule von unten herauf gemacht haben, also mit den später eingetretenen, die wir nur ein Jahr lang in der 8. Klasse gehabt haben, die nun hinaufsteigen zu lassen in die höheren Klassen. Die Kinder sind nicht danach, daß sie hinaufsteigen könnten. Wir haben in der 8. Klasse gar nicht so viel Proletarier gehabt.

X.: Es sind neun ausgetreten. Es ist schwer, den Schülern in der 8. Klasse das beizubringen, was sie für die höheren Klassen brauchen.

Dr. Steiner: Sie sind in ihrer ganzen Lebensverfassung - wobei ich in keiner Weise irgend etwas anderes meine -, in der innerlichen See­lenverfassung sind sie nicht in das hinaufzubringen, was man gewöhnlich hat als höhere Schule. In die höhere Schule, die eine Art Bourgeoisanstalt ist, da ist der Proletarier - er ist als Streber hinein­zukriegen, wenn er hinaufrücken will in die Bourgeoisie. Man müßte die Schule einrichten, wie ich es in den Volkspädagogischen Vor­trägen beschrieben habe. Dann würde es sich herausstellen, wie man diese Schüler durchbringt zu einer richtigen Bildung. So lange man genötigt ist, etwas von der Schulverfassung des Gymnasiums zu haben, was die reine Bourgeoisieschule ist - es gibt nichts, was nicht zugeschnitten wäre auf die Bourgeoisie -, da wird der Proletarier nicht hineinpassen.

Ich möchte nur über diese Note des Nur-Lehrens, daß also man irgend etwas nicht in die Kinder hineinbringt, sagen: da handelt es sich darum, daß die Methode, die wir angefangen haben, die ausein­andergelegt worden ist in meinen didaktischen Vorträgen, sehr viel vermag in der Ökonomisierung des Unterrichts, wenn sie richtig aus­gebildet wird, und daß auch mehr hineingearbeitet werden sollte auf die Ökonomisierung des Unterrichts. Nicht wahr, diese Ökonomi­sierung ist durchaus notwendig, damit man die anderen Dinge auch einhalten kann.

Ich habe nicht gerügt, daß die Kinder noch nicht schreiben können. Sie werden etwas anderes können in diesem Lebensabschnitt! Ich möchte das Beispiel von der R. F. M. erwähnen. Die hat mit neun Jahren noch nicht schreiben gekonnt, hat viel später schreiben gelernt als alle anderen Kinder, sie hat die Buchstaben gemalt. Jetzt ist sie sechzehneinhalb Jahre alt und ist verlobt. Sie ist außerordent­lich tüchtig im Helfen in einem Betrieb. Das ist doch eine andere Tour! So spät wie das Mädchen lesen konnte - sie hat das letzte Jahr

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der Handelsschule gratis bekommen und wurde zum Sekretär des Direktors ernannt! Es werden solche Dinge nicht genügend berück­sichtigt. Es fördert die Tüchtigkeit ganz entschieden, wenn nicht zu früh diese Dinge, wie das Schreiben und Lesen unserer jetzigen Schrift, die mit der menschlichen Natur nicht zusammenhängen, wenn die nicht zu früh beigebracht werden. Das späte Lesen- und Schreibenlernen, das ist etwas, was schon einen gewissen Wert hat.

X.: Es wird hei den Eltern geredet, daß in der Schule ein Gegensatz bestände zwischen den proletarischen Kindern und den anderen.

Dr. Steiner: Wie ist das im gegenseitigen Verhalten zutage getreten?

X.: Bei den Kindern untereinander konnte ich nichts konstatieren. Nur dieser kleine W. A., der zaubert so Sachen heraus: ,,Den Reichen erlaubt man immer, daß sie herausgehen, nur uns Armen erlaubt man es nicht." Trotzdem ist nie die Stimmung gewesen, daß etwas gegen die Proletarier ist.

Dr. Steiner: Das ist für unsere Schulentwickelung nicht besonders charakteristisch, denn hier hat er sich gebessert. Er ist viel zivilisier­ter, als er war. Er ist ein Wildling gewesen, wie er hereingekommen ist. Er hat sich entschieden gebessert. Ich glaube nicht, daß der für den Gegensatz zum Proletariat charakteristisch ist.

X.: Er kann sich nicht konzentrieren.

Dr. Steiner: Bei ihm würde man, sobald man sich vom Standpunkt der Pathologie mit den Kindern beschäftigen kann' etwas erreichen, wenn man ihm ein paar Schröpfköpfe setzen würde. Das würde ein­mal zur Pädagogik gehören. Jetzt würden wir furchtbaren Anstoß erregen.

Sie würden auch einiges mit ihm erreichen, wenn Sie ihn gewöhnen würden, ganz scharf irgend etwas mit Konsequenz vom Anfang bis zum Ende durchzuführen. Wenn er bei einer solchen Geschichte etwas ausfrißt, müßte er es niederschreiben. Irgendwie muß man bei ihm in reinlicher Weise die Sache durchführen bis zur letzten Kon­sequenz. Man kann sehr viel erreichen, wenn man ihn eine Sache machen läßt, bis er sie reinlich durchgeführt hat. Er leidet vor allen Dingen an einer zu starken inneren Regsamkeit des Blutes. Es ist eine furchtbare Spannung in ihm, und er ist, was ich nennen möchte einen physischen Renommisten. Er will renommieren. Sein Körper renommiert. Das würde durch eine Behandlung des Blutes wesent­lich geändert werden.

Bei manchen könnte man sehr viel machen, sobald man die Sache an einem richtigen Ende packt. Ich werde in jeder Klasse ein paar heraussuchen,

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die körperlich behandelt werden müßten. Bei K. R. ist es entschieden so, daß er richtig behandelt werden müßte. Er müßte behandelt werden auf eine gewisse Diät, auf Dinge, die ich gesagt habe.

Diese Institution des Schularztes müßte man einrichten und so gestalten, daß es akzeptiert werden könnte von der öffentlichen Meinung. Man sollte eine besondere Institution des Schularztes schaffen.

X.: Könnte das nicht sehr rasch in Angriff genommen werden?

Dr. Steiner: Ich weiß nicht, ob von Dr. Kolisko so etwas gemacht werden könnte. Der Schularzt' der meiner Idee nach da sein müßte, der müßte sämtliche Schulkinder kennen und im Auge behalten, der müßte im Grunde genommen nicht einen speziellen Unterricht haben, sondern sich mit den Kindern sämtlicher Klassen beschäfti­gen, wie es sich ergibt. Den Gesundheitszustand sämtlicher Kinder müßte er wissen. Da läßt sich viel sagen. Ich habe öfter betont, die Leute sagen, es gibt so viele Krankheiten und nur eine Gesundheit. Es gibt aber ebenso viele Gesundheiten, als es Krankheiten gibt.

Diese Institution des Schularztes, der alle Kinder kennt und im Auge behält, das würde eine vollamtliche Beschäftigung sein; der müßte ganz in unsere Dienste treten. Ich glaube nicht, daß wir es machen können. Wir sind finanziell nicht so weit, daß wir es verantworten können. Es müßte streng durchgeführt werden. Nur dadurch würde es akzeptiert werden. Er muß jemand sein, der ganz in der Schule drinnensteht.

Es wird gefragt wegen W. L. und R. D.

Dr. Steiner: Der R. D. ist viel besser geworden. Der war im vorigen Jahr nicht in dem Zustand. Warum haben Sie ihn nach rückwärts gesetzt? Er ist das vorige Mal ganz am Ofen gesessen.

X.: Das ist mehr, weil er sich mit dem E. zu sehr befaßt.

Dr. Steiner: Jedenfalls ist der R. D. jetzt besser.

Bei W. L.' da ist auch nur das allgemeine Befinden. Ich habe mich noch nicht so weit mit ihm beschäftigt. Er hat etwas körperlich. Der R. D. ist hysterisch. Ausgesprochen männliche Hysterie. Der andere hat vielleicht auch so etwas Ähnliches. Da müßte man ihn unter­suchen, wenn so etwas organisch vorliegt.

X.: Darf ich fragen, ob Sie sich des Jungen D. R. erinnern?

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Dr. Steiner: Der Junge ist physisch klein geblieben. Er sieht sehr neugierig aus. Ich glaube, der Junge braucht, daß er die Sicherheit hat, daß er öfter erleben würde, daß man ihn gerne hat. Zuhause wird er wenig Liebe erfahren. Die Mutter mag gescheit herumreden. Man sollte ihm in der Schule etwas Liebe geben. Man sollte ihn öfter anreden und Ähnliches, was einem schwer wird, weil er einen un­sympathischen Eindruck macht. Man sollte ihn öfter anreden, ihn über dies oder jenes fragen. Es macht ganz den Eindruck, daß er nach dieser Richtung hin angefaßt werden müßte. Der Junge ist nur etwas vereist.

X.: Soll ich mit dem Mädchen N. M. auch etwas Besonderes machen?

Dr. Steiner: Es fragt sich, ob man es nicht besonders aufwecken könnte.

X.: Sie ist ganz zerstreut und hat die Augen in einer schiefen Lage.

Dr. Steiner: Sie hat einen schwachen Intellekt. Für solche müßten wir doch die Schwachsinnigenklasse haben, daß man sie systema­tisch behandeln kann. Diese Kinder würden sehr gewinnen, wenn man nicht Schreiben und Lesen geben würde, sondern Dinge, die aber doch ein gewisses Denken fordern. Solche elementare AuÜ gaben, daß man sagt, sie muß in neun aufeinanderfolgende Becher eine Anzahl von kleinen Kugeln legen und in jedem dritten Becher müssen zwei rote und eine weiße sein. So etwas, daß sie kombinieren muß. Dann würde man schon etwas erreichen. Wir müßten eine Lehr­kraft für diese psychopathischen Kinder haben.

X.: Ich bin in der 9. Klasse bis 1790 gekommen in der Geschichte. Ich sollte bei der Gegenwart angelangt sein. Ich komme langsam vorwärts.

Dr. Steiner: Ich habe neulich nicht entnehmen können, wie rasch Sie vorwärtsgegangen sind. Woran liegt es nach Ihrer eigenen Meinung?

X.: Das liegt daran, daß ich selbst diese Geschichte sehr wenig kenne. Das Vorbereiten, um ganze Epochen zu umspannen, geht eben sehr langsam.

Dr. Steiner: Mit was haben Sie angefangen?

X.: Mit der Reformationszeit.

Dr. Steiner: Man müßte sehen - die Folgezeit ist kurz -. möglichst bald bis zur Gegenwart zu kommen.

X.: Ist es besser, in der Projektions- und Schattenlehre in der 6. Klasse vom Künstlerischen auszugehen oder vom Geometrischen?

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Dr. Steiner: Es ist unter Umständen das das beste, was eine Brücke baut zwischen einem Unterricht, der nüchtern geometrisch ist, und einem solchen, der doch zur Kunst hinüberführt. Ich glaube nicht, daß man das künstlerisch behandeln kann. Gemeint ist die Zentral-projektion. Ich würde doch glauben, daß die Kinder auch wirklich wissen müßten, wie also der Schatten eines Kegels auf einer so gearte­ten Ebene ist; daß sie eine innere Anschauung haben.

X.: Soll man solche Ausdrücke verwenden wie Lichtstrahlen, Schattenstrahlen?

Dr. Steiner: Das ist nun ja eine allgemeinere Frage. Es ist nicht gut, Dinge in der projektiven Geometrie anzuwenden, die es nicht gibt. Es gibt keine Lichtstrahlen, noch weniger Schattenstrahlen. Das ist nicht nötig, daß man mit diesen Begriffen in der Projektionslehre arbeitet. Man sollte arbeiten mit gestalteten Rauminhalten. Es gibt nicht Lichtstrahlen und Schattenstrahlen. Es gibt Zylinder und Kegel. Es gibt einen Schattenkörper, der entsteht, wenn ich einen Kegel habe, der schief ist und von einem Punkt beleuchtet wird, und den Schatten auffallen läßt auf eine geneigte Ebene. Dann habe ich einen Schattenkörper, der da ist. Diesen Schattenkörper als solchen, die Kurvenbegrenzung des Schattenkörpers' das sollte auch schon das Kind verstehen. Geradeso wie es später in der projektiven Geo­metrie verstehen muß, wenn ein Zylinder einen anderen mit kleine-rem Durchmesser durchschneidet. Das ist ungemein nützlich, die Kinder dies zu lehren. Es bringt nicht ab vom Künstlerischen. Es läßt die Kinder im Künstlerischen. Es macht das Vorstellen geschmeidig. Man kann geschmeidig vorstellen, wenn man von vornherein weiß, was für eine Schnittkurve entsteht, wenn sich Zylinder durchschnei­den. Das ist ganz wichtig, daß man diese Dinge bringt, aber nicht Abstraktionen.

X. fragt nach darstellender Geometrie.

Dr. Steiner: Da bin ich vielleicht mitten in die Stunde hineingekom­men. Ich würde in diesem Teil finden, daß man anschaulicher vor­gehen soll. Wie die Kinder geantwortet haben, das könnte rationeller gemacht werden; das fiel auseinander. Die Kinder redeten verwor­ren. Und das kann natürlich anders sein, wenn man saftigere Begriffe beibringt. Ich würde mehr vom Anschaulichen ausgehen, würde dem Kinde beibringen, wie verschieden ein Gebäude ausschaut vom Luftballon gesehen, und wie es ausschaut, wenn man Gebäude, hinter denen ein Berg ist, von dort herab anschaut. Ich würde auf diese Weise zuerst aus dem komplizierten Objekt heraus die Begriffe:

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Grundriß, Aufriß beibringen, bevor ich zur Darstellung des Punk­tes gehe.

Diese Geometrie wäre etwas, was die Kinder mit Leidenschaft trei­ben könnten, wenn man es ihnen beibringen würde. Es ist etwas ungeheuer Fruchtbares. Ich finde, daß es zu lange herumgeredet war, in die Fläche eines Dreiecks einen Punkt hineinzusetzen. Wenn Sie im Anfang der Stunde den Punkt hineinzeichnen, und am Ende der Stunde wird über allerlei zu den Dingen herumgeredet, ohne daß Sie dazu gekommen sind, die Linien zu ziehen, so glaube ich, daß Sie die Vorstellungen zu stark auseinandertreiben. Wenn das Kind über soviel Vorstellungen sich verbreitet, dann verliert es den Zusammen­hang, den Faden. Es wird alles so weit, daß die Kinder - nicht wahr, man faßt es nicht mehr; es ist auseinander gezerrt.

X.: Hat es einen künstlerischen Wert, wenn man ,,Das Lied von der Glocke" lernen läßt?

Dr. Steiner: Man kann es schon machen, wenn man es heraufliebt in eine freiere Auffassung. Das ,,Lied von der Glocke" ist eines von den Gedichten, bei denen Schiller der Philistrosität Konzessionen gemacht hat. Manches darinnen ist eigentlich spießig. Viele Vorstel­lungen sind ganz unwahr. Deshalb ist es gefährlich. Natürlich werden die Proletarierkinder es ihren Eltern erzählen. Das ist auch nicht wünschenswert. Es wird empfunden als ein Philistergedicht.

Wie steht es mit der l. Klasse?

X. berichtet.

Dr. Steiner: In Ihrer Klasse macht die Homogenität einen guten Ein-druck. Die Kinder sind in beiden ersten Klassen so, daß sie nicht als besonders Begabte und Unbegabte hervortreten.

X.: Es sind einzelne da, bei denen ist es etwas schwierig.

Dr. Steiner: Das ist auch gut, einzelne muß man wecken. Im ganzen habe ich mich gefreut bei beiden ersten Klassen, daß sie doch verhält­nismäßig ruhig sind, während die zweite eine schreckliche Schrei-klasse ist. Sie tun sich schon höllisch schwer; sie sind auch unruhig. In dieser Beziehung sind die ersten Klassen sehr gut.

X.: Etwas schwerer ist die Sprachstunde.

Dr. Steiner: Im ganzen ist diese Klasse so, daß man zufrieden sein kann mit ihnen. Es sind auch ein paar, die zurückgeblieben sind. Diese Kleine in der ersten Bank, in der linkesten Reihe, die

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kommt schwer vorwärts. Der kleine B. R. ist nicht besonders begabt.

Dr. Steiner hatte vorgeschlagen, daß eine jüngere Lehrerin, Frl. S. einer älte­ren Klassenlehrerin, Frl. H. im Unterricht helfen sollte. Es wird nun gefragt, wie das Zusammenarbeiten im einzelnen geschehen solle.

Dr. Steiner: Ich habe so gemeint erst, daß Sie sich ablösen, aber daß, während die andere nichts zu tun hat, sie nicht bloß zuhört, sondern auch ein bißchen herumgeht, um so ein bißchen nebenher die Diszi­plin zu bewahren.

X.: Wir hatten das nicht getan, da wir es für unersprießlich hielten.

Dr. Steiner: In abstrakter Beziehung mag es richtig sein. Intim ist es nicht so. Fräulein H. ist furchtbar angestrengt. Also wenn Sie dahin­ten herunigehen würden, könnten Sie manches, was herumspringt' am Sitzplatz erhalten. Das ist ersprießlicher, als wenn Sie bloß zu­hören.

X.: Wenn ich den Kindern etwas sage, sagt Frl. H. das Gegenteil.

Dr. Steiner: Das kommt nicht in Frage, wenn Sie bloß darauf sehen, daß ein Kind, das herumspringt' am Platze sitzen bleibt. Ich meine, nicht wahr, wir wollen uns nicht über Prinzipien unterhalten. Bei dieser Klasse ist es eigentümlich, daß die Kinder bunt durcheinander-laufen. Da kann man sie abhalten von diesem Durcheinanderlaufen. Wie will Frl. H. das Gegenteil sagen? Ich will nicht hoffen, daß Sie untereinander uneinig sind. Ich meine nicht, wenn berechtigterweise ein Kind vorgeht, daß man es zurückhält. Es handelt sich um die offenbaren Fälle, daß die Kinder ungezogen sind und daß man schwer Disziplin hält, daß die Kinder zu reichlich schwätzen. Machen Sie es ganz unauffällig, so daß Sie gar nichts tun können, wozu das Fräulein H. das Gegenteil sagen könnte.

Sollte es wirklich so schwer sein, die Sache zu machen? Es ist vor­geschlagen in der Absicht, daß Fräulein H. geholfen werden sollte, weil die Klasse für sie zu groß ist und die Kinder in einer etwas schwer zu behandelnden Weise zusammengewürfelt sind. Solch ein Experi­ment kann man nicht machen, wenn es ein Experiment bleibt. Ich könnte mir aber gut denken, daß Sie so weit kommen, sich fünf Minuten darüber zu besprechen, was der unterrichtsgegenstand am nächsten Morgen sein wird.

Hier scheint eine Fragc gestellt worden zu sein nach Märchenerzählen.

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Dr. Steiner: Wenn Sie finden, daß es sachlich gerechtfertigt ist. Ich möchte davor warnen, gewisse Zeiten auszufüllen mit Märchenerzäh­len. Es soll alles sehr gut pädagogisch eingeteilt sein. Ich möchte nicht, daß diese Dinge zu stark hervortreten, daß der Unterricht undurchdacht würde; daß man, wenn man nicht weiß in einem bestimmten Moment, was man tun soll, ein Märchen erzählt. In jeder Minute muß der Unterricht durchdacht sein. Nicht wahr, Märchen­erzählen ist ganz gut, wenn man es festgesetzt hat, daß man es tut. Eigentlich ist es im Sinne unserer pädagogischen Anschauung, daß diese zwei Stunden am Morgen ein in sich geschlossenes Ganzes sind. nicht daß man irgendwelche divergierenden Interessen hat.

Sie werden nur durchkommen wenn Sie beide ganz ein Herz und eine Seele sind. Wenn Sie gewissermaßen brennen daranzukommen um die Sache gegenseitig fortzusetzen. Ganz ein Herz und eine Seele:

das ist das, was natürlich fast unerläßlich ist.

X.: Fräulein Lang will uns verlassen, weil sie sich verheiratet.

Dr. Steiner: Da können wir nichts anderes sagen, als daß es schade ist.

Da werden wir eine andere Lehrkraft haben müssen. Es ist absolut notwendig, daß jemand ernannt wird, der sich ganz aus vollem Her­zen hineinfindet in den Geist der Waldorfschule. Wir sind bald herum um die Leute, die als Lehrer in Betracht kommen. Viele dürften nicht noch heiraten!

Wann würde Boy frei werden? Ich habe von ihm einen sehr vernünf­tigen Brief bekommen. Es fragt sich, ob er mit Herz und Seele dabei sein kann. Er steht der Sache ein bißchen fern. Ich hatte das Gefühl, er könnte herkommen mit einer vorgefaßten Meinung über Unter­richt und sich nicht ganz in unsere Methode hinein finden, weil diese Lehrer an solchen Schulen ihre kuriosen Ideen haben. Aus manchen Anzeichen sehe ich, daß er nicht in diese Dinge eingefahren ist. Natürlich müßte ich wissen, daß er mit Herz und Seele dabei sein könnte. Tch würde Herrn Boy sehr gerne persönlich kennenlernen.

Boy war damals an einem Landerziehungsheim tätig. Es wird noch über andere Kandidaten gesprochen.

Dr. Steiner: Wir bleiben dabei, daß wir Herrn Ruhtenberg die eine

Klasse geben und uns um Boy oder einen anderen bemühen. Darf ich

Boy persönlich kennenlernen?

Gibt es noch Anstandsunterricht?

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X.: Ich habe es ganz in den Musikunterricht hineingenommen.

Dr. Steiner: Es ist ja, wenn man es richtig macht, von gutem Effekt. Man muß nur bei diesem Unterricht die Sache so anlegen, daß man auf Wiederholungen zurückkommt, damit die Kinder durch den Rhythmus der Wiederholungen gepackt werden. Noch gar nicht viel habe ich von der Eurythmie gesehen.

X. fragt nach Heileurythmie' wie besonders schwierige Fälle zu behandeln sind.

Dr. Steiner: Es ist seit langem daran gedacht, dieses System der Heil­eurythmie auszubilden. Es ist mir schwer geworden in der letzten Zeit, diese Sache noch zu machen. Man müßte die Heileurythmie ausarbeiten. Natürlich läßt sich manches für die psychologische Pathologie machen. Wenn man die Kinder hat, läßt sich auch man­ches machen.

X. berichtet über den Gesangsunterricht.

Dr. Steiner: Es wird sich kaum empfehlen, bei den kleinen Kindern Zweistimmiges zu gebrauchen. Man könnte es erst bei der 5. Klasse anfangen. Bei den Kindern bis zum zehnten Jahre würde ich in der Hauptsache beim Einstimmigen bleiben. Haben Sie eine Möglich­keit, im großen Maßstab die Kinder das, was sie im Chor singen, auch solo singen zu lassen?

X.: Jetzt kann ich es schon machen.

Dr. Steiner: Das ist etwas, was sonst auch in Betracht kommt. Ich meine, man muß viel Rücksicht nehmen darauf, doch die Kinder nicht nur im Chor singen zu ]assen;ja nicht deshalb darüber das Solo versäumen. Namentlich bei den Dingen, die im Chor gesprochen werden, werden Sie finden, die Gruppenseele regt sich. Manche machen es sehr gut im Chor; Sie rufen sie einzeln auf, und sie kriegen nichts heraus. Man muß darauf sehen, daß die Kinder auch einzeln das können, was sie im Chor können, insbesondere beim Sprach­unterricht.

Wie ist es mit den Größten im Gesangsunterricht?

X.: Die Jungen haben Stimmbruch, die bekommen Theorie und rhythmische Übungen. Die älteren Kinder beschäftige ich in verschiedener Weise. Vielleicht können wir einen gemischten Chor bilden. Das würde Spaß machen.

Dr. Steiner: Das müßte man sicher machen. Wie ist es mit dem Handarbeitsunterricht?

Es wird berichtet.

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Dr. Steiner: Sie müssen sich bei der Wahl der Arbeiten anpassen an die Bedürfnisse. Es gibt nicht die Möglichkeit, auf alles ein gewisses künstlerisches Tun anzuwenden. Man sollte das Entwickeln des Künstlerischen nicht versäumen, den künstlerischen Sinn nicht ver­dorren lassen. Aber Sie können nicht viel mit dem künstlerischen Sinn anfangen, wenn die Kinder einen Strumpfstricken sollen. Wenn ein Kind einen Strumpf gestrickt hat, kann man immer unterbrechen und irgendeine Niedlichkeit dazwischen machen lassen. Wir wollen in die Zusammenkunft am Abend soziale Pikanterien hineinbringen, wollen ganz kleine geschmackvolle Bändchen machen lassen mit etwas Anhänglichem aus Papier. Ja nicht ins Fröbeln kommen! Dinge, die man brauchen kann, die im Leben eine Bedeutung haben, die kann man geschmackvoll künstlerisch machen. Keine Konzes­sionen! Nicht Dinge machen lassen, die nur Finessen oder Kokette­rien entspringen. - Nicht für vieles wird man Papier anwenden können. Ich hoffe auch noch hineinzugehen.

Herr Wolffhügel' mit dem Handfertigkeitsunterricht haben Sie wohl noch nicht besondere Erfahrungen!

X.: Die Kinder haben angefangen, Spielzeug zu machen, sind aber noch nicht fertig geworden.

Dr. Steiner: Es ist durchaus nichts einzuwenden, daß die Kinder Kochlöffel machen. Ganz Fernliegendes brauchen sie nicht zu machen. Möglichst keinen Luxus.

Es wird ein Zweijahresbericht erwähnt.

Dr. Steiner: Es ist jederzeit gut, wenn der Jahresbericht erscheint. Man kann nicht genug über die Waldorfschule und ihre Prinzipien und Absichten und ihre Art arbeiten. Es ist schade, wenn es nicht immer wieder geschieht in sachlicher Weise. - Dann will ich sehen. daß ich die Sache schreibe. Es soll nicht lang werden.

X.: Ich habe den Eltern meiner Kinder auf einem Elternabend einen Vortrag gehalten und sie unterrichtet über alles, was ich die Kinder gelehrt habe.

Dr. Steiner: Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber es kann iiiemals Vorschrift werden. Wer es tun will, der kann es tun. Man muß mei­nen, daß es notwendig ist. Es wird es nicht jeder tun können. Man muß schon viel Überkräfte wie Sie haben, wenn man diese Dinge auch noch machen will.

Natürlich müssen Sie bedenken, daß die Waldorfschule als solche -wenn wir auch gar nicht darauf ausgehen, die Schülerzahl zu ver­mehren, was bei den Raumschwierigkeiten gar nicht geht, abgesehen

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von dem Erlaß -, es bleibt immerhin, daß der Bestand der Waldorf­schule für unsere gesamte Sache agitiert. Sie ist wichtig. Es ist wich­tig, die Bestrebungen der Waldorfschule ins rechte Licht gesetzt zu bekommen. Innerhalb der Dreigliederung ist es viel wichtiger, daß die charakterisierten Tendenzen der Waldorfschule in sachlicher Weise vorgeführt werden. Nicht als Reklame für die Schule, sondern als Charakteristik unserer Sache als solcher. Das wäre bei den Mit­gliedern des Bundes für Dreigliederung viel notwendiger als über Tolstoi zu reden. Sie ist jetzt schon bis zu einem gewissen Grade bekannt. Sie müßte viel gründlicher bekanntwerden, namentlich ihre Grundsätze. Dann müßte sehr scharf betont werden die Freiheit des Lehrerkollegiums' die republikanisch-demokratische Einrichtung des Lehrerkollegiums' um zu beweisen, daß man sogar in den be­grenzten Möglichkeiten, die man hatte, ein freies Geistesleben sich denken kann.

X.: Ist es sehr ratsam, weiter nach dem Norden zu gehen, um Vorträge zu halten?

Dr. Steiner: Nicht wahr, es kommt darauf hinaus, daß man injedem einzelnen Falle entscheiden kann, ob etwas dabei herauskommt. Wenn die Sachen gut arrangiert sind, ist es jedesmal günstig, daß soviel Leute, als nur möglich ist, gehen könnten und vortragen.

Erau Dr. Steiner: Herr L. will morgen mit mir sprechen wegen einer Auffüh­rung in einer anderen Stadt.

Dr. Steiner: In großem Maßstabe kann das nicht gemacht werden, daß die Kinder der Waldorfschule herumfahren. Ich weiß nicht, ob man damit gerade anfangen soll, wenn die ganze Aufmachung dabei eine tantenhafte ist. Man kann nicht die Waldorfkinder ewig herum-schicken, das muß eine seltene Ausnahme sein. Waldorfkinder können keine Wandertruppe werden. Aus diesem Zusammenhang halte ich es nicht für angemessen. Wir können für die Kindereuryth­mie eintreten. Man sollte die Leute veranlassen, Reisen zu machen, um die Kindereurythmie hier zu sehen. Es muß viel ernster eingelei­tet werden, als es Frau P. und Herr L. tun würden. Die wollen eine Art Gschaftlhuberei machen. Das ist zuviel verschwendete Kraft, in diesem Zusammenhang viel Vorträge zu halten. Wir müssen nicht dieser Tee-Anthroposophie zu stark entgegenkommen.

Wer Zeit hat, mag ja hingehen. Es ist ein bißchen verschwendete Kraft. Wer will, kann zu Vorträgen gehen. Die volkstümlichen Zele­britäten haben schon vorgetragen. Es ist ziemlich sicher, daß dort

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kein aussichtsvolles Publikum ist. So ein bißchen gemischt aus Bohe­miens und Salonmenschen. Nicht Leute, die irgendwie zur Fortfüh­rung der anthroposophischen Bewegung beitragen.

In Bayern ist die absolute Philisterei die tonangebende Partei. Diese Idealisten haben Unfug gemacht, so ist es leicht, mit dem Philiste-rium durchzukommen. Der Bayer sagt, ein Wittelsbacher' und er meint, gute Bratwürste.

Ist sonst etwas Sachliches? Ich meinerseits möchte nur wünschen, daß ich mich mehr der Waldorfschule widmen könnte.

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Konferenz vom Mittwoch 23. März 1921, Wohl abends

Dr. Steiner (zu Ruhtenberg' der vertretungsweise die 5b übernom­men hatte): Wie haben Sie sich hineingefunden in die 5. Klasse?

X.: Die Kinder sind schwatzhaft und unruhig.

Dr. Steiner: Auf was ist die Schwatzhaftigkeit zurückzuführen? Die frühere Lehrerin, Fräulein Lang, ist immer zurechtgekommen.

X.: Ich habe bei ihr zugehört, bei ihr waren die Kinder durchaus ruhig.

X.: Diese Klasse war immer besonders schwierig.

Dr. Steiner: Das ist eine eigentümliche Erscheinung. Fräulein Lang hat sie ruhig gehalten, da liegt immerhin ein Rätsel verborgen.

X.: Sie war sehr streng.

Dr. Steiner: Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß da etwas vor­liegt, was für uns wichtig ist. Fräulein Lang ist eine in Württemberg geprüfte Lehrerin. Wenn wir beurteilt werden, dann wird man die Neigung haben, die stramme Disziplin auf die seminaristische Aus­bildung in Württemberg zurückzuführen. Als dazumal die drei inspi­zierenden Weisen in der Schule waren, da hat einer ganz besonders bei der Frau K. gesagt: Man hätte gesehen, daß es mit der Disziplin nicht ginge bei den nicht Geprüften. Sie hätten es in der Klasse gemerkt, wenn eine richtig geprüfte Lehrerin da war.

X.: Ich habe den Eindruck, es liege daran, daß es mir nicht genügend möglich war, mich zu präparieren.

Dr. Steiner: Da kommen wir zu den Imponderabilien. Es ist nicht bloß wichtig, was der Lehrer tut, sondern was der Lehrer ist, wie er in der Seelenverfassung ist. Das ist einmal durchaus so. Das muß in Betracht gezogen werden. Solche Dinge treten einem besonders stark entgegen an den Gymnasien, wo sehr häufig die Lehrer des Morgens mit starkem Kater in die Schule kommen, weil sie abends in der Kneipe sind. Da ist der Teufel los, nur durch die Tatsache, daß der Lehrer einen Brummschädel hat. Das gehört zu den Impondera­bilien. Das ist der radikalste Fall. Sobald das Eigentümliche eintritt, daß man nicht genügend präpariert ist, da vibriert die Seele anders als sonst. Das spiegelt sich sehr leicht in der Disziplinlosigkeit. Daß man wirklich präpariert ist, das ist die Schwierigkeit bei unseren Lehrern in der Waldorfschule. Es ist bei der anstrengenden Tätigkeit furchtbar schwer, zu präpapieren. Warum lachen Sie?

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X.: Weil es so ist!

Dr. Steiner: Wollen wir uns noch einmal zum Bewußtsein bringen, welche Lehrkräfte wir brauchen. - Ja, da wäre die 6. Die braucht nicht geteilt zu werden. 54 Kinder, das kann man noch ertragen. Aber dann müssen wir an die 9. denken. Dann müssen wir eine 10. anschließen. Da werden wir eine Einteilung treffen.

Es werden die Klassen mit ihren Klassen£achlehrern durchgegangen und ver­teilt.

Dr. Steiner: Ich möchte, daß Fräulein Dr. Röschl herkommt. Ich finde sie sehr geeignet. Ich möchte sie sehr gerne hier haben für Lateinisch und Griechisch. Sie kann erst vom Herbst an.

Ist Ruhtenberg frei? Mit Rücksicht darauf, daß ich Fräulein Dr. Röschl durchaus dahaben möchte, würde ich meinen, daß es gut wäre, wenn diese 5b für die Dauer von Herrn Ruhtenberg besorgt würde.

Es würde sich dann nur um zwei neue Lehrkräfte handeln.

Ist nicht Fräulein Klara Michels Fachlehrerin? Sie würde dann wohl nur für eine höhere Klasse in Betracht kommen.

Dr. Koli:ko sagt, daß er vom Herbst an an die Schule kommen könnte.

Dr. Steiner: Wenn dann Dr. Kolisko eintritt, könnte es sich etwas verschieben. - Es ist nicht leicht, Lehrkräfte zu finden. Beworben haben sich riesig viele, aber keine brauchbaren.

X.: Ich bin im Geschichtsunterricht in der 9. Klasse bei der Gegenwart ange­kommen.

Dr. Steiner: Sie dachten zu Jean Paul überzugehen. Ich würde mei­nen, das, was wir festgelegt haben, müßte fest eingehalten werden.

Mit der 8. sind Sie auch bis zur Gegenwart gekommen?

Ich würde Ihnen empfehlen, mit der 8. Klasse zu lesen die ersten Kapitel von Schillers ,,Dreißigjährigem Krieg". Darin ist sehr viel Bildendes; darin sind sehr viele Dinge, die bis zur Gegenwart gehen.

X.: Sollte es nicht möglich sein, im englischen Unterricht in der 7. Klasse irgend etwas aus einem Buch zu lesen?

Dr. Steiner: Vielleicht ist es doch möglich. Wieviel Zeit werden Sie haben, um zu lesen? Wie könnte man das bewirken, daß ,,Christmas Carol" gelesen würde? Es ist außerordentlich instruktiv, wenn jedes Kind das Buch hat und man sie einzeln herausruft und vor den anderen in zwangloser Weise vorlesen läßt, damit sie zusammen-lesend denkend arbeiten. 6a' 6b: Poetisches; Prosa nach der Poesie.

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Im Lateinkurs kann man Ovid oder Vergil lesen. Plutarch' kleine Geschichten.

X. sagt, er habe Ovid gelesen.

Dr. Steiner: Bleiben Sie dabei. bis sie arg viel können.

Es wird nach Plinius gefragt.

Dr. Steiner: Plinius ist eine gute Lektüre. Livius für die ältesten Schüler: da muß man auf die Intimitäten eingehen. Livius hat eine sehr schlechte Überlieferung; er ist der berühmte Schriftsteller, bei dem man immer Konjekturen macht.

Im Griechischen würde ich solche Sprüche mit ihnen durchnehmen (Dr. Steiner gibt ein Beispiel); es gibt sehr viel solche Zweizeiler im Griechischen.

Es wird gefragt wegen des Religionsunterrichts.

Ein Klassenlehrer: Ich war mit darin in der Klasse 6b. Das ging ganz gut.

Dr. Steiner: Man kann jemandem viel helfen, wenn man mit in der Klasse ist.

Wie steht die Sache mit der Eurythmie? Da wollte ich, daß es Frau Doktor hört.

Es wird berichtet. Es war eine Extraklasse gemacht worden.

Erau Dr. Steiner: Für einige junge Herren und Damen ist es nicht schlecht. wenn sie bloß zuschauen.

Dr. Steiner: Es ist das Prinzip, die Eurythmie der Schule zu zeigen, dadurch durchbrochen, daß man einen Extrakurs macht. Wenn es richtiges Schulprinzip ist, wird man das nicht machen; man wird nicht eine Extragruppe zubereiten. Aus dem gewöhnlich verlaufen­den Schulunterricht würde man es dadurch herausnehmen. Daß man eine Schüleraristokratie macht, das ist etwas, was das Pädagogische in der Schule stört.

X.: Es ist deshalb gemacht worden, weil einige Kinder für Aufführungen gebraucht wurden.

Dr. Steiner: Es müssen unter den gewöhnlichen Schülern einige sein, die man brauchen kann. Daß man extra welche präpariert, in einer besonderen Gruppe, das ist unpädagogisch.

X.: Ich habe mit Herrn N. gesprochen, und er meinte, ob es nicht besser wäre, einen Kurs außerhalb der Schule zu machen.

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Dr. Steiner: Dann können wir niemals sagen, daß wir die Waldorf­schulkinder vorführen. Das ist ein Gesichtspunkt, der für die Öffent­lichkeit in Betracht kommt.

Es ist niemals in einer Konferenz von einem solchen Extrakurs die Rede gewesen.

X.: Das hat sich bcj der ersten Aufführung ergeben.

Dr. Steiner: Es müßten solche einschneidenden Sachen innerhalb der Konferenz zur Sprache kommen. Sonst könnte eines Tages von irgend jemand beschlossen werden, eine Anzahl Kinder auszuwählen und einen Schachkurs zu machen. Prinzipiell ist es dasselbe. Es geht eigentlich nicht. Es ist eine Aristokratie, die man bildet.

Erau Dr. Steiner: Ich begreife das.

X.: Ich wollte fragen, ob der Gedanke an den Kindergarten aufgegeben ist.

Dr. Steiner: Aufgegeben ist er nicht. Wir müssen nur warten, bis wir ihn einrichten können.

X.: Wir wollten die Frage der Fortbildungsschule vorbringen.

Dr. Steiner: Gibt es da konkrete Möglichkeiten? Wir müssen einmal den Lehrplan der 10. Klasse festsetzen. Da muß etwas hinein, was wirkliche Lebenspraxis ist. Aber Fortbildungsschule? Liegen denn konkrete Möglichkeiten dafür vor?

X.: Es handelt sich um die Kinder, die ausgetreten sind, daß man die gefaßt hätte. Es war jetzt nicht möglich, aus Platzmangel und Geldmangel. Man müßte es vorbereiten für das nächste Jahr.

Dr. Steiner: Die Vorbereitung würde darin bestehen, zu sorgen, daß die Behörden uns nicht in die Suppe spucken.

X.: Es ist so, daß nichtstaatliche Fortbildungsschulen vorgesehen sind. Sie müssen nachweisen, daß der Lehrplan nicht unter dem der andern ist.

Dr. Steiner: Wir hätten den Wahnsinn machen sollen, die Kinder in spezielle Sachen hineinzustecken. Wir können das nicht mitmachen, wenn wir bei unserer Pädagogik bleiben wollen. Wir können doch nur dasjenige einrichten, was den Menschen vorwärtsbringt. Wenn wir Fortbildungsschulen errichten wollen, müssen wir es so einrich­ten, daß die Kinder etwas davon haben für ihre menschliche Fort­bildung.

Von uns wird entschieden, was für eine Schule wir errichten wollen. Es hat kein Mensch bezweifelt, daß Strakosch berufen war zu einer

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allgemeinen Fortbildungsschule. Es sollte eine Art praktisch-gymna­siale Fortbildung sein, eine menschliche Fortbildungsschule. Eine andere Sache zu errichten, haben wir nicht die geringste Veranlas­sung. Es ist doch nicht nötig, daß man dasselbe macht, was die anderen auch machen.

X.: Die Sache ist so: die Kinder, die in einen Beruf hineinkommen, müssen eine von den staatlichen Schulen besuchen.

Dr. Steiner: Die, die schon in solche Fachschulen gehen, kommen doch nicht zu uns hinein. Wir werden niemand darinnen haben in unseren Klassen. Was uns fehlt, ist die Möglichkeit, die Kinder vom fünfzehnten Jahr an nach unserem Lehrplan zu unterrichten. Das ist dazumal konstatiert worden. Die Frage ist vorläufig erledigt. Das haben wir schon einmal verhandelt; wir können es hier nicht weiter erörtern. Die ganze Frage ist die akuteste: wie ist die Zeit auszufüllen zwischen Volksschule und Hochschule? Wenn wir die Möglichkeit dadurch schaffen könnten, daß wir die Behörden dazu kriegen, uns anzuerkennen, dann würden wir furchtbar Zulauf haben.

Ist denn eine Möglichkeit vorhanden, wenn nicht eine solche Lehr­lingszeit vorliegt. daß jemand solche Leute in einen Betrieb auf­nimmt?

X.: Wer nicht bei einem anerkannten Meister gelernt hat, kann nicht ange­stellt werden.

Dr. Steiner: Man kann nichts machen! Es ist alles so abgezirkelt, daß es bloß noch kein Gesetz gibt, wie man die Gabel halten muß.

Die Frage müßte studiert werden, auf welche Weise man Fortbil­dungsschulen einrichten kann, daß sie im Sinne der volkspädagogi­schen Aufsätze Fortbildungsschulen sein können. Die Waldorfschule müßte versuchen, das bei den Behörden durchzudrücken. Man müßte der Schule mehr Ansehen verschaffen.

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Konferenz vom Donnerstag 26. Mai 1921, 20-2 Uhr

Dr. Steiner: Wir werden uns wohl über den Schulschluß zu unterhal­ten haben. Sie haben eine Anzahl von Fragen?

X.: Die Frage, wie die Versetzung in diesem Jahr gehandhabt werden soll. Allgemeines wegen der 10. Klasse und der folgenden. Eine Bitte um einen Kursus über Erziehung der über Vierzehnjährigen, auch betreffend den Reli­gionsunterricht. Weiter, was bei uns eine ,,bourgeoise Methode" ist, und wie es ausgemerzt werden könnte. Eine Frage wegen des Instrumentalunterrichts. ob man in der 3. Klasse in den Fremdsprachen schon schreiben oder nur spre­chen soll. Eine Frage betreffend Lebenskunde und soziale Erkenntnis. Eine Frage nach dem Eurythmie-Sonderkurs. Auch wegen einer Versammlung mit Lehrern, wegen pädagogischer Wochen und wegen eines Mitteilungsblattes.

Dr. Steiner: Ich denke, wir werden die einzelnen Punkte absolvieren, indem wir zuerst versuchen, die Dinge zu sagen, welche die einzelnen Lehrkräfte über das vorzubringen haben, was mit der Fortsetzung und mit dem Ende des Schuljahres zusammenhängt. Dann werden wir leichter die Frage nach der Versetzung der Kinder besprechen können. Ich denke, wir beginnen bei der 9. Klasse. Ich werde die verehrten Lehrkräfte bitten, die Erfahrungen vorzubringen, die sie auf den Schluß des Schuljahres vorzubringen haben.

Es wird über jede einzelne Klasse gesprochen, zuerst über die 9.

Dr. Steiner: Ich war darin bei der Jean Paul-Besprechung. Sind Sie zufrieden mit der Art, wie die Kinder teilnehmen?

Was ist in der Eurythmie zu sagen? Der eine Lethargische, der U. A., ist nicht wirklich lethargisch; der macht nur einen lethargischen Ein­druck.

Falls eine 10. Klasse zu errichten sein würde, so würden alle Schüler aufzusteigen haben.

Nun kommen wir zur 8. Klasse. Sind da Schüler, die in Betracht kommen als so schwach, daß man sie zurücklassen soll?

X.: Es wäre bei H. K. zu überlegen, ob er nicht in einer tieferen Klasse besser vorwärtskommt.

Dr. Steiner: Meinem Eindruck nach müßte er nicht zurückbleiben. Ist es einer von denen, die in bestimmten Fächern mehr zurück sind?

X.: Er schläft förmlich ein.

Dr. Steiner: Er ist physisch schwach. Er war bei der Quäkerspeisung.

X.: Es sind so schlimme häusliche Verhältnisse.

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Dr. Steiner: Es fragt sich in einem solchen Fall, ob Sie glauben, daß er im nächsten Jahre in der 9. Klasse stören wird, oder ob man ihn unter Umständen doch wird mitbringen können. Wenn solche Ver­hältnisse vorliegen, ist solch ein Schock nicht gerade das Wünschens­werte.

X.: Ich glaube nicht, daü er stören wird.

Dr. Steiner: Ist in der Eurythmie etwas zu gewinnen aus ihm?

Eine Eurythmielehrerin: Er strengt sich an. - Der P. R. ist verwachsen, soll man ihn einzeln vornehmen?

Dr. Steiner: Haben wir eine gewisse Anzahl solcher Kinder durch die verschiedenen Klassen durch? Man muß, so gut man kann, mit den Kindern innerhalb derselben Gruppe fertig werden. Es geht nicht an, daß man den P. R. absondert. Ist sprachlich etwas zu sagen?

Der H. K. bliebe zu bedenken. Ich glaube doch, daß es kaum zweifel­haft sein kann, daß wir diesen in die 9. Klasse hinaufnehmen. Ich werde vielleicht morgen oder übermorgen in die Klasse kommen. Wir müssen den Hilfsunterricht haben. Daran müssen wir denken. In einer niedrigeren Klasse würden solche Schüler ebenso stören.

K. Die Kinder in meiner 6. Klasse haben ein schlechtes Gedächtnis. Es muß ein Fehler im Unterricht sein.

Dr. Steiner: Man kann nicht sagen, das Gedächtnis aller Kinder sei schwach.

X.: Die Kinder haben die Dinge nicht behalten. Sie haben keine klaren Bilder, zum Beispiel von Ägypten.

Dr. Steiner: Auf welche Weise versuchen Sie die bildliche Vorstel­lung beizubringen?

Es wird vom Geographieunterricht berichtet.

Dr. Steiner: An die Pyramiden und Obelisken erinnern die Kinder sich. Sie müssen sich dabei fragen, ob Sie wirklich alles im einzelnen gemacht haben, um allen Kindern ein Bild beizubringen von der wirklichen Lage Ägyptens, so daß das Kind nicht Lücken hat im Vorstellen, wenn es auf Ägypten kommen soll. Wenn man Ägypten bloß heraushebt, und es keine Vorstellungen hat, wie es von hier aus nach Ägypten käme, wenn es kein plastisches Bild hat, dann ist es sehr leicht möglich, daß das Gedächtnis aussetzt. Vielleicht muß man darauf achten, daß alle Einzelheiten getan sind, damit die Kin­der eine völlig plastische Vorstellung und eine lückenlose Vorstellung

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haben von der Lage Ägyptens in bezug auf den eigenen Ort. Das Kind wird etwas wissen von Pyramiden und Obelisken, aber nicht weiß es, daß sie in Ägypten sind. Es ist sehr zu überlegen, ob wirklich alle diese Dinge, die zu geschlossenen Vorstellungen führen, gemacht werden. Lassen Sie die Kinder nur Afrika zeichnen? Vielleicht sollte man immer zur Spezialkarte noch etwa eine europäische oder sonst eine zeichnen lassen, die einen Überblick und den Zusammenhang verschafft.

X.: Ich habe gefragt, in welcher Himmelsriehtung sie Ägypten suchen würden.

Dr. Steiner: Vielleicht muß man die Städte suchen, über die man kommt, wenn man von hier nach Ägypten geht. Diese Art von Gedächtnisfehlern rührt her von irgendwelchen Lücken im übrigen Vorstellungserwerb. Wenn die Kinder geschlossene Vorstellungen kriegen, dann ist es ganz zweifellos, daß das Gedächtnis besser wird. Das war bei Herrn O. nicht der Fall. Die Kinder waren interessiert. Sie haben alles verstanden, waren enthusiasmiert. Sie haben sich aber nichts gemerkt, weil er die Dinge heraushob und nicht größere Zu­sammenhänge gab. Größere Zusammenhänge herstellen, das ist eine gute Art von Gedächtnispflege.

Das gilt in der verschiedensten Weise für verschiedene Unterrichts-zweige. Es gilt vor allem für solche Dinge wie Geographie, es gilt auch für gewisse naturgeschichtliche Dinge. Für Geschichte, natürlich, da gilt es ganz besonders. Bei der Geschichte ist es wichtig, daß aufjede mögliche Weise gesucht werden muß, den Kindern konkrete Vor­stellungen zu geben.

Wenn man so etwas bespricht wie die Perserkriege, würde ich niemals versäumen, wenigstens wo wichtige Knotenpunkte sind, irgend jemand herauszuheben. Heute haben Sie den athenischen Läufer gehabt: ich würde niemals versäumen, den Kindern eine recht anschauliche Vorstellung zu verschaffen, wie lange es her ist, daß ein solcher Mensch gelebt hat, zum Beispiel die Generationen nach­rechnen zu Tassen: Großvater und Sohn und so weiter. Ich würde die Reihe konstruieren bis herauf zum athenischen Läufer. Es würden sich ergeben 55 bis 56 hintereinanderstehende Menschen. Die Kin­der bekommen dadurch eine Vorstellung, wie lange die Zeitlinie hinaufgeht. Ich würde fragen, welcher ist Zeitgenosse des Myste­riums von Golgatha? Solche Vorstellungen zu Hilfe nehmen, und darauf ruhen lassen die Kinder. Man redet von Ägypten und will ihnen beibringen, wie sie von Stuttgart nach Ägypten kommen. Man hält in Venedig, dann versucht man ein bißchen abzurücken vom

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Thema und einen Witz zu machen, was auf Venedig Bezug hat. Es muß Humor in den Unterricht hinein, sonst leidet auch das Gedächt­nis.

K. spricht über einige schwachbefähigte Kinder in der 6a, besonders über W. G. Er ist übersanguinisch, daß er beinah närrisch ist. Er schreibt die Buch­staben nicht zusammen, ein Wort nicht zu Ende. Er sagt, was ihm einfällt.

Dr. Steiner: Das ist ein seelisch nicht so altes Kind. Er ist seelisch auf der Stufe von acht oder sieben Jahren. Nun ist es bei ihm so, daß er sich nicht sehr viel daraus machen würde, wenn man ihn zurückläßt. Es würde sich darum handeln, wie wir uns prinzipiell zur Verset­zungsfrage verhalten. Dieser W. G. wäre einer, der dafür in Betracht kommen würde. Es würde ihm gut tun, den Stoff zweimal hinterein­ander durchzunehmen. Wir werden die Frage prinzipiell erörtern.

X.: Ich würde ihn sehr ungern abgeben.

Dr. Steiner: Er wäre der einzige von denen, die Sie genannt haben. Den E. W. könnte man in die Hilfsklasse geben.

X.: Mehrere können noch nicht richtig schreiben.

Dr. Steiner: Alle diese würden nur in die Hilfsklasse kommen. W. E. ist ein ausgesprochener Kandidat der Hilfsklasse. Er kann seine Gedanken nicht orientieren. Wie ist er musikalisch? Die Mehrzahl wird musikalisch sein. Er wird auch im Handfertigkeitsunterricht nicht besonders tüchtig sein. W. E. wird durch lebhafte Farben hypnotisiert sein.

Wir müssen die Einrichtung eines Hilfsunterrichts in Betracht zie­hen.

Über einige Kinder in der 5. Klasse, besonders über E. E.

X.: Er kommt nicht mit. In den Sprachen ist er begabt. Er ist schlau, gerissen.

Dr. Steiner: Man müßte mit möglichster Berücksichtigung seiner Individualität ihn ab und zu beschäftigen, ihn anreden. Dann muß man das variieren, sich immer wieder speziell mit ihm beschäftigen.

X.: Sollte er nicht in die Hilfsklasse kommen?

Dr. Steiner: Was soll er in der Hilfsklasse machen? Er ist ein leiden­schaftlicher Zwickel. Es würde auf ihn einen tieferen Eindruck machen, wenn man ihn ein Paar Schuhe machen läßt. Man müßte so etwas schaffen, daß er Nägel einschlägt und Schuhe machen kann. Richtige Stiefel für jemand anderen. Man müßte den E. im Handarbeitsunterricht

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Schuhe machen lassen: das wäre schon etwas. Das wird ihm Spaß machen, besohlen, Doppelsohlen machen.

Über die 4. Klasse.

Dr. Steiner: Ich war in der Klasse, und ich muß sagen, die ist recht, mit Ausnahme von drei oder vier, die werden aber dann das, was sie nicht können, schnell nachholen. Im Rechnen sind einige schwächer, andere sehr gut. Ich meine, es ist eine Klasse, die ein wenig unter dem gelitten hat, daß sie drei aufeinanderfolgende Lehrkräfte hatte.

Die Klasse nimmt man glatt in die 5. hinauf. Die vorige Lehrerin konnte außerordentlich gut Disziplin halten, sie war, was man in bourgeoisen Schulen ,,streng" nennt. Die Kinder hatten sie sehr gern. Dann kamen Sie. Heute war eine musterhafte Disziplin.

X.: Ich habe mich in den Ruf der Strenge gesetzt.

Dr. Steiner: Den Erfolg werden Sie erst sehen, wenn Sie sie längere Zeit haben.

L. H. hat wohl schwache Augen: die Augenachsen paralleler machen! Sie konvergieren zu stark. Versuchen Sie, ihn zu gewöh­nen, ein klein wenig, so viel wie ein halber Zeigefinger, das Buch weiter weg halten zu lassen, als er es gewohnt ist. Die Sehachsen­kreuzung etwas vom Gesicht wegschieben.

Der B. E. ist mir aufgefallen, der ist an einem Tage aufgewacht. Die Kinder waren ganz erstaunt darüber, daß B. etwas sagt.

X.: Die Mutter ist besorgt, der M. I. habe etwas vom Vater übernommen.

Dr. Steiner: Er hat einen Anflug von kindischem Wesen. Er ist offenbar ein Preuße, ein kleiner. Er ist nicht eigentlich patholo­gisch. Wenn Sie wollen, können Sie es schwach pathologisch nen­nen. Er ist in Berlin geboren; er hat durch die Sprache etwas Süß­liches bekommen. Wenn er eine gute Führung hat, so kann er ganz normal werden.

X.: Er legt sich eine Statistik der elektrischen Bahnen an; er hält sich abseits.

Dr. Steiner: Man muß ihn liebevoll führen. Das einzig Bedenkliche ist die Statistik der Tramways. Man muß versuchen, ihm ein ande­res Interesse beizubringen, ihm dies abzugewöhnen. Er soll deutsch schreiben lernen.

Sie haben in der 2. Klasse einzelne Schüler, die sehr gut sind. Bei Ihnen ist die Schwierigkeit, daß die Klasse eine solche Größe hat. Die pathologischen Kinder G., H. N. und M. H. müssen auch in die

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Hilfsklasse. Der B. R. ist nicht ganz normal. Er müßte nachmittags eine besondere Unterstützung kriegen. Das ist schwierig bei einzel­nen Ihrer Kinder. Er hat ein zu kleines Gehirn, der B. R. Man braucht ihn nur anzuschauen. Es ist kleiner geblieben, als es sein sollte. Man muß versuchen, doch diese Eigenschaft bei ihm zu bekämpfen. Er hat die Unmöglichkeit, ganz mit vollem Anteil auf­zupassen. Man muß ihn öfter aufrufen und öfter auf dem Korridor und auf der Straße mit ihm allerhand reden, wobei er beim Zu­hören etwas denken muß. Es ist die Mutter ebenso wie er.

X.: Manche haben in der i. Klasse schon neue Zähne, manche noch nicht.

Dr. Steiner: Fertig gezahnt kann kein Kind in der i. Klasse haben, das geschieht erst im achten Jahr. Es handelt sich in bezug auf das Schulalter nur darum, ob sie schon angefangen haben zu zahnen.

Der O. Nr. käme auch für die Hilfsklasse in Betracht. Er kehrt die Worte um. Man kann ihn eine Zeitlang in der Hilfsklasse haben, wo man jedes Kind individuell behandelt.

X. über T. M.

Dr. Steiner: Das Pathologische ist bei T. M. weniger stark, er ist schon gesünder.

X.: Er hat asthmatische Anfälle in der Nacht.

Dr. Steiner: Mit mäßiger Menge von Arsen behandeln in Form von Levicowasser. Eine Unregelmäßigkeit des astralischen Leibes ist bei diesem jungen, den könnte man physisch kurieren. In der Woche zweimal, verdünnen, ein Viertel Trinkglas mit Wasser gemischt.

Dann würden Sie alle Schüler hinaufnehmen in die 2. Klasse.

X. fragt nach F. O. in der bisherigen Klasse la.

Dr. Steiner: Er sollte durch die Hilfsklasse gefördert werden, daß er in die bisherige 2. Klasse, künftige 3. Klasse kommen könnte.

Jetzt wären wir wohl mit den einzelnen Klassen zu Ende.

Es wird über den Sprachunterricht berichtet.

Dr. Steiner: Man kann versuchen, durch die Gruppenabteilung etwas zu erreichen. Wir können sie in Gruppen zusammenbringen, so daß wir diejenigen mit gleichen Kenntnissen und Fähigkeiten beisammen haben.

X.: Ich glaube, es wäre gut, in der 6. Klasse etwas Gedrucktes zu lesen.

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Dr. Steiner: Wie alt sind die Schüler? Man müßte eine mäßig große Erzählung heraussuchen. Man müßte eine Erzählung finden, eine Novelle, etwas, was Substanz hat, nichts Oberflächliches. Es wäre möglich, so etwas wie ein historisches Stück zu lesen aus Mignet. Da lernen sie auch sehr viel daran.

Den Sprachunterricht werden wir neu gliedern müssen. Da ist es auch so, daß man die Schüler so schwer befriedigen kann. Beim Sprach­unterricht muß man die Schüler viel fragen, da herrscht die Ansicht, daß die Schüler unzufrieden sind. Lernen tun sie am meisten an der Lektüre. Viel Hilfe ist das Sich-Hineinfinden in eine zusammenhän­gende Lektüre. Das Auswendiglernen ist nur ein Hilfsmittel. Man geht Satz für Satz vor. Bei den Kleinen im mcr sprechen.

X.: Soll man in der 3. Klasse in den Fremdsprachcn auch schreiben?

Dr. Steiner: Man kann anfangen, kurze und leichte Sätze zu schrei­ben, die einen einfachen Gedanken ausdrücken.

X. fragt, ob man drei Lieder von Dr. Steiner als Chor drucken lassen darf.

Dr. Steiner: Diese Chorlieder können Sie ruhig dem Dornacher Ver­lag übergeben, die werden viel gekauft werden.

X.: Können wir darauf rechnen, Texte zu bekommen für Kinder?

Dr. Steiner: Es ist jetzt eine Sache da, die ist aber für jüngste Kinder.

Das Frühlingslied.

Der Instrumentalunterricht würde nur ein Surrogat sein können. Das müssen wir vorläufig lassen.

X.: Ich habe einiges aus der Keileurythmie verwendet. Soll ich so fortfahren?

Dr. Steiner: Was ich heute gesehen habe, hat mich ganz gut befrie­digt.

In der 5. Klasse sind viele Buben, die könnten Turnunterricht bekommen. Das wäre unser Schulprogramm, daß es eine Stunde schon wäre. Wir werden es auch vergeistigen, sobald wir es machen können.

X.: In der 9. Klasse ist angefangen worden zu modellieren.

Dr. Steiner: Was ich gesehen habe, hat mich befriedigt.

Nun möchte ich Sie fragen, ob wir die Zeugnisse wieder so ausstellen wie im vorigen Jahr. Es ist eine gute Art, die Zeugnisse so auszustel­len. Genau so, wie im vorigen Jahr.

X.: Wir haben sie optimistisch gehalten.

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Dr. Steiner: Es handelt sich darum, daß man die Sätze richtig faßt. Wenn man nicht gut individualisiert, was schwierig ist, dann wird man, wenn man die Sätze zu streng formuliert, sehr viele zurück­stoßen. Es würde sich schon darum handeln, wenn jemand ein großer Nichtsnutz ist, daß man schreibt es wäre dringend zu wünschen, daß er im nächsten Jahr sich zusammennähme. In der Formulierung würde manches liegen. Auch Mängel positiv ausdrücken, aber in bezug auf die Formulierung streng sein.

Da sind wir einig, daß wir die Zeugnisse ausstellen wie im vorigen Jahr. Ein möglichst treues Bild. Unten wiederum für jedes Kind einen Spruch ins Zeugnis, der für die Individualität des Kindes rich­tunggebend sein kann, als Leitmotiv für die Zukunft. Nun würde ich doch gerne haben, da das Kind dieses Zeugnis behält, daß aufjedem Zeugnis alle Lehrer unterschreiben, die tätig waren an dem Kinde. Gerne würde ich haben wollen, daß jedes Kind alle Unterschriften hat. Es ist nicht unbedeutend, daß die Kinder alle Unterschriften haben von den Lehrern, die an dem Kinde gearbeitet haben. Es soll der Name des Klassenlehrers daraufstehen und dabei auch stehen ,,Klassenlehrer", so daß das Kind weiß: zu dem gehört es; und die anderen stehen darunter. Es wäre gut, wenn der Lehrer selbst den Text schreibt, der Klassenlehrer den lingsten, und jeder andere Leh­rer eine kurze Bemerkung.

Zur Frage der Versetzung.

Dr. Steiner: Es blieben eigentlich diese beiden Geschwister P.' und dann wäre sonst fast niemand, nur der F. Die H. M. kann auch in die Hilfsklasse kommen. Die anderen würden wir mitnehmen.

Jetzt kommt die Frage der Hilfsklasse. Es wird sich darum handeln. ob wir eine Lehrkraft brauchen. Dr. Schubert sollte sie über-nehmen.

Es wird die Liste der Lehrer aufgestellt, die den Hauptunterricht erteilen.

Dr. Steiner: Wie wäre es, wenn man den Dr. Schwebsch aus Berlin herbeorderte? Er soll am 11. Juni herkommen.

Wir bekommen im Herbst Fräulein Dr. Röschl für Latein und Grie­chisch, das wird natürlich eine sehr gute Zuwachskraft sein. - Nun brauchen wir noch eine Verbesserung, eine neue Kraft für die neue­ren Sprachen, und wenn es der junge Englert wäre. Er ist noch sehr jung. Er soll auch am 11. Juni hierher oder vorher nach Dornach kommen.

Es wird über den freien Religionsunterricht berichtet.

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Ein Klassenlehrer sagt, er sei bei den Religionsstunden seiner Klasse dabei gewesen, um auf Ordnung zu sehen; er sei sich wie ein Wauwau vorgekom­men.

Dr. Steiner: Es ist schon so, diese eine Ausnahme ist doch in einem gewissen Sinne möglich. Das ist dies, daß man festhält, was wir zu unserer Pädagogik rechnen. Wir müssen annehmen, daß die Klassen und der Lehrer zusammengehören. Weil die Religionsstunden ver­schiedene Klassen zusammen haben, so halte ich es für durchaus möglich, wenn der betreffende Klassenlehrer in der Klasse ist, wäh­rend ein anderer Lehrer Unterricht erteilt. Wir kommen auch kaum anders über die Sache hinaus, als daß wir versuchen, kleinere Klassen zu machen.

X.: Es ist nicht immer innere Teilnahme dabei; es sind zu viele.

Dr. Steiner: Diese Gruppen sind zu groß. Das sollten sie nicht sein, damit der Unterricht innig sein kann.

Wir müssen ein Gefühl für die Jahreszeiten bei den Kindern erwecken. Und wir müssen mehr ins Auge fassen, daß die Kinder ein möglichst plastisches Bild des Christus bekommen; daß das in dem Mittelpunkt Ihrer Betrachtung steht, und zwar auf allen Stufen, so daß wir darauf zurückkommen, und das ganze Erdenleben des Chri­stus im Mittelpunkt steht. Das persönliche Verhältnis zum Christus muß gehütet werden, auch auf der unteren Stufe, daß es wie eine Art innerer Kultus hineinkommt. Das persönliche Verhältnis der Kinder zum Christus hüten! Es muß ein idealer Kultus in der Stunde sein. Symbolik und Bild müssen eine Rolle spielen, so daß das Gefühl sehr stark mitgenommen wird.

Als Religionslehrer gehören Sie nicht der Schule an. Den erteilen Sie, wie wenn Sie Pastor in einer anthroposophischen Kirche draußen wären und hereinkommen.

Was die Schulung vom vierzehnten Jahr an betrifft, die Pädagogik der über Vierzehnjährigen, so werden wir sehen, daß einige Stunden veranstaltet werden können, wenn ich am 10. zurückkomme. Das hängt zusammen mit dem, was Sie bourgeoise Methoden genannt haben.

X.: Im vorigen Jahr war soziale Erkenntnis als Lebenskunde fakultativ ein­geführt worden.

Dr. Steiner: Das hängt zusammen mit der Didaktik der höheren Klassen. Die Lebenskunde würde am besten von uns erteilt werden. Es müssen dann die sprachlichen Fächer dafür wegbleiben. Die alten

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Praktiker, die zweijährige Schulpraxis durchgemacht haben, müßten solche Gegenstände geben.

Über einen Sonderkurs für Eurythmie.

Eine Eurythmielehrerin: Die Aufführung war außerordentlich fruchtbar; sie tat sehr viel, um die Waldorfschule bekanntzumachen. Es wird sich so heraus­stellen, daü eine Extragruppe gebildet wird.

Dr. Steiner: Man kann zweierlei machen: entweder wir machen Auf­führungen mit den Kindern der Waldorfschule, dann müssen wir dabei stehenbleiben, aus der gewöhnlichen Kinderschar auszuwäh­len, oder wir verzichten darauf und machen es mit einer Gruppe. Das wären nicht Kinder der Waldorfschule. Wir würden das nicht mehr als Leistungen der Waldorfschule als solche in die Öffentlichkeit hineinführen können. Man kann diese zwei Dinge machen: entweder wir machen Aufführungen mit den Kindern der Waldorfschule, dann dürfen wir keine Sondergruppe bilden, oder wir bilden - das kann eingerichtet werden - eine Sonderabteilung für Eurythmie an der Waldorfschule, die nebenherläuft. Das kann hier ganz offiziell dabei sein. Dann können wir sagen: ,,Aufführungen mit Schülern der Son­derklasse der Waldorfschule."

X.: Wenn die Kinder singen würden in einem Chor, dann müßten sie auch ausgesucht werden.

Dr. Steiner: Wenn es so wäre, daß man einen Chor bildet aus den einzelnen Schülern, das ist eine Sache, die kaum gut vorkommen kann. - Entweder die Leistungen nehmen, wie sie gerade treffen, oder wir errichten eine besondere Eurythmieabteilung. Beides kann gemacht werden, vielleicht sogar bloß nach Sympathie, nach Anti­pathie. Es wird eine große Menge begabter Eurythmisten geben, die auf diese Weise verwendet werden können. Wir dürfen es dann aber nicht als Aufführung der Waldorfschule deklarieren.

X.: Man könnte aus den großeren Madchen eine Gruppe bilden.

Dr. Steiner: Man könnte es ganz gut machen, wenn man Aufführun­gen von der Waldorfschule macht. Sie sehen, die kleinen Sputzen, die haben den größten Erfolg. Es kann eine Sonderabteilung von vor­gerückten Eurythmisten sein. Das einzige ist, daß man diejenigen, die also Eurythmie als Beruf treiben, dispensiert von der gewöhnlichen Eurythmieübung. Solche Dinge können vorkommen. Das müßten Sie einrichten ganz als eine von der Schule getrennte Sache.

Ich glaube, es sind solche da, die brennend gerne Eurythmie treiben würden, nur wäre es schön, wenn auf diesem Wege wenigstens, wenn

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auch nur als Surrogat, einige junge Buben hineinkommen würden. In Dornach haben wir nur den einzigen S., der braucht ein halbes Jahr, um eine Vorstellung vorzubereiten, so daß wir niemals männliche Eurythmisten auf der Bühne sehen. Wie die Eurythmie eingerichtet worden ist, das war in München, da sind die Herren aufgetreten; mit vier Männern haben wir debütiert. Dann ist immer mehr und mehr die Männlichkeit in den Hintergrund getreten. Die Damen sind begabter gewesen. Hier sind die Studenten sehr begabt. Es ist ganz merkwürdig, wie viel bessere Doktoren die Damen sind als die Männer.

X.: Die Kinder der oberen Klassen, die sich musikalisch ausbilden wollen, müssen anfangen, sich zu üben. Könnten die nicht von den Stunden dispen­siert werden, die durch schwere Körperarbeit die Geschicklichkeit der Finger behindern?

Dr. Steiner: Nach dieser Richtung könnte man den Lehrplan indivi­dualisieren. Das könnte man schon machen. Wir sollten auch daran denken, besondere Übungsräume zu haben. Es müssen die Dinge bleiben, die Menschenbildung geben; sonst kann man spezialisieren.

X.: Die Schüler haben in der Schülerbibliothek gefragt, ob sie Werke von Dr. Steiner lesen dürfen. Sollen die älteren Kinder etwas sozial Gerichtetes bekommen?

Dr. Steiner: Wenn wir die 10. Klasse einrichten, so werden wir auch durch die Lektüre erzieherisch wirken müssen. Es ist im allgemeinen noch etwas früh, diese Dinge zu geben. Dagegen würde es vielleicht möglich sein, einzelne Zyklen zu geben, wenn sie entsprechend gedruckt würden. ,,Christentum als mystische Tatsache", vielleicht auch die ,,Theosophie". Da müssen Präliminarien ausgearbeitet werden.

Es wird gefragt, ob die Schüler Vorträge von Dr. Steiner besuchen dürfen.

Dr. Steiner: Meinen Sie, daß es eine große Erbauung gibt, ein solcher Vortrag? Vielleicht können wir doch nicht herumkommen, diese Sache den Eltern zu überlassen. Wir können keine Verfügung treffen. Die Eltern müssen das tun und auch selber verantworten. Es wird gefragt, ob man ein Mitteilungsblatt herausgeben und ,,Pädagogische Wochen" für Lehrer veranstalten soll. Die Diskussionen mit den Lehrern waren doch recht erfreulich.

Dr. Steiner: Über was diskutieren Sie denn?

X.: Über das Verhältnis von Schule und Staat; auch mancherlei Pädagogisches.

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Dr. Steiner: Ich halte es für einen Luxus. Die wesentlichen Punkte mißversteht man am meisten. Wenn Sie mit der Bewegung weiter­kommen wollen, müssen Sie an die Konsumenten gehen, nicht än die Fabrikanten. Man kann das machen als nettes Plauderstündchen, heraus kommt dabei nichts. Ich habe mich nie widersetzt; wenn Sie finden, daß man es tun soll, so tun Sie es nur ruhig. Es ist schon soviel Kraft verpufft worden, indem man immer wieder neue Sachen unter­nimmt, die eigentlich aussichtslos sind. In der Schweiz kann man sich den Luxus gönnen, auch unter der Lehrerschaft zu agitieren. Wir haben es erlebt beim Osterkurs, daß die Schweizer gesagt haben: Bei uns sin4 die Schulen frei. - Die Schweizer Schulen sind ganz ver­sklavt. Ich glaube nicht, daß wir uns dafür zu ereifern brauchen.

Wir können das Waldorfschul-Prinzip nur zum Modell machen. Eine zweite Schule werden wir nicht mehr errichten können. Sie wird ein Modell bleiben, so daß wir also auch nicht etwas anderes brauchen, als diese Schule als Modell zu erhalten, bis daß man sie aus Wut aufhebt. Einen Sinn hat es jetzt nur, gegen dieses Schulgesetz mit einer Weltbewegung sich aufzulehnen. Es ist die höchste Zeit, für den Weltsehulverein etwas zu tun. Es handelt sich darum, den Weltschul­verein ins Leben zu rufen, so daß eine Riesenbewegung für die Ver­selbständigung des Unterrichtswesens, für die Befreiung des Schul­wesens international durch die Welt ginge. Deshalb glaube ich, wir sollten jetzt diese Schule mit ihrer Schülerzahl so innerlich gediegen wie möglich machen, und nach oben ausbauen. Jedes Jahr eine neue Klasse, und nach oben ausbauen.

Das Mitteilungsblatt wird aus Mangel an Mitarbeiterschaft nicht gehen. Pädagogische Woche ist ein Luxus. Ist noch etwas?

Frage nach der Schlußfeier.

Dr. Steiner: Die Schlußfeier könnte man im Kuppelsaal des Kunst-gebäudes machen. Wenn sie so gemacht wird, daß die Kinder einen Schlußpunkt haben, ein paar Gedanken aufnehmen, so ist es doch gut. Es gehört zum ganzen im seelischen Erleben, sonst gehen die Kinder bloß fort und beginnen ein neues Schuljahr: sie werden zu­letzt zu gleichgültig. Die Schlußfeier ist der Abschluß eines ganzen Schuljahres. Daß nur acht Tage Ferien dazwischenliegen, ist eine Ausnahme. Es ist eine neue Klasse, die jede Schülerklasse dann beginnt. Es muß nicht prosaisch werden.

Warum sind denn die Monatsfeiern nicht mehr gewesen? Es ist sehr schade. Ich glaube schon, daß wir sie machen sollten.

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Zeittafel: November 1918 bis April 1921

(GA = Rudolf Steiner Gesamtausgabe)


Vom 9. November 1918 ab hält Dr. Steiner in Dornach und anderen Orten in der Schweiz eine große Anzahl von Vorträgen über die Dreigliederung des sozialen Organismus und erwähnt darin immer wieder, daß das Schulwesen vom Staat unabhängig werden müsse. - Bei Emil Molt keimt durch das Anhören vieler dieser Vorträge und durch die Erfahrungen mit den von ihm eingerichteten Arbeiterbildungskursen der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik der zunächst noch unbestimmt bleibende Gedanke auf, eine Schule für die Kinder seiner Fabrik einzurichten.

Dornach, Montag 27. Januar 1919: Gespräch zwischen Dr. Steiner, Emil Molt, Roman Boos und Hans Kühn. Hinweis Dr. Steiners, es müßten jetzt vor allem Schulen gegründet werden.

Anfang März 1919 erscheint Dr. Steiners ,,Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt!", Bibl.-Nr. 23, GA Dornach 1961.

Stuttgart, Montag 21. April bis 22. Juni 1919: Zweigvorträge ,,Geisteswissen­schaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen", Bibl.-Nr. 192,

GA Dornach 1964. Sehr wichtig für den inneren Zusammenhang zwischen der Waldorfschul-Pädagogik und der sozialen Dreigliederungsbewegung von 1918/19.

Ende April 1919 erscheint ,,Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft", Bibl.-Nr. 23, GA Dor-nach 1969.

Stuttgart, Mittwoch 23. April 1919: Vortrag für die Arbeiter und Angestell­ten der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik AG, in ,,Waldorf-Nachrichten ,, 1. Jg., Nrn. 9, 10, 11/1919, besonders wichtig S. 152-154.

Stuttgart, Mittwoch 23. April 1919: An den Vortrag anschließend eine Be­triebsratssitzung. Die Firma stellt 100 000 Reichsmark zur Gründung einer Schule für die Kinder ihrer Arbeiter und Angestellten zur Verfügung. Molt bittet Dr. Steiner, die Einrichtung und Leitung dieser Schule zu übernehmen.

Stuttgart, Freitag 25. April 1919: Grundlegendes Gespräch zwischen Dr. Stei­ner, Molt, Hahn und Stockmeyer über die Schule.

Stuttgart, Sonntag 11., 18. Mai, 1.Juni 1919: Zweigvorträge: ,,Drei Vorträge über Volkspädagogik"' Bibl.-Nr. 192, GA Dornach 1964.

Stuttgart, Dienstag 13. Mai 1919: Dr. Steiner, Molt und Stockmeyer haben ein Gespräch mit dem württembergischen Kultusminister Heymann. Dr. Stei­ner entschließt sich, die Leitung der Schule zu übernehmen.

Stuttgart, Freitag 30. Mai 1919: Es wird Molt das spätere Schulgrundstück zum Kauf angeboten, am damaligen ,,Kanonenweg", heute Haußmannstraße. Molt kauft es aus seinem Privatvermögen.

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Stuttgart, Donnerstag 19. Juni 1919: Vortrag für den Verein jüngerer Lehrer und Lehrerinnen: ,,Die Aufgabe der Schule und die Dreigliederung des sozia­len Organismus", in ,,Die Menschenschule" 9. Jg., 1935, Heft 2 (Selbständig­keit des Geisteslebens - Siebenjahresstufen).

Stuttgart, Sonntag 29. Juni bis Sonntag 3. August 1919: Zweigvorträge ,,Gei­steswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen", Bibl.-Nr. 192, GA 1964. Allgemeinere soziale und geistige Fragen; weniger Pädagogisches.

Dornach, Samstag 9. August bis Sonntag 17. August 1919: Sechs Mitglieder-vorträge ,,Die Erziehungsfrage als soziale Frage", Bibl.-Nr. 296, GA Dornach 1971. Im Thema ähnlich wie die Vorträge vom 21. April bis 22. Juni 1919, aber viel Ergänzendes.

Stuttgart, Mittwoch 20. August 1919: Ansprache an die Teilnehmer der päd­agogischen Kurse für die künftigen Waldorflehrer, siehe S. 61.

Stuttgart, Donnerstag 21. August bis Samstag 6. September 1919: Die drei großen pädagogischen Kurse ,,Allgemeine Menschenkunde", Bibl.-Nr. 293, GA Dornach 1973 - ,,Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches"' Bibl.-Nr. 294, GA Dornach 1974 - ,,Erziehungskunst. Seminarbesprechungen und Lehrplanvorträge", Bibl.-Nr. 295, GA Dornach 1969.

Stuttgart, Sonntagvormittag 24. August 1919, halböffentlich: ,,Welche Ge­sichtspunkte liegen der Errichtung der Waldorfschule zugrunde?"

Stuttgart, Sonntagvormittag 31. August 1919, halböffentlich: ,,Die Waldorf-schule und ihr Geist."

Stuttgart, Sonntagnachmittag 31. August 1919: Vortrag für die Eltern aus der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik' die ihre Kinder in die Waldorfschule schicken wollen. - Diese drei Vorträge in ,,Die Waldorfschule und ihr Geist", Stuttgart 1956.

Stuttgart, Montag 1. September 1919, öffentlich: Kein Thema angegeben, keine Nachschrift; es ist sehr fraglich, ob der Vortrag stattgefunden hat.

Stuttgart, Sonntag 7. September 1919: Ansprache bei der feierlichen Eröff­nung der Freien Waldorfschule' in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule", S. 18-28, Stuttgart 1958.

Stuttgart, Montag 8. September 1919: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Montag 8. September 1919: Zweigvortrag, in ,,Geisteswissenschaft­liche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen", Bibl.-Nr. 192, GA Dornach 1964. Wichtige Ergänzung zur Eröffnungsansprache.

Berlin, Freitag 12., Samstag 13., Sonntag 14. September 1919: Zweigvor-träge, in ,,Der innere Aspekt des sozialen Rätsels", Bibl.-Nr. 193, GA Dornach 1968.

Berlin, Montag 15. September 1919, öffentlich, in ,,Gedankenfreiheit und soziale Kräfte". Bibl.-Nr. 333, GA Dornach 1971.

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Stuttgart, Mittwoch 24. September 1919, öffentlich: ,,Übersinnliche Erkennt­nis und sozialpädagogische Lebenskraft", in ,,Die Menschenschule" 1936, 10. Jg., Heft 1 (Waldorfschule S. 2-22).

Stuttgart, Donnerstagvormittag 25. September 1919: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Donnerstagabend 25. September 1919: Ansprache zur Diskussion. Versammlung des Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus. Bera­tung über den zu gründenden Kulturrat. Keine Nachschrift.

Stuttgart, Freitag 26. September 1919: Lehrerkonferenz.

Dornach, Samstag 4. Oktober 191 9: Mitgliedervortrag, in ,,Soziales Verständnis aus geisteswissenschaftlicher Erkcnntnis"' Bibl.-Nr. 191, GA Dornach 1972.

Zürich, Dienstag 28. Oktober 1919, öffentlich: ,,Geistesfragen: Geisteswissen­schaft (Kunst - Wissenschaft - Religion), Erziehungswesen", in ,,Soziale Zukunft", Bern 1950, S. 122-149, besonders S. 144-146.

Basel, Dienstag 25. November 1919, öffentlich: ,,Die sozialpädagogische Bedeutung der antliroposophisch orientierten Geisteswissenschaft", in ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft 4, besonders S. 103-120 (Siebenjahres­stufen) und in der Aussprache S. 125-126 (Gründung der Waldorfschule).

Basel, Donnerstag 27. November 1919, öffentlich: ,,Geisteswissenschaft und Pädagogik", in ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft S. Eingehende Dar­stellung, Siebenjahresstufen und die Übergänge nach dem 9. und 11. Jahr, Anschauungsunterricht, Eurythmie' Turnen.

Stuttgart, Mittwoch 17. Dezember 1919: Keine Nachschrift vorhanden.

Stuttgart, Freitag 19. Dezember 1919, öffentlich, in ,,Gedankenfreiheit und soziale Kräfte", Bibl.-Nr. 333, GA Dornach 1971.

Stuttgart, Samstagvormittag 20. Dezember 1919: Wellinachtsfeiern in den einzelnen Klassen, zum Teil in Anwesenheit Dr. Steiners.

Stuttgart, Samstagnachmittag 20. Dezember 1919: Weihnachtsfeier der Wal­dorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Krippenspiel. Ansprache Dr. Steiners (?).

Stuttgart, Sonntagvormittag 21., Donnerstag 25., Sonntag 28., Mittwoch 31. Dezember 1919, Donnerstag 1. Januar 1920: Zweigvorträge, ,,Weltsilve­ster und Neujahrsgedanken"' Bibl.-Nr. 195, GA Dornach 1962.

Stuttgart, Sonntagnachmittag 21. Dezember 1919: Weihnachtsfeier in der Waldorfschule' Ansprache Dr. Steiners' in ,,Rudolf Steiner in der Waldorf-schule", Stuttgart 1958, Bibl.-Nr. 298.

Stuttgart, Montag 22. Dezember 1919: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, 23.-31. Dezember 1919, 2. und 3. Januar 1920, 10.30 oder 11 Uhr: ,,Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Erster naturwissenschaftlicher Kurs (Lichtlehre)", Bibl.-Nr. 320, GA Dornach 1964.

Stuttgart, Dienstagnachmittag 23. Dezember 1919: Lehrerkonferenz.

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Stuttgart, Dienstag 23. Dezember 1919, öffentlich: Keine Nachschrift. Stuttgart, Mittwoch 24. Dezember 1919: Zweigvortrag. Keine Nachschrift.

Stuttgart, Freitag 26., Sonntag 28., Montag 29., Mittwoch 31. Dezember 1919, Freitag 2., Samstag 3. Januar 1920, meist gegen 14.30 Uhr: ,,Geistes­wissenschaftliche Sprachbetrachtungen"' Bibl.-Nr. 299, GA Dornach 1970.

Stuttgart, Samstag 27. Dezember 1919, öffentlich, in ,,Gedankenfreiheit und soziale Kräfte", Bibl.-Nr. 333, GA Dornach 1971.

Stuttgart, Dienstag 30. Dezember 1919, öffentlich, in ,,Gedankenfreiheit und soziale Kräfte", Bibl.-Nr. 333, GA Dornach 1971.

Stuttgart, Donnerstagnachmittag 1. Januar 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Sonntag 1. Februar 1920 findet zum ersten Male die von Dr. Stei­ner gegebene Sonntagshandlung in der Waldorfschule statt.

St. Gallen, Donnerstag 12. Februar 1920, öffentlich: ,,Die erzieherischen Kräfte in der Volksgemeinschaft." Keine Nachschrift.

Stuttgart, Sonntag 29. Februar 1920: Dr. Steiner ist anwesend bei der Sonn­tagshandlung in der Waldorfschule.

Stuttgart, 1.-14. März 1920, meist vormittags: ,,Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter Naturwissenschaftlicher Kurs (Wärmelehre)", Bibl.-Nr. 321, GA Dornach 1973.

Stuttgart, Dienstag 2. März 1920, öffentlich: ,,Geist und Ungeist in ihren Lebenswirkungen", in ,,Geisteswissenschaft und die Lebensforderungen der Gegenwart", Heft 2, Dornach 1950.

Stuttgart, Donnerstagnachmittag 4. März 1920: Ansprache bei einer Monats-feier. Keine Nachschrift.

Stuttgart, Donnerstagabend 4. März 1920, öffentlich: ,,Die geistigen Forde­rungen des kommenden Tages", in ,,Geisteswissenschaft und die Lebensforde­rungen der Gegenwart", Heft 2, Dornach 1950.

Stuttgart, Freitag S. März 1920: Zweigvortrag, in ,,Gegensätze in der Mensch­heitsentwickelung", Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967.

Stuttgart, Samstag 6. März 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Sonntag 7. März 1920: Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von Dr. von Baravalle über ,,Die Relativitätstheorie". Nicht gedruckt. Stuttgart, Sonntag 7. März 1920: Zweigvortrag, in ,,Gegensätze in der

Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967. Stuttgart, Montag 8. März 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Dienstag 9. März 1920: Zweigvortrag, in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung", Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967.

294

Stuttgart, Mittwoch 10. März 1920, öffentlich: ,,Die Völker der Erde im Lichte der Geisteswissenschaft."

Stuttgart, Donnerstag 11. März 1920: Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von Dr. Blümel über ,,Das Imaginäre und der Begriff des Unendlichen und Unmöglichen". Nicht gedruckt.

Stuttgart, Donnerstag 11. März 1920: Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von A. Strakosch über ,,Die mathematischen Gebilde als Zwischenglied zwi­schen Urbild und Abbild." Nicht gedruckt.

Stuttgart, Freitag 12. März 1920, öffentlich: ,,Die Geschichte der Menschheit im Lichte der Geisteswissenschaft."

Stuttgart, Samstag 13. März 1920: Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von Dr. Kolisko über ,,Hypothesenfreie Chemie". Nicht gedruckt.

Stuttgart, Samstag 13. März 1920: Ansprache bei der Gründung der Aktien­gesellschaft ,,Der Kommende Tag". Keine Nachschrift.

Stuttgart, Sonntag 14. März 1920: Lehrerkonferenz.

Zürich, Donnerstag 18. März 1920, öffentlich: ,,Die geistigen Kräfte in der Erziehungskunst und im Volksleben", siehe ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft 6.

Dornach, 21. März bis 9. April 1920: Kurs für Ärzte und Medizinstudenten. 20 Vorträge ,,Geisteswissenschaft und Mediz'in"' Bibl.-Nr. 312, GA Dornach 1961.

Dornach, 24. März bis 7. April 1920, öffentlich: Vorträge von Dr. Steiner und von anderen Rednern über ,,Anthroposophie und gegenwärtige Wissen­schaften".

Dornach, Montag 29. März 1920: Schlußwort nach dem Vortrag von Dr. Stein über ,,Anthroposophie und Physiologie". Nicht gedruckt.

Dornach, Dienstag 30. März 1920: Schlußwort nach dem Vortrag von Dr. Kolisko über ,,Anthroposophie und Chemie". Keine Nachschrift.

Dornach, Mittwoch 31. März 1920: Schlußwort nach dem Vortrag von E. A. K. Stockmeyer über ,,Anthroposophie und Physik". Keine Nachschrift.

Dornach, 9. April bis 16. Mai 1920: Mitgliedervorträge ,,Entsprechungen zwi­schen Mikrokosmos und Makrokosmos. Der Mensch - eine Hieroglyphe des Weltenalls"' 16 Vorträge, Bibl.-Nr. 201, Dornach 1958.

Basel, 20. April bis 11. Mai 1920: Pädagogischer Kurs für Lehrer von Basel und Umgebung ,,Die Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft", Bibl.-Nr. 301, Dornach 1958.

Basel, Dienstag 4. Mai 1920, öffentlich: ,,Anthroposophie im Verhältnis zu Geist und Ungeist", in ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft 7/8, beson­ders S. 206-214.

295

Basel, Mittwoch S. Mai 1920, öffentlich: ,,Seelenwesen und sittlicher Men­schenwert im Lichte der Geisteswissenschaft", in ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft 9. Diese beiden Vorträge enthalten Wesentliches zur Men­schenkunde, auch über die Siebenjahresstufen.

Basel, Donnerstag 6. Mai 1920, öffentlich: ,,Die geistigen und sittlichen Kräfte der gegenwärtigen Völker im Lichte der Geisteswissenschaft", in ,,Die Menschenschule" 1958, 32. Jg., Heft 10/11. - Dem Stuttgarter Vortrag vom

10. März in den Hauptlinien ähnlich, ihn aber ergänzend.

Aarau' Freitag 21. Mai 1920, öffentlich: Vortrag für den Verein ehemaliger Kantonischüler des Kantons Aargau ,,Erziehung und soziale Gemeinschaft vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft". Keine Nachschrift.

Dornach, Samstag 29. Mai 1920: Einleitung zu einer Eurythmieaufführung für die evangelischen Lehrervereine von Baselland und Baselstadt. Ungedruckt.

Stuttgart, Dienstag 8. Juni 1920, öffentlich:,, Der Weg zu gesundem Denken und die Lebenslage des Gegenwartsmenschen" in ,,Geisteswissenschaft und die Lebensforderungen der Gegenwart", Heft 6, Dornach 1950.

Stuttgart, Mittwoch 9. Juni 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Donnerstag 10. Juni 1920: Ansprache bei einer Monatsfeier in ,,RudolfSteiner in der Waldorfschule"' Bibl.-Nr. 298, Stuttgart 1958.

Stuttgart, Donnerstagabend 10. Juni 1920, öffentlich: ,,Dse Erztehung und der Unterricht gegenüber der Weltlage der Gegenwart", in ,,Geisteswissen­schaft und die Lebensforderungen der Gegenwart", Heft 6, Dornach 1950. Wichtig!

Stuttgart, Freitag 11. Juni 1920: Elternabend der Freien Waldorfschule. ,,Die Schulgewolinheiten der niedergehenden Zeit und die Schulpraxis des kom­menden Tages", in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule", Bibl.-Nr. 298, Stuttgart 1958.

Stuttgart, Samstagnachmittag 12. Juni 1920: Lehrerkonferenz. Stuttgart, Samstagabend 12. Juni 1920, öffentlich: ,,Das Göetheanum in Dor-nach", mit Lichtbildern. Nicht gedruckt.

Stuttgart, Sonntag 13. Juni 1920: Zweigvortrag, in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dörnach 1967.

Stuttgart, Montag 14. Juni 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Dienstag 15. Juni 1920, öffentlich: ,,Fragen der Seele und Fragen des Lebens. Eine Gegenwartirede", in ,,Geisteswissenschaft und die Lebens-förderungen der Gegenwart", Heft 8, Dornach 1952.

Stuttgart, Donnerstag 17. Juni 1920: Vortrag in der Technischen Hochschule:

,,Geisteswissenschaft, Naturwissenschaft und Technik." Nicht gedruckt. Stuttgart, Mittwoch 23. Juni 1920: Lehrerkonferenz.

296

Stuttgart, Donnerstag 24. Juni 1920: Zweigvortrag' in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dörnach 1967.

Stuttgart, Samstagvormittag 24. Juli 1920: Ansprache bei der Schuljahres­schlußfeier, in ,,Rudolf Steiner in der Waldörfichule", Stuttgart 1958. Stuttgart, Samstagnachmittag 24. Juli 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Sonntag 25. Juli 1920: Zweigvortrag' in ,,Gegensätze in der

Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967.

Stuttgart, Dienstag 27. Juli 1920, öffentlich: Keine Nachschrift.

Stuttgart, Dönnerstagvormittag 29. Juli 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Donnerstagabend 29. Juli 1920, öffentlich: ,,Wer darf gegen den Untergang des Abendlandes reden? Eine zweite Gegenwartirede", in ,,Gei­steswissenschaft und die Lebeniförderungen der Gegenwart", Heft 8, Dor-nach 1952.

Stuttgart, Freitagnachmittag 30. Juli 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Freitagabend 30. Juli 1920: Zweigvortrag' in ,,Gegensätze in der

Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967. Stuttgart, Samstag 31. Juli 1920: Lehrerkonferenz.

Dornach, Freitag 6. August 1920: Mitgliedervörtrag' in ,,Geisteswissenschaft als Erkenntnis der Grundimpulse sozialer Gestaltung", Bibl.-Nr. 199, GA Dor-nach 1967.

Dornach, Mittwoch 8. September 1920: Vortrag für Lehrer aus der Um­gebung Dornachs ,,Über pädagögisch-didaktische Kunst, Eurythmie und die Waldörfschule"' in ,,Die Menschenschule" 1941, 15. Jg., Heft 1/2.

Stuttgart, Mittwoch 15., Donnerstag 16., Dienstag 21., Mittwoch 22. Septem­ber 1920: 4 Vorträge für die Waldörflehrer, in ,,Erziehung und Unterricht aus Menschenerkenntnis"' Bibl.-Nr. 302a' GA Dörnach 1972.

Stuttgart, Montag 20. September 1920, öffentlich: ,,Die großen Aufgaben von heute im Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben. Eine dritte Gegenwarts­rede", in ,,Geisteswissenschaft und die Lebeosförderungen der Gegenwart", Heft 8, Dornach 1952.

Stuttgart, Dienstagvormittag 21. September 1920: Lehrerkonferenz. Stuttgart, Dienstagabend 21. September 1920: Zweigvörtrag' in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dörnach 1967. Stuttgart, Mittwoch 22. September 1920: Lehrerkonferenz.

Dornach, 26. September bis 16. Oktober 1920: Erster anthropösöphischer Hochschulkurs am Guetheanum: ,,Wissenschaft, Kunst und Religion."

Dornach, 27. September bis 3. Oktober 1920: ,,Grenzen der Naturerkennt­nis", 8 Vorträge beim Hochschulkurs' Bibl.-Nr. 322, GA Dornach 1969.

297

Dornach, Dienstag 28. September 1920: Zur Diskussion nach den Vorträgen von Dr. von Baravalle ,,Grundprobleme der Physik im Licht anthropösophi­scher Erkenntnis". Keine Nachschrift.

Dornach, Mittwoch 29. September 1920: Zur Diskussion nach den Vorträgen von Baumann ,,Musik und eurythmische Erziehungskunst"' Bibl.-Nr. 283, GA Dörnach 1969.

Dornach, Montag 4. Oktober 1920: Fragenbeantwortung in ,,Methodik und Wesen der Sprachgestaltung", Bibl.-Nr. 280, GA Dornach 1975.

Dornach, Mittwoch 6. Oktober 1920: Zur Diskussion nach den Vorträgen von Dr. Kolisko über ,,Hypöthesenfreie Chemie im Sinne der Geisteswissen­schaft". Nichtgedruckt.

Dornach, Freitag 8. Oktober 1920: Zur Diskussion in einer Besprechung pädagogischer Fragen. Nicht gedruckt.

Dornach, Samstag 16. Oktober 1920: Ansprache bei einer Lehrerversamm­lung (Anregung zur Gründung eines Weltschulvereins). Keine Nachschrift.

Dornach, Samstag 16. Oktober 1920: Ansprache bei einer Studenten-versammlung, in ,,Die Erkenntnisaufgabe der Jugend", Dornach 1957.

Stuttgart, Montag 8. November 1920: Zweigvörtrag in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967.

Stuttgart, Mittwoch 10. November 1920, öffentlich: ,,Die Geisteskrisis der Gegenwart und die Kräfte zum Menschheitsfortschritt." Nicht gedruckt.

Stuttgart, Sonntag 14. November 1920: Zweigvörtrag in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dornach 1967.

Stuttgart, Montag 15. November 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Dienstag 16. November 1920: ,,Die Wahrheit der Geisteswissen­schaft und die praktischen Lebeniforderungen der Gegenwart. Zugleich eine Verteidigung der anthroposophischen Geisteswissenschaft wider ihre Anklä­ger." Nicht gedruckt.

Stuttgart, Samstag 20. November 1920: Zweigvortrag. Keine Nachschrift. Stuttgart, Montagnachmittag 22. November 1920: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Montagabend 22. November 1920: Zweigvortrag' in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung"' Bibl.-Nr. 197, GA Dörnach 1967.

Stuttgart, Dienstag 23. November 1920: Ansprache bei einer Mönatsfeier' in ,,Rudolf Steiner in der Waldörfschule"' Stuttgart 1958.

Olten, Mittwoch, 29. Dezember 1920: Ansprache zur Eurythmieaufführung (hauptsächlich Kindereurythmie). Nicht gedruckt.

Olten, Mittwoch 29. Dezember 1920, öffentlich: ,,Anthroposophie und päd­agogische Kunst", in ,,Die Menschenschule" 1945, 19. Jg., Heft 1.

298

Stuttgart, Samstag 1., Sonntag 2. Januar 1921: 2 Vorträge für Oberschlesier über Dreigliederung des sozialen Organismus. Nicht gedruckt.

Stuttgart, 1.-18. Januar 1921, teils vormittags, teils nachmittags, 18 Vor­träge: ,,Das Verhältnis der verschiedenen naturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie." Dornach 1926.

Stuttgart, Samstagabend 1. Januar 1921: Zweigvortrag ,,Die zwei Weihnachts­verkündigungen", Dornach 1952.

Stuttgart, Dienstag 4. Januar 1921, öffentlich: ,,Geisteswissenschaftliche Ergebnisse und Lebenspraxis." Nicht gedruckt.

Stuttgart, Mittwoch S. Januar 1921: Ansprache bei der Weihnachtsfeier der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik. Nicht gedruckt.

Stuttgart, Donnerstag 6. Januar 1921: Zweigvortrag, in ,,Erkenntnisse der Geistesforschung über die wiederholten Erdenleben gemessen an den Vorgän­gen der Gegenwart." Basel 1952.

Stuttgart, Freitag 7. Januar 1921, öffentlich: ,,Wirtschaftliche Forderungen und Geist-Erkenntnis." Nicht gedruckt.

Stuttgart, Samstag 8. Januar 1921: Vortrag bei einer Versammlung württem­bergischer Industrieller. Nicht gedruckt.

Stuttgart, Sonntag 9. Januar 1921: Zweigvortrag' in ,,Erkenntnisse der Gei­stesförschung über die wiederholten Erdenleben gemessen an den Vorgängen-der Gegenwart." Basel 1952.

Stuttgart, Dienstag 11., Mittwoch 12., Freitag 14., Samstag 15. Januar 1921, abends, halböffentlich: 4 Vorträge ,,Proben über die Beziehungen der Geistes­wissenschaft zu den einzelnen Fachwissenschaften", in ,,Gegenwart", 1952/53, 24. Jg., Hefte 2-6.

Stuttgart, Donnerstag 13. Januar 1921: Elternabend der Freien Waldorf-schule, in ,,Rudolf Steiner in der Waldörfschule", Stuttgart 1958. Stuttgart, Sönntagvormittag 16. Januar 1921: Lehrerkonferenz.

Stuttgart, Sonntag 16. Januar 1921: Zweigvörtrag' in ,,Erkenntnisse der Gei­stesforschung über die wiederholten Erdenleben gemessen an den Vorgängen der Gegenwart." Basel 1952.

Dornach, Samstag 22. Januar 1921: Mitgliedervortrag' in ,,Impulse der Gei­steswissenschaft Cür das praktische Leben". Basel 1952. (S.22-24 über Wal­dorfschul-Pädagögik und Freier Religionsunterricht.)

Stuttgart, Samstag 12. bis Donnerstag 17. Februar 1921: Rednerkurs, 10 Vor­träge. ,,Wie wirbt man für die Dreigliederung des sozialen Organismus? ,, Dor-nach 1952.

Den Haag, Mittwoch 23. Februar 1921, öffentlich: ,,Die anthröpösöphischc Geisteswissenschaft und die großen Zivilisatiönsfragen der Gegenwart", in ,,Die Menschenschule" 1959, 33. Jg., Hefte 10 und 12.

299

Den Haag, Sonntag 27. Februar 1921, öffentlich: ,,Erziehungs-' Unterrichts­und praktische Lebensfragen vom Gesichtspunkte antliroposophischer Gei­steswissenschaft", in ,,Die Menschenschule" 1959, 33. Jg., Hefte 11 und 12.

Vorträge mit demselben Thema wie die beiden letzten wurden außerdem in derselben Zeit in Amsterdam, Hilversum, Utrecht, Rotterdam, Hengerlo gehalten. Sie sind alle nicht gedruckt.

Stuttgart, 16., 17., 18., 19., 21., 22., 23. (zwei Vorträge) März 1921: 8 Vor­über "Naturbeobacht Mathematik, wissenschaftliches Experiment und Erkenntnisergebnisse vom Gesichtspunkte der Anthroposophie", Bibl.­Nr.324, GA Dornach 1972.

Stuttgart, Sonntag 20. März 1921: Unterredung mit einer Jugendgruppe, in ,,Die Erkenntnisaufgabe der Jugend". Dörnach 1957.

Stuttgart, Mittwoch 23. März 1921: Lehrerkonferenz.

Dornach, Montag 4. bis Sonntag 10. April 1921: Zweiter antliröpösophischer Hochschulkurs ,,Anthroposophie und Fachwissenschaften", in ,,Ansprachen und Vorträge im Zweiten antliroposöphischen Hochschulkurs"' Bern 1948.

Stuttgart, Donnerstag 26. Mai 1921: Lehrerkonferenz.

300

HINWEISE

zu Seite

63 Konfessioneller Religionsunterricht: Siehe auch Einleitung S. 35.

64 an den Sonntagen werden wir Vorträge haben: Am 24. und 31. Au­gust 1919. ,,Die Waldorfschule und ihr Geist." Stuttgart 1956. Liste Nr. 7.

65 8. September 1919: Von dieser Konferenz und von denen vom 22. und 23. Dezember 1919, 1. Januar, 6., 8. und 14. März 1920 liegen nur sehr unzureichende Notizen vor. Dr. Karl Schuberts Steno­gramme beginnen erst am 9. Juni 1920.

65 7. und 8. Klasse Herr Dr. Treichler und Herr Stockmeyer: Siehe Ein­leitung S. 44.

65 Religionsunterricht auf den Nachmittag: Siehe Hinweis zu S. 70.

65/66 Eurythmie und Turnen: Siehe Einleitung S. 44.

66 Die Stundenzahl ist den Lehrern überlassen: Es ließ sich nicht fest­stellen, worauf sich das bezieht.

66 Stundenplan für den Vormittagsunterricht: Schichtunterricht siehe Einleitung S. 43.

66 Fächer ein Vierteljahr hintereinander: Epochenunterricht. Vgl. Seminarbesprechungen 1. Vortrag, Liste Nr.6.

66 Im letzten Vierteljahr tt'iederholung: Ist sehr selten durchgeführt worden.

67 Handarbeit: Siehe Einleitung S. 44.

70 Freier Religionsunterricht: Siehe Einleitung S. 35-39.

70 Schüler, die Schulgeld zahlen: Siehe Einleitung S.21, 22.

70 Waldorf-Astoria-Fabrik: Siehe Einleitung S. 19-25.

70 Lehrmittelfreiheit: Siehe Einleitung S. 21.

71 beim Abgang von der Schule: Der Vorschlag ist nicht durchgeführt worden.

71 Nach der neuen Verfassung: Der ,,Weimarer" Reichsverfassung. Siehe Einleitung S. 28' 29.

72 eintragen (ins Klassenbuch), wenn Schüler fehlten: Das wurde später nötig, um nachweisen zu können, ob ein Schüler an einem bestimm­ten Tage anwesend war.

73 im Kursus: Das heißt in den Vorträgen August/September 1919. Vgl. Zeittafel.

301

74 Schulärztliche Untersuchungen: Amtsarzt. Siehe Einleitung S. 30. -

Vgl. Sachwortverzeichnis.

74 Ludwig No ll, 1872-1930, Dr. med., Schüler Rudolf Steiners' Arzt in

Kassel, war beim pädagogischen Kurs und in der ersten Zeit der

Schule anwesend.

74 lange Geschichte mit den Temperamenten: Vgl. 1.-5. Seminar-

besprechung. Liste Nr.6.

79 Lehrplan für den freien Religionsunterricht, vgl. S.98 ff.

80 der gestrige öffentliche Vortrag: ,,Übersinnliche Erkenntnis un4

sozialpädagogische Lebenskraft", Stuttgart 24. September 1919,

Liste Nr.86.

80 ,,Die pädagogische Grundlage der Waldorfschule": ,,Waldorf-Nach­

richten". Siehe Einleitung S. 21 und Liste Nr.55.

80 Wochensprüche: Seelenkalender. Liste Nr.45.

81 Die Verhandlungen über das Credo: Es dürften die Verhandlungen

auf den frühen Kirchenkonzilien gemeint sein.

81 Kernpunkte der sozialen Frage: Liste Nr.47.

84 Organisation der Lehrerschaft in der Anthroposophischen Gesell­

schaft: Diese lockere Organisation hat nicht lange bestanden.

84 Lebenskunde: Hier ist damit nicht das später ebenfalls so bezeich­

nete Unterrichtsfach gemeint.

84 Herr van Leer: Emanuel Josef van Leer, gest. 1934, Großkaufmann,

Präsident des Verwaltungsrates der Weleda in Arlesheim.

85 Kulturrat: Siehe Einleitung 5.17.

86 In Pierers Konversationslexikon: Siehe Liste Nr.52.

89 C-G-S-System: Centimeter-Gramm-Sekunden-Maßsystem.

89 Planetenbewegung: Vgl. 14. Seminarbesprechung S.151 f. und Hin­weis dazu 5.192.

91 Ich habe heute darauf hingedeutet: Vielleicht besuchte Rudolf Stei­ner am Vormittag eine Klasse; Notizen darüber sind nicht erhalten.

92 Lorentzscher Versuch: Der stenographische Text ist vermutlich zu

gliedern wie folgt interessant, aber theoretisch behandelt. Was

Lorentz daran anschließt, es ist nicht nötig, daß Sie es annehmen,

daß da .

Hendrik Antoon Lorentz, 1853-1928, holländischer Mathematiker

und Physiker, Nobelpreisträger.

93 Prachtstück: Beispiel für die Relativitätstheorie. Vgl. Hinweis zu

3/159.

302

94 Das dritte Kopernikanische Gesetz: Nikolaus Kopernikus,

1473-1543. Das dritte Gesetz wird etwa wie folgt formuliert: Die Erdachse beschreibt im Laufe von 26 000 Jahren einen Kegelmantel mit der Richtung nach dem Ekliptikpol als Achse. ,,De revolutionibus orbium coelestium libri VI", 1543; deutsch 1879, Neudruck 1939. Und ,,De hypothesibus motuum coelestium a se constitutis Com­mentariolus". Mit deutscher Übersetzung herausgegeben von Fritz Roßmann, als ,,Erster Entwurf seines Weltsystems . . . ,,, München 1948; bes. S. 12, 14' 41.

94 Johannes Schlaf 1862-1941: Naturalistischer, später impressioni­stischer Dichter und Schriftsteller, suchte das Kopernikanische Welt­bild zu widerlegen, z. B. in ,,Die Erde - nicht die Sonne", 1920.

94 Ich sprach . . . in der Schopenhauer-Gesellschaft in Dresden: Am

20. September 1919 über ,,Die philosophische Rechtfertigung der Anthroposophie". Nur unzureichendeN otizen erhalten; nicht ge­druckt.

95 Wertlehre von Rickert: Vgl. ,,Rätsel der Philosophie" Bd. ll, Kap. ,,Der moderne Mensch und seine Weltanschauung", Liste Nr.38.

96 Vaterunser: Als Rudolf Steiner Anfang Oktober 1923 der ersten Stunde Dr. Martha Häblers in ihrer neuen Klasse Se beiwohnte, for­derte er sie auf, mit den Kindern nach dem Morgenspruch auch noch das Vaterunser zu sprechen. - Vgl. Martha Häbler, ,,Rudolf Steiner in einer Waldorfschulklasse", ,,Erziehungskunst", Jg. 16,

S. 358-361.

98 Freier Religionsunterricht: Siehe Einleitung S. 35-39.

99 Lebenslauf beim Menschen: Vgl. ,,Ansprache zum Beginn des

3. Schuljahrs", 18. Juni 1921. ,,Rudolf Steiner in der Waldorf­schule", Liste Nr. 8.

100 Gedichte über die Metamorphose der Pflanzen und der Tiere:

Goethes Gedichte, Abteilung ,,Gott und Mensch".

103 im zwölften Jahr: Siehe Einleitung S.34 die spätere Dreiteilung für die Volksschulklassen.

105 Wir haben ja allerlei Sprüche: Siehe ,,Wahrspruchworte", Liste Nr.45.

105 Der Schmeilsche Leitfaden für Botanik und Zoologie: Otto Schmeil,

1860-1943, ,,Lehrbuch der Zoologie" (1899), ,,Lehrbuch der Botanik" (1903). Viele Neuauflagen.

106 der alte Brehm: Alfred Edmund Brehm, 1829-1884. ,,Illustriertes Tierleben", 1. und 2. Aufl. (1864-69). 6 Bde 4. Aufl. (1911-1918) 13 Bde.; neu bearbeitet von O. zur Straßen.

106 das gestern Gesagte: Vgl. S. 89-94.

109 gestern aufgezeichnet: Vgl. S.90, 93, 94.

303

109 Zyklus 20 und 18: Siehe Liste Nr.68 und 69.

110 Nachmittagskurse jür Arbeiter der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik:

Siehe Einleitung S. 21.

110/111 ,,Theosophie"' ,, Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Wel­ten? ,, ,,Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit". Liste Nrn. 41, 43, 44.

112 Nachmittagshort: Siehe Einleitung S. 46.

112 Monatsfeier: Siehe Einleitung S. 47.

112 Zwölf Stimmungen: In den ,,Wahrspruchworten". Liste Nr.45.

114 Lehrersprechübungen: Vgl. Seminarbesprechungen ab 26. August

1919.

115 zu einer Besprechung: Davon liegen keine Notizen vor, aber Rudolf

Steiner selbst hat am 28. April 1920 in Basel davon berichtet. ,,Die

Erneuerung der pädagogisch-didaktischen Kunst", 6. Vortrag. Vgl.

Zeittafel, Liste Nr.12.

116 Zeugnisse: Siehe Einleitung S. 48.

118 Flammensymmetrie; Ellicot: Vgl. Erster Naturwissenschaftlicher Kurs, ,,Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwicklung der Phy­sik", 8. Vortrag. 31. Dezember 1919, Liste Nr.9. - In einem Notiz­buch Rudolf Steiners findet sich dazu die Bemerkung: ,,2 Uhren = Ellieot." Sicherlich sind die 2 Pendeluhren von 5.138/139 des obi­gen Kurses gemeint. Weiteres über Ellicot und seine Arbeiten zu ermitteln, ist noch nicht gelungen.

119 Beiträge für die ,,Soziale Zukunft": Siehe Nrn. 5-7 (in einem Heft) ,,Erziehungskunst" 1919, mit Beiträgen von Waldorflehrern. Liste Nr.137.

119 Friedrich Dittes, 1829-1896. Trat praktisch und literarisch wie Pestalozzi und Diesterweg ein für freisinnige Gestaltung des öffent­lichen Schulwesens.

119 9. Klasse, da ist kein Schulgesetz mehr da: Siehe Einleitung S. 28.

120 Sonntagshandlungen: Siehe Einleitung S.36, 37.

120 Gartenbauunterricht: Siehe Einleitung S.44, 45.

121 Fortbildungsschule: Siehe Einleitung S.46' 47.

121 Kindergarten: Siehe Einleitung S.46.

122 lateinische Schrift: 1919 war in Deutschland noch üblich, die lateini­sche Schrift erst nach der deutschen zu lehren. Später trat sie an die erste Stelle. Vgl. 1. Lehrplanvortrag.

123 Die Klasse als Chor behandeln: Diese Stelle muß nach neugefundenen

304

Notizen lauten: ,,... Zwischenfragen an die anderen stellen und sie dadurch wach erhalten oder die Klasse als ChQr behandeln."

123 Unterricht in soziaü'r Erkenntnis: Siehe Einleitung S. 47.

123 Unterricht für die psychopathischen Kinder: Hilfsklasse. Siehe Ein­leitung 5.45/46.

123 Dementia praecox: Wird heute meist bezeichnet als Hebephrenie' J ugendirresein.

124 Kleptomanie: Vgl. 5.2/88.

124 Forschungsinstitut: Siehe Einleitung Si 19.

124 RudolfMaier (nicht Meier!), Dr. 1886-1943.

125 Unterricht über Takt und Moral: Siehe Einleitung S. 45.

127 Jahresbericht und Prospekt: Der Jahresbericht wurde in diesem Jahr nicht fertig. Er wurde als ,,Bericht über die zwei ersten Schuljahre 1920/21 und 1921/22" später als Manuskript gedruckt. Ohne Jah­reszahl.

127 Vortragswesen der Waldorf-Astoria; A rbeiterbildungsschule: Siehe Einleitung 5.21.

128 das Archiv: In Nebenräumen der Schule war ein ,,Archiv des Goetheanismus" eingerichtet für Rudolf Steiners Bücher und Vor­tragsnachschriften, auch für Bücher goetheanistischer Autoren.

128/129 Psychologika sammeln; Goldenes Buch: Ist leider nie gemacht wor­den.

130 Filioquestreit; Harnacks Dogmengeschichte: Adolf v. Harnack'

1851-1930. ,,Dogmengeschichte" im ,,Gtundriß der theologischen

Wissenschaften" 4. Teil 3. Bd. 4. Aufl. 1905. § 39 ,,Die Lehre vom

Heiligen Geist . . .,,

130 Goethe-Biographie von Baumgartner: Alexander Baumgartner S. J.'

1841-1910. ,,Goethes Leben und Werke" 3 Bde. 1885-1886.

130 Goethe-Biographie von Lewes: George Henry Lewes, 1817-1878. ,,Life and works of Goethe" 2 Bde. 1855. Auch deutsche Überset­zung.

130 Schweizerischer Volkskalender: Darüber ist nichts bekannt.

131 Waldorfschulverein: Siehe Einleitung S. 22-25.

131 Material in den Waldorf-Nachrichten: Es waren darin abgedruckt:

1. der Vortrag für die Angestellten und Arbeiter der Waldorf-Astoria am 23. April 1919 (Zeittafel). 2. Die Ansprache bei der Schuleröff­nung am 7. September1919 (Zeittafel). 3. Der Aufsatz ,,Die pädago­gische Grundlage der Waldorfschule". Vgl. Hinweis zu S. 80 Liste Nr. 55.

305

134 Konsonanten du rch Tätigkeiten eingeprägt im Eurythmieunterricht:

Aus dem Bericht von EL Baumann: ,,.. . in Bildern, so daß das Kind miterlebt und sich darin fühlt in Naturvorgängen, zum Beispiel im Entstehen und Vergehen der Pflanzenwelt, erfassen die Kleinen und Kleinsten das Lautliche. Sie lassen die Blume tief im Boden ver­borgen sein, da wissen sie, das ist B; sie lassen sie sich durch die Erde heraufschaffen' das ist ihr M; sie dringt ins Licht hinauf im D und wächst nun von Blüte zu Blüte und das ist L. Ganz steht das Kind im Vorgang darin, mit seinem fühlenden Willen lernt es den Laut lie­ben." Elisabeth Baumann, in ,,Freie Waldorfschule e. V. Stuttgart, Bericht über die zwei ersten Schuljahre 1919/20 und 1920/21." 5.94; vgl. Hinweis zu S. 127.

135 ,,hurtig toch": norwegisch = Schnellzug.

135 Das Eurythmeum muß gebaut werden: Das geschah auf dem Ge­lände der Waldorfschule im Jahre 1922.

136 ,,Cherubinischer Wandersmann, Geistreiche Sinn- und Schlußreime"

1674, von Angelus Silesius' Pseudonym für Johannes Scheffler,

1624-1677. Neudruck von Ellinger 1901. Sämtliche poet. Werke herausgegeben von Held 1922 2 Bde.

136/137 Jugendfeier: Sie wurde zum ersten Male gehalten am Palmsonntag

1921. Siehe Einleitung 5.37, 41.

139 der Hund, der mit dem Heisch im Maul über die Brücke geht: Aus Äsop: Ein Kund, der ein Stück Fleisch im Maul trug, überschritt einen Fluß. Dabei sah er seinen Schatten im Wasser und meinte, das sei ein anderer Hund, der ein größeres Stück Fleisch habe. Sofort ließ er das eigene fallen und fuhr auf das Spiegelbild los, um das Fleisch zu rauben. Aber dabei kam nur heraus, daß er beides verlor, das fremde Fleisch, weil es überhaupt nicht da war, und das eigene, weil es vom Wasser weggetrieben war.

141 keinen Tau haben: Österreichischer Dialektausdruck für ,,keine Ahnung haben".

142 Zu Fräulein Dr. v. Heydebrand: Vgl. Hinweis zu S. 161.

144 Gartenarbeit und Handwerk: Siehe Einleitung S. 44/45.

145 Buchbinderei: Sie wurde erst 1922 eingeführt für die 11. Klasse. Vgl.

2/89, 98.

147 Zeugnisse: Siehe Einleitung S. 48.

149 wie ich sie dazumal inauguriert habe: Am 23. Dezember 1919. Vgl.

S. 115 und Hinweis dazu.

150 Formen mit den Füßen machen: Rudolf Steiner erzählte, daß er als

Knabe selbst solche Übungen gemacht habe. - ,,Die Geschichte der

Menschheit . . .,, Arbeitervorträge. Vortrag vom 12. April 1924.

Liste Nr.129/130.

306

151 unter unseren Übungssätzen: Die Lehrersprechübungen. Vgl. Hin­weis zu 5.114.

151 Schüler A. W. in der 5. Klasse: Er bekam später einen Spruch von Rudolf Steiner.

153 Erster anthroposophischer Hochschulkurs am Goetheanum: Siehe Zeittafel.

153 Valutageschichte: Deutschland erlebte damals einen reißenden Währungsverfall.

153 beim Ärztekurs: Siehe ,,Geisteswissenschaft und Medizin", GA Dor­nach 1961. Liste Nr.89.

154 Dornacher Bau, Goetheanum' Malereien, Glasfenster: Siehe Einlei­tung 5.13.

154 ,,Die Erziehung des Kindes": Liste Nr.2.

155 Unfallstation: Später wurde für Dr. Kolisko ein Arztzimmer ein-gerichtet.

156 weiblicher Lausbub: Er wurde im Oktober 1920 von der Schule aus­geschlossen.

156 Dr. v. Heydeb rand . . . Dr. Stein: Vgl. den öffentlichen Vortrag R. Steiners vom 29. Juli 1920 ,,Wer darf gegen den Untergang des Abendlandes reden?" Zeittafel.

157 Karl Bücher, 1847-1930, Nationalökonom. ,,Arbeit und Rhyth­mus", 1896.

157 Schulschlußfeier: Siehe Einleitung S. 47.

157 Dichten Sie doch etwas: Paul Baumann dichtete daraufhin einen Text und komponierte ihn für drei Stimmen mit Klavierbegleitung. Nur enthalten in der 1. Ausgabe der ,,Lieder der Freien Waldorf­schule". Vgl. Hinweis zu S. 284.

161 Ich war auf einer Schule mit einer Maschinen bauschule: Rudolf Stei­ner besuchte 1872-79 die Unter- und Oberrealschule in Wiener-Neustadt, der eine Maschinenbauschule angeschlossen war. - Vgl.

C. S. Picht ,,Aus der Schulzeit Rudolf Steiners" in ,,Zur Pädagogik Rudolf Steiners"' Zweimonatsschrift IV. Jg. 1930/31. Auch enthal­ten in C. S. Picht ,,Gesammelte Aufsätze und Fragmente", Stuttgart 1964.

162 unsere Kursbemühungen: Siehe den grundlegenden dreiteiligen päd­agogischen Kurs vom August/September 1919.

162 das ich schon am Morgen berührt habe: Siehe die Ansprache der Schuljahres-Schlußfeier vom 24. Juli 1920 in ,,Rudolf Steiner in der Waldorfschule . . .,, Liste Nr. 8.

307

162 Kurs in Basel über Pädagogik: Siehe ,,Die Erneuerung der pädago­gisch-didaktischen Kunst durch Geisteswissenschaft." 20. April bis 11. Mai 1920, 1. Vortrag. Liste Nr.12.

162 Pestalozzi, Fröbel, Diesterweg, Herbart, Dittes:

Johann Heinrich Pestalozzi, 1746-1827

Friedrich Fröbel, 1782-1852

Adolf Diesterweg, 1790-1866

Johann Friedrich Herbart, 1776-1841

Friedrich Dittes, 1829-1896, vgl. Hinweis zu S. 119

163 was Fröbel an herber Kritik gegenüber Pestalozzischen Anstalten geschrieben hat: Es wurde mitgeteilt, diese Äußerung beziehe sich auf zwei Tagebuchnotizen Fröbels; die erste von 1806, die zweite wohl von 1810. Näheres war nicht zu erfahren.

163 was ich in der letzten Zeit an einzelnen Orten schon wiederholt gesagt habe: Zum Beispiel Dornach 17. und 18. Juli 1920 in ,,Heil-faktoren für den sozialen Organismus", Bibl.-Nr. 198, Gesamtaus­gabe Dornach 1969.

164 morgen im Zweigvortrag: Siehe den Vortrag vom 25. Juli 1920 in ,,Gegensätze in der Menschheitsentwickelung", Bibl.-Nr. 197. Gesamtausgabe Dornach 1967.

164 was wir vom April 1919 an versuchten, und Aufrufzum Kulturrat:

Siehe Einleitung S. 17.

164 der wüste Skandal am Goetheanum als Symptom des Niedergangs des deutschen Geisteslebens: Siehe den Vortrag vom S. Juni 1920 ,,Die Wahrheit über die Anthroposophie und deren Verteidigung wider die Unwahrheit" in ,,Die Hetze gegen das Goetheanum". Liste Nr. 90.

165 hospitieren: Siehe Einleitung S. 31.

166 in Pars . . . eine Waldorfschule: Siehe Einleitung 5.31. In Paris kam es erst nach dem 2. Weltkrieg zu Schulgründungen.

168 Ausgestaltung der Zeugnisse: Siehe Einleitung 5.48. Nach dem

1. Schuljahr hatten die Lehrer alle Zeugnisse gemeinsam durch­gesprochen.

171 Hilfsk lasse: Siehe Einleitung 5.45/46.

171 Fremdsprachen . . . nicht so streng klassenweise: Siehe Einleitung

5.49 und Sachwortverzeichnis.

172 Separatkurs in den Sprachen: Er wurde für Neueintretende je nach Notwendigkeit eingerichtet.

177 Schulverein: Der Waldorfichulverein war im Mai 1921 gegründet worden. Siehe Einleitung S. 22.

177 Weltschulverein: Siehe Einleitung S. 24/25.

308

177 Haarmittel ,,Verlockung": Das heute von der Weleda hergestellte ,,Haarwasser" trug anfangs den Namen ,,Kräuterhaarwasser". Die humoristische Bezeichnung ,,Verlockung" dürfte der Zeit des Suchens nach einem geeigneten Namen entstammen.

178 Der Kommende Tag: Siehe Einleitung S. 19/20.

180 Lehrerwohnungen: Fs wurde später für einige Lehrerfamilien ein Haus auf dem Schulgelände gebaut; im 2. Weltkrieg wurde es zer­bombt.

182 Aufruf Der Text dieses Aufrufes konnte noch nicht gefunden wer­den. Siehe auch: Einleitung S. 24/25.

182 Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik: Siehe Einleitung S. 20/24.

183 Valuta: Durch den Währungsverfall war die deutsche Währung, die Valuta' im Ausland so gut wie wertlos geworden.

184 Futurum: Siehe Einleitung S. 19.

184 Verein Goetheanismus: Siehe Einleitung S. 13.

188 Patenschaften: Siehe Einleitung S. 23.

190 Heileurythmie: Rudolf Steiner hatte im Heileutythmie-Kursus im April 1921 (Einl. S. 14) aufmerksam gemacht auf die therapeuti­schen Möglichkeiten, wenn unter Verantwortung des behandelnden Arztes die ausgebildete Heileurythmistin mit dem Patienten spezifi­sche, geeignete Eurythmieübungen vornimmt. Liste Nr.31.

191 Kurs von fünf bis sieben neuen Vorträgen: Siehe ,,Meditativ erarbei­tete Menschenkunde". Liste Nr.13.

191/192 Reifeprüfung: Siehe Einleitung S. 56, 58.

192 vollständig freie Hochschule: Siehe Einleitung S. 13, 24/25.

192 Dornacher Farben: Zum Ausmalen der Kuppeln des ersten Goethea­nums wurden Pflanzenfarben hergestellt in Dr. Oscar Schmiedels chemischem Laboratorium in Dornach. Siehe Einleitung S. 13. Nach dem 2. Weltkrieg sind sie in Dornach weiterentwickelt worden.

193 öffentlicher Vortrag: Liste Nr.94.

193 Handfertigkeitsunterricht: Siehe Einleitung S. 44/45.

196 die unteren Klassen und von der 6. Klasse an: Weil die Schule da­mals nur 8 Klassen hatte, waren ,,untere Klassen" also die 1.-4. Für sie ist niemals Handwerksunterricht eingerichtet worden. Darüber, in welcher Klasse er aus menschenkundlichen Gründen anfangen solle, ist damals keine Angabe Rudolf Steiners gemacht worden. Hier, das heißt am 30. Juli 1920, ist offensichtlich von ,,budgetären" Fragen die Rede. Zwei Jahre später, im 7. Vortrag des Oxforder Kurses August 1922 ,,Die geistig-seelischen Grundkräfte der Erziehungskunst"

309

S. 136 und 138 wird ausdrücklich gesagt, daß der Hand­werksunterricht schon vor dem 6. Schuljahr beginnen könne. -Liste Nr.22.

198 engeres Kollegium: Wird jetzt meist ,,interne Konferenz" genannt.

201 Drei Gruppen im freien Religionsunterricht: Siehe Einleitung S. 36.

205 Professor Abderhalden: Emil Abderhalden' 1877-1950, Professor für Physiologie.

205 Vorder- und Hinterknoten im Rückenmark: Siehe: ,,Allgemeine Menschenkunde". 2. Vortrag und ,,Methodisch-Didaktisches". 2. Vortrag am Anfang.

206 Als ich in Berlin davon hörte: Rudolf Steiner war über den 18. und

19. September in Berlin gewesen.

212 bei dem jetzigen Hochschulkurs in Dornach: Der eben abgelaufene Erste Hochschulkurs vom 26. September bis 16. Oktober 1920. Siehe Einleitung S. 17 und Liste Nr.95.

217/218 Anerkennung der Waldorfschule als Grundschule und Erlaß: Siehe Einleitung S. 26.

219 Lehrplan - für morgen niederschreiben: Diese Lehrplan-Nieder-schrift, für die 9. Klasse, Rudolf Steiners ist nicht bekannt. In den Notiz büchern %er Konfe renz vom 22. 1. September 1920 Eintragung-gen, die alle in inden sich unter dem2

219 ,,Ästhetik oder die Vorschule des Schönen", von Jean Paul, eigent­lich Johann Paul Friedrich Richter, 1763-1825.3 Bde 1805.

219 Herman Grimms Goethe-Vorlesungen: ,,Goethe", zuerst Berlin

1877, 2 Bde.

220 Buckle, Lecky

H. Th. Buckle, 1821-1862. ,,History of Civilisation in England" 1857; Deutsch von ii H. Ritter, Leipzig 1900.

W. E. H. Lecky' 1838-1903. ,,History of the Rise and Influence of the Spirit of Rationalism in Europe", 1865. Deutsch von H. Jolo­vicz' Leipzig und Heidelberg 1868.

221 eine Wasserkanne: Die überlieferten Notizen sind nur Bruchstücke. Die versuchte Ergänzung bleibt zweifelhaft.

222 das Dopplersch e Prinzip: Christian Doppler, 1803-1853'österrei-chischer Physiker und Mathematiker. ,,Über das farbige Licht der Doppelsterne", Abhandlung 1842. - Die Anzahl der gehörten Schallwellen per Sekunde wird bei Annäherung größer, bei Entfer­nung geringer, der gehörte Ton also höher oder tiefer. Dies zuerst für Luftwellen nachgewiesene Prinzip wurde von Doppler auch in die Optik (Lichtwellen) und in die Spektralanalyse übertragen.

223 Anstandsunterricht: Siehe Einleitung S. 45.

310

224 Behandlung des Instrumentes: Flötenunterricht für die Kleinsten und Geigenunterricht für die höheren Volksschu'klassen konnten erst nach Rudolf Steiners Tode eingerichtet werden.

225 Hedwig Hauck: Siehe ihr Buch ,,Handarbeit und Kunstgewerbe. An­gaben von Rudolf Steiner." Dresden 1937.

225 Dr. Guido Hauck, gest. 1905, aus Württemberg. Zuletzt Professor für darstellende Geometrie und Graphostatik an der Techn. Hochschule in Berlin-Charlottenburg. Seine Broschüre ,,Arnold Böcklins Gefilde der Seeligen und Goethes Faust" (1884) ist auszugsweise abgedruckt in ,,Anthroposophie. Monatsschrift für freies Geistesleben" Jg. 14 Heft 12, 1931/32 S. 528-539. - Vgl. dort in den Einleitungsworten das Zitat aus Herman Grimms Rezension darüber.

226 Laokoon: Vgl. Rudolf Steiner ,,Kunstgeschichte als Abbild innerer geistiger Impulse", Ix S. 18. Dornach 1939.

229 daß die andere Sache viel schneller geh t: Was damit gemeint war, ist nicht zu ermitteln. - Die Textüberlieferung ist an dieser Stelle sehr unsicher. Über den Weltschulverein siehe Einleitung S. 25.

230 Verlag: Der Kommende Tag A.G. Verlag, Stuttgart: Siehe Einl.

S. 19. Dort erschienen u.a.:

1. Ludwig Polzer-Hoditz: ,,Politische Betrachtungen auf Grundlage

der Dreigliederung des sozialen Organismus", 1920.

2. Dr. Walter Johannes Stein: ,,Die moderne naturwissenschaftliche

Vorstellungsart und die Weltanschauung Goethes, wie sie Rudolf

Steiner vertritt", 1920.

3. Dr. Walter Johannes Stein: ,,Rudolf Steiner als Philosoph und

Theosoph." Eine Antwort auf die gleichnamige Schrift Dr. Friedrich

Traubs, Professor in Tübingen. 1920.

231 Gruppe Haaß-Berkow: Der Schauspieler Gottfried Haaß-Berkow (1888-1957) studierte während des 1. Weltkrieges auf Anforderung des Roten Kreuzes in vielen Städten mit Laienspielern volkstümliche Spiele ein, besonders seinen berühmt gewordenen ,,Totentanz". Nach dem Krieg schuf er eine Reisetruppe, die ,,Haaß-Berkow­Spiele", die, überall auch für die Anthroposophie eintretend, etwa sieben Jahre lang durch Deutschland zog, aber auch vom Engadin bis nach Schweden und Holland. Viele seiner Schauspieler blieben nach Rudolf Steiners ,,Dramatischem Kurs" (1924) in Dornach am Goetheanum. Liste Nr.125.

233 Stuttgarter Hochschulkurse: Siehe Einleitung S. 17 und Sachwort­verzeichnis.

235 Herman Grimm - Charakteristik der letzten Jahrhunderte: Siehe die

16. Vorlesung in Goethe, ,,Rom".

237 Leo Thun: Leo Leopold Graf von Thun, 1811-1888, österreichi­scher Kultusminister 1849-1860. Im Herrenhause Führer der Kleri­kalen und Feudalen.

311

237 Gautsch: Paul Freiherr Gautsch von Frankenthurn, 1851-1918, österreichischer Kultusminister 1885 und 1895. Siehe Rudolf Stei­ner, ,,Das deutsche Unterrichtswesen (in Österreich) und Herr v. Gautsch". In ,,Gesammelte Aufsätze zur Kultur- und Zeit­geschichte". GA 1966. S. 121-127. Liste Nr.53. - Vgl. auch ,,Mein Lebensgang", Kap. VIII.

242 daß Goethe so etwas meint, wie er Klavier gelernt hat: Siehe ,,Dich­tung und Wahrheit", Anfang des 4. Buches.

244 ,,Das Riesenspielzeug": Gedicht von Adalbert von Chamisso,

1790-1838.

245 Fräulein Waller: Marie Elisabeth (Mieta) Waller, später Mrs. Pyle,

1883-1954, Malerin. Von ihr kam die erste Anregung, ein eigenes

Gebäude zu errichten Aufführung Myste­

riendramen. In München spielte sie die Rolle des Johannes. Sie lebte

lange in Dornach und nahm auch teil an dem dreiteiligen pädagogi­

schen Kurs von 1919.

245 Architrave - Glasfenster: Siehe Einleitung S. 13.

246 Grundübungen: Vgl. Hinweis zu S. 115. Über diese Übungen spricht Rudolf Steiner auch im 4. und S. Vortrag des Kurses: ,,Die Kunst des Erziehens aus dem Erfassen der Menschenwesenheit", Torquay 1924, GA Dornach 1963.

247 ,,Lied vom braven Mann" von Gottfried August Bürger, 1747-1794. Die zweite Strophe beginnt: ,,Der Tauwind kam vom Mittagsmeer / und schnob durch Welschland trüb und feucht."

250 Ihre Fibel: Leonie v. Mirbach hatte mit Kollegen zusammen ein Lesebuch für die 1. Stufe - ,,Fibel" - ausgearbeitet. Der Druck kam zunächst noch nicht zustande. Später (1928) hat Caroline von Heydebrand' diese Vorarbeiten weiterführend, das Lesebuch ,,Der Sonne Licht" herausgegeben. Jetzt im J. Ch. Mellinger-Verlag, Stutt­gart.

250 20 000 Mark . . . 1000 Stück . zu 40 Mark: Deutschland stand damals in der großen Geldentwertung.

250 Bilderbuch mit verschiebbaren Bildern: Das wurde später aufgegrif­fen von Hilde Langen. Es erschienen ,,Schneewittchen", ,,Dorn­röschen", ,,Rotkäppchen". Jetzt im Verlag Haus zu den sieben Zwergen, Dornach.

251 Bericht = Jahresberich t: Siehe Hinweis zu S. 127.

252 Ritual für die Weihnachtshandlung: Siehe Einleitung S. 37.

252 Bund für Dreigliederung: Siehe Einleitung S. 16, 18.

253 Del Montesche Fabrik: Jose Del Monte, 1875-1950. Leiter einer

Kartonagefabrik. Siehe Einleitung S. 19.

312

253 Dreigliederungszeitung: Siehe Einleitung S. 17, 18 und Liste Nr.136.

253 Stinnes: Hugo Stinnes, 1870-1924, baute sein Rhein-Schiffahrts-unternehmen im Anfang des 20. Jahrhunderts aus zu einem riesigen, auch im Ausland tätigen Konzern, der außer in Seeg- und Binnen­schiffahrt sich auch besonders im Kohlenbergbau, Papier, Druckerei und Verlag, Erdöl, Kraftwagen betätigte.

254 Deutsch-Idiotische Partei: Es dürfte die deutsch- demokratische Par­tei gemeint sein.

254 Graf (Herman v.) Keyserling in Darmstadt, 1880-1946. ,,Reisetage-buch eines Philosophen" (1919); ,,Philosophie als Kunst" (1920), darin Ausführungen unschöner Art über Anthroposophie. Rudolf Steiner wandte sich dagegen im öffentlichen Liederhallen-Vortrag vom 16. November 1920. - Zeittafel.

254 Der Bergarbeiterstreik: In England, am 1. April 1921 angefangen, dauerte ein Vierteljahr lang.

254 Vortrag in der Liederhalle: Siehe den Vortrag vom 16. November

1920, gehalten in der Liederhalle: ,,Die Wahrheit der Geisteswissen­schaft und die praktischen Lebensforderungen der Gegenwart." Noch nicht gedruckt.

254 Dr. Ungers Betrieb: Dr. Carl Unger, 1878-1929. Leiter einer Fabrik für Werkzeugmaschinen. Siehe Einleitung S. 19.

254 gestern an einem anderen Ort: Wohl in einer Besprechung über Drei­gliederungsfragen.

254 dieser Aufruf Aufruf des Bundes für anthroposophische Hochschol­arbeit (Flugblatt 1920). Siehe Einleitung S. 17.

254 die Schüler von Hohenheim: In Hohenheim bei Stuttgart besteht eine landwirtschaftliche Hochschule.

255 Erlaß der Behörde: Siehe Einleitung S. 29.

255 Sie waren heute mutig genug: Es ließ sich nicht feststellen, worauf sich das bezieht.

255 Schulgebäude - Baracke: Die Grundsteinlegung für das neue Schul­haus fand erst am 16. Dezember 1921 statt. Die inzwischen erstellte Baracke ist, nach Wiederherstellung 1946, noch heute in Gebrauch.

257 daß Sie solche Dinge machen, wie die in Darmstadt: Wahrscheinlich hatten einzelne Lehrer in Darmstadt Vorträge gehalten gegen die Angriffe des Grafen Keyserling. Vgl. auch Hinweis zu S. 254.

258 Brücke vom Musikalischen zum Akustischen: Vgl. 2. Lehrplanvor­trag über Akustik im Physikunterricht der 6. Klasse. Abgedruckt in:

,,Erziehungskunst. Seminarhesprechungen und Lehrplanvorträge"

S. 170.

313

260 Viele Eltern nehmen die Kinder heraus nach der 8. Klasse: Damals waren die Kinder nur bis zum 14. Lebensjahr schulpflichtig.

260 volkspädagogische Vorträge: Siehe ,,Drei Vorträge über Volkspäd­agogik"' Mai und Juni 1919. Liste Nr.3.

260 Abiturientenexamen: Siehe Einleitung S. 56, 58.

263 institution des Schularztes: Im Herbst 1921 wurde Dr. Eugen Kolisko als Schularzt und Lehrer für Naturwissenschaft angestellt.

264 die Schwachsinnigenklasse: Hilfsklasse. Siehe Einleitung S. 45, 46.

268 Anstandsunterricht: Unterricht über Takt und Moral. Siehe Einlei­tung S. 45.

269 Heileurythmie: Vergleiche Hinweis zu S. 190.

270 Zusammenkunft am Abend: Darüber war nichts mehr festzustellen.

270 Zweijahresbericht: Vgl. Hinweis zu S. 127.

273 die drei inspizierenden Weisen: Visitatoren. Siehe Einleitung S. 14.

274 ,,Christmas Carol": Charles Dickens, 1812-1881. Christmas Books'

1843-1848; darin ,,A Christmas Carol"' 1843.-Vgl. Sachwortver­zeichnis.

277 das haben wir schon einmal verhandelt: Wo sonst über die Forthil­dungsschule gesprochen wurde, ist nicht nachzuweisen.

278 Quökerspeisung: Die englischen Quäker hatten nach dem 1. Welt­krieg Schulspeisungen für unterernährte Kinder in Deutschland ein­gerichtet.

280 Spezialkarre: Vgl. für das Kartenzeichnen im Unterricht, wie Rudolf Steiner in den Vorträgen für die Arbeiter am Goetheanumbau immer wieder Übersichtskarten zeichnete.

280 Generationen nach rechnen: Vgl. 14. Seminarbesprechung.

281 ein Paar Schuhe machen: Später hat der Lehrer speziell für diesen Jungen selbst das Schuhemachen gelernt und hat ihn darin unter­richtet.

283 das geschieht erst im achten Jahr: Gemeint ist. daß die Schneide­zähne herausgekommen sind.

283 Gruppenabteilungen im Sprachunterricht nach Kenntnissen: Siehe Einleitungen S. 49.

284 François Migne t, 1796-1884. ,,Histosre de la Revolution francaise"'

1824.

284 Chorlieder mit Texten von Dr. Steiner: Siehe Paul Baumann, ,,Lie­der der Freien Waldorfschule"' Verlag der Freien Waldorfschule' 1. Ausgabe. Heft II ,,Der Sonne Licht . . .,, (zweistimmig); ,,Im

314

Seelenaug sich spiegelt . . .,, (dreistimmig mit Klavier); ,,Die Sonne schaue . . .,, (zweistimmig mit Klavier); Heft III ,,Frühling" (einstim­mig mit Klavier); Heft IV ,,Planetentanz" (vierstimmig). Die Texte sind entnommen aus: ,,Wahrspruchworte". Liste Nr.45.

284 Instrumentalunterricht: Vgl. Hinweis zu S. 224.

286 Pädagogik der über Vierzehnjährigen: Siehe den Ergänzungskurs:

,,Menschenerkenntnis und Unterrichtsgestaltung", Juni 1921. GA Dornach 1971, Liste Nr.17.

286 soziale Erkenntnis als Lebenskunde: Gemeint dürfte sein eine Fort­führung des S. 123 und 136/137 Besprochenen in die Oberklassen hinein. An dessen Stelle tritt die Technologie, ebenfalls oft ,,Lebens-kunde" genannt, S. 46. Der Anfang dazu wird gemacht mit Spinnen und Weben usw., S. 2/29.

288 wie die Eurythmie eingerichtet worden ist in München: Am

28. August (Goethes Geburtstag) 1913 fand die erste Eurythmieauf­führung vor den Mitgliedern der Anthroposophischen Gesellschaft statt.

289 Osterkurs: Zweiter Hochschulkurs April 1921 in Dornach. Liste Nr. 100. Über das erwähnte Gespräch mit Schweizern ist sonst nichts bekannt.

289 daß nur acht Tage Ferien dazwischen liegen: Der Schuljahresanfang mußte auf Ostern verlegt werden. In diesem Jahre war als Übergang der Schulschluß am 11. Juni und der Anfang des neuen Schuljahres schon am 18. Juni.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.