GA 270/3

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RUDOLF STEINER

VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR GESCHICHTE
UND AUS DEN INHALTEN DER ESOTERISCHEN SCHULE

Esoterische Unterweisungen
für die erste Klasse der Freien Hochschule
für Geisteswissenschaft

Dritter Band

Sieben Wiederholungsstunden,
gehalten in Dornach zwischen dem 6. und 20. September 1924,
sowie vier Einzelstunden,
gehalten in Prag am 3. und 5. April 1924,
in Bern am 17. April 1924, in London am 27. August 1924

GA 270/III

1977

Inhaltsverzeichnis


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ERSTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 6. September 1924

Über die von Rudolf Steiner mit den Klassentexten verbundenen Verpflichtungen, über die Entstehung der Nachschriften und die Textgestaltung siehe die «Vorbemerkungen» im ersten Band, Seiten 7 bis 19.

Meine lieben Freunde! Es hat sich ergeben, daß zu dieser heutigen Klassenstunde - und wohl auch zu den nächsten Stunden - zahlreiche Freunde sich einfinden konnten, welche bei früheren Klassenstunden nicht anwesend waren. Und es würde daher heute eine Unmöglichkeit bedeuten, einfach fortzufahren in derselben Weise, wie der Weg gewiesen hat, als wir hier die letzte Klassenstunde hatten. Es ist aber auch so, daß für diejenigen Mitglieder dieser esoterischen Schule, die früher Klassenstunden mitgemacht haben, die Wiederholung dieser Klassenstunden keine Entbehrung bedeu­ten kann aus dem Grunde, weil ja der Inhalt dieser esoterischen Schule ein solcher ist, der immer wieder und wiederum auf die Seele zu wirken hat. So daß allerdings bei demjenigen, der heute eine Wiederholung erlebt, diese Wiederholung, gerade weil sie eine Wiederholung ist, auch eine Fortsetzung bedeutet.

Für alle diejenigen aber, die heute zum ersten Male da sind, bedeutet dasselbe wiederum etwas anderes: es bedeutet die Be­kanntschaft mit dem Anfang des esoterischen Weges.

Es ist ja so, daß selbst auf dem esoterischen Wege weit Fortgeschrittene gerade darinnen die Fruchtbarkeit ihrer weiteren Be­strebungen sehen, daß sie immer wieder und wiederum zum An­fange zurückkehren. Dieses Zurückkehren zum Anfange ist immer auch das Betreten einer weiteren Stufe. So wollen wir es mit diesen Stunden, die jetzt gehalten werden, eben ansehen. Und so muß auch für diejenigen Mitglieder der Schule, die heute zum ersten Male da sind, der Sinn dieser Schule wiederum einleitend auseinandergesetzt werden.

Als der Impuls der Weihnachtstagung mit der geistigen Grund­steinlegung der Anthroposophischen Gesellschaft hier in diesem Saale zu Weihnachten sich geltend machte, da war es ja so, wie ich

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schon gestern ausgesprochen habe, daß ein esoterischer Zug durch die ganze Anthroposophische Gesellschaft von jetzt ab zu fließen haben wird, ein esoterischer Zug, der auch schon bemerkt werden konnte in allem, was innerhalb der Anthroposophischen Gesell­schaft seit Weihnachten versucht worden ist. Der Kern dieses eso­terischen Wirkens der Anthroposophischen Gesellschaft muß nun die esoterische Schule sein, jene esoterische Schule, die aus dem ganzen Charakter der Anthroposophie heraus nunmehr an die Stelle dessen zu treten hat, was vorher versucht worden ist als sogenannte Freie Hochschule für Geisteswissenschaft und was ja nicht als geglückt bezeichnet werden kann.

Es war das in jener Zeit, in der ich noch nicht selber die Leitung der Anthroposophischen Gesellschaft hatte, daher die Aufgabe hatte, diejenigen, die etwas versuchen wollten, es auch versuchen zu lassen. Ein solches kann in der Zukunft ja nicht mehr statt­finden. In dem, was mit mir selbst zusammen in dem Weihnachts-impuls geformt wurde, lag es eben, daß die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft mit ihren verschiedenen Sektionen einen eso­terischen Kern zu bilden hat für alles dasjenige, was wiederum als Esoterisches wirken soll in der Anthroposophischen Gesell­schaft.

Eine esoterische Schule aber wird nicht innerhalb des irdischen Wesens begründet. Eine esoterische Schule ist nur dann als solche da, wenn sie der irdische Abglanz ist von dem, was in übersinn­lichen Welten begründet wird. Und oftmals ist es ausgesprochen worden unter Anthroposophen, daß in der Reihe der regierenden, der das menschliche Geistesleben regierenden Wesen aus der Hier­archie der Archangeloi mit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Archangelos Michael diese Führung übernommen hat, und es wurde auch bemerklich gemacht, daß diese Führung Michaels eine ganz besondere Bedeutung habe innerhalb des geistigen Lebens und der geistigen Entwickelung der Menschheit auf Erden.

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Es ist ja so in der menschlichen Evolution, daß das Leben in die­ser Evolution aufeinanderfolgend von sieben Erzengeln geleitet wird, von sieben Erzengeln, die zusammen bilden die geistige Herrschaftssubstanz des Planetensystems, zu dem auch Sonne, Erde und Mond gehören. Durch etwa drei bis vier Jahrhunderte geht immer der Impuls eines dieser Erzengel. Und wir haben von diesen Erzengeln, wenn wir ausgehen von demjenigen, unter des­sen Impuls eben das Geistesleben der Menschheit in der Gegenwart steht, wenn wir ausgehen von Michael, wir haben denjenigen Archangelos, der in allem, was er tut und kraftet, die geistige Kraft der Sonne hat.

Ihm ging voran, wiederum durch drei bis vier Jahrhunderte - also von dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts weiter zurück durch drei bis vier Jahrhunderte - die Herrschaft des Archangelos Gabriel, der in seinen Impulsen vorzugsweise die Mondenkräfte hat.

Und weiter dann kommen wir zurück in die Jahrhunderte, in denen eine Art von Auflehnung gegen geistiges Wirken und geisti­ges Wesen im Mittelalter in der Menschheit lebte, gerade bei denjenigen, die Träger der Zivilisation waren: das war die Herrschaft des Samael. Und dieser Samael, er hat seine Impulse in den Mars­kräften.

Wenn wir noch weiter zurückgehen, kommen wir in dasjenige Zeitalter, in dem eine medizinisch orientierte Alchimie das Gei­stesleben tief beeinflußte unter der Herrschaft des Archangelos, Raphael, der die Merkurkräfte in seinen Impulsen trägt.

Und gehen wir dann noch weiter zurück - wir kommen immer mehr und mehr an das Mysterium von Golgatha heran, haben es aber noch nicht erreicht -, wir finden dann die Herrschaft des Zachariel, der die Jupiterkräfte in seinen Impulsen trägt, und die Herrschaft des Anael, mit dem wir schon ganz nahe an das Myste­rium von Golgatha herankommen, der die Venuskräfte in seinen Impulsen trägt. Dann kommen wir in die Zeit, unter der sich der

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Glanz des Mysteriums von Golgatha gegenüber einer tiefen geisti­gen Finsternis geltend machte auf Erden unter der Herrschaft des Oriphiel, der die Saturnkräfte in seinen Impulsen trägt.

Dann kommen wir wieder zurück zu der vorigen Herrschaft des Michael, die zusammenfällt mit demjenigen, was an großen, internationalen, kosmopolitischen Impulsen dadurch geschehen ist, daß im Alexandrinismus, im Aristotelismus dasjenige, was bis dahin an griechischem Mysterien- und griechischem Geisteswesen für die Menschheit aufgebracht worden war, durch Alexander hinübergetragen wurde nach Asien, nach Nordafrika; so daß das­jenige, was auf einem kleinen Territorium Geistesleben war, aus­gestrahlt ist über die ganze damals zivilisierte Welt. Denn es ist immer das Kennzeichen eines Michael-Zeitalters, daß dasjenige, was in einer Lokalität geblüht hat vorher, in kosmopolitischer Weise über die anderen Menschheitsbestandteile ausgestrahlt wird.

Und so kommt man immer zurück, nachdem man den Zyklus durch die verschiedenen Archangeloi absolviert, zu demselben Archangelos. Wir können weiter zurückgehen - wiederum durch eine Reihe von Gabriel, Samael, Raphael, Zachariel, Anael, Onri­phiel -, würden wieder zu Michael zurückkommen. Und wir wer­den finden, daß auf das Michael-Zeitalter, das über uns strahlt, wiederum ein Zeitalter des Oriphiel folgen wird.

So, meine lieben Freunde, sollen wir uns bewußt sein, daß die Michael-Impulse in der charakterisierten Weise in all dem leben, was geistiges Wirken und geistiges Wesen in der Gegenwart sein soll. Aber es ist ein wichtigeres Michael-Zeitalter, als die vor­herigen waren. Nur auf diese Tatsache möchte ich hinweisen.

Nun handelte es sich darum, daß, als zu Weihnachten in den Dienst des Esoterischen die Anthroposophische Gesellschaft ge­stellt wurde, ihr esoterischer Kern, diese esoterische Schule, nur begründet werden konnte, wenn sie begründet wurde von der geistigen Macht, welcher die Lenkung dieses Zeitalters obliegt. Und so leben wir denn innerhalb dieser esoterischen Schule - als

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der von dem Geiste der Zeit, Michael, selbst begründeten esoteri­schen Schule - in einer zu Recht bestehenden esoterischen Schule; denn sie ist die Michael-Schule in der Gegenwart.

Und nur dann, meine lieben Freunde, stellt Ihr Euch vor in der richtigen Art dasjenige, was in dieser Schule hier gesprochen wird, wenn Ihr Euch bewußt seid, daß hier nichts anderes gesprochen wird als dasjenige, was in der Gegenwart von der Michael-Strömung selber in die Menschheit gebracht werden will. Michael-Worte sind alle Worte, die in dieser Schule gesprochen werden. Michael-Wille ist aller Wille, der in dieser Schule gewollt wird. Michael-Schüler seid Ihr alle, indem Ihr zu Recht innerhalb dieser Schule steht. Nur dann, wenn Ihr dieses Bewußtsein in Euch trägt, ist es möglich, in richtiger Art in dieser Schule zu sitzen, mit der richtigen Stimmung und Gesinnung in dieser Schule zu sitzen, sich zu fühlen als ein Glied nicht nur von etwas, was als Erden-Institu­tion in die Welt tritt, sondern von etwas, was als Himmels-Institu­tion in die Welt tritt.

Damit ist verbunden, daß ein jeglicher, der Mitglied dieser Schule wird, selbstverständliche Pflichten auf sich nimmt. Es ist ja das Eigentümliche des Weihnachtsimpulses der Anthroposophi­schen Gesellschaft, daß diese selber damit den völligen Charakter der Öffentlichkeit aufgedrückt bekommen hat. Damit aber wird von demjenigen, der Mitglied der Anthroposophischen Gesell­schaft wird, nichts weiter verlangt als dasjenige, was er selber ver­langt: durch die Anthroposophische Gesellschaft dasjenige zu be­kommen, was innerhalb der anthroposophischen Geistesbewegung fließt. Und eine weitere Verpflichtung übernimmt man nicht, wenn man Anthroposoph wird. Die Verpflichtung, ein anstän­diger Mensch zu sein, ist ja selbstverständlich.

Anders, wenn man den Zugang zu dieser Schule sucht: Da han­delt es sich darum, daß tatsächlich aus dem ganzen spirituellen Geiste, aus dem okkulten Geiste dieser Schule heraus derjenige, der Mitglied dieser Schule wird, die Verpflichtung übernimmt, ein

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würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der ganzen Welt mit allem seinem Denken, Fühlen und Wollen zu sein. Nicht anders kann man Mitglied dieser Schule sein.

Entscheidung darüber, ob man ein würdiges Mitglied dieser Schule ist, kann einzig und allein der Leitung dieser Schule zu­stehen. Aber die Leitung dieser Schule muß ernst nehmen diejeni­gen Pflichten, die sie auf sich nimmt. Verantwortlich ist die Lei­tung dieser Schule nur den geistigen Mächten, der Michael-Macht selber gegenüber für dasjenige, was sie tut. Aber sie muß ernst nehnien namentlich diesen Punkt, daß derjenige, der zur Schule gehört, ein würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt sein muß. Das schließt in sich, daß die Leitung der Schule verlangen muß, daß die Mitgliedschaft im alleräußersten Sinne ernst genommen werde. Sie muß daher demjenigen, bei dem sie diesen Ernst nicht antrifft, erklären, daß er fernerhin nicht Mitglied der Schule sein kann.

Daß das ernst genommen wird, meine lieben Freunde, können Sie daraus ersehen, daß seit dem kurzen Bestand dieser Schule bereits in zwanzig Fällen ein zeitweiliger Ausschluß vollzogen worden ist. Diese strenge Maßregel wird auch weiterhin in der­selben Art gehandhabt werden müssen. Mit wirklich esoteri­schen Dingen kann nicht gespielt werden, kann nur der aller-äußerste Ernst verbunden werden. Damit wird gerade durch diese Schule jener Ernst in die anthroposophische Bewegung hinein-strahlen können, der ihr für ihr wirkliches, spirituelles Gedeihen absolut notwendig ist. Das sind zunächst die Einleitungsworte, die ich zu sprechen habe.

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Wenn Ihr - ich spreche jetzt zu denen, die heute zum ersten Male da sind -, wenn Ihr die Worte, die hier gesprochen werden, als die rechten Botschaften aus der geistigen Welt empfanget, als die rechten Michael-Worte, dann werdet Ihr in dem Sinne hier sitzen, in dem Ihr einzig und allein hier sitzen sollt.

Und so wollen wir zunächst vor unsere Seelen führen diejenigen Worte, welche eigentlich dem Menschen entgegentönen, wenn er unbefangenen Sinnes auf alles dasjenige hinschaut, was ihn in der Welt - in der Welt oben, in der Welt in der Mitte, in der Welt unten -umgibt. Wir mögen hinschauen in das stumme Reich der Mine­ralien, in das sprossende, sprieß ende Reich des Pflanzlichen, in das bewegliche Reich des Tierischen, in das sinnende Reich des Mensch­lichen auf der Erde, wir wollen den Blick hinwenden zu den Ber­gen, zu dem Meere, zu den Flüssen, zu den sprudelnden Quellen, wir wollen den Blick hinwenden zu den ziehenden Wolken, zu den Donnern und Blitzen, wir wollen den Blick hinlenken zu der scheinenden Sonne, zu dem glimmenden Monde, zu den funkeln­den Sternen: aus allem, wenn der Mensch sein Herz offenhält, mit seelischem Ohre hinzuhören vermag, tönt ihm entgegen die Mahnung, die in den Worten liegt, die ich nunmehr auszu­sprechen habe:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Und wenn wir dieses Wortes Sinn und dieses Wortes Geist ganz auf uns wirken lassen, dann bekommen wir die Sehnsucht, hinzu­gehen zu denjenigen Quellen, aus denen unsere eigentliche mensch­liche Wesenheit fließt. Ganz verstehen diese Worte heißt: den Weg ersehnen, der zu jenen Wassern führt, aus denen das Wesen der Menschenseele fließt, des Menschenlebens Ursprung zu suchen.

Im Anschauen wird Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, das zuteil werden, je nachdem es in Eurem Karma liegt. Aber der erste Schritt wird sein das sinngemäße Verstehen des esoterischen Weges. Dieser esoterische Weg wird in Michael-Worten hier in die­ser Schule geschildert. Er wird geschildert so, daß ihn jeder gehen kann, daß ihn aber nicht jeder zu gehen braucht, sondern zunächst ihn zu verstehen hat; denn dieses Verständnis ist selbst der erste Schritt. Daher wird erfließen in mantrischen Worten dasjenige, was Michael der Menschheit in der Gegenwart zu sagen hat. Diese mantrischen Worte werden sein zugleichWorte für die Meditation.

Wiederum wird es vom Karma abhängen, wie auf die einzelnen Seelen diese Worte für die Meditation wirken. Und das erste ist, Verständnis dafür zu bekommen, daß aus den eben gesprochenen mantrischen Worten von der menschlichen Selbsterkenntnis die Sehnsucht entspringt, hinzulenken den Sinn nach den Quellen des menschlichen Daseins: 0 Mensch, erkenne dich selbst! Ja, diese Sehnsucht muß erwachsen. Wir müssen suchen: Wo sind die Quel­len dessen, was in der menschlichen Seele lebt, was unser eigenes menschliches Sein ist?

Wir müssen zunächst schauen in dem, was uns gegeben ist. Wir müssen herumschauen unter all dem, was uns im Kleinen gegeben ist, unter all dem, was uns im Großen gegeben ist. Wir schauen hin zu dem stummen Stein, wir schauen hin zu dem Gewürm der Erde, wir schauen hin zu all dem, was wächst und west und lebt um uns herum in den Reichen der Natur. Wir schauen hinauf zu den mäch­tig funkelnden, glänzenden Gestirnen. Wir hören ihn an, den rol­lenden Donner. Nicht wenn man asketisch wird, hat man Aussicht,

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zu ergründen die Rätsel des eigenen Menschenwesens; nicht wenn man verachtet dasjenige, was als Gewürm lebt in der Erde, was als Sterne funkelt am Himmelsraume, nicht wenn man es verachtet als äußerlich sinnliches Scheinen und einen abstrakten und chao­tisch gehaltenen Weg sucht, sondern wenn man gerade ein tiefes Gefühl entwickelt für alles dasjenige, was im kleinsten Gewürm, das in der Erde kriecht, lebt und west; wenn man entwickelt ein Gefühl für die Erhabenheit desjenigen, was aus den Sternen uns entgegenglänzt;wenn man fühlen kann in all dem, was in die Sinne einzieht und zu unserer Wahrnehmung wird: Schönheit,Wahrheit, Reinheit, Erhabenheit, Großartigkeit und Majestät. Wenn man da­stehen kann als betrachtender Mensch, rings um sich überall aus den Pflanzen, aus den Steinen, aus den Tieren, aus den Sternen, aus den Wolken, aus den Meeren, aus den Quellen, aus den Bergen ver­nehmen kann Majestät und Größe und Wahrheit und Schönheit und Glanz, dann sagt man sich erst mit der vollen Tiefe, mit der vollen Intensität: Ja, groß und gewaltig und majestätisch und herr­lich ist alles dasjenige, was da als Gewürm unter der Erde kriecht, was da oben am Himmelsraum als Sterne enrglänzt; aber dein Wesen, o Mensch, ist nicht unter all dem. Du bist nicht in all dem, wovon dir zunächst deine Sinne künden.

Und dann wendet man den fragenden, rätselbeschwerten Blick nach den Fernen hin. Von hier ab wird der esoterische Weg in Ima­ginationen beschrieben. Man wendet den Blick nach den Fernen hin. Etwas wie ein Weg zeigt sich, ein Weg, der da führt bis zu einer schwarzen, nachtbedeckten Wand, die sich enthüllt als der Anfang einer tiefsten Finsternis. Und wir stehen da, rings umgeben von der Majestät des Sinnenscheins, bewundernd Größe und Majestät und Herrlichkeit und Glanz des Sinnenscheins, aber das eigene Wesen nicht darinnen findend, den Blick hingerichtet nach der Grenze dieses Sinnenscheins. Da aber beginnt schwarze, nachtbedeckte Finsternis. Aber in unserem Herzen sagt uns etwas: Nicht hier, wo die Sonne uns entgegenglänzt von allem, was da wächst und webt

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und lebt, sondern dort, wo uns nachtbedeckte Finsternis entgegen­starrt, da sind die Quellen des eigenen Menschenseins. Davon her muß die Antwort kommen auf die Frage: O Mensch, erkenne dich selbst!

Dann gehen wir zögernd der schwarzen Finsternis entgegen und werden gewahr: Das erste Wesen, das uns entgegenkommt, steht dort, wo die schwarze, nachtbedeckte Finsternis beginnt. Wie aus einer vorher nicht gesehenen Wolkenbildung ballt es sich zusam­men, wird menschenähnlich, nicht von Schwere durchdrungen, menschenähnlich aber. Mit ernstem, sehr ernstem Blicke begegnet es unserem fragenden Blick. Es ist der Hüter der Schwelle. Denn zwischen der sonnenerglänzenden Umgebung des Menschen und jener nachtbedeckten Finsternis ist ein Abgrund, ein tiefer, gähnender Abgrund. Herüber gegen uns zu steht an diesem Abgrunde der Hüter der Schwelle. Wir nennen ihn so aus dem folgenden Grunde.

Ach, der Mensch, er ist ja jede Nacht im Schlafe mit seinem Ich und mit seinem astralischen Leibe in jener Welt, die jetzt dem ima­ginativen Blick erscheint als schwarze, nachtbedeckte Finsternis; aber er ahnt nichts davon - seine Seelensinne sind nicht aufge­schlossen-, er ahnt nicht, daß er mitten unter geistigen Wesenheiten und geistigen Tatsachen vom Einschlafen bis zum Aufwachen lebt und webt; würde er ohne weitere Vorbereitung bewußt erleben, was da zu erleben ist: er würde zermalmt! Der Hüter der Schwelle bewahrt uns - deshalb ist er der Hüter der Schwelle -, bewahrt uns davor, unvorbereitet den Abgrund übersetzen zu wollen. Seinen Mahnungen, wir müssen ihnen folgen, wenn wir den esoterischen Weg gehen wollen. Er hüllt den Menschen in Finsternis ein jede Nacht. Er behütet die Schwelle, damit der Mensch einschlafend nicht unvorbereitet sich hineinlebt in die geistig-okkulte Welt.

Jetzt steht er da - wenn wir genügend das Herz verinnerlicht, die Seele vertieft haben -, jetzt steht er da, an uns richtend die Mahnung, wie alles schön ist in unserer Umgebung, wie wir aber in dieser Schönheit unser eigenes Wesen nicht finden können und wie

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wir suchen müssen jenseits des gähnenden Abgrunds des Seins in den Gebieten der nachtbedeckten, schwarzen Finsternis, wie wir warten müssen, bis es dunkel wird hier im sonnenbeglänzten Reich sinnlicher Helle und hell wird drüben für uns da, wo es jetzt noch schwarze Finsternis nur gibt.

Das ist es, was mit ernsten Worten der Hüter der Schwelle vor unsere Seele hinstellt. Wir stehen noch in einer gewissen Weite vor ihm. Wir blicken hin und vernehmen noch aus der Ferne sein mahnendes Wort, das also ertönt:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willenskräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht enrwirbst:

Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

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Das ist die erste Mahnung des Hüters der Schwelle, jene erste Mahnung, die uns besagt, daß schön und groß und erhaben unsere Umgebung ist, lichtbeglänzt, sonnenbeschienen; daß aber dieses Lichtbeglänzte, Sonnenbeschienene ist für das Wesen des Menschen erst die rechte Finsternis; daß wir suchen müssen da, wo die Fin­sternis ist, daß diese Finsternis uns zum Lichte wird, damit das Menschenwesen uns, beleuchtet aus dieser Finsternis, entgegen­treten könne, damit das Menschenrätsel aus dieser Finsternis her­aus sich löse. So fährt der Hüter der Schwelle fort:

Und aus Finsternissen hellet sich

- Dich im Ebenbilde offenbarend,

Doch zum Gleichnis auch dich bildend,

Ernstes Geisteswort im Weltenäther,

Deinem Herzen hörbar, kraftvoll wirkend -

Dir der Geistesbote, der allein

Dir den Weg erleuchten kann;

Vor ihm breiten sich die Sinnesfelder,

Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen.

Und vor seinen finstern Geistesfeldern,

Dicht am gähnenden Abgrund des Seins,

Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort:

Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor.

[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben und dabei die Überschrift und die letzte Zeile unterstrichen:]

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Der Hüter spricht:

Wo auf Erden gründen, Farb' an Farbe,

Sich das Leben schaffend offenbart;

Wo aus Erdenstoffen, Form an Form>

Sich das Lebensiose ausgestaltet;

Wo er fühlende Wesen, willenskräftig,

Sich am eignen Dasein freudig wärmen;

Wo du selbst> o Mensch, das Leibessein

Dir aus Erd> und Luft und Licht erwirbst:

Da betrittst du deines Eigenwesens

Tiefe, nach tbedeckte, kalte Finsternis;

Du er fra gest im Dunkel der Weiten

Nimmer> wer du bist und warst und werdest.

Für dein Eigensein finstert der Tag

Sich zur Seelennacht> zum Geistesdunkel;

Und du wendest seelensorgend dich

An das Licht> das aus Finsternissen kraftet.

Und aus Finsternissen hellet sich

- die Fortsetzung dieses Satzes folgt erst nach einigen Zeilen. Das was jetzt kommt, ist ein Zwischensatz: -

- Dich im Ebenbilde offenbarend,

Doch zum Gleichnis auch dich bildend,

Ernstes Geisteswort im Weltenäther,

Deinem Herzen hörbar, kraftvoll wirkend -

- Der Zwischensatz ist zu Ende; der Satz «Und aus Finsternissen hellet sich» setzt fort: -

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Dir der Geistesbote,

- der Hüter der Schwelle selber -der allein

Dir den Weg erleuchten kann;

Vor ihm breiten sich die Sinnes felder,

Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen.

Und vor seinen finstern Geistes feldern,

Dicht am gähnenden Abgrund des Seins,

Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort:

Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor.

Dann ist es der Hüter selber, der - nachdem er uns diese erste Mahnung, Licht als Finsternis, Finsternis als Licht zu empfinden, erteilt hat - uns hinweist auf jene Gefühle und Empfindungen, die urkräftig nun aus unserer Seele kommen können. Er spricht sie aus, der Hüter, indem er seinen Blick noch mehr ernstet, noch ernster macht, indem er mahnend uns Arm und Hand entgegenstreckt. Er spricht das weitere Wort:

Aus den Weiten der Raumeswesen,

Die im Lichte das Sein erleben

- wir fühlen uns gedrängt, einige Schritte hin zum Hüter zu machen; wir kommen näher dem gähnenden Abgrund des Seins -

Aus dem Schritte des Zeitenganges,

Der im Schaffen das Wirken findet,

Aus den Tiefen des Herzempfindens,

Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönt im Seelensprechen,

Da erleuchtet aus Geistgedanken

Das aus göttlichen Heileskräften

In den Weltgestaltungsmächten

Wellend wirkende Daseinswort:

0, du Mensch, erkenne dich selbst.

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Es ist ein anderes, ob uns zuerst aus allem Sinneswesen, wenn wir es richtig verstehen, das Wort entgegentönt: « 0 Mensch, erkenne dich selbst!», oder ob uns jetzt vor dem furchtbaren Abgrunde des Seins von dem Munde des Hüters der Schwelle selber dieses Wort entgegentönt. Ein und dasselbe Wort: zwei verschiedene Arten, davon ergriffen zu werden. Alle diese Worte sind mantrisch, sind zum Meditieren da, sind solche Worte, welche aus der Seele er­wecken die Fähigkeiten, sich der geistigen Welt zu nähern, wenn sie imstande sind, die Seele zu entzünden.

[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben und dabei die Überschrift und die letzte Zeile unterstrichen:]

Der Hüter am Abgrund:

Aus den Weiten der Raumeswesen,

Die im Lichte das Sein erleben,

Aus dem Schritte des Zeiten gan ges,

Der im Schaffen das Wirken findet,

Aus den Tiefen des Herzempfindens,

Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönt im Seelensprechen,

Da erleuchtet aus Geist gedanken

Das aus göttlichen Heileskräften

In den Weltgestaltungsmächten

Wollend wirkende Daseinswort:

0, du Mensch, erkenne dich selbst.

Wir sind, während der Hüter diese Worte spricht, dicht heran­getreten an den gähnenden Abgrund des Seins. Es geht tief hin­unter. Keine Hoffnung, daß wir mit den Füßen, die uns gegeben

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sind von der Erde, den Abgrund übersetzen können. Wir brauchen Befreiung von der Erdenschwere. Wir brauchen die Beflügelung des geistigen Lebens, um über den Abgrund hinüberzukommen. Da aber macht - indem er uns zunächst hergewinkt hat an den gähnenden Abgrund des Seins - der Hüter der Schwelle uns auf­merksam, wie zunächst unser Selbst, bevor es sich geläutert und gereinigt hat für die geistige Welt, eigentlich in der Gegenwart, wo wir überall umgeben sind von dem Haß auf die geistige Welt, von dem Spott über die geistige Welt, von der Mutlosigkeit, von der Furcht vor der geistigen Welt, da macht uns der Hüter aufmerk­sam, wie dies unser Selbst - das da will, das da fühlt, das da denkt -in seiner dreifachen Beschaffenheit als Wollen, Fühlen und Den­ken eigentlich heute gestaltet ist, aus unserem Zeitenzyklus heraus gestaltet ist. Das müssen wir zunächst erkennen, bevor wir unser wahres, uns von den Göttern eingepflanztes Selbst in wahrer, echter Selbsterkenntnis gewahr werden können.

Als drei Tiere, die nacheinander heraufziehen aus dem Ab-grunde, erscheinen uns, angesehen vor den ewigen göttlichen Hei­leskräften: Wille des Menschen, Fühlen des Menschen, Denken des Menschen. Indem eines nach dem andern - Wollen, Fühlen, Den­ken in ihrer wahren Gestalt - aus dem Abgrund auftaucht, spricht erklärend, wie das eine nach dem anderen auftaucht, der Hüter.

Wir stehen dicht am Abgrunde. Der Hüter spricht - die Tiere steigen auf -.

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Der Hüter: Doch du mußt den Abgrund achten;

Sonst verschlingen seine Tiere

Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;

Sie hat deine Weltenzeit in dir

Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,

Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,

Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;

Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein

Schuf das Ungetüm in deinem Willen;

Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne

Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,

Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib ;

Dein Haß auf Geistes-Offenbarung

Schuf den Schwächling dir im Fühlen;

Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,

Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,

Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;

Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt

Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;

Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,

Werden Flügel deiner Seele wachsen,

Um den Abgrund zu übersetzen,

Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,

Dem sich deine Herzenssehnsucht

Heilerstrebend weihen möchte.

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Diese mantrischen Worte werde ich das nächste Mal an die Tafel schreiben.

Hat man aus dem Munde des Hüters dieses erfahren, dann er­innert man sich wohl wiederum zurück an den Ausgangspunkt. Dann steht noch einmal vor der Seele, was alle Wesen sagen, die in unserer Umgebung sind, wenn wir sie recht verstehen, was alle Wesen schon zu den Menschen der fernsten Vergangenheit sagten, was alle Wesen zu dem Menschen der Gegenwart sagen, was alle Wesen zu dem Menschen der Zukunft sagen werden:

O Mensch, erkenne dich selbst!

So tönt das Weltenwort.

Du hörst es seelenkräftig,

Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?

Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung

In deines Sinnes Seinserleben?

Tönt es durch der Zeiten Wellenweben

In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich

Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd

Erfühlend in Raumes Seelenleere,

Weil du des Denkens Kraft

Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Das sind die Worte der Michael-Schule. Wenn sie gesprochen werden, wellt und webt Michaels Geist durch den Raum, in dem sie gesprochen werden. Und sein Zeichen ist dasjenige Zeichen, das in seiner Gegenwart seine Gegenwart bekräftigen darf:

[Michael-Zeichen]

Dann führt uns Michael in die rechte Rosenkreuzer-Schule, die offenbaren soll des Menschen Eigenwesens Geheimnisse in der Vergangenheit, in der Gegenwart, in der Zukunft durch den Vater-gott, den Sohnesgott, den Geistesgott.

Und dann, das Siegel drückend auf die Worte «rosae et crucis», darf gesprochen werden:

Ex deo nascimur

In Christo morimur

Per spiritum sanctum reviviscimus

begleitet von den Zeichen des Siegels Michaels, die da sind bei dem ersten Worte «Ex deo nascimur»:

[untere Siegelgeste]

bei dem zweiten Worte «In Christo morimur»:

[mittlere Siegelgeste]

bei dem dritten Worte «Per spiritum sanctum reviviscimus»:

[obere Siegelgeste]

wobei wir fühlen, die Worte aussprechend - sie bekräftigend durch Siegel und Zeichen des Michael -

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«Ex deo nascimur» in diesem Zeichen:

[untere Siegelgeste]

Ich bewundere den Vater

«In Christo morimur» in diesem Zeichen:

[mittlere Siegelgeste]

Ich liebe den Sohn

«Per spiritum sanctum reviviscimus» in diesem Zeichen:

[obere Siegelgeste]

Ich verbinde mich dem Geiste

Die Zeichen heißen das.

Michaels Gegenwart, sie wird bekräftigt durch sein Siegel und

Zeichen:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur

In Christo morimur

Per spiritum sanctum reviviscimus.

[Zu dem Michael-Zeichen und den Siegelgesten siehe den einleitenden Hinweis auf Seite 243 und die Tafeln der sieben Wiederhclungsstunden im vierten Band (Tafel-band).]

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Die Worte, die als mantrische Worte auf die Tafel geschrieben werden, können nur diejenigen besitzen, die rechtmäßige Mit­glieder der Schule sind, das heißt, das blaue Zertifikat ausgestellt bekommen haben. Niemand anderer kann diese Worte besitzen. Es können sie natürlich auch diejenigen bekommen, die, durch irgend etwas verhindert, an Versammlungen der Schule nicht teil-nehmen konnten - an einzelnen Versammlungen nicht teilnehmen konnten -, oder die überhaupt durch die Entfernung ihres Ortes nicht teilnehmen können. Sie - nur Mitglieder der Schule - können sie bekommen von diesen anderen, die in dieser Schule sind.

Aber in jedem einzelnen Falle muß für das Mitteilen dieser Worte an die einzelne Persönlichkeit Erlaubnis eingeholt werden. Nicht derjenige kann um diese Erlaubnis bitten, welcher die Worte empfängt, sondern allein derjenige, der sie gibt; der holt die Er­laubnis ein entweder bei Frau Dr. Wegman oder bei mir. Das ist nicht bloß eine Venrwaltungsmaßnregel, sondern es muß zugrunde­liegen jedem Weitergeben der Worte als Ausgangspunkt diese reale Tatsache der Anfrage bei Frau Dr. Wegman oder mir. Schriftlich durch Briefe dürfen die Worte nicht jemandem mitgeteilt werden; sie können nur persönlich mitgeteilt werden, dürfen nicht Briefen anvertraut werden.

Die nächste Klassenstunde werde ich abhalten am Dienstag halb neun Uhr.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 29 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 29
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ZWEITE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 9. September 1924

Meine lieben Schwestenrn und Brüder! Es ist nicht möglich, auch heute - trotzdem eine Anzahl neuenr Mitglieder dieser esoterischen Schule hier sind, neuer Mitglieder, die noch nicht hier waren -wiederum die einleitenden Worte zu sprechen. Daher werde ich fordern müssen, daß, wenn die neu in die Schule aufgenommenen Mitglieder von anderen Mitgliedern - in der Art, wie ich es später sagen werde, am Schlusse - die Sprüche mitgeteilt bekommen, ihnen auch pflichtgemäß von denjenigen, die ihnen die Sprüche mitteilen, die Bedingungen für die Mitgliedschaft der Schule gesagt werden. Und es wird notwendig sein, daß jetzt sogleich fortge­fahren wird in demjenigen, mit dem das letzte Mal aufgehört worden ist.

Vorerst aber lassen wir wiederum vor unsere Seele treten die­jenigen Worte, die dem unbefangenen Gemüte aus allen Wesen der Welt, aus allen Vorgängen der Welt entgegentönen. Alles sagt den Menschen dieses, was in den folgenden Worten liegt; alles hat in der Vergangenheit den Menschen dieses gesagt, alles sagt ihnen in der Gegenwart dieses, alles wird ihnen sagen in der Zukunft dieses:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Wir haben gesehen, wie derjenige, der befolgt dieses aus allen Dingen der Welt und aus allen Vorgängen der Welt ihm entgegen­tönende Wort, die Sehnsucht fühlt, hinauszukommen aus der maje­stätischen, glänzenden Sinneswelt in diejenige Welt, die jenseits eines gähnenden Abgrundes ist, des gähnenden Abgrundes des Seins, und die zunächst entgegenstarrt der menschlichen Seele wie schwarze, nachtbedeckte Finsternis. Aber die Hoffnung ersteht, daß für die Lösung des Menschenrätseis, für die wahre Lösung des Menschenrätseis dasjenige, was für das äußere Leben in Licht er-strahlt, in Glanz erglimmt, dunkel werden muß, damit das Licht, das in jener Welt ist, in der das eigene Selbst sein Wesen findet, aus der zunächst als schwarze, nachtbedeckte Finsternis erscheinenden Weltenwesenheit kommt.

Und wir haben, indem wir uns genähert haben im Gedanken, in der Empfindung auf dem Wege, der dahin geleitet, sich erhellen gesehen wie aus geistigem Wolkendasein die Gestalt des Hüters der Schwelle. Wir haben ihn sprechen gehört: denn alles, was hier ge­sprochen wird, tönt aus Geisteswelten, tönt im Auftrage Michaelis, des Leiters der geistigen Strömung der Menschheit in der Gegen­wart; denn diese Schule ist die wahre Michael-Schule. Und er hat gesprochen auch von der Selbsterkenntnis des Menschen, der Hüter. Er hat aber dann Worte gesprochen, die zunächst nieder­schmetternd für die Seele sind.

Hingerufen hat er uns, der Hüter, so daß wir ihm ganz nahe stehen. Mit ernstem Antlitz schaut er uns entgegen. Und er zeigt uns, wie unser Wollen, unser Fühlen, unser Denken vor dem Ant­litze der Götter erscheint in Imaginationen. Da ist es noch nicht menschlich, dieses Wollen, dieses Fühlen, dieses Denken, da ist es noch tierisch. Da ist die Selbsterkenntnis noch bestürzend, nieder­schmetternd.

Aber durchgehen müssen wir durch die Erkenntnis jenes Selb­stes, das uns unsere Zeit, unsereWeltenzeit aus ihrer Irrtumsbildung

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heraus gibt, damit wir zu der wahren Selbsterkenntnis vordringen können.

Diese Irrtums-Selbsterkenntnis, die Erkenntnis jenes Seibstes, das wir aus dem Geiste unserer Zeit heraus in uns tragen, sie weist uns der Hüter vor, indem er aufsteigen läßt aus dem gähnenden Abgrund des Seins das erste der Tiere, das das Wollen darstellt; wiederum die Hand erhebend, hinweisend auf den gähnenden Ab­grund des Seins, heraufsteigen läßt das zweite der Tiere, das das Fühlen darstellt; wiederum die Hand hinweisend auf den gähnen­den Abgrund des Seins, das dritte Tier aufsteigen läßt, das das Denken darstellt.

So steigen sie hintereinander henraut:

Das erste der Tiere - die wahre Geistgestalt zunächst unseres Wollens, erzeugt aus der Furcht vor der Erkenntnis -, das nur durch den Mut zur spirituellen Erkenntnis überwunden werden kann.

Und so das zweite der Tiere - geboren aus dem Haß auf Er­kenntnis, der in den Untergründen des Gemütes aus unserer Zeit heraus in allen Menschen ist -, das nur überwunden werden kann durch die richtige Begeisterung für die Erkenntnis, durch das rechte gemütvolle Erkenntnisfeuer; während heute Lässigkeit und Lauheit in bezug auf die Erkenntnis, ja, Haß in bezug auf die Er­kenntnis wegen der Lässigkeit und Lauheit in den Gemütern ist.

Und so das dritte Tier - in seiner gespenstigen Eigenart von dem Zweifel an der geistigen Welt, der heute an den Wurzeln der Seelen nagt, heraus erzeugt -, das nur besiegt werden kann dann, wenn die Erkenntnis die Kraft in sich erweckt, die Dinge, die draußen sind in der geistigen Welt, in sich im eigenen Gemüte zu schaffen.

Und so spricht der Hüter am gähnenden Abgrund des Seins, nachdem wir ganz nahe herangetreten sind:

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Doch du mußt den Abgrund achten;

Sonst verschlingen seine Tiere

Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;

Sie hat deine Weltenzeit in dir

Als Enrkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,

Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,

Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;

Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein

Schuf das Ungetüm in deinem Willen ;

Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne

Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,

Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;

Dein Haß auf Geistes-Offenbarung

Schuf den Schwächling dir im Fühlen;

Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,

Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,

Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt ;

Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt

Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;

Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,

Werden Flügel deiner Seele wachsen,

Um den Abgrund zu übersetzen,

Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,

Dem sich deine Herzenssehnsucht

Heilerstrebend weihen möchte.

[Das Mantram wird nun, zugleich mit den entsprechenden Unterstreichungen - siehe hierzu S.47-, an die Tafel geschrieben:]

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Der Hüter spricht ganz am Abgrund:

Doch du mußt den Abgrund achten;

Sonst verschlingen seine Tiere

Dich, wenn du an mir vorübereilt>st;

Sie hat deine Weltenzeit in dir

Als Erkenntnis feinde hingestellt.

Schau das erste Tier> den Rücken krumm>

Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib>

Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;

Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein

Schuf das Ungetüm in deinem WIlen;

Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier> es zeigt die Zähne

Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten>

Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;

Dein Haß auf Geistes-Offenbarung

Schuf den Schwächling dir im Fühlen;

Dein Erkenntnis feuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier> mit gespaltnem Maul,

Glasig ist sein Auge> schlaff die Haltung,

Schmutzigrot erscheint dir die Gesta7t;

Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt

Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;

Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,

Werden Flügel deiner Seele wachsen,

Um den Abgrund zu übersetzen>

Der dich trennet vom Erkenntnis felde,

Dem sich deine Herzenssehnsucht

Heilerstrebend weihen möchte.

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Wenn denr Hüter uns dies gezeigt, das niederschmetternde Bild, das uns als unser eigenes Wesen wie die Antwort auf die Auffonr­derung «0 Mensch, erkenne dich selbst!» zunächst entgegentnritt, wenn der Hüter uns dieses Bild gezeigt hat, dann nähert er sich uns, um uns eine weitere Aufklärung zu geben, die nun beginnen kann, uns aufzurichten: eine Aufklärung über das dritte Tier, das ver­woben ist mit unserem Denken, das zweite Tier, das verwoben ist mit unserem Fühlen, das erste Tier, das verwoben ist mit unserem Wollen. Und er gibt uns eine gewisse Lehre in dem, was er uns zu-nächst sagt. Er macht uns aufmerksam darauf, wie wir in rechter Weise unser menschliches Erdendenken empfinden sollen.

Meine lieben Schwestern und Brüder, man fühlt ja schon ganz exoterisch, daß dieses Denken, durch das wir uns die Dinge und Vorgänge der Welt aneignen, etwas Abstraktes, etwas Schatten­haftes, etwas Unwirkliches ist. Was ist es denn eigentlich, dieses Denken?

Im Bilde müssen wir uns vor die Seele stellen, was dieses Denken eigentlich ist. Wir stellen uns hin vor einen Leichnam, vor einen Leichnam, der eben vor kurzer Zeit verlassen worden ist von der Seele und dem Geiste eines Menschen. Wir bes chauen uns diesen Leichnam. Er kann so, wie er ist, niemals in der Welt entstehen. Er kann für sich nichts sein. Er kann nur etwas sein als Übriggeblie­benes von dem lebendigen Menschen. Der muß in ihm gewesen sein; der muß ihn erst sich selber umgestaltet haben. Der Tod liegt vor uns. Das Leben ist gewichen. Der Leichnam liegt im Sarge. Halten wir das Bild fest.

Unser seelisch-geistiges Leben, das unsere wahre menschliche Eigenwesenheit ist, es war, bevor es durch Empfängnis und Geburt herabgestiegen ist aus der göttlich-geistigen Welt in einen physi­schen Menschen-Erdenleib, lebendig. Da war es oben in der geisti­gen Welt kein schattenhaftes, abstraktes Denken, sondern seelisch-geistige Wesenheit, lebend, webend, schaffend, wirkend, wellend, wesend. Da war es lebendig. Dann ist es heruntergestiegen in einen

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Menschenleib ; abenr es ist gestorben, indem es heruntergestiegen ist. Denr Menschenleib ist sein Sarg. Und dasjenige Denken, das wir haben zwischen der Geburt und dem Tode, ist der Leichnam des lebendigen Denkens, das wir hatten, bevor wir ins irdische Sein heruntergestiegen sind.

Nur dann, meine lieben Schwestern und Brüder, wenn wir so empfinden gegenüber dem Denken, empfinden wir richtig eso­terisch und ringen uns allmählich hinauf, zu überwinden die ge­spenstige Gestalt des dritten Tieres, kommen immer mehr und mehr hinauf zur reinen Engelsgestalt des wahren Denkens, dessen totes Nachbild in unserem physischen Erdenleib west und webt und wirkt und wellt.

Solange wir das Denken als etwas Lebendiges anschauen, stehen wir nicht in der Wahrheit; erst wenn wir unseren Leib als den Sarg des toten Denkens betrachten und das ganz fühlen, dann stehen wir in der Wahrheit. So sagt uns mit seinen Worten, die wir dann hören werden und die uns als mantrischer Spruch dienen können, der Hüter der Schwelle am gähnenden Abgrund des Seins. Er sagt es uns in besonderer Intimität.

Und wenn wir vom Denken weggehen, zu unserem Fühlen schauen, dann müssen wir sehen und fühlen, fühlen gegenüber dem Fühlen, wie das gewöhnliche Fühlen, das wir zwischen der Geburt und dem Tode in uns lebend glauben, nur ein halb Lebendes ist, wie es fortwährend verzehrend an uns arbeitet, dieses Fühlen, wie es uns fortwährend etwas ertötet, wie es uns eigentlich aushöhlt vom Geiste. Das Denken ist tot, und das Fühlen ist halb lebendig, ist im Grunde genommen nur von Bildgestalt in uns. Und erst wenn wir dem Fühlen gegenüber so fühlen, daß dieses menschliche Erden-fühlen ein schwacher, halb lebender Abglanz ist aus Sonnenmacht, die als allgemeine Weltenliebe das kosmische Fühlen durch den ganzen Kosmos strahlt, dann fühlen wir dem Fühlen gegenüber richtig. So sagt uns wiederum vertraulich, in Intimität der Hüter der Schwelle.

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Und erst, wenn wir dem Wollen gegenüber so fühlen, daß es zwar in uns lebt, fortwährend aber von geistigen Gegenmächten versucht und angefeindet wird, damit seine Kraft nicht diene dem Göttlichen oben, sondern dem Physischen unten, erst wenn wir fühlen diese Gegenmächte, die fortwährend in unserem Wollen uns ablenken möchten von unserer eigentlichen göttlichen Aufgabe und uns ganz verstricken ins Erdendasein, dann fühlen wir, wie diese Gegenmächte, indem sie sich unser Wollen aneignen, die Zu­kunft der Erde in ihre Gewalt bekommen wollen. Könnten sie es, waren wir nicht wachsam, so daß wir unser Wollen weihen dem Göttlichen, nicht den ahrimanischen Erdenmächten, so würde die Erde streitig gemacht sein den Göttern, denen sie eigentlich vom Urbeginn des Erdenseins zugehört.

Das sagt uns der Hüter wie eine Erklärung der drei Tiere:

Des dritten Tieres glasig Auge,

Es ist das böse Gegenbild

Des Denkens, das in dir sich selbst

Verleugnet und den Tod sich wählet,

Absagend Geistgewalten, die es

Vor seinem Erdenleben geistig

In Geistesfeldern lebend hielten.

Des zweiten Tieres Spottgesicht,

Es ist die böse Gegenkraft

Des Fühlens, das die eigne Seele

Aushöhlet und Lebensleenrheit

In ihr erschafft statt Geistgehalt,

Der vor dem Erdensein erleuchtend

Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

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Des enrsten Tieres Knochengeist,

Er ist die böse Schöpfermacht

Des Wollens, die den eignen Leib

Entfremdet deiner Seelenkraft

Und ihn den Gegenmächten weiht,

Die Weltensein dem Göttersein

In Zukunftzeiten rauben wollen.

[Nun wird das Mantram, zugleich mit den entsprechenden Unterstreichungen - siehe hierzu S. 47-, an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht:

Des dritten Tieres glasig Auge>

Es ist das böse Gegenbild

- es ist nur ein «Bild» -

Des Denkens> das in dir sich selbst

Verleugnet und den Tod sich wählet,

Absagend Geist gewalten> die es

Vor seinem Erdenleben geistig

In Geistes feldern lebend hielten.

Des zweiten Tieres Spottgesicht,

Es ist die böse Gegenkraft

- das erste ist «Bild», das zweite «Kraft» -

Des Fühlens, das die eigne Seele

Aushöhlet und Lebensleerheit

In ihr erschafft statt Geist gehalt>

Der vor dem Erdensein erleuchtend

Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

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Des ersten Tieres Knochen geist,

Er ist die böse Schöpfermacht

- die Steigerung: «Bild», «Kraft», «Macht» -

Des Wollens, die den eignen Leib

Entfremdet deiner Seelenkraft

Und ihn den Gegenmächten weiht,

Die Weltensein dem Göttersein

In Zukunftzeiten rauben wollen.

Und immer mehr fühnrt uns der Hüter am gähnenden Abgrund des Seins näher der wahren Selbsterkenntnis, die uns nur werden kann, wenn Licht ersteht drüben in der schwarzen, nachtbedeck­ten Finsternis. Darum zeigt er uns in den verschiedensten Weisen dasjenige, was er uns zunächst in der Gestalt der Tiere gezeigt hat, was er uns dann zeigt in der Gestalt, wie es diesen mantrischen Sprüchen entspricht, und was er uns jetzt noch einmal beschreibt, damit wir immer näher und näher kommen der Selbsterkenntnis, um zu Flügeln zu kommen, um den Abgrund des Seins zu über­setzen, den wir mit Menschenfüßen, mit den schweren Menschen-füßen, das heißt mit der äußeren illusionären, mit der Maja­Wirklichkeit nicht übersetzen können.

Und so macht uns der Hüter nun - nachdem er uns vertraulich diese mantrischen Sprüche gegeben hat -, so macht uns der Hüter nun aufmerksam, wie wir empfinden sollen weiter über unser Den­ken, wie wir es fühlen sollen - unser Denken - nicht als ein Sein; denn da weben wir nur weiter als Illusion, wenn wir in diesem Denken, das wir als Menschen auf der Erde haben, etwas anderes als Schein sehen. Selbstheitsein, das heißt, das wahre, wirkliche ein von uns, das verbirgt sich im Denken, lebt nicht im Denken, so sagt der Hüter. Man kann nichts anderes tun als untertauchen in den Schein des Denkens, immer weiter, dann gelangt man, indem man tief untertaucht in das scheinende Denken, in den un­ermeßlichen

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Weltenäther, in dem man sich mit der Seele zunächst auflöst.

Da sollen winr, wenn unsere Selbstheit sich da wenigstens im Scheine wankend in der Welt fühlt, da sollen wir verehren die führenden Wesen der höheren Hierarchien, die uns leiten. Da fühlen wir, daß wir diese führenden Wesen der höheren Hierar­chien brauchen.

Dann ermahnt uns der Hüter, daß wir uns vom Denken zum Fühlen wenden, das strömende Fühlen in uns empfinden sollen. Das Denken ist noch ganz Schein. Was wir aber fühlen, das steht unserem Sein wenigstens halb nahe. Wir kommen tiefer in unser eigenes Sein hinein, wenn wir fühlen als wenn wir denken; aber wir sind noch nicht drinnen. Wir sind in der Hälfte unseres Eigen-wesens, wenn wir fühlen; denn das Fühlen hat etwas Unklares, aber auch nie Festes: da mischt sich Schein und Sein im Fühlen. Die Selbstheit, die wir suchen - hier im guten Sinne gemeinte Selbst­heit -, sie neigt dem Scheine sich. Wir sollen jetzt untertauchen in scheinendes Sein, in ein Sein, das nur scheint, in einen Schein, der sich energisiert zum Sein halb; da werden uns fassen Weltenkräfte, die jetzt nicht so sind bloß Schein, sondern halbes Sein: Welten­seelenkräfte. Da sollen wir bedenken in diesem Weben unseres eigenen webenden Wesens im webenden Welten äther, da sollen wir bedenken die Lebensmächte der eigenen Seele, die wir nicht im Denken bedenken können, weil das Denken Schein ist.

Dann sollen wir untertauchen in den Willen, den wir fühlen wie Sein, verborgenes Sein in uns. Wir können es nicht ergreifen. Aber derWille wirkt wie Stoß und Kraft: Sein. DieserWille steigt herauf aus allem Scheineswesen und schafft unser Eigensein, unser wirk­liches Eigensein, hier im guten Sinne gemeint das Eigensein. Dem sollen wir unser Leben zuwenden. Der ist von Weltengeistesmacht erfüllt. Unser Eigensein, es soll die weltschöpferische Macht, die alle Räume, alle Zeiten, alle Geistesgebiete erfüllt, ergreifen und untertauchen in das Wollen.

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Ganz am Abgrund des Seins spricht der Hüter:

Sieh in dir Gedankenweben:

Weltenschein erlebest du,

Selbstheitsein verbirgt sich dir;

Tauche unter in den Schein:

Ätherwesen weht in dir;

Selbstheitsein, es soll verehren

Deines Geistes Führerwesen.

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:

Es mengen Schein und Sein sich dir,

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;

So tauche unter in scheinendes Sein:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;

Die Selbstheit, sie soll bedenken

Der eignen Seele Lebensmächte.

Laß walten in dir den Willens-Stoß:

Der steigt aus allem Scheineswesen

Mit Eigensein erschaffend auf;

Ihm wende zu all dein Leben:

Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht ;

Dein Eigensein, es soll ergreifen

Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Diesen mantrischen Spruch werde ich das nächste Mal an die Tafel schreiben und ihn mit all seinen Eigenheiten erklären.

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Jetzt aber wenden wir uns noch einmal zurück zu alle dem, was in der Vergangenheit gespnrochen hat zu dem Menschen, was in der Gegenwanrt spricht, was in der Zukunft sprechen wird, ihn auf­fordernd zu dem, was ihm auf seinem Lebenswege das Heiligste sein muß: die Selbsterkenntnis.

O Mensch, erkenne dich selbst!

So tönt das Weltenwonrt.

Du hönrst es seelenknräftig,

Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?

Wenr spnricht so herzinniglich?

Wirkt es dunrch des Raumes Weitenstrahlung

In deines Sinnes Seinserleben?

Tönt es durch der Zeiten Wellenweben

In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich

Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd

Erfühlend in Raumes Seelenleere,

Weil du des Denkens Kraft

Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Die nächste esoterische Stunde dieser ersten Klasse soll dann am Donnerstag um acht Uhr stattfinden.

*

Ich habe noch zu sagen, daß die Sprüche, die als mantrische Meditationssprüche von dem Hüter der Schwelle im Auftrage Michaeli gegeben werden, nur für diejenigen sind, die Mitglieder dieser Schule sind. Diejenigen, die sie aus irgendeinem Grunde per­sönlich nicht haben können, können sie mitgeteilt bekommen von jemandem anderen, der Mitglied der Schule ist und sie hat. Jedoch muß in jedem einzelnen Falle angefragt werden, ob so etwas er­laubt ist. Und zwar muß angefragt werden entweder bei Frau Dr. Wegman oder mir. Das ist nicht bloß eine Verwaltungsmaß-regel, sondern es muß alles in unserer anthroposophischen Bewe­gung nunmehr aus Realitäten bestehen. Und diese Mitteilung be­ginnt eben bei der Erlaubnis als einer realen Tatsache, nicht als einer bloßen Verwaltungsmaßregel. Brieflich dürfen die Sprüche nicht versendet werden. Fragen kann nur derjenige Frau Dr.Weg­man oder mich, der die Sprüche jemandem anderen gibt. Es möge also nicht der fragen, der sie empfängt, sondern derjenige, der sie gibt. Man bittet jemanden, der sie geben kann, und der frägt dann.

Wenn irgend jemand etwas anderes mitgeschrieben hat während der Stunde als die Sprüche selbst, dann bitte ich ihn, dies nur acht Tage zu behalten und nach acht Tagen zu verbrennen, damit der Inhalt der Schule, der nur einen Sinn hat, wenn die Michael-Strö­mung durch die Schule geht, damit der Inhalt dieser Schule nicht nach außen kommt und dadurch unwirksam wird. Denn nicht um irgendein obskures Geheimhalten handelt es sich, sondern daß der Inhalt der Schule nicht unwirksam werde. Es ist ein okkulter Grundsatz, der beachtet werden muß.

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Und wir leben in einer ernsten okkulten Schule, in der winrk­lichen Schule Michaelis, geben dasjenige, was durch diese Schule fließt, in dem Zeichen Michaelis:

[Michael-Zeichen]

geben es im Sinne des Rosenkreuzes, mit dem Symbolum des Ro­senknreuz es:

Ex deo nascimur

[untere Siegelgeste]

In Christo morimur

[mittlere Siegelgeste]

Per spinritum sanctum nreviviscimus

[obere Siegelgeste]

und denken bei diesem Siegel und Zeichen Chnristiani Rosenkreutz:

Ich bewundere den Vatenr

[untere Siegelgeste]

Ich liebe den Sohn

[mittlere Siegelgeste]

Ich venrbinde mich dem Geiste

[obere Siegelgeste]


Per signum Michaeli:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimunr

In Chnristo morimunr

Per spinritum sanctum reviviscimus.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 47 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 47
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DRITTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 11. September 1924

Meine lieben Schwestern und Brüder! Für die neueingetretenen Mitgliedenr ist es nicht möglich, wiederum heute die Einleitung mit den Verpflichtungen für die Klasse zu sprechen. Daher fordere ich diejenigen Mitglieder auf, welche dann diesen neu Eingetretenen die Sprüche übergeben werden - unter den Modalitäten, die ich am Schlusse anzuführen habe -, daß sie auch diese Bedingungen an diese neu eintnretenden Mitglieder mitteilen.

Nun, meine lieben Schwestern und Brüder, wir beginnen wie­derum, indem wir vor unsere Seele hintreten lassen diejenigen Worte, die der Mensch, wenn er dazu den Sinn hat, hören kann aus allen Wesen der umgebenden Welt, die er hören konnte in aller Vergangenheit, hören kann in der Gegenwart, hören wird in der Zukunft, die ihm vergegenwärtigen die Aufforderung - die aus dem ganzen Weltenall fortdauernd zu ihm kommt - nach Selbst­erkenntnis, die die wahre Brücke ist zu demjenigen, was der Mensch braucht für sein Denken, für sein Fühlen, für sein Wir­ken in der Welt, wenn er in wahrhaftem Sinne des Wortes Mensch sein will:

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O Mensch, erkenne dich selbst!

So tönt das Weltenwort.

Du hörst es seelenkräftig,

Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?

Wer spnricht so herzinniglich?

Wirkt es dunrch des Raumes Weitenstrahlung

In deines Sinnes Seinserleben?

Tönt es durch der Zeiten Wellenweben

In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich

Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd

Erfühlend in Raumes Seelenleere,

Weil du des Denkens Kraft

Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

* *

Meine lieben Schwestenrn und Brüder, die Beschreibung des Er­kenntnisweges hat uns geführt bis heran an den Hüter der Schwelle. Nachdem uns der Hüter der Schwelle hart am Abgrund des Seins gezeigt hat, wie diejenigen Kräfte, die die Kräfte unseres Men­scheninnern sind - Wollen, Fühlen, Denken - sich ausnehmen vor

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den Augen der Wesen der geistigen Welt; nachdem er uns gezeigt hat, wie in Wahrheit der Mensch aus dem gegenwärtigen Zeit-bewußtsein heraus nicht in bezug auf diese Kräfte, wenn sie inner­lich angeschaut werden, zum vollen Menschentum erwacht ist, sondern vor den geistig-göttlichen Mächten erscheint als die drei Tiere, die nun vor ihn hingestellt werden und die der Hüter der Schwelle ihm gezeigt hat ; nachdem der Hüter der Schwelle diesen zerschmetternden Anblick vor unsere Seele hingestellt hat, zeigt er uns den weiteren Weg, der zur Erhebung in die wahre Selbst­erkenntnis wiederum führt, der gegangen werden muß, wenn die Aufforderung «0 Mensch, erkenne dich selbst!» erfüllt sein soll.

Nachdem er uns zuerst gezeigt hat, wie wir uns stellen sollen zu unserem Denken, Fühlen und Wollen, zeigt er uns - in jenen man­trischen Sprüchen, die in dieser Michael-Schule am Schlusse der letzten Stunde angeführt worden sind -, wie wir uns selber zuerst in unser Denken zu vertiefen haben, zu versenken haben, wie aber dieses Denken Scheineswesen ist, das unser wirkliches Selbst­eigensein nicht tragen kann, wie wir aber dennoch hinaus ver­woben werden - durch dieses Untertauchen in das Scheineswesen -in den Weltenäther und wenigstens kommen zur Verehrung jenes Führerwesens, das uns von Erdenleben zu Erdenleben führt.

Dann zeigt er uns, wie wir in die Gefühle hinuntersteigen kön­nen, wie sich in den Gefühlen Schein und Sein vermählt, wie da mit halber Stärke herauftaucht unser Wesen, die Selbstheit im guten Sinne des Wortes, wie wir aber da bedenken sollen, daß da schon hereinströmt dasjenige, was in den Lebensmächten nicht nur unseres vergänglichen, scheinbaren Seins liegt, sondern in den Lebensm ächten der Welt, des Kosmos.

Erst wenn wir hinuntersteigen in den Willen, fühlen wir Sein in unsere Selbsteigenheit einströmen. Das Scheineswesen verwandelt sich in Sein. Es steigt unser Wesen in den Willen herab, und die weltenschöpferischen Mächte fühlen wir durch unseren Willen strömen.

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Und so waren die Worte des Hüters denr Schwelle hart am Ab-grunde des Seins - wo noch vor uns steht die gähnende Finsternis, die nachtbedeckte Finsternis, in der es hell werden soll, damit wir in ihr finden das Licht, das unser eigenes Selbst beleuchten kann; hinter uns ist die glänzende, sonnenerglimmende physische Wirk­lichkeit, die nun dunkel wird, weil wir unser eigenes Sein in ihr nicht finden können -, da spricht der Hüter der Schwelle die mantrischen Worte:

Sieh in dir Gedankenweben:

Weltenschein erlebest du,

Selbstheitsein verbirgt sich dir;

Tauche unter in den Schein:

Ätherwesen weht in dir;

Selbstheitsein, es soll verehren

Deines Geistes Führerwesen.

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:

Es mengen Schein und Sein sich dir,

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;

So tauche unter in scheinendes Sein:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;

Die Selbstheit, sie soll bedenken

Der eignen Seele Lebensmächte.

Laß walten in dir den Willens-Stoß:

Der steigt aus allem Scheineswesen

Mit Eigensein erschaffend auf;

Ihm wende zu all dein Leben:

Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;

Dein Eigensein, es soll ergreifen

Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

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[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht:

Sieh in dir Gedankenweben.

Weltenschein erlebest du,

Selbstheitsein verbirgt sich dir;

Tauche unter in den Schein:

Ätherwesen weht in dir;

Selbstheitsein, es soll verehren

Deines Geistes Führerwesen.

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:

Es mengen Schein und Sein sich dir,

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;

So tauche unter in scheinendes Sein:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;

Die Selbstheit, sie soll bedenken

Der eignen Seele Lebensmächte.

Laß walten in dir den Wllens-Stoß:

Der steigt aus allem Scheineswesen

Mit Eigensein erschaffend auf;

Ihm wende zu all dein Leben:

Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;

Dein Eigensein, es soll ergreifen

Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

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Einen mantnrischen Spruch hat uns der Hüter der Schwelle ge­sagt, bei dem es nicht bloß darauf ankommt, daß wir seinen Inhalt aufnehmen, bei dem es darauf ankommt, daß wir uns mit unserem ganzen Fühlen hineinversetzen in das Weben und Leben der gei­stigen Welt. Daher ist dieser mantrische Spruch so gestaltet, daß er zunächst wie ein Herunterbe wegen aus der geistigen Welt in seinem Rhythmus erscheint. Jede Zeile beginnt damit, daß eine hochtonige Silbe da ist, der eine tieftonige Silbe folgt. Wir haben im ersten Spruch:

[Während des Sprechens wird über die beiden ersten Silben jeder Zeile an der Tafel das tröchäische Rhythmuszeichen - u gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechen­der Betönung gespröchen:]

Sieh in dir Gedankenweben:

Weltenschein erlebest du,

Selbstheitsein verbirgt sich dir ;

Tauche unter in den Schein:

Ätherwesen weht in dir;

Selbstheitsein, es soll verehren

Deines Geistes Führerwesen.

Dieses Sich-Herunterbewegen der geistigen Welt zu uns ist in die­sem trochäischen Rhythmus zu fühlen. Nur dann nehmen wir in unsere Seele diesen Spruch richtig auf, wenn wir ihn so innerlich fühlend lesen, daß dieses Heruntersteigen der geistigen Welt, dieses Heruntersprechen von geistigen Wesen zu uns, in diesem rhyth­mischen Tonfall wirkt:

Sieh in dir Gedankenweben:

Weltenschein erlebest du,

Selbstheitsein verbirgt sich dir;

Tauche unter in den Schein:

Ätherwesen weht in dir;

Selbstheitsein, es soll verehren

Deines Geistes Führerwesen.

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Der nächste Spruch ist das umgekehrte: Da sollen wir mit dem Gefühl schon hinaufsteigen zum Sein. Da [bei der ersten Silbe] sind wir unten; da [bei der zweiten Silbe] streben wir uns hinauf in das Sein. Der Tiefton geht dem Hochton voraus:

[Während des Sprechens wird über die beiden ersten Silben jeder Zeile an der Tafel das jambische Rhythmuszeichen o - gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechen­der Betönung gespröchen:]

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:

Es mengen Schein und Sein sich dir,

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich ;

So tauche unter in scheinendes Sein:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;

Die Selbstheit, sie soll bedenken

Der eignen Seele Lebensmächte.

Wir müssen leben in den Worten, die in diesem Rhythmus man­trisch geeint sind. Wir müssen sie so fühlen:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:

Es mengen Schein und Sein sich dir,

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;

So tauche unter in scheinendes Sein:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;

Die Selbstheit, sie soll bedenken

Der eignen Seele Lebensmächte.

Daß wir mehr in die Realität hineinsteigen, drückt sich auch darinnen aus, daß wir zunächst «verehren» [das Wort wird an der Tafel unterstrichen], was eine innerlich-seelische Tätigkeit ist ; daß wir dann aufsteigen bis zum «bedenken» [das Wort wird an der Tafel unterstrichen], wo wir allmählich neben die Sache hinkom­men ; daß wir es erst mit « Führerwesen» [das Wort wird unterstrichen],

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die uns lenken, zu tun haben; dann mit «Lebensmäch­ten» [das Wort winrd unterstnrichen], welche die Welt durchwellen und durchleben. In einem mantrischen Spruche ist alles an die rechte Stelle gestellt, und es ist alles in der richtigen Weise in den Organismus des Ganzen gefügt.

Der dritte Spruch, er sagt uns, wie wir das Sein unmittelbar im Willen vernehmen. Wir stehen neben dem Sein. Zwei hochtonige Silben gehen voraus:

[Während des Sprechens wird über die beiden ersten Silben jeder Zeile an der Tafel das spondäische Rhythmuszeichen - - gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechender Betonung gesprochen:]

Laß walten in dir den Willens-Stoß:

Der steigt aus allem Scheineswesen

Mit Eigensein erschaffend auf;

Ihm wende zu all dein Leben:

Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;

Dein Eigensein, es soll ergreifen

Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Hier sind wir noch weiter. Es handelt sich nicht mehr um ein «be­denken», es handelt sich um ein «ergreifen» [das Wort wird unter­strichen], das eine Aktion ist. Die «Weltschöpfermacht» [das Wort wird unterstrichen] statt der «Lebensmacht» ist in der Zeile voran­gestellt, um den völligen Umschwung anzudeuten, den wir durch­machen, wenn wir vom «Schein» durch das «scheinende Sein» zum «Sein» hinaufsteigen.

Der dritte Spruch ist daher so zu fühlen, daß der Anfang einer jeden Zeile in diesem spondäischen Versmaß, spondäischen Rhyth­mus gefühlt wird. Hier haben wir trochäisch [«trochäisch» wird neben den ersten Spruch geschrieben] ; hier jambisch [«jambisch» wird neben den zweiten Spruch geschrieben] ; hier spondäisch [«spondäisch» wird neben den dritten Spruch geschrieben] .

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Laß walten in dir den Willens-Stoß:

Der steigt aus allem Scheineswesen

Mit Eigensein erschaffend auf;

Ihm wende zu all dein Leben:

Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht ;

Dein Eigensein, es soll ergreifen

Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Nachdem der Hüter der Schwelle uns dieses vor die Seele ge­stellt hat, macht er uns aufmerksam, wie wir uns eingliedern müs­sen, wenn wir in der Geist-Erkenntnis weiterschreiten wollen, in den Kosmos, in die Welt; in den Kosmos, in die Welt mit allen ihren Kräften. Denn dasjenige, was in uns zunächst seinem Orte nach nicht zu unterscheiden ist, im Kosmos ist es angeordnet. Im Kosmos können wir hinweisen auf die Orte. In uns ist alles ver­woben. Aber wir gelangen nicht zu einer wirklichen Erkenntnis, wenn wir nicht aufgehen in die Weltenkräfte und Weltenmächte, wenn wir subjektiv in uns bleiben, wenn wir innerhalb unserer Haut beschlossen bleiben, wenn wir nicht aus uns herausgehen und unser Körper die ganze Welt wird. Dann auch wird unsere Seele unser enges Menschenwesen fühlen als ein Glied der Welt. Unser enges Menschenwesen wird der Geist eingliedern in den ganzen Kosmos, in die ganze Welt.

Das aber müssen wir so vollziehen, wie der Hüter der Schwelle uns anweist, indem er uns zeigt, wie von den Tiefen der Erde, die mit Schwere alle Wesen an sich zieht, Kräfte ausgehen, die auch uns hinunterziehen, die unseren Willen binden an die Erde, wenn wir ihn nicht durch inneres Streben frei uns machen. Erdenwänrts geht der Blick. Nach unten geht der Blick, wenn wir die Lokalisa­tion unseres Willens haben wollen. Wir müssen uns wie mit der Schwere der Erde eins fühlen, angezogen fühlen von der Erde und das Bestreben in uns haben, uns von der Erdenschwere frei zu

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machen, wenn winr unseren Willen eins werden lassen wollen mit dem Kosmos, was wir müssen.

Fühle wie die Erdentiefen

Ihre Kräfte deinem Wesen

In die Leibesglieder drängen.

Du verlierest dich in ihnen,

Wenn du deinen Willen machtlos

Ihrem Streben anvenrtrauest ;

Sie verfinstern dir das Ich.

So spricht zu unserem Willen am gähnenden Abgrund des Seins der Hüter der Schwelle im Auftrage Michaels.

Und er verweist uns, indem er unser Fühlen in den Kosmos ein-gliedern will, nun nicht an die Tiefe, er verweist es auf die horizon­talen Weltenweiten, wo von West nach Ost, von Ost nach West die Kräfte schwingen und pendeln und uns durchdringen. Und dieselben Kräfte sind es, die unser Fühlen ergreifen. Göttermächte müssen wir fühlen, die ihre Geisteshelle hereinsenden in diese Wel­lenschläge des Horizontalen, wenn wir unser Fühlen richtig ein-gliedern wollen in die Weltenweiten. Wie wir unseren Willen in die Vertikale eingliedern wollen, unten ihn gebunden fühlen, nach oben ihn befreien wollen, so müssen wir hineinstellen können in die Weltenweiten unser Fühlen. Dann wird es licht in unserem Fühlen. Dann geht etwas durch durch unser Fühlen, das ebenso durch uns hindurchzieht, wie durch die Erdenluft in ihrem Gange von Osten nach Westen die Sonne mit ihrem Lichte leuchtet.

In alle dem, was da durch uns strömt, müssen wir uns aber lie-bend finden. Die Liebekraft allein, die den Menschen durchwebt und durchlebt, kann das, was da von uns gefordert wird. Dann wird Weisheit durch uns durchgewoben, und wir fühlen uns in den weiten Kreisen, in denen die Sonne sich bewegt, als fühlender Mensch, als Selbst, stark für wirkliches, gutes Geistesschaffen.

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Das sagt uns - am gähnenden Abgrund des Seins - als fühlen­dem Menschenwesen, das sagt zu unserem Fühlen der Hüter der Schwelle:

Fühle wie aus Weltenweiten

Göttermächte ihre Geisteshelle

Dir ins Seelenwesen leuchten lassen.

Finde dich in ihnen liebend,

Und sie schaffen weisheitwebend

Dich als Selbst in ihren Kreisen

Stark für gutes Geistesschaffen.

Und wenn der Hüter der Schwelle nun zu unserem Denken sprechen will, daß es sich eingliedert in den Kosmos, dann weist er nicht wie bei dem Willen nach unten, der sich nach oben bewegen soll, dann weist er nicht wie bei dem Fühlen in die weiten Kreise, in deren einem sich die Sonne bewegt, dann weist er in die Höhe, in die Himmelshöhen, wo allein das Selbst selbstlos leben kann, wenn es die Gedankenmächte in dem gnadevollen Von-Oben-Kommen empfangen will, dem Höhenstreben folgen will. Wir stehen unten, das Wort ist oben. Wir müssen tapfer sein innerlich, um das Wort zu vernehmen, denn nur wenn wir tapfer uns halten an Weisheits- und Erkenntnisstreben, ertönt von oben gnadevoll das Weltenwort, spricht von des Menschen wahrer Wesenheit.

Das wiederum sagt uns der Hüter der Schwelle am gähnenden Abgrund des Seins:

Fühle wie in Himmelshöhen

Selbstsein selbstlos leben kann,

Wenn es geisterfüllt Gedankenmächten

In dem Höhenstreben folgen will

Und in Tapferkeit das Wort vernimmt,

Das von oben gnadevoll ertönet

In des Menschen wahre Wesenheit.

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[Nun wird das Mantram an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter belehrt Wellen, Fühlen, Denken:

Fühle wie die Erdentiefen

Ihre Kräfte deinem Wesen

In die Leibes glieder drängen.

Du verlierest dich in ihnen,

Wenn du deinen Wllen machtlos

Ihrem Streben anvertrauest;

Sie verfinstern dir das Ich.

Fühle wie aus Weltenweiten

Göttermächte ihre Geisteshelle

Dir ins Seelenwesen leuchten lassen.

Finde dich in ihnen liebend,

Und sie schaffen weisheitwebend

Dich als Selbst in ihren Kreisen

Stark für gutes Geistesschaffen.

Fühle wie in Himmelshöhen

Selbstsein selbstlos leben kann,

Wenn es geister füllt Gedankenmächten

In dem Höhenstreben folgen will

Und in Tapferkeit das Wort vernimmt,

Das von oben gnadevoll ertönet

In des Menschen wahre Wesenheit.

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Da oben ist denr Ort, wo wir hinschauen müssen, wenn unser Denken sich einen will mit den Kräften des Kosmos. In den Weltenkreisen -Weiten ist das Gebiet, wo wir hinfühlen müssen, wenn unser Fühlen sich einen soll mit den kosmischen Kräften. Unten ist der Ort, wo wir hinblicken müssen, um unser an die Erde gebundenes Wollen, das wir nach oben befreien sollen, in der rich­tigen Weise einzureihen in die kosmischen Gebiete. Da ist überall

- oben, in den Weiten und unten - besonderes Sein. Wir müssen es erfühlen. Der Hüter der Schwelle weist uns in Michaels Auftrag auch dorthin, und er spricht uns von dem, was wir oben und in der Mitte und unten finden.

Er belehrt uns weiter über die Höhe und die Mitte und das Unten, weil er uns belehren will über Denken, Fühlen und Wollen. So spricht er:

Es kämpft das Licht mit finstern Mächten

In jenem Reiche, wo dein Denken

In Geistesdasein dringen möchte.

Du findest, lichtwärts strebend,

Dein Selbst vom Geiste dir genommen;

Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,

Im Stoff das Selbst verlieren.

Wir sind hineingestellt zwischen Licht und Finsternis. Licht will unser Selbst, Finsternis will unser Selbst. Wir haben den Weg zu finden zwischen Licht und Finsternis, um zum Selbst zu kommen. Das liegt in der Mahnung des Hüters der Schwelle.

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Und unsenr Fühlen spricht denr Hüter an:

Es kämpft das Warme mit dem Kalten

In jenem Reiche, wo dein Fühlen

Im Geistesweben leben möchte.

Du findest, Wärme liebend,

Dein Selbst in Geisteslust venrwehend;

Du kannst, wenn Kälte dich venrhärtet,

Im Leid das Selbst verstäuben.

Wiedenrum stehen winr zwischen dem polanrischen Gegensatze drin­nen mit dem Fühlen: zwischen dem liebenden Warmen, zwischen denr warmen Liebe und dem kalten Verhärten, dem verhärtenden Kalten. Winr müssen den Weg finden zwischen den beiden, wenn unsenr Selbst sich finden will.

Und auf das dritte Reich, wo der Wille urständet, weist uns mahnend der Hüter der Schwelle:

Es kämpft das Leben mit dem Tode

In jenem Reiche, wo dein Wollen

Im Geistesschaffen walten möchte.

Du findest, Leben fassend,

Dein Selbst in Geistesmacht verschwinden;

Du kannst, wenn Todesmacht dich bändigt,

Im Nichts das Selbst verkrampfen.

Leben und Tod: Verlieren an das Leben, verlieren an den Tod kön­nen wir unser Wollen, im Leben es verschwinden fühlen, im Tode es verkrampfen fühlen.

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Den Weg müssen wir suchen. Dazu fordert uns der Hüter auf. Das ist dasjenige, wovon in der nächsten Stunde ausgegangen wer­den soll.

Der Hüter weist uns noch einmal hin darauf, wie wir suchen müssen den Weg, um zum Menschen-Selbst zu kommen. Ernste Worte spricht der Hüter da. Denn nicht leicht ist es, jene innere Kraft zu finden, welche hält und trägt und führt das Selbst, das sich finden soll, das sich nicht hat im gewöhnlichen Erdenleben. Wie uns aber der Hüter die Mittel an die Hand gibt, wir wollen es weiter sehen. Am nächsten Sonnabend, wo dieser mantrische Spruch an die Tafel geschrieben werden soll, werden wir den Hüter weiter hören, der uns allmählich, indem er uns die Verirrungen anweist - die wir kennen müssen, um den rechten Weg zu finden -, eben durch das ehrliche Aufzeigen der Verirrungen den rechten Weg weisen will.

Jetzt aber gedenken wir wiederum, zurückblickend auf das Erdenleben - wie wir das müssen jedesmal, wo wir in das Esoteri­sche hineingehen -, jetzt gedenken wir wiederum der Mahnung, die aus allen Wesen und Vorgängen in der Vergangenheit gespro­chen hat zum Menschen, in der Gegenwart spricht zum Menschen, in aller Zukunft sprechen wird zum Menschen:

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O Mensch, erkenne dich selbst!

So tönt das Weltenwonrt.

Du hörst es seelenkräftig,

Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?

Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung

In deines Sinnes Seinserleben?

Tönt es durch der Zeiten Wellenweben

In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich

Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd

Erfühlend in Raumes Seelenleere,

Weil du des Denkens Kraft

Verlierst im Zeitvenrnichtungsstrom.

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Wenn all das, was durch den Hüter in Michaels Namen durch diese Michael-Schule strömt, wenn hier die Unterweisung in der zu Recht bestehenden Michael-Schule an unsere Seele herandringt, dann dürfen wir sicher sein, wenn wir ehrlichen und guten Sinnes sind, daß die Kraft Michaels durch diesen Raum strömt, was be­zeugt werden darf durch des Michael Zeichen:

[Michael-Zeichen]

und durch die Siegelgesten, womit einströmen läßt in die Rosen-kreuzer-Strömung, in den Rosenkreuzer-Tempel Michael die­jenige Kraft, die der Mensch heute zu seinem esoterischen Leben braucht, die da wirkt aus dem dreifachen Quell der Welt, aus dem göttlichen Vater-Prinzip, aus dem Christus-Prinzip, aus dem Prin­zip des Geistes, so daß sich vereint der Rosenkreuzer-Spruch mit dem Michael-Gestus-Siegel:

Ex deo nascimur

[untere Siegelgeste]

In Christo morimur

[mittlere Siegelgeste]

Per spiritum sanctum reviviscimus

[obere Siegelgeste]

was da gefühlt werden muß so, daß die Geste aufgefaßt wird als:

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Ich bewundenre den Vatenr

[untere Siegelgeste]

Ich liebe den Sohn

[mittlere Siegelgeste]

Ich venrbinde mich dem Geiste

[obere Siegelgeste]

Nochmals:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimunr

In Chnristo morimunr

Penr spinritum sanctum reviviscimus

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Zu sagen ist, daß die mantrischen Sprüche, die hier in dieser Schule gegeben werden, nur von denjenigen besessen werden kön­nen, die rechtmäßige Mitglieder dieser Schule sind. Ist irgend jemand, dadurch, daß er Mitglied der Schule ist und nicht an­wesend ist bei einer Stunde, in der er anwesend sein dürfte, nicht in der Lage, hier aus dieser Stunde die Sprüche zu haben, so kann er sie von einem anderen, der sie haben konnte, übernehmen. Das macht notwendig eine Anfrage entweder bei Frau Doktor Weg-man oder bei mir selber. Wenn jemand also die Sprüche empfan­gen will, weil er sie nicht hier hat haben können, so ist anzufragen bei Frau Dr. Wegman oder bei mir selber; aber nicht derjenige kann anfragen, der die Sprüche empfängt, sondern derjenige, der sie ihm gibt. Das muß von vornherein gesagt werden.

Ferner ist zu sagen, daß das nicht eine Verwaltungsmaß regel ist, sondern daß eben das in jedem einzelnen Falle, für jeden einzelnen, dem man die Sprüche geben will, hier geschehen muß, weil es der Anfang eben jener okkulten Handlung ist, durch die man die Sprüche empfängt.

Diejenigen Mitglieder, welche erst in jüngster Zeit eingetreten sind, bis zur heutigen Stunde gekommen sind, können auch nur die Sprüche erhalten, die bis zur heutigen Stunde vorgebracht worden sind, bis zu der Stunde vorgebracht worden sind, die sie mitge­macht haben. Nur in einzelnen Fällen, die wiederum individuell beurteilt werden müssen, kann gefragt werden, ob die anderen, späteren Sprüche gegeben werden können. Brieflich - also auf einem anderen Wege als durch mündliche Mitteilung - können die Sprüche nicht von dem einen an den andern übergeben werden.

Sollte irgend jemand mitschreiben anderes als die Sprüche, so ist er verpflichtet, dieses Mitgeschriebene nur für die nächsten acht Tage zu haben, und es nach acht Tagen zu verbrennen. Dasjenige, was hier in der zu Recht bestehenden Michael-Schule mitgeteilt wird, hat nur Bedeutung in mündlicher Mitteilung - das ist ein inneres okkultes Gesetz -, mit Ausnahme der mantrischen Sprüche.

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Aber bemerkt werden muß, damit die Dinge nicht genommen werden, als wenn sie in einer kindlichen Weise auf Sekretierung hinorientiert wären, daß es bei diesen okkulten Sprüchen so ist, daß wenn sie unrechtmäßig an andere kommen, sie ihre Wirkung verlieren, denn es gehört der Akt der Übertragung zur Wirksamkeit der Schule. Um dieser okkulten Tatsache willen wird in dieser Strenge die Behandlung der Sprüche gefordert.

*

Es ist noch zu sagen, daß morgen die Tageseinteilung diese ist, daß um halb zehn Uhr stattfinden wird der Kursus für Pastoral­medizin, nachmittag um halb vier Uhr der Kursus für Theologen stattfinden wird, daß abends - morgen - ein Mitgliedervortrag sein wird, daß um fünf Uhr nachmittag eine Eurythmievorstel­lung sein wird. Der Sprachkursus ist um zwölf Uhr wie gewöhnlich.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 69 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 69
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VIERTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 13. September 1924

Meine lieben Schwestern und Brüder! Es ist nicht möglich, jedes Mal hier die entsprechende Einleitung zu sprechen über Aufgabe und Bedeutung der Schule und über das Wesen der Mitgliedschaft zur Schule. Trotzdem heute wiederum eine ganze Anzahl neuer Mitglieder hier sind, ist es doch so, daß ich diese Einleitung nicht sprechen werde, sondern fortfahren werde an derjenigen Stelle, an welcher wir das letzte Mal stehengeblieben sind, und diejenigen Mitglieder, welche in dem üblichen Sinne an die Neuaufzunehmenden die bisher vorgekommenen mantrischen Sprüche zu geben haben, ich verpflichten muß, daß sie unter den Bedingungen, die ich dann am Schlusse zu erwähnen haben werde, mit der Übergabe dieser Sprüche auch von den Bedingungen sprechen, welche mit der Aufnahme in die Schule verknüpft sind.

*

Wir beginnen damit, daß wir wiederum diejenigen Worte uns vor die Seele treten lassen, welche aus allen Wesen der Welt, aus allen Vorgängen der Welt so sprechen zu dem Menschen, der einen unbefangenen Sinn dafür hat, daß darinnen die Aufforderung liegt, das Leben des Menschen, der des Menschennamens wert sein will, zu suchen durch wahre Selbsterkenntnis, Selbsterkenntnis, die zur Welterkenntnis führt. Und eigentlich fordern uns ja von allen Seiten her alle Wesen aus allen Reichen der Natur und aus allen Reichen des Geistes auf zu dieser im wahren Sinne des Wortes gehaltenen Selbsterkenntnis, die der Weg der Welterkenntnis ist. So forderten auf alle Wesen der Natur und des Geistes die Men­schen in der Vergangenheit, so in der Gegenwart, so werden sie die

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Menschen auffordern in der Zukunft. Diese auffordernden Worte, die von allen Seiten der Welt, von Ost und West, von Süd und Nord, von Oben und Unten an des Menschen Seele herandringen, wenn er sie hören will, sie mögen auch heute beginnen dasjenige, was diese Michael-Schule Euren Herzen, Euren Seelen bedeuten soll:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Wir haben gesehen, wie herangetreten wird von dem nach Er­kenntnis Suchenden an den Hüter der Schwelle, wie - nachdem der nach Erkenntnis Suchende zerschmettert dagestanden hat unter dem Eindrucke der drei Tiere, die vor dem Antlitz der geisti­gen Welt die wahre Gestalt seines jetzigen Wollens, Fühlens und Denkens darstellen -, wie der nach Erkenntnis Suchende aufge­richtet wird nach und nach von dem Hüter der Schwelle.

Und schon haben wir vernommen, was der Hüter der Schwelle spricht zu dem, den er also aufrichten will, wie er ihn hinweist auf der einen Seite nach oben, hinweist darauf, wie da kämpft in dem Reiche, aus dem die Kraft unseres Denkens in unser Menschen-wesen strömt, das Licht mit finstren Mächten. Der Hüter der Schwelle meint, dies Bild brauchen wir. Wir brauchen es, daß - wenn wir den Ursprung unseres Denkens, die Kraft unseres Denkens in unserem Menschenwesen in der richtigen Weise er­kenntnissuchend fühlen wollen -, daß wir dann hinaufschauen in jene Reiche, aus denen unser Denken kommt, wo aber einen furcht­baren Kampf führen die Mächte des Lichtes, jenes Lichtes, das das Denken in die richtigen Bahnen bringen will, mit den Mächten der Finsternis, die das Denken abbringen wollen von den richtigen Bahnen, es in Irrwege führen möchten. Da oben ist unser Denken verwurzelt. Wir müssen es verwurzelt wissen, wenn wir Erken­nende werden wollen, mit dem Kampf zwischen Licht und Fin­sternis.

Und dann finden wir, wenn wir lichtwärts zu streben verstehen, uns noch immer so, daß wir uns aufrecht erhalten müssen. Und wir müssen wissen, daß wir hineingestellt sind in den Kampf zwischen Licht und Finsternis: Das Licht will uns hinnehmen so­zusagen in eine geistige Lichtohnmacht, die Finsternis will uns hinnehmen und uns im Stoff uns verlieren lassen. Wir aber müs­sen den Gleichgewichtszustand zwischen beiden suchen: nicht

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uns vom Lichte hinnehmen lassen, nicht uns von der Finsternis in Stoff verwandeln lassen, sondern, fest in unserer Eigenheit stehend, das Gleichgewicht finden für unser Denken zwischen Licht und Finsternis.

Wiederum, wenn wir unser Fühlen betrachten, da müssen wir sehen - in jenem Reiche, das mehr im Horizontalen, in denWelten­weiten wirkt und lebt -, wie wir hineingestellt sind in den Kampf zwischen Seelenwärme und Seelenkälte.

In der Seelenwärme wirken alle luziferischen Mächte, die Mächte der Schönheit, die Mächte der Helligkeit, die Mächte, welche uns ohne unser Zutun geben möchten alle göttlichen Kräf­te. Wir würden unselbständig und unfrei werden, wenn sie uns in sich auffangen würden.

Aber auf der anderen Seite stehen die Mächte der Kälte, der Seelenkälte, die von ahrimanischen Wesenheiten durchsetzt sind, die uns in der Kälte das Verlieren unseres Selbstes bringen möchten. Wir müssen wiederum das Gleichgewicht finden zwischen jener Geisteslust, in welche uns die Mächte der Wärme, die Mächte der Hitze, des Feuers bringen möchten, und denjenigen Regionen, in denen in Kälte, mit ungeheurer Intellektualität, mit einer alles überragenden Intellektualität die ahrimanischen Mächte über­zeugen, versucherisch überzeugen möchten. Zwischen beiden müs­sen wir wiederum, um das rechte Fühlen für die Erkenntnis zu finden, uns im Gleichgewichte halten.

Dann, wenn wir auf unser Wollen sehen: nach unten müssen wir blicken. Da ist das Reich der Erde und der Schwere, aus dem zu­nächst für unser Erdenleben auch die Kraft unseres Wollens kommt. Denn die Erde hat in sich nicht nur die Kraft der Schwere, sie hat geistig in sich die Kraft des Wollens im Menschen. Wieder­um stehen wir zwei Mächten gegenüber, den Mächten des Lebens

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und den Mächten des Todes. Wir können verfallen mit unserem Wollen den Mächten des Lebens. Da ist es dann, als ob die Mächte des Lebens uns ergreifen möchten. Sie möchten durch unsere Wil­lenskräfte wollen im kosmischen Zusamnienhange. Wir müssen unser Selbst aufrecht erhalten, mittendurch die Gleichgewichts­lage finden zwischen diesen Mächten des Lebens und den Mächten des Todes, die uns verkrampfen möchten, um unser Wollen in das stoffliche Gestalten ewig hineinzuverweben.

Der Hüter der Schwelle fordert uns an dieser Stelle auf, uns zwischen Licht und Finsternis in der Gleichgewichtslage, zwischen Wärme und Kälte in der Gleichgewichtslage, zwischen Leben und Tod in der Gleichgewichtslage zu halten. Denn nicht das Licht allein ist die Macht, der wir zugehören dürfen. Im Lichte allein würden wir betäubt werden, geblendet werden. Nicht die Finster­nis allein ist dasjenige, dem wir uns verschreiben dürfen, denn da würden wir uns an den Stoff des Finsteren verlieren. Dasjenige, was wir anstreben müssen, ist auf geistige Art dasjenige, was in aller Welt angestrebt wird.

Wo Ihr hinschaut, meine Schwestern und Brüder, wirken in­einander Licht und Finsternis. Schauet an Eure Haare. Das Licht setzt sie Euch ein in Euren Kopf. Aber die Finsternis muß sie durchdringen, sonst würden die Haare lediglich Lichtstrahlen sein. Seht Ihr Euch an Euren ganzen Körper: vom Lichte ist er gewoben. Aber er würde nicht auf Erden Festigkeit haben können, wenn nicht die Finsternis hineinverwoben wäre. Seht Euch an jeglichen Gegenstand, meine Schwestern und Brüder! Die blühenden Pflan­zen: von dem Lichte sind sie geschaffen; doch aus dem Boden her­aufdringen müssen die Mächte der Finsternis, damit aus Licht und Finsternis dasjenige, was die Pflanzen in ihrer festen Konsistenz darstellen, das Wesen der Pflanzen auf Erden, gefunden werden kann.

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So wie in aller Natur gefunden wird der Ausgleich zwischen Licht und Finsternis, so muß der Mensch es seelenhaft in der geisti­gen Welt anstreben, wenn er ein wirklich Erkenntnis Suchender sein will. Und so ist es mit dem Gleichgewichtsstreben zwischen Wärme und Kälte, so ist es mit dem Gleichgewichtsstreben zwi­schen Leben und Tod.

Und so stehen wir am gähnenden Abgrund des Seins, schauen noch immer, indem hinter uns die farbenerglänzenden Reiche der Natur, denen wir mit unseren Sinnen angehören, immer finsterer und finsterer werden, indem uns klar wird: Aus all dem leuchten­den Sinnlichen kommt nicht heraus dasjenige, was unser eigenes Wesen ist, was uns zur Selbsterkenntnis führt. Vor uns ist noch wie eine schwarze Wand die Grenze des finsteren Reiches, in das wir hineinmüssen, damit es Licht darinnen wird durch die Kraft, die wir selber hineinbringen. Wir stehen noch am gähnenden Abgrund des Seins, haben aber schon etwas Mut gewonnen, daß durch die Mahnungen des Hüters uns Flügel wachsen werden, den Abgrund zu übersetzen, damit wir in die Finsternis hineinkommen und es Licht werde in der Finsternis.

Das eben ist eine der letzten Mahnungen, die der Hüter der Schwelle uns gibt und die da lautet:

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Es kämpft das Licht mit finstern Mächten
In jenem Reiche, wo dein Denken
In Geistesdasein dringen möchte.
Du findest, lichtwärts strebend,
Dein Selbst vom Geiste dir genommen;
Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,
Im Stoff das Selbst verlieren.

Es kämpft das Warme mit dem Kalten
In jenem Reiche, wo dein Fühlen
Im Geistesweben leben möchte.
Du findest, Wärme liebend,
Dein Selbst in Geisteslust verwehend;
Du kannst, wenn Kälte dich verhärtet,
Im Leid das Selbst verstäuben.

Es kämpft das Leben mit dem Tod
In jenem Reiche, wo dein Wollen
Im Geistesschaffen walten möchte.
Du findest, Leben fassend,
Dein Selbst in Geistesmacht verschwinden;
Du kannst, wenn Todesmacht dich bändigt,
Im Nichts das Selbst verkrampfen.

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[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter am Abgrund, Gleichgewicht fordernd:

Es kämpft das Licht mit finstern Mächten
In jenem Reiche, wo dein Denken
In Geistesdasein dringen möchte.
Du findest, lichtwärts strebend,
Dein Selbst vom Geiste dir genommen;
Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,
Im Stoff das Selbst verlieren.

Es kämpft das Warme mit dem Kalten
In jenem Reiche, wo dein Fühlen
Im Geistesweben leben möchte.
Du findest, Warme liebend,
Dein Selbst in Geisteslust verwehend;
Du kannst, wenn Kälte dich verhärtet,
Im Leid das Selbst verstäuben.

Es kämpft das Leben mit dem Tode
In jenem Reiche, wo dein Wollen
Im Geistesschaffen walten möchte.
Du findest, Leben fassend,
Dein Selbst in Geistesmacht verschwinden;
Du kannst, wenn Todesmacht dich bändigt,
Im Nichts das Selbst verkrampfen.

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Man wird finden, meine lieben Schwestern und Brüder, wenn man mit rechter Gesinnung und rechtem Sinn sich gerade diesen man­trischen Worten hingibt in innerer Seelenruhe, in voller innerer Opferempfindung für die Hingabe des Geistes, man wird finden, daß in den Worten selbst dasjenige liegt, was in die Gleichgewichts­lage die Seele hineinbringt.

Nun stehen wir als Erkenntnissuchende vor dem Hüter der Schwelle am gähnenden Abgrund des Seins. Der Hüter der Schwelle gibt uns als das nächste eine Belehrung darüber, wie wir, indem wir die Richtung einschlagen wollen zwischen dem Licht und der Finsternis, dem Warmen und dem Kalten, dem Leben und dem Tode, uns aufrecht in unserem eigenen Selbst finden können.

Wir können es nicht anders, meine lieben Schwestern und Brü­der, als wenn wir uns recht darauf besinnen: Um zur wirklichen Erkenntnis zu kommen, ist es notwendig, daß wir eins werden mit der Welt, daß wir ein Gefühl bekomnien gegenüber der Welt, wie der Finger, wenn er fühlen könnte für sich, das Gefühl hat gegen­über dem ganzen Menschenleibe. Würde der Finger fühlen können für sich, so würde er sich sagen: ich bin nur solange Finger, als ich am Menschenleibe bin, als das Blut des Menschenleibes mein Blut ist, als die Pulsation des Menschenleibes meine Pulsation ist. Schneidet man mich ab: ich höre auf ein Finger zu sein. - Der Finger verliert seinen Sinn in Trennung vom Organismus, zu dem er gehört und an dem er allein Finger sein kann.

So muß der Mensch fühlen lernen gegenüber der ganzen Welt. Wir sind ein Glied am geist-seelenhaften Organismus der ganzen Welt, sind nur scheinbar als Menschen abgetrennt von dem geist­seelenhaften Organismus der Welt, müssen uns in der rechten Weise mit dem geist-seelenhaften Organismus der Welt zusammenfinden, müssen zunächst wissen: da sind um uns herum ausgebreitet die

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Elemente Erde, Wasser, Luft, Feuer. Und wir müssen lernen, uns eins zu fühlen unserer Leiblichkeit nach - denn diese ist gegliedert aus diesen Elementen -, uns eins zu fühlen mit diesen Elementen.

Der Hüter der Schwelle gibt uns die Lehre, wie wir das sollen und wie wir das können. Bedenkt jetzt genau dasjenige, was ein­fließt in jene belehrenden mantrischen Sprüche, die an dieser Stelle unseres Vorrückens bis zum Abgrund des Seins der Hüter der Schwelle uns gibt.

Meine lieben Schwestern und Brüder, denkt Ihr Euch, Ihr sto­ßet mit dem Finger tastend an irgendeinen Gegenstand. Ihr wißt, der Gegenstand ist da, wo Ihr hinstoßt. Ihr tastet an einen Gegen­stand. Ihr habt im Gefühle das Einssein mit diesem Gegenstand; denn in dem Augenblick, wo Ihr antastet an einen Gegenstand, ist eine Tastempfindung dasjenige, was einen Finger, oder womit Ihr sonst tastet, eins macht mit dem Gegenstande. Nun denkt Ihr Euch, Ihr seid im Ganzen wie ein Finger, wie ein tastendes Glied. Ihr steht auf der Erde, auf dem Element Erde; Ihr steht, weil die Erde als ihre hauptsächlichste Eigenschaft das Element der Schwere hat. Ihr tastet mit Euren Fußsohlen auf die Erde, ganz gleichgültig, ob Ihr auf einem Zimmerparkettboden oder wo­anders steht draußen auf der freien Erde. Es komnit darauf an, daß Ihr fühlet im Stehen das Tasten an der Schwere des Erden-elementes. Ihr könnet auf dem Berge oben stehen, auf einem Turm:

Ihr empfindet - wie Ihr am Ende Eures Fingers empfindet das Harte und Weiche, das Warme und Kalte -, im Tastprozeß emp­findet Ihr Eure Einheit, wenn Ihr Euch im Ganzen als Finger denkt, an Euren Fußsohlen, wo Ihr die Schwere empfindet.

Das sagt der Hüter der Schwelle, indem er ermahnt, in der fol­genden Weise:

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

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Daß Erdenkräfte unsere Stütze sind, daß das Erdenelement uns stützt, damit wir nicht versinken, das sagt uns der Hüter der Schwelle an dieser Stelle.

Aber dann führt er uns weiter, wenn wir nun fühlen nicht nur, wie wir als ganzer Finger unten aufstehen, sondern wenn wir nun dasjenige, was im Innern des Fingers ist, fühlen: Es ist zunächst das Wasserelement, das Flüssige. Denn alles, was im Menschen ist - das ist selbst äußerlich mit physischer Wissenschaft zu verfol­gen -, ist aus dem flüssigen Elemente herausgeboren. Das Feste ist erst aus dem Flüssigen abgeschieden, wie das Eis aus dem Wasser. Wir müssen aufsteigen zum Erfühlen des zweiten Elementes. Da draußen ist überall das Flüssige in der Welt. In uns werden unsere eigenen Bildekräfte aus dem flüssigen Elemente heraus geformt. Es formen uns die Bildekräfte. Unsere Lunge, unsere Leber sind fest geformt, aber sie erstarren aus dem flüssigen Elemente heraus. So wie wir die Erde fühlen als Stütze, so fühlen wir, indem wir unsere Organe fühlen, aus dem Wasserelemente heraus uns als Mensch gebildet. Die Wasserkräfte sind unsere Bildner; die Erde ist unsere Stütze. Deshalb ermahnt uns der Hüter der Schwelle:

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis

- überall können wir tasten, aber wenn wir das Tasten selber fühlen -

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

Nun mahnt uns der Hüter der Schwelle weiter. Er mahnt uns, wie wir einheitlich auch werden können mit den Luftgewalten. Die Luft atmen wir ein. Wir können wissen, wenn wir die Luft in unrechter Weise einatmen, daß wir Gefühle bekommen, daß das mit unseren Gefühlen zu tun hat; daß wir Gefühle bekommen,

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die uns ängstigen, die die Kohärenz unseres Seins durchbrechen. So wie das Wasserelement uns bildet, so pflegt uns das Luft-element. Der Hüter der Schwelle mahnt uns:

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

Nun führt uns der Hüter weiter zum Wärmeelement. Mit der Wärme fühlen wir uns ja innig verbunden. Die Erde als Stütze fühlen wir noch außer uns. Von der Art und Weise, wie die Wasser­kräfte in uns bilden - während des Wachstums zum Beispiel -, wissen wir wenig; das bleibt im Unterbewußtsein. Ins Gefühl her­ein dringen die Luftgewalten nur, wenn sie abnorm werden, wenn sie nicht normal wirken. Aber mit der Wärme, wenn wir sie im rechten Maße im Menschenwesen haben, fühlen wir uns einheit­lich. Wir werden seelenwarm, wenn wir äußere Wärme empfin­den, in unserem ganzen Menschenwesen. Wir erstarren, wenn wir äußere Kälte erleben müssen. Wärme und Kälte sind eins in einer ganz anderen Art in der Elementarwelt mit uns. Das sind weder bloße Stützen, noch Bildner, noch Pfleger, das sind unsere wahren Helfer zum physischen Dasein. Der Hüter der Schwelle ermahnt uns:

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

Wenn wir befolgen alles dasjenige, was in dieser Aufforderung liegt, dann werden wir den Weg finden, zunächst unser Leibliches mit den Elementen zu vereinigen im Bewußtsein. Denn in Wirk­lichkeit ist unser Leibliches eins mit den Elementen. Und in ver­schiedenen Graden ist unser Leibliches eins mit den Elementen. Zunächst mit dem Element der Erde in äußerlich mechanischer Weise. «Stütze» ist uns das Erdenelement; das ist äußerlich mechanisch.

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Es wird schon innerlicher, aber noch immer etwas, was im Formen und im Gestalten besteht, was noch nicht ins Seelische geht: Wasserwesen bilden uns, sind unsere «Bildner». Nun dringt es völlig ins Moralische herauf, wenn wir mit dem Luftelemente eins werden. Das Luftelement ist nicht mehr bloß ein äußerlicher Gestalter, es ist unser Pfleger. Und unsere Gefühle werden Angst-gefühle, wenn uns nicht das richtige Atmen pflegt. Die Luft-gewalten sind «Pfleger»; «Helfer», daß wir überhaupt Erden-wesen sein können, «Helfer» sind Wärme und Kälte; das sind Feuermächte. Das ist völlig ins Moralische schon heraufgestellt.

Und so heißt die Summe der Ermahnungen von seiten des Hüters der Schwelle als die Steigerung, im Steigern der Elemente:

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben:]


             Die Lehre des Hüters:

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

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Wir haben die Steigerung [an der Tafel wird unterstrichen]:

«Stütze», «Bildner», «Pfleger», «Helfer».

Wir haben noch eine andere Steigerung. Denn in einem man­trischen Spruch steht jedes Wort an seiner richtigen Stelle, und es ist kein Wort da, das bloß etwas ausfüllen soll. Alles deckt sich mit dem inneren Sinn, mit dem wir uns vereinen sollen, indem wir einen solchen mantrischen Spruch meditieren. Wir haben eine Steigerung [es wird an derTafel unterstrichen]: «ertaste», «erlebe», «erfühle», «erdenke». Es ist eine besondere Steigerung. So müssen wir auch den inneren sinnvollen Bau eines solchen mantrischen Spruches meditierend erleben.

Wenn der Hüter dieses gesagt hat, faßt er es noch einmal zu­sammen in einer Zeile:

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

So hat uns der Hüter der Schwelle geführt zu inneren Sprucherlebnissen, durch die wir unser Leibliches vereinigen können mit den Elementen, zu denen es gehört.

Er leitet uns weiter hinauf in das Seelische. Da weist er uns nicht an die Elemente Erde, Wasser, Luft, Feuer, da weist er uns an die Planeten, an die Wandelsterne. Da weist er uns dahin, wie wir fühlen sollen, wie in dem Kreislauf der Planeten - in demjenigen, was durch die Planeten als Kreise um die Erde gezogen wird - der eine und der andere Planet den Kreis zieht. Die Kreise haben ihr Verhältnis und sprechen miteinander, wenn der Mensch sich see­lisch zu diesem Geheimnis der weltenweisenden Sternenmächte, der Wandelsternenmächte erhebt. Dann lebt er sich mit seinem

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Seelischen ins geistige Reich des Kosmos hinein, wie er sich vorher mit seinem Leibe in das Reich der Elemente hineingelebt hat. Sich eins fühlen mit dem Kosmos seelenhaft können wir nur, wenn wir uns ins Reich der Wandelsterne, der Planeten mit ihren Bahnbeschreibungen hineinleben. Das sagt uns der Hüter der Schwelle mit den Worten:

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

[Es wird nun an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

Wiederum faßt der Hüter der Schwelle dasjenige, was in diesen beiden Zeilen als richtunggebende Kraft liegt, als das Einsfühlen der Geheimnisse der Seele mit den Wandelsternen, zusammen in die Zeile:

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erwese dich

- das heißt: mache dich seiend -

durch den Weltenkreis.

Die Weltenkreise der verschiedenen Wandelsterne sind zusammen­gezogen in den einen Weltenkreis. Damit haben wir Leib und Seele mit der Welt als eins empfunden: den Leib mit den irdischen Ele­menten, die Seele mit den Wandelsternen.

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Wollen wir den Geist eins fühlen mit dem Weltenall, da können wir weder hinschauen zu den Elementen, da können wir auch nicht hinschauen zu den Geheimnissen der Wandelsterne, da müssen wir den Blick hinaufrichten zu den Fixsternen, zu den Ruhesternen. Denn da ist die Macht, mit der wir unseren Geist als eins fühlen müssen draußen im weiten Weltenall, wenn wir im wahren Sinne des Wortes uns als ein Glied dieses Weltenalls fühlen wollen. Da beginnt die Welt in der Weltensphärenmusik zu tönen. Deshalb ermahnt uns der Hüter der Schwelle:

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

[Es wird nun an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.


Und wiederum faßt der Hüter der Schwelle zusammen, was in dieser Aufforderung steht, in den einen Satz:


<poem>
O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelsweisheit.

Unser Geistsein ist in jedem Augenblicke ein Schaffen unseres Selbst.

[Es wird nun an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelsweisheit.

Wir stehen in diesem Falle, wenn wir richtig empfinden und fühlen, verinnerlicht vor dem Hüter der Schwelle. Wir gedenken, wie ertönt uns hat das Wort von der Selbsterkenntnis aus allen

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Wesen noch in einer abstrakten Form, wie es an uns herangeklun­gen ist von allen Seiten des natürlichen und des geistigen Seins. Aber das eine Wort: «0 Mensch, erkenne dich selbst!», es ist jetzt in seine einzelnen Glieder auseinandergelegt. Es zerfällt jetzt in eine Aufforderung von eins, zwei, drei, vier, funf, sechs, sieben, acht, neun Glieder. Das «0 Mensch, erkenne dich selbst!» sollen wir gewissermaßen in neun Strahlen sehen. Dann wird es erfüllt von dem, was unsere Meditation braucht.

So sollen wir fühlen. Und so sollen wir gewissermaßen dem Hüter der Schwelle geloben, daß wir seine Mahnung erfüllen:

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

O Mensch, erwese dich durch den Weltenkreis.

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelsweisheit.

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Wir fassen eine Art Gelöbnis vor dem Hüter der Schwelle, daß wir das in immerwährendem Gedenken an seine Ermahnungen uns mantrisch durch die Seele ziehen lassen.

Und schauen wir immer wieder und wiederum zurück: bei jedem Schritte fühlen wir uns verpflichtet, uns zu erinnern an das, was diesseits der Schwelle vorgeht. Und diesseits der Schwelle hat uns eben jeder Stein und jede Pflanze, jeder Baum, jede Wolke, jede Quelle, jeder Fels, jeder Blitz, jeder Donner zugerufen:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Wenn so mit der vollen spirituellen Kraft vom Hüter der Schwelle in diesem Raum erklingen die Worte, die er uns als die­nendes Glied der Michael-Macht, der regierenden Macht unserer Zeit, zuruft, wenn so diese Worte erklingen, dann können wir, weil von Michaels Macht selber diese esoterische Schule eingesetzt ist, sicher sein, daß Michael weilt mit seiner Kraft, mit seinem Geiste, mit seiner Liebe, daß Michael weilt geistig-seelisch unter uns.

Und das darf auch bestätigt werden - da, wo verantwortlich ge­fühlt wird dasjenige, was die Schule leitet, gegenüber der Michael-Macht so, daß nichts anderes durch diese Schule strömt als das­jenige, was in dem heiligen Willen Michaels selber liegt -, das darf bekräftigt werden durch Michaels Zeichen und Michaels Siegel; dieses Michael-Zeichen:

[Michael-Zeichen]

und das Michael-Siegel, mit dem bekräftigt wird, daß in die wahre rosenkreuzerische Schulung einzieht die Michael-Macht und so verbunden wird dasjenige, was in der Michael-Schule gelehrt wird, mit Michaels Siegel, das die Rosenkreuzer-Stiftung besiegelt in dem Rosenkreuzer-Spruche, der mit den Siegelzeichen versehen also gesprochen wird:

Ex deo nascimur

[untere Siegelgeste]

In Christo morimur

[mittlere Siegelgeste]

Per spiritum sanctum reviviscimus

[obere Siegel geste]

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und das heißt:

Ich bewundere den Vater

[untere Siegelgeste]

Ich liebe den Sohn

[mittlere Siegel geste]

Ich verbinde mich dem Geiste

[obere Siegelgeste]


«Ich bewundere den Vater»: indem wir den Spruch «Ex deo nasci­mur» sprechen, geht das fühlend durch unsere Seele;

«Ich liebe den Sohn»: mit dem Spruch «In Christo morimur» stumm gefühlt durch die Seele ziehend;

«Ich verbinde mich dem Geiste»: stumm gefühlt bei dem Spruche «Per spiritum sanctum reviviscimus».

Die Sprüche des Hüters der Schwelle kommen an Euch, meine Schwestern und Brüder, mit Zeichen und Siegel Michaels:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

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Die Sprüche, welche in dieser Schule mitgeteilt werden, können nur diejenigen besitzen, die rechtmäßig in die Schule als Mitglieder aufgenommen sind. Diejenigen, die nicht anwesend sein können bei einer Stunde, wo Sprüche gegeben werden, können diese Sprü­che erhalten von solchen, die sie in der Schule selbst haben erhalten können. Doch muß, um diese Sprüche zu erhalten, in der Weise erst die reale Erlaubnis entweder von Frau Dr. Wegman oder mir angesucht werden. Dieses Ansuchen an Frau Dr. Wegman oder mich selber kann nur geschehen von demjenigen, der die Sprüche einem andern geben will. Es soll also von vornherein nicht der­jenige ansuchen - es hat keinen Zweck -, der sie bekommen will. Er kann zu einem andern gehen, kann ihn bitten, daß er sie ihm gibt; aber fragen muß derjenige, der sie gibt, in jedem einzelnen Fall. Das ist nicht eine Verwaltungsmaßregel, sondern es ist eine okkulte Einrichtung, die bestehen muß, weil die Übergabe be­ginnen muß mit diesem realen Akte.

Es kann auch nicht - weil das vorgekommen ist, muß ich es im besonderen sagen -, es kann auch nicht, wenn nicht besondere Gründe vorliegen, so daß eine Verständigung mündlich nicht mög­lich ist, es kann auch nicht schriftlich angesucht werden, sondern es muß mündlich angesucht werden. Am wenigsten darf innerhalb der Esoterik auch nur der Schein, der fernste Schein eines büro­kratischen Wesens sich einleben. Alles muß im Lebendigen stehen wie überhaupt in der Anthroposophischen Gesellschaft.

Dann ist zu sagen, wer mehr nachschreibt als die Sprüche, der ist verpflichtet, das Nachgeschriebene nur acht Tage zu haben und es dann zu verbrennen. Denn es ist nicht gut, wenn die Dinge länger irgendwie verbleiben. Sie können alle möglichen Wege nehmen. Das Esoterische muß so behandelt werden; das ist nicht eine willkürliche Maßregel. Im Esoterischen ist alles aus den wirk­lichen okkulten Untergründen heraus bestimmt. Und wenn eso­terische mantrische Sprüche in unrechter Weise hinauskommen über diejenigen Mitglieder, die dazu berechtigt sind, in realer Weise

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dazu berechtigt sind, indem sie entweder direkt hier, bei ihrem Sitzen hier die Sprüche erhalten haben, oder sie auf dem angedeu­teten rechtmäßigen Wege erhalten haben, - wenn sie an andere kommen, die sie nicht auf einem so rechtmäßigen Wege erhalten haben, verlieren für alle, die die Sprüche haben, diese Sprüche ihre spirituelle Kraft. Das ist ein okkultes Gesetz. Und es gibt eben in der Geisteswelt Gesetze, die nicht übertreten werden können un­gestraft. Also es handelt sich nicht um eine willkürliche Maßregel, sondern um die Einhaltung eines okkulten Gesetzes.

Nun habe ich zu verkündigen, daß morgen sein wird wiederum um halb zehn Uhr der Kursus für Pastoralmedizin, um zwölf Uhr mittags der Kursus für Sprachgestaltung und dramatische Kunst, nachmittags um halb vier Uhr der Kursus für Theologen, und abends um achteinviertel Uhr wird ein Mitgliedervortrag sein. Um fünf Uhr wird die Eurythmieaufführung sein. Die nächste eso­terische Stunde, die dann abrunden soll diese Michael-Lehren, die bekommen worden sind, wird am Montag um halb neun statt­finden.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 93 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 93
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FÜNFTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 15. September 1924

Meine lieben Schwestern und Brüder! Auch heute sind ja wieder­um neue Mitglieder zu dieser Schule gekommen. Es ist nicht mög­lich, jedes Mal die Einleitung zu sprechen, welche von den Pflich­ten und der Bedeutung dieser Michael-Schule handelt. Daher muß ich diejenigen Mitglieder, welche in der Weise, wie ich das am Schlusse sagen werde, herankommen, um den Neuaufgenommenen die mantrischen Sprüche zu übergeben, auffordern, ihnen auch diese Einleitung zu geben, welche notwendigerweise eigentlich jeder wissen muß, welcher Mitglied dieser Schule sein will.

Und so werden wir denn unmittelbar beginnen damit, auch heute wiederum die Worte in unsere Seele einzuschreiben, welche dem Menschen, der Unbefangenheit genug dazu hat, entgegentönen aus allem, was in den Reichen der Natur, in den Hierarchien der Welt uns Menschen umgibt. In der Vergangenheit haben diese Worte dem Menschen aus allen Steinen und Pflanzen, Wolken, Sternen, aus Sonne und Mond, aus Quell und Fels entgegengetönt. Sie tönen ihm in der Gegenwart entgegen; sie werden ihm in der Zukunft entgegentönen:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Nun, meine lieben Schwestern und Brüder, in der Beschreibung des Erkenntnisweges sind wir dahin gelangt, daß wir am Abgrund des Seins stehen vor dem Hüter. Der Hüter der Schwelle hat uns klargemacht, wie dasjenige, was uns in der äußeren Welt umgibt, niemals unser eigenes Wesen uns enthüllen kann, wie alles Hin­schauen auf die Reiche der Natur, auf dasjenige, was unten auf und aus der Erde lebt und webt, was oben aus dem Reich der Sterne scheint und spricht - soweit wir es mit den Sinnen anschauen kön­nen, soweit wir es anschauen können mit unserem Verstande -, daß das alles nichts bietet, was uns Aufklärung geben kann über das Wesen unseres eigenen Selbstes, daß dunkel und finster diese Helligkeit, dieses Glitzernde im Sonnenschein, dieses Webende und Lebende, das so groß und gewaltig, so schön und herrlich in bezug auf die äußere Welt ist, daß das dunkel und finster bleibt für unser wahres Selbsterkennen.

Dann ist uns beschrieben worden, wie wir nach und nach uns nähern dem Hüter, der uns wie aus Wolken dasein heraus als Geist-gestalt sich formt, sich uns im Ebenbilde zeigt, doch auch wieder­um zeigt, was wir zu erstreben haben als Mensch, um zur Selbst­erkenntnis zu kommen.

Dann sind wir hingetreten vor diesen Hüter der Schwelle. Er hat uns gezeigt, wie die wahre Gestalt unseres Wollens, Fühlens, Denkens vor dem Antlitze der Götter ist. Er hat uns gezeigt, wie dasjenige, was in uns lebt als Mutlosigkeit und Furcht vor der Erkenntnis, als Haß auf die Erkenntnis, als Zweifel an der Er­kenntnis, doch in uns ist, weil unsere Zeitenbildung das in uns versenkt. Er hat uns die Tierformen unseres Wollens, Fühlens, Denkens gezeigt. Niederschmetternd mußte er wirken auf uns, der Hüter der Schwelle, um uns im Niederschmettern eben ge­rade aus dem Weben und Wesen unserer eigenen Seele auferwachen zu lassen diejenigen Kräfte, die zur wahren Selbsterkenntnis führen.

Dann aber hat uns der Hüter der Schwelle aufgerichtet, uns

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allerdings zunächst zeigend, wie unser Denken, so wie wir es im gewöhnlichen Leben haben, der Leichnam des lebendigen Denkens ist, das wir in uns tragen, bevor wir aus geistig-seelischen Welten heruntergestiegen sind in physisch-sinnliches Dasein. Er hat uns gezeigt, der Hüter der Schwelle, wie wir mit unserem Leibe ein Sarg sind für das mit unserem Erdendasein ersterbende lebendige Denken, das als Leichnam in diesem Sarge liegt. Aber diesen Leich­nam benutzen wir in diesem gewöhnlichen abstrakten Denken, das wir zwischen Geburt und Tod in uns tragen, um die Dinge der physisch-sinnlichen Welt zu begreifen.

Gerade wenn wir erfassen, wie tot dieses Denken ist, dann wird uns aufgehen an der Erfassung des toten Denkens, was wir lernen können an dem Leichnam, der vor uns liegt. Wir schauen diesen Leichnam an. Wir sagen uns: so wie er als Leichnam vor uns liegt, so hätte er niemals entstehen können. Er ist übriggeblieben als Rest von einem Menschen, der lebend geistig-seelisch in ihm war. Der lebendige Mensch, der beseelte Mensch, der durchgeistigte Mensch mußte dem vorangehen, was hier als Leichnam vor uns liegt. Dann erst erkennen wir die Realität des Leichnams, wenn wir dasjenige ins Auge fassen, was ihm vorangeht. Und so nähern wir uns der Realität unseres Denkens, wenn wir es in seiner Totheit gewahr werden, und wissen, daß es der Leichnam ist des lebendigen Den­kens, das uns innewar, bevor wir heruntergestiegen sind ins phy­sisch-sinnliche Erdendasein.

Und so erinnert uns der Hüter, wie unser Fühlen nur halb leben­dig, unser Wollen allerdings ganz lebendig ist, aber all dieses Leben­dige uns nur äußerlich zum Bewußtsein kommt.

Und so erinnert uns der Hüter der Schwelle, wie wir, um all­mählich den Übergang zu finden zum lebendigen Erfassen des Denkens, hinaufschauen sollen in Himmelshöhen; wie wir in die Weltenweiten blicken sollen, um die Natur des Fühlens zu er­fassen, und in die Weltentiefen, in die Erdentiefen, um zu ahnen die Natur des Wollens.

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Zugleich aber zeigt uns der Hüter, wie wir hineingestellt sind mit unserem Denken - indem wir hinaufblicken in das Welten-denken, in dem unser irdisch-menschliches Denken wurzelt -zwischen Licht und Finsternis; wie das Licht uns gefährlich wer­den kann, wenn wir uns ihm einseitig hingeben; wie die Finsternis uns gefährlich werden kann, wenn wir uns ihr einseitig hingeben; wie wir Richtung und Ziel mittendurch zwischen Licht und Fin­sternis für unser Denken, wenn es die Wahrheit finden soll, suchen müssen; wie wir mit unserem Fühlen mittendrinnen stehen zwi­schen dem Warmen und Kalten; und wie wir, wenn wir uns dem Warmen ergeben, in der lustvollen Glut des Fühlens verschwinden können, auf der anderen Seite in der Kälte verhärten können.

Der Hüter der Schwelle weist uns hin, wie wir mittendurch durch das Seelenwarme und das Seelenkalte den Christus-Weg gehen sollen. Der Hüter der Schwelle weist uns hin, daß, wenn wir das Wollen suchen in Erdentiefen, wir uns mittendrinnen befinden zwischen Leben und Tod; wie das Leben uns in Ohnmacht ver­schwinden lassen will; wie der Tod uns verkrampfen will im Nichts; wie wir für das Wollen die Richtung zwischendrinnen, mittendurch werden finden müssen. Das aber, das ist es, meine lieben Schwestern und Brüder, was seit uralten Mysterienzeiten als der mittlere Weg beschrieben worden ist, den die Menschenseele zu gehen hat, wenn sie die ihr vorgezeichneten Wege ins Geistige hin­ein weiter gehen soll.

Der Hüter der Schwelle, vor dem wir stehen - vor dem wir stehen als dem ernsten ersten Vertreter Michaels, denn der wirk­liche Leiter dieser unserer Schule ist Michael -, gibt uns weiter Anleitung, wie wir über den Schein des Denkens, über dieses tote Denken hinauskommen können in das lebendig Wesenhafte dieses Denkens. Da müssen wir uns dazu bequemen, vor allen Dingen streng die Gesetze zu halten, welche jedem Esoteriker mit gol­denen Lettern vorgeschrieben sind - er muß nur das Gold ergrei­fen -, welche uns jetzt der Hüter der Schwelle wiederholt.

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Er macht uns aufmerksam darauf, wie der gähnende Abgrund des Seins vor uns ist, wie wir hinüberfliegen müssen, weil wir ihn mit Erdenfüßen nicht überschreiten können, wie wir dann in die geistige Welt hineinkommen werden, denn drüben, jenseits des gähnenden Abgrundes des Seins, ist tiefe, nachtbedeckte Finsternis noch vor uns. Aber wir müssen hinein über den gähnenden Ab­grund des Seins in diese tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis. Aus ihr muß uns Wärme, aus ihr muß uns Licht werden, das unser eigenes Selbst beleuchtet, die unser eigenes Selbst erwärmt. Wir können nicht den festen Stützpunkt im Geiste finden, wenn wir nicht jederzeit, wenn wir drüben sein werden, an das Gelöbnis uns erinnern, das sich unsere Seele gibt, wenn sie jetzt in dieser Lage, nachdem sie die früheren Mahnungen erhalten hat, vor dem ern­sten Hüter der Schwelle steht, der ihr sagt:

Vergiß nicht, daß du, solange du Erdenmensch bist, auch wenn du hinüberkommst in die geistigen Welten, daß du dich, indem du wiederum zurück dich begibst, den Gesetzen des Irdischen fügen mußt. Du darfst nicht, wenn du mit deinem Denken eintrittst in die geistige Welt, glauben, daß wenn du wiederum zurückkommst, deine Arbeit und dein Denken in Erdenumgebung verrichtest, daß du schwärmerisch fliegen darfst innerhalb der Erdenumgebung. Du mußt dir das Fliegen wahren für das Denken, wenn du in der geistigen Welt bist. Du mußt die tiefe innere, intime Bescheidenheit üben, immer wieder ein Mensch unter Menschen sein zu wollen, wenn du zurück hinübertrittst in die gewöhnliche Welt des ge­wöhnlichen Bewußtseins. Gerade aus einem solchen bescheidenen Bleibenwollen in der Welt, Nichtanwenden auf die gewöhnliche Welt die Gesetze des geistigen Lebens, wird dir Kraft werden, das Denken so zu erfassen, daß es dir dienen kann in geistigen, in spiri­tuellen Welten.

Über das Denken unterrichtet uns daher der Hüter der Schwelle also:

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Du steigst ins Erden-Wesenhafte
Mit deines Willens Kraftentfaltung;
Betritt als Denker du das Erdensein,
Es wird Gedankenmacht dir dich
Als deine eigne Tierheit zeigen;
Die Furcht vor deinem Selbst
Muß dir in Seelen-Mut sich wandeln.

Wir müssen das durchmachen; indem wir den mantrischen Spruch auf uns wirken lassen, müssen wir das durchmachen. Wir müssen, wenn wir eintreten wollen ins Wesenhafte der Erde, das heißt in das Geistige der Erde, wir müssen, meine lieben Schwestern und Brüder, dahin kommen, daß wir schauen, wie unser Denken zu­nächst noch Tierheit ist. Furcht vor dem eigenen Selbst, das noch Tier ist, müssen wir erleben; dann wird die Furcht ihr Gegenteil, den Mut gebären, den wir brauchen. Das ist die nunmehr an uns dringende starke, aber ernste, tief ins Herz uns schneidende Ermahnung des Hüters der Schwelle. Er ermahnt uns, daß wir so fühlen sollen, wenn wir das Element der Erde betreten. Wir haben vom Betreten der Elemente gehört durch den Hüter der Schwelle.

Er ermahnt uns weiter, wenn wir uns als fühlende Wesen in das flüssige Element begeben, in die Welt der Wasserwesen, wie wir da jetzt nicht die Furcht vor unserem Selbst gewahr werden sollen, aber gewahr werden sollen, wie wir träumend schlafen, schlafend träumen in diesem Wasserelemente, in diesem Flüssigkeitselemente, das unser Bildner ist, wie wir gesehen haben. Und gerade wenn wir uns bewußt werden, daß wir in diesem unserem menschlichen Erdenfühlen wie im Pflanzendasein leben, dann wird dieses Ge­fühl uns zum Erwachen bringen; denn es wird uns zeigen, wie lahm unser Selbst ist. Dann werden wir erwachen, wenn wir erst

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die Bescheidenheit haben, die Lahmheit unseres Selbstes einzu­sehen.

Das dritte ist, wenn wir uns mit unserem Wollen in den Lüften fühlen - zuerst im Erdenelemente mit dem Denken, dann im Was­serelemente mit dem Fühlen, dann mit dem Willen in dem Lüfte­elemente-, dann werden wir fühlen in dem Lüfteelemente, daß wir nichts haben in diesem Wollen zunächst als dasjenige, was uns das gewöhnliche Gedächtnis gibt: Gedächtnisbilderformen. Wir müssen diese Bilderformen, die in unseren Gedanken ruhen, die passiv in unseren Gedanken sind, wollend ergreifen, dann ergreifen wir im inneren Bilde das Lüftewesen. Und die eigene Seele wird uns erscheinen, wenn wir uns so fühlen im Lüftewesen, wie wenn sie erstarrt wäre. Wenn wir uns die Erde wegdenken, die Luft wegdenken, uns atmen-wollend denken im Lüftewesen: wie erstarrt werden wir uns vorkommen. Aber gerade aus der Empfindung dieses Kältetodes, den wir da durchmachen, wird uns das Geistes-feuer kommen, das wir brauchen, um unser Wollen wirklich zu ergreifen.

Es sind tiefe Sprüche, die uns da der Hüter der Schwelle vor die Seele stellt. Nur wenn wir sie wohl beachten und hineingeraten in die Furcht vor uns selber, wie wir nichtig werden, wenn wir uns der Erde gegenüber nur als denkend fühlen, wird uns der Seelenmut zum lebendigen Denken erwachsen. Wenn wir fühlen, wie lahm wir sind, wenn wir auf Erden fühlen, halb lebendig, gelähmt, wird uns die Stärke wachsen, die uns erwachen läßt, so daß wir wie erwachend sind im geistigen Leben mit dem Fühlen, in dem wir waren, bevor wir heruntergestiegen sind ins physische Erdendasein. Dann, wenn wir hinuntersteigen in unser Gedächtnis, wol­len mit unserem Gedächtnis in dem Lüfteweben, in dem Augenblick

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fühlen wir uns wie sklerotisiert und kalt durchschauert. Aber gerade, wenn wir diesen kalten Schauer in uns fühlen, wird aus der Kälte wiederum das Entgegengesetzte, das Geistesfeuer erwachen, das uns zeigen wird, wie das von uns nur zu verschlafende Wollen der Erde wurzelt in dem lebendigen Wollen, in dem wir waren, bevor wir heruntergestiegen sind ins irdische Dasein. Erinnernd erkennen müssen wir uns in unserem Sein, bevor wir heruntergestiegen sind ins physisch-irdische Dasein.

Daran ermahnt uns der Hüter der Schwelle. Bezüglich des Fühlens ist sein Wort:

Du lebest mit dem Wasserwesen
Nur durch des Fühlens Traumesweben;
Durchdring erwachend Wassersein,
Es wird die Seele sich in dir
Als dumpfes Pflanzendasein geben;
Und Lahmheit deines Selbst
Muß dich zum Wachen führen.

Mit Bezug auf das Wollen spricht der Hüter:

Du sinnest in dem Lüftewehen
Nur in Gedächtnis-Bilderformen;
Ergreife wollend Lüftewesen,
Es wird die eigne Seele dich
Als kalterstarrter Stein bedrohn;
Doch deiner Selbstheit Kälte-Tod,
Er muß dem Geistesfeuer weichen.

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[Das Mantram wird nun zugleich mit den entsprechenden Unterstreichungen - siehe Seite 117 - an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter mit allerbedeutsamstem Ernst:


Du steigst ins Erden-Wesenhafte
Mit deines Willens Kraftentfaltung;
Betritt als Denker du das Erdensein,
Es wird Gedankenmacht dir dich
Als deine eigne Tierheit zeigen.
Die Furcht vor deinem Selbst
Muß dir in Seelen-Mut sich wandeln.

Du lebest mit dem Wasserwesen
Nur durch des Fühlens Traumesweben;
Durchdring erwachend Wassersein,
Es wird die Seele sich in dir
Als dumpfes Pflanzendasein geben;
Und Lahmheit deines Selbst
Muß dich zum Wachen führen.

Du sinnest in dem Lüftewehen
Nur in Gedächtnis-Bilderformen.
Ergreife wollend Lüftewesen,
Es wird die eigne Seele dich
Als kalterstarrter Stein bedrohn;
Doch deiner Selbstheit Kälte-Tod,
Er muß dem Geistesfeuer weichen.

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Wir steigen von dem Denken in das Fühlen, in das Gedächtnis hinunter, wenn wir diesen Spruch auf uns wirken lassen. Und indem wir unten in die Gedächtnistiefen kommen, wo sonst das seelische Leben verschwindet - denn die Bilder des Gedächtnisses komnien wieder herauf -, da ist die Grenze, wie ein Spiegel eine Grenze ist. Was von außen in uns hereinkommt, kommt heran wie an eine Gedächtniswand, dann kommt es immer wieder zurück. Wie man nicht hinter den Spiegel sieht, so sieht man nicht hinter die Wand des Gedächtnisses. Aber hier mahnt uns der Hüter der Schwelle, wie wir durch dasjenige, was sonst Grenze ist, durch­stoßen müssen, um ins Geistige hineinzukommen.

Nachdem uns der Hüter der Schwelle so mehr auf unser Inneres verwiesen hat mit seinen Mahnsprüchen, und uns Zeit gelassen hat, dasjenige, was im Inhalte dieser Sprüche liegt, in der Seele zu ver­arbeiten - wie wir uns, wenn wir diese mantrischen Sprüche medi­tierend benützen, gerade an dieser Stelle lange, lange Zeit lassen sollen, damit sie mit ihrer Kraft in uns wirken und wirklich unser Ich hinuntertragen durch Denken, Fühlen und Erinnern in das­jenige, was hinter allem Erinnern liegt -, dann ermahnt uns der Hüter, wie wir uns verhalten sollen gegenüber der äußeren Welt. Erst hat er uns mehr auf unser Inneres verwiesen, jetzt ermahnt er uns, wie wir uns verhalten sollen gegenüber der äußeren Welt.

Er weist uns hinauf wiederum zum Lichte, das aber nur in dem Scheinleben der Gedanken in uns lebt. Das Licht ist es, das in uns denkt. Wenn das Licht in uns eindringt, denkt es in uns. Aber im Erdenleben ist das Licht nur Schein, der sich selber denkt. Bleiben wir dabei, so wird unwahres Geisteswesen uns in den Wahn der Selbstheit statt in die Wahrheit der Selbstheit bringen. Aber gerade das müssen wir durchdringen, daß, wenn wir nur ins Denken uns versenken, wir nur in den Selbstheitwahn kommen. Und gerade durch dieses Erfassen von uns selbst als Erdenmenschen nach dem

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Selbstheitwahn können wir zur Besinnung kommen, zu jener Be­sinnung, die uns aufmerksam macht, im Denken - das allerdings geeignet ist, uns hinüberzutragen über den Abgrund des Seins -, die Erdennöte mit aller ihrer Schwere zu erfassen, und wir werden allmählich Stütze finden, daß wir im Denken das Sein erleben:

Du hältst von Lichtes-Scheines-Macht
Gedanken nur im Innern fest;
Wenn Lichtesschein in dir sich selber denkt,
So wird unwahres Geisteswesen
In dir als Selbstheitwahn erstehn;
Besinnung auf die Erdennöte
Wird dich im Menschensein erhalten.

Gehen wir weiter. Der Hüter der Schwelle ermahnt uns, wie wir im Fühlen nur festhalten zunächst das wunderbare, allwebende Weitgestalten. Aber wenn wir nur dieses Weltgestalten im Fühlen festhalten, so bleibt unser Geist-Erleben ohnmächtig. Das Selbst­heitsein erstickt, wenn wir nur immer hinstarren, fühlend, auf das­jenige, was sich in der Welt gestaltet hat. Wenn wir aber anfangen zu lieben, zu lieben alles dasjenige, was schon in den Werten der Erde um uns herum ist: Wir finden im Fühlen das Sein; und wir retten, retten unser Menschensein.

Du häitst vom Weltgestalten
Gefühle nur im Innern fest;
Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben
In dir das Selbstheitsein ersticken;
Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

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Im gewöhnlichen versuchen wir zu erhaschen von Erdenwerten Gedanken. Wir halten den Schein des Lichtes fest, wenn wir uns nicht besinnen auf dasjenige, was auf der Erde in Nöten Schwere hat. Wir halten von dem, was in der Welt sich bildet, nur un­bestimmte Gefühle fest, wenn wir nicht erleben in der Liebe dieses Erdenweben in Formen und Gestalten.

Und vom Weltenleben: was können wir durch unser Wollen festhalten? Unser Wollen steht im Weltenleben. Aber wenn wir es zunächst nur im Wollen festhalten: wir geraten wiederum nicht ins Sein hinein. Wenn Weltenleben uns voll erfaßt, so wird ver­nichtend Geistes-Lust in uns das Selbst-Erleben töten. Aufgehen im Wollen der Welt bringt Geistes-Lust hervor, die uns selber tötet. Doch wenn wir geistergeben höheren Welten das Wollen ent­wickeln, wenn wir dasjenige, was wir wollen, in der physisch-sinnlichen Welt denken, so, daß Götter in uns walten, die unser Wollen inspirieren, impulsieren, wenn wir im Dienste der Götter wollen, dann läßt Gott sein Sein in uns als Mensch walten, und wir spüren in dem gottdurchdrungenen Wollen ein wirkliches Sein:

Du hältst vom Weltenleben
Das Wollen nur im Innern fest;
Wenn Weltenleben dich voll erfaßt,
So wird vernichtend Geistes-Lust
In dir das Selbst-Erleben töten;
Doch Erdenwollen geist-ergeben,
Es läßt den Gott im Menschen walten.

Das sind die drei Mahnungen, die uns im ernstesten Augenblicke der Hüter der Schwelle zuruft.

108

[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht, wie wenn das Weltenwort selber ertönte:

Du hältst von Lichtes-Scheines-Macht
Gedanken nur im Innern fest;

- es ist so, wie wenn uns der Hüter aufmerksam machen wollte, was wir eigentlich tun. Wir sind, sagt er, noch nicht darüber hin­ausgekommen, bloße Gedanken zu bilden von Lichtesschein -[es wird weitergeschrieben:]

Wenn Lichtesschein in dir sich selber denkt,
So wird unwahres Geisteswesen
In dir als Selbstheitwahn erstehn;
Besinnung auf die Erdennöte
Wird dich im Menschensein erhalten.

Du hältst vom Weltgestalten
Gefühle nur im Innern fest

Wiederum die Ermahnung, daß wir in den unbestimmten, ver­schwommenen Gefühlen nur lebend haben dasjenige, was wunder­bar gestaltet ist von aller Welt. In den Mikrokosmos herein kommt die Weltgestaitung zunächst in der Unbestimmtheit der Gefühle.

Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt

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- also nicht wenn wir mit unserem Gefühl die Weltenform fühlen, sondern wenn die Weltenform in uns eindringt, der Makrokosmos in den Mikrokosmos -

Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben

- da werden wir unserer eigenen Ohnmacht bewußt -[es wird weitergeschrieben:]

Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben
In dir das Selbstheitsein ersticken;
Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

Wir brauchen diese Rettung, denn wir sind ja daran, hinüberzukommen.

Tragen wir nur die Gedanken, die den Lichtesschein haben, hin­über, tragen wir nur die Gefühle, die unbestimmte Weltgestalt haben, hinüber, so vernichtet das wahre Licht drüben den Selbst­heitwahn, so vernichtet das ohnmächtige Fühlen, das schlafende, das Geist-Erleben. Wir brauchen Besinnung auf die Nöte der Erde, auf alles, was auf der Erde leidet, damit wir würdig hinübergehen in die geistige Welt und uns das Weltendenken nicht ertötet. Wir brauchen Liebe zu dem, was wert ist auf der Erde, damit wir drü­ben nicht zerstäuben, wenn wir mit unseren Gefühlen, den un­bestimmten, hinüberkommen. Und zum dritten, wir brauchen für das Wollen dieses:

110

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Du hältst vom Weltenleben
Das Wollen nur im Innern fest;
Wenn Weltenleben dich voll erfaßt,

- und das wird es drüben -

So wird vernichtend Geistes-Lust
In dir das Selbst-Erleben töten.
Doch Erdenwollen geist-ergeben,
Es läßt den Gott im Menschen walten.

Wir dürfen nicht hinübertragen dasjenige, was wir hier hüben bloß haben, in die geistige Weit, wir müssen hinübertragen eine stärkere Seele, als wir sie hier haben. Wir müssen die Seele bereiten:

[Die im folgenden in Anführungszeichen gesetzten Worte werden während des Spre­chens an der Tafel unterstrichen:]

Denn wir finden drüben «Lichtes-Scheines-Macht». Sie lebt in unseren «Gedanken». Aber das genügt nicht; wir brauchen «Be­sinnung auf die Erdennöte». Das Mitfühlen alles Erdenleidens wird uns das «Menschensein» erhalten.

Wir brauchen drüben, weil wir in die «Weltgestalten» hinüberkommen, nicht bloß unsere «Gefühle», wir brauchen «Liebe zu den Erdenwerten», zu allem, was wertvoll schon auf Erden ist, dann wird uns die «Menschenseele» gerettet. - Hier [im ersten Spruch]: das Menschensein erhalten; hier [im zweiten Spruch]: die Menschenseele gerettet. -

Wir müssen in das volle «Weltenleben» hinein, das in unserem «Wollen» nur einen schwachen Abglanz hat, der zu dünn ist, um hinüberzukommen. Und wir müssen entwickeln «geist-ergebenes Erdenwollen», damit der «Gott im Menschen» walten kann.

111

Das ist die Steigerung:

Lichtes-Scheines-Macht
Weitgestalten
Weltenleben

Gedanken
Gefühle
Wollen.

Wir brauchen:

Besinnung auf die Erdennöte,
Liebe zu den Erdenwerten,
geist-ergebenes Erdenwollen;

denn wir brauchen:

die Erhaltung des Menschenseins,
die Rettung der Menschenseele,
das Empfangen des waltenden Gottes in uns selber.

Das, meine lieben Schwestern und Brüder, ist dasjenige, was der Hüter auf unsere Seele legt, damit wir entwickeln dasjenige, was Seelenflügel sind, um hinüberzukommen.

Und nun obliegt uns nur noch das Eine für die nächste am Mitt­woch zu haltende esoterische Stunde, daß wir jene Mantren für unsere Seele bekommen durch den Hüter der Schwelle, der in die­sem Falle Michaels Statthalter an der Schwelle zum geistigen Lande ist - jene Mantrams, die die ersten sind, die man spricht, wenn man drüben im Geistigen angekommen ist -, das noch vor dem Menschen steht bei diesen Mantrams als tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis.

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Heute aber wollen wir uns, nachdem dieses vor unsere Seele ge­treten ist, wieder zurückbesinnen auf dasjenige, was aus allen Wesen zu uns spricht, uns auffordernd zu alle dem, was der Hüter der Schwelle in solcher Bestimmtheit vor uns hingestellt hat:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Und dasjenige, was so mit den Worten des Hüters der Schwelle vor uns tritt: wenn wir es in der richtigen Gesinnung aufnehmen, dann ist es ja die Michael-Botschaft dieser zu Recht bestehenden Michael-Schule, dann waltet Michaels Sein in diesem Saale, segnet und kräftigt dasjenige, was so an unsere Seelen herantritt. Deshalb darf dasjenige, was so an unsere Seelen herantritt, versehen werden mit Michaeis Zeichen und Michaeis Siegel; Michaels Zeichen aber ist:

[Michael-Zeichen]

und Michaels Siegel, das er gedrückt hat auf dasjenige, was Rosenkreuzer-Stimmung seit Jahrhunderten ist, was als Rosenkreuzer-Stimmung sich ausspricht in dem Spruche:

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus

das ist mit Michaels Siegel so gesprochen, daß wir die ersten Worte begleiten mit der Gebärde:

[untere Siegelgeste]

die zweiten Worte begleiten mit der Gebärde:

[mittlere Siegelgeste]

die dritten Worte begleiten mit der Gebärde:

[obere Siegelgeste]

114

Die erste Gebärde heißt:

Ich bewundere den Vater

die zweite Gebärde:

Ich liebe den Sohn

die dritte Gebärde:

Ich verbinde mich dem Geiste

Und so dürfen wir das Gesprochene als gesprochen auffassen, in­dem es bekräftigt wird durch Michaels Zeichen, indem es bekräf­tigt und bestätigt wird durch Michaels Siegel, das eben so, so, so ist, das aber mit gedrückt wird auf die Rosenkreuzer-Worte.

Und so sollen leben die Sprüche, die gegeben worden sind durch das Zeichen Michaels, so soll besiegelt sein für Eure Seelen das­jenige, was durch die Michaelische Rosenkreuzer-Schule lebt:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

115

Meine lieben Schwestern und Brüder, die mantrischen Sprüche, die gegeben werden in dieser Schule, darf nur derjenige besitzen, der rechtmäßig Mitglied der Schule ist, das heißt, im Besitze des blauen Zertifikates ist. Wer nicht da ist bei einer Stunde, bei der er schon da sein könnte nach dem Datum seiner Aufnahme, - also wohl gemerkt diesen Satz: die Sprüche derjenigen Stunden, bei denen er nach dem Datum seiner Aufnahme hätte schon dabei sein können -, diese Sprüche kann er bekommen von einem der an­deren Mitglieder, die sie hier in der Schule rechtmäßig erhalten haben. Dazu ist aber die Einholung der Erlaubnis entweder bei Frau Dr.Wegman oder mir selbst notwendig.

Es ist nicht eine Verwaltungsmaßregel, sondern es ist begründet in einer okkulten Schule, daß ein realer Akt vorausgeht der Über­gabe von so etwas von dieser Art. Wer aber bei Frau Dr.Wegman oder mir anfragen will, das kann nur der sein, der die Sprüche einem anderen geben will, nicht derjenige, der sie empfangen will. Man kann also jemanden bitten um die Sprüche. Dann kann man nicht fragen als derjenige der empfangen will sondern man muß denjenigen fragen lassen, der geben will Es ist ganz vergeblich, wenn der Empfänger frägt.

Wer sonstiges nachschreibt der mag das acht Tage behalten nachher aber ist er verpflichtet, es zu verbrennen, weil dasjenige; was zunächst durch diese Schule leben soll, nur innerhalb der Schule leben und nicht nach außen kommen soll. Das alles sind keine Gewaltmaßregeln oder willkürliche Maßregeln. Das alles ist begründet in okkulten Gesetzen. Denn wenn irgend etwas in un­rechte Hände gerät, so hört es auf, seine Wirksamkeit für alle die­jenigen zu haben, die es zur Wirksamkeit bekommen sollen. Wenn also Mißbrauch getrieben wird, indem mantrische Sprüche oder der Inhalt des hier Gegebenen an unrechte Persönlichkeiten ge­geben wird, so verlieren diese mantrischen Sprüche und das hier Gegebene für die hier Sitzenden seine Wirksamkeit.

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Es ist um Tatsachen zu tun, nicht um irgend etwas, was eine Willkür-Maßregel ist.

Ich habe nur noch die Tageseinteilung für morgen zu geben. Es wird wiederum sein: um halb zehn hier die Stunde des Kursus der Pastoralmedizin, um zwölf Uhr der Sprachgestaltungskursus, um halb sechs Uhr der Kursus für Theologen und um acht Uhr der Mitgliedervortrag.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 117 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 117
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SECHSTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 17. September 1924

Meine lieben Freunde, Schwestern und Brüder! Für die heute neu Eingetretenen muß wieder gesagt werden, daß nicht in allen Fäl­len, wenn neue Mitglieder zur Schule hinzukommen, die Einleitung gesprochen werden kann, die von dem Wesen, der Pflicht der Schule handelt, und daß ich daher diejenigen schon hier ge­wesenen Mitglieder, welche die mantrischen Sprüche geben wer­den an die neu Eingetretenen, verpflichten muß, ihnen auch das­jenige zu sagen, was der Inhalt dieser Einleitung ist.

Und so beginnen wir in dieser Michael-Schule auch heute wie­derum mit jenem Worte, das die Grundaufforderung, die funda­mentale Aufforderung an den Menschen enthält, die ihm entgegen-tönt aus allen Reichen der Natur und aus allen Hierarchien des Geistes, wenn er einen Sinn und eine Empfänglichkeit dafür hat, und die ihn auffordert, sein eigenes Wesen zu suchen, ihn aber auch auffordert, durch dieses eigene Wesen hindurch die Welt in ihrer wahren geistgetragenen Gestalt zu erkennen. Und so tönt es denn aus alle dem, was da lebt und webt in Erdentiefen, in Wasser und Luft, in Wärme und Licht, was da lebt in Bergen und Quellen, in Felsen, was da lebt in Pflanzen, in Tieren, in physischen Menschen­gestalten, in Menschenseelen, in Menschengeistern, was da lebt in den Bewohnern der Sterne, in den Hierarchien der Geister, so tönt es:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

121

Meine lieben Schwestern und Brüder! Die Beschreibung des Gei­stesweges, der hineinführen soll aus demjenigen, was hier in der sonnenbeglänzten Welt, in der wir auf Erden leben, hell ist, in das­jenige, was uns jenseits des gähnenden Abgrundes des Seins zu­nächst erscheint wie eine dunkle, nachtbedeckte Finsternis, der Weg, der uns dazu führen wird, daß, wenn wir suchen unser eigenes Wesen, wir gewahr werden, daß in alle dem, was da auf Erden in den Tiefen lebt, in der Luft webt, was da kriecht und fliegt, aber auch in alle dem, was unsere Sinne sehen in dem majestätischen Scheine der Sterne, den mächtigen Tiefen des Weltenraumes, in den unermeßlich weiten Zeitenfolgen, daß das alles nicht unser Sein, den eigentlichen Quell unseres Menschenwesens enthält, daß es da finster wird, wenn wir ausschauen nach unserem Menschenwesen, die Beschreibung hat uns dazu geführt, uns zu zeigen, daß wir hin­aus den Weg finden müssen vorbei an dem Hüter der Schwelle, der so vieles zu uns gesprochen hat über die Bedeutung des geistigen Weges, hinüber in dasjenige, was noch nachtbedeckte, schwarze Finsternis ist, damit es dort hell werde und in dieser Helligkeit uns aufgehe das Licht, das unser eigenes Sein, und damit das Sein und Wesen und Weben der Welt beleuchte, beleuchte vor unserem Seelenauge.

Nun müssen wir uns klarsein darüber, daß in dem Augenblicke - und wir sind jetzt in der Beschreibung so weit -, wo wir hinübersollen über den Abgrund des Seins, vorbei an dem Hüter der Schwelle, daß in diesem Augenblicke mit dem Menschen, also mit uns selbst, eine bedeutsame Veränderung vor sich geht.

Blicken wir, meine lieben Schwestern und Brüder, auf unser menschliches Sein, so wie es ist zwischen Geburt und Tod im physi­schen Erdenleben: wir erfassen die Welt denkend, wir ergreifen die Welt fühlend, wir wirken in der Welt wollend. Aber Denken, Füh­len und Wollen sind in unserem menschlichen Sein innig miteinan­der verwoben. Wenn wir etwas ausführen wollen in der nächsten Zeit: wir bedenken es zunächst; und dasjenige, was wir ausführen,

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ist im Keime in unseren Gedanken vorhanden.Wir sehen es hinaus-fließen in die Willensimpulse. Wir fühlen an einem Ding, daß es uns wert ist. Wir fühlen ersprießen in uns die Liebe zu dem oder jenem Wesen. Indem wir also fühlen, machen wir uns von dem Wesen einen Gedanken. Oder aber, wir gehen über dazu, Taten der Liebe gegenüber diesem Wesen zu vollbringen, lassen uns von der Liebe beflügeln, impulsieren, um in den Willen überzugehen. All das aber - Denken, Fühlen, Wollen - hängt eng zusammen mit unserem Menschenwesen, insofern dieses Menschenwesen sich ent­faltet zwischen Geburt und Tod hier in der physischen Welt. Wir sind eins im Denken, Fühlen, Wollen.

Und wahr ist es: Wirklich wachend sind wir nur in unseren Gedanken. Die sind hell und klar, obzwar sie uns der Hüter der Schwelle enthüllt hat als Schein. Sie sind hell und klar, wir wachen in ihnen.

Dunkler und unklarer lebt das Fühlen in uns. Wir sind näher dem Sein im Fühlen. Aber der Inhalt dessen, was wir fühlen, ist wie ein Traum, so daß wir nur von wachend hellem Denken und - auch im Wachen - nur sprechen können von träumendem Fühlen.

Das Wollen aber, wie es sich herauslöst aus dem Wesen unserer Menschheit, es bleibt zunächst dem gewöhnlichen Bewußtsein völlig unklar. Der Mensch hat den Gedanken, daß er dies oder jenes wollen soll; der Gedanke scheint hinunter, ergreift den Or­ganismus; der Organismus bewegt sich, führt den Gedanken aus; der Mensch sieht wieder mit einem Gedanken, was er ausgeführt hat. Aber das Wollen selber ruht in seiner Wesenheit wie dasjenige von unserer Seele, was vom Einschlafen bis zum Aufwachen im tiefen Schlafe ist.

Aber derjenige, der diese Dinge als Initiat ansieht, er schaut die Gedanken in jener Lebendigkeit, in der sie waren, bevor der Mensch heruntergestiegen ist aus übersinnlichen Welten in die sinn­liche. Er schaut leuchtende Wesenheit in den Gedanken. Diese

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leuchtende Wesenheit ruht aber nicht so in ihm wie der Schein der Gedanken, die er im gewöhnlichen Denken hat.

Wir stehen neben dem Hüter der Schwelle. Der Abgrund des Seins ist da; vor uns - jenseits des Abgrundes, jenseits der Schwelle - die schwarze, nachtbedeckte Finsternis; doch hellet sich heraus aus der Finsternis bewegt Gestaltetes, lebendig Gestaltetes. Wir sagen - indem wir spüren, unsere Gedanken, wie sie in uns als physische Menschen waren, haben uns verlassen -, wir sagen uns: Da ist unser webendes, lebendes Denken. Das gehört jetzt nicht uns, das gehört der Welt an. Licht um Licht webt sich der Gedanke los von der schwarzen Finsternis. Wir wissen, der Gedanke - der Gedanke, all unser Denken - ist da innerhalb der schwarzen Finsternis als die erste Helligkeit, zu der wir kommen.

Und dann blicken wir etwas weiter nach unten. Wir haben das Gefühl - und der Hüter der Schwelle weist uns mit seiner mahnenden Gebärde dahin -, blicken wir weiter nach unten: wie Feuerschein wird unten die Finsternis. Feuer, dunkles Feuer - aber Feuer, das wir spüren können, das wir hellfühlend fühlen - breitet sich unten aus. Über den Abgrund des Seins kommt herüber das­jenige, wovon wir wissen, das ist unser Wollen. Denn der Initiat lernt allmählich erkennen: Wie ist es denn eigentlich, wenn Denken in Wollen übergeht? Da wird der Gedanke - dasjenige, was gewollt wird - erfaßt; dann aber strömt dieser Gedanke in die Leiblichkeit über, strömt ein jetzt - im Hellfühlen merkt man es - wie wohltuendes Feuer. Wärme ist es, die da den Willen zum Dasein bringt; Wärme, Feuer ist es, als das uns unser eigener Wille aus der Finster­nis entgegentritt.

Und zwischen dieser Wärme, die unseren Willen ausströmt, uns entgegenströmt - denn unser Wille, der von uns als Mensch aus­geht, ist nur der Reflex dieses Willens, der unser eigen ist als kos­mischer Mensch -, der uns jetzt entgegenströmt herüber über den Abgrund des Seins, zwischen dieser warmen Ausströmung - dunk­len, warmen Ausströmung unten, die höchstens einen bläulichviolettlichen

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Anflug hat - und den hellen Gedankenlichtern oben, zwischen beiden wogt es und wellt es, wogt es und webt es, Wärme hinauf, Licht hinunter. Licht-durchglänzte Wärme im Hinaufwogen, Wärme-durchfühltes Licht im Hinunterströmen: das ist unser Fühlen.

Ein mächtiges Bild ist es, worauf der Hüter der Schwelle weist. Und wir wissen jetzt: Treten wir über von der Welt der Sinne, von der Welt der physischen Wirklichkeit, in der wir sind zwischen Geburt und Tod, in die Welt des Geistes, dann sind wir in Denken, Fühlen und Wollen nicht die Einheit, die wir hier sind, dann sind wir Dreie. Im Weltenall sind wir Dreie: zum Licht geht unser Denken im Übergang über die Schwelle; zum Feuer geht unser Wollen; zum Feuer-getragenen Licht, Licht-durchwobenen Feuer geht unser Fühlen.

Und wir müssen den Mut haben, das Selbst so weit auszudehnen, so zu verintensivieren dieses Selbst, dieses Ich, daß es die Dreie zusammenhält, wenn wir hinüberkommen werden. Das können wir, wenn wir uns ganz recht durchdringen damit, was uns sonst nur Banalität sein könnte, wenn wir uns recht durchdringen damit, daß unser Haupt der Ursprung alles unseres Sinneslebens, alles unseres Denklebens ist - alles Sinnes- und Denkleben ist ja über den Körper ausgebreitet, aber im Haupte ganz besonders ausge­drückt-, daß unser Kopf in seiner Rundung mit der Öffnung nach unten Weltgestalt nachbildet. Können wir uns sagen in allem Ernst, mit aller inneren Inbrunst: dein Kopf ist innen und außen Nach­ahmung der Weltgestalt, so fühlen wir, indem wir gewissermaßen den Kopf von innen anschauen wollen, wie dieses Anschauen sich erweitert zu dem Weltenall, das nur in unserem Kopf für unser irdisches Anschauen zusammengedrängt ist.

Fühlen wir dann ganz intensiv, wie unser Herz, der physische Ausdruck unserer Seele, nicht bloß schlägt durch dasjenige, was in unserem Leibe, in unserem von der Haut begrenzten Menschen-wesen ist; wir atmen die Luft ein, die der Impulsator des Herzschlages

125

ist, wir atmen sie wieder aus: die Welt in ihrer Größe und in ihrer Majestät wirkt mit in unserem Herzensschlag. Es ist der Weltenschlag, der in unserem Herzen empfunden wird, nicht bloß dasjenige, was wir in uns tragen.

Wenn wir bedenken, wie unsere Glieder arbeiten, sich im Wollen ausleben, dann gibt uns diese Kraft zum Wollen nicht dasjenige allein, was in unserem Menschen ist. Bedenken wir nur einmal, wie die Vererbungskräfte in uns übergehen, wenn wir geboren werden, wie die Kräfte des Karma, die wir uns in vielen, vielen Erdenleben erworben haben, in unserem Wollen leben. Denken wir an all das und fühlen wir: in unseren Gliedern, wenn wir wollen, lebt Wel­tenkraft, nicht bloß Menschenkraft.

Jetzt denkt Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, noch hüben, hart an der Seite des Hüters der Schwelle, der hinüber-weist in die Licht-erglänzenden, Welten-lebenden, Welten-webenden Gedanken; in dasjenige, was hinaufwogt als Wärme, Licht-tragend; in dasjenige, was herunterwogt als Licht, Wärme-durchprägt, -durchströmt; in dasjenige, was unten wie warmer Wind herüber uns geistig anströmt als Feuer des Weltenalls, das die Ur­kraft des Wollens ist.

So wie wir hier stehen, tritt an uns heran, tönend, dasjenige, was uns der Hüter der Schwelle in dieser Situation zu sagen hat:

Schau die Drei

- Denken, Fühlen, Wollen; der Mensch ist gespalten, eine Dreiheit geworden -

Schau die Drei,
Sie sind die Eins,
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

126

Erlebe des Kopfes Weltgestalt

Der Hüter macht dieses Zeichen:

[Es wird an die Tafel gezeichnet:]

Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (a)
Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (a)

daß wir haltmachen, daß wir des Kopfes Weltgestalt in diesem in sich geschlossenen, nach oben gerichteten Dreieck empfinden. Konzentrieren wir uns auf dieses.

Empfinde des Herzens Weltenschlag

Der Hüter macht dieses Zeichen:

[Es wird an die Tafel gezeichnet:]

Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (b)
Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (b)

daß wir empfinden in diesem Zeichen den Wellenschlag der Welt, der im Herzen sich kreuzt.

Erdenke der Glieder Weltenkraft

Der Hüter der Schwelle macht das andere Zeichen:

[Es wird an die Tafel gezeichnet:]

Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (c)
Zeichnung aus GA 270/III, S. 126 (c)

auf das wir uns konzentrieren sollen bei dieser Zeile, damit wir die Kraft dieser Zeile, die ganze mantrische Kraft dieses Spruches

127

Dann bekräftigt der Hüter der Schwelle noch einmal:

Sie sind die Drei,
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

Das ist der Spruch, durch den uns ankündigt der Hüter, wie wir uns anschicken sollen, durch kräftigen Mut, durch begeistertes Erkenntnisstreben Flügel zu empfinden hinüber von der Eins zur Drei. Die Eins sind wir im Physischen. Die Drei, sie treten uns in dem imaginativen Bilde entgegen, sie sind wir in der geistigen Welt.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]


Der Hüter mahnt:

Schau die Drei,
Sie sind die Eins,
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

[Neben das erste Zeichen an der Tafel wird die Zeile geschrieben:]

Erlebe des Kopfes Weltgestalt

- die Weltgestalt kann im Kopfe erlebt werden -

[Neben das zweite Zeichen an der Tafel wird die Zeile geschrieben:]

Empfinde des Herzens Weltenschlag

- der Weltenschlag kann im Herzen empfunden werden -

[Neben das dritte Zeichen an der Tafel wird die Zeile geschrieben:]

Erdenke der Glieder Weltenkraft

- die Weltenkraft kann erdacht werden in der Bewegung der Glieder -.

128

Die Steigerung ist:

[Nun werden die sechs folgenden Worte unterstrichen:]

Erlebe
Empfinde
Erdenke

Gestalt
Schlag
Kraft.

Die drei Zeilen müssen bekräftigt werden dadurch, daß wir uns konzentrieren auf diese Figuren.

[Es wird weitergeschrieben:]

Sie sind die Drei,
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

Meine lieben Freunde, wenn wir so dastehen im Dasein - und wir stehen ja noch da, wir sind erst im Anblicke hinüber in die geistige Welt-, wenn wir so dastehen im Erdendasein, dann schrei­ben wir unserem Kopf, indem er die Gedanken enthält, wir schrei­ben ihm unseren Geist zu. Wir haben ja diesen Geist zunächst im Schein. Der Gedanke aber, die Gedanken sind eben der Schein des Geistes. Wir schreiben unserem Kopf die Gedanken, das heißt den Geist zu, wie der Geist eben in Gedankenform im Erdendasein lebt.

Aber wir können etwas anderes, und das müssen wir auf die Ermahnung des Hüters der Schwelle - in dieser Situation, wo wir uns anschicken hinüberzukommen über den Abgrund des Seins -, wir müssen uns bemühen, diejenige Kraft, die wir sonst aufbringen, wenn wir irgendein Glied bewegen, wenn wir gehen oder stehen, wenn wir den Willen durch unseren Menschen schicken, wir müssen

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uns bemühen, uns auf diesen Willen so zu konzentrieren, daß wir jeden einzelnen Gedanken wollen, wie wenn wir ihn heraus­stoßen würden. Wir müssen empfinden, der Gedanke wird aus­gestoßen, wie wenn wir den Arm ausstrecken: Realität durch den Willen in den Gedanken hinein. Dann wird uns alles, was in un­seren Sinnen lebt, während es vorher nur uns Farbenschein, Ton­gestalt zuschickt, es wird uns aus allem vielgestaltigen Sinnen­schein entgegenströmen kosmisches Wollen.

Meine lieben Schwestern und Brüder: Lernet Gedanken aus­strecken hinaus in die Welt, wie Ihr lernet, durch den Willen die Hände ausstrecken. So wie Euch die festen Dinge der Welt ent­gegenkommen, wenn Ihr den Willen ausstreckt, und Widerstand bieten, so bieten die Geister Widerstand, wenn Ihr die Gedanken ausstreckt, indem Ihr den Willen durch sie hindurch spannt. Tun wir das, dann weben wir real in der Weisheit. Wiederum ermahnt uns der Hüter dazu. Die letzte Mahnung des Hüters dringt an uns heran.

[Die erste Strophe wird an die Tafel geschrieben, und die Überschrift, «Kopfes» und «wollen» werden unterstrichen. Siehe auch Seite 139:]


Des Hüters letzte Mahnung:

Des Kopfes Geist,
Du kannst ihn wollen;

- sonst denken wir ihn nur, jetzt wollen wir ihn; und wenn wir das tun, dann wird das Wollen etwas anderes -

Und Wollen

- das Wollen der Gedanken -


                          wird dir
Der Sinne vielgestaltig Himmelsweben;
Du webest in der Weisheit.

130

Das nächste, worauf uns der Hüter der Schwelle weist, das ist auf unser Herz, unser Herz, in dem sich konzentriert alles das­jenige, was unser rhythmischer Mensch ist. Ins Herz können wir nichts anderes hineintragen als Fühlen, Fühlen hier in der Sinneswelt zwischen Geburt und Tod. Fühlen aber auch müssen wir dem Herzen entgegenbringen und seinem Inhalte, wenn wir in der gei­stigen Welt sind.

Können wir aber das Herz fühlen, wie wenn die Welt fühlte in unserem Herzen, weil wir ja in der Welt sind, dann wird unser Fühlen wiederum etwas anderes. Wie uns Wollen wird «der Sinne vielgestaltig Himmelsweben», so wird uns Fühlen etwas, was nun so erfaßt werden muß, daß wir sagen - sehen Sie: Denken, also des Kopfes Geist, wurde zum Wollen-: das Fühlen bleibt Fühlen; aber es strahlt aus auf der einen Seite nach dem Denken, auf der anderen Seite nach dem Wollen. Es ist beides zugleich. Daher müssen wir uns angewöhnen, an dieser Stelle eine Zeile zu denken, wo wir ineinanderweben dasjenige, was es ausstrahlt nach oben und nach unten.

Diese Zeile muß so lauten: «Und Fühlen wird dir des Denkens Wollens, Wollens Denkens, keimerweckend Weltenleben. » Dann lebt man in dem Schein. Das ist jetzt nicht ein verglimmernder Schein, das ist die Offenbarung der Welt in der Schönheit, was man auch «Schein» nennen kann, in dem, was «Gloria» genannt werden kann. Denn Schein ist hier in der Bedeutung von Gloria.

Das zweite also, wozu uns der Hüter mahnt, ist:

Des Herzens Seele,
Du kannst sie fühlen;
Und Fühlen wird dir
Des Denkens Wollens, Wollens Denkens
    keimerweckend Weltenleben.
             Du lebest in dem Schein.

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[Diese zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben, und «Herzens» und «füh­len» werden unterstrichen:]

Des Herzens Seele,
Du kannst sie fühlen;
Und Fühlen wird dir

Des {

Denkens
Wollens

} keimerweckend Weltenleben

                      Du lebest in dem Schein.

Ihr müßt versuchen, meine lieben Schwestern und Brüder, indem Ihr dies übt, das gleichzeitig denken zu können, daß es ineinanderwebt - Denkens Wollens, Wollens Denkens -, daß es ineinander in eins verfließt, weil es so vor der Welt dasteht.

Das dritte, worauf uns der Hüter der Schwelle weist, ist die Kraft unserer Glieder. In ihr wollen wir sonst; jetzt aber verlangt der Hüter der Schwelle, daß wir - wie wenn wir aus uns heraus-treten würden und ruhig stehen würden und denken würden un­serer Glieder Kraft -, daß wir unseren Geist unserer Glieder wol­len sollen, indem wir dasjenige, was wir tun, nicht fühlen als die Anstrengung unserer Kraft, sondern es anschauen, wie wenn wir neben uns stehen. Dann wird das Denken des Wollens, dieses Den­ken, das wir hier entfalten, des Wollens zielerfassend Menschen-streben. Und jetzt erkennen wir Tugend in dem Sinne von mensch­licher Tüchtigkeit, von dem, was Menschen wollen können in der Weltenevolution. Der Hüter der Schwelle mahnt uns:

[Die dritte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben und «Glieder» unterstrichen:]


Der Glieder Kraft,
Du kannst sie denken;
Und Denken wird dir
Des Wollens zielerfassend Menschenstreben;
                 Du strebest in der Tugend.

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Die Steigerung ist:

[Nun werden die folgenden drei Worte unterstrichen:]

webest
lebest
strebest.

Die andere Steigerung ist:

Weisheit
Schein
Tugend.

Nun will ich die Zeilen so vorlesen, wie sie uns zunächst er­scheinen, indem der Hüter sie zu uns spricht:

Des Kopfes Geist,
Du kannst ihn wollen;
Und Wollen wird dir
Der Sinne vielgestaltig Himmelsweben;
             Du webest in der Weisheit.

Des Herzens Seele,
Du kannst sie fühlen;
Und Fühlen wird dir
Des Denkens Wollens, Wollens Denkens
    keimerweckend Weltenleben;
             Du lebest in dem Schein.

Der Glieder Kraft,
Du kannst sie denken;
Und Denken wird dir
Des Wollens zielerfassend Menschenstreben;
             Du strebest in der Tugend.

Das ist die letzte Mahnung des Hüters der Schwelle.

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Das ist der entscheidende Punkt, auf den hingewiesen werden darf mit dem Worte, das hier ausgesprochen ja ist als das Wort, das Michael selber spricht, weil begründet und gehalten diese esoteri­sche Schule von Michael und seiner Kraft ist. Jetzt steht die Unter­weisung an jenem wichtigen Punkte, wo wir alles dasjenige in uns aufgenommen haben, was, wenn es durchgeübt wird, uns die Flügel gibt, hinüberzukommen über den gähnenden, tiefen Abgrund des Seins.

Das alles, was gesprochen worden ist in dieser Michael-Schule, soll noch einmal Zeichen und Siegel begleiten Michaels; denn alles wird so gegeben, daß, während es durch den Raum dieser Schule tönt, Michael anwesend ist, was bekräftigt werden darf durch sein

Zeichen:

[Michael-Zeichen]

und was bekräftigt werden darf durch sein Siegel, das er gedrückt hat auf den dreifachen Rosenkreuzer-Spruch:

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus

welches Siegel so ist, daß wir empfinden

den ersten Spruch in dieser Gebärde:

[untere Siegelgeste]

den zweiten Spruch in dieser Gebärde:

[mittlere Siegelgeste]

den dritten Spruch in dieser Gebärde:

[obere Siegelgeste]

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und wissen, die erste Gebärde bedeutet:

Ich bewundere den Vater

Das fühlen wir, während wir sagen «Ex deo nascimur» und be­kräftigen es durch die Gebärde, die Michaels Siegel ist:

[untere Siegelgeste]

Die zweite Gebärde bedeutet:

Ich liebe den Sohn

Das fühlen wir, indem wir aussprechen «In Christo morimur», drücken das Gefühl durch dieses im Michael-Siegel Liegende aus:

[mittlere Siegelgeste]

Die dritte Gebärde bedeutet:

Ich verbinde mich dem Geiste

Das begleitet als Gefühl «Per spiritum sanctum reviviscimus». Es ist die Geste, die Michaels Siegel über diesem dritten Teil des Rosen­kreuzer-Spruches ist:

[obere Siegelgeste]

Und so mögen denn Michaels Zeichen und Siegel geleiten den weiteren Weg, der hier in dieser Schule für Geistesentwickelung gegangen wird:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

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Dann ist der Augenblick gekommen, in dem des Hüters der Schwelle Wort entscheidend erklingt, des Hüters der Schwelle Wort, wie wenn es von Michael selber käme, wie wenn es aus Wel­tenfernen käme. Nachdem uns der Hüter gesagt hat, wie wir uns vorzubereiten haben - und fühlen wir: solche Vorbereitung muß sein -, dann wird wie von Michael, wie aus Weltenfernen, sein Wort erklingen:

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

Wir müssen uns in die Empfindung hineinweben, daß wir das nicht selber sprechen, sondern indem wir es sprechen, soll es objek­tiv werden, daß wir es hören, wie wenn es von anderer Seite ge­sprochen würde:

[Es wird mit roter Kreide quer zu dem Mantram «Schau die Drei» an die Tafel geschrieben:]

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

Was nun in der weiteren Beschreibung sich abspielen wird in den folgenden Stunden - die folgende Stunde ist ja regelmäßig am Samstag um halb neun -, was in den folgenden Stunden sich ab­spielen wird, wird schon wiedergeben dasjenige, was drüben jen­seits der Schwelle ertönt.

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Jetzt aber besinnen wir uns noch einmal - denn alle wirkliche Entwickelung führt immer wieder zum Ausgangspunkt zurück -, wie aus allen Wesen der Welt zu uns die Aufforderung zu alle dem spricht, was wir nun aus dem Munde des Hüters erfahren haben:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Noch einmal - alles bekräftigend, Michaels Anwesenheit be­kräftigend - Zeichen und Siegel Michaels:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

Die mantrischen Sprüche, die hier zum Üben gegeben werden, und die in sich die Kraft tragen, dasjenige in sich zu erleben, was hier beschrieben wird, dürfen nur die rechtmäßigen Mitglieder dieser Klasse besitzen, niemand anders. Derjenige, der der Schule angehört und einmal nicht da sein kann bei einer Stunde, wo er einen entsprechenden Spruch bekommen könnte, kann sich ihn von einem anderen Mitgliede, das da gewesen ist, geben lassen. Es muß aber für jedes solche Abgeben des Spruches eine besondere Erlaubnis eingeholt werden entweder bei Frau Dr. Wegman oder mir selber. Derjenige aber, der den Spruch erhalten will, kann um diese Erlaubnis nicht ersuchen, sondern allein derjenige, der den Spruch geben soll.

Wenn man einmal die Erlaubnis bekommen hat, jemandem die Sprüche zu geben, so gilt das dann für die einzelne Persönlichkeit weiter. Für jede andere Persönlichkeit muß wiederum dieselbe Erlaubnis geholt werden wieder bei Frau Dr. Wegman oder mir. Es nützt gar nichts, wenn man die Sprüche erhalten will, wenn man selbst um die Erlaubnis frägt, sondern nur, wenn man sie geben will. Man muß sich also - will man die Sprüche erhalten -an jemanden wenden, der sie hat zu Recht. Der muß dann fragen; für jeden einzelnen, dem er sie gibt. fragen.

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Wenn jemand etwas anderes mitschreibt, so ist er nur berechtigt, es höchstens acht Tage zu haben, dann muß er es verbrennen. Außer den Sprüchen anderes Mitgeschriebenes hier muß verbrannt werden. Denn wir müssen einmal wirklich die okkulten Regeln einhalten. Es ist eine okkulte Regel in all dem, was ich jetzt sage und halte. Wir müssen die okkulten Regeln einhalten. Es handelt sich nicht um eine willkürliche Verwaltungsmaßregel, sondern, wenn in unrechte Hände kommt dasjenige, was esoterisch ist, dann, meine lieben Schwestern und Brüder, verliert das Esoterische für diejenigen, die es rechtmäßig in Händen haben, verliert das betreffende Mantrische seine Kraft. Es handelt sich einfach um etwas, das in okkulten Gesetzen begründet ist.

*

Um zwölf Uhr morgen ist wieder der Sprachgestaltungskursus; viertel vor elf Uhr der Theologenkursus; um fünf Uhr der Kursus für Pastoralmedizin; um acht Uhr der Mitgliedervortrag.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 139 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 139


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SIEBENTE WIEDERHOLUNGSSTUNDE Dornach, 20. September 1924

Meine lieben Schwestern und Brüder! Seit der Weihnachtstagung geht durch die ganze Anthroposophische Gesellschaft ein esoteri­scher Zug. Und diejenigen Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft, die in der letzten Zeit teilgenommen haben an den allgemeinen Mitgliedervorträgen, werden ja bemerkt haben, wie dieser esoterische Zug durch alles dasjenige fließt, was jetzt inner­halb der anthroposophischen Bewegung erarbeitet wird und er­arbeitet werden soll.

Dies war eine Notwendigkeit, eine Notwendigkeit, die sich vor allen Dingen aus der geistigen Welt heraus - aus der ja die Offen­barungen fließen, welche leben sollen in der anthroposophischen Bewegung -, die sich aus der geistigen Welt heraus ergab.

Damit aber war die Notwendigkeit geschaffen, einen gewissen Kern für anthroposophisch-esoterisches Leben, für wirkliches eso­terisches Leben zu schaffen, und damit war auch die Notwendig­keit gegeben, gewissermaßen zur geistigen Welt hinüber selber eine Brücke zu bauen.

Die geistige Welt mußte in einem gewissen Sinne von sich aus offenbaren den Willen zum Schaffen einer solchen Schule. Denn eine esoterische Schule kann nicht aus menschlicher Willkür heraus geschaffen werden, auch nicht aus jener menschlichen Willkür heraus, die man mit dem Namen «menschliche Ideale» bezeichnet; sondern sie, diese esoterische Schule, muß der Leib sein von etwas, das aus dem geistigen Leben selber heraus fließt. So daß in all dem, was in einer solchen Schule geschieht, sich darstellt der äußere Aus­druck von einer Wirksamkeit, die eigentlich im Übersinnlichen, in der geistigen Welt selber geschieht. Daher hat diese esoterische Schule auch nicht geschaffen werden können, ohne daß jener Wille befragt wurde, der, wie ja des öfteren hier auch in Mitgliedervor­trägen

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auseinandergesetzt worden ist, seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts als der Michael-Wille eigentlich die menschlichen geistigen Angelegenheiten führt.

Dieser Michael-Wille ist ja einer derjenigen, die im Laufe der Zeit in zyklischer Folge immer wieder eingreifen aus der geistigen Welt in die Menschengeschicke. Und wenn wir zurückblicken in die Evolution der Zeit, so finden wir, daß derselbe Michael-Wille - was wir Michael-Herrschaft nennen können - in den geistigen Angelegenheiten der Menschheit, in den großen zivilisatorischen Fragen wirksam war vor dem Mysterium von Golgatha in der Alexanderzeit als dasjenige, was in Griechenland erarbeitet wor­den war durch die chthonischen und die Himmelsmysterien, als das verbreitet werden sollte hinüber nach Asien, verbreitet werden sollte in Afrika. Da, wo Michael-Wille herrscht, ist immer Kosmo­politismus vorhanden; da wird dasjenige, was differenzierend unter den Menschen auf Erden ist, für das Michael-Zeitalter über­wunden.

An jenes tiefbedeutsame Wirken, das sich knüpft an die Aus­breitung des Aristotelismus und des Alexandrinismus, an dieses Wirken, das ein Michael-Wirken war, knüpfte sich dann an das andere Wirken, das des Oriphiel. Daraufhin, nach dem Oriphiel­Wirken, kam das Anael-Wirken, das Zachariel-Wirken, dann das bedeutsame Raphael-Wirken, dann das Samael-Wirken, dann das Gabriel-Wirken, das bis ins 19. Jahrhundert hereinging. Und seit den letzten siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts stehen wir wie­derum in dem Zeichen des Michael-Wirkens. Es ist im Anfange. Aber einfließen muß dasjenige, was Michael-Impulse sind - und was ja klarwerden kann Euch, meinen Schwestern und Brüdern, durch die allgemeinen Mitgliedervorträge -, einfließen muß das in alles wirklich zu Recht bestehende esoterische Wirken in bewußter Weise.

Und durch alles dasjenige, was mit dem Impuls der Weihnachtstagung zusammenhängt, durch alles das ist die Möglichkeit herbeigeführt

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worden, daß diese den Kern der anthroposophischen Be­wegung bildende esoterische Schule anzusehen ist als die von Michael selbst inspirierte und geleitete esoterische Schule. Dadurch besteht sie innerhalb unseres Zeitalters zu Recht, daß sie eine spiri­tuelle Institution ist. Das muß von jedem, der zu Recht Mitglied dieser Schule sein will, im allertiefsten Ernste in sein Leben auf­genommen werden. Und es muß sich derjenige, der zu Recht Mit­glied dieser Schule sein will, fühlen nicht bloß zu einer irdischen Gemeinschaft gehörig, sondern zu einer übersinnlichen Gemein­schaft gehörig, deren Lenker und Leiter Michael selber ist. Daher wird immer dann dasjenige, was hier mitzuteilen ist, nicht bloß als mein Wort zu gelten haben, insofern es Inhalt der Stunde ist, sondern es wird zu gelten haben als dasjenige, was Michael an die­jenigen, die sich zu ihm gehörig fühlen, selber in esoterischer Art diesem Zeitalter zu verkündigen hat. Das also, was diese Stunden enthalten, wird die Michael-Botschaft für unser Zeitalter sein.

Und damit, daß sie das ist, wird die anthroposophische Bewe­gung ihre eigentliche spirituelle Stärke erhalten. Dazu ist notwen­dig, daß im allertiefsten Ernste eben das genommen wird, was man Mitgliedschaft zu dieser Schule nennen kann. Es ist schon notwen­dig, meine lieben Schwestern und Brüder, gründlich und tief not­wendig, daß in der aller-allerernstesten Weise hingewiesen wird auf den heiligen Ernst, mit dem die Schule genommen werden muß.

Und hier innerhalb der Schule muß denn doch einmal und immer wieder gesagt werden: es herrscht in Anthroposophenkreisen viel zu geringer Ernst für dasjenige, was durch die anthropo­sophische Bewegung eigentlich fließt, und es muß wenigstens in den esoterischen Mitgliedern der esoterischen Schule jener Kern herangezogen werden einer Menschheit, der sich allmählich heranbildet zu dem Ernste, der da notwendig ist. Daher ist es notwendig, daß die Leitung der Schule wirklich sich vorbehält, nur diejenigen gelten zu lassen als richtige, würdige Mitglieder der Schule, die in jedem Einzelnen ihres Lebens würdige Repräsentanten der anthro­posophischen

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Sache sein wollen; und die Entscheidung darüber, ob das der Fall ist, muß bei der Leitung der Schule liegen.

Betrachten Sie das, meine Schwestern und Brüder, nicht als eine Beeinträchtigung der Freiheit. Die Leitung der Schule muß ebenso ihre Freiheit haben und anerkennen können, wer zur Schule gehört und wer nicht, wie es ja jedem auch in seinen Willen hinein frei­gestellt wird, zur Schule gehören zu wollen oder nicht. Aber es muß durchaus sozusagen ein freier ideell-spiritueller Vertrag sein, der zwischen dem Mitglied der Schule und zwischen der Leitung geschlossen wird. In anderer Weise könnte niemals die esoterische Entwickelung eine gesunde genannt werden, insbesondere nicht eine der Tatsache würdige, daß diese esoterische Schule unter der unmittelbaren Kraft der Michael-Wirksamkeit selber steht.

Die Leitung der Schule muß im strengsten Sinne des Wortes das­jenige, was eben gesagt worden ist, handhaben. Und daß sie das tut, das möge Ihnen, meine lieben Freunde, aus dem hervorgehen, daß tatsächlich seit dem verhältnismäßig kurzen Bestand der Schule gegen achtzehn, zwanzig Ausschließungen stattfinden mußten, weil dasjenige, was als Ernst mit der Schule verbunden werden muß, eben nicht eingehalten worden ist.

Sorgfältiges Hüten der mantrischen Sprüche, so daß sie nicht in unrechte Hände kommen, das ist die erste Anforderung; aber auch wirklich sein ein würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache.

Ich brauche ja nur einzelne Tatsachen zu erwähnen, um hinzu­weisen darauf, wie wenig eigentlich noch durchgreifend die an­throposophische Bewegung mit vollem Ernste aufgefaßt wird. Vor einzelnen von Ihnen habe ich es schon erwähnt. Es ist vorgekom­men, daß Mitglieder der Schule hier ihre Plätze mit den blauen Zertifikaten, die ihnen das Recht geben, in der Schule zu sitzen, belegt haben. Es ist vorgekommen in der Anthroposophischen Ge­sellschaft, daß man ganze Stöße von Mitteilungsblättern, die nur für die Mitglieder bestimmt sind, in der Tramway, die von Dornach

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nach Basel fährt, aufgefunden hat. Und ich könnte diese Liste in der mannigfaltigsten Weise vermehren. Und es kommt immer wieder und wieder dahin, daß über diesen mangelnden Ernst geradezu verblüffende Tatsachen geliefert werden. Es ist ja ge­radezu so, daß selbst Dinge, die im äußeren Leben ernst genommen werden, in dem Augenblicke, wo die Betreffenden dieselben Dinge innerhalb der anthroposophischen Bewegung zu üben haben, sie nicht ernst genommen werden.

Das alles sind Dinge, die durchaus in Betrachtung gezogen wer­den müssen im Zusammenhange mit dem festen Gefüge, das diese Schule haben muß. Deshalb muß dies gesagt werden, weil man eigentlich, ohne daß man die Dinge beachtet, nicht in würdiger Weise entgegennehmen kann als Offenbarung aus der geistigen Welt, was hier in der Schule gegeben wird. Und es wird jedesma] am Ende der Stunde ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, daß die Wesenheit des Michael selber anwesend ist, während hier die Offenbarungen der Schule gegeben werden. Und es wird dieses bekräftigt durch Zeichen und Siegel Michaels.

Alle diese Dinge müssen im Herzen der Mitglieder leben. Und Würde, tiefe Würde muß herrschen in all dem, was selbst nur die Gedanken mit dieser Schule verbindet. Denn in all diesem kann allein leben dasjenige, was heute eine esoterische Strömung durch die Welt tragen soll. Und all das schließt die Pflichten ein, die der einzelne hat.

Dasjenige, was an mantrischen Sprüchen hier auf die Tafel ge­schrieben wird, kann nur von denjenigen besessen werden im strengsten Sinne des Wortes, welche hier das Recht haben, in der Schule zu sitzen. Und ist ein Mitglied der Schule einmal verhin­dert, an den Stunden teilzunehmen, wo mantrische Sprüche gegeben werden, so kann ein anderes Mitglied, das diese Sprüche hier in der Schule bekommen hat, diese Sprüche allerdings mit­teilen; aber es muß für jeden einzelnen Fall, das heißt für jede ein­zelne Persönlichkeit, an die die Sprüche abgegeben werden sollen,

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erst um die Erlaubnis dazu gefragt werden, entweder bei Frau Dr. Wegman oder bei mir selbst. Wenn einmal für eine Persönlich­keit die Erlaubnis gegeben worden ist, so bleibt die dann fort­bestehen. Aber für jede einzelne Persönlichkeit muß wiederum im besonderen bei Frau Dr. Wegman oder mir gefragt werden. Das ist nicht eine Verwaltungsmaßregel, das ist etwas, was im strengsten Sinne durch die Regeln des Okkulten gefordert wird. Denn die Tatsache muß dastehen, daß jeder Akt der Schule verbunden bleibt mit der Leitung der Schule; und das beginnt damit, daß man um Erlaubnis frägt, wenn so etwas geschehen soll, was zu den Taten der Schule gehört. Nicht derjenige kann fragen, der die Mantren empfängt, sondern allein derjenige, der sie gibt, unter den Modali­täten, die ich eben bezeichnet habe. Schreibt sich jemand etwas auf hier während der Stunde, was nicht die mantrischen Sprüche sind, sondern was gesagt wird, so hat er die Verpflichtung, das nur acht Tage zu haben und dann es zu verbrennen.

Alle diese Dinge sind nicht willkürliche Maßregeln, sondern hängen mit der okkulten Tatsache zusammen, daß die Dinge der Esoterik nur wirksam sind, wenn sie von der Gesinnung umfaßt werden, die die rechtmäßig in der Schule sitzenden Mitglieder haben. Sie verlieren ihre Wirksamkeit, die Mantrams, wenn sie in unrechte Hände kommen. Und das ist eine so fest in die Welten-ordnung eingetragene Regel, daß einmal das Folgende vorgekom­men ist und eine ganze Reihe von Mantrams unwirksam geworden sind, die innerhalb dieser anthroposophischen Bewegung flossen.

Von mir konnte übergeben werden an eine Reihe von Leuten dasjenige, was mantrische Sprüche sind. Ich übergab es auch einer gewissen Persönlichkeit. Die hatte einen Freund. Der Freund war etwas hellsehend. Und es kam dazu, daß, als die beiden Freunde in einem Zimmer schliefen, der hellsehende Freund, während der andere nur denkend das Mantram wiederholte, es abschaute und dann Unfug damit trieb, indem er es als Mantram von sich aus an Leute gab. Man mußte erst nachgehen der Tatsache, die sich herausstellte,

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warum die betreffenden Mantrams unwirksam wurden bei all denjenigen, die sie hatten.

Also Sie dürfen sich nicht, meine lieben Schwestern und Brüder, bei diesen Dingen leichten Gedanken hingeben, denn die Regeln des Esoterischen sind strenge; und niemand sollte eigentlich, wenn er einen dahingehenden Fehler gemacht hat, das entschuldigen mit dem, daß er nichts dafür kann. Wenn jemand in seinem Kopfe das Mantram in Gedanken ablaufen läßt und ein anderer hellsehend das schaut, dann kann derjenige, dem das Mantram abgelaufen ist, ganz gewiß nichts dafür. Aber die Tatsachen vollziehen sich doch mit eiserner Notwendigkeit.

Ich erwähne diese Sache, damit Sie sehen, wie wenig Willkür in den Dingen liegt, und wie in diesen Dingen durchaus dasjenige ent­halten ist, was unmittelbar abgelesen ist aus der geistigen Welt und den Gepflogenheiten der geistigen Welt entspricht. Nichts ist wilL kürlich in demjenigen, was in einer zu Recht bestehenden eso­terischen Schule vorgeht. Und es sollte ausstrahlen aus dieser esoterischen Schule in die übrige anthroposophische Bewegung der Ernst, auf den eben hingewiesen worden ist. Dann allein wird diese Schule auch der anthroposophischen Bewegung dasjenige sein können, was sie ihr sein soll. Aber es wird dazu schon not­wendig sein, daß in manchem, was eigentlich nur aus dem Grunde der Persönlichkeiten entspringt und immer wieder und wieder so frisiert wird, als ob es nur in Hingabe an die anthroposophische Bewegung geschähe, daß in manchem von dem, was geschieht

- ja, ich will gar nicht sagen, daß es nicht geschehen soll, denn selbstverständlich müssen die Menschen in der Gegenwart per­sönlich sein -, aber da ist dann notwendig, daß im Persönlichen auch die Wahrheit lebt, daß jemand also, der etwa, sagen wir, aus persönlicher Lust hier nach Dornach herfährt, sich das auch ge­steht und es nicht anders auffaßt. Es ist ja nichts Schlimmes, aus persönlicher Lust nach Dornach herzufahren. Und es ist ja neben­bei noch gut, wenn man herfährt. Aber man soll sich dann die

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persönliche Lust gestehen und nicht alles umfrisieren in reine Hin­gabe an das geistige Leben.

Ich erwähne das; ich hätte ebensogut ein anderes Beispiel wäh­len können, was realer ist, denn es ist ja tatsächlich so, daß bei den meisten unserer Freunde, wenn sie nach Dornach fahren, sogar Opferwilligkeit, Opfersinn vorliegt, und daß gerade darinnen am allerwenigsten - mit dem Nach-Dornach-Fahren - wirkliche Un­wahrhaftigkeit getrieben wird. Aber ich wählte dieses Beispiel, weil es gerade dadurch, daß es am wenigsten zutrifft, auch das harmloseste ist. Würde ich andere Beispiele erwähnen, so würde dasjenige, was ich heute gern hätte als eine wirklich ruhige Grundstimmung in den Herzen und Seelen aller, die hier sitzen, nicht in dem gehörigen Maße da sein können.

Nach dieser Einleitung möchte ich beginnen mit jenem Spruche, der Anfang und Ende ist desjenigen, was hier als Michael-Verkün­digung vor Euch hintritt, der enthält dasjenige, was zu allen Men­schen, die einen unbefangenen Sinn haben, alle Dinge der Welt sprechen, wenn man mit der Seele auf sie hinhört. Denn alles, was im mineralischen, pflanzlichen, im tierischen Reiche lebt, was aus den Sternen herunterfunkelt, was in unsere Seele hereinwirkt aus den Reichen der Hierarchien, aus alle dem, was als Gewürm unter der Erde kriecht, an Leben sich auf der Erde bewegt, aus alle dem, was in Fels und Quell, in Wald und Feld und Berg und Donner und Wolken und Blitz spricht, aus alle dem sprach zu dem un­befangenen Menschen in aller Vergangenheit, spricht in aller Ge­genwart, wird es sprechen in aller Zukunft:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

Die letzte Stunde, sie hat geschlossen damit, meine lieben Schwestern und Brüder, daß nach den letzten Ermahnungen, die der Hüter der Schwelle gibt, bevor man hinübertritt über den gähnenden Abgrund des Seins, daß der Hüter der Schwelle dann die inhaltschweren, menschenbewegenden Worte gesprochen hat:

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

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Wichtiges, Gewichtiges, Bedeutsames ist an unsere Seelen, ist an unsere Herzen herangetreten durch alles dasjenige, was in Michaels Auftrag der Hüter der Schwelle gesprochen hat. Und alles, was er gesprochen hat, war dazu da, uns vorzubereiten auf diejenige Stimmung, die wir haben müssen, wenn wir hinüberkommen, nachdem das Tor geöffnet ist, über den gähnenden Abgrund des Seins, wo man nicht hinkommt mit demjenigen, was die Erdenfüße ergehen, wo man nur hinkommt mit demjenigen, was man erfliegt, wenn der Seele aus geistiger Gesinnung, aus geistiger Liebe, aus geistigem Fühlen Flügel wachsen.

Und jetzt, jetzt, meine lieben Schwestern und Brüder, wird das­jenige beschrieben, was der Mensch erlebt, wenn er drüben steht jenseits des gähnenden Abgrundes des Seins. Der Hüter der Schwelle bedeutet ihm: Kehre um und schaue zurück! Du hast bis jetzt hingeschaut auf dasjenige, was dir erschienen ist als schwarze, nachtbedeckte Finsternis, von der du sagen mußtest, daß sie inner­lich hell wird und den Quell deines eigenen Selbstes beleuchten wird. Ich habe es bei den letzten Ermahnungen - so spricht der Hüter der Schwelle - aufhellen lassen, zuerst ganz leise. Du fühlst das erste werdende Licht um dich. Aber drehe dich um, schaue zurück!

Und indem derjenige, der den gähnenden Abgrund des Seins überschritten hat, nun sich umdreht und zurückschaut, erblickt er seinen Erdenmenschen, dasjenige, was er während der physischen Inkarnation ist, drüben an demjenigen Teil des Seins, den er ver­lassen hat, der jetzt drüben liegt im Erdbezirk. Er erblickt seinen eigenen Erdenmenschen drüben. Er hat sich einverleibt dem geisti­gen Sein mit seinem Geistig-Seelischen. Dasjenige, was die Erdenumhüllung, die Erdengestaltung ist, sie steht jetzt drüben. Sie steht drüben in demjenigen Gebiete, in dem wir mit all unserem Men­schenwesen zuerst waren, wo wir gesehen haben alles dasjenige, was unten kriecht und oben fliegt, wo wir gesehen haben die fun­kelnden Sterne, die wärmespendende Sonne, wo wir gesehen haben,

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was in Wind und Wetter lebt, und wo wir gestanden haben, wis­send, daß in all dem, trotz all des Majestätischen, was in der Sonne erblitzt und erhellt, trotz all dem Schönen und Großen, was da ist im Felde des Sinnendaseins, wo wir gestanden haben und uns sag­ten: unseres eigenen Menschenwesens Wesen ist nicht darinnen; das mußt du suchen jenseits des gähnenden Abgrundes des Seins, in dem, was dir von der anderen, von der Sinnenseite aus zunächst erscheint als schwarze, nachtbedeckte Finsternis.

Der Hüter der Schwelle hat uns in den drei Tieren gezeigt, was wir eigentlich sind. Jetzt wird beschrieben, wie wir im Finstern, das hell wird, das beginnt hell zu werden, anfangen sollen damit, daß wir zurückblicken auf dasjenige, was wir als Mensch sind in der Sinnenwelt zusammen mit demjenigen, was unsere einzige Welt vorher war im sinnlichen Erdendasein.

Und jetzt weist in ganz bestimmter Weise dieser Hüter der Schwelle hin auf den, der da drüben steht, auf den Erdenmenschen, der wir für das Erdendasein selber sind, und zu dem wir immer wieder kommen müssen, in den wir immer wieder dringen müssen, wenn wir aus der geistigen Welt herausschreiten, zu der für uns pflichtgemäßen Erdenarbeit, zu dem Erdensein zurückkehren. Denn wir dürfen nicht Träumer und Schwärmer werden, wir müs­sen in allem wiederum zum Erdensein zurückkommen. Und des­halb weist der Hüter der Schwelle an, zu sehen den Menschen, der da drüben steht, der wir selber sind, so, daß er zunächst aufmerk­sam macht auf dasjenige, was dieser Mensch ist. [Es wird gezeich­net: Umriß der Menschengestalt.] Er ist sich bewußt, daß er durch die Sinne, die in ihrem Hauptteil im Kopfe lokalisiert sind, die äußere Welt wahrnimmt, und daß er sein Denken durch die Kraft des Kopfes wahrnimmt.

Aber der Hüter der Schwelle bemerkt jetzt: Siehe in diesen Kopf hinein. Da ist es, wie wenn du in eine finstere Zelle hineinsiehest, denn du siehst das darinnen schaffende Licht nicht. Aber dieWahr­heit ist diese, daß dasjenige, was du als dein Denken trugest als

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solcher Mensch drüben in der Sinneswelt, daß das ein bloßer Schein ist, bloße Bilder, nicht viel mehr als Spiegelbilder.

Der Hüter der Schwelle mahnt uns daran, daß wir uns dessen recht bewußt sein sollen, aber auch bewußt sein sollen, daß das­jenige, was da nur als Schein lebt im Erdendenken, der Leichnam ist - wie wir gehört haben in früheren Stunden - von einem leben­digen Denken, in dem wir lebten in der geistig-seelischen Welt, bevor wir zu diesem Erdendasein heruntergestiegen sind. Da lebte das Denken. Jetzt ruht das Denken als totes Denken, als Scheines­denken in dem Sarg unseres Leibes. Und alles Denken, was wir in der Sinneswelt anwenden, ist totes Denken. Es lebte, bevor wir heruntergestiegen waren.

Und was schuf dieses Denken? Es schuf erst alles das, was inner­halb des Hauptes, des Kopfes, in dieser finsteren Zelle - so schaut sie aus für das Sinnesanschauen - lichtschaffendes Wesen ist. Das Gehirn, das da drinnen sitzt als Stütze des Denkens, es ist heraus-geschaffen aus dem lebendigen Denken. [Es wird gezeichnet: das Innere des Kopfes, gelb.] Und das lebendige Denken ist es, das erst unsere Stütze für das Scheinesdenken der Erde schafft.

Seht hin auf des Gehirnes Windungen, seht hin auf alles das­jenige, was Ihr in der finsteren Kopfeszelle drinnen trägt, was Euch befähigt zum Denken, meine Schwestern und Brüder, seht hinter das Denken, das nur der Schein ist, in die Kopfeszelle hin­ein, dann werdet Ihr finden, wie in dasjenige, was da oben als Denken gefühlt wird [Zeichnung: rote Pfeile] hinaufströmt die Kraft des Wollens, hineinergießt sich in das Denken die Kraft des Wollens, so daß jeder Gedanke willensdurchstrahlt ist. Gespürt werden kann, wie in das Denken der Wille einströmt.

Und so schauen wir auch zurück von jenseits der Schwelle, wie da der andere Mensch, der wir selber sind, einströmend hat aus seinem Leib in den Kopf die Willenswellen, die Wollen schaffen und die zuletzt, wenn wir sie verfolgen in der Zeitenwende zurück, bis zu unseren vorigen Erdeninkarnationen führen, herüberschaffen

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aus vergangenen Welten in die gegenwärtige Inkarnation her­ein die Denkwellen und bilden unser Haupt, das erst das Scheines­denken hier in dieser Inkarnation absolviert.

Daher sollen wir stark sein, sagt uns der Hüter der Schwelle, und das tote Denken hinausgeworfen denken in das Weltennichts; denn es ist Schein. Und das Wollen, das da ersteht, das sollen wir betrachten als dasjenige, was aus früheren Erdeninkarnationen herüberwellt und -webt und -wirkt und uns zum Denker erst macht. Da drinnen [siehe Zeichnung: gelb] sind die schaffenden Weltgedanken. Diese schaffenden Weltgedanken bewirken erst, daß wir Menschheitsgedanken haben können.

Deshalb heißt das erste Wort, das der Hüter der Schwelle, nach­dem er uns übertreten gelassen hat die Schwelle, nachdem er uns angekündet hat, daß das Tor geöffnet ist, daß wir ein wahrer Mensch werden können, daher ist das erste Wort, das er da spricht:

Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstern Geisteszelle
Wollen sich hebt aus Leibestiefen;
Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

Das erste Wort ist, das wir drüben hören, indem wir hinschauen auf die Gestalt, die wir selber sind, die hüben nun steht für unseren Seelenanblick, den wir von drüben herüberschicken:

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[Es wird nun die erste Strophe an die Tafel geschrieben und die Überschrift unter­strichen:]

Der Hüter wird in der sich hellenden Finsternis gehört also:

Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstern Geisteszelle
Wollen sich hebt aus Leibestiefen;
Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

Und dann fügt der Hüter der Schwelle hinzu, und man muß sich allstrengen, um es zu hören: Nun stelle dir dich vor, so daß du hinschaust auf denjenigen, der du selber bist, der da drüben steht; wende dich wieder und sieh in die Finsternis hinein und versuche mit aller inneren imaginativen Erinnerungskraft - wie man es tut, wenn man ein Nachbild, ein physisches Nachbild im Auge bildet-, versuche mit aller Kraft, etwas wie eine graue Umrißgestalt des­jenigen, den du da drüben gesehen hast, vor dich hinzuzeichnen; aber vermeide es, irgendwie etwas anderes vor dich hinzuzeichnen denn eine graue Umrißgestalt. [Es wird gezeichnet.]

Und es erscheint, wenn es gelingt, diese graue Umrißgestalt zu schauen, es erscheint hinter dieser grauen Umrißgestalt das Mon­denbild [es wird gezeichnet: Mondessichel, gelb], die graue Umriß­gestalt davor.

Wenn man nun in der Lage ist, Ruhe zu halten, sieht man eben in der Ferne den Mond. Die graue Umrißgestalt wird etwas, was zugleich dort ist, aber sich in einem regt. Und übt man so immer weiter und weiter, man wird herankommen fühlen nunmehr an die Geistgestalt des Kopfes, die man drüben hat, nicht an die physische

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Menschengestalt, sondern an die Geistgestalt des Kopfes, die man drüben hat, wird man herankommen fühlen dasjenige, was einem das Karma bringt aus vorigen Erdeninkarnationen. [Gelber Pfeil rechts von der Mondessichel.]

Daher sollt Ihr im Meditieren das Bild, das ich hier gelb gezeich­net habe, die Mondessichel mit diesem Pfeil, hinzumeditieren; ablaufen lassen das Mantram, dann dieses Bild als das Merkbild für das hinstellen, was da werden kann zu einem allmählichen Bekanntwerden mit dem, was herüberkraftet aus vorigem Erden­dasein.

Und als zweites weist hin mit noch kräftigerer Gebärde der Hüter der Schwelle auf dasjenige, was als Fühlen lebt in dem Men­schen da drüben, der wir selber sind; und er ermahnt, daß wir die­ses Fühlen so recht sehen wie ein Träumedämmern. Und es wird in der Tat so, daß wir sehen das Fühlen, das zwar diesen Menschen da drüben viel realer macht als das Denken - denn das Denken ist Schein, das Fühlen ist halb Realität -; aber wir sehen das Fühlen des Tagesmenschen in lauter Traumbildern sich entfalten. Wir ler­nen erkennen aus der Anschauung, daß Fühlen vor dem Geiste und im Geiste Träumen ist.

Äber was für ein Träumen ist das Fühlen? In diesem Fühlen des Menschen träumt nicht allein der individuelle Mensch, darinnen träumt das ganze umliegende Weltendasein. Unser Denken haben wir allein. Dafür ist es auch Schein. Unser Fühlen ist etwas, in dem schon die Welt lebt. Weltendasein ist darinnen.

Nun müssen wir sehen, möglichste Herzensruhe zu bekommen. So ermahnt der Hüter. Wenn wir möglichste Herzensruhe be­kommen, so daß wir auslöschen können dasjenige, was da in Traumbildern als Fühlen webt und lebt, wie sich das Träumen auslöscht in tiefem Schlafe, dann kommen wir an die Wahrheit des Fühlens heran, und wir können das Menschenfühlen verwoben sehen mit dem Weltenleben, das ringsherum im Geiste vorhanden ist. Und dann erscheint uns der wirkliche geistige Mensch, der im

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Leibe lebt und webt, zunächst in seiner halben Existenz. Aus dem schlafenden Fühlen heraus erscheint uns der Mensch. Wir fühlen uns drüben jenseits der Schwelle, jenseits des gähnenden Abgrundes des Seins in unserer Menschenwesenheit dadurch, daß das Fühlen eingeschlafen ist und ringsherum erschienen ist die weltenschöpfe­rische Macht, die im Fühlen lebt. Deshalb mahnt uns der Hüter:

Sieh in des Fühlens Seelenweben,
Wie in dem Träumedämmern
Leben aus Weltenfernen strömet;
Laß in Schlaf durch die Herzensruhe
Menschenfühlen still verwehen;
Und das Weltenleben geistert
Als Menschenwesensmacht.

[Diese zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Sieh in

- hier hat es geheißen «hinter», hier «in»; alle Worte sind bedeut­sam in mantrischen Sprüchen -[in der ersten Strophe wird «hinter» und in der zweiten Strophe «in» unterstrichen]


                      des Fühlens Seelenweben,

- hier war es «Denken», hier «Fühlen»; hier «Sinneslicht», hier «Seelenweben»; viel realer ist «Weben» als bloß des Lichtes Schein -

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[in der ersten Strophe wird «Denkens» und «Sinneslicht» und in der zweiten Strophe «Fühlens» unterstrichen]

Wie in dem Träumedämmern
Leben aus Welten fernen strömet;

- hier hat es geheißen: Wollen aus dem Leibe kommt; hier: Leben aus Welten fernen strömet -[in der dritten Zeile der ersten Strophe wird «Wollen» und in der zweiten Strophe «Leben» unterstrichen]

Laß in Schlaf durch die Herzensruhe
Menschen fühlen still verwehen;

- es steigert sich: hier [in der ersten Strophe] handelt es sich dar­um, fließen zu lassen durch der Seele Stärke; hier [in der zweiten Strophe] muß man verwehen lassen Menschenfühlen -[das Wort «verwehen» wird unterstrichen]

Und das Weltenleben geistert

- da [in der ersten Strophe] war es das Wollen, das noch im Men­schen ist; hier ist es kosmisch -[in der ersten Strophe wird in der vorletzten Zeile «Wollen» und in der zweiten Strophe «Weltenleben» unterstrichen]

Als Menschenwesensmacht.

- Die Steigerung gegenüber dem Weltgedankenschaffen. -

[In der ersten Strophe wird «Weltgedankenschaffen» und in der zweiten Strophe «Menschenwesensmacht» unterstrichen.]

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Der Hüter der Schwelle, er verweist uns darauf, daß wir zu­rückschauen sollen noch einmal auf die Gestalt, die drüben steht, die wir selber sind im Erdendasein, wiederum das graue Bild auf­nehmen sollen, aber dieses graue Bild jetzt, nachdem wir wieder uns weggewendet haben, so behalten sollen, daß wir im Seelen-leben es im Kreise drehen, daß es bleibt, wenn wir es im Kreise drehen. Und wir werden finden, daß, wenn wir das Bild im Kreise drehen, die Sonne erscheint, in ihrem Erscheinen hinter dem Bilde das Bild mit dreht [es wird gezeichnet, rot]. Und wir werden darinnen gewahr, wie in dem Augenblicke, da wir hereingezogen sind aus geistigen Welten in das physische Erdendasein, unser ätherischer Leib sich aus dem Weltenäther zusammengezogen hat. Daher sollen wir dieses Bild - so wie das hier zu dem ersten Spru­che [die Zeichnung der grauen Umrißgestalt und die erste Strophe werden mit I numeriert] - zu dem zweiten Spruche hinzufügen [die rote Zeichnung des sich drehenden Bildes und die zweite Strophe werden mit II numeriert].

Dann verweist uns der Hüter der Schwelle auf unser Wollen, das in unseren Gliedern wirkt. Und er macht uns streng darauf aufmerksam, wie alles dasjenige, was sich auf das Wollen bezieht, von uns im Wachen verschlafen wird. Denn wie der Gedanke hinunter - ich habe das letzte Mal es erklärt und darf es daher heute sagen -, wie der Gedanke hinunterwärmt in unserer Glieder Bewegung, so daß Wollen daraus wird: das wird erst klar im geisti­gen Erkennen, im geistigen Anschauen. Das verbirgt sich dem gewöhnlichen Bewußtsein wie das Leben im Schlafe. Jetzt sollen wir hinschauen und von vornherein das Wollen in den Gliedern wie im tiefen Schlafe versunken schauen. Da schläft das Wollen. Die Glieder schlafen. Das sollen wir als feste Vorstellung haben. Dann, wenn wir das haben, dann finden wir, wie das Denken, das des Wollens Ursprung ist im Erdenmenschen, herunter sich senkt

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in die Glieder. Dann wird es Licht im Menschen. Das Wollen wird hell. Es wacht auf. Wenn wir es zuerst anschauen in seinem Schlafzustande, dann finden wir, es wacht auf, wenn sich das Denken hinuntersenkt und Licht von unten aufwärtsströmt, was ja nur die Schwerkräfte sind. Fühlen Sie in Ihren Beinen, fühlen Sie in Ihren Armen die Schwerkräfte, wenn Sie alles hängen lassen: das ist das, was aufwärtsströmt, sich mit dem abwärtsströmenden Denken verbindet. Wir schauen Menschenwollen sich verwandeln in seine Wirklichkeit und das Denken erscheinen als dasjenige, was auf zauberhafte, magische Art den Willen entflammt im Menschen. Und das ist wirklich magische Wirkung des Denkens, was der Wille ausführt. Da ist Magie. Das werden wir jetzt gewahr.

Der Hüter der Schwelle sagt:

Sieh über des Wollens Leibeswirken,

- in der Aura herum -

Wie in schlafende Wirkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

[Es wird nun diese dritte Strophe zugleich mit den Unterstreichungen - siehe Seite 165 - an die Tafel geschrieben:]

Sieh über des Wollens Leibeswirken,
Wie in schlafende Wrkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

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Dazu stellen wir uns vor, wie der Hüter der Schwelle wiederum winkt, hinzuschauen auf den, der da drüben ist, der wir aber selber sind, ein Bild zu behalten, jetzt uns aber nicht zu wenden, sondern dieses Bild unter der Gestalt, die drüben steht, in den Erdboden hinein sinken zu lassen. Wir schauen hinüber. Da steht er drüben, der wir selber sind. Wir bilden uns das Bild und bilden die starke Kraft aus, hinunterzuschauen, wie wenn da ein See wäre und wir dieses Bild hinunterschauen würden, so daß wir's als innerhalb der Erde jetzt schauen, aber nicht als Spiegelbild, sondern als aufrech­tes Bild.

[Es wird gezeichnet:]

Wir stellen uns vor dieses Bild: die Erde [Kreisbogen] zu drei, zum dritten Spruch [diese Zeichnung und die dritte Strophe wer­den mit III numeriert]; wir stellen uns vor: die Erde, wie ihre Schwerkräfte heraufkommen, wie die Schwerkräfte hineinleuch­ten in die Glieder, Füße und Arme [Pfeile]. Wir bekommen eine Ahnung davon im späteren Schauen, wie Götter mit Menschen zusammenwirken zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, um das Karma zu bewerkstelligen.

Das ist es, wozu der Hüter der Schwelle uns mahnt, nachdem er zum ersten Mal zu uns hinüberspricht, nachdem wir den gähnen­den Abgrund des Seins überschritten haben:

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Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstern Geisteszelle
Wollen sich hebt aus Leibestiefen;
Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

Sieh in des Fühlens Seelenweben,
Wie in dem Träumedämmern
Leben aus Weltenfernen strömet;
Laß in Schlaf durch die Herzensruhe
Menschenfühlen still verwehen;
Und das Weltenleben geistert
Als Menschenwesensmacht.

Sieh über des Wollens Leibeswirken,
Wie in schlafende Wirkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

Stets schließt sich der Kreis. Wiederum zurück schauen wir auf den Ausgangspunkt, hörend aus allen Wesen und aus allen Vor­gängen der Welt:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

Bei dieser Verkündigung ist Michael anwesend in dieser seiner zu Recht bestehenden Schule. Bekräftigt wird diese Anwesenheit durch dasjenige, was sein Zeichen ist, das walten soll über allem, was gegeben wird in dieser Schule:

[Michael-Zeichen]

und bekräftigt wird sie durch sein Siegel, das er aufgedrückt hat dem esoterischen Streben der Rosenkreuzer-Schule, was da lebt symbolisch in dem dreifachen Spruche:

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Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus

Und indem Michael sein Siegel aufdrückt, wird der erste Satz gesprochen in dieser Geste:

[untere Siegelgeste]

der zweite Satz in dieser Geste:

[mittlere Siegelgeste]

der dritte Satz in dieser Geste:

[obere Siegelgeste]

Die erste Geste heißt:

Ich bewundere den Vater

Sie lebt stumm, während wir sprechen «Ex deo nascimur».

[untere Siegelgeste]

Die zweite Geste heißt:

Ich liebe den Sohn

Sie lebt stumm, während wir sprechen «In Christo morimur».

[mittlere Siegelgeste]

Die dritte Geste heißt:

Ich verbinde mich dem Geiste

Sie lebt stumm im Zeichen, das da ist das Siegel Michaels, indem wir sprechen «Per spiritum sanctum reviviscimus».

[obere Siegelgeste]

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Und so sei bekräftigt der heutigen Michael-Verkündigung In­halt durch Zeichen und Siegel Michaels:

[Michael-Zeichen]

[Es wird mit den Siegelgesten gesprochen:]

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

Zu verkündigen habe ich, daß die Kursusstunde für Theologen morgen einviertel vor elf Uhr sein wird; die Kursusstunde für Sprachgestaltung und dramatische Kunst um zwölf Uhr. Nach­mittags um fünf Uhr wird eine Eurythmievorstellung sein, und am Abend um acht Uhr, wenn die Eurythmie zu spät aus ist, um viertel oder halb neun Uhr, der Mitgliedervortrag.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 166 Wandtafelanschrift aus GA 270/III, S. 166
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Vier Einzelstunden, gehalten in Prag, Bern und London

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ERSTE PRAGER STUNDE Prag, 3. April 1924

Meine liehen Freunde! Was in der alten Anthroposophischen Gesellschaft eingefügt war als esoterische Unterweisung in ver­schiedenen Gruppen, das soll einströmen - seit der Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft in neuer Form mit der Weihnachtstagung am Goetheanum in Dornach - durch das­jenige, als was seit jener Zeit gedacht ist die eigentliche Hochschule für Geisteswissenschaft, welche eine Art von Zentrum bilden soll der ganzen in der Anthroposophischen Gesellschaft waltenden anthroposophischen Bewegung. Diese Hochschule für Geisteswissenschaft, die wird ja natürlich durch die Verhält­nisse ihr wesentlichstes Wirken, ihren Mittelpunkt haben am Goetheanum in Dornach; und es wird das immer mehr und mehr angestrebt und zuletzt auch erreicht werden in den For­men, die man suchen wird: sie wird auch sich auszudehnen versuchen bis zu all den Freunden hin, welche der anthropo­sophischen Bewegung im weiten Umkreis der Welt angehören und die nicht ab und zu in Dornach erscheinen können. Und dasjenige, was ich zu Ihnen in dieser Stunde und in der näch­sten esoterischen Stunde sprechen werde, meine lieben Freunde, das soll eben innerhalb dieser Hochschule für Geisteswissen­schaft gesprochen sein. Ich will nur einleitungsweise einiges über die Konstitution dieser Hochschule zum Ausdruck brin­gen.

Derjenige, welcher sich entschließt, nachdem er zwei Jahre Mit­glied der Anthroposophischen Gesellschaft gewesen ist, als Mit­glied dieser Hochschule einzutreten, der geht eine im geistigen Sinne aufzufassende Verpflichtung ein. Und die Leitung der Hoch­schule wird das Bestreben haben, bei der Ausstellung des Diploms zur Freien Hochschule für Geisteswissenschaft immer zu prüfen,

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ob der Betreffende in der Lage ist, eine solche ideelle geistige Ver­pflichtung einzugehen.

Wer in die Anthroposophische Gesellschaft eintritt, hat ja zu-nächst die Idee - und mit Recht die Idee-, daß er Anthroposophie kennenlernt und erleben lernt. Er will in einer gewissen Weise zu­nächst mit Anthroposophie bekannt werden. Und dafür ist ja gerade seit der Dornacher Weihnachtstagung gesorgt, daß nach dieser Richtung hin eine volle Öffentlichkeit herrsche, daß nach dieser Richtung hin in keiner Weise irgendwelche Verpflichtungen an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft heran-treten.

Wer aber der Hochschule für Geisteswissenschaft als Mitglied beitritt, der muß immerhin bedenken, daß in ihrem Mittelpunkt diese Hochschule für Geisteswissenschaft sein will der Quell des anthroposophischen Lebens in der Gegenwart und für die nächste Zukunft hin. Anthroposophisches Leben ist auf dem begründet, was man ja zu allen Zeiten «geheime Erkenntnis», «Geheimwissen­schaft» genannt hat. Dabei ist eigentlich niemals daran gedacht worden, das Wort «geheim» so aufzufassen, als ob es bedeute, daß man in geheimen Zirkeln allerlei ausmacht, was die Welt nicht wissen darf; sondern gemeint gewesen ist eigentlich immer, daß - im Gegensatz zu dem, was äußerlich, also in gewisser Beziehung außerhalb des menschlichen Leibes zur Umwelt gehört - dasjenige, was in den esoterischen Schulen zur Geltung, zum Ausdruck kam, im tiefsten verborgenen Inneren des Menschen selber seinen Quell, seinen Ursprung hat. Und das nannte man im Gegensatz zum «Öffentlichen» das «Geheime». Geheim hat ja die Bedeutung, daß jene Erkenntnisse, die als geheim gelten, diejenigen Erkenntnisse sind, die im tiefsten Inneren, im geheimen Inneren des Menschen zur Offenbarung kommen; und die im Grunde genommen im tiefsten Inneren dann ihre rechte Stellung, ihre rechte Schätzung, ja auch ihr rechtes Bild verlieren, wenn man sie profaniert, wenn man sie vor die Öffentlichkeit hinträgt in einer Weise, wie es ja

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dann vor der breiten Öffentlichkeit immer geschehen muß, da man voraussetzen kann, daß diese Dinge nicht mit dem nötigen Ernste, mit der nötigen Würde aufgenommen werden.

Das ist ja das erste, was von dem verlangt werden muß, der an die esoterische Schulung herankommt, daß er mit dieser esoteri­schen Schulung den aller-allertiefsten Ernst verbindet. Und in dieser Art ist auch die Hochschule für Geisteswissenschaft genom­men. Und so stellt sie an ihre Mitglieder die Anforderung, in allen Lagen des Lebens wirklich echte, rechte Repräsentanten der an­throposophischen Weltbewegung zu sein. So daß auch schon diese Schule beziehungsweise ihre Leitung sich zur Aufgabe machen muß, demjenigen, der nach Ansicht dieser Schule nicht im rechten Sinn Repräsentant ist, zu sagen, daß er nicht weiter ein Mitglied der Schule sein könne.

Das ist nicht eine tyran nische Maßregel, meine lieben Freunde, das ist nur die Maßregel, die hervorgeht aus dem Prinzip: Freiheit gegen Freiheit. Wenn die Leitung der Schule diese in richtiger Weise führen will, so muß sie auch sagen können, mit wem sie zusammen dasjenige treiben will, was den Inhalt dieser Schule bildet. Und deshalb muß auf den Ernst hingewiesen werden, mit dem der­jenige, der der Schule nahekommen will, wirklich die anthropo­sophische Sache als Weltbewegung auffassen soll.

Die Schule ist, um den Bedürfnissen aller derjenigen zu genügen, die aus den Bedingungen der Zivilisation herankommen, um ihr geistiges Leben innerhalb der Schule weiterzuführen, in Sektionen eingeteilt. Diejenige Unterweisung, die ich geben werde in dieser und der nächsten Stunde, ist gemeint innerhalb der allgemeinen anthroposophischen Sektion, die ich neben der pädagogischen selber leiten werde.

Wir werden dann haben innerhalb der Hochschule für Geistes­wissenschaft eine weitere Sektion für die redenden und musikali­schen Künste, welche Sektion unter der Leitung von Frau Dr. Steiner stehen wird; eine Sektion für Medizin, welche unter

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der Leitung von Frau Dr. Ita Wegman stehen wird; eine Sektion für plastische und bildende Künste überhaupt, unter der Leitung von Miss Maryon; wir werden dann haben eine Sektion für das­jenige, was heute zum Schaden der allgemeinen Zivilisation fast gar nicht mehr berücksichtigt wird: eine Sektion der schönenWis­senschaften, welche unter der Leitung von Herrn Albert Steffen stehen wird; wir werden haben eine Sektion für das Astronomische und alles, was damit zusammenhängt, unter der Leitung von Fräu­lein Dr.Vreede; und eine Sektion für Naturwissenschaft unter der Leitung von Dr. Wachsmuth.

Dann ist in der letzten Zeit, ganz aus den Bedürfnissen heraus, eingerichtet worden dasjenige, von dem man heute noch gar nichts sagen kann, weil es in ein gärendes Element hinein versenkt wer­den muß, aber in ein gärendes Element, von dem die Schule die Voraussetzung hat, daß es sich in aller Ehrlichkeit mit den Absich­ten des Goetheanums verbindet: Es ist begründet worden die Sek­tion für die Förderung des heutigen Jugendlebens, für dasjenige, was umfassendes Streben der heutigen Jugend ist, was in der ge­schichtlichen Entwickelung liegt. Wer solche Dinge unbefangen betrachten kann, für den ist es ohne weiteres klar, daß da etwas vorliegt, das heute etwas ganz Neues ist, obwohl die Jugend nur in einer unklarenWeise sagen kann dasjenige, was sie eigentlich meint. Aber gerade das Heraufführen desjenigen, was gemeint ist, zum vollen Bewußtsein dessen, was in allerlei dunklen Gefühlen, in allerlei Entbehrungen und dergleichen heute besteht, das heraufzuführen in ein klares Schauen, das wird das Bestreben der Sektion - ich darf das Wort jetzt aussprechen - der Sektion für Jugendweisheit sein.

Und so möchte denn auch esoterisches Leben die Freie Hoch­schule für Geisteswissenschaft jedem als dasjenige darbieten, was er in Fortsetzung des heutigen äußeren Geisteslebens suchen kann - dasjenige, was eigentlich die Welt heute im eminentesten Sinne begehrt -, vielfach ohne eigentlich zu wissen, daß dasjenige, was

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heute erstrebt wird, gerade das ist, was in der Esoterik unserer Hochschule für Geisteswissenschaft leben soll.

Wir haben durchaus nicht die Sehnsucht, irgendwie die heutigen äußeren Hochschulen zu imitieren, dasjenige, was andere Hoch­schulen leisten können, in einer etwas anderen Form zu leisten. Das ist in der Zeit, wo mehr die einzelnen Ansichten - ohne von mir beeinflußt zu werden - sich ausleben sollten, angestrebt worden. Das ist in Dornach versucht worden; das ist von mir von vorn­herein als etwas nicht ganz Richtiges angesehen worden. Aber auf diesem Gebiete hat man die Verpflichtung, dasjenige walten zu lassen, was sich ans Tageslicht hindrängen will. Und nachdem nun­mehr die Prüfung vorüber ist und gesehen werden konnte, daß auf diesem Wege zum Ziele nicht zu gelangen ist, soll die Hochschule in Dornach nicht mehr den Schein irgendwie hervorrufen, daß sie wetteifern will mit dem, was an äußeren Hochschulen vorhanden ist, sondern sie soll sein dasjenige, was der Menschheit gibt eben gerade das, was im äußeren Bildungswesen nicht zu erlangen ist; soll sein etwas, wonach aber der Mensch heute im eminentesten Sinne sich hinsehnen muß.

In dieser Art möchte die Freie Hochschule für Geisteswissen­schaft in Dornach ein wirklicher esoterischer Mittelpunkt sein für dasjenige, was in der anthroposophischen Bewegung leben soll.

Wenn ich sage, diese Hochschule solle mit äußerstem Ernst ge­nommen werden, so möchte ich zugleich bedeuten, daß dieses Wort selbst nicht ernst genug genommen werden kann. Daher möchte ich es wieder an die Spitze, an den Ausgangspunkt unserer Betrach­tung stellen. Nicht derjenige, der bloß das esoterische Leben, das durch diese Hochschule fließen soll, als etwas betrachten wird, was sozusagen nur neben seinem Leben verfließt, nicht der wird im rechten, richtigen Sinne Mitglied dieser Hochschule sein, sondern nur derjenige, der im richtigen Sinne durchaus durchdrungen ist von der Wahrheit, daß eine innige Verbindung seines Lebens statt­finden muß mit diesem Leben, eine innige Verbindung stattfinden

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muß seines ganzen Lebens mit dem. was ihm als Esoterik aus dieser Schule fließt.

Denn Sie werden, meine lieben Freunde, nicht in richtiger Weise diese Schule beurteilen, wenn Sie sie ansehen als etwas, was aus der menschlichen Willkür hervorgegangen ist. Diese Schule ist eine geistige Einsetzung; diese Schule entstand nach Anhören des­jenigen, was die geistigen Mächte, die die Welt lenken, gerade für unsere Zeit als das Richtige für die Menschheit ansehen.

Fassen Sie daher diese Schule nicht als Menschenwerk auf, fas­sen Sie sie auf als die Einrichtung, die durchaus aus dem Willen der geistigen Wesenheiten, die der Erde nahestehen, die das Heil der Menschheit wirken, hervorgegangen ist.

Wenn Sie sie also als irdisches Abbild einer geistigen Einrichtung ansehen, dann werden Sie sie im richtigen Sinne ansehen. Und wenn Sie jedes Wort, das innerhalb dieser Schule gesprochen wird, so auffassen, daß für dieses Wort derjenige, der es spricht, sich ver­antwortlich fühlt keinen anderen als den geistigen Mächten, wel­che die anthroposophische Bewegung leiten, dann werden Sie wiederum das Richtige in diesem Sinne fühlen. So daß also diese Schule ist eine Verständigung der für die heutige Entwickelungs­phase der Menschheit maßgebenden geistigen Mächte mit den­jenigen Menschen, die die Mitgliedschaft dieser Schule suchen.

Sie stehen sozusagen, meine lieben Freunde, unmittelbar der geistigen Welt gegenüber, wenn Sie Mitglied dieser Schule werden. Und je tiefer, je intensiver Sie das auffassen, desto mehr werden Sie dasjenige in sich tragen, was die Schule sein muß, wodurch sie allein einen wirklichen Sinn erhält. Wer da weiß, daß durch diese Schule der Geist selber spricht, der wird wahrhaft den nötigen Ernst finden, tief allem, was in dieser Schule getrieben wird, zu folgen.

Dasjenige, was wir heute noch in Dornach sozusagen innerhalb dieser Schule nur treiben können, das wird nach und nach - man kann nicht den fünften Schritt vor dem dritten tun, sondern nur

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nach dem vierten -, das wird man in den entsprechenden Mittei­lungen an alle diejenigen senden, die Mitglieder dieser Schule ge­worden sind. $0 daß mit der Zeit nach und nach ein inniger Kon­takt wird he?gestellt werden können zwischen einem jeden Mit­glied, wo immer es auch ist, mit demjenigen, was in Dornach durch diese Schule selber fließt.

*

Unsere erste Betrachtung, meine lieben Freunde, soll gewidmet sein demjenigen, das auch als erstes entgegentritt dem, der in wirk­lichem Ernste an ein esoterisches, das heißt, an ein wirkliches Er­kennen herantritt.

Wirkliches Erkennen, meine lieben Freunde! Dasjenige, was uns in der Außenwelt entgegentritt, wir müssen uns klar darüber sein, daß es uns so entgegentritt, wie wenn es enthielte unsere Aufgabe im physischen Erdenleben zwischen Geburt und Tod. Und wir würden uns und die Götter ganz mißverstehen, wenn wir glauben würden, daß wir dasjenige, was uns als Aufgabe vorliegt, das­jenige, was uns entgegentritt innerhalb unserer Erdenlaufbahn zwischen Geburt und Tod, geringschätzen sollten. Der Mensch soll sich hineinstellen in das Wirken, in die Arbeit der physischen Welt. Aber was findet er innerhalb dieser physischen Welt? Er findet Schönheit, Größe, Erhabenheit in allem demjenigen, was ihm ent­gegentritt in den wunderbaren Gesteinsbildungen, die das Mineralreich ausmachen, die zu gleicher Zeit den Boden bilden, den wir brauchen, um unser Erdenwirken absolvieren zu können. Er findet die Erhabenheit im Pflanzenreich; er findet dasjenige, was er braucht, im Tierreich; das, was ihm am nächsten liegt, in dem physischen Menschenreich. Er findet dieses aus den Reichen der Natur hinaufgehoben ins Erhabene, wenn er den Blick zu den Wol­ken, zu dem blauen Himmel oder hin zu den Sternen, zu der Sonne

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und dem Monde richtet. In alle dem nicht erkennen Schönheit, Größe, Erhabenheit, würde den Menschen von der rechten Lebens-bahn abweichen lassen.

In das Esoterische Eintritt haben, heißt nicht, diese Schönheit, Größe, Erhabenheit alles dessen, was uns entgegentritt, verleug­nen. Aber soweit wir auch gehen in der Mineralwelt mit den wun­derbar geformten Kristallgestalten, soweit wir auch gehen in der farbenerglänzenden Pflanzenwelt, aus der das Sonnenlicht uns naturhaft entgegenscheint, soweit wir auch gehen in der Anschau­ung desjenigen, was an Lebendigem in der Tierwelt herausgezau­bert wird aus den Tiefen des Naturwesens, und bewundern können, in welcher Weise sich die Geheimnisse der Welt zusammenschließen innerhalb dieser physischen Menschengestalt und physischen Men­schenbildung: dasjenige, was wir in unserem tiefsten Inneren er­leben, wir finden es nicht in allen diesen Formen- und Farben­reichen, wir finden es nicht in den lebensprühenden und leben­quellenden Reichen dieser Welt. Und zuletzt steht doch der Mensch da innerhalb dieser Welt und kann sagen: Ich fühle die Größe, Schönheit und Erhabenheit alles dessen, was da draußen sich in Formen gestaltet, da draußen in Farben entfaltet; aber dasjenige, was ich selber bin, das muß seinen Ursprung, seinen Urstand in einer anderen Welt haben.

Gerade wenn der Mensch so recht fühlt die Schönheit, Größe und Erhabenheit der physisch-sinnlichen Welt und fühlt, daß er sich da mit dem Besten, was er selber ist, nicht finden kann, dann wird er immer mehr und mehr gedrängt hin nach demjenigen, wovon eigentlich alle esoterische Betrachtung ausgehen muß: Er wird gedrängt nach jenem Abgrund, jenseits dessen das erst liegen kann, woraus der Mensch seinen Urstand, Ursprung, Urquell hat; er wird gedrängt an jenen Abgrund, wo er wirklich die Grenze erblicken muß zwischen der Sinneswelt und der Geisteswelt; er wird gedrängt an jenen Abgrund, der ihm an einer bestimmten Stelle etwas zeigt wie eine Brücke, die hinüberführt in eine ganz

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andere Welt, an deren Ausgangspunkt die Schwelle der Erkenntnis und der geistigen Welt erst liegt.

Und dasjenige, was ich Ihnen mitzuteilen habe, meine lieben Freunde, das sind die Mitteilungen jener Gestalt, die man in aller Esoterik bezeichnet als Hüter der Schwelle.

Sie steht da, diese erhabene Gestalt - derjenige, der die Ein­weihung erlangt, lernt sie kennen -, ein Wesen, das wahrhaftig nicht weniger wirklich ist als der physische Mensch auf der Erde; ein Wesen, das in seiner Wirklichkeit weit hinausragt über den physischen Menschen auf der Erde.

Aber derjenige, der zuerst nur in Begriffen und Empfindungen mit der unbefangenen Menschennatur die Mitteilungen der Eso­terik an sich herankommen läßt, der muß doch fühlen, wie dieser Hüter der Schwelle dasteht, mahnend, was der Erkenntnis­Suchende erleben soll, wenn er wirklich in die Erkenntnis eintreten will.

Warum steht dieser Hüter der Schwelle da? Dieser Hüter der Schwelle steht da aus dem Grunde, weil wirkliche Erkenntnis sich nur dann erlangen läßt, wenn wir mit der richtigen, guten Vor­bereitung, verinnerlichten Gesinnung und wahrem Erkenntnisstreben herantreten. Wahres Erkenntnisstreben ist nichts Tlieo­retisches. Wahres Erkenntnisstreben wird erst erlangt, wenn die Seele sich hinauferhebt über dasjenige, was die Sinnenwelt bietet.

Derjenige, der zu früh, unvorbereitet, das heißt, nicht mit der rechten Gesinnung sich an diese Erkenntnis heranmacht, wird diese Erkenntnis nicht in richtiger Weise erlangen. Er wird sich und die Welt schädigende Wirkungen hervorbringen. Das Erlangen des wahren Erkenntnisstrebens ist in hohem Maße der Fall bei demjenigen, der den realen Weg sucht hinein in die geistige Welt, wie er sich allmählich eröffnen soll durch die drei Klassen der Hochschule für Geisteswissenschaft; das ist auch schon, wenn auch in einem innerlichen seelischen Sinne, der Fall, wenn man die Mitteilungen

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über die geistige Welt entgegennehmen will. Es muß da wenigstens ein Abglanz da sein von demjenigen, was der Einzu­weihende bei der Begegnung mit dem Hüter der Schwelle erlebt.

Von diesem Erlebnis soll zunächst hier gesprochen werden. Denn derjenige, der diese Mitteilungen entgegennimmt und mit rechtem Ernste auf sich wirken läßt, der findet in dem Durch­nehmen, in dem Durchüben desjenigen, was er da hört, in dem innerlichen Erleben dieses Gehörten, er findet in ihm den Weg, der ihn auch real hinüber führt über diese Schwelle in die geistige Welt hinein.

Und so lassen Sie denn zuerst, meine lieben Freunde, dasjenige an unsere Seelen herantreten, worauf uns vor allen Dingen die Stimme des ernsten Hüters der Schwelle aufmerksam macht, wenn wir hinüberkommen wollen von der Schein-Erkenntnis der dies­seitigen Welt zur wahren Erkenntnis der jenseitigen.

Da steht er mit seinem mahnenden Blick. Da spricht er davon, wie die Welt der Sinne schön und groß und erhaben ist. Da spricht er aber auch davon, wie der Mensch dasjenige, was er als dasWert­vollste, als die eigentliche Wesenheit in sich ansehen muß, zunächst innerhalb dieser schönen, dieser großen und dieser erhabenen Welt nicht finden kann. Da weist er, dieser Hüter der Schwelle, hinüber über den Abgrund, der links und rechts von der Schwelle sich auf­tut, da weist er hinüber in ein anderes Gebiet, in das Gebiet des Geistes. Da aber herrscht zunächst tiefste Finsternis. Und der Mensch muß die Ahnung bekommen, daß in dem, was in ihm nur als tiefste Finsternis erregt wird durch die Eindrücke der Sinnenwelt, der eigentliche Quell, der Ursprung und Urstand seiner eigenen Wesenheit liegt.

Und so etwa ist es, wenn übersetzt wird aus der Geistessprache, die der Hüter der Schwelle spricht, dasjenige, was er sagt, wenn der Mensch herantritt vor sein ernstes Antlitz:

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Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willenskräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, O Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:

Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

Und aus Finsternissen hellet sich
- Dich im Ebenbilde offenbarend,
Doch zum Gleichnis auch dich bildend,
Ernstes Geisteswort im Weltenäther,
Deinem Herzen hörbar, kraftvoll wirkend -

Dir der Geistesbote, der allein
Dir den Weg erleuchten kann;
Vor ihm breiten sich die Sinnesfelder,
Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen.

Und vor seinen finstern Geistesfeldern,
Dicht am gähnenden Abgrund des Seins,
Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort:
Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor.

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Meine lieben Freunde, wenn in dieser Art der Hüter der Schwelle aufmerksam gemacht hat auf den ungeheuren Kontrast, der da besteht zwischen dem, was der Blick auf den Sinnesfeldern finden kann vor dem Hüter der Schwelle, und was er ahnen kann aus den Finsternissen heraus, die jenseitig der Schwelle liegen, und der Mensch den Ursprung, den Urstand und Urquell seines eigenen Wesens zu erforschen versucht, dann wird - gewissermaßen wie in einer Perspektive - den Menschen ahnen gelassen, was ihn zu er­warten hat: was ihn erwartet, wenn er sich fähig macht, sich in jenes Licht hineinzuleben, das sich erst aus den Finsternissen von jenseits des Abgrundes heraus hellen muß.

Und dann ertönt ein zweites Wort von dem Hüter der Schwelle - ich werde dann dieses Wort für das nächste Mal auf einen Zettel geschrieben mitbringen -, das nun als zweites Wort von dem Hüter der Schwelle wie ein Hinweis gesprochen wird auf das, was der Mensch zu erwarten hat, wenn er über die Schwelle gekommen ist, und in seinem eigenen erhellten Innern das Organ gebildet hat, um aus der Finsternis heraus an das heranzukommen, was da der Hüter der Schwelle in diesem Augenblick spricht:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herz empfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

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So wird gewiesen auf die Weiten des Daseins, wo im Lichte das Sein erlebt wird, auf jene andern Weiten des Daseins, wo im Zeitengange die schöpferischen Mächte ihr Wirken von Epoche zu Epoche walten lassen; da wird gewiesen auf die Tiefen des eigenen menschlichen Herzempfindens, wo alle Welt sich wie im Spiegel zeigt. Indem gewiesen wird auf diese drei Welten, die Welt des Raumes, die Welt der Zeit, die Welt der Herzenstiefen, da kann ertönen aus Weltgestaltungsmächten heraus das ewig mahnende Daseinswort: «O, du Mensch, erkenne dich selbst!»

Dann aber muß dem Menschen sein Inneres gezeigt werden. Aber des Menschen Inneres ist nicht nur im menschlichen Inneren; des Menschen Inneres lebt in aller Welt. Was wir in unserem Inne­ren tragen, sofort tritt es heraus in den äußeren Weltenäther und gestaltet sich. Oh, die geheimsten Gedanken, die geheimsten Emp­findungen und die Wünsche und Willensregungen, sie treten so-gleich in den Weltenäther ein und nehmen Gestalt an. So daß wir in der äußeren Welt sehen in Form von gestalteten Wesen dasjenige, was wir eigentlich sind.

Und zu dem Anschauen dessen, was wir sind, da ertönt dann die Stimme des Hüters der Schwelle, uns gewissermaßen erklärend, was wir sind. Denn wozu ist der Abgrund da, der sich zwischen der Sinnenwelt und der Geisteswelt erstreckt? Der Abgrund ist da, daß aus ihm aufsteigen diejenigen Gewalten unseres Inneren, welche uns nicht hinüberkommen lassen wollen über die Schwelle. Solche Gewalten sind da in unserem Inneren, die uns aufhalten wollen, zurückhalten wollen, nicht zur wahren Erkenntnis über die Schwelle kommen lassen wollen. Solche Gewalten sind da in unserem Denken; solche Gewalten sind da in unserem Fühlen; solche Gewalten sind da in unserem Wollen.

Wenn wir sie nur ahnen, sind sie gestaltlos. Wenn wir sie schauen, diese hindernden und hemmenden Mächte, die im Denken, Fühlen und Wollen sind - sie schreiben sich ein in den Weltenäther -, dann erscheinen sie als mißgestaltete Tiere. Und niemand eigentlich

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kennt sich, der nicht in diesem bedeutsamen Bilde der Tier­Mißgestalten dasjenige schauen kann, was ihn aus seinem eigenen Inneren herabzieht, so daß es ein Hindernis, ein Hemmnis ist des Hinüberwandelns über die Schwelle. Es muß eben einmal der Augenblick im Leben kommen, wo der Mensch vor das Auge sich hinstellt die Bilder desjenigen, was in seinem Denken, Fühlen und Wollen lebt an hemmenden Gewalten. Wir dürfen uns darüber kei­nen Illusionen hingeben. Im gewöhnlichen Bewußtsein weiß man gewöhnlich nicht, wie man ist, und man nimmt dasjenige, was man ist, nicht ernst. In Bildform, inWahrheitsform bringt es der Hüter der Schwelle dem Menschen zum Bewußtsein.

Und das sind die Worte, mit denen er erklärt, wie die Gestalten sind, die eingegraben werden im Äther durch die widerstrebenden Gewalten in unserem Wollen, Fühlen und Denken. Der Mensch muß einmal erschauern vor diesen Gestalten, die er einschreibt in diesen Weltenäther; und dann wird er erst erfühlen, was er zu überwinden hat, wenn er in wahre Erkenntnis eindringen will.

Der Hüter der Schwelle, er spricht, erklärend damit die Tiere, die aufsteigen als Gestalten in des Menschen Denken, Fühlen und Wollen:

Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

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Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

Erst wenn man so - im Schauder - die im Denken, Wollen und Fühlen widerstrebenden Mächte im Bilde geschaut hat, ersteht einem aus dem Schauen dieses Negativen im Menschen die Kraft, wirklich einzutreten in das wahre Erkenntnisfeld. Und wer da nicht will sich selber unter dem Bilde der drei Tiere schauen, die da leben im Menschen - weil da leben in ihm die Furcht vor der Er­kenntnis, der Haß auf die Erkenntnis und der Zweifel an der Erkenntnis -, der kommt nicht zur Selbsterkenntnis. Der kommt nicht zur Welterkenntnis, der da zögert, schaudernd in dieser Weise sich selbst anzuschauen.

Darum sei zur Einprägung noch einmal dieses Dreigetier vor Euch, vor Eure Seelen hingestellt, meine Schwestern und Brüder, wie der Hüter, es erklärend, spricht:

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Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

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Wie der Mensch zu diesen Flügeln kommt, wie der Mensch die Kräfte findet, diese drei zu besiegen, das soll dann der Inhalt der nächsten Stunde - am Sonnabend um fünf Uhr - sein.

Und wenn diese Worte in so einer anschaulich-schaurigen Ge­stalt den Menschen hingewiesen haben auf seine Selbsterkenntnis, wenn sie geklungen haben, dann wird noch einmal - wie in einer Perspektive - hingewiesen darauf, was zu erwarten steht, wie sich erfüllen kann das Wort: «O Mensch, erkenne dich selbst!» Aber sein erster Teil nur kann gegeben werden durch das Anschauen des tierischen Dreibildes. Seinen anderen Inhalt nächste Stunde.

Dann ruft noch einmal der Hüter der Schwelle:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

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ZWEITE PRAGER STUNDE Prag, 5. April 1924

Meine lieben Freunde! Wir haben vorgestern den ersten Teil des­jenigen durchgesprochen, was man nennen kann die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Diese Begegnung mit dem Hüter der Schwelle, ich sagte davon: sie muß außerordentlich ernst vom Menschen genommen werden. Denn klar sollte man sich darüber sein, daß man eigentlich, solange man nicht Gefühle und Empfin­dungen entwickeln kann, die mit dem Mitgeteilten zusammen­hängen, überhaupt nicht an dasjenige herankommen kann, was in Wahrheit Erkenntnis ist. Gewisse Erkenntnisse meint man ja, auch ohne diese erschütternden Eindrücke von der eigenen Selbst­erkenntnis, von dem Übergang in die geistige Welt bekommen zu können. Aber das, was man ohne diese Erschütterung bekommt, sind keine wahren Erkenntnisse. Alles das, was uns durch die Sinne zugänglich ist, auch dasjenige, was der Mensch erreichen kann durch das gewöhnliche Denken, all das liefert uns ja höchstens Erkenntnisse von dem, was außerhalb des Menschen liegt, nicht vom Menschen selber. Denn der Mensch ist seinem ganzen Wesen nach übersinnlicher Natur. Und dasjenige, was einem vom Men­schen sinnlich wahrnehmbar entgegentritt, ist nur das äußere Bild dieses Menschen. So daß Sie in jedem Augenblick, meine lieben Freunde, wenn Ihnen ein Mensch begegnet, eigentlich das Gefühl haben sollten: Dasjenige, was mir da begegnet, ist im Grunde ge­nommen nur das Bild der wahren Wesenheit des Menschen. Denn diese wahre Wesenheit des Menschen ist im Grunde etwas außer­ordentlich Umfassendes. Und man bekommt erst einen Eindruck von dem, was diese wahre Wesenheit des Menschen ist, wenn man sich mancherlei, was einfach ist, klarzumachen sucht.

Bedenken Sie doch nur einmal, meine lieben Schwestern und Brüder, wie manches, was in krankhafter Art im Menschen auftritt,

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bekämpft werden muß durch dasjenige, was man Gift nennt. In dieser einfachen äußeren Tatsache liegt ein umfassendes, un­geheures Rätsel. Warum muß dem Menschen Gift zugeführt wer­den, damit er aus gewissen Krankheitszuständen herauskommt? Was ist Gift? Fragen wir einmal die so berückend aussehende Toll­kirsche, Belladonna, fragen wir einmal ein solch merkwürdiges Wesen, was es eigentlich ist, meine lieben Freunde!

Schauen wir uns die weite Welt der farbigen Pflanzen an, jene Pflanzen, die wir, wie wir sagen, ohne Schaden für unsere Nah­rung genießen. Da ist es so, daß diese Pflanzen gedeihen unter dem gewöhnlichen Sonnenlicht, mit dem Geiste, der im Sonnenlicht lebt. Denn geradeso wie wir einen Körper haben, der durchgeistigt ist, so ist auch alles Physische, also auch das Sonnenlicht, durch­geistigt. Aber die Pflanze nimmt nur auf - wenn sie so wird, daß wir sie, wie man sagt, ohne Schaden genießen können-, die Pflanze nimmt nur auf das Ätherische. In dem Augenblick, wo die Pflanze ein Astralisches aufnimmt - das sonst nur wie ein Nebel über der Pflanze sich lagert -, in diesem Augenblick, wo die Pflanze ein Astralisches aufnimmt, wird sie ein Gift. Die Tollkirsche, sie saugt Astralisches in ihren Fruchtleib ein und ist dadurch ein Gift.

Aber was heißt denn das eigentlich? Wenn wir die Tollkirsche in uns aufnehmen, nehmen wir mit der Pflanze Astralisches auf. Wir tragen fortwährend aber auch Astralisches in uns, denn wir haben einen astralischen Leib; das heißt, wir haben dasjenige in uns, was fortwährend gifterzeugend ist. Und das Ich ist noch mehr gifterzeugend als der astralische Leib.

Daher können wir auch sagen: aufbauend sind der physische Leib und der ätherische Leib. Aber wenn in uns nur physischer und Ätherleib tätig wären, wären wir in einer fortwährenden Bewußt­losigkeit. Wenn die Kräfte, die Sprossen und Sprießen bewirken, in uns überhand nähmen, wären wir bewußtlos. Bewußt sind wir nur dadurch, daß der astralische Leib und die Ich-Organisation in uns abbauen. Dadurch, daß die physischen und ätherischen Wirkungen

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abgebaut werden von dem astralischen Leib und dem Ich, wird Platz für das Geistige in uns. Wir hätten kein Geistiges, wenn in uns nicht fortwährend abgebaut würde. Wenn aber der astra­lische Leib und das Ich zu schwach sind, um genügend abzubauen, dann entstehen Wucherungen des physischen und ätherischen Lei­bes. Und weil unser astralischer Leib und unser Ich zu schwach sind, müssen wir in gewissen Fällen den schwachen astralischen Leib und das Ich unterstützen durch äußere Giftwirkungen, die das abbauen, was der Astralleib und das Ich nicht abbauen konn­ten.

Was tut eigentlich der Arzt in gewissen Fällen? Er sagt sich: Im kranken Menschen ist eigentlich das Geistige schwach geworden; das Ich und der astralische Leib, sie bauen zu wenig ab. Ich muß von außen Hilfe erbitten, daß da mehr abgebaut wird. - Und wir gehen denjenigen Pflanzen nach, die geistiger sind als die andern; denn die Giftpflanzen sind einfach dadurch Giftpflanzen, daß sie geistiger sind als die andern. Daraus schon sehen Sie, welche Ge­heimnisse im Dasein des Menschen und in seinem Verhältnis zur Natur vorhanden sind, und wie erst dann, wenn wir an den Geist herantreten, sich diese Geheimnisse offenbaren.

Sie können fühlen - aus dem, was ich schon gesagt habe -, die eigentlichen Geheimnisse des Geistes kennenzulernen hat etwas Unheimliches; denn man lernt erkennen im Geistigen ein Schöpfe­risches, das aber für die physische Welt ein Zerstörendes ist. Und erst dann begreift man den Geist in seiner Wirklichkeit, wenn man ihn sucht da, wo er in der physischen Welt sich ausdrückt durch Abbau, durch Zerstörung. In dem Augenblick, wo man an die Schwelle zur geistigen Welt tritt, merkt man, daß es sich darum handelt, daß wir da ganz stark bekanntwerden mit den Abbau­kräften. Und niemand, der nicht bekanntwerden will mit diesen Abbaukräften, kommt wirklich hinein in die geistige Welt.

Sehen Sie, meine lieben Schwestern und Brüder, wie ist es mit dem physischen Menschen auf der Erde? Ja, da ist es so, daß dadurch,

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daß sein physischer Organismus - nichts weiter als der physische Organismus - ein Ganzes darstellt, dadurch sind Den­ken, Fühlen und Wollen auch ein Ganzes. Sie können nicht denken, ohne daß dabei ein gewisses Wollen ist. Schon daß Sie einen Ge­danken überhaupt entfalten, das schließt etwas Wollen in sich ein. Sie können nicht wollen, ohne daß Sie dabei denken. Sie können nicht fühlen, ohne daß Sie dabei denken. Im gewöhnlichen Be­wußtsein ist schon immer Denken, Fühlen und Wollen miteinan­der verbunden. Wenn wir sagen: wir denken, dann denken wir bloß am meisten, und das Fühlen bleibt etwas im Unterbewußten, und das Wollen erst recht. Wenn wir sagen: wir fühlen, dann füh­len wir bloß am meisten, und das Denken und Wollen bleibt schwach. Aber immer ist in dem, was überhaupt eine Seelenregung des Menschen ist, Denken, Fühlen und Wollen miteinander ver­bunden.

Dadurch sind aber, weil sie miteinander verbunden sind, diese einzelnen - Denken, Fühlen und Wollen - schwächer, als sie in ihrem eigenen Zustande sind. Unser Denken wird durch das Wol­len nicht etwa verstärkt, sondern abgeschwächt. Unser Wollen wird durch das Denken nicht etwa verstärkt, sondern abge­schwächt. Unser Fühlen wird durch das Denken nicht etwa ver­stärkt, sondern abgeschwächt.

Denn würden wir nur in einem einzigen Augenblick innerhalb des physischen Leibes nur denken ohne zu wollen; würde uns die Kraft des Denkens, wie sie in den Weiten der Welt lebt, im Augen­blick da durchdringen, ganz ohne daß die Kraft des Fühlens und des Wollens beim Denken dabei wären: in diesem Augenblick wür­den wir als physische Menschen ganz gelähmt.

Würden wir auch nur einen Augenblick als physische Menschen fühlen ohne zu denken und zu wollen, in diesem Augenblick wür­den wir als physische Menschen - weil das Fühlen etwas ungeheuer Lebendiges ist - verkrampfen; wir würden lauter Krampfanfälle haben.

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Würden wir auch nur einen Augenblick als physische Menschen nur wollen, ohne dabei zu denken, würden wir uns im feurigen Fieber verzehren.

Aber bevor wir heruntergestiegen sind durch die Geburt, durch die Konzeption in das physisch-sinnliche Dasein, waren wir als Menschen so, daß Denken, Fühlen und Wollen jedes für sich be­stand. Da war aber unsere Umgebung die geistige Welt: da konn­ten wir es ertragen. Aber wir müssen uns, wenn wir uns mit der Erkenntnis überhaupt bekanntmachen wollen, eine innere Emp­findung davon verschaffen, wie das ist, wenn wir außer der phy­sischen Welt, außer dem irdischen Leibe, unser Wesen getrennt haben nach Denken, Fühlen und Wollen.

Ein großer, bedeutungsvoller Augenblick ist für den, der die Schwelle der geistigen Welt übertritt, derjenige, in dem er zu­sammentrifft mit den Seelen verstorbener Menschen. Denn in die­sem Augenblick muß er so vorbereitet sein, daß er aus dem tiefsten Innern seines Wesens heraus in seinem Herzen die Worte sagt: Das sind die wahrhaft Lebenden! - Man sagt es, wenn man wirklich in die geistige Welt eintritt: Das sind die wahrhaft Lebenden! Denn es lebt vor allen Dingen das Denken in ihnen.

Ja, dieses Denken beginnt zu leben, wenn wir durch die Pforte des Todes geschritten sind. Ja, dieses Denken lebte, bevor wir her­untergeschritten sind ins irdische Leben; da lebte das Denken. Und wir schauen das Denken im physischen Erdenleben nur richtig an, wenn wir uns sagen: Ich gedenke, wie vor mir ein Leichnam ist, ein entseelter Leichnam; er kann so, wie er ist, nicht sein; er kann nur der Überrest sein eines lebenden Menschen. Ein Leichnam kann für sich nicht bestehen. Er ist zwar ein physisches Wesen, aber kein physisches Wesen mit eigener Existenzmöglichkeit; er weist auf das Leben, das ihm vorangegangen ist, hin.

Entfalte ich mein Denken in mir, denke ich so, wie man als Erdenmensch denkt, so habe ich einen solchen Leichnam. Und alles irdische Denken ist Leichnam, der Leichnam desjenigen, was das

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Denken in seiner hohen Lebendigkeit war, bevor wir herunter-gestiegen sind in unser irdisches Dasein. Und unser physischer Leib ist der Sarg, in den gelegt wurde unser Denken, als wir heruntergestiegen sind in die physisch-sinnliche Welt.

Ohne daß man untüchtig wird für das Erdenleben, ohne daß man den Zusammenhang verliert für das Erdenleben, muß man sich dennoch in aller innerer Ehrlichkeit und mit aller Zuversicht sagen können: Du bist als physischer Erdenmensch für dein Den­ken ein Sarg; denn in dem Augenblick, da du heruntergestiegen bist aus der übersinnlichen Welt in die sinnliche Welt, ist das Den­ken erstorben und ist der Leichnam des lebendigen Denkens, das dir innewohnte, bevor du heruntergestiegen bist zum Erden dasein.

Auch unser Wollen lebt nicht. Das wird erst leben, wenn wir durch die Pforte des Todes gegangen sind. Das Wollen ist Keim, das Denken ist Leichnam. Das Wollen ist ein Embryo desjenigen, was in uns ersteht, wenn wir durch die Pforte des Todes schreiten.

Dessen, was ich jetzt gesagt habe, muß sich der Esoteriker klar-sein. Dann wird er eine Ahnung davon bekommen, wie das ganze seelische Leben des Menschen umgewandelt wird, wenn er wirk­lich in die Welt der Erkenntnis eintreten will. Und er kann nur ein­treten, wenn er die drei Tiere besiegt, von denen ich das letzte Mal gesprochen habe, auf welche die letzte Meditationsformel, welche ich gegeben habe, hinweist. - Ich werde dann diese Meditationsformel übergeben nach der Stunde, weil ich sie das letzte Mal nicht auf die Tafel geschrieben habe; ich werde sie dann übergeben, und es kann sie heute jeder aufschreiben. - Aber heute wollen wir nun zurückblicken darauf, wie uns unser Wollen, unser Fühlen und unser Denken im Bilde, in der Imagination, durch diese drei Tiere dann erscheint, wenn dieses Innere eben entgegentretend sich offenbart aus der äußeren Welt heraus, mit der wir ja wahrhaft in unserem Innern immer verbunden sind.

Daher muß derjenige, der nun herantritt an die Esoterik, sich klarsein darüber, daß er, wenn er im Anfang steht, wenigstens den

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Ansatz dazu machen muß, Denken, Fühlen und Wollen voneinan­der zu trennen. Anders kann man überhaupt nicht zur Erkenntnis kommen. Und jener Schutz, der dem Menschen werden kann in den Gefahren, die damit verbunden sind, Denken, Fühlen und Wollen voneinander zu trennen, jener Schutz wird dem Menschen gewährt, wenn er in ehrlicher Weise das aufnimmt, was Anthropo­sophie geben kann.

Anthroposophie formt die Gedanken so, daß der Mensch stark werden kann für das übersinnliche Erkennen. Auch wenn er nur die Mitteilung bekommt von dem Übersinnlichen, auch wenn er aufnimmt diese Mitteilung, muß er stark sein. Das Denken ist ein­fach schon dadurch stark, daß wir dieses Denken anwenden müs­sen auf das Begreifen der übersinnlichen Welt.

In welcher Lage sind dann eigentlich diejenigen, die nicht heran­kommen wollen an die übersinnliche Welt, die nichts wissen wollen von anthroposophischer Geisteswissenschaft? Sie sind in der Lage, daß ihr Gehirn ihrem Ätherleib nicht nachkommen kann. Sofort, wie sie sich erfüllen mit Gedanken, die von Anthroposophie ge­geben werden, läuft ihr Ätherleib davon aus dem Kopf, aus dem Gehirn; dann bleibt nur dasjenige zurück, was der physische Orga­nismus denken kann. Von einem höheren Gesichtspunkt kann man daher nur Mitleid haben mit denjenigen, die nicht herankommen können an anthroposophisches Begreifen der Welt.

Aber auf der anderen Seite, meine lieben Schwestern und Brü­der, ist es ja so, daß das Denken, das Fühlen, das Wollen, je selb­ständiger sie werden im fortlaufenden anthroposophischen Erken­nen, den Menschen in der richtigen Weise auch wiederum verbin­den mit den Kräften der Welt. Daher handelt es sich nur darum, daß der Mensch seine Seelenkräfte so orientiert, daß er mit seinem Denken, mit seinem Fühlen, mit seinem Wollen findet den Weg, den man gehen muß, damit Denken, Fühlen und Wollen in der richtigen Art in die geistige Welt eintreten können.

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Eine weitere Mahnung - zu denjenigen hinzu, die gegeben wor­den sind in der letzten Stunde -, eine weitere Mahnung des Hüters der Schwelle bezieht sich darauf, wie wir Denken, Fühlen und Wollen orientieren sollen, damit wir in richtiger Weise eintreten können in die geistige Welt. Wir müssen uns nur über die Natur von Denken, Fühlen und Wollen klarsein, damit wir verstehen, was der Hüter der Schwelle spricht.

Der Hüter der Schwelle will uns zunächst vor die Seele führen, wie Leichnam - das heißt Scheingebilde - alles Denken ist, das wir im gewöhnlichen Bewußtsein im physischen Leibe entwickeln. Schein der Welt ist dieses Denken, wie ein Leichnam Schein des Lebendigen ist, nicht mehr das Lebendige selber. In diesem Den­ken, das wir im gewöhnlichen Leben im physischen Leibe haben, ist unser wahres Selbst nicht darin; das offenbart sich darin nicht, sowenig wie sich das Lebendige in dem Leichnam offenbart. Aber sobald wir den Mut haben, uns wirklich zu sagen: Ja, das Denken, das du vom Morgen bis zum Abend entwickelst im physischen Leben, dieses Denken ist nur Schein; ich will es als Schein anerken­nen, ich will untertauchen in diesen Schein, - dann wird uns immer klarer und klarer: Der physische Leib gibt uns ein Denken, das nur ein toter Schein ist; der Ätherleib erst gibt uns ein Denken, das über den Schein hinausgeht.

Wer richtig fühlt, wie das irdische Denken nur Schein ist, nur Leichnam des vorirdischen Geistig-Seelischen ist, der fühlt sich nach und nach nur als Ätherwesen.

Dann werden wir nach und nach gewahr, daß in uns der Geist ist, der sich im gewöhnlichen Bewußtsein verbirgt. Aber wir kön­nen nicht anders an diesen Geist herankommen, als daß in dem­selben Moment, wo uns der Schein des Denkens aufgeht, wo das Denken sozusagen für unser Bewußtsein abstirbt, daß wir in die­sem Augenblick anfangen dasjenige, was nun als geistiges Ätherwesen, als Ätherleib in uns auftaucht, zu verehren.

Ja, meine lieben Schwestern und Brüder, wenn wir die Pflanzen

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anschauen, die Steine anschauen, die Tiere anschauen, selbst den physischen Menschen anschauen, sie entziehen sich uns nicht, wenn wir trocken und nüchtern bleiben und die Natur nicht verehren können. Das hört auf, wenn man der geistigen Welt gegenüber­steht: das Ätherische entzieht sich sofort dem Menschen, wenn man es nicht verehren kann. In dem Augenblick, wo ich mir sagen kann, das Denken ist Schein, ich will untertauchen in diesen Schein, da muß ich anfangen können, dieses Ätherwesen zu verehren.

Daher spricht der Hüter der Schwelle für die Selbsterkenntnis des Denkens die Worte:

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

Die ernste Ermahnung des Hüters der Schwelle gegenüber dem Verhalten zum Denken ist das. Wir halten uns ganz besonders an die Worte «verehren» und «Führerwesen» [die beiden Worte wer­den unterstrichen], weil dann das Denken, wenn es sich als Schein erkennt, sich als verehrend empfinden muß. Und der Mensch emp­findet dasjenige, was er dann als sein Ätherwesen erlebt, als seine Führung hinaus von der Erde in die Weiten des Kosmos. Dann erst weiß er - wir gehen vom Physischen aus, meine lieben Freunde, gehen über zu dem feineren Ätherischen; wir sind gewohnt, das Physische als robust, kraftvoll, derb anzuschauen-, dann erst weiß er den Übergang zu finden zum feineren, intimeren Ätherischen. Wir müssen - wenn wir diese Gedanken überleiten wollen aus

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ihrem groben physischen Dasein, wo sie tot sind, in ihr Dasein, das gegenüber dem physischen Dasein feiner ist, wo sie selber leben -, wir mussen den Tonfall bei einem solchen Mantram so wählen, daß es beginnt in jeder Zeile mit Hochton,Tiefton: daß es trochäisch ist.

Wir müssen uns klarsein darüber, meine lieben Freunde, daß dasjenige, was wir mit Worten ausdrücken, an das Geistige ja nur herankommen kann, indem es das Geistige zunächst nur an der Schwelle berührt. Es ist das Wort, wie wir es heute haben in der Zivilisation, schon so physisch geworden, daß es wie ein Körper ist. Erst wenn wir im Worte fühlen, daß es in Rhythmus übergeht, so wie im Menschen der Stoff in Blut- und Atmungszirkulation, in Rhythmus übergeht, dann erst fühlen wir das Wort uns hinauftragen in die geistige Welt. So daß wir förmlich den Blutkreislauf des Geistes in uns fühlen, wenn wir einen solchen mantrischen Kraftspruch so in uns lebendig machen, daß wir seinen Rhythmus fühlen und uns von seinem Rhythmus in der geistigen Welt getragen fühlen, wie wir unser Leben getragen fühlen von unserem Blutrhythmus.

Die Gedankenmahnung, die der Hüter der Schwelle zum Men­schen spricht, sie muß trochäisch sein:

[Das Wort «trochäisch» wird neben die erste Mantram-Strophe geschrieben; über die sieben Zeilenanfänge wird das trochäische Rhythmuszeichen - u gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechender Betonung gesprochen:]

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

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So empfunden, in der Seele immer wiederum regsam gemacht, so daß man alles übrige im Erdenleben vergessen kann, nur in die­sem Inhalt und Rhythmus leben kann, trägt das gewöhnliche menschliche Denken herauf aus der physischen Welt in die ätheri­sche Welt. Zu allem übrigen, was Ihr, meine lieben Schwestern und Brüder, an Meditationen habt, kann Euch ein solcher Spruch - wenn Ihr ihn nur ab und zu, oder so oft Ihr wollt, so macht - das sein, was Euch aus dem Denken hinaufträgt in die geistige Welt.

Gehen wir vom Denken zum Fühlen des Menschen, da wird die Sache schon anders. Das Denken ist reiner Schein, wirklicher Leich­nam, tot; gelebt hat es, bevor wir heruntergestiegen sind in die physische Welt. Mit dem Fühlen ist es so, daß wir dem Fühlen gegenüber zwar wie träumend sind - Gefühle sind nicht intensiver wie Träume -, der fühlende Mensch träumt, aber in diesem Träu­men lebt ja schon etwas von wirklichem Sein, da mischen Schein und Sein sich, wenn wir an das Fühlen des Menschen herangehen.

Aber wir fühlen auch, wie wir eigentlich gar nicht untertauchen wollen in dieses Sein, das mit dem Fühlen in uns beginnt.Wir möch­ten den Schein des Denkens, der in der physischen Welt lebt, immer bewahren.Wir kommen auf dieseWeise nie zum Sein, nie zur Wirk­lichkeit. Wir müssen den Mut haben, unterzutauchen in das, was scheint als Sein. Wir müssen den Mut haben, uns ganz in das Ge­fühl, in das Innere unserer Seele hineinzuversetzen, dann wird uns durch diesen Schein, in dem wir in unserem Denken gewohnt waren zu leben, etwas von dem Sein sich verraten. Dann werden wir gewahr die Weltenkräfte, die sonst überall in der Welt draußen sind, in uns zum Vorschein kommend.

Dann aber sollen wir - so wie wir anfangen sollen zu verehren, wenn wir von dem Schein des Denkens zu seinem wahren Sein auf­steigen wollen -, dann sollen wir anfangen, sinnig zu werden im Fühlen, sollen wir gerade im Fühlen anfangen, bedacht zu werden.

198

Denn da kommen wir auf die lebendigen Mächte des Daseins in uns selber.

Das ist das zweite, was als Mahnung für das Fühlen der Hüter der Schwelle an uns heranstellt:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Das ist die zweite Mahnung, die Mahnung zur Orientierung des Gefühis: die zweite, die vom ernsten Hüter ausgeht:

[Nun wird diese zweite Strophe an die Tafel geschrieben:]

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Und wenn wir durch das Fühlen aus dem Schein den Übergang finden sollen zum Sein, dann müssen wir aus dem Ätherischen her­aus in das Astralische hinein. Dann müssen wir eine starke Kraft anstrengen, so wie wenn wir einen Berg hinaufstiegen, der immer steiler würde. Daher muß der bloße Inhalt der Worte, indem er sich rhythmisch entfaltet, die zunehmende Kraft zeigen. Jambisch muß dasjenige sein, was das Mahnwort des Hüters in bezug auf das Erleben der Gefühle ist. Und es ist jambisch:

199

[Das Wort «jambisch» wird neben die zweite Mantram-Strophe geschrieben; über die sieben Zeilenanfänge wird das jambische Rhythmuszeichen u - gesetzt und da­bei der Spruch mit entsprechender Betonung gesprochen:]

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

So sollen wir den Rhythmus fühlen, so lebendig machen in uns das­jenige, was der Inhalt der Worte ist, dann tauchen wir richtig in das Fühlen hinunter und schreiten richtig weiter auf den Wegen in die geistige Welt hinein. Denn der bloße Inhalt der Worte kann das noch nicht allein tun; wir müssen unser ganzes Seelenwesen zu einer Wahrnehmung, zu einer Empfindung des Rhythmus im man­trischen Wort bringen:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Noch tiefer tauchen wir unter aus dem Schein in das wirkliche Sein, in die wahre Weltwirklichkeit, wenn wir hinuntersteigen in das Wollen.

200

Auch da müssen wir, damit wir die richtigen Wege wandeln können, auf das Wort des Hüters hören können, das er mahnend an der Schwelle spricht. Der Wille ist die stärkste Kraft im mensch­lichen Seelenleben auch hier auf Erden. Aber wir fühlen ihn nicht, weil wir sozusagen das Wollen nur wie schlafend erleben. Wach, wirklich wach sind wir nur im Denken; träumend sind wir im Fühlen; schlafend sind wir im Wollen.

Immer müssen wir wieder und wieder bedenken: Wir fassen einen Entschluß, und das haben wir in Gedanken, und dann sehen wir es wiederum als Ausführung. Was dazwischen liegt, der Über­gang in das Wollen, ist uns für das gewöhnliche Bewußtsein so unbekannt wie dasjenige, was wir erleben im Geiste zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Wie das Fühlen ins Träumen getaucht ist, so ist das Wollen in den Schlaf getaucht. Aber in die­sem Wollen verschlafen wir das wahre Sein, die echte Wirklichkeit des Daseins. Wir müssen, so wie wir immer mehr und mehr dazu kommen müssen, heraufzuholen aus dem Schlafe, was wir in ihm erleben, so auch heraufholen aus dem Willen, was wir in ihm erleben.

Das ist die dritte Mahnung des Hüters der Schwelle: die Mah­nung gegenüber dem Wollen, daß wir die rechten Wege finden sollen hinein in die geistige Welt. Dann werden wir, wenn wir diese Mahnung beachten können, erfüllt von dem, was geistiges Sein in uns ist.

Ja, meine lieben Schwestern und Brüder, wir erleben, daß wir in uns das Blut haben, daß wir die Sättigung durch Nahrungsmittel haben, daß wir die Scheingedanken haben, die Traumesgefühle haben. Aber wir erleben ja nicht im gewöhnlichen Bewußtsein, daß uns der Geist durchströmt wie unser Blut. Wenn wir beachten, was als dritte Mahnung der Hüter zu uns spricht, dann können wir gewahr werden in uns das Wollen, dann können wir erleben, wie der Geist in uns waltet. Hebe ich eine Hand, einen Arm: ich habe gewollt. Was ist geschehen? Substanz ist in mir verbrannt, ein

201

lebendiger Verbrennungsprozeß hat sich vollzogen in dem Akte des Wollens. Der bleibt gewöhnlich im Unbewußten. Jedesmal, wenn durch unseren eigenen Leib ein Willensentschluß geschehen ist, ist ein lebendiger Verbrennungsprozeß da. Die Chemiker und Physiker sagen überhaupt: ein Verbrennungsprozeß. Aber ebenso­wenig wie der menschliche Leib ein Mineral ist, sondern ein vom Geist durchsetztes Lebendiges, ist kein gewöhnliches Feuer im menschlichen Leibe, sondern lebendiges, durchgeistigtes Feuer. Das ist kein Feuer, wie man es in der Flamme an der gewöhnlichen Kerze sieht, keine Verbindung etwa des Kohlenstoffes mit dem Sauerstoff, was in dem Menschen ist. Wie der Mensch beseelt ist, so sind alle Naturprozesse in ihm beseelt. Derjenige, der von Prozes­sen im Innern des Menschen so spricht, wie man von äußeren Naturprozessen spricht, der redet, ohne daß er weiß, wovon er spricht. Denn kein Naturprozeß setzt sich in den Menschen hinein fort: ein jeder wird etwas anderes im Menschen. Innerhalb der menschlichen Haut ist nicht Natur; innerhalb der menschlichen Haut ist eine Metamorphose der Natur: die Vergeistigung der Natur, nichts, das in uns so bleibt, wie es äußerlich in der Natur ist. Wir könnten keinen Augenblick leben,wenn irgend etwas so bliebe, wie es äußerlich in der Natur ist.

Wir müssen, um uns das Wollen vorzustellen, zu einem Bilde greifen. Wir müssen ein Bild gebrauchen, damit in eine lebendige Imagination hinein das Wollen in uns belebt wird. Daher stelle man sich vor: Man gehe - das Gehen ist für die gewöhnliche Praxis des Lebens etwas Unbedeutendes, allein die größten Weltenrätsel voll­ziehen sich, indem der Mensch einen einzigen Schritt macht-, man stelle sich vor, man gehe, die Arme bewegend im Gehen und Feuer heraussprühend aus dem Menschen.

Der Mensch wird, wenn er lebendig sich vorstellt, wie er zur Flamme wird, den Anschluß finden an dasjenige, was er in Wahr­heit als wollendes Wesen ist. Er wird sich begegnen, wenn er den Mut hat, sich als feurig flammendes Willenswesen vorbereitend

202

imaginativ vorzustellen. Dann werden wir von der Schöpfer­macht der Welt ergriffen, verlassen unser Eigensein innerhalb der Haut, erweitern unser Selbst zum Weltenselbst, das wir als Men­schen sind, und fühlen uns eins mit der ganzen Welt als Wollende. Aber wir müssen darin stehen lernen, Willensflamme werden im Weltenfeuer: Feuer im Feuer.

Davon spricht zu unserem Willen der Hüter der Schwelle. Und er spricht vom Willensstoß, weil uns der Wille hereinstößt in das volle wirkliche Sein:

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Das sind die Worte, innerlich durchempfunden, die unser Wollen in richtiger Weise hineinleiten in die geistige Welt.

[Nun wird diese dritte Strophe an die Tafel geschrieben:]

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

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Haben wir, indem wir von dem Denken aufsteigen zu seiner Wirklichkeit, Verehrung zu entwickeln, haben wir, wenn wir durch das Fühlen vom Schein zum Sein aufsteigen wollen, Seelen­Bedenken zu entwickeln-es stand da [beim erstenMantram] «ver­ehren» in der vorletzten Zeile für das Denken; für das Fühlen hat «bedenken» zu stehen -, so haben wir jetzt [beim dritten Man­tram] «ergreifen». [Die Worte «bedenken» und «ergreifen» wer­den unterstrichen.] «Ergreifen», also schon Nähersein, Darinsein, steht hier in der dritten Strophe für das Wollen.

Eine ebensolche Steigerung haben wir in dem, was wir gewahr darin werden:

«Führerwesen» war für das Denken;
«der eignen Seele Lebensmächte» war für das Fühlen;
«Weltschöpfermacht» ist für das Wollen.

Das ist die Steigerung. [Die Worte «Lebensmächte» und «Welt­schöpfermacht» werden unterstrichen.]

Aber, wie ich sagte: Feuer im Feuer, Wirklichkeit, die im All auf­geht, in der Wirklichkeit dieses Alls selbst: das ist dasjenige, wohin uns der Hüter der Schwelle weist. Da müssen wir mehr darinnen­stehen als während des Abwärtssteigens im Denken, wo wir heruntersteigen von dem groben, robusten Schein zur intimeren Wirklichkeit, wo es trochäisch war: Hochton,Tiefton; und in dem Fühlen, wo wir hinaufsteigen müssen wie auf einen Berg, wo es jambisch ist: Tiefton, Hochton; hier im Wollen müssen wir anders drinnenstehen, da wird es spondäisch: Hochton auf Hochton.

[Das Wort «spondäisch» wird neben die dritte Mantram-Strophe geschrieben; über die sieben Zeilenanfänge wird das spondäische Rhythmus-Zeichen - - gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechender Betonung gesprochen:]

204

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Das starke Betonen auf den zwei ersten Silben in jeder Zeile, das sollen wir rhythmisch fühlen. Festigkeit sollen wir gewinnen, in­dem der Hüter die dritte Mahnung an uns richtet.

Und so, meine lieben Schwestern und Brüder, sollen wir gewahr werden, wie dieses Hüterwort uns eigentlich zur Erkenntnis hin­überleitet. Indem dieses Hüterwort uns zunächst aufmerksam ge­macht hat, wie wir Denken, Fühlen und Wollen in uns in diesen Bildern der drei Tiere haben, leitet uns der Hüter der Schwelle weiter, wie wir dieses Denken erkraften, dieses Fühlen erkraften, dieses Wollen erkraften können, damit sie hinüberwachsen über die Tierheit, hinauskommen über diese drei Tiere, damit der Seele, wie es im letzten Mantram der letzten Stunde heißt, «Flügel wach­sen», um hinüberzukommen in die geistige Welt.

Und deshalb, nachdem die drei Tiere vor uns gestanden haben, ist uns ja gesagt worden von dem Hüter im letzten Mantram der letzten Stunde:

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

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Aber der Hüter gibt uns zu gleicher Zeit in dem letzten Man­tram - das ich dann übergeben werde - die Anweisung, was wir tun sollen, um zu erstarken, daß uns Flügel wachsen zur Erkennt­nis.

Nehmt auf, meine Schwestern und Brüder, in Eure Meditation dasjenige, was in diesen drei Mantren gegeben ist. Es ist dasjenige, wozu führen sollen die Klassen, die eingerichtet worden sind seit der Weihnachtstagung, daß durch die anthroposophische Bewe­gung Esoterik fließe. Nehmet auf in Eure Meditation diese Mah­nung des Hüters der Schwelle. Nicht ich spreche sie; ich spreche sie für den Hüter der Schwelle, der durch mich diese Worte zu Euch sprechen will. Denn diese Schule ist eine Einrichtung des geistigen Lebens selber.

Darum nehmen wir diese Worte wie die des Hüters selber. Dann werden sie uns erkraftende und stärkende Worte sein nach dem erschütternden Eindruck der letzten Stunde. Jetzt tritt dem gegen­über der Ausblick in die Erkraftung der Seele. Niedergeschmettert muß der Mensch zuerst sein von dem, was er in der sinnlichen Welt begreift, um stark aufzustehen in der geistigen Welt, damit er Flügel bekommt, hinüberzusetzen über den Abgrund, der in die Helligkeit hineinführt, die aus dem Abgrund strahlt aus der Fin­sternis, die aus unserem Menschentum geboren ist.

Darum spricht der Hüter die Worte, um uns aus diesem Nieder­geschmettertsein wiederum zu erheben:

206

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

207

Und indem der Hüter dieses Wort gesprochen hat, kommt er, selber Rhythmus vollziehend, wiederum zurück auf jene Worte, mit denen er uns hingewiesen hat perspektivisch auf dasjenige, was wir erreichen sollen, was uns winkt aus der geistigen Welt herüber über die Schwelle:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

209

BERNER STUNDE Bern, 17. April 1924

Meine lieben Freunde! Es gab ja in der Anthroposophischen Ge­sellschaft in der verschiedensten Art esoterische Kreise, in denen dasjenige, was in den allgemeinen anthroposophischen Vorträgen herausgeholt wird aus dem geistigen Leben der Welt, her angebracht wurde an die Mitgliedschaft so, daß in dieser Mitgliedschaft selber ein esoterisches Streben, ein esoterisches Leben entstehen konnte. Da nun ein esoterischer Grundimpuls - wie gestern in der Mit­gliederversammlung angedeutet worden ist - seit der Weihnachtstagung durch die ganze Anthroposophische Gesellschaft gehen soll in der Zukunft, so wird das Esoterische in einer vertieften Form nur weitergepflegt werden gewissermaßen; und - wie es in dem nächsten Mitteilungsblatte des «Goetheanum» steht - damit das­jenige, was sonst mehr exoterisch gesagt, esoterisch entwickelt werden kann, dazu wird die Freie Hochschule für Geisteswissen­schaft am Goetheanum dasein.

Diese Freie Hochschule für Geisteswissenschaft am Goethe­anum wird also eine esoterische Schule sein, eine esoterische Schule im besten Sinne des Wortes, so daß sie tatsächlich in ihrer Klassengliederung immer mehr anstreben wird - und hoffentlich machen es die Verhältnisse sehr bald möglich -, in ihrer Totalität immer mehr anstreben wird, dasjenige zu sein, was ein modernes Myste­rium eben darstellen soll.

Die erste Klasse, die bisher eingerichtet worden ist, ist ein An­fang davon; ein Anfang, der dann seine Ergänzung finden wird in den nächsten Klassen, die der Öffentlichkeit gegenüber so genannt werden, da die heutige Seelenverfassung für andere Bezeichnun­gen, wie sie früher üblich waren, nicht mehr wirklich empfänglich ist. Aber es kommt auf die Sache, nicht auf die Bezeichnung an. Deshalb aber ist es nötig, daß derjenige, der als Mitglied in diese

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Schule aufgenommen wird, sich seiner Mitgliedschaft zur Schule im rechten Sinne bewußt ist.

Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft hat auch sozu­sagen durchgemacht ihre Probezeit. Es ist, als ich noch nicht selber leitete die Anthroposophische Gesellschaft, vielfach der Impuls aufgetaucht, am Goetheanum als Freie Hochschule etwas zu schaf­fen, was in gewisser Beziehung es den äußeren Hochschulen nach­macht. Es ist - man muß es heute sagen - nicht gelungen, kann auch nicht gelingen; doch mußte es als Probe durchgemacht wer­den. Der Proben haben wir nun genug, weitere werden nicht statt­finden. Denn dasjenige, um was es sich beim Goetheanum handeln kann, ist dieses, daß ein jeder Mensch dort gerade dasjenige findet, was im geistigen Streben seine Seele intensiv suchen muß, was er aber anderswo nicht finden kann. Daher muß der Mensch, der nur im allgemeinen seelisch strebt - nicht abgesondert nach irgend­einem Fachlichen -, er muß . . . [Lücke im Stenogramm] die höchste Befriedigung seines Strebens finden können. Aber auch derjenige, der in irgendeiner Kunst oder Wissenschaft drinnensteht, muß in den verschiedensten Sektionen in esoterischer Weise zu der für ihn notwendigen geistigen Vertiefung angeleitet werden. Daher sind die einzelnen Sektionen eingerichtet worden, die auch zum Teil ihre Tätigkeit begonnen haben, und es ist vor allen Dingen in Dornach selber begonnen worden mit der allgemeinen anthropo­sophischen Sektion, mit derjenigen Sektion, die eigentlich für jeden Menschen ist, der eine Vertiefung seines Seelenlebens sucht.

Nun aber handelt es sich darum, daß unsere Anthroposophische Gesellschaft den größeren Kreis der allgemeinen Mitgliedschaft umfaßt. Mitglied muß jeder werden können - insbesondere seit wir die Gesellschaft als eine öffentliche anerkannt haben -, jeder werden können, der irgendwie Anthroposophie sucht. Es erwach­sen ihm dabei keine anderen Pflichten als jene, die aus der Sache der Anthroposophie selbst sich heraus ergeben. Dagegen erwächst allerdings den Mitgliedern der Schule, weil die Schule im echten,

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wahren Sinne eine esoterische sein muß, es erwachsen gewisse Pflichten. Für die Allgemeine Anthroposophische Gesellschaft ist gedacht, daß der esoterische Zug entsteht dadurch, daß der Vor­stand selbst eine esoterische Einsetzung ist, wie gestern auseinan­dergesetzt worden ist. Dadurch wird alles, was vom Vorstand ausfließt, einen esoterischen Zug durch die Gesellschaft tragen.

In der esoterischen Schule dagegen muß jedem Mitglied bewußt sein, daß es ein rechter Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt ist. Das muß ihm klarsein, daß es sein soll ein wahrer Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt. Das schließt mehr ein, als man gewöhnlich meint, und muß im vollsten, tiefsten Ernst genommen werden. Man darf sich zum Bei­spiel nicht darauf berufen, daß die Schule die Freiheit beschränken würde, wenn sie den oder jenen nicht aufnimmt in ihre Reihen. Denn die Freiheit muß sich beziehen auch auf die Leitung der Schule, die da wirken muß auch aus Freiheit heraus, daher bestim­men muß, wen sie als ihr Mitglied ansieht. So daß also gegenseitig Freiheit herrschen muß. Man kann nicht bloß kritisieren, daß Frei­heit beschränkt werde, wenn man nicht in die Schule aufgenom­men wird.

Das andere aber, meine lieben Freunde, ist, daß derjenige, der als Mitglied der Schule in irgendeiner Weise sich betätigt so, daß die Schulleitung nicht damit einverstanden sein kann, den sie daher nicht als eine wirkliche Repräsentanz der anthroposophischen Be­wegung ansehen kann, daß dem auch wiederum muß gesagt wer­den können: daß sein Mitglied-Diplom annulliert wird, daß er nicht Mitglied der Schule sein kann. So daß also schon die Mit­gliedschaft zur Schule mit großem Ernst aufgefaßt werden wird . . . [Lücke im Stenogramm] .

Diese Dinge werden äußerlich der Schule den Stempel auf­drücken; nur dadurch wird es möglich sein, wirklich Esoterisches

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durch die Schule fließen zu lassen. Es muß also derjenige, der Mit­glied der Schule ist, die anthroposophische Sache als seine Lebens-sache ansehen im strengsten Sinne des Wortes.

Nun werden wir heute hier eine solche erste Klassenstunde ab­halten können, die isoliert dastehen soll; da man annehmen kann, daß diejenigen der Anwesenden, die es irgend ermöglichen können, wenigstens ab und zu zu den Klassenstunden am Goetheanum kommen werden, wo fortlaufend dasjenige entwickelt wird, was Inhalt der Schule ist. Und immer mehr wird angestrebt werden, was bis jetzt seinen Anfang genommen hat zum Beispiel in der medizinischen Sektion, wo Frau Dr. Wegman, die Leiterin, mit dem Versand von Rundbriefen begonnen hat, wodurch Mitteilun­gen inauguriert werden, wodurch auch die auswärtigen Mitglieder informiert werden können über das, was durch die Schule fließt. Diese Stunde wird isoliert 4astehen, weil ich annehme, daß die Mehrzahl der Anwesenden doch auch zum Goetheanum kommt, und somit nur für diejenigen, die heute hier anwesend sind, aber die unmöglich nach Dornach kommen können, auch etwas da sein soll.

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Nun, meine lieben Freunde, meine Schwestern und Brüder, durch alles esoterische Streben, seit es ein solches esoterisches Stre­ben in der Entwickelung der Menschheit gibt, geht eine Auffor­derung - die dann mehr exoterisch geworden ist während der Griechenzeit -, eine Aufforderung, welche der Mensch richtig hören kann, wenn es stille in seiner Seele und in seinem Herzen wird und wenn er wirken läßt auf sich oben die Sterne, die da ruhen im Weltenall, die da Formen bilden in ihrer Zusammen-gruppierung und durch die Ruhe ihrer Formen die Himmelsworte in eine Schrift bringen, die dem Menschen allmählich entzifferbar wird. Wenn er sich in der Ruhe seiner Seele und in der Stille seines Herzens den Eindrücken der Ruhesterne hingibt; wenn er sich dazu hingibt dem Wandel der Sonne, des Mondes, der anderen nicht Ruhe- sondern Wandelsterne; wenn er sich so vertieft in die Bewegung des Umkreises, wo ja walten in den Sternen - die nur Zeichen sind für das geistige Walten - die regierenden Mächte des Erdendaseins; wenn der Mensch lernt, auf sein Gemüt wirken zu lassen, was im Umkreis der Wandelsterne geschieht, und wenn der Mensch sich vertieft in dasjenige, was in seinem Umkreis lebt, was in seine eigene Organisation hineingeht an Erde, Wasser, Luft und Feuer; wenn sich so der Mensch wirklich in das Weltenall vertieft und den Geist imWeltenall erschaut, und wenn er sich durchdringt mit all dem, was ihm Ruhesternen-Geister,Wandelsternen-Geister, Elementargeister zuraunen können: so vertieft sich das in die Auf­forderung, die durch Äonen an den esoterisch strebenden Menschen gegangen ist.

Wollen wir heute uns vor die Seele führen, wie es da heraustönt aus den Höhen, aus dem Umkreis, aus der Umgebung:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

So tönt es aus dem dreifachen Weltenall: «O Mensch, erkenne dich selbst!» So tönt es vor allem, wenn der Mensch an diejenige Stelle seines Daseins kommt, die man die Schwelle zur geistigen Welt nennt.

An dieser Schwelle der geistigen Welt, da bemerkt der Mensch, wie alles dasjenige, was ihn umgibt in der äußeren Sinneswelt, Größe, Schönheit, Erhabenheit hat, neben vielem Häßlichen; wie er als Erdenmensch nicht leben kann, wenn er nicht den Sinn dafür hat, mit allem, was Farb' an Farbe lebt im Naturdasein, was Glanz an Glanz sich entfaltet im Sternendasein, was an Lebendigem sich

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erwest in aller irdischen Umgebung. Wenn er sich in all das vertieft - und er soll Sinn haben, sich hineinzuvertiefen -, dann merkt der Mensch: Schön und groß und erhaben kann das alles sein; aber, er ist der Wurzel, dem Quell seines Daseins nach nicht darinnen. Er muß merken, daß er den Zusammenhang mit dem Quell, mit der Wurzel seines Daseins woanders suchen muß. Da ist dann die Schwelle.

Diesseits: Farb' an Farbe, Wirken an Wirken, Kraft an Kraft, Leben an Leben; die Welt, in der der Mensch nur seiner Äußerlich­keit nach darinnen ist, nicht die Welt, in der der Mensch seiner Wurzel, der Quelle seines Daseins nach darinnen ist. Da zunächst die lichte, helle Welt. Drüben, wenn man hinüberblickt: es ist fin­ster. Aber man bekommt die Empfindung, da drüben, wo jetzt die Finsternis waltet, da ist eigentlich das wahre Licht; da muß ich hinüber in dieses wahre Licht. Und dieses wahre Licht, es kann nur errungen werden, wenn der Mensch sich bereitet zum Erringen, wenn der Mensch diejenige Stimmung und Gesinnung in seiner Seele aufnimmt, die ihn dazu bereitet, in der rechten Art entgegenzunehmen, was als Licht aus der Finsternis herausstrahlt und was eigentlich erst ein Bild ihm gibt von ihm selbst.

Da gewahrt der Mensch, daß eine geistige Wesenheit an dieser Schwelle steht, die man den Hüter der Schwelle nennt. An dem muß man vorüber. Man muß alles dasjenige fühlen und empfin­den, wovon der Hüter will, daß man es empfindet und fühlt. Denn ohne an diesem Hüter vorbeigekommen zu sein, ist wirkliche Er­kenntnis nicht möglich. Und alle Erkenntnis, die - ohne die Emp­findung des Hüters der Schwelle zu haben - vermeintlich errungen ist, ist keine wirkliche Erkenntnis. Daher nehmet auf, meine lieben Schwestern und Brüder, in Eure Herzen dasjenige, was Euch geben kann eine Vorempfindung dieser ernsten Gestalt, die da steht zwischen dem Nichterkennen und dem Erkennen:

216

Erkenne erst den ernsten Hüter,
Der vor des Geisterlandes Pforten steht,
Den Einlaß deiner Sinnenkraft
Und deines Verstandes Macht verwehrend,
Weil du im Sinnesweben
Und im Gedankenbilden
Aus Raumeswesenlosigkeit,
Aus Zeiten Truggewalten
Des eignen Wesens Wahrheit
Dir kraftvoll erst erobern mußt.

Das muß man vor allen Dingen haben, sich sagen zu können im weitesten Umfange: Ich bin noch nicht Mensch; ich muß Mensch werden durch dasjenige, was ich in mir selber heranentwickeln werde. In Bilder kleidet sich zunächst dasjenige, was im Menschen vor ihm selber zunächst verborgen werden muß. Denn indem der Mensch in die irdische Welt hinuntertaucht, taucht er in alle Ver­erbungskräfte unter. Diese Vererbungskräfte enthalten für den Menschen Herunterziehendes. Da ist das Wollen, das fast ganz aus den Vererbungskräften, den physischen Vererbungskräften zu­sammengesetzt ist, wenn der Mensch seinen Trieben und Leiden­schaften folgt. Da ist das Fühlen, durch das der Mensch getrieben wird in alle Zweifel und Lässigkeiten, in alle Zweifel gegenüber der geistigen Welt. Und da ist das Denken, das eigentlich tot ist, das der Leichnam ist desjenigen, was das wirkliche, das wahre Denken ist, das unser eigen ist, bevor wir aus dem vorirdischen Dasein in das irdische heruntersteigen. Diese drei erscheinen dem Menschen in Form von drei Tieren, die aufsteigen aus dem Ab­grund, die hinter dem Hüter der Schwelle vor der das Licht ge-bären den Finsternis stehen. Da steigen auf drei Tiere, die den Men­schen aufmerksam machen, wie er eigentlich ist, wenn er nicht das Geistige in sich rege macht.

Man sieht sie da gestaltet; das eine wie ein Knochengerippe, ein

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Knochengespenst, das eigentlich ist eine elementarische Verkörpe­rung, eine Inkarnation des wesenlosen, toten Denkens, das aber im Elementarreiche lebt. Wir lernen erkennen, was das Denken ist:

ein Totes in uns. Denn lebendig ist es vor der Geburt, lebendig wird es nach dem Tode. Der menschliche physische Leib ist wie ein Grab, und das Denken ist in ihm eingesargt, eine Mumie. Nun hält der Mensch dieses Denken, das ihm als physischer Mensch eigen ist, für eine Realität. Eine Realität war es, als es noch nicht Leichnam war . . . [Lücke im Stenogramm] . Aber da war der Mensch im vor-irdischen Dasein. Je mehr der Mensch sich bewußt ist, daß das Denken ein Knochengespenst ist in wahrer Wirklichkeit, desto mehr lernt man den irdischen Menschen selber kennen.

Je mehr man erkennen lernt, daß das Fühlen - das nur gemildert und harmonisiert wird durch die Geistigkeit, in die der Mensch es hinaufträgt -,je mehr man erkennen lernt, daß das Fühlen, das von den Vererbungskräften abhängt, eigentlich ein häßliches Tier ist mit gespaltnem Maul, Spottlust im Gesicht, je mehr man sich bewußt wird, ein wie verzehrend schreckliches Tier das Wollen ist, um so mehr wird man aufgerufen, innerlich sich zu sagen: Noch nicht bin ich Mensch; ich muß es werden durch die Teilnahme an den Geistgewalten. Ich muß mein Denken zu verlebendigen, mein Fühlen zu verinnerlichen, mein Wollen zu vergeistigen suchen.

Das aber gibt sogleich wahrhaft große Schwierigkeiten; denn indem wir im physischen Leben stehen, verweben sich in unserem ganzen Menschenwesen Denken, Fühlen und Wollen. Sie fließen gewissermaßen ineinander. Und wenn wir schematisch dieses Den­ken, Fühlen und Wollen aufzeichnen wollen, so würden sie sich so aufzeichnen lassen [siehe Zeichnung, links]: Wir würden da das Denken haben [blau], aber nicht ganz getrennt, sondern hinein-verwoben das Fühlen [grün], wiederum hineinverwoben, aber nicht ganz getrennt, das Wollen [rot] . Und dadurch kann sich der Mensch im physischen Leben aufrecht erhalten, daß er - indem er herauswirkt aus seinem Wesen - Denken, Fühlen und Wollen ineinander

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verwoben hat. Indem der Mensch hineinkommt in die geistige Welt, trennen sich Denken, Fühlen und Wollen, und es ist, wie wenn der Mensch in drei Wesen auseinanderginge. Und deut­[ich hat er Denken, Fühlen und Wollen voneinander getrennt [siehe Zeichnung, rechts] . Er wird eins mit der Welt. Er fließt hinüber in die Welt. Und während er sich so im physisch-irdischen Dasein eins fühlt mit seinem Körper - dieser Körper, weil er eine in sich ge­schlossene organische Wesenheit ist, gibt ihm auch die Meinung, daß er mit seinem Ich eine Einheit ist -, geschieht es, daß durch die ernsten Impulse, die von dem Hüter der Schwelle ausgehen, der Mensch sich als Dreiheit fühlt. Im Hinausgehen in die Welt fühlt man sich gewissermaßen aufgeteilt, aufgeteilt so, daß zwischen

Zeichnung aus GA 270/III, S. 218
Zeichnung aus GA 270/III, S. 218

Denken und Fühlen nicht äußerlich sinnlich, aber qualitativ ein Zwischenraum ist. Man schaut, oder eigentlich man fühlt, wenn man sich eins fühlt mit der Welt, zwischen dem denkerischen und dem fühlenden Wesen einen Zwischenraum. Man weiß jetzt auf eine merkwürdige Art: Es ist ja das Erkennen im wahren Sinne des Wortes ein Sichhinausleben in die Welt. So wie wir hier eins sind mit unserem Herzen, unserem Magen, so sind wir, wenn wir die Schwelle überschritten haben, eins mit Sonne und Mond. Das sind unsere Organe. Wir werden eins mit der Sonne und dem Monde; und der Mensch, so wie er hier ist, wird Außenwelt. Was jetzt Ihr Inneres ist, wird fremd, wie jetzt Steine, Pflanzen und Tiere fremd sind. Wie Sie heute nicht sagen, ich bin der Berg, ich bin der Fluß, sondern, da ist der Berg, der Fluß, so sagen Sie, wenn Sie die

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Schwelle überschritten haben, nicht, ich habe Herz, Lunge in mir. Wie Sie heute zu Berg, zu Fluß sagen, so sagen Sie jenseits der Schwelle zu dem, was Sie heute Ihr eigen nennen: auf Herz, Lunge weisen Sie hin als außer Ihnen stehend; Sonne und Mond fühlen Sie als Ihr Inneres. Sie fühlen als Ihr Inneres zwischen dem Den­ken und dem Fühlen die Sonne, zwischen dem Fühlen und dem Wollen den Mond [siehe rechte Zeichnung] . Dies ist zunächst die Lebenstatsache - die gewissermaßen dem Menschen aufgehen kann, wenn er auch noch nicht hellsehend ist, sondern den gesun­den Menschenverstand innerlich sich vertieft - und die Tatsache des Stehens an der Schwelle bei dem ernsten Hüter. Man kann solches immer als eine Meditation machen. Es ist eine Meditation, die außerordentlich wirksam ist, die in irgendeiner Weise, in dieser oder anderer Weise, außerhalb des Menschen in das Weltendasein hineinzuversetzen vermag - aber konkret, nicht allgemein, nicht verschwommen -, sich fühlend, wie in den Kosmos ausgegossen, die Sonne und den Mond in sich tragend.

Aber über der Sonne haben wir das Denken, über dem Monde haben wir das Fühlen, unter dem Monde haben wir das Wollen. Man kann auch so sagen: Über die Sonne hin weitet sich das Den­ken im Sternenhimmel, im Tierkreis [es wird gezeichnet] : Widder, Stier, Zwillinge, Krebs und so weiter; der Sonnenumkreis, die anderen Planeten: oberhalb dem Fühlen. Oberhalb des Wollens - da das Wollen ganz an die Erde gebunden ist, an die Schwer­kraft der Erde, an die Elemente Erde, Wasser, Luft, Feuer - haben wir den Mond. So kann man sich hineinversetzen in die Welt.

Die Art, wie heute der Mensch die Welt betrachtet, wo er von vielen Elementen - Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und so wei­ter - spricht, die würde ein Mensch, der noch unter dem Mysterium stand, den Leichnam der Welt genannt haben. Selbst ein Grieche der älteren Zeit, wenn er gefragt worden wäre von einem moder­nen Menschen, würde gesagt haben: Ihr zerstückelt die Welt des menschlichen Organismus nicht nur im klinischen Versuchsraum,

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wenn Ihr seziert, sondern Ihr zerstückelt mit Eurer Wissenschaft schon die ganze Welt, indem Ihr überhaupt von nur irdischen Gesichtspunkten aus Wissenschaft treibt.

Denn seht, meine lieben Schwestern und Brüder, noch in den ägyptischen Mysterien hat es gegeben eine deutliche Erkenntnis davon, daß man Naturwissenschaft nicht lernen kann durch bloße Beobachtung der Dinge, die in der Natur draußen sind, sondern nur, wenn man sich bei jedem Ding - so wurde es dem in den ersten Grad Einzuweihenden in den Mysterien gleich klargemacht -, wenn man sich erinnert bei jedem Ding, wie es sich angeschaut hat beim vorirdischen Dasein. Naturwissenschaft ist dasjenige, was gleichzeitig enthüllt das Irdische und das Vorirdische.

Und im zweiten Grad sagte man ihm: In der irdischenWelt kann man überhaupt nur lernen: Geometrie, Meßkunde und Rechnen. Denn nur diese menschlichen Seelenbetätigungen beziehen sich auf Physisches. Sie stellen das Übersinnliche im Physischen dar. Man hat das nicht im ersten Grad enthüllt, weil man es für gefährlich hielt . . . [größere Lücke im Stenogramm] . Für den ersten Grad hielt man für angemessen, daß man dem Schüler die geistige Welt schilderte. Daher wurde im ersten Grad Naturwissenschaft ge­trieben, aber indem man den Menschen an dasjenige erinnerte, was in ihm als lebendiges Denken vor seinem irdischen Dasein ge­lebt hat.

Im dritten Grad lernt der Mensch - nur dadurch, daß er heran­kommt an die Pforte des Todes -, daß er nicht nach Blut dürsten dürfe, daß er ebenso menschliches Dasein außer dem physischen Dasein finden könne, wie im physischen Leibe mit dem Blute. Natürlich, wenn Sie heutige Bücher aufschlagen, so werden Sie das so interpretiert finden, daß man nicht danach dürsten dürfe, jemanden zu erschlagen oder zu erstechen; nicht nach Blut dürsten dürfe man. Aber dazu braucht man wahrhaftig nicht die Lehren des dritten Initiationsgrades aufzunehmen, um das zu lernen.

Dann ist ein weiterer Grad derjenige, daß dem Eingeweihten

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der Name Christophorus gegeben wird, Christus-Träger. Denn was der Christus im Geistigen ist, wußte man in allen Mysterien-zeiten. Da wurde ihm beigebracht erst dasjenige, was man damals Chemie nannte. Die geistige Wesenheit der Stoffe erfaßt man, wenn man durch die Pforte des Todes gegangen ist. Und Chemie zu lehren vom irdischen Gesichtspunkt aus, bevor der Mensch auf­genommen hat wie er ist, wenn er außer dem physischen Leibe ist, also unsere Art, Chemie zu lehren, hätte man als Teufelswerk in Ägypten gehalten. Vor den alten Ägyptern wären alle Chemiker, alle modernen Chemiker Teufeissöhne gewesen, weil man wußte, wie die Dinge zusammenhängen mit dem Geistigen in der Natur. Und so ist es eben, daß man in jenen alten Zeiten, wo instinktives Hellsehen durchpulste die Initiationswissenschaft, ganz genau wußte, wie der Mensch zu der übersinnlichen Welt im Konkreten steht.

Es gibt das für den, der initiiert war, und für den, der lernt die Lehren bei einem Initiierten - wir würden sagen für den, der der Hochschule für Geisteswissenschaft angehört und der Anthropo­sophischen Gesellschaft, das müßte gleichkommen dem Lernen bei einem Initiierten in den alten Mysterien -, es gibt das das ganze geistige, esoterische Gepräge einem solchen menschlichen Zusam­mensein. An diesem geistigen Gepräge muß der Mensch mit seinem vollen Bewußtsein teilnehmen. Daher ist es schon notwendig, daß gerade diese Teilnahme im vollsten Sinne des Wortes immer wie­derum und wiederum meditativ hintritt in irgendeiner Formel vor die Mitglieder der Schule

Eine solche Formel soll uns jetzt gegeben werden, eine von den­jenigen Formeln, durch die wir uns allmählich bereiten, hinüber­zudringen über die Schwelle, sei es mit dem gesunden Menschen­verstande, sei es mit dem Initiationsbewußtsein.

Dasjenige, was in dieser Beziehung an den Menschen heran-treten soll, was er sich selbst mit mantrischem Rhythmus innerlich

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vor die Seele stellen soll, es kann, aus der Sprache des Geistigen in die Sprache des Erdenkönnens übersetzt, mit folgenden Worten gegeben werden:

[Es wird an die Tafel geschrieben].

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
We Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

Wir tasten mit unseren Fingern einen Gegenstand an und nennen das Tasten. Stellt Euch vor, meine Schwestern und Brüder, statt des Armes und der Hand nehmet Ihr den ganzen Leib zum Tasten; aber Ihr tastet nicht das, was so in der Umgebung ist, sondern Ihr tastet mit Euch selbst, mit dem ganzen Leibe auf der Erde auf, so daß die Fußsohle die Tastfläche wird, und Ihr tastet Euer eigenes Gestütztsein durch die Erdenkräfte, indem Ihr Euch ganz als Tastorgan denkt. Das tut man im Unbewußten fortwährend, wenn man geht und steht, aber man merkt es nicht. Aber wenn man diese Dinge im menschlichen Leben ins Bewußtsein ruft . . . [Lücke im Stenogramm] . Wenn Ihr dazu übergeht, Euer Irdisches so zu er­leben, wie es sich erleben läßt, wenn Ihr antastet an etwas, dann habt Ihr dieses erste Gefühl, das meditiert werden muß.

[Es wird weitergeschrieben:]

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

Nun denke man sich, indem man fortschreitet in dieser mantri-schen Formel, wie dasjenige, was zuerst Tastorgan war, wie man das jetzt fühlt. Man geht um eine Stufe mehr ins Innere. Vorher hat man seinen Leib benützt als Tastorgan, jetzt erlebt man ihn als Tastorgan. So wie wenn man zuerst angetastet hat und dann fühlt, indem man die Hand zur Faust ballt, ein innerliches Gefühl be­kommt, so fühlt man und erlebt man das Tasten und wird gewahr, indem man dieses Tasten erlebt, wie im Menschen rege wird das­jenige, was die flüssigen Säfte in ihm fortwährend zirkulierend

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bilden. Da werden die Bildekräfte des Menschen, die vom Äther-leib ausgehen, innerlich erlebt.

Solche Dinge werden erreicht, indem die Meditation in ent­sprechender Weise aufgebaut wird. In der ersten Zeile haben wir «ertaste», da ist Tasten eine Tätigkeit. [Das Wort «ertaste» wird unterstrichen.] In der dritten Zeile: Tasten ist da Hauptwort ge­worden. [«Tastens» wird unterstrichen.] Dieses Wiederkehren in Metamorphose jener Empfindung, das ist dasjenige, was dem Man­tram seinen mantrischen Charakter gibt.

Dann steigt man weiter auf, nicht nur mit dem Erleben das Tast­erlebnis zu erfassen, sondern das Leben selber zu erfassen, das im Wasser ätherisch Wirkende selber zu erfassen. Man geht noch einen Grad innerlicher und erfühlt - wie man früher das ertastet hat -, erfühlt jetzt das Leben selber in seinem Inneren. Man vergegenwärtigt es sich so:

[Es wird weitergeschrieben:]

O Mensch, er fühle in deines Lebens ganzem Weben

Wiederum haben wir hier das Erleben als Tätigkeit [in der dritten Zeile wird «erlebe» unterstrichen] ; hier haben wir das Leben sub­stantivisch [in der fünften Zeile wird «Lebens» unterstrichen] . Wir sind aufgestiegen in immer anderer Betätigung vom physi­schen Leib, der ganz im Irdischen tätig ist. Er ist da [in der ersten Zeile] zum Objekt, zum Gegenstand des Ertastens gemacht. In der nächsten [der dritten] Zeile ist das Erleben Tätigkeit; und hier ist das Erfühlen Tätigkeit [das Wort «erfühle» in der fünften Zeile wird unterstrichen], die erfaßt wird im Leben, wie in einem Sub­stantiv.

Wie Luftgewalten

- im Atmen -

                                  dir im Dasein Pfleger sind.

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Wir sind heraufgekommen bis zur Luft und erheben uns weiter bis da, wo der Mensch heraufdringt in sein Feuer-, in sein Wärme-wesen:

[Es wird weitergeschrieben:]

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen

Wiederum haben Sie hier «erfühlen» zum «Fühlen» substantivisch geworden. [In der siebenten Zeile wird «Fühlens» unter­strichen].

Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

Das Ganze kann dann zusammengefaßt werden in dem einen Satze, zu dem wir vorschreiten:

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

Die Elemente sind: Erde, Wasser, Luft, Feuer.

Nunmehr aber steigen wir auf von demjenigen, was uns im Ele­mentenreich umgibt, zu dem, was aus dem Umkreis, von Sonne, Mond und den anderen Wandelsternen kraftet. Wir werden in späteren Stunden auf Einzelheiten an diesem Teilnehmen an den Bewegungen der Wandelsterne im Zusammenhang mit der Men­schenwesenheit eingehen. Heute soll die mantrische Formel auf das Allgemeine gehen. Und man soll aufsteigen meditativ von dem Erleben der Elemente zum Erleben des Umkreises, mit den wei­teren Worten:

[Es wird weitergeschrieben:]

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

Und dieses zusammenfassend in das Wort:

O Mensch, erwese dich durch den Weltenkreis.

«Erwese dich» heißt: mache dich zum Wesen.

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Dann steigen wir auf zu dem, was der Mensch namentlich in sei­nes Kopfes Dasein fühlen kann, wenn er den Sinn hinauflenkt zu den Ruhesternen, zu denjenigen Sternen, die Formen bilden zum Beispiel im Tierkreis und die regeln das Dasein der Welt. Da fühlt dann der Mensch, daß das, was ruhig waltet und webt in seinem Haupte, eine Nachwirkung desjenigen ist, was oben in den ruhigen Sternen die Kundschaft vom Himmel bringt. Zu dem kann sich der Mensch aber erheben, wenn er fortführt das Mantram mit den Worten:

[Es wird weitergeschrieben:]

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

Zusammenfassend:

O Mensch, erschaffe dich durch des Himmels Hüter.

Fortwährend muß der Mensch, wenn er in . . . [Lücke im Steno­gramm], erschaffe dich durch des Himmels Hüter, durch die­jenigen, die du gewahr wirst aus dem Worte und der Schrift der Ruhesterne als diejenigen Wesenheiten, die den Bestand der Welt hüten.

Solche Dinge, meine lieben Schwestern und Brüder, sind dazu da, um in der Seele weiterzuwirken, weiterzuwirken so, daß der innere Bau eines solchen Mantrams erfühlt wird als innere Har­monie, und daß solches in der Seele immer wiederum wiederkehrt, damit die Seele zuletzt in diesem strebt und webt und west und dadurch den Weg hinberfindet, vorbei an dem ernsten Hüter, in richtiger Weise. Findet man ihn in unrichtiger Weise und kehrt . . . [Lücke im Steno gramm] zurück in die physische Welt, kann man leicht verwirrt werden für die physische Welt, weil man verwech­selt, was für die geistige Welt gilt, mit dem, was für die physische Welt gilt.

[Im Stenogramm folgt hier ein längerer Satz, der nicht zu entziffern ist.]

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So wollen wir auf unsere Seele wirken lassen dasjenige, was uns ein Bewußtsein hervorruft, wie wahre, echte, redliche Erkenntnis gewonnen wird an der Schwelle in die geistige Welt hinein, wo wir - dann, wenn wir an diese Schwelle herantreten - solchen Ernstes uns bewußt werden; wir wollen auf uns wirken lassen dasjenige, was heute schon ausgesprochen worden ist:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Dann aber kommt der innere Mut, der sich erwest in den Worten

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

O Mensch, erwese dich durch den Weltenkreis.

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelshüter.

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NOTIZEN VON DER ZWEITEN LONDONER STUNDE London, 27. August 1924

Es sollen wieder wie in der letzten Stunde die Worte gesprochen werden, die an den Menschen wie eine ewige Mahnung, wie eine Mahnung des Ewigen, herantönen ... in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft ... zurufend dem Menschen, er solle zur Selbsterkenntnis kommen, ... um sich richtig in seinem Verhältnis zur Welt und in sich selbst zu finden:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Meine lieben Schwestern und Brüder! Es war zunächst eine er­schütternde Mahnung von dem Hüter der Schwelle an den Men­schen, welche gesprochen wurde in der ersten Stunde. Diese erste Mahnung, sie zeigt dem Menschen, wie das Wollen, Fühlen und Denken, so wie sie im Sinne unserer materialistischen Zeit im Men­schen leben, ... auch dann noch in ihm leben, wenn er in Gedanken bereits etwas über diesen Materialismus hinausstrebt... wie dieses Wollen, Fühlen und Denken dastehen in den drei tierischen Ima­ginationen, welche, wenn sie nur tief genug empfunden werden, den Menschen schon erschüttern können. Sie sagen dem Menschen, wie wenig eigentlich dasjenige, was oben an der Oberfläche in sei­ner Seele wirkt, demjenigen entspricht, was unten tief in der Seele wahrhaft intendiert wird.

So ist es in allem esoterischen Leben, das, wie das letzte Mal ge­schildert wurde, aus der geistigen Welt unmittelbar heraus zu uns sprechen will ... Da werden wir auf der einen Seite hingewiesen auf alle die Tiefen - die moralisch-seelischen Tiefen -, durch die wir hindurchmüssen, um zu dem wahren Wesen der Welt und unseres Selbst zu kommen. Und auf der anderen Seite werden wir hingewiesen auf die Höhen, auf die der Mensch hinauf soll...

Es gibt keinen wahren esoterischen Weg der Selbsterkenntnis, ohne daß der Mensch in die Tiefen hinunter- ebenso wie auf die Höhen hinaufgetragen wird... Nur wenn wir den Mut zu den Tiefen wie zu den Höhen entfalten, nur dann kann der starke Im­puls in unsere Seele kommen, der zu der esoterischen Entwickelung notwendig ist.

Der Mensch muß zu seiner esoterischen Entwickelung aufhören, sich abgetrennt zu fühlen von seiner kosmischen Umgebung. Fragen wir nach dem Verhältnis unseres Taglebens zu unserer kos­mischen Umwelt! Der Mensch nimmt wahr um sich herum die mineral ische, die pflanzliche, die tierische Welt. Aber er fühlt sich selbst abgesondert von dieser Welt in seinem Leibe. Dieses Ab­gesondertsein im Leibe war zu seiner eigenen Entwickelung gut.

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Aber heute ist die Tendenz vorhanden, zuviel von derWelt sich ab­zusondern, real, nicht nur in Gedanken sich abzusondern. Wir sind jede Nacht im Schlafe, aus dem heraus nur die chaotischen Träume heraufwogen. Im Traume sind nicht Tiere, nicht Pflanzen um uns herum, höchstens Schattenbilder davon. Der Mensch ist da unend­lich allein mit sich selbst. Es ist ein unermeßliches Alleinsein in unserem Traumleben. Und das wirkt nun fort im Tagesleben. Der Mensch träumt fort in seinen Illusionen. Daraus entspringt dann alles, was in seinem Egoismus wurzelt. Aber auf dem Wege zum Göttlich-Geistigen hin müssen wir diesen Egoismus überwinden ... Dieses richtige Fühlen, diese Gesinnung muß den Ausgangspunkt eines esoterischen Weges bilden. Wenn der Mensch nicht bereit ist, in einem gewissen Sinne mit demjenigen zu brechen, was sich in seinem gewöhnlichen Selbst herangeformt hat, kann er in einem esoterischen Wege nicht weit kommen. Denn es handelt sich hier um einen wirklichen Wendepunkt in der Entwickelung. Und es hängt heute viel für die Welt davon ab, wie viele Menschen ihren Weg hineinfinden in einen realen esoterischen Weg.

Wir müssen ausgehen von einem gewissen Sich-Hineinleben in die Umwelt der Elemente. Der Hüter, nachdem er uns zerschmet­terte mit dem Anblick der drei Tiere, gibt uns nun wiederum die­sen Hinweis: in die Welt der Elemente zu schauen. Denn auf dem Wege in den Geist hinein muß man in die Elemente hineinwachsen. Da ist die Erde unten ... Da ist die Flüssigkeit. Wir müssen fühlen, wie sie mit uns vereint ist, wie sie vereint das Innen und Außen. So auch die Luft; sie ist in uns, sie ist wieder außer uns. So auch die Wärme, so alle Elemente. Nun handelt es sich darum, daß wir für alles dies die notwendige Aufmerksamkeit aufbringen durch ein intimes Eingehen auf die Anweisungen, die wir hier erhalten.

Denkt Euch, meine lieben Freunde, Ihr tastet, Ihr fühlt etwas. Ebenso ist es aber auch, indem Ihr schaut, indem Ihr hört ... Stellt Euch nun vor: Ihr seid ein einziges großes Sinnesorgan, indem Ihr auf dem Erdboden steht, indem die Erde Euch von unten herauf

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trägt. Ebenso wie Ihr mit einem Finger einen Gegenstand abtastet, so tastet Ihr mit Eurem ganzen Leibe die Erde, indem Ihr darauf steht und geht. Nur dadurch, daß es so zur Gewohnheit geworden ist, sagt man sich dieses nicht. Dieses Gewohnten muß man sich wiederum entwöhnen für eine esoterische Entwickelung. Man muß sich empfinden lernen wie ein Finger, welcher die Erde be­tastet. Man wird selbst zum Tastorgan.

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

Wie wenn man mit einem Finger etwas tastet, so muß man sich als ganzer Mensch erleben. Wir fühlen dann, wie uns die Erdenkräfte im Dasein Stütze sind, so daß wir nicht in die Schwere hinein ver­sinken. Der Hüter weist uns mit diesen Worten an, wir sollen uns fühlen wie ein Finger der Gottheit; wir sollen fühlen, wie die Gott­heit mit diesem Finger, der wir als ganzer Mensch sind, auf die Erde tastet.

Und nun ein zweites: Nun schreiten wir fort, indem wir nicht nur mit unseren Füßen die Erde uns stützend fühlen, sondern wir sollen fühlen, wie das Blut ... in diesem Finger der Gottheit, der wir sind, ... lebt und webt. Man fühle zum Beispiel das Blut, wie es in einem Finger lebt, wenn zum Beispiel der Finger krank oder irgendwie abgebunden ist. Dann wird man in sich das Wasserelement gewahr. So kann man in sich fühlen das Wasser.

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

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Wasserwesen ... in dem eigenen Blut, in den Gefäßen ... einen bildend. Draußen im Kosmos das Wasser, das fließende Element; es wirft Wellen, Wellenkräuseln an der Oberfläche, man empfin­det es als schön. Aber bei der okkulten Entwickelung muß man erleben, wie das gleiche Wasserelement auch in uns lebt, uns ge­staltend und bildend.

Die Erde ist uns nur Stütze; das Wasser bildet uns innerlich; wo es früher nur unbewußt war, da soll man sich nun innerlich (0 Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis...) des Tastens bewußt werden.

Merken Sie sich, meine lieben Freunde, wie in den Mantren jedes Wort exakt gewählt und exakt an seinen Ort gestellt ist. Wir müs­sen die Worte so nehmen, daß sie gottgegeben, inspiriert, aus der geistigen Welt inspiriert sind. So jedes Wort. Der Fortgang von «Stütze» zu «Bildner», von einem niederen zu einem höheren, zu dem, was uns nicht bloß äußerlich stützt, sondern plastisch inner­lich gestaltet.

Und nun zum dritten: Der Hüter ermahnt uns, weiter hinzu-schauen zum Luftelement. Der Mensch atmet ein und aus. Das webt zunächst unbewußt, aber es webt doch in ihm. Und wenn der Atem irgendwie nicht richtig ist, dann merkt er, wie ein Moralisch­Seelisches schon darinnen ist. Zum Beispiel im Schlafe, wenn man nicht richtig atmet, erlebt man Furcht und Angst im Traum. Hier wird der Mensch nicht nur gebildet. Gebildet wird er aus dem Wasser heraus in allen Organen. Alles Feste bildet sich erst aus dem Flüssigen heraus. Das Blut enthält die Formkräfte ... In sieben Jahren werden die Organe - was stofflich daran ist - abgestoßen und aus dem Blut heraus neu geformt. Also vor acht Jahren: alles was heute davon da ist, war überhaupt als Stoffliches nicht da. Ihr, die Ihr hier sitzt, seid im wesentlichen ganz neu im Laufe der sieben bis acht Jahre aus der Blutflüssigkeit heraus gebildet worden.

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So ist das Wasserelement unser Bildner. Aber die Luft, die empfinden wir seelisch: Überschuß an Kohlensäure als Angst, Überschuß an Sauerstoff als Ohnmacht, indem wir wie im Kos­mos aufgelöst werden.

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

So geht es ins Höhere, Moralische hinauf: von der Stütze zum ätherisch Bildenden, zum Pfleger.

Und viertens geht es nun hinauf ins Feuer, ins Wärmeelement. Die Erde fühlen wir kaum; das Bilden in uns, höchstens als Kind fühlen wir es. Die Luft, da sorgen schon die Pfleger dafür, daß wir sie nicht fühlen. Aber die Wärme - ob es kalt ist, ob es warm ist -, das Wärmeelement des Kosmos fühlt der Mensch als zu ihm selbst gehörig. Ja, er würde es ganz fühlen, wenn er durch die Mahnung des Hüters vorbei an den drei Tieren in den Kosmos hinauf in unegoistischer Weise käme, wie er im Reich der webenden Wärme hinaufgetragen wird....

Okkult ist es so: Wenn der Mensch denkt, ergreift er das Feuer-element des Kosmos. Er denkt nicht nur in seinem Kopfe. Die Denkkräfte gehen weit, weit hinaus in den Kosmos. Im Sommer fühlt dann der Mensch die Feuergeister, die Dynamis, Archai und Seraphim. Im Winter aber lebt er sich mit dem Denken in das Kalte ein; da steigen seine Gedanken in Eis und Schnee, in die sonnen­durchglänzte Luft hinein.... Das Feuerelement ist eben intim mit dem Menschen verbunden. Und der Mensch sagt dann zu sich selber: Steigst du einen Berg hinauf, so daß es kälter und immer kälter wird, so kommst du an die Exusiai, Kyriotetes, Archangeloi, Cherubim heran, an diejenige Welt, in der die Weisheit waltet. Steigst du den Berg herunter - oder kommst du in warme, sommerliche

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Zeiten -, da kommst du herunter aus dem Bereich der Cheru­bim mit ihrer Weisheit in den Bereich der Seraphim, der Liebe; aus dem Bereich der Kyriotetes und Exusiai, der lichten Weisheit, in den Bereich der Dynamis, der feurigen Gewalten, ... die im Feuer schmieden ... Aus dem Bereich der Archangeloi, die im Wasser webende Weisheitswelt verwandelt sich in den Bereich der Archai und Angeloi...

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

Hier geht es noch höher ins Moralische hinauf. Die Pfleger..., die pflegen noch von außen. Die Feuermächte sind nicht nur Pfleger, sie helfen uns, helfen uns innerlich.

Nachdem man diese Mahnung in sich aufgenommen hat, faßt man das Ganze noch einmal zusammen mit den Worten, als Zu­sammenfassung des Vorigen:

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

So, nachdem wir niedergeschmettert waren, vernehmen wir aus des Hüters ernstem Antlitz die Mahnung, in das Reich der Ele­mente denkend einzugehen, das Sein der Elemente in uns aufzu­nehmen ...

So ermahnt uns der Hüter, in Erde, Wasser, Luft, Feuer uns ein­zuleben. Das tun wir mit dem physisch-ätherischen Leibe. Aber die Seele, die kann nicht bloß in der Elemente Reich, die muß zum Reiche der Planeten vordringen. Die Wandelsterne - je nachdem, wie sie ihr Antlitz der Erde zuwenden -, in ihren gegenseitigen Verhältnissen drücken sie aus, was in unserer Seele waltet. Unser physischer und Ätherleib ... erkennt sich ... im Reich der Elemente,

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unsere Seele im Kreise der Wandelsterne ... Der schnelle Merkur; der nahe Mond; Venus, wie sie hinausträgt in Welten-weiten in kosmischer Liebe; die Gnade der Sonne; die Kraft des Mars; Weisheit sprühend Jupiter; die Reife des Saturn, wie er mit Feuerwesen alles ins Wesenhafte treibt ... Es ist die Seele, die also aufgeht im Kosmos. Der Hüter sagt:

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

Und er faßt dies noch einmal zusammen, indem die vielen Kreise der Planeten wie in einem Kreis zusammengefaßt werden:

O Mensch, erwese dich durch den Weltenkreis.

Damit ist aber auch nur der physische und ätherische Leib und die Seele gegeben, noch nicht der Geist. Den Geist - im Ich wesend - müssen wir hinausgießen nicht bloß bis zu den Planeten, sondern bis zu den Fixsternen; das Ich, das von Ewigkeit zu Ewig­keit waltet, müssen wir im Fühlen und Wollen hinaustragen bis in das Reich der Fixsterne:

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

Und wieder faßt der Hüter zusammen die Summe dieser beiden Zeilen ... mächtig in uns wallend... in den Worten:

O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelsweisheit.

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Wenn wir ein solches Wort, wie es als Ganzes zusammenklingt durch Erde, Wasser, Luft, Feuer, Planeten und Fixsterne, wenn wir es im Ganzen fühlen, indem wir horchen auf die Worte, die uns von dem Hüter kommen, dann wallt in dieser gegenwärtigen Zeit durch die Schule die Macht Michaels. Und wir dürfen fühlen diese Macht Michaels in seinem Zeichen, und wie Michael, der seit dem Jahre 1879 und weiter bis in unsere Tage seine Herrschaft an­getreten hat, akzeptiert hat alles dasjenige, was seit dem 15. Jahr­hundert begründet wurde unter dem Zeichen «rosae et crucis». Und wir dürfen fühlen die Haltung des Rosenkreuzes in dem drei­fachen Worte:

Ich bewundere den Vater
Ich liebe den Sohn
Ich verbinde mich dem Geiste.

Dieses wird nicht gesprochen, aber es begleitet als Geste das dreifache Wort:

Ex deo nascimur
In Christo morimur
Per spiritum sanctum reviviscimus.

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Dreierlei müssen wir nun verstehen, was uns der Hüter der Schwelle gibt, wie er uns über den Abgrund des Seins - nicht mit Erdenfüßen, sondern mit Seelenschwingen - hinübergeleiten kann.

Wir denken im gewöhnlichen Leben. In unseren Gedanken lebt bloß der Schatten gefühlter, in Wirklichkeit ergriffener Wesenheit. Fragen wir, was unsere Gedanken sind: sie sind ein Leichnam. Wie aus dem physischen Leichnam Seele und Geist fort sind, und der Leib der Erde übergeben wird, so machen es die göttlich-geistigen Wesen mit dem Leibe unserer Gedanken. Zwischen Tod und neuer Geburt hat voll gelebt das lebendige Gedankenwesen. Dann stieg es in den physischen Leib herab und lebt wie im Sarge fort. Des Menschen physischer Leib ist der Sarg von dem lebendigen Ge­dankenwesen. Wir sollen fühlen dies als die Weisheit, in der wir geführt werden von der geistigen Welt. So spricht zu uns der Hüter: Deine Gedanken sind Schein. Aber du kannst untertauchen in den Schein und dann fühlen dahinter die wahre Selbstheit... als ein Göttliches ... Im Ätherweben: dadrinnen fühlen die Geist-wesen, die weben durch ...

Der Hüter spricht zum Menschen:

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

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Darin ist Rhythmus, wie wenn wir vom Berge herunterstiegen... In diesem (- u) Rhythmus verbinden wir uns im Meditieren mit dem Schlag der lebendigen Weltengedanken, in denen wir waren, bevor wir auf die Erde herunterstiegen.

Aber nicht nur das Denken, auch das Fühlen tragen wir in uns. Da ist nicht nur Schein, sondern Sein. Die Gedanken sind Schein. In Fühlen vermengt sich Schein und Sein. ... Die Weltenkräfte walten in uns. Da sollen wir nicht nur verehren, sondern bedenken, wie objektive Weltenkräfte in uns walten und weben:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Darin schwingen wir uns wiederum auf zum Sein. Der Rhythmus (u -) ist ein anderer. Wir sollen leben in diesem kosmischen Rhyth­mus, wo die Seele wiederum hin aufsteigt zum Sein, nachdem sie in den Gedanken das Sein verloren hat. Da geht es vom Verehren zum Bedenken. Es wird intimer. Wir verehren, hindeutend auf die Wesen, die uns führen, mehr von außen. Wir bedenken, wie im eigenen Inneren die Lebensmächte walten.

Nun geht es tiefer hinunter. Der Hüter weist uns darauf hin, wie in unserem Willen das Weltenall wallt und webt. Die Kraft des Seins steigt in uns auf. Die Kraft in uns, die Schöpferkraft, die sollen wir erfassen:

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Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Hier werden wir gewahr, wie das Sein, neu erschafft, aus allem Scheineswesen aufsteigt. Das ist ein anderer Rhythmus (- -). In den zwei betonten Silben bringen wir zum Ausdruck, wie der mächtige Schlag des Seins in Seele und Geist hereinschlägt.

Man achte auf die Steigerung: von dem «verehren» zu dem in­timeren «bedenken», zu dem ganz in die Sache hineingehenden « ergreifen». Desgleichen: «Führerwesen» (außer uns, im Kosmos), «Lebensmächte» (in uns), «Weltschöpfermacht» (im Kosmos und in uns). Hier im dritten Vers (letzte Zeile) steht das entsprechende Wort «Weltschöpfermacht» am Anfang, nicht am Ende. Auch das ist wesentlich. Der Rhythmus ist also spondäisch.

Wenn dieses dreifache Mantram vom Hüter der Schwelle an die menschliche Seele herantönt - erwartend den Überflug über den Abgrund -, dann darf die Seele fühlen, wie des Michaels Zauber-gewalt durch den Raum hindurch wallt ... und wie seit dem Be­ginn der neuen Zeit Michael vereinigt ist mit dem Strom «rosae et crucis ».

... Im Zeichen Michaels empfangen wir, was so an uns heran­kommt, mit der dreifachen Haltung des Rosenkreuzes...

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Von den Sprüchen und dem Inhalt der Stunden darf nur mit­geteilt werden den Mitgliedern der esoterischen Schule, also denen, die die blaue Karte haben. Die nicht hier sein konnten, können die Sprüche von anderen bekommen, die hier waren. Aber in jedem einzelnen Fall muß fragen derjenige, der die Sprüche weitergeben will, bei Dr. Wegman oder bei mir. Das gehört zur esoterischen Führung, daß in jedem einzelnen Fall als Tatsache diese Frage vor­liege. Nachschreiben ist nicht gestattet; wenn geschrieben wurde, ist man verpflichtet, das Nachgeschriebene innerhalb einer Woche zu verbrennen.

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HINWEISE

zu den Wortlauten der Texte und der Mantren vergleiche die Einleitung für die Hinweise im ersten Band, Seite 235.

Zu den vielfachen Erwähnungen der Weihnachtstagung und der Einrichtung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum: Siehe die beiden Bände der Gesamt­ausgabe Bibl.-Nr. 260 «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthropo­sophischen Gesellschaft 1923/24» und Bibl.-Nr. 260a «Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum 1924/25».

Das Michael-Zeichen und die Siegelgesten wurden schon vor den Dornacher Wieder­holungsstunden in London gegeben, wie aus den Notizen von der zweiten Londoner Stunde

(27. August 1924) ersichtlich ist. Aus dem Stenogramm der sieben Dornacher Wieder­holungsstunden (6. bis 20. September 1924) läßt sich nicht mit Sicherheit unterscheiden, wann im Verlaufe der Stunden Rudolf Steiner das Michael-Zeichen und die Siegelgesten mit den dazugehörigen Worten an die Tafel zeichnete und wann er das Zeichen und die Gesten machte. Deshalb konnte hier nicht - wie es sonst bei Zeichnungen und angeschriebenen Tex­ten geschieht - besonders gekennzeichnet werden, wann Rudolf Steiner das Michael-Zeichen und die Siegelgesten an die Tafel zeichnete.

zu Seite

8 wie ich schon gestern ausgesprochen habe: Siehe Vortrag vom 5. September 1924 in Bibl.-Nr. 260a «Die Konstitution...», Seite 380.

8 Und oftmals ist es ausgesprochen worden unter Anthroposophen: Vergleiche zum Bei­spiel Bibl.-Nr. 243 «Das Initiatenbewußtsein« (Vortrag vom 18. August 1924 mit Hin­weis zu Seite 140).

15 Wir schauen hinauf zu den machtig funkelnden, glänzenden Gestirnen: Das Wort «mächtig« könnte auch als «tausenden» gelesen werden. So hatte es Frau Finckh in ihrer ersten Übertragung gedeutet.

19 Und aus Finsternissen hellet sich: In dieser Zeile wurde hier - in der ersten Wieder­holungsstunde - ebenso wie in der ersten Klassenstunde gesprochen: «Und aus den Finsternissen», an die Tafel wurde jedoch geschrieben: «Und aus Finsternissen».

21 Zu dem Mantram: Die beiden Mantramzeilen «Da ertönt im Seelensprechen» und «In den Weltgestaltungsmächten« sind in dieser ersten Wiederholungsstunde tafelgetreu mit «ertönt» und «Weltgestaltungsmächten» wiedergegeben. In der ersten Stunde da­gegen, wo noch nicht an die Tafel geschrieben wurde, sowie in der zweiten und dritten Stunde (erster Band) heißt es stenogrammgemäß «ertönet» und «Weltengestaltungs­mächten». Vergleiche auch die beiden Handschriften im Tafelband, von denen die eine «ertönt» und die andere «ertönet» hat.

23 Da aber macht ... der Hüter der SchweUe uns aufmerksam, wie zunächst unser Selbst, bevor es sich geläutert und gereinigt hat für die geistige Wilt: Der Satzteil «bevor es sich geläutert und gereinigt hat für die geistige Welt» ist im Stenogramm durch eine Streichung undeutlich. Frau Finckh hatte die Stelle beim ersten Mal übertragen mit «bevor es sich geläutert und gereinigt der geistigen Welt gemacht hat», beim zweiten Mal mit «bevor es sich ii. genaht hat».

31 alles wird ihnen sagen in der Zukunft dieses: Im Stenogramm steht «alles sagt, wird ihnen sagen». Das Wort «sagt» wurde weggelassen, weil sich aus dem ganzen Satz­gefüge ergibt, daß es sich um eine Selbstberichtigung handelt.

37 daß dieses Denken, durch das wir uns die Dinge und Vorgänge der Wilt aneignen: In den früheren Übertragungen hieß es «die anderen Dinge und Vorgänge». Das Wort

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»anderen» wurde weggelassen, weil es im Stenogramm - dadurch, daß es am Zeilen­ende ganz undeutlich geschrieben ist - nicht sicher gedeutet werden kann.

37 Da war es oben in der geistigen Welt kein schattenhaftes, abstraktes Denken, sondern seelisch-geistige Wisenheit: Das Wort «sondern» fehlte in den früheren Übertragungen, weil es, flüchtig stenographiert, mit einem Komma verwechselt wurde.

39 die Zukunft der Erde in ihre Gewalt bekommen wollen: Das Wort «wollen» fehlt im Stenogramm.

51 und wenigstens kommen zur Verehrung jenes Führerwesens, das uns von Erdenleben zu Erdenleben führt: Rudolf Steiner spricht hier von dem «Führerwesen, das uns von Erdenleben zu Erdenleben führt«, während etwas später (Seite 55) von «Führerwesen, die uns lenken« im Plural gesprochen wird. Ebenso wird in der zweiten Wiederholungs­stunde (Seite 42) in demselben Zusammenhang von den «führenden Wesen der höheren Hierarchien« und in der dritten Stunde (im ersten Band) gleichfalls von «Führer-wesen« im Plural gesprochen. Vergleiche im ersten Band Seite 236 den Hinweis zu Seite 79.

58f. Zu dem Mantram «Fühle wie die Erdentiefen... «, «Fühle wie aus Weltenweiten...», «Fühle wie in Himmelshöhen . .»: Zu den Erläuterungen dieses dreistrophigen Man­trams siehe auch die Skizzen auf der Handschrift im Tafelband, die nicht auf die Wandtafel gezeichnet wurden.

83 Das Luftelement. . . es ist unser Pfleger. Und unsere Gefühle werden Angstgefühle, wenn uns nicht das richtige Atmen pflegt. Die Luftgewalten sind «Pfleger»; «Helfer», daß wir überhaupt Erdenwesen sein können, «Helfer» sind Wärme und Kälte; das sind Feuermächte: Im Stenogramm lautet dieser Text: «Das Luftelement . . . es ist unser Helfer. Und unsere Gefühle werden Angstgefühle, wenn uns nicht das richtige Atmen hilft, pflegt. Die Luftgewalten sind ; . . . sind Wärme und Kälte ... « Die Korrektur entspricht der Selbstberichtigung beim Sprechen.

83 Und so heißt die Summe der Ermahnungen von Seiten des Hüters der Schwelle als die Steigerung, im Steigern der Elemente: 0 Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich:

Frau Finckh hatte diese Stelle, die im Stenogramm entstellt ist, irrtümlicherweise so übertragen: «Und so heißt die Summe der Ermahnungen von seiten des Hüters der Schwelle: 0 Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein, die Steigerung, im Steigern der Elemente.»

87 Es zerfüllt jetzt in eine Aufforderung von eins< zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun Glieder. Das «0 Mensch, erkenne dich selbst!» sollen wir gewissermaßen zn neun Strahlen sehen: In den früheren Übertragungen hieß es irrtümlich nicht «neun», sondern «acht«. Der Irrtum entstand dadurch, daß Frau Finckh beim Über­tragen nicht berücksichtigte, daß hier aufgezählt wurde.

97 Der Hüter der Schwelle hat uns klargemacht, wie dasjentge: Dieser Satz beginnt sm Stenogramm so. «Der Hüter der Schwelle hat uns, nachdem er uns klargemacht hat, wie dasjenige...«. In dieser Form wurde der Satz nicht zu Ende geführt. Deshalb wurden die Worte «nachdem er uns« und das zweite «hat« gestrichen. Frau Finckh hatte in ihrer Übertragung den Satz so redigiert, daß sie nach den Worten «uns ent­hüllen kann« noch einfügte «darauf aufmerksam gemacht«.

103 Mit Bezug auf das Wollen spricht der Hüter: Anstelle dieses Satzes ist im Stenogramm eine Ergänzungslücke. Sie wurde analog den vorhergehenden Formulierungen aus­gefüllt.

105 Was von außen in uns hereinkommt, kommt heran wie an eine Gedächtniswand, dann kommt es immer wieder zurück: Das Wörtehen «an« steht nicht im Stenogramm.

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108 Wir sind, sagt er, noch nicht darüber hinausgekommen, bloße Gedanken zu bilden von Lichtesschein: Das Wort «darüber» fehlt im Stenogramm.

123 Wie ist es denn eigentlich, wenn Denken in Wollen übergeht: Im Stenogramm steht:

«Wie ist es denn eigentlich, wenn Wollen übergeht, wenn Denken in Wollen übergeht?» Ebenso wie in den Finckhschen Übertragungen wurde «wenn Wollen übergeht» im vorliegenden Manuskriptdruck ausgelassen, weil es sich dabei offensichtlich um eine Selbstberichtigung beim Sprechen handelt.

124 Treten wir über von der Wilt der Sinne . . . in die Welt des Geistes ... geht unser Fühlen: Die Worte «in die Welt des Geistes» fehlen im Stenogramm. Im Anschluß an diesen Satz findet sich im Stenogramm noch folgender unklarer Wortlaut, der in die­sem Manuskriptdruck weggelassen wurde: »Und indem wir eins werden im Welten-wahrnehmen des Geistes, fühlen wir uns hier auf dieser Erde als eins, drüben als eine Dreiheit.»

124 Fühkn wir dann ganz intensiv, wie unser Herz, der physische Ausdruck unserer Seele. nicht bloß schlägt durch dasjenige: Das Wörtchen «durch» fehlt im Stenogramm.

125 Denken wir an all das und fühlen wir: in unseren Gliedern, wenn wir wollen, lebt Wiltenkraft, nicht bloß Menschenkraft: Nach den Worten «und fühlen wir» folgen im Stenogramm noch vier Zeichen, die durch teilweises Überschreiben undeutlich gewor­den sind. Frau Finckh hatte sie übertragen mit «wenn wir denken, fühlen». Diese Worte wurden hier weggelassen, weil sie sich nicht klar in den Sinn des Satzes, der sich eindeutig auf die Mantramzeile «Erdenke der Glieder Weltenkraft» bezieht, ein-gliedern lassen.

125 Zu dem Mantram «Schau die Drei»: Es gibt zwei Fassungen dieses Mantrams. Die eine beginnt mit «0 schau die Drei« und liegt der siebenten Stunde (11. April 1924) zu­grunde. Die andere Fassung mit «Schau die Drei» erscheint in der sechsten Wieder­holungsstunde. Siehe hierzu den Tafelband und den Hinweis zu Seite 176 im ersten Band.

126 Empfinde des Herzens Wiltenschlag: Gemäß Stenogramm wurde an dieser Stelle «Wellenschlag« statt «Weltenschlag» gesprochen.

128 Die drei Zeilen müssen bekräftigt werden: In den früheren Übertragungen hieß es gemäß Stenogramm «Zeichen», statt «Zeilen», wobei es sich um einen Schreibfehler handeln muß.

130 Wie uns Wollen wird «der Sinne vielgestaltig Himmelsweben»: In den Übertragungen von Helene Finckh hieß es gemäß Stenogramm «Sinnesweben» statt «Himmelsweben». Vergleiche hierzu die Fußnote zu den Tafeltezten der sechsten Wiederholungsstunde, Seite 139.

141 wie ja des öfteren hier auch in Mitgliedervorträgen auseinandergesetzt worden tst:

Siehe Bibl.-Nr. 243, vergleiche Hinweis zu Seite 8.

142 durch die allgemeinen Mitgliedervorträge: Siehe »Esoterische Betrachtungen karmi­scher Zusammenhänge», 6 Bände, Bibl.-Nr. 235-240.

144 Vor einzelnen von Ihnen habe ich es schon erwähnt: Mitteilungen nach dem Vortrag in Dornach, 1. August 1924, abgedruckt in Bibl.-Nr. 260a «Die Konstitution...», Seite 542 bis 544.

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Hinweise zu den vier Einzelstunden

Von diesen Einzelstunden liegen außer für die Berner Stunde keine Originalstenogramme vor. Das Stenogramm der Berner Stunde weist mehrfach Stellen auf, an denen der Steno­graph Rudolf Hahn den Tezt nicht vollständig erfaßt hat, die er jedoch meist zu ergänzen versuchte. Im vorliegenden Manuskriptdruck sind diese Stellen gekennzeichnet durch die in eckige Klammern gesetzte Bemerkung [Lücke im Stenogramm]. Die Ergänzungen des Stenographen finden sich im Folgenden nachgewiesen. Die hruchstückhaften und unvoll-ständigen Notizen von der zweiten Londoner Stunde stammen von George Adams, der während der Stunde Rudolf Steiners Worte ins Englische übersetzte. Die vielfach auftreten-den Pünktchen in diesen Notizen gehen auf George Adams zurück. Von der ersten Londoner Stunde sind keine Notizen vorhanden.

In den beiden Prager Stunden und in der Berner Stunde wurde, wie aus den Tezten her­vorgeht, an die Tafel geschrieben; diese originalen Tafelanschriften sind aber nicht erhalten.

175 das wird man in den entsprechenden Mitteilungen an alle diejenigen senden> die Mit­glieder dieser Schule geworden sind: Wie aus der achten Dornacher Stunde vom 18. April 1924 hervorgeht, dachte Rudolf Steiner hei solchen Mitteilungen an Rund-briefe. Vergleiche hierüber im ersten Band den Hinweis zu Seite 196.

177 Das Erlangen des wahren Erkenntnisstrebens ist in hohem Maße der Fall: Die Worte «Erlangen des wahren Erkenntnisstrebens» wurden sinngemäß eingefügt.

179 Zu dem Man tram «Wo auf Erden gründen...»: Die Textvorlage hat in der dritten Strophe «Ernstes Wort» statt «Ernstes Geisteswort».

180 ich werde dann dieses Wort für das nächste Mal auf einen Zettel geschrieben mit­bringen: Wie aus der zweiten Prager Stunde hervorgeht, hat in Prag offensichtlich zwar eine Tafel zur Verfügung gestanden, aber vermutlich nicht für alle Mantren aus­gereicht, so daß anzunehmen ist, daß in der ersten Prager Stunde nur das Mantram «Wo auf Erdengründen . . . « angeschrieben werden konnte, jedoch nicht mehr die Mantren «Aus den Weiten der Raumeswesen . . . « und «Doch du mußt den Abgrund achten«. Diese beiden Mantren konnten aufgrund der Bemerkung Rudolf Steiners nach der zweiten Prager Stunde von einer Handschrift Rudolf Steiners abgeschrieben werden. Siehe auch Hinweis zu Seite 192.

183 Zu dem Mantram «Doch du mußt den Abgrund achten . . .»: Die Textvorlage hat in der dritten Strophe «Der Haß« statt «Dein Haß» und «muß es zähmen« statt «muß ihn zähmen». Das gleiche gilt auch für die anschließende Wiederholung des Mantrams.

192 Ich werde dann diese Meditations formel übergehen nach der Stunde, weil ich sie das letzte Mal nicht auf die Tafel geschrieben habe: Siehe hierzu den Hinweis zu Seite 180.

209 wie gestern in der Mitgliederversammlung angedeutet worden ist: Am 16. April 1924, siehe in Bibl.-Nr. 260a «Die Konstitution . . . «, Seite 207.

209 wie es in dem nächsten Mitteilungsblatte des

210 er muß . . . [Lücke im Stenogramm]: Der Stenograph hatte die Lücke ergänzt durch die Worte «in der Hochschule in der allgemeinen anthroposophischen Bewegung«.

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211 aufgefaßt werden wird . ii [Lücke im Steno gramm]: Der Stenograph hatte die Lück durch folgenden Satz ergänzt: «Es wird durchaus notwendig sein, daß auch ein Mit glied die Mitgliedschaft wiederum verlieren kann, wie es auf der anderen Seite frei steht zu wählen, wer Mitglied sein kann und wer nicht.>

212 Versand von Rundbriefen: Vergleiche hierzu im ersten Band den Hinweis zu Seite 19E

217 als es noch nicht Leichnam war... [Lücke im Stenogramm]: Der Stenograph hatte di Lücke ergänzt durch die Worte «als es noch Musik war».

217 Und wenn wir schematisch dieses Denken, Fühlen und Willen aufzeichnen wollen Die Originaltafel ist nicht erhalten. Die Wiedergabe der Zeichnung im Text erfolg gemäß der Kopie des Stenographen. Siehe hierzu die entsprechenden Zeichnungen ii der einen Tag später gehaltenen achten Dornacher Stunde vom 18. April 1924 in Tafelband.

220 weil man es für gefährlich hielt ... [größere Lücke im Steno gramm]: Der Stenograph hatte diese Lücke nicht ergänzt.

222 ins Bewußtsein ruft . . . [Lücke im Stenogramm]: Der Stenograph hatte diese Lück ergänzt mit den Worten «so bedeutet es etwas im Esoterischen, bedeutet es das Herein gehen in den menschlichen Leib>.

225 0 Mensch, erschaffe dich durch des Himmels Hüter: So wurde in der Berner Stund gemäß Stenogramm an die Tafel geschrieben, während es sonst nicht «des Himmel Hüter», sondern «die Himmelsweisheit> heißt. Als am Schluß der Berner Stunde diese Mantram wiederholt wurde, wurde laut Stenogramm gesprochen «die Himmelshüter>

225 Fortwährend muß der Mensch, wenn er in . . . [Lücke im Stenogramm]: Der Steno graph hatte diese Lücke nicht ergänzt.

225 Findet man ihn in unrichtiger Weise und kehrt . . . [Lücke im Stenogramm]: Der Steno graph hatte die Lücke ergänzt durch die Worte: «wie man so glaubt>.

225 [Im Steno gramm folgt hier ein längerer Satz, der nicht zu entziffern ist]: Der Steno graph hatte ihn so übertragen: «Wenn man so die Schwelle überschreitet, sei es durcl den gesunden Menschenverstand, sei es durch das Hellsehen, so daß man weiß, man is im Geistigen, man hat die Gabe, Geistiges zu überschauen und wahrzunehmen, dani wird man wieder zurückkehren, nicht auf schwärmerische, mystische Art das Physische durchdringen mit dem, was dem Geistigen angehört, dann wird man das Physisch

229 wie in der letzten Stunde: Gemeint ist die erste der beiden Londoner Stunden an

25. August 1924, von der es keine Notizen gibt.

240 . . . Im Zeichen Michaels empfangen wir: Vor diesem Satz steht in der Textvorlage noch die unvollständige Notiz: «Und in dem Zeichen Michaels erleben wir das dre fache Auftauchen aus dem Niederen . . . das Schnellen . >>

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.