GA 270/2

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RUDOLF STEINER

VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR GESCHICHTE
UND AUS DEN INHALTEN DER ESOTERISCHEN SCHULE

Esoterische Unterweisungen
für die erste Klasse der Freien Hochschule
für Geisteswissenschaft

Zweiter Band

Zehnte bis neunzehnte Stunde
gehalten in Dornach zwischen dem 25. April
und 2. August 1924

GA 270/II

1977

Inhaltsverzeichnis


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ZEHNTE STUNDE Dornach, 25. April 1924

Über die von Rudolf Steiner mit den Klassentexten verbundenen Verpflichtungen

Meine lieben Freunde! Es kommt in der esoterischen Entwicke­lung - und das ist in der wirklichen Erkenntnis - alles darauf an, daß der Mensch den Weg finde, ein Verständnis dafür zu gewin­nen, was es heißt, in einem Weltensein zu leben, zu dem die Sinne, die ganze körperliche Organisation keine Vermittler sind, zu leben also mit dem Geistig-Seelischen, das des Menschen wahre Wesen­heit ist, in einer geistig-seelischen Welt.

Nun gibt es ja, um allmählich dahin zu kommen, so in der Welt mit seinem Geistig-Seelischen zu leben, nun gibt es ja dazu eben die verschiedensten mehr oder weniger auf das Meditative hinaus­laufenden Übungen unserer Seele, Anstrengungen unserer Seele. Und ein Bild dessen, was eine Menschenseele durchmachen kann auf dem Wege vom Erleben der sinnlich-wirklichen Welt, der sinnenfälligen Welt, zum Erleben der geistigen Welt, das soll zu­nächst in diesen Klassenstunden durch die verschiedenen Betrach­tungen und die Zusammenfassung dieser Betrachtungen in einzel­nen Sprüchen, die dann je nach Möglichkeit und Bedarf von dem einen und dem anderen meditiert werden können, gegeben werden.

Wenn eine Zeit verflossen sein wird, so werden sich die Mittei­lungen dieser Klassenstunden, die wirkliche Mitteilungen aus der geistigen Welt sind, wie ich öfter schon betont habe, sie werden sich so zusammenfügen, daß diejenigen, welche mitgemacht haben diese Betrachtungen - es ist das eben auch ein Karma für diejeni­gen, die da sein können -, daß diejenigen, die mitgemacht haben diese Betrachtungen, in ihnen ein abgeschlossenes Bild der ersten Stufe esoterischer Entwickelung haben.

Nun geht ja aus den verschiedensten Betrachtungen, die hier ge­pflogen worden sind, schon hervor, wie der Mensch allmählich, dadurch daß er sich erhebt über sein Erdendasein zu einem Miterleben

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des Kosmos, die Gefühle, die Empfindungen entwickeln kann, die ihn hinaustragen in jene Weiten der Welt, aus denen ihm dann entgegenkommt das Geistige. Solange der Mensch sich darauf beschränken will, nur in Verbindung zu treten durch seine Sinne und durch seinen Verstand mit demjenigen, was ihn sinnenfällig umgibt, solange ist es unmöglich, daß er irgendwie sich so leicht mache in seinem Seelisch-Geistigen, daß dieses Geistig-Seelische für sich auffassen könne, was eigentlich der Inhalt der dem Men­schen zugänglichen Wahrheit ist.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, ich habe des öfteren betont: der gesunde Menschenverstand kann alles dasjenige begreifen - wenn er sich nur genügend anstrengt und sich säubert von Vorurteilen -, was in der Anthroposophie dargeboten wird. Aber es ist geradezu mit Bezug auf dieses Begreifen des gesunden Menschenverstandes schon ein Prüfstein vorhanden dafür, ob jemand durch sein Karma heute wirklich berufen ist, an Anthroposophie teilzunehmen, oder ob er es nicht ist.

Sehen Sie, zwei Fälle sind möglich. Der eine Fall ist der, daß der Mensch hört von dem Inhalte anthroposophischer Wahrheit, daß der Mensch diesen Inhalt anthroposophischer Wahrheit auf sich wirken läßt und ihn einleuchtend findet. Es ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, daß alle diejenigen Freunde, die hier sitzen, zu dieser Gruppe von Menschen gehören. Denn derjenige, der nicht zu dieser Gruppe von Menschen gehörte und dennoch teil­nehmen wollte an einer Klasse als Mitglied, der würde eigentlich in dieser Teilnahme nicht ehrlich sein. Und um die Ehrlichkeit handelt es sich zunächst in allem esoterischen Leben, um die rest­lose, das ganze seelisch-geistige Wesen des Menschen durchdrin­gende Ehrlichkeit.

Nun gibt es eine andere Gruppe von Menschen, die findet heute dasjenige, was von Anthroposophie dargeboten wird, phanta­stisch, irgendwie nur dem Visionären angehörig. Diese Gruppe von Menschen, die zeigt durch dieses ihr Verhalten, daß sie karmagemäß

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nicht in der Lage ist, den gesunden Menschenverstand so weit abzulösen von der Körperlichkeit und von den Sinnen, um eben eine sinnenfreie Wahrheit, eine sinnenfreie Erkenntnis zu begreifen.

Es ist also das Gebundensein des gesunden Menschenverstandes an die Körperlichkeit oder das Nichtgebundensein, was eigentlich heute eine große Scheidung zwischen den Menschen hervorbringt. Denn wenn Sie in ehrlicher Weise Ihr eigen nennen einen solchen gesunden Menschenverstand, der die Anthroposophie begreift, dann ist dieser gesunde Menschenverstand in dem Momente, wo er die Anthroposophie ehrlich begreift, unabhängig von der Leiblich­keit. Und dieser gesunde Menschenverstand, der die Anthroposo­phie ehrlich begreift, der ist überhaupt der Anfang des esoterischen Strebens. Und man sollte das schätzen, daß der begreifende ge­sunde Menschenverstand der Anfang des esoterischen Strebens ist. Man sollte das nicht übersehen. Dann wird man, wenn man von diesem Begreifen des gesunden Menschenverstandes ausgeht und sich nach den Anleitungen richtet, die eben in den dazu berufenen Schulen gegeben werden, dann wird man auch in den esoterischen Weg immer mehr und mehr hineinkommen. Man kann, je nach­dem man das für sich geeignet findet, den einen oder den anderen der Sprüche, die hier gegeben werden, auf sich anwenden. Man muß nur damit zusammenhalten auch die Betrachtungen, welche die ganze Stellung eines solchen Spruches zum inneren mensch­lichen Leben charakterisieren.

Nun möchte ich heute wiederum eine der Hilfen geben, die den Menschen - sei es selbst nur zu einem solchen Ruck, den er selber noch gar nicht bemerkt und schätzt - aus dem Leibe herausbringen können.

Da handelt es sich darum, daß wir mit wirklich tieferem Emp­finden in unserem Gemüte uns gewissermaßen hinstellen einmal - es kann auch in bloßen Gedanken geschehen -, und betrachten

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um uns herum die mineralische Umgebung, betrachten die pflanz­liche Umgebung, was sonst in unserer nächsten irdischen Um­gebung ist, und machen uns so recht bewußt, wie eigentlich diese irdische Umgebung mit uns zusammenhängt, wie wir als Erden-mensch dadurch, daß wir eine physische Leiblichkeit an uns tra­gen, mit alle dem zusammenhängen, was so an Mineralischem, Pflanzlichem, Tierischem und so weiter um uns herum ist. Und dann sagen wir uns in aller inneren Ehrlichkeit, wenn wir uns die Frage aufwerfen: Wozu das alles? Warum nehme ich die physi­schen Substanzen der Erde auf, nachdem ich geboren worden bin? Warum schleppe ich mich durch das Erdenleben von der Geburt bis zum Tode, um, wenn mein Organismus nicht mehr fähig ist, die irdischen Stoffe in sich zu verarbeiten, mit dem Tode das physische Erdenleben zu beendigen? Wir müssen unseren Zusammenhang mit unserer physischen Umgebung, ausgehend von einem solchen persönlichen Menschenrätsel, recht tief empfinden. Dann empfin­den wir aber auch immer mehr und mehr dasjenige, was Ausgangs­punkt eines esoterischen Lebens sein kann. Dann fühlen wir uns wirklich innerhalb dessen, was wir im physischen Erdenleben tun, wie blind, wie im Finstern tappend.

Und betrachten Sie schließlich, meine lieben Schwestern und Brüder, betrachten Sie schließlich die Menschen, die mit der heute landläufigen Erziehung, nachdem sie geboren worden sind, in das irdische Leben hineingestellt werden, berufen werden durch die rein äußeren Verhältnisse zu dieser oder jener Arbeit im irdischen Leben. Den Zusammenhang dieser Arbeit mit dem Ganzen des menschlichen Seins begreifen sie nicht. Sie wissen vielleicht nicht einmal viel mehr, als daß sie arbeiten, um zu essen. Sie wissen ja nicht, daß schließlich in der Pflanze, die sie genießen, kosmische Kräfte aus den Weltenweiten enthalten sind, die den Weg durch den menschlichen Organismus nehmen und dadurch auch in ge­wissem Sinne eine kosmische Entwickelung durchmachen. Nicht einmal diesen ersten Blick können sich viele Menschen heute wegen

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des Materialismus der Zeit aneignen. Aber sich zunächst gestehen, daß man durch die bloße Betrachtung desjenigen, was Erden­verhältnisse sind, geistig blind im Leben dasteht, in Finsternis lebt, das ist der Ausgangspunkt einer wirklichen esoterischen Entwicke­lung.

Und dann wende man den Blick ab von demjenigen, was einen im irdischen Leben umgibt, und wende - entweder in Gedanken, oder wenn man davon unterstützt sein will, kann man es ja auch in der Wirklichkeit tun -, man wende den Blick hinauf zu dem sternenbesäten Himmel. Man schaue die Wandelsterne, man schaue die Fixsterne, man durchdringe sich mit der unendlichen Erhaben­heit desjenigen, was einem da aus dem Weltenall entgegenglänzt, und man sage sich: als Mensch hängt man ebenso zusammen mit dem, was da aus den Weltenweiten herunterglänzt, wie man zu­sammenhängt als Mensch mit dem, was einen in der physischen Umgebung umgibt.

Da haben wir wirklich zunächst bei diesem Aufblicken nach dem sternenbesäten Hinimel ein Gefühl, daß wir nun nicht im Finstern leben, sondern daß wir frei werden von dem Leben in der Finsternis, indem wir mit unserm geistig-seelischen Dasein uns auf­schwingen zu den Sternen, uns aufschwingen zu dem, was die Sterne in ihren Gruppen als Bilder darstellen. Und, sehen Sie, wenn der Mensch wirklich sich versenken kann in diesen Anblick des Sternenhimmels, dann wird der Sternenhimmel eine ganze Fülle von Imaginationen. Sie kennen alte Bilder, in denen man nicht bloß Sterngruppen gemalt hat, sondern in denen man die Sterngruppen zusammengefaßt hat symbolisch-wirklich in Tiere. Man hat nicht bloß die Gruppe der Sterne, die im Widder sind, die Gruppe der Sterne, die im Stier sind, als Gruppen aufgezeichnet, sondern man hat symbolisch das Widderbild, das Stierbild und so weiter hingestellt.

Heute denken sich die Menschen: nun ja, das ist eine Willkür gewesen bei älteren Erdenbewohnern, weil die Sternbilder so benannt

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worden sind, dann das Bild hinzumachen. Aber so war es ja nicht, sondern tatsächlich: in Urzeiten, die Hirten auf dem Felde, die nicht bloß mit dem physischen Auge hinausgeschaut haben in den sternenbesäten Himmel, sondern die auch in Traumesbewußt­sein oder in Schlafesbewußtsein versunken sind draußen bei ihren Herden, die wendeten mit geschlossenen Augen die Seele gegen den Weltenraum. Und dann sahen sie nicht dasjenige, was das äußere Auge als Sterngruppen sieht, sondern dann nahmen sie in der Tat, wenn auch etwas anders als man es später gemalt hat, jene Bilder, jene Imaginationen, die den Weltenraum erfüllen, wahr.

Und wir können nicht mehr zurückkehren zu demjenigen, was in instinktivem Hellsehen in der eben beschriebenen Art die ein­fachen Hirten einmal erlebt haben. Aber wir können etwas an­deres. Wir können mit einer viel größeren Besonnenheit uns hineinversetzen - entweder in Gedanken oder in Wirklichkeit - in den Sternenhimmel. Wir können empfinden die Tiefe und zu gleicher Zeit das ungeheuer Majestätische, das uns da entgegenglänzt und entgegenleuchtet. Und wir kommen allmählich in eine innere Ver­ehrung hinein desjenigen, was da in den Weltenweiten sich aus­dehnt. Und die Verehrung selber, das Inbrünstige der Verehrung, das ist es, was hervorrufen kann aus unserer Seele das Erlebnis, daß die äußeren Sinnesbil der der Sterne verschwinden und der Sternen­himmel für uns eine Imagination wird. Dann aber, wenn der Ster­nenhimmel für uns eine Imagination wird, dann fühlen wir uns mitgenommen von unserem Seelenblicke.

Sehen Sie, noch zu Platos Zeiten fühlte man auch für das phy­sische Auge etwas ganz Besonderes, wenn es schaute. Plato be­schreibt selber das Sehen noch so, daß, wenn ich also hinschaue auf einen Menschen - es ist in Platos Sinn das Sehen beschrieben -, so geht etwas vom Auge hin, das spürte man in alten Zeiten, strömt etwas vom Auge aus und umgreift den Menschen. Das Ätherische strömt aus. So, wie - wenn ich die physische Hand ausstrecke und etwas ergreife - ich weiß, daß ich mit meiner physischen Hand bis

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zu dem Ergriffenen verbunden bin, so wußte man in den Zeiten jenes alten instinktiven Hellsehens, daß etwas Ätherisches vom Auge ausgeht und umfaßt dasjenige, was angeschaut wird. Heute glaubt man eben nur, das Auge ist hier, das Gesehene ist dort. Da sendet das Gesehene Ätherbewegungen aus, die trommeln auf das Auge, und das Getrommel, das wird dann von irgendeiner Seele - von der ja auch der Materialist spricht, aber er stellt sich dar­unter nichts vor -, das wird dann von irgendeiner Seele wahr­genommen. Aber so ist es nicht. Es ist nicht bloß eine Einwirkung von dem Gegenstande auf den Menschen, es ist tatsächlich auch ein Ausströmen des innerlich Ätherischen vom Menschen.

Und wir nehmen unseren Ätherleib in seiner Weltzugehörigkeit wahr, wenn für uns der sternenbesäte Himmel das große Blatt der Welt wird, auf dem die imaginativen Geheimnisse des Welten­daseins eingeschrieben sind, wenn wir sie zu schauen vermögen.

Und dann kommt uns die Empfindung: Wenn du auf der Erde hier bist, bist du in der robusten sinnlichen Wirklichkeit. Aber du bist blind, du lebst im Finstern. Wenn du dich mit deinem Gemüte aufschwingst, so lebst du in dem, was dir sonst nur aus den Weiten desWeltenalls hereinscheint. Im Scheine des weiten Weltenalls lebst du. Aber du nimmst zu gleicher Zeit dein eigenes ätherisches Dasein hinaus in die weiten flutenden Ströme dieses Scheins der Welt. Du gehst mit mit deinem ätherischen Dasein.

Und der Schein hört auf, ein Schein zu sein. Er kann ja nicht ein Nichts sein, wenn wir uns in ihn hineinversenken. Wir dehnen unsere innerlich erlebte Wirklichkeit in diesen Schein aus. Und das Erleben dessen, was ich eben beschrieben habe, wird zu einem Weben im Schein des Kosmos. Vorher lebten wir blind in der Fin­sternis des Erdendaseins. Nun leben wir uns hinaus, indem wir webend werden mit unserem ätherischen Dasein in dem Scheine des Kosmos.

Aber wenn wir diese Empfindung haben, daß wir weben in dem Scheine des Kosmos - - ich werde also zuerst bildhaft aufzeichnen:

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[es wird gezeichnet:]

Wandtafelzeichnung aus GA 270/2, S. 14
Wandtafelzeichnung aus GA 270/2, S. 14

das Leben blind in der Finsternis des Erdendaseins [weißer Kreisbogen], das Hinausleben in die Weiten der Welt [gelbe Strahlen], an deren Ende die Weltenimaginationen von uns durch Ehrfurcht vor dem Sternenscheine empfunden werden können [rote Wellen].

Aber nun haben wir uns hinausgewoben, nun sind wir mit unserem ätherischen Sein ja in diesem imaginativen Weltengewebe darinnen. Wenn wir es dahin bringen, in diesem imaginativen Weltengewebe darinnen zu sein, sind wir ja nicht mehr im physi­schen Leibe. Wir haben uns durch den leeren Äther hindurch­gerungen bis zum Erleben der Weltimaginationen.

Sehen Sie, das ist nun gerade so, als wenn in der physischen Welt hier jemand etwas hinschreibt, und wir haben lesen gelernt, wir lesen es. Durch unser Hinausweben in den Kosmos - die Götter haben in den Kosmos hineingeschrieben für uns die Weltenimagi-nationen - kommen wir da draußen an, sehen wir diese Welten-imaginationen von der anderen Seite. [Pfeile in der ersten Zeich­nung.] Wir leben erst hier auf der Erde [zweite Zeichnung: innerer Kreis]; wir schwingen uns auf bis zu den Weltenimaginationen [zweite Zeichnung: äußerer Wellenkreis]; da aber lesen wir von außen [zweite Zeichnung: Pfeile].

Ja, meine lieben Freunde, meine Schwestern und Brüder, der Tierkreis spricht eine bedeutungsvolle Sprache, wenn man ihn nicht von der Erde ansieht - Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe -, sondern wenn man ihn von außen umkreist. Und es ist eine Tat unseres Bewußtseins, ihn von außen zu umkreisen. Da fangen wir an, die Weltengeheimnisse zu lesen. Und was wir lesen, das sind die Taten der geistigen Wesenheiten. In einem Romane lesen wir von Menschentaten. Wenn wir von der anderen Seite aus den Tierkreis ansehen und lesen dasjenige, was wir von der Erde aus gewissermaßen von hinten ansehen, wie es Moses bedeutet wird, daß er Gott nur immer von hinten anzusehen hat von der

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Erde aus - die Initiation besteht eben darinnen, daß von der an­deren Seite angesehen wird -, da wird es nicht bloß ein Anstarren, da wird es ein Lesen. Und dasjenige, was man liest, sind die geisti­gen Taten der geistigenWesenheiten, die das alles zustande gebracht haben.

Und wenn wir genügend lange in dieser Stummheit lesen, wenn wir unser inneres Seelisches vertiefen in dieses Lesen, dann be­ginnen wir zu hören auf geistige Art. Dann sprechen die Götter mit uns. Dann sind wir in der geistigen Welt drinnen, wenn die Götter mit uns sprechen.

Nun, sehen Sie, meine lieben Schwestern und Brüder, es ist so, daß der Eingeweihte Ihnen erzählen kann: Die Seele kann sich hinausweiten, webt in den Weiten des Kosmos, bekommt die Wel­tenimaginationen, schaut, von der anderen Seite lesend, die Geistes-taten an, wird fähig, zu hören auf geistige Art die Sprache der Götter. - Aber wenn man sich in das, was da der Eingeweihte erzählt, wirklich vertieft, sinnig vertieft, gemütvoll vertieft, herz­lich vertieft, wenn man das nicht bloß aufnimmt mit Gier und sagt: Nun, wenn ich's auch könnte, würde es mir gefallen; da würde es mich interessieren, aber so kümmere ich mich nicht dar­um; sondern wenn man es aufnimmt als etwas, was einem gesagt wird, daß es möglich ist, wenn man anfängt, solch eine Sache als etwas zu betrachten, das man verehren kann, das man lieben kann, das man immer wieder und wieder durchmeditiert, dann ist das der Weg, selber erst hineinzukommen in das esoterische Leben.

Und so finden Sie diesen Weg, wenn Sie sich meditierend ver­tiefen in die Worte:

[Der erste Teil des Spruches wird an die Tafel geschrieben:]

1 Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
2 Ich webe in dem Schein der Sterne,
3 Ich lese in der Geister Taten,
4 Ich höre in der Götter Sprache.

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Mit der nötigen Empfindung das innerlich meditativ erlebt, wirkt Wunder in der menschlichen Seele, verwandelt die menschliche Seele. Das muß im Rhythmus immer wieder und wieder durch die Seele fließen, denn es führt den Menschen eigentlich durch sein eigenes, in ihm enthaltenes Weltwesen.

Aber es ist notwendig, daß eine solche Sache sich recht verinner­licht, und daß man, nachdem dies doch mehr zu dem Kopfe spricht, auch noch mit dem Herzen sich beteiligt an dem ganzen Gang, den man da macht hinaus in das ätherische Weltenall, dann in das geistige Weltenall, das heißt auf die andere Seite desWelten­alls. Es ist notwendig, daß man zu einem solchen Gang das Herz in seinem Erleben mitnimmt und rege macht in sich die Empfin­dungen, die durchaus naturgemäß sich angliedern können an ein solches Sichhinausversetzen. Aber man muß diese Empfindungen richtig rege machen. Und deshalb ist es gut, wenn man diesen gan­zen meditativen Weg so macht; man gehe zunächst auf in einem vollständigen innerlichen Schauen dessen, was da liegt in den Worten:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
  Ich webe in dem Schein der Sterne,
  Ich lese in der Geister Taten,
  Ich höre in der Götter Sprache.

Dann versuche man, dies so sich vorzustellen, als ob es jemand zu einem spräche wie aus einer Geistestiefe heraus, als ob man's nicht dächte, sondern als ob man's hörte, als ob es ein anderes Wesen zu einem spräche. Man stelle sich wirklich vor, daß ein anderes Wesen es zu einem spricht aus unbekannten Tiefen her. Dann versuche man, die richtigen Gefühle für dasjenige, was man da hört, zu entwickeln.

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Diese richtigen Gefühle leben in dem zweiten Teil des Spruches:

[Der zweite Teil des Spruches wird an die Tafel geschrieben:]

5 Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis,
6 Tröstend ist mir der Sterne Schein.

Indem ich mir bewußt bin, daß ich eigentlich in der Erde Finster­nis wie blind lebe, sehne ich mich hinaus. Da wird mir zum Tröster der Sterne Schein, der mein Wesen weitet:

  Tröstend ist mir der Sterne Schein.

Nun von der anderen Seite:

7 Lehrend sind mir der Geister Taten,

- wenn ich sie lese -

8 Schaffend ist mir der Götter Sprache.

Nun gebrauchen Sie das recht. Stellen Sie sich lebhaft vor dieses innere Meditative, das Sie da durchmachen. Wie aus Geistestiefen, wie wenn es Ihnen jemand zuspräche, so hören Sie die Zeilen des oberen Spruches, bringen jeder Zeile das entsprechende Gefühl entgegen, so daß Sie in der Meditation erleben: zuerst anhören, dann Empfindung entgegenbringen; anhören, Empfindung ent­gegenbringen; und so weiter.

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[Während des Sprechens der folgenden Zeilen werden an der Tafel die Zeilen 1 und 5, 2 und 6, 3 und 7, 4 und 8 durch Bögen miteinander verbunden:]

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis.

  Ich webe in dem Schein der Sterne,
  Tröstend ist mir der Sterne Schein.

  Ich lese in der Geister Taten,
  Lehrend sind mir der Geister Taten.

  Ich höre in der Götter Sprache,
  Schaffend ist mir der Götter Sprache.

Eine Meditation zunächst im Zwiegespräch, eine Meditation, bei der Sie das erste immer verobjektivieren, das zweite aber wie aus­strömend von Ihrem Herzen empfinden.

Dann aber versuchen Sie noch einmal, sich zu vergegenwär­tigen, wie das eine in dem andern wirkt und webt, und versuchen Sie dann, willensgemäß in sich zu erleben, was Sie durch das Zwie­gespräch erleben können.

[Der dritte Teil des Spruches wird in Verbindung mit dem ersten und zweiten Teil entwickelt und dabei als Zeile 9, 10, 11, 12 an die Tafel geschrieben:]

Aus Geistestiefen tönt es:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,

das Herz antwortet:

  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis.

Der Wille empfindet den Impuls im Zwiegespräch von Zeile 1 und 5:

9 Der Erde Finsternis verlöschet mich.

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Man erinnert sich hinterher, nachdem man das Zwiegespräch ge­führt hat, an den Wechsel der Zeilen 2 und 6, das da war:

  Ich webe in dem Schein der Sterne,
  Tröstend ist mir der Sterne Schein.

10 Der Sterne Schein erwecket mich.

Man erinnert sich nachträglich an dasjenige, was aus Geistestiefen heraus tönt, und die Antwort des Gemüts:

  Ich lese in der Geister Taten,
  Lehrend sind mir der Geister Taten.

Das Wollen empfindet dabei:

11 Der Geister Taten rufen mich

hin in die geistige Welt.

Und nun das Erhabenste, wo man sich fühlt wie im Zwiegespräch mit den Göttern selber, wo die Götter nicht nur lesen lassen, son­dern sprechen:

  Ich höre in der Götter Sprache,
  Schaffend ist mir der Götter Sprache.

12 Der Götter Sprache zeuget mich

bringt mich hervor, zeuget mich.

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Nun stellen Sie sich diese ganze Meditation vor. Die ganze Meditation verläuft so: Zwiegespräch - Zeile für Zeile - mit einem in dunklen Geistestiefen anwesenden geistigen Wesen, das immer die Zeile, die oben im Spruch steht, zu uns spricht. Das Herz gibt immer Antwort:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis.

  Ich webe in dem Schein der Sterne,
  Tröstend ist mir der Sterne Schein.

  Ich lese in der Geister Taten,
  Lehrend sind mir der Geister Taten.

  Ich höre in der Götter Sprache,
  Schaffend ist mir der Götter Sprache.

Nun erinnere ich mich an jedes einzelne und füge den Ausfluß des Willens hinzu wie eine Erinnerung an das eben Abgelaufene:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis,

  Der Erde Finsternis verlöschet mich.
  Ich webe in dem Schein der Sterne,

  Tröstend ist mir der Sterne Schein,
  Der Sterne Schein erwecket mich.

  Ich lese in der Geister Taten,
  Lehrend sind mir der Geister Taten,

  Der Geister Taten rufen mich.
  Ich höre in der Götter Sprache,

  Schaffend ist mir der Götter Sprache,
  Der Götter Sprache zeuget mich.

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Das ist die rechte Überzeugung, zu der wir kommen im Zwie­gespräch des Meditierens, im Erinnern des Zwiegespräches und im Bekräftigen des Erinnerten aus dem Willen heraus.

Wenn wirklich erstens mit innerer andächtiger Stimmung, zwei­tens so, daß wir mit voller Seele, mit innigem Anteil dabei sind, dasjenige gemacht wird, was ich eben beschrieben habe, innerlich erlebt vorgestellt wird, wenn man es nicht nimmt wie ein mecha­nisches Meditieren, sondern wie ein rechtes Erleben der Seele, dann wirkt diese Herstellung der Beziehung zur geistigen Welt tatsäch­lich weckend auf die Seele.

Man muß nur wirklich auch beim letzten Spruch, der ja in der Art, wie ich es angedeutet habe, erlebt werden soll im Erinnern an Rede und Gegenrede - Rede des Geistes, Gegenrede des Herzens -, man muß nur richtig empfinden, wie man erst das Bewußtsein, das man ja erringen will, wie ausgelöscht findet durch die Finsternis der Erde. Man muß sich fühlen, wie wenn ein Moment des aus­löschenden Schlafes über das Bewußtsein käme, und wie wenn Erwachen da wäre bei der zweiten Zeile, wie wenn nach dem Erwachen der Ruf der Geister zu sich hin von uns gehört würde, wie wenn man nachher fühlte: die Geister haben uns gerufen, damit sie aus ihres eigenen Wesens Wort, aus dem Weltenworte heraus, uns als geistig-seelisches Wesen hineinstellen in die geistige Welt, in ihr uns hervorbringen, in ihr uns zeugen.

Wenn diese Nuancen des inneren Erlebens ablaufen in der Seele - dazu die Vorstellungen da sind des geistigen Wesens, das zu uns spricht -, der Lebendigkeit unseres Herzens, welche dem geistigen Wesen ihre Hingabe entgegenbringt, ja dann, dann sind das Re­gungen in unserer Seele, die diese Seele allmählich wirklich auf den esoterischen Weg bringen. Und wir müssen uns ja nur klar darüber sein, daß, während wir, so gut wir es eben können, solche drei Sprüche in der Art, wie ich es eben beschrieben habe, in unserer Seele erleben, im Unterbewußten unsere Seele da etwas Mächtiges durchmacht. Wenn wir nur ehrlich in diesen drei Sprüchen, so wie

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ich es beschrieben habe, leben, so macht unsere Seele das durch, unbewußt, daß sie immer, wenn die erste Zeile ertönt, eigentlich am Ausgangspunkt des Erdenlebens ist, da, wo der Ätherleib erst gebildet worden ist.

Können wir recht lebhaft uns vorstellen, daß aus dem Geiste heraus tönt:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,

dann nähern wir uns - im Unbewußten - mit diesem Anhören im Geiste dem Momente, wo unser Ätherleib gebildet worden ist; und aus dem vorirdischen Dasein, aus dem Dasein zwischen Tod und neuer Geburt heraus wirkt die Kraft, mit der wir ehrlich in un­serem Herzen dem entgegenbringen:

  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis;

denn das Sehnen nach dem Geistigen haben wir ja als Erbschaft aus dem vorirdischen Dasein.

Und wiederum ist es so, daß wir an den Anfang des Erden­daseins versetzt werden. Und dasjenige, was dann herzlich aus uns heraus wirkt, das ist es, wozu wir befeuert werden aus dem vor­irdischen Dasein.

  Ich webe in dem Schein der Sterne:

versetzen an den Anfang unseres Erdendaseins.

Den richtigen Trost, den uns der Sterne Schein geben kann, empfinden wir, dadurch daß wir zurückversetzt werden, in der Antwort unseres Herzens:

  Tröstend ist mir der Sterne Schein.

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  Ich lese in der Geister Taten:

zurückversetzen an den Erdenanfang.

Erinnern, wie man belehrt worden ist von geistigen Wesen­heiten im vorirdischen Dasein:

  Lehrend sind mir der Geister Taten,

unter denen ich selber gelebt und gewoben habe, bevor ich her­untergestiegen bin auf die Erde.

  Ich höre in der Götter Sprache:

Die haben wir gehört zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Wir empfinden, daß das, was die Götter sprechen, nicht bloß mit-teilend ist wie das, was die Menschen sprechen; wir vernehmen, daß der Götter Sprache schaffend ist:

  Schaffend ist mir der Götter Sprache.

Dann aber, wenn wir das so wahrnehmen können, dann be­kommt auch Zeile 9,10,11,12 den rechten Sinn:

  Ich lebe in dem finstren Erdbereich,
  Sehnend stimmt mich der Erde Finsternis,

[Zeile 9 wird noch einmal angeschrieben, und zwar an den Bogen, der die Zeilen 1 und 5 miteinander verbindet:]

Der Erde Finsternis verlöschet mich,

tilgt aus mein gegenwärtiges Erdenleben, weil ich zurückgeführt werde, hindurch durch den Bereich zwischen Tod und neuer Ge­burt, in meine frühere Inkarnation. Die erahne ich; deshalb ver­löscht mein Bewußtsein, denn mein Bewußtsein war bisher das der gegenwärtigen Inkarnation. In diesem Momente des Schlafes werde ich zurückversetzt, so daß ich erahnen kann: meine frühere Erdeninkarnation webe ich.

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  Ich webe in dem Schein der Sterne,
  Tröstend ist mir der Sterne Schein,

[Zeile 10 wird noch einmal angeschrieben, und zwar an den Bogen, der die Zeilen 2 und 6 miteinander verbindet:]

Der Sterne Schein erwecket mich.

Ich werde zurückversetzt, wie ich in dem, was ich in der vorigen Inkarnation war, wie erweckt werde. Es geht mir auf das Karma, es geht mir auf der Schicksaiszusammenhang, es geht mir auf von der anderen Seite:

  Ich lese in der Geister Taten,
  Lehrend sind mir der Geister Taten,

[Zeile 11 wird noch einmal angeschrieben, und zwar an den Bogen, der die Zeilen 3 und 7 miteinander verbindet:]

Der Geister Taten rufen mich

zur Erfüllung meines Karmas mit den Kräften, die aus meinem vorigen Erdenleben stammen.

  Ich höre in der Götter Sprache,
  Schaffend ist mir der Götter Sprache,

[Zeile 12 wird noch einmal angeschrieben, und zwar an den Bogen, der die Zeilen 4 und 8 miteinander verbindet:]

Der Götter Sprache zeuget mich.

Alles, was ich bin, wird mir klar, wenn mein früheres Erden-dasein das gegenwärtige durchdringt und durchglänzt und durch-webt und durchbebt. Denn da bin ich. Erst mein jetziges Ich ist ein

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Werdendes, ist ein Keim, der erst seinen Sinn bekommen wird, wenn ich durch die Pforte des Todes durchgegangen sein werde. Das was mir aus dem vorigen Erdendasein in das gegenwärtige hereinglänzt, hereinwebt, hereinwirkt, das macht mich zum seienden Menschenwesen, das zeugt mich als seiendes Menschen­wesen.

Durchdringen wir uns damit, daß das so ist, daß wirklich - während wir glauben, nur in der gewöhnlichen Welt des physi­schen Erdendaseins zu sein - unsere Seele diesen Gang zurück bis ins vorige Erdenleben durchmacht, dann werden wir uns von der Gewichtigkeit desjenigen, was wir mit einer solchen Sache erleben, bewußt. Und im Bewußtsein dieser Gewichtigkeit, die wie ein warmer, leuchtender Strom durch unser ganzes Denken und Wol­len und Fühlen strömt, da werden wir dann mit jenem inner­lichen Zaubergefühle unsere Meditation durchsetzen, welches notwendig ist, damit die Meditation in der richtigen Weise wirkt. Man darf es ein innerliches Zaubergefühl, ein magisches Gefühl nennen aus dem Grunde, weil es sich mit keinem Gefühl, das wir sonst auf der Erde haben, vergleichen läßt, weil es gefühlt ist ganz unabhängig von aller Körperlichkeit. Wenn wir auch noch nicht mit unserem Denken, mit unserem Vorstellen hinauskommen kön­nen aus dem physischen Leibe, dieses Zaubergefühl, dieses magische Gefühl, das wir aus der Gewichtigkeit dessen heraus, was wir see­lisch tun, erleben, das steht in der reinen geistigen Welt da. In die­sem Zaubergefühl, in diesem magischen Gefühl erleben wir rein geistig-seelisch. Wir stehen in der geistig-seelischen Welt drinnen.

In der Art, wie wir erleben, erfüllt sich uns das esoterische Stre­ben. Und das ist es zunächst, was ich heute verpflichtet war, auf Ihre Seele zu legen, meine lieben Schwestern und Brüder.

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Ich möchte nur noch am Schlusse eine Mitteilung machen. Es sollte nicht sein, daß, ohne daß jemand anfrägt, ob er das tun dürfe, dasjenige, was hier als Sprüche gegeben wird und auch als Mit­teilungen, daß er das irgendwie weiter mitteilt. Es muß ein realer Zusammenhang sein. So daß tatsächlich eben nur nach Anfrage von dem einen zu dem andern mitgeteilt werden kann, oder Grup­pen mitgeteilt werden kann. Insbesondere aber soll es streng ver­pönt sein, meine lieben Freunde, daß irgend etwas von diesen Sprüchen oder auch von ihrer Interpretation per Post versendet werde. Per Post dürfen die Dinge nicht versendet werden, und ich bitte, das recht ernst und streng einzuhalten.

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Wandtafel-Anschrift aus GA 270/II, S. 27
Wandtafel-Anschrift aus GA 270/II, S. 27
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ELFTE STUNDE Dornach, 2. Mai 1924

Meine lieben Freunde! Sie sind ja wohl alle heute morgen erschüt­tert worden durch die Nachricht von dem Hinweggehen Miss Maryons von dem physischen Plane - allerdings ein Ereignis, das lange voraus gewußt werden konnte, und das ja erfolgte nach einem Leiden, das wirklich ein sehr schweres war und mehr als ein Jahr gedauert hat.

Ich werde morgen, wenn die Mitglieder der Anthroposophi­schen Gesellschaft sämtlich anwesend sind, dasjenige hier sagen, was ich über diesen Hinweggang Miss Maryons von dem physi­schen Plan zu sagen habe. Für heute sei nur das gesagt, daß auch die Erste Klasse eine wirklich ihr treu ergebene Schülerin verloren hat; denn unter denjenigen, die mit innigem Fleiß und mit wahrer Innigkeit gehangen haben an dem, was diese Erste Klasse gegeben hat, war eben Miss Maryon obenan. Sie hat trotz ihrer schweren Krankheit nicht nur Anteil genommen an demjenigen, was hier esoterisch entwickelt worden ist, sondern auch die Übungen, die hier gegeben worden sind, auf sich wirken lassen und mit ihnen in einer außerordentlich innigen Weise gelebt.

Das alles beruhte bei ihr darauf, daß sie ja eigentlich schon als Esoterikerin zu uns gekommen ist. Sie gehörte ja einer esoterischen Schule ganz anderer Richtung an, bevor sie den Übergang zur Anthroposophischen Gesellschaft gefunden hat, und hat aus dieser esoterischen Schule heraus in einer raschen Weise vollzogen die vollständige Umwandlung in das Anthroposophische hinein. So daß gerade ihr das Esoterische das eigentlich Wesentliche war, und sie in diesem ganz besonders intensiv gelebt hat die Jahre, in denen sie bei uns auf dem physischen Plan war, leben wird nunmehr, nachdem sie von dem physischen Plan, aber nicht, ganz gewiß nicht von der Anthroposophie weggegangen ist.

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Nur das sei heute gesagt, mehr geziemt sich ja wohl nicht, da sozusagen die Hingegangene eben erst den physischen Plan ver­lassen hat. Und ich werde dann die Aufgabe haben, morgen, wenn die Mitglieder, die Freunde sämtlich versammelt sind, dasjenige hier zu sagen, was zu sagen ist.

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Meine lieben Freunde, es handelt sich darum, daß innerhalb des esoterischen Strebens der Mensch anschauen wenigstens muß das­jenige, was, indem es auf ihn wirkt, ihn die Wege geleitet, auf Jenen die wirkliche Erkenntnis in geistigen Dingen zustande kommt. Gewiß, wie weit der eine oder der andere kommt in der Verfolgung dieses Weges, das hängt ja von seinem Karma ab, das hängt davon ab, welche Bedingungen er aus früheren Erdenleben mitbringt.

Aber nicht allein davon, sondern - wie ja auch aus exoterischen Vorträgen, die hier gehalten worden sind, hervorgeht - es hängt auch davon ab, welche Leiblichkeit und welche Weltensituation der Mensch in diesem Erdenleben schicksalsgemäß vorfindet. Da sind mancherlei alte karmische Reste abzutragen, die da hindern, alles dasjenige zu verfolgen und zu erreichen, was durchaus in der Anlage aber vorhanden sein kann. Und so kann manches, was viel­leicht ohne diese karmischen Reste in kurzer Zeit erreicht werden könnte, nur in einer langen Zeit erreicht werden.

Niemals sollen wir, meine lieben Schwestern und Brüder, irgend­wie verzagen, irgendwie die Geduld oder Energie verlieren, son­dern unseren Weg gehen. Wenn die rechte Zeit herangekommen ist, werden wir finden, ja wir werden finden dasjenige, was uns vor­gezeichnet ist. Denn jedem Menschen ist einmal sein Lebensweg, trotz aller, ja vielleicht sogar wegen aller Freiheit, für gewisse Linien des Lebens durchaus vorgezeichnet. Jeder Mensch ist zu seiner Weltenaufgabe aufgerufen und wird sie dann vollenden, wenn er den guten Willen dazu hat.

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Hier in dieser Hochschule für Geisteswissenschaft soll wirklich alles dasjenige wieder aufleben, aufleben in der rechten Form un­serer Zeit und der künftigen Zeit, was in den Mysterien gelebt hat, damals als diese Mysterien in ihrer besonderen Blüte waren. Auf die Blütezeit der Mysterien - die eigentlich schon vergangen war, als sich das größte Mysterium, aber ich möchte sagen, auch am meisten verhüllt vor die Weltgeschichte hinstellte: das Mysterium von Golgatha -, auf die Blütezeit der Mysterien, die da schon vor­über war, folgte dann die Zeit, in der die Mysterien in der geistigen Entwickelungsgeschichte der Menschheit zurückgegangen waren, in der die Menschen, gerade weil die Mysterien zurückgegangen waren, immer mehr und mehr aufgenommen werden konnten in diejenige Strömung des Weltenganges, der ihnen die Freiheit gibt. Aber nunmehr ist eben doch die Zeit gekommen, innerhalb welcher die Mysterien in der Form, in der sie nunmehr sein müssen, wie­derum im vollsten Sinne des Wortes aufzuleben haben. Und man wird einmal, wenn über diese Dinge in der Welt in der richtigen Weise wird gedacht werden, die Aufgabe des Goetheanums wür­digen, indem man erkennen wird, daß es diesem Goetheanum oblag, die Mysterien zu erneuern. Und nur, meine lieben Schwe­stern und Brüder, wenn wir uns durchdringen mit dem Willen, diese Schule so aufzufassen, daß sie durch uns eine Erneuerung der Mysterien darstellen soll, stehen wir in der richtigen Weise in die­sen Mysterien drinnen und auch in der Schule drinnen.

Gerade wenn Ihr Euch erinnert an dasjenige, was in der letzten Klassenstunde hier vorgebracht worden ist, so kann das eben Ge­sagte recht lebendig in Eurem Gemüte werden. Denn da ist bereits der Übergang gemacht worden dazu, die Meditation wirklich unmittelbar in das Erleben des Menschen so hineinzustellen, daß der Mensch sich in der Meditation loslöst von den engen Grenzen seiner Persönlichkeit.

Wir haben ja in dem dreistrophigen Aufbau der letzten Medita­tion gesehen, wie der Mensch sich hineinstellt in den Weltengang

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so, daß er innerhalb der Meditation sich gegenüberstellt demjeni­gen nicht nur, was aus seiner Seele tönt, sondern dem, was zu dieser Seele tönt, was in einer gewissen Weise sich eingliedert in eine all­gemeine Weltensprache, in ein allgemeines Weltenwort. Nur so, wenn allmählich eine Loslösung des Menschen von seiner Persön­lichkeit zustande kommt, wenn der Mensch sich hineinfindet, zu meditieren in einer immer objektiveren und objektiveren Weise, dann wird er auch jenen intimen, subtilen Gang gehen können, der der wahre Gang der menschlichen Erkenntnis ist. Aber dazu müs­sen in der verschiedensten Art die gerade auf den Menschen an­wendbaren Wahrheiten im Menschen auch gegenständlich werden.

Ihr kennt ja alle, meine lieben Schwestern und Brüder, dasjeni­ge, was dargestellt worden ist öfter als die dreigliedrige Menschen-natur: Nerven-Sinnes-Mensch, hauptsächlich repräsentiert durch das menschliche Haupt; rhythmischer Mensch, hauptsächlich repräsentiert durch die Brust, in der die Atmungs- und Zirkula­tionsorgane konzentriert sind. Alle diese Organe sind überall im Organismus, aber sie sind eben an einzelnen Stellen stärker vor­handen als an anderen. Und dann haben wir die Gliedmaßen­Stoffwechsel-Organisation, nach unten und nach außen hin zen­tralisiert, lokalisiert.

Dasjenige, was so erkannt werden kann, so daß das Erkennen bis zu einem gewissen Grade theoretisch bleibt, das kann aber durchaus meditativ gegenständlich werden. Und wenn es medita­tiv gegenständlich wird, dann geht es in das Esoterische hinein. Deshalb müssen wir schon recht intensiv und recht intim meditativ uns diesen dreigliedrigen Menschen vor Augen stellen.

Da haben wir die Kopfes-Organisation, eine wirkliche Nach­bildung des ganzen Kosmos. Da haben wir die Brust-Organisation, die rhythmische Organisation, die nicht so unmittelbar zeigt in ihrer Form das Bild des Kosmos. Und am wenigsten zeigt das Bild des Kosmos die Gliedmaßen-Stoffwechsel-Organisation. Aber wie der Mensch in jeder dieser Organisationen sich in den Kosmos

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hineinstellt, dessen muß er sich intim bewußt werden. Er muß sich klarwerden darüber, was eigentlich in seinem Kopfe, in seinem Haupte wirkt und west. Wir spüren es ja unmittelbar: Wenn wir denken, ist unser Haupt in Tätigkeit. Wir spüren es, dann wenn das Haupt leidend ist, wie die Denktätigkeit ausgeschaltet wird. Wir spüren in normalen und in unnormalen Verhältnissen die Zusammengehörigkeit des Hauptes mit der klarsten, mit der hell­sten menschlichen Erdentätigkeit. Es ist damit nicht gesagt, daß das Haupt auch der Träger der hellsten menschlichen Erdentätig­keit wirklich ist, aber was wir spüren, nimmt sich so aus.

Was aber liegt denn da eigentlich vor? Wann nur betrachten wir uns selbst in unserem Haupte in der rechten Art? Nur dann, meine lieben Schwestern und Brüder, wenn wir uns bewußt werden: Dieses menschliche Haupt wäre nicht da, wenn nicht über uns sich wölbte der Sternenhimmel - was dazu die Astronomie sagt, das wollen wir uns augenblicklich nicht anfechten lassen; wir wollen dasjenige, was sich zunächst dem Augenscheine nach darbietet, nehmen -, der Sternenhimmel, der erhabene Sternenhimmel.

In den letzten Stunden ist schon viel davon gesprochen worden. Die Sterne stehen oben; ihre Glanzesstrahlen kommen uns ent­gegen, wenn wir zu ihnen aufschauen. Aber sie kommen uns nicht nur entgegen, wir nehmen sie auf. Und dasjenige, was wir von den Glanzesstrahlen der Sterne in unserem Haupte aufnehmen, das verschließen wir in diesem Haupte. Und aus dem sprießt und sproßt dasjenige, was unsere menschlichste Tätigkeit auf Erden ist: unser Denken. Und so müssen wir uns vorstellen: Da draußen sind die Sterne; unser Haupt nimmt auf die Wirkung des Strahlenglanzes der Sterne. Das schaut da draußen so aus, als ob die Sterne ihre Strahlen heruntersendeten. Das Haupt nimmt auf diese Strah­len; dann ist dasjenige, was aufgenommen ist, drinnen in unserem Haupte. Da nimmt es sich ganz anders aus als da draußen, aber es ist dasselbe, sozusagen im zusammengerollten Zustande der ganze Sternenhimmel in unserem Haupte.

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Aber nur der Sternenhimmel? Nein, nicht nur der Sternen­himmel. Denn, was sind die Sterne? Was ist alles dasjenige, was uns in einzelnen ruhenden Sternen im Weltenraume entgegenstrahlt? Das ist die Wohnung der Götter. Das sind die Stätten, wo die Göt­ter wohnen. Da wurden die Götter gesucht in all den Zeiten, in denen ein instinktives Helisehen wußte, wo die Götter wohnen, welche Wohnstätten der Götter würdig seien.

In den Zeiten, in denen es ein solches Hellsehen gab, schaute man nicht hinauf etwa zu brennenden Punkten im Kosmos, son­dern man schaute hinauf zu den Götterwohnungen. Und man hatte damit eine wahrere Vorstellung von dem, was im weiten Weltenraume ist, als heute, wo man mit Astronomie hinaufschaut und die Lichtpunkte ihrem Orte nach und ihrer Winkelstellung nach zueinander berechnet.

Aber indem der Mensch ein dreigliedriges Wesen ist, spricht er, wirkt er dasjenige, was ihn zusammenfaßt, sein Ich, durch alle drei Glieder seines Wesens: durch das Nerven-Sinnes-System, durch das Haupt; durch das rhythmische System, durch die Brust; durch das Stoffwechsel-Gliedmaßen-System. Nur wird das zusammen­gefaßt dadurch, daß der physische Leib eine Einheit ist. Aber der Mensch sendet eigentlich sein Ich immer in die drei einzelnen Glie­der, und wir werden heute unterscheiden lernen, wie er dieses Ich in die einzelnen Glieder sendet.

Der Mensch spricht das Ich durch seine Gedanken zunächst in seinen Kopf hinein aus dem Innersten seines Wesens. Wahrhaftig, es ist so [es wird gezeichnet]: Dasjenige, was sich draußen als Glanzelement der Sterne entfaltet [blauer Bogen, gelbe Sterne], es wirkt im Menschenhaupte [gelber Bogen und Strahlen von den Sternen]. Es ist da auch drinnen [rote Punkte]. Der Mensch spricht aus dem Zentrum seines Wesens sein Ich in diesen zusam­mengerollten Weltenraum, der das Innere seines Hauptes ist, hin­ein [Pfeil mit dem Wort «Ich», gelb]. Und er soll sich bewußt werden: Wenn er sein Ich in dasjenige seines Menschenwesens hineinspricht,

Wandtafelzeichnung aus GA 270/II, S. 34
Wandtafelzeichnung aus GA 270/II, S. 34
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das ein Abbild ist der Götterwohnungen, dann wirken in ihm die Götter, die die Götterwohnungen bewohnen, selber. Dann meditieren wir richtig, wenn wir uns bewußt werden: Wenn wir «Ich» durch die Kraft unseres Hauptes sagen, sprechen in uns die Götter des Weltenraumes und der Weltenzeit.

Und das ist keine Lehre, die uns auf Erden gegeben wird; das ist eine Lehre, meine lieben Schwestern und Brüder, die uns gegeben wird von den Wesenheiten der höheren Hierarchien selber, von den Wesenheiten zunächst, die mit uns Erdenmenschen sind: von den Wesenheiten Angeloi, im Hintergrunde die dirigierenden Archangeloi. Dieses Glied der Menschennatur, das da in solcher Beziehung ist zu den Wohnstätten der Götter, die in den strahlen­den Sternen sind, das da aus den Götterwesen selber heraus spricht, dieses Ich, es soll sich über seine Wesenheit belehren lassen von den Wesenheiten, die wir als Angeloi immer in unserer Hierarchien-bezeichnung angesprochen haben.

Da vollenden wir eine Meditation in der richtigen Weise, wenn wir sie so vollenden: Wir schauen hinauf, lassen uns beeindrucken von dem Glanz der Sterne, haben in unserem Sinne, als ob der Wel­tenraum selber uns entgegentönte Worte. Und diese Worte sollen sein:

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!

Das tönt es im Umkreise. So stellen wir uns vor, wir hören aus den Weltenweiten:

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!

Für uns wird das zum Echo in uns: Wir behandeln es so wie einen Ausruf, aber einen Ausruf, der in uns erregt wird, weil alle Him­mel in diesen Worten ertönen. So meditieren wir. Und dann wer­den wir uns bewußt dessen, was wir selber aus dem Intimsten

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unserer Seele dazu zu sagen haben, wo wir aus der Seele still heraus antworten auf den Welten-Posaunenklang:

Spricht in Haupteshöhe
Menschen-Geistes-Strahlung
        Das «Ich bin»:

Das sagen wir. Nun antwortet der Engel, der zu uns gehört, in unserer meditativen Vorstellung, dann, wenn das Ich so spricht, wenn das Ich spricht «Ich bin»:

So lebet Ihr

- die Götter -

           im Erdenleibe
Als Menschen-Wesenheit.

Das ist der Sinn dieser Meditation. Wir hören es wie einen die Welt umspannenden Posaunenklang von allen Seiten hereintönen:

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!

Wir antworten still betend intim aus uns:

Spricht in Haupteshöhe
Menschen-Geistes-Strahlung
        Das «Ich bin»:

Der Engel antwortet, hinaufschauend zu dem Ausgange des Po­saunenklanges:

So lebet Ihr im Erdenleibe
Als Menschen-Wesenheit.

Und wir nehmen diese letzten zwei Zeilen, die der Engel spricht, in unserer meditativen Vorstellung als Belehrung auf.

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[Nun wird diese erste Strophe an die Tafel geschrieben; siehe auch Seite 47.]

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!
       Spricht in Haupteshöhe
       Menschen-Geistes-Strahlung

- die zusammengerollte Sternenstrahlung, die Menschenstrahlung -

Das «Ich bin»:

Der geistige Lehrer Angelos:

So lebet Ihr

- die Welten-Sternen-Stätten, die Götter-Heimat-Orte -

im Erdenleibe
Als Menschen-Wesenheit.

Das ist das erste Zwiegespräch mit dem Kosmos und mit der drit­ten Hierarchie. So aufgefaßt ist es eine ungeheuer tief in mensch­lichen Geist, menschliche Seele, Menschenleib eingreifende Medi­tation.

Und wir gehen weiter, zu der rhythmischen Organisation des Menschen. Wir denken an Lunge und Herz, an dieses wunderbare Pulsieren, an diesen Rhythmus des Atmens, der durch seine eigene Wesenheit verrät, wie er ein Ausdruck ist der tiefsten Weltgesetzmäßigkeit, spüren in uns die Bewegung. Versenken wir uns medi­tativ in unser Haupt: wir verspüren die Ruhe. Versenken wir uns meditativ in unsere Brust: wir verspüren die Bewegung. Und diese

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Bewegung, sie ist ein Abbild von dem Gang der Wandelsterne, von der Bewegung der Wandelsterne, von der Bewegung von Mond, Sonne, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn. Aber ein Repräsen­tant dieser Bewegung ist die Sonne. Sie steht uns ja auch am näch­sten. Sie wandelt einmal jeden Tag um unsere Erde herum, schein­bar. Sie kann als Repräsentant dastehen. Aber geradeso wie wir die Welten-Sternen-Stätten, die Götter-Heimat-Orte in uns tragen, in uns zusammenrollen, so die Bewegungen des ganzen Planeten-systems - repräsentiert durch die Sonne - in unserer Atmung, in unserer Blutzirkulation, in alle dem, was in unserem Organismus Bewegung ist.

Daher müssen wir uns vorstellen, daß so, wie erst die Herrlich­keit der Götter-Wohnstätten uns verkündet worden ist im Posau­nenklang von allen Seiten der Welt, daß nun uns durchzieht, durch unseren Körper wie melodisches Erklingen zieht dasjenige, was uns die Bewegungen der Wandelsterne, repräsentiert durch die Sonne, zu sagen haben:

Welten-Sonnen-Kreise,
Geister-Wirkens-Wege!

Das ist das zweite: still im Verhältnis zu dem lauten Posaunen­klang der Weltumgebung.

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!

So tönt es majestätisch von allen Seiten. Das müssen wir medi­tieren. Aber wie beglückend unser Inneres durchziehend tönt es, nachfolgend dem Gang der Sonne und dem Gang der anderen Wandelsterne, in unserer Atmung, in unserer Blutzirkulation:

Welten-Sonnen-Kreise,
Geister-Wirkens-Wege!

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Jetzt wiederum sagen wir uns intim, wenn wir als Veranlassung nehmen, was da melodisch aus dem Sternenkreisen in unseren eigenen Leib hineintönt, jetzt sagen wir intim aus uns heraus:

Tönt in Herzensmitte
Menschen-Seelen-Weben
     Das «Ich lebe»:

Nun antwortet der Angelos, indem er zu den in den Wandelster­nenwegen wandelnden Göttern spricht:

So schreitet Ihr im Erdenwandel
   Als Menschen-Schöpferkraft.

Wie die Menschen-Wesenheit selber auf der Erde lebt dadurch, daß dasjenige in sie einstrahlt, was aus den Götterwohnungen kommt, so lebt die Menschen-Schöpferkraft im Wandel des Men­schen auf Erden dadurch, daß die Wirkensströmung der Götter in den Bewegungen der Wandelsterne lebt, aber aufgenommen wird von dem ganzen rhythmischen System des Menschen. Und so haben wir wiederum den dreigliedrigen Spruch: objektives Raunen durch unseren Leib im Sinne des Wandels der Wandelsterne; unsere eigene intime innere Aussage; die Antwort des Angelos:

Welten-Sonnen-Kreise,
Geister-Wirkens-Wege!
    Tönt in Herzensmitte
    Menschen-Seelen-Weben
         Das «Ich lebe»:
So schreitet Ihr im Erdenwandel
   Als Menschen-Schöpferkraft.

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[Nun wird diese zweite Strophe an die Tafel geschrieben:]

Welten-Sonnen-Kreise,
Geister-Wirkens-Wege!
    Tönt in Herzensmitte

- oben «spricht», hier «tönt»; oben «Haupteshöhe», hier «Her­zensmitte» - [«spricht», «tönt», «-höhe», «-mitte» werden unter­strichen]

Menschen-Seelen-Weben
          Das «Ich lebe»:

- oben «Ich bin»; hier «Ich lebe» - [«bin» und «lebe» werden unterstrichen]

So schreitet Ihr im Erdenwandel
   Als Menschen-Schöpferkraft.

Dreiteilig muß jeder dieser Sprüche empfunden werden. Betei­ligt müssen wir denken am Zustandekommen des Spruches: das objektive Erklingen; unsere eigene intime Aussage wie das Echo in uns; die Sprache des Angelos. Dann wirkt es recht in uns.

Dann aber, wenn wir gehen zum dritten Gliede des Menschen, zu demjenigen, was in Armen und Beinen lebt und sich nach innen im Stoffwechsel fortsetzt, dann hören wir nicht die Weltenweiten im Posaunenklange, dann hören wir nicht das Melos derWandel­sterne, dann hören wir das dumpfe Rollen des Weltengrundes sel­ber. Und das dumpfe Rollen des Weltengrundes selber, das ist es, was in demjenigen lebt, was uns zum eigentlichen Erdenmenschen macht. Unbeteiligt an unserem Geistesmenschen sind die Glied­maßen. Sie sind ganz nach den Erdenkräften gestaltet, die Arme

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und Hände nur mitgestaltet nach den Luftkräften, aber alles nach den Erdenkräften gestaltet, gestaltet nach den Kräften, die aus dem Weltengrunde von unten herauf den Menschen durchströmen. Dessen müssen wir uns bewußt werden. So wie wir in der ersten Strophe hören majestätisch erklingen aus dem Weltenumfange die Sprache des Kosmos selber, wie wir die Sprache des Umkreises vernehmen in der zweiten Strophe, so vernehmen wir die grollen­de, raunende Sprache des Weltengrundes aus den Erdentiefen in der dritten Strophe:

Welten-Grundes-Mächte,
Schöpfer-Liebes-Glänzen!

Es ist ein Glänzen nicht von Licht, es ist ein Glänzen von Liebe. Denn in denjenigen Orten, wo dasjenige, was sonst im Umfange ist, sich im Mittelpunkte sammelt, liegen auch die Ursprünge der Liebesmächte. Dadurch können wir nicht im Echo antworten «spricht» und nicht «tönt», da müssen wir antworten mit der Tat, mit dem, was aus dem Willen fließt. Da müssen wir nicht «spre­chen», nicht «tönen», da müssen wir «schaffen». Deshalb ant­worten wir aus unserem Inneren, Wille in unsere Worte gießend:

     Schafft in Leibesgliedern
     Menschen-Wirkens-Strömung
           Das «Ich will»:

Nun antwortet der Engel, indem er seine Augen hinuntersenkt zu dem, was heraufgrollt aus dem Weltengrunde - «grollen» nicht im antipathischen Sinne gemeint, sondern nur in der Dumpfheit des Tönens -, es antwortet dann den Mächten, die in Weltengrundes­tiefen waltend tönen:

So strebet Ihr im Erdenwerke
   Als Menschen-Sinnes-Taten.

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Wieder der Spruch dreigliedrig:

Welten-Grundes-Mächte,
Schöpfer-Liebes-Glänzen!
        Schafft in Leibesgliedern
        Menschen-Wirkens-Strömung
             Das «Ich will»:
So strebet Ihr im Erdenwerke
   Als Menschen-Sinnes-Taten.

[Nun wird diese dritte Strophe an die Tafel geschrieben:]

Welten-Grundes-Mächte,
Schöpfer-Liebes-Glänzen!
        Schafft

- «Spricht», «Tönt», «Schafft» - [«Schafft» wird unterstrichen]

in Leibesgliedern

- «Höhe», «Mitte», «Glieder», dasjenige, was aus der Mitte nach auswärts strebt - [«-gliedern» wird unterstrichen]

Menschen-Wirkens-Strömung
                Das «Ich will»:

- «Ich bin», «lebe», «will» - [«will» wird unterstrichen]

So strebet Ihr im Erdenwerke

- «Erdenleibe», «Erdenwandel», «Erdenwerke» - [diese drei Worte werden unterstrichen]

Als Menschen-Sinnes-Taten.

- «Wesenheit», «Schöpferkraft», «Sinnestaten», das heißt: sinn­lich zu sehende Taten - [die drei in Anführungszeichen stehenden Worte werden unterstrichen].

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Das wahre Meditieren, das wahre Üben der Seele, das liegt nicht im theoretischen, intellektuellen Inhalte eines Meditationsspru­ches, es liegt in dem mantrischen Charakter. Der mantrische Charakter wird dadurch gegeben, daß der Sinn sich auflöst in Situation und Geschehen, daß der Mensch sich loslöst von dem theoretischen, von dem intellektuellen Inhalt, herausgeht aus sich, daß er nicht bloß irgend etwas in seinen Gedanken hat, sondern die Vorstellung hat: daß der Himmel, daß der Umkreis, daß die Erdentiefen tönen; daß er auf dieses Tönen antwortet aus seinem eigenen intimen Inneren; daß der Engel lehrend interpretiert.

Sich richtig hineinversetzen in ein solches ideelles Geschehen, die Meditation zu etwas machen, was man nicht bloß denkt, fühlt oder will, sondern was einen umwebt und umschwebt und um­schwirrt und umströmt und umstrahlt, und was aus dem Um-schwirren und Umschweben und Umströmen und Umstrahlen wiederum zurücktritt in das Leben des Herzens, und im Herzen strömend, webend, strebend, strahlend vibriert, so daß wir uns fühlen hineinverwoben in das Weben und Leben der Welt, daß unser Meditieren ist etwas, was für unsere Empfindung nicht bloß in uns lebt, sondern was lebt in uns und in der Welt, auslöscht die Welt, auslöscht uns, eins macht im Auslöschen uns und die Welt, daß wir ebensogut sagen können: «Es spricht die Welt», wie wir sagen: «Wir sprechen in uns». Das erweitert allmählich den Cha­rakter des Meditierens.

Das Meditieren so geübt, gibt allmählich dem Menschen die Möglichkeit - mit der im Inriern erlebten Auflösung desjenigen, als das ihm sein gewöhnliches Selbst immer erscheint -, Geist zu werden für seine eigene Auffassung.

Damit aber, daß wir eintreten in solche Erkenntniswege, daß wir ehrlich uns nähern solchen Erkenntniswegen, daß wir wissen lernen: wir sind im Meditieren nicht allein in der Welt, sondern wir sind im Zwiegespräch mit der geistigen Welt, dadurch nähern wir uns immer mehr und mehr dem, was eine Erneuerung des Mysterienwesens

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ist. Denn gewiß, äußere Tempel standen da, standen da vielleicht gerade an denjenigen Lokalitäten der Erde, von denen man heute sagt, daß sie in den unzivilisiertesten Gegenden sind. Außere Tempel standen da, und die früheren Menschen brauchten äußere Tempel. Aber diese äußeren Tempel waren ja nicht die ein­zigen, sie waren ja nicht die wichtigsten; denn die wichtigsten, die wesentlichsten Tempel haben nicht Ort, haben nicht Zeit. Aber man kommt doch nur mit Überwindung von sechzig Meilen zu ihnen. Man kommt zu ihnen, wenn man in der Weise seine Seele übt, wie es hier und wie es zu allen Zeiten in den Mysterien an­gedeutet worden ist.

Darum werden wir uns klar darüber, meine lieben Schwestern und Brüder: leben wir so in einer solchen mantrischen Formel, dann ist es so: Hier stehe ich - sagt jeder mit Recht von sich -, um mich die alltägliche, gewöhnliche Welt. PhiliströseWände, philiströse Stühle sind um mich herum, oder auch ein naturhafter Wald, sichtbare Bäume, oder Häuser. Das ist um mich. Das ist zunächst da. Ich bin mir dessen voll bewußt: das ist meine Umgebung; das ist da, das sehe ich, das greife ich. Die Meditation geht aber in meiner Seele auf, während ich so in der äußerlichen trockenen Sinneswelt bin. Die Meditation geht in mir auf:

Welten-Sternen-Stätten,
Götter-Heimat-Orte!
      Spricht in Haupteshöhe
      Menschen-Geistes-Strahlung
           Das «Ich bin»:
So lebet Ihr im Erdenleibe
   Als Menschen-Wesenheit.

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Was spüre ich weben? Was spür' ich über mir sich wölben? Es ist etwas; es ist nichts. Wände spür' ich, ich sehe sie nicht.

Die Meditation geht weiter:

Welten-Sonnen-Kreise,
Geister-Wirkens-Wege!
       Tönt in Herzensmitte
       Menschen-Seelen-Weben
            Das «Ich lebe»:
So schreitet Ihr im Erdenwandel
   Als Menschen-Schöpferkraft.

Was ich gespürt habe, das Weben - Tempelgewölbe, das sich oben wölbt, Tempeldach, um mich Tempelwände -, es beginnt sichtbar zu werden für den Seelensinn, schwebt und macht, daß unsichtbar wird die gewöhnliche Welt, die Welt der sichtbaren Bäume, der Wolken, alles desjenigen, was sichtbar ist. Ein neues Sichtbares steht da. Der Tempel, den ich erst nur gespürt habe, er wird bei der zweiten Strophe wirklich.

Und ich höre das Raunen und Rauschen und Grollen von unten:

Welten-Grundes-Mächte,
Schöpfer-Liebes-Glänzen!
        Schafft in Leibesgliedern
        Menschen-Wirkens-Strömung
             Das «Ich will»:
So strebet Ihr im Erdenwerke
Als Menschen-Sinnes-Taten.

Der Tempel hat sich vollendet. Er hat seinen Boden gewonnen. Und in ihm sind da diejenigen, mit denen wir als geistige Wesen in Verbindung treten wollen. Der Tempel ist da. Er ist sichtbar für den Seelensinn. Er ist gefunden.

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Unsere Meditation verläuft nicht so, daß wir eine Vision haben. Sie führt uns in die geistige Welt hinein. Die geistige Welt ersteht. Ich schildere, meine lieben Schwestern und Brüder, wie die Medi­tation verlaufen kann: Webendes Tempelgewölbe spüren nach der ersten Strophe; mit dem Seelensinn schauen den Tempel um uns. Der Tempel ist fertig, und die Wesen, mit denen wir als Menschen-Lehrer, als Götter-Lehrer in Verbindung treten sollen, sind da. Wir sind im Tempel drinnen, bewirkt durch erste, zweite, dritte Stro­phe einer wirklichen mantrischen Meditation. Es ist der Weg zum Tempel. Es ist ein wirklicher Geistesweg.

Dann, wenn wir uns dessen bewußt werden, daß wir den Tem­pel finden, dann verstehen wir recht, wie gemeint ist, was Inhalt dieser esoterischen Schule sein soll.

*

Aus Gründen, die darinnen liegen, daß vielen derjenigen Freun­de, die gerade gern teilnehmen an diesen esoterischen Hochschul­stunden, dies auf die Dauer nicht möglich sein würde am Freitag, sollen verlegt werden die Freitagstunden auf Sonntagvormittag von elf bis zwölf Uhr. Das nächste Mal werde ich diese Stunde alsQ schon halten am Sonntag vormittag von elf bis zwölf Uhr, nicht diesen Sonntag, sondern Sonntag in acht Tagen. Es ist aus dem Grunde, weil dann die Freunde aus der Nähe, die beschäftigt sind, am Sonnabendabend oder -nachmittag - wo die meisten schon kommen können - kommen können und dann diese Stunden auf die Dauer mitmachen können. Es war vielen ein großes Opfer, an Freitagen da sein zu können. Auf die Dauer können wir es nicht machen, und so sollen diese Stunden auf Sonntag von elf bis zwölf Uhr verlegt werden.

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Wandtafel-Anschrift aus GA 270/II, S. 47
Wandtafel-Anschrift aus GA 270/II, S. 47
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ZWÖLFTE STUNDE Dornach, 11. Mai 1924

Meine lieben Freunde! Wir sprechen zunächst den Spruch, der uns gemahnt an dasjenige, was aus dem Weltenall selber herauskommt wie eine Aufforderung zur Selbsterkenntnis:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Selbsterkenntnis, meine lieben Schwestern und Brüder, ist es ja, was im geistigen Sinne zur Welterkenntnis führen kann. Und oft­mals ist es gesagt worden, wie Verständnis da sein muß für das Herausströmen einer wahren geistigen Welterkenntnis aus der geistigen Welt selber; wie der Mensch Verständnis haben muß da­für, daß von denjenigen, die solche Erkenntnis der geistigen Welt vermitteln können, herangetreten werden muß an die Schwelle; daß an der Schwelle der Hüter der Schwelle steht, jener Hüter, der da den Menschen im gewöhnlichen Bewußtsein bewahrt davor, unvorbereitet in die geistige Welt hineinzutreten.

Aber gerade wenn man diesen Hüter kennenlernt, zunächst durch das Verständnis des gesunden Menschenverstandes, dann kennenlernt später - gerade nachdem man das Verständnis durch den gesunden Menschenverstand hat vorangehen lassen - in seiner wahren Gestalt, in seiner wirklichen Wesenheit, dann stellt dieser Hüter dar dasjenige, was als Ermahnungen an uns herantritt, wenn wir im rechten Sinne erstens in die geistige Welt eintreten wollen, und dann im rechten Sinne in den Erlebnissen der geistigen Welt drinnenstehen wollen.

Nun ist ja auch oftmals gesagt worden: dieses Drinnenstehen in der geistigen Welt wird zumeist unrichtig vorgestellt, weil man etwas anderes haben will als dieses wirkliche Drinnenstehen in der geistigen Welt. Man will etwas haben, was ähnlich ist der Sinneswelt. Aber das ist nicht das Drinnenstehen in der geistigen Welt. Es ist einmal übersinnlich, und es kann nicht zu einem Anschauen bloß führen, das ähnlich ist dem sinnlichen Anschauen. Dieses imaginativ-übersinnliche Anschauen ist eben nur Bild. Es muß zu einem wirklichen Erleben der geistigen Welt führen. Und von die­sem Erleben der geistigen Welt haben eben viele von Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, viel mehr, als sie denken. Sie sind nur nicht aufmerksam darauf; sie geben nicht acht, wie im Innern des seelischen Erlebens das Geistige waltet und webt. Es waltet und webt; und es handelt sich darum, daß man die intime

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Aufmerksamkeit aufbringt, dieses Walten und Weben wahrzu­nehmen.

Daher sollen immer wieder und wieder - weil aus der geistigen Welt unmittelbar heraus in diesen Klassenstunden die Erkenntnisse zu Euch fließen sollen, meine Schwestern und Brüder -, es sollen immer mehr und mehr reale Anhaltspunkte gegeben werden, um Euch fühlbar zu machen dieses Drinnenstehen der Seele des Men­schen in der geistigen Welt. Und eine solche Anweisung kann die folgende sein.

Nehmt irgendeines der Mantren oder irgendeine andere spruch­artige Sache und sprecht dasjenige, was in einem solchen Mantram liegt. Es kommt gar nicht darauf an, welches es ist, sondern irgend­ein Mantram, irgendein Mantram, das Ihr sonst auch gut kennt. Für Eure Meditation nehmt Ihr ein Mantram und sprecht es Euch einmal in der schönsten Art, in der Ihr sprechen könnt, für Euch vor. Macht Ihr es also, so sprecht Ihr Euch, nicht gerade in lautem Ton, sondern in einem sanften, stillen Tone, irgendein Mantram vor:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Und nun, wenn Ihr Euch solch ein Mantram vorgesprochen habt, so versucht Ihr zu spüren, wie das in Euch kraftet, wie das Spre­chen ist. Versucht darauf zu kommen, daß Ihr das Sprechen spürt, daß Ihr spürt, was für ein Unterschied in Eurem Leibe ist zwi­schen dem Zustand, wo Ihr schweigt, und dem Zustande, wo Ihr sprecht. Also versuchet, das Sprechen zu spüren in Euren Organen, so wie es verläuft. Ihr werdet es spüren als allerlei Druck und aller­lei Wellenzug eben in den Sprachorganen.

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Und wenn Ihr das gespürt habt, dann frägt Ihr Euch: Wenn ich etwas denke, wozu ich in der Gegenwart veranlaßt bin durch das, was mir ein Mensch sagt, oder was ich dabei denke, daß irgendein äußeres Ereignis auf mich einen Eindruck macht, ich mache mir klar - wenn ich so etwas denke, wozu ich in der Gegenwart ver­anlaßt werde -: Wie ist das, kann ich das auch spüren?

Nun, wenn Ihr gelernt habt, das Sprechen zu spüren, dann wer­det Ihr leicht auch spüren können das Denken, das unmittelbar durch eine solche Gegenwart veranlaßt ist. Ihr könnt das Denken dann auch spüren. Es ist leichter und leiser zu spüren als das Spre­chen, aber es ist zu spüren. Und Ihr könnt lernen an dem Sprechen-spüren das Denkenspüren, das Denkenempfinden.

Dann werdet Ihr, so wie Ihr das Sprechen spürt, auch das Den­ken spüren können. Dann werdet Ihr tasten können, innerlich tasten können, innerlich wahrnehmen können, und zwar so [es wird gezeichnet: Kopfumriß weiß]: Wenn das Sprechen so zu spüren ist, daß es etwa an diese Stelle hier verlegt werden muß [rot], so werdet Ihr das Denken spüren an dieser Stelle, also hier oben das Denken spüren [grün]; etwas gegen das Hinterhaupt zu gelegen werdet Ihr das Denken spüren.

Es ist gut, solch eine Übung zu machen, denn es leitet eine solche Übung überhaupt dazu an, intime Selbstbeobachtung zu machen.

Und dann geht Ihr so vor, meine lieben Schwestern und Brüder, daß Ihr jetzt einen Gedanken in Euch regsam macht, der ein Erinnerungsgedanke ist, etwas, was Ihr gedacht habt vor Tagen, Wochen, Monaten, was Ihr aber genau regsam in Euch machen könnt, und versucht dann, einen solchen Erinnerungsgedanken zu verspüren, zu empfinden; und Ihr werdet das Gefühl haben: den empfindet Ihr unter der Sprachlokalität, den empfindet Ihr also hier unten, unter der Sprachlokalität [gelb]. Und Ihr werdet etwa Euch sagen: Wenn ich spreche, so erlebe ich das in der Gegend mei­ner Sprachorgane; wenn ich denke, erlebe ich das im Haupte dar­über; wenn ich erinnere, erlebe ich das unter dem Sprechen.

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Wird das für Euch eine intime Erfahrung, fühlt Ihr wirklich so, dann habt Ihr etwas geistig erfaßt, was überhaupt der Anfang eines weitergehenden geistigen Erfassens schon sein kann. Nur ist große Abgeschlossenheit von den anderen Erlebnissen des Tages notwendig, um so etwas zu verspüren. Es ist nicht gut, sich zu sagen: Nun ja, damit ich eine solche Abgeschlossenheit erringen kann, muß ich mich einmal auf ein paar Wochen zurückziehen, wo gar keine Menschen sind, wo mich nichts stört, wo ich absolute Ruhe habe, meinetwillen nach einer Hütte am Montblanc mich zurückziehen, um dieses zu vollbringen. Es ist nicht gut, dieses so zu denken, denn da kommt man ewig nicht weiter, wenn man so denkt; sondern das beste ist: mitten drinnenstehen in dem Trubel des Lebens, allem ausgesetzt sein, was das Leben vom Morgen bis zum Abend bringt, und dennoch durch die eigene Gewalt der Seele aussondern eine Zeit, die noch so kurz sein mag, wo man ganz außerhalb des Trubels derWelt, aber mitten drinnensteht und doch ganz außerhalb, rein durch die Gewalt seines Inneren ganz außer­halb. Das ist das beste. In die Einsamkeit sich zurückziehen, um Ruhe zu haben, das ist nicht dasjenige, was eigentlich so wirksam ist, sondern durch seine eigene Gewalt die Einsamkeit zu erzeugen: das ist dasjenige, was unbedingt und sicher zum Ziele führen kann. Und dann wird so etwas eine gute Grundlage sein, um in derjenigen Art meditieren zu können, die ja notwendig ist.

Ihr habt Mantren kennengelernt, meine lieben Schwestern und Brüder, die gewissermaßen still aus der Seele heraus gesprochen werden. So sind ja die ersten Mantren gewesen während dieser Klassenstunden. Wir sind aber vorgeschritten zu solchen Mantren, welche zum Teil aus der Seele herausklingen, zum Teil auch vor­gestellt werden mußten als ein Tönen, das aus den Weltenweiten zu uns herankommt; wo wir also nicht innerlich meditierend spre­chen, sondern wo wir innerlich meditierend hören; wo wir uns in die Lage versetzt denken, daß wir hören dasjenige, was zu uns, sei

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es aus den Weiten, sei es auch von Geistwesen, gesprochen wird. Und gerade auf dieses Sichhineinversetzen in eine Lage, wo an­deres, andere Wesenheit zu uns spricht, gerade auf dieses Sich­hineinversetzen in eine solche Lage kommt es auch an, um wirklich innerlich die Seelenverfassung zu erzeugen, die sich darinnenfühlt in der geistigen Welt.

Sehen Sie, zu diesem Ziele soll das heutige Mantram gegeben werden. Da soll die Seele sich vorstellen, daß sie ganz schweige, daß sie absolut schweige. Aber es soll die Seele sich vorstellen, daß sie schon jenseits der Schwelle, schon in der geistigen Welt drinnen vor dem Hüter stehe, und die Seele dreierlei Töne vernimmt; in­dem sie selber ganz schweigt, dreierlei Töne vernimmt. Der erste Ton klingt aus dem weiten Weltenall. Der zweite kommt von dem Hüter. Und der dritte kommt von denjenigen Wesen, die dann nachher während des Mantrams bezeichnet werden. So soll gedacht werden dasjenige, was als Mantram heute vor Eure Seele tritt.

So, aus den Weiten der Welt, tönt von allen Seiten herankom­mend:

Vernimm des Denkens Feld.

Es handelt sich also darum, über die wahre Wesenheit des Denkens aufgeklärt zu werden durch ein geistiges, seelisches Welterlebnis.

Dann spricht der Hüter. Also nachdem verklungen ist dasjenige, was aus den Weiten der Welt an uns herantönt - wir müssen in dieser Situation drinnen geistig leben -, dann spricht der Hüter. Die nächsten drei Zeilen sagt der Hüter:

Es spricht, der dir die Wege
Von Erdensein zu Erdensein
Im Geisteslichte weisen will.

Das ist des Hüters Sprache.

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Dann spricht das Engelwesen, das uns den Weg geleitet von Erdensein zu Erdensein:

     Blick' auf deiner Sinne Leuchtewesen.

Das ist also das Wesen, das als Engelwesen, als Angelos, uns von Inkarnation zu Inkarnation leitet. Das spricht diese Zeile. Wir hören sie in innerem, sinnendem Leben.

Wiederum spricht der Hüter:

Es spricht, der dich zu Seelen
Im stoffbefreiten Seinsgebiete
Auf Seelenschwingen tragen will.

Und es spricht das über uns sorgende Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi die nächste Zeile:

      Blick' auf deines Denkens Kräftewirken.

Das geht hinauf, wo die Archangeloi sind.

Erst war es: «Blick' auf das Leuchten der Sinne.» In Wirklich­keit ist ja die Sache so, daß man meint im sinnlichen Leben, daß die Sonne leuchtet und die Sinne nicht leuchten; in Wirklichkeit ist es aber so, daß auch unsere Sinne leuchten, daß aber nur, während unsere Sinne leuchtend wahrnehmen, dieses Leuchten von uns nicht bemerkt wird. Da ermahnt dann das Wesen, das zu uns gehört aus den Reihen der Angeloi: «Blick' auf deiner Sinne Leuchtewesen. »

Im allgemeinen denken wir im gewöhnlichen Bewußtsein; aber wir erfassen das Denken nicht, spüren es nicht. Wir empfinden es nicht. Das Wesen, das zu uns gehört aus dem Reiche der Archange­loi, mahnt: «Blick' auf deines Denkens Kräftewirken.»

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Nun geht es hinauf, wo die Archai sind. Der Hüter mahnt in drei Zeilen, wir sollen das Wesen aus der Reihe der Archai hören mit seiner Mahnung. Die nächsten drei Zeilen sind die Zeilen des Hüters:

Es spricht, der unter Geistern
Im erdenfernen Schöpferfelde
Den Daseinsgrund dir geben will.

Ich könnte auch sagen, den «Daseinsthron», aber besser ist es, den «Daseinsgrund» dir geben will, der dich also auf einen Geistesboden stellen will im geistigen Felde, geradeso wie du hier im sinn­lichen Felde auf dem physischen Boden stehst.

Nachdem der Hüter der Schwelle so gesprochen hat, spricht das Wesen aus der Reihe der Archai:

      Blick' auf der Erinnerung Bildgestalten.

Es ist das dritte. Erstens auf das Leuchten der Sinne sollen wir sehen, dann auf des Denkens Kräftewirken in uns, dann auf das­jenige, was tief unten liegt, unter der Sprache liegt, was in den Erinnerungsbildern liegt: «Blick' auf der Erinnerung Bildgestal­ten.»

Da haben wir selber mit schwindelnder Seele angehört das drei­fache Sprechen zu uns: Das Sprechen aus dem Kosmos in der aller-ersten Zeile: «Vernimm des Denkens Feld»; haben in den jewei­ligen drei Zeilen, die zwischen den eigentlichen Hierarchie-Ermahnungen liegen, den Hüter sprechen gehört und dann die Wesen, die zu uns gehören aus den Reichen der Hierarchien selber,

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immer die ihnen paradigmatische Zeile, die eigentlich im Tiefsten zu unserem Wesen sprechen soll. So daß der ganze Zusammenhang - ich werde ihn dann aufschreiben - dieser ist:

     Vernimm des Denkens Feld:

Es spricht, der dir die Wege
Von Erdensein zu Erdensein
Im Geisteslichte weisen will:
     Blick' auf deiner Sinne Leuchtewesen.

Es spricht, der dich zu Seelen
Im stoffbefreiten Seinsgebiete
Auf Seelenschwingen tragen will:
     Blick' auf deines Denkens Kräftewirken.

Es spricht, der unter Geistern
Im erdenfernen Schöpferfelde
Den Daseinsgrund dir geben will:
     Blick' auf der Erinnerung Bildgestalten.

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[Das Mantram I wird nun an die Tafel geschrieben und gleichzeitig in der ersten Zeile «Denkens» und jeweils die letzte Zeile von Teil 1, 2, 3 unterstrichen:]

I. Vernimm des Denkens Feld:

1.) Es spricht, der dir die Wege
    Von Erdensein zu Erdensein
    Im Geisteslichte weisen will:
        Blick' auf deiner Sinne Leuchtewesen.

2.) Es spricht, der dich zu Seelen
    Im stoffbefreiten Seins gebiete
    Auf Seelenschwin gen tragen will:
        Blick' auf deines Denkens Kräftewirken

3.) Es spricht, der unter Geistern
    Im erdenfernen Schöpferfelde
    Den Daseinsgrund dir geben will:
        Blick' auf der Erinnerung Bildgestalten.

Damit haben wir dasjenige, was als Mahnung für unsere Selbst­erkenntnis heraustönt aus den drei niederen Hierarchien, innerlich seelisch erlebt:

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das erste aus der Hierarchie der Angeloi
das zweite aus der Hierarchie der Archangeloi
das dritte aus der Hierarchie der Archai.

[«Angeloi» wird neben Teil 1, «Archangeloi» neben Teil 2, «Archai» neben Teil 3 geschrieben.]

Bevor die Übung angestellt wird, kann die Konzentration in der Seele dadurch bewirkt werden, daß man sich ein ganz bestimm­tes Bild vor die Seele rückt, dieses Bild [es wird gezeichnet]: Ein Auge, das nach oben blickt [Auge]; das den Kreis der höheren Hierarchien vernimmt [Kreisbogen], welche die Kräfte der Welt auf das Auge einströmen lassen [obere Strahlen], und das dann vernimmt den Kreis der unteren Hierarchien [Wellenlinie], die sich hinaufranken zu den höheren Hierarchien und die Strahlen weiter zum Menschen schicken [untere Strahlen].

Dieses Bild, man ruft es sich vor die Seele, daß es dastehe: Das hinaufblickende Auge, die beiden Linien - die runde, die Wellen­linie -, die Strahlen heruntergehend. Und man stellt sich vor, während man die Übung macht, ohne daß man weiter an dieses Bild denkt - während man die Übung macht, wird das Bild vor der Seele stehen bleiben -: das Bild dieses hinaufblickenden Auges.

Dann vernimmt man wiederum das Tönen von allen Seiten des Kosmos:

     Vernimm des Fühlens Feld.

Es spricht dann der Hüter die nächsten drei Zeilen:

Es spricht, der als Gedanke
Aus Geistes-Sonnenstrahlen
Dich zum Weltendasein ruft.

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Es ist schon eine höhere Sprache, die Sprache, die herausklingt aus höherer Hierarchie. Während wir hier [beim ersten Mantram] immer nur aufmerksam gemacht werden auf das, was schon in uns ist, werden wir hier angesprochen vom Hüter in diesem Mantram so, daß wir nicht nur zum Schauen unserer Sinne, unseres Denkens, unserer Erinnerungen gerufen werden, sondern gerufen werden zum Vernehmen, wie wir in die Welt, in das Weltendasein selbst hineingerufen werden. Das tönt heraus aus der Hierarchie der Exusiai.

Dann spricht es heraus von dem Wesen, das zu uns gehört aus der Hierarchie der Exusiai:

     Fühl' in deines Atems Lebensregung.

Es spricht wieder der Hüter die nächsten drei Zeilen:

Es spricht, der Weltendasein
Aus Sternen-Lebenskräften
Dir in Geistesreichen schenket.

Dann spricht das Wesen aus der Hierarchie der Dynamis heraus:

     Fühl' in deines Blutes Wellenweben.

Da müssen wir das Weben der Welt fortgesetzt denken - fühlen eigentlich - in dem Wellenweben unseres Blutes.

Und wiederum spricht der Hüter, jetzt uns mahnend, daß wir hören sollen das, was ein Wesen aus der Reihe der Kyriotetes spricht:

Es spricht, der dir den Geistes-Sinn
In lichten Götter-Höhenreichen
Aus Erdenwollen schaffen will.

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Dann spricht dieses Wesen aus der Reihe der Kyriotetes:

     Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.

Nur wenn man dieses mächtige Widerstreben der Erdenkräfte fühlt, kann man richtig in die reine geistige Welt hineindringen.

So daß also das Erleben dieses Mantrams also klingen muß:

      Vernimm des Fühlens Feld:

Es spricht, der als Gedanke
Aus Geistes-Sonnenstrahlen
Dich zum Weltendasein ruft:
      Fühl' in deines Atems Lebensregung.

Es spricht, der Weltendasein
Aus Sternen-Lebenskräften
Dir in Geistesreichen schenket:
      Fühl' in deines Blutes Wellenweben.

Es spricht, der dir den Geistes-Sinn
In lichten Götter-Höhenreichen
Aus Erdenwollen schaffen will:
      Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.

Es ist das Hinaufsteigen in die Reihe der zweiten Hierarchie, wo Selbsterkenntnis dadurch in uns angeregt wird, daß wir von einem Wesen, das zu uns gehört aus der Reihe der Exusiai, ermahnt wer­den; daß wir zuerst ermahnt werden von dem Hüter, daß ein sol­ches Wesen zu uns sprechen wird.

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Nun, meine lieben Schwestern und Brüder, wir denken im Er­denleben; unsere Gedanken sind fast Nichtigkeiten. Wenn aber ein Wesen aus der Reihe der Exusiai denkt, so denkt es uns. Unser Ich ist gedacht. Und es ist seiend als Gedanke eines Wesens aus der Reihe der Exusiai. Sprechen wir auf Erden «Ich» zu uns, worauf schauen wir dann? Ja, dieses Ich: wenn wir sprechen «Ich» [es wird gezeichnet: Kreis mit dem Wort «Ich», gelb], wir schauen zurück auf dieses Ich [rote Pfeile] , sprechen das Wort Ich aus. Aber ein Wesen aus der Reihe der Exusiai [grüne Linie], bei dem ist die­ses Ich Gedanke, aber realer, wirklicher Gedanke. Wir sind da­durch, daß wir gedacht werden von Wesen aus der Reihe der Exusiai. Und wenn wir selber zu uns «Ich» sprechen, so konsta­tieren wir eigentlich, daß wir von Götterwesen gedacht werden. Und in diesem Gedachtwerden von Götterwesen besteht unser höheres Sein.

Dann: Ein Wesen aus der Reihe der Dynamis ermahnt uns, wie wir das Geistesdasein geschenkt erhalten von ihm aus den Lebens-kräften, die es den Sternen entnimmt.

Und ein Wesen aus der Reihe der Kyriotetes ermahnt uns, daß dasjenige, was in uns als Wollen auf Erden lebt, hinaufgezogen wird in die Himmelshöhen und in der Umwandlung, die es da erfährt, unser Erdenwollen uns wiedergegeben wird, so daß wir es dann auch im Geisteswollen brauchen können. Erdenwollen ist nur eine Umwandlung des Geisteswollens. Das Erdenwollen wird stetig hinunter- und hinaufgetragen. Oben ist es Himmelswollen; unten ist es Erdenwollen. Daran ermahnt uns zum Schluß der Hüter, denn das Wesen aus der Reihe der Kyriotetes sagt: «Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.» Wenn man den Widerstand der Erde empfindet, empfindet man die Wohltat, die gnadevolle Er­teilung von Kräften aus Himmelshöhen.

[Das Mantram II wird nun an die Tafel geschrieben und gleichzeitig in der ersten Zeile «Fühlens» und jeweils die letzte Zeile von Teil 1, 2, 3 unterstrichen:]

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II.) Vernimm des Fühlens Feld:

1.) Es spricht, der als Gedanke
    Aus Geistes-Sonnenstrahlen
    Dich zum Weltendasein ruft:
        Fühl' in deines Atems Lebensregung.

2.) Es spricht, der Weltendasein
    Aus Sternen-Lebenskräften
    Dir in Geistesreichen schenket:
        Fühl' in deines Blutes Wellenweben.

3.) Es spricht, der dir den Geistes-Sinn
    In lichten Götter-Höhenreichen
    Aus Erdenwollen schaffen will:
        Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.

So also ist der Verlauf dieses zweiten Mantrams:

        Vernimm des Fühlens Feld:

Es spricht, der als Gedanke
Aus Geistes-Sonnenstrahlen
Dich zum Weltendasein ruft:
        Fühl' in deines Atems Lebensregung.

Es spricht, der Weltendasein
Aus Sternen-Lebenskräften
Dir in Geistesreichen schenket:
        Fühl' in deines Blutes Wellenweben.

Es spricht, der dir den Geistes-Sinn
In lichten Götter-Höhenreichen
Aus Erdenwollen schaffen will:
       Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.

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Das erste tönt aus der Reihe der Exusiai
das zweite aus der Reihe der Dynamis
das dritte aus der Reihe der Kyriotetes.

[«Exusiai» wird neben Teil 1, «Dynamis» neben Teil 2, «Kyriotetes» neben Teil 3 geschrieben.]

Und wiederum zum Schluß, damit wir uns erinnern, was wir für ein Bild vor uns hingestellt haben, nachdem das alles in uns ab­gelaufen ist, damit wir ein deutliches Erleben davon haben, stellen wir wiederum uns das Bild - von dem wir uns aber vorstellen, daß es immer vor unserer Seele gestanden hat während der ganzen Übung -, das stellen wir wiederum vor unsere Seele hin.

[Dieses nach dem Anschreiben des Mantrams «Vernimm des Denkens Feld» bereits an der Tafel entwickelte Bild wird nun noch einmal gezeichnet: Auge, Kreisbogen, obere Strahlen, Wellenlinie, untere Strahlen.]

Das Hinaufsteigen in die Reihe der Seraphine, Cherubine und Throne soll ja dann hinzugefügt werden zu diesem in der nächsten Klassenstunde. Jetzt aber ist begreiflich zu machen, noch deut­licher, was das Ganze für einen Sinn hat.

Meine lieben Schwestern und Brüder, an uns trat heran im Be­ginne der heutigen Klassenstunde die Formel, die aus demWelten­dasein, aus dem Weltenwesen heraus uns mahnt an Selbsterkennt­nis. Selbsterkenntnis, wurde gesagt, führt zur Welterkenntnis; aber nur, wenn wir das Selbst in Verbindung setzen können mit der Welt.

Aber das Selbst steht nicht zu einem äußeren Naturwesen oder Naturvorgang in einer ihm eigentümlichen Beziehung, sondern allein zu dem, was in der geistigen Welt ist. Da sind die Wesen der

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Hierarchien. Wollen wir also wirklich eindringen in unser Selbst, in unser Ich, dann müssen wir erleben nicht mit der äußeren Natur zusammen, sondern dann müssen wir erleben mit den Wesenheiten aus den Hierarchien zusammen. Denn dasjenige, was von der äußeren Natur aus wir als unser Ich ansprechen können, das ist ja nur der äußere nichtige Abglanz des Ich. Das wahre Ich steht in demselben Reiche, in dem da stehen diese Wesenheiten der höheren Hierarchien. Sobald man also in die wahre Selbsterkenntnis ein­tritt, muß man eintreten in die Reihen der höheren Hierarchien. Dann muß man die Sprache der höheren Hierarchien vernehmen.

Daß man das mit aller Kraft tue, daß man das nicht zu einer bloßen blutleeren Theorie macht, sondern daß man es mit aller Kraft tue, dazu sind die Ermahnungen des Hüters der Schwelle, die immer dazwischenstehen, da. Daß das Ganze in der Medita­tion mit der nötigen Majestät an uns herantritt, dazu sind die zwei - und wie wir demnächst hören werden, drei - gewaltigen Er­mahnungen aus dem Kosmos: «Vernimm des Denkens Feld», «Ver­nimm des Fühlens Feld» da.

Nur wenn wir in diesem Sinne uns lebendig drinnen fühlen in dieser dreifachen Art der Sprache, wenn wir uns in der geistigen Welt auf diese Art mantrisch erleben, dann können uns die Dinge wirklich vorwärtsbringen. Denn nur dann haben wir den Dingen gegenüber die richtige Stimmung. Diese Stimmung müssen wir vor allen Dingen suchen. Denn die eigentliche innere Weihe, die da sein muß, wenn die Meditation zur Einweihung beitragen soll, diese eigentliche innere Weihe, die kommt ja nur durch die Stimmung, durch jene Stimmung, durch die wir eine Weile gegenüber der äußeren Welt wie entrückt sind, einzig und allein nur in dem leben, was Inhalt und Gegenstand der Meditation ist. Wenn wir uns so ganz lebendig hineinversetzen, die Selbsterkenntnis nicht nur ein Hineinbrüten in unser Inneres ist, sondern ein ausführliches Ge­spräch ist mit Welt, Hüter und Hierarchien, dann finden wir uns in wahre Selbsterkenntnis hinein.

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Es sollte im Grunde genommen sogar von uns vermieden wer­den, an eine solche Sache dann zu denken, wenn wir nicht zugleich die Stimmung dafür aufbringen können. Wir sollten gerade eine solche Sache, wie die heute vorgebrachte, nur dann denken, wenn wir wirklich im Innern der Seele diese Stimmung aufbringen kön­nen, die einfach darinnen liegt, daß empfunden wird, wie das Majestätische aus Weltenweiten, kosmischen Fernen, wie mit einem Weltendonner zu uns dringt; daß in sanfter, mahnender Stimme dazwischen tönt, was vom Hüter der Schwelle kommt; und daß dann in eindringlicher Weise zu unserer Seele spricht der eine der Hierarchen selber.

Wir sollten nur dann, wenn wir uns immer auch an dieses er­innern, und wenn wir aufbringen die Gefühle, die mit dieser Er­innerung an dieses zusammenhängen, wir sollten eigentlich auch nur an diese Mantren denken, uns innerlich mit diesen Mantren in Verbindung setzen, damit wir sie auch innerlich nicht entweihen, dadurch in ihrer Kraft entweihen, daß wir sie mit dem gewöhn­lichen, trockenen, philiströsen Denken denken, mit dem wir sie ja denken, wenn wir uns nicht erst in die entsprechende Seelenstim­mung versetzen.

Und wir sollten daraus, daß das so ist, auch die innere Seelen­stimmung bekommen, um zu fühlen, daß Selbsterkenntnis des Menschen etwas Feierliches, Ernstes, Heiliges ist, und daß eigent­lich diese Dinge nur so von der Seele innerlich auch gesprochen werden sollten - geschweige denn äußerlich -, daß sie empfunden werden als Ernstes, Feierliches, Weihevolles.

Ein großes Hindernis, weiterzukommen auf einem esoterischen Wege, ist eben dieses, daß so vielfach im Cliquenwesen von diesen Dingen gesprochen wird, wenn nicht diese ernste, feierliche, weihe­volle Stimmung zugleich entwickelt wird, sondern sogar mit einem Anflug von Eitelkeit diese Dinge beschwätzt werden. Man denkt dabei nicht, wie im esoterischen Leben alles darauf beruht, daß Wahrheit, richtige volle Wahrheit herrsche. Der kann überhaupt

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im esoterischen Leben nichts machen, der nicht diese Erkenntnis hat, daß im esoterischen Leben Wahrheit, volle Wahrheit herr­schen muß, daß man also nicht kann von der Wahrheit bloß sprechen und dann dennoch die Dinge nur so auffassen, wie man sie im äußerlichen Profanleben auffaßt. Das tut man, wenn man die Sache zum Gegenstande des gewöhnlichen Geschwätzes macht.

Und dieses, was so vielfach getrieben wird, dieses gewöhnliche Beschwätzen, das ist es, was so vielfach Hindernisse und Hemm­nisse auf den esoterischen Weg wirft. Und wir müssen unbedingt alles dasjenige, was mit Selbsterkenntnis zusammenhängt, auch zusammenbringen mit dieser ernsten, feierlichen, weihevollen Stimmung in unserer Seele. Dann werden wir auch im rechten Sinne das Wort auf unsere Seele wirken lassen, das nun auch am Ende wiederum gesprochen werden soll, wie es im Anfange der heutigen Klassenstunde gesprochen worden ist:

O Mensch, erkenne dich selbst!

Ja, das ist eine Anleitung zur Selbsterkenntnis:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

Es ist im Grunde eine Frage. Die Antwort ist in Solchem [in den Mantramtexten an den Tafeln] gegeben.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 69 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 69


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DREIZEHNTE STUNDE Dornach, 17. Mai 1924

Meine lieben Freunde! Zuerst wird wiederum das aus dem Geisti­gen des Weltenalls an unsere Seele herandringende Wort gespro­chen, das uns mahnt zur selbstbeobachtenden Erkenntnis unseres Wesens:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Nun, meine lieben Schwestern und Brüder, wir haben das letzte Mal in dieser Stunde versucht, diejenigen inneren Seelenworte zu finden, welche den Menschen in Verbindung bringen können mit demjenigen, was sich aus den Hierarchien heraus - mit denen ja des Menschen geist-seelisches Wesen in Verbindung steht - offen­bart. Wir haben dabei vor unsere Seele hingestellt, wie wir durch eine besondere Vertiefung in dasjenige, was dann werden kann des Denkens Feld, wie wir durch eine besondere Vertiefung in dieses Feld des Denkens hinaufgelangen können in dasjenige Gebiet, das gewissermaßen bewohnen die Wesen der dritten Hierarchie: An­geloi, Archangeloi, Archai.

Dabei war ja nicht gemeint dasjenige Denken, das wir im Alltag gebrauchen, sondern dasjenige Denken, das hinter diesem Denken des Alltags verläuft, jenes Denken, das wir eigentlich nur herauf-schaffen können aus unserer Gesamtorganisation, wenn wir uns meditierend in solche Worte vertiefen, wie sie da vorgebracht wor­den sind als die Worte, die da beginnen: «Vernimm des Denkens Feld.»

Und ich habe ja auch angedeutet das letzte Mal, wie dieses Den­ken auch empfunden werden kann im menschlichen Organismus selber über dem Sprachgebiete; während das Feld der Erinnerungs­gedanken unter dem Sprachgebiete gefühlt werden kann; das Sprachgebiet selber: wenn wir so recht innerlich lebensvoll irgend etwas halblaut oder auch laut vor uns hinsagen. Wir fühlen das Sprechen in uns, und wir können den Ort bezeichnen, an dem wir das Sprechen in uns fühlen. Dann haben wir einen Ausgangspunkt. Denn es ist gewissermaßen am leichtesten zu erleben dieses Spre­chen.

Und über dem Sprechen, mehr gegen den Hinterkopf zu, kön­nen wir das innerliche Denken, durch das wir die Angeloi ent­decken können, finden; im Sprechen selber Archangeloi; und in den Erinnerungen, unter dem Sprechen, können gefühlt werden die Archai.

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Und der mantrische Spruch, der uns zu so etwas führt, er ver­läuft ja in der Gestalt, die das vorige Mal in der Klassenstunde geschildert worden ist.

Wir stellen uns vor durch diesen Spruch, wie zuerst zu uns sprechen die kosmischen Weiten, gewissermaßen was das Weltenall selber zu uns tönt, wie dann hineintönt in dieses Weltenall das­jenige, was der Hüter der Schwelle uns sagt, der uns aufmerksam macht, wir sollen hinhorchen auf dasjenige, was das zu uns ge­hörige Wesen aus der Reihe der dritten Hierarchie, der Angeloi, zu uns zu sprechen hat.

Und ein zweites ist dann, wie uns der Hüter der Schwelle wie­derum ermahnt, hinzuhören auf das zu uns gehörige, oder die zu uns gehörigen Wesen aus der Reihe der Archangeloi.

Und wiederum ermahnt uns an dritter Stelle der Hüter, hin-zuhören auf die zu uns gehörigen Wesen aus der Reihe der Archai. Wir sollen uns also diese mantrischen Sprüche so vorstellen, daß wir hören gewissermaßen das Weltenall aus den Weiten zu uns tönen, den Hüter sprechen, die Hierarchien sprechen hören:

      Vernimm des Denkens Feld:

Es spricht, der dir die Wege
Von Erdensein zu Erdensein
Im Geisteslichte weisen will:
      Blick' auf deiner Sinne Leuchtewesen.

Es spricht, der dich zu Seelen
Im stoffbefreiten Seinsgebiete
Auf Seelenschwingen tragen will:
      Blick' auf deines Denkens Kräftewirken.

Es spricht, der unter Geistern
Im erdenfernen Schöpferfelde
Den Daseinsgrund dir geben will:
      Blick' auf der Erinnerung Bildgestalten.

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Wenn wir so immer wieder und wiederum in dieser Situation uns fühlen, sprechend zu uns die Weltenweiten, sprechend zu uns der Hüter der Schwelle, sprechend zu uns die Reiche der Hierar­chien, wenn wir uns das ganz lebhaft vorstellen, als wenn es eben um uns wäre, dann in Verbindung mit dem schematischen Bilde, das ich das letzte Mal an die Tafel gezeichnet habe, kommen wir dazu, allmählich zu erfühlen jenes Denken oberhalb der Sprache im Hinterkopf, durch das wir uns nähern dem Weben und Leben der dritten Hierarchie.

Also man kann sagen, meine lieben Schwestern und Brüder, wir setzen uns in Verbindung mit den Wesen der dritten Hierarchie durch diesen mantrischen Spruch.

Ebenso setzen wir uns in Verbindung mit den Wesen der zweiten Hierarchie durch den zweiten mantrischen Spruch, der neulich angeführt worden ist, und der wiederum in einer solchen Weise gefühlt, gewissermaßen geistig wahrgenommen werden soll. Wir sollen ganz absehen davon, daß wir selber das sagen; wir sollen uns ganz in die Situation versetzen, die ich geschildert habe:

      Vernimm des Fühlens Feld:

Es spricht, der als Gedanke
Aus Geistes-Sonnenstrahlen
Dich zum Weltendasein ruft:
      Fühl' in deines Atems Lebensregung.

Es spricht, der Weltendasein
Aus Sternen-Lebenskräften
Dir in Geistesreichen schenket:
      Fühl' in deines Blutes Wellenweben.

Es spricht, der dir den Geistes-Sinn
In lichten Götter-Höhenreichen
Aus Erdenwollen schaffen will:
      Fühl' der Erde mächtig Widerstreben.

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Da kommen wir dann dazu, unsere Verbindung herzustellen mit den Exusiai, Dynamis, Kyriotetes. Es wird eine innerliche Verbin-dung zwischen der Gefühlssphäre - dem Atmen, der Blutzirkula­tion - und da, wo der Wille entspringt, aber nur gefühlt wird als Wille, zwischen alle dem in unserem Menschenwesen und den Wesen der zweiten Hierarchie wird die Verbindung dadurch her­gestellt.

Es bleibt uns für heute zu betrachten, meine lieben Schwestern und Brüder, das Feld des Wollens. Dieses Feld des Wollens, es ist ja dasjenige, das den Menschen am kräftigsten beherrscht, das im Menschen am kräftigsten wirkt, das aber zu gleicher Zeit von dem Menschen am wenigsten mit wirklicher Aufmerksamkeit durch-lebt wird. Denn der Mensch weiß eigentlich gewöhnlich wenig, wie sein Wollen verläuft.

Nehmen wir zunächst dasjenige am menschlichen Organismus, wo das Wollen zum Ausdrucke kommt dadurch, daß der mensch­liche Organismus in Bewegung gerät, sich in Bewegung versetzt.

Ihr müßt schon, meine lieben Schwestern und Brüder, diese intimen Vorstellungen Euch aneignen, wenn Ihr zu demjenigen vordringen wollt, zu dem Euch die Wege weisen will der Geist, der durch diese esoterische Schule spricht.

Man stelle sich vor gehend und vielleicht die Arme bewegend. Da denkt der Mensch gewöhnlich, daß er seine Beine bewegt und die Beine ihn weitertragen. Das ist ja auch die bequemste Vorstel­lung, die man haben kann. Man denkt, irgendeine unbekannte Kraft - es ist natürlich eine unbekannte Kraft, denn kein Mensch kann aus dem gewöhnlichen Bewußtsein von dieser Kraft etwas wissen -, die wird hineinströmen gelassen in die Beine. Ein Bein wird vor das andere gesetzt. So tragen wir uns selber durch die Welt.

So ist es nicht. Ganz und gar haben die Beine nicht die Aufgabe, uns durch die Welt zu tragen zunächst. Es ist einfach nicht wahr.

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Und wir geraten hier an einen Punkt, wo das gewöhnliche Bewußt­sein sofort seine Maja zeigt; denn es ist Maja, wenn wir in dem Glauben leben, daß wir mit den Beinen, mit den physischen Beinen gehen, daß die physischen Beine dazu da seien, um zu gehen.

Natürlich handelt es sich nicht darum, meine lieben Schwestern und Brüder, daß Ihr jetzt hingeht und in die Welt des Philisteriums hinausschreit: Es ist nicht wahr, daß der Mensch seine Beine hat zum Gehen. Denn man wird davon natürlich zunächst nichts ver­stehen. Denn man weiß nicht, in welchem tiefen Sinne es wahr ist, daß eigentlich alles dasjenige, was sich zunächst dem gewöhnlichen Bewußtsein darbietet, Maja, die große Illusion ist. Die große Illu­sion erstreckt sich eben nicht nur auf das, was der Mensch im Umkreise erschaut, sondern die große Illusion erstreckt sich auch auf das, was der Mensch an sich selbst mit der Welt erlebt.

Es handelt sich um folgendes. Man stelle sich nur einmal ganz schematisch vor [es wird gezeichnet]: das seien die menschlichen Beine, wo eins vor das andere schreitet [weiß]. Aber innerhalb dieser menschlichen physischen Beine ist ja der menschliche Ätherleib enthalten [rot]; der Teil des menschlichen Ätherleibes, der den Beinen entspricht. Da ist der Astralleib enthalten [gelb], der den Beinen entspricht, und dann noch die Ich-Organisation [violett]. Wir gehen nun nicht mit den physischen Beinen, wir gehen nicht mit den Ätherbeinen, wir gehen nicht einmal mit den astralischen Beinen, sondern wir gehen mit denjenigen Kräften, die der Ich-Organisation entsprechen. Wir leben mit diesen Kräften, die der Ich-Organisation entsprechen, in den Schwerkräften der Erde, die unsichtbar sind [neue Zeichnung: Halbkreis mit Pfeilen]. Diese Schwerkräfte der Erde erleben wir mit den Kräften unserer Ich-Organisation [kurze Striche an den Pfeilen]. Und dasjenige, was zunächst dem Willen der Bewegung entspricht, vollzieht sich zwi­schen der unsichtbaren Ich-Organisation und den unsichtbaren Schwerekräften der Erde.

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Nur ist die Ich-Organisation darauf angewiesen, daß sie etwas fühlt als Widerstand, wenn sie mit den Schwerkräften der Erde in Verbindung tritt. Dazu ist der Astralleib da der Beine, der Äther-leib und namentlich der physische Leib, bloß daß die Ich-Organi­sation sich selber fühlen kann, wahrnehmen kann. Und ohne die Wahrnehmung kann sie nicht mit der Erdenorganisation in Ver­bindung treten; denn sie muß bewußt mit der Erdenorganisation in Verbindung treten. Damit die Ich-Organisation im Schreiten ihrer selbst bewußt wird und mit den Erdenkräften in Verbindung treten kann, sind die physische Organisation und die anderen Or­ganisationen da.

Das Gehen ist also ein ganz übersinnlicher Vorgang. Die sinn­liche Organisation ist nur dazu zum Gehen da, daß das Gehen vom Menschen wahrgenommen werden kann, weil er so etwas nur aus­führen kann, wenn er es wahrnimmt. Sie gehen ebensowenig, meine lieben Schwestern und Brüder, mit den physischen Beinen, wie Sie mit den Strümpfen gehen. Sie gehen mit dem, was in den Beinen Ihrer Ich-Organisation entspricht.Und wie Sie die Strümpfe haben, daß sie Ihnen warm geben, so haben Sie die physischen Beine, daß sie Ihnen Bewußtsein geben für das Gehen.

Das, was ich jetzt gesagt habe, das muß man fühlen. Man muß lernen fühlen im Gehen, daß das Gehen ein übersinnlicher Vorgang ist, und daß alles Sinnliche nur dazu da ist, um Bewußtsein davon zu vermitteln. Dieses Bewußtsein wird sogar während des wachenden Erdenlebens in einer nicht ganz vollkommenen Weise erzeugt, weil unsere physischen Beine auch schwer sind, und wir dadurch nicht nur mit den Schwerkräften der Erde, sondern auch mit den Schwerkräften, die in unseren physischen Beinen wirken, in Zu­sammenhang kommen. Daher, wenn wir die physischen Beine nicht haben, wie im Schlaf, dann durcheilen wir das Weltenall im Ich und im astralischen Leibe in einer viel regsameren Weise, als wenn wir im physischen Leben herumgehen. Wir bewegen uns während des Schlafes durchaus, nur, wir haben kein Bewußtsein davon im

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gewöhnlichen Bewußtsein, weil die physischen Beine das Bewußt­sein davon vermitteln.

Wer ist es denn nun, der uns in die Möglichkeit versetzt, während des Schlafes - und dann auch während der Hellsichtigkeit - uns zu bewegen? Wir können uns bewegen, sagte ich, im physischen Da­sein dadurch, daß uns die Bewegung bewußt wird durch die phy­sischen Beine. Wer ist es, meine lieben Freunde, der uns das ersetzt während des Schlafes? Das sind diejenigen Wesenheiten, welche mit uns während des Schlafes für die Bewegung in Verbindung treten. Das sind die Throne, Wesenheiten der ersten Hierarchie. Nur kann der Mensch in dem gewöhnlichen Bewußtsein, in seinem gewöhnlichen Schlafbewußtsein eben die Throne nicht wahrneh­men; daher hilft es ihm nichts. Obwohl dann, wenn der Mensch durch Intuition fähig wird, wahrzunehmen, was eigentlich da geschieht im Schlafe, dann wird er gewahr: er steht während des Schlafes durch die ,Ihrone ebenso in Verbindung mit einer höher-bewußten Welt, wie er im physischen Leben durch seine physischen Beine in Verbindung steht mit dem gewöhnlichen Erdenleben.

Das alles muß ins Gefühl übergehen. Das alles muß man inner­lich spüren lernen. Dann verspürt man aber auch die webende und wellende Geisteswelt, in der man eigentlich fortwährend drinnen ist.

Und wiederum können wir uns hinaufranken zu einem solchen innerlichen Erfühlen und Erleben, wenn wir wirken lassen auf uns so in der Situation drinnen, wie das bei den anderen Mantren der Fall war, die ich angeführt habe für das Feld des Denkens und das Feld des Fühlens, wenn wir uns so drinnen fühlen in der Situation:

aus den Weltenweiten zu uns dringend etwas wie mit donner-ähnlicher Stimme, dann der Hüter der Schwelle, uns aufmerksam machend, wir sollen die ,Ihrone hören, was sie zu uns sprechen. Die ,Ihrone sprechen uns von dem, was aus den Trieben heraus, wie wir es nennen, aus den Seelentrieben in unser Wollen übergeht, wenn wir in der Welt irgend etwas als Wollen ausführen.

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Daher werden wir den dritten Teil dieser Mantren also auf uns wirken lassen, wie aus den Weltenweiten wiederum ertönend:

      Vernimm des Willens Feld.

Dann der Hüter der Schwelle:

Es spricht, der die Weltenkräfte, die dumpfen
Aus den Erden-Untergründen, den finstren
In deiner Glieder Regsamkeiten lenket:
     Blick' auf deiner Triebe Feuer-Wesen.

Das ist das erste. Das zweite führt uns schon mehr ins Seelische hinein. Wenn wir weitergehen im Verfolgen der Willensregsamkeit des Menschen, dann, dann machen wir in dieser innerlich medita­tiven Verrichtung der Seele eine große Entdeckung. Und diese große Entdeckung, die muß eigentlich einmal über den Menschen kommen, wenn er auf dem Felde seiner Entwickelung vorwärtsschreiten will.

Da muß ich Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, auf etwas hinweisen, von dem Ihr alle wißt, denn das gewöhnliche Bewußtsein weiß schon davon; das ist dasjenige, was wir in uns nennen die Stimme des Gewissens. Die Stimme des Gewissens! Aber diese Stimme des Gewissens, sie tönt in einer unbestimmten Weise aus dem menschlichen Wesen in das Bewußtsein herein. Der Mensch kennt gewöhnlich nicht recht dasjenige, was da in bezug auf sein moralisch-seelisches Verhalten aus geheimnisvollen Unter­gründen der Seele herauftönt und was er die Stimme seines Gewis­sens nennt. Man kommt eben nicht so tief in das eigene Wesen mit dem gewöhnlichen Bewußtsein hinunter, daß man die Stimme des Gewissens erreicht. Sie kommt herauf, aber der Mensch erreicht sie nicht. Und so schaut er sie nicht von Seelenangesicht zu Seelenangesicht.

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Und wenn der Mensch dann meditierend vordringt bis zu der weiteren Welt der Cherubine, der weisheitsvollen Wesen, die die Welt durchweben und durchleben, dann macht er die große Ent­deckung, wie aus der Welt der Cherubine in ihn hereindringt ein Weltenwirken, innerhalb dessen die Stimme des Gewissens lebt.

Oh, die Stimme des Gewissens ist von hohem Ursprung, hoher Wesenheit. Sie lebt eigentlich in der Welt der Cherubine. Aus die­ser Welt der Cherubine webt sie sich hinein in das Menschenwesen und tönt aus den Tiefen dieses Menschenwesens unbestimmt zu-nächst herauf. Aber es ist eine große, gewaltige Begegnung, wenn der Mensch im Intuitionsleben, da, wo er sich in Verbindung setzen kann mit dem Feld der Cherubine, der Welt begegnet, in der sein Gewissen west und webt. Es ist die größte persönliche Entdeckung, die der Mensch machen kann.

Dazu ermahnt uns der Hüter der Schwelle mit den Worten:

Es spricht, der die Geistesstrahlen, die hellen
Aus Gottes-Wirkensfeldern, gnadevoll
In deinem Blute kreisen läßt:
     Blick' auf des Gewissens Seelen-Führung.

In Wahrheit ist es der Geist, der im Blute kreist aus dem Felde der Cherubine heraus, der die Stimme des Gewissens darstellt. Das Blut ist in allen Teilen unseres Menschenwesens physisch; aber es trägt, indem es in allen Teilen unseres Menschenwesens physisch ist, diese Stimme des Gewissens zugleich mit anderem. Und es weben die Wellen des cherubinischen Lebens in dem seelischen Dasein unseres Blutes.

Wir gewinnen für diese Meditation einen größeren Halt, wenn wir uns die Situation so vorstellen:

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Erst spricht dasjenige, was aus den Weltenweiten kommt:

       Vernimm des Willens Feld.

Der Hüter der Schwelle ermahnt uns:

Es spricht, der die Weltenkräfte, die dumpfen
Aus den Erden-Untergründen, den finstren
In deiner Glieder Regsamkeiten lenket.

Dann stellen wir uns vor [es wird gezeichnet] : Webende Wolken [blau], webende Wolken als Symbolisierung der Throne. Und in­dem wir diese webenden Wolken vorstellen, hören wir die Throne, die Stimmen aus der ersten Hierarchie:

Blick' auf deiner Triebe Feuer-Wesen.

Dann spricht der Hüter der Schwelle weiter:

Es spricht, der die Geistesstrahlen, die hellen
Aus Gottes-Wirkensfeldern, gnadevoll
In deinem Blute kreisen läßt.

Jetzt stellen wir uns vor, durchzuckend diese Wolken: Blitze [rot], denn Blitze sind die Werkzeuge der Cherubine, die feurigen Schwerter der Cherubine. Indem diese Blitze zucken durch die Wolken, fühlen wir dieses Zucken in den Worten:

       Blick' auf des Gewissens Seelen-Führung.

Dann spricht der Hüter der Schwelle:

Es spricht, der das Menschensein, das vollbrachte

- das sind die früheren Erdenleben -

Durch Tode und Geburten, sinngerecht
Zum Atmen bringt in gegenwärt'ger Zeit.

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Dabei stellen wir uns vor, wie der ganze Himmel über den Blitzen mit webenderWärme [es wird weitergezeichnet, gelb], mit webender Hitze die Blitze heruntersendet. Und in dieser weben den Flitze aus Weltenweiten empfinden wir die Sprache der Seraphine:

       Blick' auf deines Schicksales Geistes-Prüfung

wie sich das Schicksal von Erdenleben zu Erdenleben in dieses gegenwärtige Erdenleben herein erstreckt.

Das Mantram ist besonders wirksam, wenn es in dieser Weise zugleich mit dem Bilde empfunden wird. Und man kann sich gerade für dieses Mantram - weil ja der Wille das Geheimnisvollste ist - vorbereiten, vorbereiten dadurch, daß man, abstreifend alle Trivialität von den Worten, das Hinweisende, Hinlenkende, Weltenrichtung-Gebende empfindet an diesem Bilde, indem man mit einem guten deutschen Worte - das nur leicht trivial aufgefaßt werden könnte, aber es muß, wenn man es nun hier braucht, alle Trivialität davon abgestreift werden - statt ,Ihrone «Sitze» sagt.

Also stellt Euch vor, meine lieben Schwestern und Brüder: Ihr fühlt das Wort «Sitze»,

[es wird an die Tafel geschrieben:] Sitze

Wolkensitze; bildet Euch die Wolkenvorstellung, daß sie vor Euch steht. Ihr bildet das Wort «Blitze»,

[über «Sitze» wird geschrieben:] Blitze

wiederum mit der Vorstellung «Hineinblitzen»: die zuckenden Blitze in die Wolken hinein. Ihr bildet das Wort «Hitze»,

[über «Blitze» wird geschrieben:] Hitze

Weltenhitze; und fühlt in diesem dreifachen «i» das Aufsteigen von den Wolkensitzen zu den Blitzen und zu der Weltenhitze, aus der die Blitze kommen. Ihr fühlt vorbereitend zum Mantram:

Sitze, Blitze, Hitze.

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Und dann, nachdem dies vor Euch steht, fühlt Ihr mit dem Bilde die Kraft des Mantrams:

[Das Mantram III wird nun an die Tafel geschrieben und gleichzeitig in der ersten Zeile «Willens» und jeweils die letzte Zeile von Teil 1, 2, 3 unterstrichen:]

III. Vernimm des Willens Feld:

1.) Es spricht, der die Weltenkräfte, die dumpfen
    Aus den Erden-Untergründen, den finstren
    In deiner Glieder Regsamkeiten lenket:
        Blick' auf deiner Triebe Feuer-Wesen.

2.) Es spricht, der die Geistesstrahlen, die hellen
    Aus Gottes-Wrkens feldern, gnadevoll
    In deinem Blute kreisen läßt:
        Blick' auf des Gewissens Seelen-Führung.

3.) Es spricht, der das Menschensein, das vollbrachte
    Durch Tode und Geburten, sinn gerecht
    Zum Atmen bringt in gegenwärt'ger Zeit:
        Blick' auf deines Schicksales Geistes-Prüfung.

In solchen Sprüchen ist nichts bloße Phrase: sondern hier han­delt es sich um der «Glieder Regsamkeiten» - ich habe es geschil­dert als ein Zusammenarbeiten der Ich-Organisation mit den Kräften der Erde -: ganz übersinnlicher Vorgang. Dessen müssen wir uns bewußt sein im ersten Teil des Mantrams.

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Im zweiten Teil des Mantrams: wir müssen uns bewußt sein der durch den ganzen Organismus gehenden Blutzirkulation, die in ihrem Wellenkreisen dasjenige enthält, was das Gewissen hat. Das Schicksal aber, das lebt im Grunde genommen in unserem Atem, insofern der - der oberste Teil des rhythmischen Systems - durch­strömt wird nicht nur von dem, was heute uns im Atmen belebt, sondern indem der Atem geformt wird aus früheren Erdendaseins­stufen.

Hier [im Teil 1] werden wir von dem Hüter der Schwelle ver­wiesen auf die

Throne
hier [im Teil 2] auf die Cherubine
hier [im Teil 3] auf die Seraphine

[«Throne» wird neben Teil 1. «Cherubine» neben Teil 2, «Seraphine» neben Teil 3 geschrieben.]

Das Symbolum, das wir wählen, um dem Mantram die nötige innere Stärke und Geisteskondensation zu geben, das drückt uns die Offenbarung der ersten Hierarchie in einer sehr schönen Weise aus: Wolken, ,Ihrone, aber zu gleicher Zeit dasjenige, aus dem die ,Ihrone, wenn wir auf das Geistige in den Wolken hinschauen, aus dem die ,Ihrone ihre Substanz nehmen, ihr eigenes Wesen; Wesen nehmen sie daraus.

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[Es wird an die Tafel geschrieben und dabei «Wesen» unterstrichen:]

Wolken - Throne - Wesen

Wir blicken auf zu den Blitzen. Oh, die Cherubine sind schon verhüllter. Bei den Thronen kann man spüren, wie sie in den Wol­ken selber weben. Die auftürmenden Wolken geben die Substanz der ,Ihrone her. So leicht in ihrem Anblick machen es uns die Che­rubine nicht. Sie verbergen sich mehr als die ,Ihrone Sie zeigen uns nicht sich selbst in den Formungen. Sie zeigen uns in den Blitzen ihre Werkzeuge. Sie sind hinter ihren Werkzeugen. Sie zeigen uns in den Blitzen nicht ihr Wesen, nur ihre Werkzeuge:

[Es wird an die Tafel geschrieben und dabei «Werkzeuge» unterstrichen:]

Blitze - Cherubine - Werkzeuge

Und steigen wir gar auf zu der Weltenhitze, da verbergen sich tief darinnen die Seraphine; viel tiefer als die Cherubine hinter den Werkzeugen, den Blitzen. Das ist nur der Schein, diese Weltenhitze, nur der Schein der Seraphine. Die ,Ihrone offenbaren sich durch ihr Wesen; die Cherubine offenbaren sich durch ihre Werkzeuge; die Seraphine offenbaren sich durch den Schein, der aus ihnen aus­strahlt:

[Es wird an die Tafel geschrieben und dabei «Schein» unterstrichen:]

Weltenhitze - Seraphine - Schein
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Und so stellen wir die Verbindung her zwischen dem Menschen und der ersten Hierarchie im Felde des Wollens:

       Vernimm des Willens Feld:

Es spricht, der die Weltenkräfte, die dumpfen
Aus den Erden-Untergründen, den finstren
In deiner Glieder Regsamkeiten lenket:
     Blick' auf deiner Triebe Feuer-Wesen.

Es spricht, der die Geistesstrahlen, die hellen
Aus Gottes-Wirkensfeldern, gnadevoll
In deinem Blute kreisen läßt:
     Blick' auf des Gewissens Seelen-Führung.

Es spricht, der das Menschensein, das vollbrachte
Durch Tode und Geburten, sinngerecht
Zum Atmen bringt in gegenwärt'ger Zeit:
     Blick' auf deines Schicksales Geistes-Prüfung.

Es kommt aber alles darauf an, daß wir in der Situation uns dar­innen empfinden so, als ob wir gar nicht selber sprechen, denken, fühlen und wollen würden; sondern es kommt darauf an, daß wir uns selber ganz vergessen und in dieser Situation in dreifacher Weise uns angetönt erfühlen und empfinden.

Ja, meine lieben Schwestern und Brüder, es ist schon notwendig, daß man solche mantrischen inneren Verrichtungen in vollem Ernste nimmt. Dann bewirken sie, was sie bewirken sollen. Dann bringen sie uns vorwärts auf dem Felde, auf dem dreifachen Felde

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der geistigen Welten, auf dem Felde des Denkens, Fühlens,Wollens. Und überall handelt es sich darum, daß wir in vollem Ernste in diesen Dingen drinnenstehen können.

Dazu ist eigentlich noch etwas notwendig, was berücksichtigt werden muß. Der Meditierende wird ja oft wiederum in den Schlendrian des gewöhnlichen Lebens zurückfallen. Er muß das ja auch, da er zwischen Geburt und Tod ein Erdenmensch ist. Das gewöhnliche Bewußtsein muß sich immer wieder finden. Aber wir können ja so sein im Leben, so zum Beispiel: wenn wir - ich meine jetzt, im negativen Sinne können wir es -, wenn wir irgendeinen Schmerz, der habituell bleibt, der chronisch wird, wenn wir den haben, wir empfinden ihn immer; wir können manchmal ihn über­sehen, aber wir empfinden ihn. So sollten wir auch erleben, wenn wir einmal erfaßt worden sind von der Kraft der Meditation. Wir sollten uns eigentlich immer so fühlen, daß wir uns sagen: dieses gewöhnliche Bewußtsein hat ja einmal meditiert, es ist ja einmal erfaßt worden von der es durchsetzenden Kraft der Meditation. Wir sollen fühlen, daß die Meditation da war, daß wir einmal in ihr waren. Wir sollen ein anderer Mensch geworden sein dadurch, daß wir fühlen, die Meditation macht uns zu etwas anderem. Dadurch, daß wir einmal mit ihr begonnen haben, können wir gar nicht mehr im Leben vergessen - auch nicht für Augenblicke ver­gessen, meine lieben Schwestern und Brüder -, daß wir Meditie­rende sind. Dann ist dies die rechte Stimmung des Meditierenden.

Wir sollen so uns hineinleben in das Meditieren - wenn wir natürlich auch selbstverständlich das Meditieren nur kurz treiben, ohne daß es uns das übrige Leben stört -, daß wir eigentlich immer uns fühlen als Meditierende und daß wir, wenn wir einmal ver­gessen, daß wir Meditanten sind, und nachher darauf kommen, wir haben das vergessen, es hat Momente im Leben gegeben, wo wir das vergessen haben: da sollten wir uns das Gefühl aneignen, uns so zu schämen, wie wir uns schämen würden, wenn es uns passierte, daß wir ohne Kleider nackt durch eine ganz mit Menschen

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besetzte Straße liefen. Das sollten wir uns aneignen. So soll­ten wir den Ubergang vom Nichtmeditieren zum Meditieren auf­fassen, daß es keinen Moment gibt, der so ist, daß, wenn wir ihn ohne das Bewußtsein, daß wir Meditanten sind, hinterher ent­decken, wir uns seiner nicht schämen würden. Das ist dasjenige, worauf viel ankommt.

Und dann werden wir wirklich fortschreiten in dem, was uns durch das Weltenwort, mit dem wir begonnen haben, gesagt wird:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Aber wir müssen auch uns immer wieder vor die Seele führen, daß Erkennen eine ernste Sache ist, daß die Welt der großen Illu­sion, die Welt der Maja, uns das Erkennen nicht liefert, daß wir erst an die Schwelle kommen müssen, wo der Hüter steht, und daß an der Schwelle erst alle die Truggestalten verschwinden, mit denen die gewöhnliche Sinneswirklichkeit und das gewöhnliche Denken erfüllt sind.

Das können wir empfinden, wenn aus denselben Weltentiefen, aus denen wir heraus wahrgenommen haben das Weltenwort, das eben gesprochen worden ist, es ferner zu uns klingt:

Erkenne erst den ernsten Hüter,
Der vor des Geisterlandes Pforten steht,
Den Einlaß deiner Sinnenkraft
Und deines Verstandes Macht verwehrend,
Weil du im Sinnesweben
Und im Gedankenbilden
Aus Raumeswesenlosigkeit,
Aus Zeiten Truggewalten
Des eignen Wesens Wahrheit
Dir kraftvoll erst erobern mußt.

Wenn wir solches gehört haben, kann in uns andächtig das Ge­genwort aus den Tiefen unserer Seele heraus sprechen:

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Ich trat in diese Sinnes-Welt,
Des Denkens Erbe mit mir führend,
Eines Gottes Kraft hat mich hereingeführt.
Der Tod, er steht an des Weges Ende.
Ich will des Christus Wesen fühlen.
Es weckt in Stoffes-Sterben Geist-Geburt.
Im Geiste find' ich so die Welt
Und erkenne mich im Weltenwerden.

Es wird also jetzt immer diese Stunde am Sonnabend um die­selbe Zeit sein.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 91 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 91
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VIERZEHNTE STUNDE Dornach, 31. Mai 1924

Meine lieben Freunde! Wir haben betrachtet die Stellung des Men­schen zum Hüter der Schwelle und haben stufenweise uns vor die Seele geführt, wie das Verhältnis des Menschen zum Hüter der Schwelle auf dem Wege der Erkenntnis ist. Wir wollen heute uns die Situation vor dem Hüter der Schwelle ganz lebendig einmal vor die Seele zunächst stellen, um in dieser esoterischen Betrach­tung ein Stück weiterzukommen.

Der Mensch verläßt - ich repetiere dasjenige, was in den bis­herigen Stunden betrachtet worden ist, situationsgemäß -, der Mensch verläßt die physische Welt, in der er sein gewöhnliches Bewußtsein entfaltet. Er wird gewahr, daß diese sinnlich-physische Welt zwar großartig sein kann, freudevoll, auch leidvoll, schmerzvoll, daß sie majestätisch sein kann; daß er allen Grund hat, mit seinem Bewußtsein ihr anzugehören. Aber er wird auch gewahr, daß er sich selbst niemals erkennen kann, wenn er bloß den be­trachtenden Blick und die empfindende Seele auf diese physische Welt hinlenkt. Und er muß sich sagen: So großartig das ist, was Farbe an Farbe sich reiht und Form an Form sich gliedert, das­jenige, was ich selbst meinem Ursprung und meinem Wesen nach bin, das findet sich nicht in den Weiten dieses Umkreises.

Da aber tönt dennoch als die bedeutsamste Aufgabe im Leben des Menschen das Wort der Selbsterkenntnis von allen Seiten an den Menschen heran: O Mensch, erkenne dich selbst!

Und auch das wird dem Menschen klar, daß er im gewöhn­lichen Leben ja geschützt ist davor, unvorbereitet in die Welt hin-einzukommen, die eigentlich die Welt seines Wesens ist. Und der Hüter der Schwelle zeigt sich als diejenige Wesenheit, die den Men­schen, wenn er in die geistige Welt jede Nacht im Schlafe hinein-geht, davor behütet, bewußt dasjenige wahrzunehmen, was im

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Schlafe um ihn herum ist, weil er durch dieses Wahrnehmen dessen, worinnen er im Schlafe ist, so furchtbare Erschütterungen durch­machen würde - wenn er's unvorbereitet durchmacht -, daß er das Wachleben nicht in menschenkräftiger Weise vollenden könnte.

Der Hüter der Schwelle macht aber zugleich dem Menschen klar, daß er - dieser Hüter selbst - der wahren, der echten Er­kenntnis einziges Tor ist.

Dabei bemerkt der Mensch, daß er, bevor er in das Reich der Erkenntnis eintritt, an einen Abgrund kommt, daß dieser Abgrund zunächst sich als ein Gebiet des Bodenlosen darstellt. Die Stütze hört auf, auf der man steht in der physischen Welt. Man kann da nicht hinüberschreiten. Man kann diesen Abgrund nur übersetzen, wenn man sich vom Physischen befreit, wenn einem also - sym­bolisch gesprochen - «Flügel wachsen», daß man als geistig­seelisches Wesen über den Abgrund hinüberkommt.

Aber der Hüter der Schwelle ruft einem erst zu, wie man den Abgrund achten soll; und namentlich die Tiere, die aufsteigen als Geist-Gestalten aus diesem Abgrunde, wie man die achten soll; wie man sich klar sein soll, daß diese Tiere die äußere Spiegelung sind des ungeläuterten Wollens, Fühlens, Denkens; daß diese Tiere erst überwunden werden müssen. Und in einem anschaulichen Bilde stellt sich dem Menschen vor Augen, wie sein Wollen, Fühlen und Denken in drei Tieren - einem gespenstigen, einem greulich anzuschauenden und so weiter - sich offenbart.

Dann wird von dem Hüter der Schwelle weiter uns gezeigt, wie Denken, Fühlen und Wollen sich in sich selber erkraften können, nachdem sie mit vollem Bewußtsein sich entschlossen haben, zu überwinden die Tiere. Bis dann der Mensch eintritt in die geistige Welt, ist er genötigt, im Anblicke der geistigen Welt Situations­Meditationen zu entfalten, sich hineinzufinden, wie der Kosmos zu ihm spricht, wie die Hierarchien zu ihm sprechen, wie zunächst alles verkündet dasjenige, was den Menschen drüben erwartet in der geistigen Welt.

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Und immer mehr werden wir durch das, was in den Mantren vor unsere Seele getreten ist, gewahr, wie der Mensch ein anderer werden muß, wenn er den Abgrund überschreiten, wenn er sich einleben will in dasjenige, was jenseits des Abgrundes ist. Immer mehr werden wir gewahr: Hier auf der Erde verkehren wir mit den Wesen der drei Naturreiche und mit den Menschen; drüben verkehren wir mit den entkörperten Seelen und mit den Geistern der höheren Hierarchien. Ein anderer Umgang ist da. Eine ganz andere Seelenverfassung fordert dieser ganz andere Umgang.

Da ist es noch einmal die Aufgabe des Hüters der Schwelle, den Menschen kräftig hinzuweisen, wie er sich nun zu verhalten hat, zu verhalten hat namentlich gegenüber der Tatsache, daß man ja, wenn man den Abgrund überschreitet, wenn man überhaupt er­fährt etwas von der geistigen Welt in ihrer Wirklichkeit, wie man da dazu kommen muß, eine ganz andere Seelenverfassung zu haben.

Der Mensch wird da gewahr, wie zwei Seelenverfassungen in ihm Wirklichkeit werden können: die Seelenverfassung diesseits des Abgrundes mit dem gewöhnlichen Bewußtsein; die Seelenver-fassung jenseits des Abgrundes außerhalb des physischen und des ätherischen Leibes, die Seelenverfassung in der rein geistigen Welt.

Da, wo der Unterschied dieser Seelenverfassungen auftritt, er­warten den Menschen große Gefahren; Gefahren, die sich zunächst allerdings so zeigen, daß wir sie als kleine Abweichungen von der normalen Seelenverfassung zu schildern haben, daß wir immer innerhalb des Seelischen bleiben, wenn wir sie richtig schildern, die aber ihre Extreme in krankhaften Mißbildungen des Seelischen doch haben. Es muß natürlich immer betont werden: Wenn der Gang in die höheren Welten so angestellt wird, wie er sorgfältig gekennzeichnet ist in den Büchern «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», in mancher kleineren Schrift, die auf an­throposophischem Gebiete erschienen ist, im zweiten Teil meiner «Geheimwissenschaft», dann kann ein Abirren von der normalen

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Seelenverfassung nicht stattfinden, auch nicht in leiser Weise statt-finden. Der Mensch wird vollbewußt sowohl zunächst in der Er­kenntnis durch den gesunden Menschenverstand hinübergehen in die geistige Welt, wie auch durch die Initiation. Aber wissen muß der Mensch, wie er in zweifacher Weise aus der alltäglichen, ihn fest ins Leben hineinstellenden Seelenverfassung herauskommt, wenn er nicht alles dasjenige beachtet, was der richtige Wegweiser ist hinein in die geistige Welt.

Hier, diesseits der Schwelle, stehen wir auf der Erde, auf dem festen Erdenelemente. Der Boden ist unter unseren Füßen. Der Boden ist uns Stütze. Wir haben um uns das wäßrige Element, das auch teilnimmt an unserer eigenen Leibesbildung. Dieses wäßrige Element kann uns im gewöhnlichen Leben nicht Stütze sein, aber es durchdringt uns, bildet sich um zu unserem Blute. Es ist in un­serem Wachstum, in unseren Ernährungskräften enthalten. Wir atmen die Luft. Das luftartige, das gasartige Element ist um uns herum. Die Wärme ist um uns herum, der Wärmeäther, das vierte Element.

Sie sind getrennt voneinander im gewöhnlichen Leben. Wo feste Erde ist, ist nichtWasser. Wo Wasser ist, ist nicht Luft.Wo Luft ist, ist nicht Wasser. Nur das Feuer - die Wärme - durchdringt alles; es ist das einzige, was beginnt, alles zu durchdringen.

In dem Augenblicke, wo wir herausgehen - auch nur auf den ersten Anhub, meine lieben Freunde -, herausgehen aus dem phy­sischen Leib, hört diese Differenzierung, diese Trennung der Ele­mente auf. Wir vergrößern uns, wir dehnen uns aus, und wir sind gleichzeitig in Erde, Wasser, Feuer, Luft. Wir können sie nicht mehr unterscheiden voneinander; und die Eigenschaften hören auf, die diese vier Elemente haben. Die Erde ist uns nicht mehr Stütze, denn ihre Festigkeit hört auf. Das Wäßrige bildet uns nicht mehr, denn seine formenden Kräfte hören auf. So wie wenn wir ins Wasser uns hineinstürzten, nicht schwimmen würden, wo wir vom Wasser getrennt sind, sondern uns sogleich auflösen würden

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- wie in einem warmen Wasser das Eis sich auflöst -, wie wenn wir mit dem Wasser eins würden, so tragen wir nicht mehr, wenn wir hinüberkommen in die geistige Welt, das Blut als ein getrenntes Element in den Adern, sondern unser Blut wird eins mit dem all­wesenden wäßrigen Elemente des Universums. Ebenso mit der

Luft: sie hört auf, die bildende Atemkraft in uns zu sein. Die Wärme hört auf, uns zu einem Ich zu entflammen, uns innerhalb der Wärme als Selbst zu fühlen. Alles das hört auf. Diesem Auf­hören der Differenzierung in Erde, Wasser, Luft, Feuer müssen wir die richtige Stimmung entgegenbringen.

Wir denken uns also, daß wir bereits den Abgrund überflogen haben. Drüben sind wir angekommen, meine lieben Schwestern und Brüder. Da ruft uns zu der Hüter der Schwelle, wir sollen uns wieder umdrehen und das Antlitz zu ihm wenden.

Nun stellt Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, recht lebendig vor: Der Mensch ist drüben angekommen, da, wo ihm offenbar werden die Wahrheiten, die Erkenntnis über die geistige Welt. Er steht drüben. Der Hüter der Schwelle veranlaßt ihn, sich umzusehen, um die Ermahnungen entgegenzunehmen, die er jetzt braucht, wo er schon gewissermaßen berührt worden ist von der Seelenverfassung, die drüben ist, jenseits der Schwelle, innerhalb der geistigen Welt, wo man in den vier Elementen selber drinnen lebt: in Erde, Wasser, Luft, Feuer.

Da tritt die eine Gefahr an den Menschen heran, daß er sich

- verzeiht, meine lieben Schwestern und Brüder, den trivialen Ausdruck -, daß er sich illusionsmäßig verliebt in das Losgelöst­sein von der festen Erde, von der bildenden Wasserkraft, von der schaffenden Luftkraft, von der Selbstheit erweckenden Wärme-kraft, daß er wonnig sich fühlt nur in der geistigen Seligkeit, wie hingegeben an die Wonne des Geistes, und daß er verharren will in dieser Seligkeit des Geistes.

Dieses überkommt ihn, weil die luziferische Verführung an ihn herantritt. Je nach seinem Karma kann der Mensch nun zugänglich

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sein für diese luziferische Verführung mehr oder weniger. Ist er zugänglich, so daß er sich ganz und gar nur verliebt in das Er­leben der Auflösung in Erde, Wasser, Luft und Feuer, dann erfaßt ihn das Luziferische, und er will nicht mehr aus dieser Seelenstim­mung herauskommen. Er läuft Gefahr, wenn er wiederum zurück­kommt in das alltägliche Leben, diese Seelenstimmung fortzu­setzen. Da muß ihm der Hüter der Schwelle zurufen:

Du darfst das nicht. Du darfst nicht Luzifer verfallen. Du darfst nicht bloß die Wonnen der Seligkeit in der Auflösung in Erde, Wasser, Feuer, Luft empfinden. Du mußt dir fest vornehmen jetzt, wenn du wiederum zurückkehrst in die physische Welt, die Seelen-verfassung des gewöhnlichen Bewußtseins der physischen Welt anzunehmen, sonst wirst du in der physischen Welt künftig ein verworrener Mensch.

Das ist die luziferische Gefahr, daß man bei der Rückkehr aus der geistigen Welt, bei der Rückkehr von jenseits der Schwelle ein verworrener Mensch wird, sich nicht mehr auskennt in der Welt, ein Schwärmer wird, einer, der Schwärmerei für Idealismus hält, der das gewöhnliche Bewußtsein verachtet. Das darf man nicht. Und eindringlich ermahnt der Hüter der Schwelle, daß man den Entschluß fasse, mit einer jeglichen Welt, sei es die irdische, sei es die überirdische, entsprechend zu leben.

Aber eine zweite Mahnung setzt der Hüter der Schwelle daran. Diese zweite Mahnung ist diese, daß man achten soll, wenn man da drüben angekommen ist mit dem gespaltenen Denken, Fühlen und Wollen, wieviel noch in diesem Denken, Fühlen und Wollen von irdischen Hängen, von irdischen Neigungen vorhanden ist.

Da kann der Mensch wiederum die Neigung haben, dasjenige, was er erfahren hat dadurch, daß er diesseits die feste Erdenstütze hat, erst recht zu verfestigen und mit der materialistischen Seelen-verfassung hinüberzugehen ins Jenseits der Schwelle, mit den er­starrten, verfesteten Bildungskräften des Wassers hinüberzugehen. Dann kann er von einem irdischen Hochmut geplagt werden und

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kann sich sagen: Ich habe im Erdenleben geatmet, in mich ein­gesogen jenen Atem, aus dem einstmals der Vatergott die Men­schenseelen, die Menschenleben geschaffen hat; ich kann das auch, wenn ich nur befreit werde von der irdischen Beschränktheit.

Aber, will der Mensch dasjenige, was er durch seinen Atem hat als schaffende Götterkraft, hinübertragen in die geistige Welt, da verfällt er der ahrimanischen Verführung. Da kann er auch nicht wieder zurückkehren, weil ihn, ehe er zurückkehren will, drüben in der geistigenWelt die Ohnmacht erfaßt. Er wird bewußtlos mehr oder weniger. Das Bewußtsein wird ihm herabgelähmt. Dadurch, daß ihm das Bewußtsein herabgelähmt wird, wird er mehr oder weniger ein Werkzeug der ahrimanischen Mächte drüben in der geistigen Welt.

Es ist heute so, daß ja das geistige Leben seit dem Beginn der Michael-Zeit den Menschen - der nur grob ist heute, im Materialis­mus erstarrt - fast schon hinüberzieht in die geistige Welt. Und was das dann heißt, daß die ahrimanischen Mächte den Menschen er­greifen, wenn sein Bewußtsein herabgelähmt ist bei vollständig wachem Zustande sonst, ja, meine lieben Freunde, das hat sich ja ganz energisch gezeigt, als der große Weltkrieg ausgebrochen ist.

Ich habe gar manchem gesagt, als dieser Weltkrieg ausgebrochen war: Die Geschichte dieses Krieges wird nicht bloß vom physischen Plane aus geschrieben werden können. Dokumente sprechen da allein die Wahrheit nicht aus, weil von den dreißig, vierzig Men­schen, die in Europa eigentlich beteiligt waren an der Entstehung dieses Krieges, eine ganze Anzahl im entscheidenden Momente ein getrübtes Bewußtsein hatten, Werkzeuge für die ahrimanischen Mächte diesseits wurden. So daß vieles in dem, was im Weltkriege gelebt hat, von ahrimanischen Mächten angestiftet worden ist. Nur in okkulter Weise kann über diesen Weltkrieg geschrieben werden. Dasjenige, was man gewissermaßen wandelnd im Diesseits der Schwelle gesehen hat an mancher führenden Persönlichkeit gerade an der Schwelle des Ausbruches dieses Weltkrieges, das kann

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man wahrnehmen an denjenigen, die die Gewohnheiten der Seele hinübertragen ins Jenseits der Schwelle und drüben dann gelähmt werden, abgedämpft werden im Bewußtsein und ein Werkzeug der ahrimanischen Mächte werden.

Klar, vollständig besonnen muß der Mensch sein über dieses, daß er nicht darf die Seelenverfassung vom Jenseits der Schwelle ins Diesseits herübertragen, daß er nicht darf die Seelenverfassung des Diesseits der Schwelle ins Jenseits hinübertragen, sondern für jedes Gebiet, diesseits und jenseits des Abgrundes, ein menschen-starkes Innenbewußtsein entwickeln muß.

Das tritt nun für alle vier Elemente in den Mahnungen des Hüters der Schwelle auf. Diese Mahnungen sollen wir wiederum meditativ verarbeiten.

Also, Ihr stellt Euch vor, meine lieben Schwestern und Brüder, Ihr stündet drüben jenseits der Schwelle. Der Hüter hätte ge­wunken. Ihr schaut ihm ins Antlitz. Er ruft zunächst mahnend Euch zu:

Wo ist der Erde Festigkeit, die dich stützte?

Man hat sie nicht mehr. Aber das innere Herz regt sich und will eine Antwort geben. Aber dieses Herz, es kann in dreifacher Weise innerlich angeregt werden zur Antwort aus dem Kosmos heraus.

Es kann angeregt sein dieses Herz von dem Christus und seiner Kraft. Dann antwortet es:

Ich verlasse ihren Grund,

- der Erde Festigkeit nämlich -,

so lang der Geist mich trägt.

Das ist die richtige Stimmung: Ich verlasse die Stütze der Erde, so lange der Geist mich im Geistgebiete trägt, so lange ich außerhalb des Leibes bin.

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Aber das Herz kann auch angeregt sein von Luzifer. Dann ant­wortet es:

Ich fühle wonnig, daß ich fortan der Stütze nicht bedarf.

Da redet der Mensch in seinem Hochmut, in seinem Stolz so, als wenn er nun die Stütze auch nicht braucht, wenn er wieder zurückkehrt in die physische Welt.

Oder das Herz kann angeregt sein von Ahriman. Da antwortet es:

Ich will durch Geistes Kraft fester noch sie hämmern

- die Stütze - und hinübertragen die gehämmerte Stütze.

Niemand darf davor zurückschrecken, meditativ alle drei Ant­worten sich vor die Seele immer wieder und wieder zu führen, um in freier Wahl sich dann für die erste Antwort zu entscheiden. Denn er muß fühlen: das Innere will schon schwanken, hinneigen zu Luzifer, zu Ahriman. Das muß man in der Meditation sich vor Augen stellen.

Daher muß die Meditation enthalten für das Erdenelement:

[Der erste Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

1) Hüter - er spricht -: Wo ist der Erde Festigkeit, die dich stützte?

Antworten muß das menschliche Herz. Es antwortet, wenn es angeregt ist von Christus:

Christus: Ich verlasse ihren Grund, so lang der Geist mich trägt.

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Ist die Seele angeregt von Luzifer, so antwortet sie:

Lucifer: Ich fühle wonnig, daß ich fortan der Stütze nicht bedarf.

Das «so lang» [die beiden Worte «so lang» werden unterstrichen] läßt das Herz aus, will eine Ewigkeit anstelle der Zeitlichkeit set­zen und formt den Satz um.

Ist das Herz angeregt von Ahriman, so antwortet es:

Ahriman: Ich will durch Geistes Kraft fester noch sie

- die Stütze nämlich -

                                                                hämmern.

Und weiter: Damit die Seele in voller Weise sich hingibt dem, was da bevorsteht, kommt die zweite Mahnung des Hüters der Schwelle, die sich bezieht auf des Wassers Bildekraft. Diese Bildekraft des Wassers formt in uns aus dem flüssigen Elemente heraus die festen Organe. Alles dasjenige, was wir auch an Nahrung auf­nehmen, es muß zuerst flüssig werden, dann werden die Organe daraus geformt. Alles, was der Mensch an scharf konturierten Organen hat, wird aus dem flüssigen Elemente heraus getrieben. Diese formende Kraft hört auf, sobald man das Gebiet jenseits der Schwelle betritt. Der Hüter ermahnt, daß dies der Fall ist; er ruft uns zu, wenn wir da stehen jenseits der Schwelle, den Blick wie­derum gerichtet haben auf sein strenges Antlitz:

[Der zweite Teil des Mantrams wird an die Tafel geschrieben:]

II) Hüter: Wo ist des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?

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Der Mensch antwortet, wenn er in seinem Herzen vom Christus angeregt ist:

Mein Leben verlöscht sie, so lang der Geist mich formt.

Denn nun beginnt der Geist zu formen, wenn man drüben, außer­halb des Leibes ist.

Christus: Mein Leben verlöscht sie,

- «sie» ist die Bildekraft -

                                              so lang der Geist mich formt.

Wiederum in bescheidener Weise ist das «so lang» da.

[Die beiden Worte «so lang» werden unterstrichen.]

Ist die Seele aber angeregt von Luzifer, dann läßt sie das «so lang» aus und formt den Satz in stolzer, hochmütiger Weise um:

Lucifer: Mein Leben zerschmilzt sie,

- was ausgelöscht ist, kann wieder angefacht werden, was zer­schmolzen ist, bleibt zerschmolzen. Mein Leben zerschmilzt sie -

                                                daß ich erlöst von ihr werde.

Ist die Seele angeregt von Ahriman, dann antwortet sie:

Ahriman: Mein Leben befestigt sie, daß ich sie ins Geistgebiet versetze.

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Achtet darauf, meine lieben Schwestern und Brüder, wie in mantrischen Sprüchen alles innerlich sicher und bedeutungsvoll geformt ist. Hier [beim ersten Spruch] ist: «Ich verlasse», «Ich fühle», «Ich will»; das Ich spricht in der Antwort. Im zweiten Spruche spricht das Ich nicht mehr so egozentrisch, sondern es sagt «Mein Leben»: «Mein Leben verlöscht», «Mein Leben zer­schmilzt», «Mein Leben befestigt». Es wird durchaus sachgemäß mit dem Hineingehen in alle Realität gesprochen, wenn richtig im Geistigen gesprochen wird. Jene Lässigkeit im Formulieren von Sätzen, die dem Menschen eigen ist im physischen Gebiete, darf nicht hinein fortgesetzt werden ins Geistgebiet. Im Geistgebiet muß exakt und genau gesprochen werden.

Ihr müßt ja auch bedenken, meine lieben Freunde, daß das durchaus einer Realität entspricht, daß diese esoterische Schule eingesetzt ist nicht von Menschenwillen, sondern von der geistigen Welt, wie es gesagt worden ist im Anfang, daß alles dasjenige, was hier vorkommt in der esoterischen Schule des Goetheanums, durch­aus nur durch meinen Mund gesprochen wird, aber Diktat der geistigen Welt ist. Das muß so sein in jeder zu Recht bestehenden esoterischen Schule, auch in der Gegenwart und in der nächsten Zukunft, wie es in den uralt heiligen Mysterien der Fall war. Und diese esoterische Schule ist die wirkliche Michael-Schule, ist die Institution derjenigen geistigen Wesenheiten, die unmittelbar die Inspiration des kosmischen Willens Michaels haben.

Gegenüber dem Luftgebiete spricht wiederum mahnend der Hüter der Schwelle:

Wo ist der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?

- ins Dasein erweckte -.

Wie Jahve den Menschen durch das Einblasen des lebendigen Odems aus einem bloß lebenden Wesen durch den Reiz des Atems zu einem empfindenden geformt hat, so wird der Mensch durch

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seine Sinne, durch die Reize, die die Außenwelt auf die Sinne aus­übt, zu einem empfindenden Wesen gemacht. Aber was sind die Sinne?

Meine lieben Schwestern und Brüder, die Sinne sind ja nichts anderes als differenzierte Atmungsorgane. Auge, Ohr, alles ist ver­feinertes Atmungsorgan. Der Atem breitet sich nach allen Sinnen aus. Wie er in der Lunge lebt, lebt er im Auge. Nur daß er sich in der Lunge mit dem Kohlenstoff verbindet, im Auge mit dem ganz verfeinerten Kiesel. Im Organismus wird Kohlensäure gebildet [es wird gezeichnet: rot; «Kohlensäure» wird angeschrieben], in den Sinnen wird Kieselsäure in ganz verfeinertem Zustand gebil­det [gelb; «Kieselsäure» wird angeschrieben] * Nach unten lebt der Mensch, indem er den Sauerstoff zur Kohlensäure formt; nach oben lebt der Mensch in das Gebiet seines Sinnes-Nerven-Systems hinein, indem der Sauerstoff sich mit dem Silicium, dem Kiesel, verbindet und feine Kieselsäure bildet [grün] . So daß der Mensch so lebt, daß er, wenn der Atem sich ins Blut formt, er Kohlensäure bildet, wenn der Atem sich in die Sinne formt, er Kieselsäure bildet [gelbe Pfeile]; nach unten und nach außen durch den Atem Koh­lensäure; nach den Sinnen und zurück von den Sinnen in den Atmungsprozeß hinein in ganz feiner Dosis Kieselsäure.

Der Hüter der Schwelle ruft uns gegenüber dem, was in der Luft ist, zu:

Wo ist der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?

Der von dem Christus in seinem Herzen Angeregte antwortet:

Meine Seele atmet Himmelsluft,

- nicht mehr Erdenluft, Himmelsluft -

                                  so lang der Geist um mich besteht.

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Das von Luzifer angeregte Herz antwortet:

Meine Seele achtet ihrer nicht in Geistes Seligkeit.

Das von Ahriman angeregte Herz antwortet:

Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne.

Wie Jehova einst geschaffen hat mit der Luft, so saugt der ahri­manisch Gesinnte die Luft auf, um sie mit hinüberzutragen in die geistige Welt.


Der Hüter spricht zum Menschen:

[Der dritte Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben und dabei in der Christus-Zeile «solang» unterstrichen; siehe auch Seite 113:]

III) Hüter: Wo ist der Lüfte Reiz gewalt, die dich erweckte?

Das von Christus angeregte Herz spricht:

Christus: Meine Seele atmet Himmelsluft, so lang der Geist um mich besteht.

Das von Luzifer angeregte Herz spricht:

Lucifer: Meine Seele achtet ihrer nicht in Geistes Seligkeit.

- Der Lüfte Reizgewalt achtet sie nicht. -

Das von Ahriman angeregte Herz spricht:

Ahriman: Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne.

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Dem Feuer- oder Wärmeelemente gegenüber spricht der Hüter nun zunächst sein letztes Elementarwort, mahnend, daß der Mensch sich auch nicht verliere im Wärmeelemente, aber auch nicht das Wärmeelement, wie es sich im physischen Dasein, im Irdischen auslebt, hineintrage in die geistige Welt.

Vorher will ich nur, meine lieben Schwestern und Brüder, auf­merksam machen darauf, wie der Aufstieg ist:

«Ich» spricht zunächst der Mensch,
«Mein Leben» spricht der Mensch,
«Meine Seele» spricht der Mensch.

Nun spricht der Hüter mahnend gegenüber dem Feuerelemente:

[Der vierte Teil des Mantrams wird an die Tafel geschrieben und dabei in der Christus-Zeile das «so lang» unterstrichen:]

IV) Hüter: Wo ist des Feuers Reinigung,

- oder Läuterung -

                               die dir das Ich erflammte?

In dem, was uns als Wärme, als Feuer durchdringt, lebt unser Ich. Ich habe schon einmal, meine lieben Schwestern und Brüder, in diesen esoterischen Stunden darauf aufmerksam gemacht, daß sein festes Element bleibt im Unbewußten beim Menschen, auch das flüssige; obwohl der Mensch sich schon in seinem Lebensbehagen im flüssigen Elemente drinnen fühlt, bei der Sättigung oder bei dem Hunger erlebt die Eigentümlichkeit des flüssigen Elementes. Das luftförmige Element erlebt der Mensch schon seelisch: er be­kommt Atemnot, wenn die Zusammensetzung der Luft nicht in der richtigen Weise ist, und mit der Atemnot Angst. Da kommt's schon ins Seelische herein. Die Wärme ist etwas, in dem sich der Mensch ganz drinnen fühlt. Er macht seinen warmen und seinen

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kalten Zustand mit seinem ganzen Ich mit. Das Feuer erflammt das Ich.

Das von Christus angeregte Herz antwortet:

Christus: Mein Ich lodert im Gottesfeuer, so lang der Geist mich zündet.

Der Mensch braucht nicht die irdisch-materielle Wärme, wenn der Geist sein Ich erflammt oder zündet; da lodert das Ich im Gottes­feuer, nicht in Erdenwärme, nicht in Erdenfeuer.

Aber das von Luzifer angeregte Herz antwortet:

Mein Ich hat Flammenmacht durch Geistes Sonnenkraft.

In ungeheurem Stolze will an sich reißen das Ich, durch Luzifer verführt, dasjenige, was geistig von der Sonne als das Feuerelement kommt, und dieses Feuerelement - statt nur für die Zeit, wo der Geist es auflodern machte - sich für die Ewigkeit behalten, nimmer weggeben.

Lucifer: Mein Ich hat Flammenmacht durch Geistes Sonnenkraft.

Das von Ahriman angeregte Herz antwortet so, wie wenn es das Feuer, das es auf der Erde empfangen hat, in sich zu seinem Eigen-tum nehmen wollte und hinübertragen in die geistige Welt, die geistige Welt meistern mit dem Ich-Feuer der physischen Welt.

Ahriman: Mein Ich hat Eigenfeuer, das rein durch Selbstentfaltung flammt.

Nicht will das Ich im Geiste lodern, sondern das eigene Feuer ent­falten.

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Wiederum ist aufgestiegen in der Formulierung:

Der Mensch spricht zuerst «Ich»:

Ich verlasse
Ich fühle
Ich will.

Er wird dann objektiver, indem er dasjenige, was an ihm ist, als «Mein» anspricht:

Mein Leben verlöscht
Mein Leben zerschmilzt
Mein Leben befestigt.

Er geht mehr in das Innere hinein; das Innere wird ihm objektiv:

Meine Seele atmet
Meine Seele achtet nicht
Meine Seele saugt sie auf.

Jetzt steigt er noch weiter in sich hinein. Und, merket den Unterschied, meine lieben Schwestern und Brüder: früher ist einfach «Ich» gesagt; jetzt wird das «Ich» objektiv: «Mein Ich»,wie wenn es ein anderes wäre, wie wenn man von dem anderen als einem Besitz sprechen würde. Man ist eben mehr heraußen; man ist aus dem physischen Leib heraußen - der eben einen zunächst veranlaßt, ganz egoistisch vom «Ich» zu sprechen - und spricht:

Mein Ich

wie von einem Gegenstande. Das ist die richtige Redewendung hier.

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Diese Redewendung, man lernt sie, meine lieben Schwestern und Brüder, in aller Tiefe und Intensität kennen, wenn man mit solchen Seelen spricht, die durch die Pforte des Todes gegangen sind und eine Weile schon in der geistigen Welt sind. Die sagen nie «Ich», sondern die sagen immer «Mein Ich». Ich habe noch nie einen Toten nach demTode so sprechen hören, daß er gesagt hätte «Ich»; nur höchstens bald nach dem Tode. Aber in einiger Zeit nach dem Tode spricht der Tote «Mein Ich», weil er mit dem Auge der Göt­ter das Ich ansieht. Es wird ihm objektiv. Das ist das Charak­teristische. Daher kann nie eine Kundgebung von einem Toten, der längere Zeit verstorben ist, wahr sein, wenn der Tote «Ich» spricht, wenn er nicht sagt «Mein Ich». Aber die Seele sagt vor dem Hüter der Schwelle dieses «Mein Ich» an vierter Stelle.

Das, meine lieben Freunde, ist das wunderbare Zwiegespräch an der Schwelle zwischen dem Hüter der Schwelle und der Men-schenwesenheit. Es hat eine Eigentümlichkeit. Und diese Eigen­tümlichkeit, die wirklich stattfindet, wenn man vor dem Hüter der Schwelle in der Situation steht, wie sie geschildert worden ist hier, diese Eigentümlichkeit, man muß sie, wenn man die richtige Meditation dieses Dialoges entfaltet, verspürend hören. Man me­ditiert daher diese Worte, die hier heute als mantrische Worte zu Euch gekommen sind, meine lieben Schwestern und Brüder, rich­tig, wenn man die Worte gewissermaßen sich selbst sprechen hört, nachdem der Hüter gehört worden ist in der Seele von uns. Man meditiert also so, als ob man zunächst viermal den Hüter der Schwelle bei I, II, III, IV, bei Erde, Wasser, Luft, Feuer hörte; dann wie wenn man die eigene Seele antworten ließe, aber so, daß man zunächst wie innerlich beseelt von Christus die erste Antwort hört, die zweite Antwort wie die Stimme des Versuchers, die dritte Antwort wie die Stimme des aufgeblasenen materialistischen Ahriman-Geistes, der an den Menschen herantritt mit dem Ver­langen, die menschliche mineralisierte Wesenheit ins Geistige hineinzutragen.

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Daher wollen wir heute gewissermaßen die Art, wie dieses zu meditieren ist, als Schluß dieser esoterischen Stunde an uns heran­klingen lassen:

Wo ist der Erde Festigkeit, die dich stützte?
Ich verlasse ihren Grund, so lang der Geist mich trägt.
Ich fühle wonnig, daß ich fortan der Stütze nicht bedarf.
Ich will durch Geistes Kraft fester noch sie hämmern.

Wo ist des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?
Mein Leben verlöscht sie, so lang der Geist mich formt.
Mein Leben zerschmilzt sie, daß ich erlöst von ihr werde.
Mein Leben befestigt sie, daß ich sie ins Geistgebiet versetze.

Wo ist der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?
Meine Seele atmet Himmelsluft, so lang der Geist um mich besteht.
Meine Seele achtet ihrer nicht in Geistes Seligkeit.
Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne.

Wo ist des Feuers Reinigung, die dir das Ich erflammte?
Mein Ich lodert im Gottesfeuer, so lang der Geist mich zündet.
Mein Ich hat Flammenmacht durch Geistes Sonnenkraft.
Mein Ich hat Eigenfeuer, das rein durch Selbstentfaltung flammt.

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Die nächste dieser Klassenstunden darf ich ankündigen auf Samstag, Sonnabend, den 21. Juni, weil ich ja die Aufgabe habe, einen landwirtschaftlichen Kursus in Schlesien zu halten. Also Samstag, Sonnabend, den 21. Juni, ist die nächste Klassenstunde um halb neun dann.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 113 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 113
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FÜNFZEHNTE STUNDE Dornach, 21. Juni 1924

Meine lieben Freunde! Wir werden auch heute beginnen mit dem­jenigen mantrischen Spruch, der dem Menschen entgegentönt von allen Seiten der Weltvorgänge und der Weltwesen, wenn er mit wirklichem innerem Herzens- und Seelenverständnisse dasjenige aufzufassen vermag, was ihm die einzelnen Wesenheiten der Welt, die einzelnen Vorgänge der Welt zu sagen vermögen:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Meine lieben Schwestern und Brüder, meine lieben Freunde, es wird notwendig sein, da zu dieser Stunde verschiedene Klassen­mitglieder erschienen sind, die vorher nicht die Klasse mitgemacht haben, einiges nur um des Zusammenhanges willen zu sagen, was eben nötig ist zu wissen, wenn man dasjenige verständnisvoll wird aufnehmen wollen, was gerade heute der Inhalt dieser Klassenstunde sein soll.

Wir haben ja, meine lieben Schwestern und Brüder, es durch­gemacht, wie sich die Bilder des Lebens hinstellen vor die Seele, wenn der Mensch zur wahren, wirklichen Erkenntnis sich nähert jenem Abgrunde, der sich auftut zwischen der Welt, in der wir hier leben, die uns umgibt, und derjenigen Welt, die wir als diejenige erkennen wollen, in der wir unser wahres Wesen, unser eigent­liches menschliche Sein haben.

Wir werden ja gewahr, wenn wir die Welt um uns herum in rechter Weise wahrnehmen, wie diese Welt unsere intensivste Auf­merksamkeit in Anspruch nehmen muß. Wir richten den Blick vom niedersten Gewürme bis hinauf zu den glänzenden, funkeln­den Sternen des Himmels. Wir schauen überall herum durch die Reiche der Natur, aus denen vieles von dem entnommen ist, was wir selber in uns tragen. Und wir haben allen Grund, dasjenige, was da herum ist im strahlenden, hellen Sonnenlichte, so zu sehen, daß wir dessen Größe, dessen Weltbedeutung, dessen Majestät und Erhabenheit gründlich im Herzen und in der Seele fühlen. Und wir sollen durch die Teilnahme an irgendeiner Esoterik, durch die Teilnahme an irgendeiner Geisteswissenschaft durchaus nicht dazu verführt werden, irgendwie asketisch uns abzuwenden - denn das könnte nur eine falsche Askese sein -, uns abzuwenden weder von dem niederen Gewürm noch von dem erhabenen Sternenhimmel, weil diese der Welt der Sichtbarkeit angehören, uns irgendwie abzuwenden und nicht zu empfinden ihre Größe, Majestät und Erhabenheit, nicht zu empfinden die Bedeutung, die sie für uns selber haben.

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Wir sollen das empfinden. Wir sollen uns gerade als richtige Bekenner zur Geisteswissenschaft ganz drinnen fühlen in dem, was uns als die Welt um uns herum erscheint. Aber wir sollen auch gewahr werden, und wir können es gewahr werden - wenn wir in rechter Weise unser eigenes Herz, unsere eigene Seele zu den Dingen und Wesenheiten und Vorgängen der Welt stellen -, wir können es gewahr werden und sollen es gewahr werden, daß unser wahres, echtes, höchstes menschliche Sein in allen diesen Reichen der Na­tur nicht zu finden ist; daß es nicht zu finden ist - trotzdem diese Welt groß und erhaben ist - in der sonnenbeglänzten und sonnen-erhellten Welt; daß wir es suchen müssen in einer Welt, von der uns ein Abgrund in bezug auf Wahrnehmung trennt; und daß das­jenige, was jenseits des Abgrundes ist in derjenigen Welt, aus der wir wirklich stammen, sich uns zunächst darstellt als schwärzeste Fin­sternis. Wie eine Wand, wie eine schwarze Wand steht es vor uns, der Abgrund davor.

Aber das erste Wesen, dem wir begegnen, das steht an diesem Abgrunde. Wir würden ja, das müssen wir immer wieder betonen, jede Nacht, wenn wir schlafen, in demjenigen Reiche uns finden - denn wir sind wirklich darinnen -, dem wir angehören mit dem innersten, wahrsten Wesen unserer Menschlichkeit. Aber wir dür­fen in dieses Reich nur in voller Reifheit eintreten. Daß wir nicht in Unreife eintreten, davor hat uns zu bewahren dieser Hüter der Schwelle, der uns als das erste Geistwesen dann begegnet, wenn wir den ernsten, wahren Willen haben, in die Welt unseres Ursprunges, unseres Urstandes hineinzuschauen und hineinzukommen.

Dann ist es der Hüter der Schwelle selber, der uns die ersten Worte spricht, wenn wir den Weg betreten wollen über den Ab­grund hin in das Reich der Geistigkeit, aus dem wir stammen. Dann ist es der Hüter der Schwelle selbst, der uns zunächst mahnt, den Blick zurückzuwenden zu unserem eigenen Selbst, um in der Selbsterkenntnis die Grundlage für die Welterkenntnis zu suchen.

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Dann aber auch ist es der Hüter der Schwelle selbst, der uns zeigt, wie dasjenige, was zunächst als unser Seelenwesen in uns ist, unser Wollen, Fühlen und Denken, gegenüber der göttlich-geistigen Welt eine Gestalt hat, die in imaginativer Erkenntnis vor uns hingestellt werden kann. Da zeigt er uns diese Gestalt, die zunächst in unserer Gegenwart, in unserem Zeitalter, unser Fühlen, Denken und Wollen hat, in Gestalt von drei Tieren, die heraufsteigen aus dem Abgrund. Und alles Folgende ist dann Ermahnung von seiten des Hüters der Schwelle, daß wir sollen uns in einer bestimmten Weise verhalten zu diesen drei Tieren, das heißt zu uns selbst, um den Weg nun wirklich zu finden zum Verständnis derWelt, aus der wir urständen.

Das alles ist in mantrischen Sprüchen vor die Seelen derer ge­treten, die teilgenommen haben an diesen Stunden, und das alles führte dann hinüber zu dem, was in der letzten Stunde hier vor­gebracht worden ist.

Da standen wir ja schon vor der Situationsmeditation. Da wur­den wir angewiesen, uns zu schauen, wie wir da stehen bereits jen­seits des Abgrundes, aber noch unter den Ermahnungen des Hüters der Schwelle, der an uns richtet die Worte, die uns zum Verständ­nisse unserer Lage führen sollen, wenn wir den Abgrund über­flogen haben und in das Reich, das für uns zunächst finster ist, ein­getreten sind.

Hier, solange wir stehen in dem Reiche, aus dem wir nicht ur­ständen, nicht stammen, haben wir unter uns die Festigkeit der Erde - die uns trägt, auf die wir gestutzt sind, die wir, wie wir ge­sehen haben, mit unserem ganzen Körper tasten, wenn wir darauf stehen -, das erste, das Erden-Element.

Wir tragen in uns, indem wir fühlen dasjenige, was man in der Geisteswissenschaft «Wasser» nennt, was aber alle Flüssigkeit bedeutet - indem wir fühlen das flüssige Element in uns, das uns eigentlich erbildet, das uns wachsen macht, das alle Organe aus sich heraus erst werden läßt -, das zweite, das Wasser-Element.

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Auch in bezug auf dieses Wasser-Element, das ja auch das Blut-Element ist, bekommen wir die Ermahnung des Hüters.

In bezug auf dasjenige, was wir durch unseren Atem aufneh­men, das Luft-Element, in bezug auf dasjenige, was wir durch die Wärme, durch das in uns wirkende Feuer aufnehmen, auch da richtet bedeutungsvolle Worte der Hüter der Schwelle an uns.

Und in uns wirken die Weltenmächte, damit eine Antwort sich formt in unserer Seele auf dasjenige, was der Hüter der Schwelle mahnend uns frägt. Diese Antwort, die die Weltenmächte in uns selber regsam machen, diese Antwort kann kommen von Christus:

dann wird sie die rechte Antwort sein. Sie kann kommen von Luzifer: dann wird sie die unrechte Antwort sein. Sie kann kom­men von Ahriman: dann wird sie wieder die unrechte Antwort sein.

Die Ermahnung von Christus, sie wird immer so gestaltet sein gegenüber jedem einzelnen Elemente, daß der Christus in uns spricht, daß wir uns drüben in der geistigen Welt fühlen recht geistig, ganz geistig, völlig im Einklang mit dem Geist-Elemente, daß wir aber wissen, daß wir, solange wir Erdenmenschen sind, immer wiederum über den Abgrund zurückkehren müssen ins irdische Wesen und daß wir nicht wollen länger, als wir drüben sind in der geistigen Welt, die Eigenheiten der geistigen Welt an uns reißen.

Christus wird immer so zu uns sprechen, daß er uns ermahnt: solange wir in der geistigen Welt sind, sollen wir eins sein mit dieser geistigen Welt; wenn wir wieder zurückkommen, sollen wir auf Erden als rechte Erdenmenschen leben; denn nur mit dem Geisti­gen sollen wir in der Geistwelt sein wollen.

Luzifer wird uns immer aufstacheln und versuchen, daß wir wollen drinnenbleiben in der geistigen Welt, aufgehen in der Lust der geistigen Welt, aufgehen in dem Wohlgefallen der geistigen Welt.

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Ahriman wird uns immer ermahnen, daß wir sollen seine Dien­ste annehmen, daß wir sollen die geistige Welt herüberreißen in die physische.

Solches muß man auf seine Seele wirken lassen, damit man sich richtig drinnenfühlt in der ganzen Situation des Menschen gegen­über der geistigen Welt.

So also fühlen wir uns jenseits des Abgrundes schon in der gei­stigen Welt drinnenstehend, noch wie in äußerster Finsternis stehend; der Hüter der Schwelle am Abgrund, mahnend seine Rechte gegen uns wendend, Fragen an uns richtend, die uns tief einschneiden in die Seele. Spüren wir, wie dann aus uns auf jede einzelne Frage eine dreifache Antwort kommt: die Antwort des Christus, die Antwort des Luzifer, die Antwort des Ahriman.

Der Hüter spricht:

Wo ist der Erde Festigkeit, die dich stützte?

- Drüben ist kein Boden. Wir sind in der geistigen Welt. -

Der Hüter frägt:

Wo ist der Erde Festigkeit, die dich stützte?

Christus in uns antwortet:

Ich verlasse ihren Grund, so lang der Geist mich trägt.

Luzifer in uns antwortet:

Ich fühle wonnig, daß ich fortan der Stütze nicht bedarf.

Ahriman antwortet:

Ich will durch Geistes Kraft fester noch sie hämmern.

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Der Hüter spricht:

Wo ist des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?

Christus in uns spricht:

Mein Leben verlöscht sie, so lang der Geist mich formt.

Luzifer in uns:

Mein Leben zerschmilzt sie, daß ich erlöst von ihr werde.

Ahriman in uns spricht:

Mein Leben befestigt sie, daß ich sie ins Geistgebiet versetze.

Der Hüter spricht:

Wo ist der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?

Christus in uns:

Meine Seele atmet Himmelsluft, so lang der Geist um mich besteht.

Luzifer in uns:

Meine Seele achtet ihrer nicht in Geistes Seligkeit.

Ahriman in uns:

Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne.

Der Hüter spricht:

Wo ist des Feuers Reinigung, die dir das Ich erflammte?

Christus in uns:

Mein Ich lodert im Gottesfeuer, so lang der Geist mich zündet.

Luzifer in uns:

Mein Ich hat Flammenmacht durch Geistes Sonnenkraft.

Ahriman in uns:

Mein Ich hat Eigenfeuer, das rein durch Selbstentfaltung flammt.

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Wir werden geprüft durch die Mahnfragen des Hüters, wie wir uns zu der festen Stütze der Erde verhalten werden, zu der bilden­den Kraft der Flüssigkeit in uns, zu der Astrales erzeugenden Kraft der Lüfte in uns, zu der Ich-tragenden Kraft des Feuers in uns. Und in uns antwortet Christus, in uns die rechte Menschheit erregend. In uns antwortet versucherisch Luzifer, als ob wir an uns reißen wollten alle Wonnen für immer, die wir nur für die Augenblicke, in denen wir uns dem Geist mit Recht übergeben, in uns rege machen sollten. Und in uns antwortet Ahriman, als ob wir herübertragen wollten in die Gefilde der Erde dasjenige, dessen wir teilhaftig werden im Geisterland.

Wir müssen in unserer Seele wirken lassen dasjenige, was in der Seele möglich ist. Wir müssen uns aussetzen sowohl der Stimme des Christus, wie der Stimme des Luzifer, wie der Stimme des Ahriman. Meditierend müssen wir uns in diese Situation versetzen. Dann werden wir im Innern der Seele, gerade dadurch, daß wir aufgerufen werden in unserem tiefsten Innern, meine lieben Schwestern und Brüder, dadurch werden wir gerade so weit be­freit, daß wir im befreienden Geist-Erleben das geistige Element auch wirklich als das unsrige haben können.

Wir müssen heute wieder anknüpfen an diese Situation, müssen uns deutlich stehend fühlen jenseits dieser Schwelle des Abgrundes, den mahnenden Hüter der Schwelle uns zur Seite; in uns die Stim­men, die den Menschen zerren nach den verschiedensten Seiten hin: Luzifer und Ahriman; in uns die Stimme des Christus, der uns den rechten Weg zeigt, indem Luzifer von der einen, Ahriman von der anderen Seite uns beirren wollen. Dann werden wir die Stim­mung erhalten, die es möglich macht, daß wir mit dem Fühlen, mit dem Erfühlen in der geistigen Welt beginnen.

Das, meine lieben Schwestern und Brüder, können wir nur, wenn wir allmählich uns aneignen die Fähigkeit, gegenüber den höheren

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geistigen Wesenheiten so zu fühlen, wie gegenüber den Wesen­heiten der drei Reiche der Natur hier in der Sinneswelt.

Stehen wir hier in der Sinneswelt, dann fühlen wir draußen das Wesen des Steines, das Wesen des Mineralischen, und wir sagen uns: dieses Wesen des Mineralischen lebt auch in uns. Wir haben den Salzgehalt in uns. In dem Salzgehalt lebt das Mineralische in uns, das uns eigentlich erst möglich macht, innerhalb des Irdischen ein Mensch zu sein.

Wir schauen hinaus in die Pflanzenwelt. Wir wissen: das Pflan­zenwesen nehmen wir in uns auf, haben es in unserem irdischen Wesen innerhalb der Grenzen unserer Haut, tragen es in uns in unseren Wachstumsgewalten, tragen es in uns in all dem, was uns unsere Organe formt, tragen es in uns in all dem, was wir ent­wickeln auch im Schlafe. Wir fühlen das Pflanzenwesen in uns tragend, indem wir anschauen das Pflanzenwesen um uns herum.

Wir schauen hin auf die Tiere, wissen, daß wir in unserem Astra­lischen, in unserem Atmungsprozesse das Wesen der Tierheit selber in uns tragen. Wir schauen auf die mannigfaltigen Tiere und sagen: wir fühlen uns mit dieser Tierheit, weil wir diese Tierheit selber in uns tragen. Wir organisieren sie nur herauf ins Menschliche.

Und so fühlen wir uns als Mensch hier in der Sinneswelt stehend unter den Wesen der drei Reiche der Natur. So müssen wir uns fühlen lernen, wenn wir in der Geistwelt drinnenstehen, unter den­jenigen Wesenheiten, unter denen wir dann gerade so sind mit unserer geist-seelischen Menschlichkeit, wie wir hier sind mit un­serer ätherisch-physischen Menschlichkeit unter den Wesen der drei Reiche der Natur. Wie wir uns als physischer Mensch unter physischen Menschen wissen lernen, so müssen wir uns wissen ler­nen als geist-seelischer Mensch unter geist-seelischen Wesenheiten.

Kennengelernt haben wir dasjenige, was die uns Menschen be­rührende geist-seelische Welt ist, in der Form von drei Hierar­chien, wie wir kennengelernt haben durch das, was wir von außen wissen, die Wesenheiten innerhalb der Sinneswelt in den drei Reichen

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der Natur. Mit unserem ätherisch-physischen Wesen gehören wir den drei Reichen der Natur an. Mit unserem geist-seelischen Wesen gehören wir den drei Reichen der Hierarchien an. Stehen wir hier in der Sinneswelt, so muß es uns natürlich sein, den drei Reichen der Natur anzugehören, sie durch uns durchfließen zu lassen, unter ihnen zu stehen. Stehen wir in der geist-seelischen Welt drinnen, so muß es uns geist-seelisch sein, den Wesenheiten der höheren Hierarchien anzugehören für die Zeit, in der wir in der geistigen Welt uns erfühlen, uns unter diesen Wesenheiten der höheren Hierarchien so drinnenstehend zu erkennen, wie wir das sonst den Wesen der Reiche der Natur gegenüber tun.

Darauf weist uns wiederum der Hüter hin. Und es werden die mantrischen Worte, die nun herausgeholt werden aus der geistigen Welt durch die Zauberkraft der Stimme des Hüters, diese man­trischen Worte werden wiederum, immer und immer wiederum meditierend in unserer Seele erklingen müssen. Dann werden sie die Kraft haben, gerade durch die einfache Art, wie sie gestaltet sind, durch die Wiederholungen, die in ihnen sind, durch die eigen­tümliche Form, die sie haben eben, werden diese mantrischen Worte geeignet sein, in unserer Seele wachzurufen das Gefühl des Drinnenstehens in der geistigen Welt unter den Hierarchien.

Daher haben wir uns das nächste in den Mantren so vorzustel­len, daß der Hüter spricht. Wir stehen noch immer jenseits der Schwelle der geistigen Welt im Finstern, lernen zuerst fühlen in der geistigen Welt, bevor wir schauen lernen. Der Hüter spricht wie­derum mit Bezug auf die Elemente - Erde, Wasser, Luft zunächst; Feuer soll den Gegenstand der nächsten Klassenstunde bilden -, zunächst spricht der Hüter mit Bezug auf die Elemente Erde, Wasser, Luft: also alles dasjenige, was in uns Festes ist; alles das­jenige, was in uns Flüssiges ist, vor allen Dingen unser Blut und alle unsere Gewebesäfte; in bezug auf alles dasjenige, was in uns

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luftartig ist, die aufgenommene Luft von außen, was in uns atmungsartig ist. In bezug auf alles das spricht der Hüter. Und er ruft hervor dasjenige, was erklingt aus der Welt der Hierarchien.

Nachdem der Hüter sein Wort an uns gerichtet hat, spricht eine Hierarchie nach der anderen. Beim ersten Mantram die dritte Hierarchie: zunächst die Angeloi, die Archangeloi, dann zum dritten die Archai. In dieser Situation fühlen wir uns. Der Hüter der Schwelle spricht zu uns. Es ertönt aus dem Finstern heraus, wie wenn es aus den Untergründen käme und zugleich, ernst in unserer Seele sprechend, an uns heranklänge.

Der Hüter spricht:

Was wird aus der Erde Festigkeit, die dich stützte?

Aus der dritten Hierarchie die Angeloi:

Empfinde, wie wir in deinem Denken empfinden.

Aus der dritten Hierarchie die Archangeloi:

Erlebe, wie wir in deinem Fühlen erleben.

Aus der dritten Hierarchie die Archai:

Schaue, wie wir in deinem Wollen schauen.

Wir bekommen aus dem Kosmos heraus eine bedeutsame dreifache Lehre auf die Frage des Hüters der Schwelle hin. Seine Worte rufen mit Zaubergewalt die Antwort der Angeloi, Archangeloi, Archai hervor.

Was lehren uns die Angeloi? Wir Menschen denken.Wir glauben zunächst, nur unsere Gedanken zu erleben. Aber indem unsere Ge­danken durch unsere Seele ziehen, leben in unseren Gedanken die Angeloi in Wirklichkeit darinnen. Und wie wir mit unseren Sinnen empfinden, wie wir irgend etwas angreifen, erfassen, so leben in unserem Denken - das ist ihr Empfinden - die Angeloi drinnen.

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Sie bringen uns das zum Bewußtsein. Und ebenso wie empfinden in unserem Denken die Angeloi, so erleben in unserem Fühlen die Archangeloi, und so schauen in unserem Wollen die Archai.

Wenn irgendein Gedanke, meine lieben Schwestern und Brüder, durch Eure Seele zieht, dann fühlet, daß in diesem Gedanken ein Wesen aus der Hierarchie der Angeloi etwas empfindet. Da tastet, indem Ihr denkt, ein Angelos irgend etwas. Indem Ihr fühlt, erlebt ein Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi etwas. Indem Ihr wollt, indem Ihr Willen entfaltet, schaut ein Wesen aus der Hier­archie der Archai irgend etwas. Menschendenken, Menschen-fühlen, Menschenwollen ist nicht bloß ein Vorgang im Menschen. Während wir denken, empfinden die Angeloi; während wir füh­len, erleben die Archangeloi; während wir wollen, schauen die Archai.

[Der erste Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter - spricht -:

Was wird aus der Erde Festigkeit, die dich stützte?

Aus der Hierarchie der Angeloi antwortet es aus der dritten Hier­archie [3. Hierarchie wird quer an die Tafel geschrieben und unter­strichen]:

Angeloi: Empfinde, wie wir in deinem Denken empfinden.

Aus der Hierarchie der Archangeloi ertönt es:

Archangeloi: Erlebe, wie wir in deinem Fühlen erleben.

Aus der Hierarchie der Archai ertönt es:

Archai: Schaue, wie wir in deinem Wollen schauen.

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Das ist dasjenige, was ersetzt in der geistigen Welt das Element der Erde. Denn die Stützekraft der Erde ist nicht da. Der Boden der Erde ist fort. Alles Feste ist fort. Nicht so, wie die Mineralien das Feste bilden, bildet die dritte Hierarchie der Angeloi, Archan­geloi, Archai ein Festes. Aber wir würden nicht nur nach unten, sondern nach allen Seiten versinken in unserem Denken, wenn nicht die Angeloi in ihm wirkten, wenn die nicht ihre Empfindung drinnen hätten. Wir würden nach allen Seiten zerstieben in Formlosigkeit, wenn nicht die Archangeloi lebten in unserem Fühlen. Wir würden überall ins Nichts verschwinden in unserem Wollen, wenn wir nicht in diesem Wollen die Kraft des Schauens der Archai hätten.

Das zweite ist das Wasser, das uns die Bildekraft gibt: das flüs­sige Element in uns. Wir stellen uns wieder vor: Wir stehen jenseits des Abgrundes im Finstern noch der geistigen Welt. Wir lernen erst in ihr fühlen. Der Hüter spricht mahnend, fragend. Jetzt aber ant­worten in bezug auf die Kraft der Flüssigkeit, auf das Element der Flüssigkeit die Wesenheiten der zweiten Hierarchie, die Exusiai, Dynamis, Kyriotetes.

Der Hüter spricht:

Was wird aus des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?

Aus der zweiten Hierarchie die Exusiai antworten:

Erkenne Geistes-Welten-Schaffen im Menschen-Körper-Schaffen.

Die Dynamis in der zweiten Hierarchie:

Erfühle Geistes-Welten-Leben im Menschen-Körper-Leben.

Die Kyriotetes der zweiten Hierarchie:

Wolle Geistes-Welt-Geschehen im Menschen-Körper-Sein.

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Wir werden dadurch zum Bewußtsein gebracht, daß wir gegen­über allem, in dem wir stehen, nicht als Einzelheit dastehen. Wir sollen fühlen lernen: In unserem körperlichen Dasein, das wir innerhalb der Grenze unserer Haut in uns tragen, lebt ein Teil des Welten-Seins. Die zweite Hierarchie ist in uns, wirkt in uns und wirkt in uns so, als ob wir kosmische Wesen wären, Wesen, die als Glieder dem Kosmos angehören.

Das soll so recht in unser Bewußtsein übergehen durch diese mantrischen Sprüche, daß wir im Weltgeschehen drinnenstehen, und daß alles, von der geringsten Vibration unseres Zellenorgans bis herauf zu der gewaltigen, erhabenen Wellenbewegung unseres Blutes, zum Rhythmus unseres Atmungssystemes, zu jenem Rhyth­mus, der Tag und Nacht abwechseln läßt, daß das alles nicht nur ein Geschehen in uns ist, daß das alles ein Glied des Welten­geschehens ist.

[Der zweite Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter - spricht -:

Was wird aus des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?

Die Exusiai aus der zweiten Hierarchie [2. Hierarchie wird quer an die Tafel geschrieben und unterstrichen] antworten:

Exusiai: Erkenne Geistes-Welten-Schaffen im Menschen-Körper-Schaffen.

Die Dynamis aus der zweiten Hierarchie antworten:

Dynamis: Erfühle Geistes-Welten-Leben im Menschen-Körper-Leben.

Die Kyriotetes aus der zweiten Hierarchie antworten:

Kyriotetes: Wolle Geistes-Welt-Geschehen im Menschen-Körper-Sein.

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In diesen mantrischen Sprüchen, wie ich oft schon gesagt habe, ist alles genau zu nehmen. Daher darf auch die Frage empfunden werden: Warum steht hier gegenüber dem «Welt-Geschehen» «Körper-Sein»? Man muß jedes Wort exakt empfinden, wenn ein mantrischer Spruch richtig in unserer Seele wirken soll. Draußen das Welt-Geschehen wallt ab, indem wir es als Geschehen empfin­den. Überall weit sich ausbreitend, die Welt erfüllend ist dieses Welt-Geschehen. Indem es in uns sich fortsetzt, in uns ist, fühlen wir es als abgeschlossenes Sein, weil wir von unserer Haut begrenzt sind und uns als ein Ganzes, Abgeschlossenes fühlen. Wir fühlen nicht drinnen alles webend und wogend und wallend, wie wir es außen fühlen. Daher muß hier dem «Geschehen» «Sein» gegen­überstehen, während sonst ganz richtig die Wiederholungen:

«Schaffen» «Schaffen» und «Leben» «Leben» stehen.

Und gegenüber dem Elemente der Luft erhebt seine mahnende Frage der Hüter der Schwelle. Es antworten die Wesen der ersten Hierarchie: Throne, Cherubine, Seraphine. Die ermahnen uns, daß wir uns bewußt werden sollen, wie der Kosmos in uns wirkt. Vom bloßen Bewußtwerden zum Selbstbewußtwerden führen dieWesen der ersten Hierarchie hinüber.

Der Hüter spricht:

Was wird aus der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?

Aus der ersten Hierarchie antworten die Throne:

Ergreife wissend Innen-Sein in deinem Gottes-Welten-Sein.

Die Cherubine aus der ersten Hierarchie:

Erwarme am Innen-Leben in deinem Gottes-Welten-Leben.

Die Seraphine aus der ersten Hierarchie:

Erweck' in dir Innen-Licht in deinem Gottes-Welten-Licht.

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Jetzt werden wir ermahnt, daß wir auf höherer Stufe das Selbst­bewußtsein wieder erwecken, indem wir unser Aufgehen in den Kosmos, unser Hingegebensein an den Kosmos durch die Zauberworte der zweiten Hierarchie gefühlt haben.

[Der dritte Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter - spricht -:

Was wird aus der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?

Aus der ersten Hierarchie [1. Hierarchie wird quer an die Tafel ge­schrieben und unterstrichen] ertönt die kosmische Antwort:

Throne: Ergreife wissend Innen-Sein in deinem Gottes-Welten-Sein.
Cherubine: Erwarme am Innen-Leben in deinem Gottes-Welten-Leben.
Seraphine: Erweck' in dir Innen-Licht in deinem Gottes-Welten-Licht.

Ja, meine lieben Schwestern und Brüder, ohne daß wir die Wir­kung dieses letzten Mantrams fühlen, wie es von den feurigen, blitzgewaltigen Seraphinen her tönt: «Erweck' in dir Innen-Licht in deinem Gottes-Welten-Licht», ehe dieses Flammenwort aus flammenden, seraphinischen Blitzen ertönt, eher verspuren wir nicht, wie aus unserer eigenen Seele erweckt werden muß eine Kraft, damit wir, wo wir jetzt stehen drüben im Finstern, jenseits des Abgrundes, noch erst tastend um uns, die Welt allmählich an uns herankommen fühlen; damit wir nach und nach von uns aus­gehend erst ein Glimmern haben, dann ein Hellerwerden, ein Fort­schreiten des Glimmerns immer weiter im Raum, und weiter und

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weiter; wie das Gliunern leuchtender und leuchtender, scheinender und scheinender, glänzender und glänzender wird, und durch unsere eigene Kraft die nachtbedeckte Finsternis drüben in der geistigen Welt allmählich sich hellet. So muß es werden. So müssen wir versuchen, zu gewinnen die Zündekraft des eigenen Selbstes, die im Feuer sich zündende Kraft der eigenen Menschenwesenheit; denn die ist Licht in zunächst nachtbedeckten geistigen Landen.

So fühlen wir uns hinein in jene dreifache Geisterwelt der An­geloi, Exusiai,Throne und so weiter, wie wir uns hier in der Sinneswelt hineinfühlen in die Sinneswesen der drei Reiche der Natur. Und wir lernen uns als Mensch in unserer wahren menschlichen Wesenheit erfühlen in Geistumgebung, wie wir uns als Sinnesmensch erfühlen in Sinnesumgebung. Wir lernen es, indem wir auf­steigen von der dritten Hierarchie, die in uns den Geist entfaltet, den eigenen Geist, in dem sie lebt; indem wir aufsteigen von ihr zur zweiten Hierarchie, die in uns den Geist entwickelt, schaffend, lebend, gestaltend; und endlich hinkommen zur ersten Hierarchie, wo wir eine Stütze wieder haben, aber eine Stütze des Geistes, die eigentlich oben und nicht unten ist, wo wir waltende Weisheit in den Cherubinen haben, die uns zum Selbstbewußtsein bringt das­jenige, was unser Inneres wiederum erwarmen kann in Selbst­erkenntnis, im Selbsterfühlen, im Selbsterwarmen, und bis wir dazu kommen, daß dieses erwarmte Selbst das Leuchte-Element wird, damit hell werde, was vorher für uns noch finster war.

So stehen wir, solches fühlend, an der Seite des Hüters der Schwelle und fühlen vertieft jene Mahnung, die uns aus allen Wesen der Welt, aus allen Vorgängen der Welt entgegentönt, damit wir aus Selbsterkenntnis Welterkenntnis, aus Welterkenntnis Men­schenerkenntnis gewinnen und so drinnenstehen in der Natur­wesenheit, aber auch in der Geistwesenheit, unser Selbst ergreifend auf beiden Seiten der Wirklichkeit: auf der Seite der Natur und auf der Seite des Geistes.

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Dann aber ertönt in einer neuen Gestalt - nicht anders in den Worten, aber so, daß wir es anders fühlen, gestärkt durch die Er­mahnungen aller Hierarchien der geistigen Welt, in der wir als Mensch urständen -, dann ertönt wiederum das Weltenwort:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

Die nächste Klassenstunde wird von heute über acht Tagen, nächsten Sonnabend, wiederum um achteinhaib sein. Morgen Kindermalerei im Baubüro.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 133 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 133
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SECHZEHNTE STUNDE Dornach, 28. Juni 1924

Meine lieben Freunde! Wir beginnen wiederum damit, daß wir das Wort an uns erklingen lassen werden, das bei richtigem Verständ­nisse der Welt jeder Menschenseele aus allem, was da ist in den Nähen und in den Weiten des Kosmos, erklingen kann. Ehe aber dieses Wort zu unseren Seelen sprechen soll, muß ich, da heute wiederum eine größere Anzahl von neu in die esoterische Schule hier aufgenommenen Mitgliedern hier ist, wenigstens mit ein paar Worten noch einmal andeuten, was der Sinn dieser Schule ist.

Es handelt sich durchaus darum - ich werde heute ganz kurz andeuten-, daß diese Schule angesehen werden muß als eine solche, welche ihre Mitteilungen an die menschlichen Seelen aus der gei­stigen Welt herunter vermittelt; so daß dasjenige, was hier in der Schule lebt, was hier in der Schule herangebracht wird an Men­schenseelen, anzusehen ist als Mitteilung aus der geistigen Welt selbst. Sie werden daraus erkennen, daß die Zugehörigkeit zur Schule im höchsten Grade als etwas Ernstes angesehen werden muß.

Solcher Ernst, wie er durch diese Schule durchgehen muß, er ist ja erst möglich geworden durch die ganze Konstitution, welche die Anthroposophische Gesellschaft seit der Weihnachtstagung erhal­ten hat. Seit dieser Weihnachtstagung ist ja die Anthroposophische Gesellschaft als solche eine durchaus öffentliche Angelegenheit, aber zugleich eine öffentliche Institution, durch die als solche ein esoterischer Zug geht, jener esoterische Zug, dem ja die Herzen heute wirklich mehr entgegenkommen, als sie dem mehr exoteri­schen Zug vorher entgegengekommen sind.

Aber zugleich wird ja von den Mitgliedern der Anthroposophi­schen Gesellschaft nicht eigentlich etwas anderes verlangt, als daß sie sich fühlen als Zuhörer der anthroposophischen Weisheit. Und

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im übrigen wird nur dasjenige verlangt; was von jedem sozusagen anständigen Menschen im Leben verlangt werden kann.

Die Zugehörigkeit zur Schule aber bedingt um so mehr, daß das Mitglied der Schule anerkennt die Bedingungen, die ernsten Be­dingungen dieser Schule. Und die Grundbedingung ist eben diese, daß jeder, der der Schule zugehören will, in seinem Leben dar­stellen sich soll so, daß er nach allen Seiten hin in jeder Einzelheit ein Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt ist.

Repräsentant sein der anthroposophischen Sache vor der Welt macht natürlich auch notwendig, daß man mit Bezug auf alles das­jenige, was man selber in irgendeinem Zusammenhange - wenn das auch ein entfernterer Zusammenhang ist - in der anthropo­sophischen Sache tut oder tun will, daß man für alles dergleichen sucht den Zusammenhang mit der Leitung der Schule, das heißt dem esoterischen Vorstand am Goetheanum. Es handelt sich also durchaus darum, daß durch die Schule ein realer Zug hineinkom­men soll in die anthroposophische Bewegung, die heute durch die Anthroposophische Gesellschaft repräsentiert wird.

Daher ist es schon notwendig, daß die Zugehörigkeit zur Schule eben so aufgefaßt wird, daß der der Schule Angehörige Anthropo­sophie in seinen ganzen Menschen, in sein ganzes Wesen aufnimmt, aber sich auch fühlt als ein Glied desjenigen, was hier vom Goethe­anum als eine reale Strömung ausgehen will. Daß solche Forderun­gen gestellt werden, kann ja nicht, meine lieben Freunde, als eine Beeinträchtigung der menschlichen Freiheit angesehen werden; denn die Zugehörigkeit zu der Schule beruht auf Gegenseitigkeit. Die Leitung der Schule muß Freiheit darinnen haben, demjenigen das zu geben, was sie zu geben hat, dem sie es zu geben für richtig hält. Und da man nicht Mitglied der Schule zu sein braucht, son­dern es durchaus im freien Willen stehen muß, Mitglied der Schule zu werden, so muß schon auch die Leitung der Schule ihre Be­dingungen stellen können, ohne daß irgend jemand davon sprechen könnte, daß dadurch sein freier Wille irgendwie beeinträchtigt

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werde. Es ist ein freies Abkommen zwischen der Leitung der Schule und demjenigen, der Mitglied sein will.

Da aber auf der andern Seite der Ernst der Schule wirklich auch ernst aufgefaßt wird, kann es gar nicht anders sein, als daß immer­hin die Leitung der Schule es als ihr Recht in Anspruch nimmt, die Mitgliedschaft wieder aufzuheben, wenn sie das für notwendig halten muß durch irgendwelche Geschehnisse. Und, meine lieben Freunde, daß die Leitung der Schule das streng nimmt, das bezeugt die Tatsache, daß nun seit dem verhältnismäßig kurzen Bestand der Schule sechzehn Mitglieder der Schule aus derselben aus­geschlossen werden mußten für Zeit, für kürzere oder längere Zeit. Und ich betone noch einmal: diese Maßregel wird müssen - weil wir ja immer tiefer und tiefer in das Esoterische hineinkommen -, diese Maßregel wird müssen unbedingt in der Zukunft streng ein­gehalten werden, ganz gleichgültig gegenüber dem Persönlichen desjenigen, den sie trifft.

Und jetzt seien die Worte gesprochen, die immer am Anfange dieser unserer esoterischen Auseinandersetzungen gesprochen wer­den, mahnend an diejenige Mahnung, die aus allen Vorgängen und aus allen Dingen der Welt und Wesenheiten der Welt an den Men­schen erklingt, der das Herz hat, sie zu verstehen; jene Mahnung zur Selbsterkenntnis, die die wahre Grundlage der Welterkenntnis ist:

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O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Meine lieben Freunde, wir sind vorgedrungen in demjenigen, was uns aus der geistigen Welt zukommen soll als mantrische Sprüche, bis zu jenen mantrischen Sprüchen, die wir in der eso­terischen Situation drinnen fühlen. Diese esoterische Situation besteht ja darinnen, daß wir uns im Meditieren vorstellen, wie zunächst diejenige Wesenheit zu uns spricht, die da steht am Ab-grunde des Seins.

Stellen wir uns also noch einmal vor, denn wir können das nicht oft genug vor unsere Seele rufen: Der Mensch sieht um sich herum alles das, was zunächst im irdischen Dasein in den Reichen der Natur um ihn herum ist: Er sieht hinauf zu den erhabenen Sternen; er sieht die ziehenden Wolken; er sieht alles dasjenige, was um ihn herum ist in Wind und Welle, in Blitz und Donner; er sieht alles von dem niedrigsten Gewürm bis hinauf zu den erhabensten Offenbarungen in der funkelnden Sternenwelt. Nur eine falsche Askese, die nicht in einer wahren Esoterik gesucht werden darf, könnte irgendwie diese zu den Sinnen sprechende Welt verachten. Der Mensch, der ein rechter Mensch sein will, er kann nicht anders als empfinden in intimster Weise alles sinnlich und verstandes­mäßig Wirkliche vom niedersten Gewürm bis zu den majestä­tischen, göttlich-gewaltigen, funkelnden Sternen.

Allein, es kommt dann der Augenblick, der den Menschen in tief innerster Seele ergreifen kann, der Augenblick, in dem er sich sagen muß: Groß und gewaltig und schön und herrlich und majestätisch ist alles dasjenige, was du um dich herum siehst. Du sollst es nicht verachten. Du sollst es anerkennen. Du sollst Schritt für Schritt vorwärtsdringen in der Welt, um immer mehr und mehr von dem­jenigen sehen zu können, was deine Augen schauen, was an deine Ohren klingt, was die übrigen Sinne wahrnehmen können, was du mit deinem Verstande ergreifen kannst. Aber, indem du so herum-schaust in den Raumesweiten, herumschaust in dem Wellenweben der Zeit, wirst du trotz alles Gewaltigen, Schönen und Erhabenen in deiner Umgebung in diesem Gebiete nicht dasjenige wahrnehmen,

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was das innerste Wesen deines Seins selber ist. Und du wirst dir sagen müssen: Der innerste Quell deines Seins ist wo­anders zu suchen. - Da wird uns die Macht eines solchen Gedan­kens ergreifen können.

Dasjenige, was nun weiter folgt für die Seele, es ist nur auszu­drücken in imaginativen Vorstellungen. Diese imaginativen Vor­stellungen, sie führen uns zunächst wie auf ein weites Feld, in dem ausgebreitet ist alles Irdische, Sinnesmäßige. Wir finden es sonnen­beglänzt, wir finden es leuchtend hell; aber wir schauen rings-herum und finden nirgends unser eigenes Wesen. Da blicken wir vor uns hin. Und begrenzt ist dieses sonnenbeglänzte Feld, in dem alles Schöne und Große und Erhabene für die Sinne ist, in dem wir nicht selber sind, aber es ist begrenzt durch eine finstere, nacht-bedeckte Wand. Tief in die Finsternis ahnen wir hinein. Wir ahnen in die Finsternis hinein, daß dort vielleicht die Helligkeit ist, daß dort unser wahres Wesen urständet; aber wir können nicht hinein­schauen.

Und indem wir den Weg bis dahin verfolgen, tut sich vor uns auf der Abgrund des Seins, der da ist die Schwelle zur geistigen Welt. Wir müssen diesen Abgrund erst übersetzen. Da steht der Hüter, der uns ermahnt, daß wir reif sein müssen, um den Abgrund zu übersetzen. Denn mit demjenigen, was unsere Gewohnheiten, unsere Denk-, Gefühis- und Willensgewohnheiten in der physisch-sinnlichen Welt sind, kommen wir nicht hinüber über diesen Ab­grund des Seins in die wahre geistige Welt, in der unser wirkliches Wesen urständet.

Es ist die erste Geistgestalt, an die wir herantreten, der Hüter der Schwelle. Wir sind jede Nacht, in der wir schlafen, drinnen in dieser geistigen Welt. Sie ist aber als Finsternis um unser Ich und unseren astralischen Leib, weil wir nur reif eintreten können in diese geistige Welt. Der Hüter der Schwelle bewahrt uns davor, unreif einzutreten. Jetzt aber, wo wir vor ihn hintreten, sendet er uns seine großen Ermahnungen. Und diese Ermahnungen sind uns

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entgegengetreten in den mantrischen Sprüchen, die bisher den In­halt dieser esoterischen Stunden gebildet haben.

Diejenigen, die diese mantrischen Sprüche noch nicht haben, werden sie ja bekommen können von Mitgliedern der Schule. Jedoch muß dabei die Gepflogenheit eingehalten werden, daß nicht derjenige, der die Sprüche empfängt, sondern derjenige, der sie gibt, anfrägt darum, ob er sie geben kann.

Diese Sprüche, sie haben uns nicht nur gezeigt, wie wir unser Herz erhalten sollen, wenn wir hinüberkommen wollen über den Abgrund des Seins, sie haben uns auch schon gezeigt, wie wir selber in unserer Seelenverfassung uns finden, wenn wir den Ab­grund überflogen haben und allmählich verspüren zunächst - nicht schon schauen, sondern verspüren -, wie die Finsternis, die uns zunächst nachtbedeckt entgegengestarrt hat, allmählich hell wird. Zunächst fühlt man, daß sie hell wird, und man fühlt, daß die Elemente - das Irdische, das Wäßrige, das Luftige, das Feurige -anders werden da drüben, daß wir in einer anderen Welt leben. Und die Welt, in der wir unser eigenes Sein und damit die wahre Gestalt der Elemente erkennen wollen, sie ist eine andere Welt.

Das letzte Mal trat diejenige Meditation vor unsere Seele, nach der wir uns vorzustellen haben, wie der Hüter steht am Abgrunde des Seins, wir schon drüben sind jenseits dieses Abgrundes, erst fühlen - noch nicht schauen -, wie die Finsternis sich lichtet. Da spricht der Hüter zu uns, nachdem er ja schon vorher uns klar­gemacht hat, wie wir uns zu den vier Elementen verhalten sollen. Es spricht der Hüter zu uns, wie sich nun diese Elemente für uns verändern. Er stellt Fragen an uns.

Wer antwortet? Es antworten auf diese Fragen die Hierarchien selber. Von der einen Seite her die dritte Hierarchie - Angeloi, Archangeloi, Archai -, von der anderen Seite die zweite Hierar­chie, von einer dritten Seite her die erste Hierarchie.

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Die dritte Hierarchie - Angeloi, Archangeloi, Archai - ant­wortet, wenn uns der Hüter der Schwelle frägt, was aus der Erde Festigkeit wird. Die zweite Hierarchie - Exusiai, Dynamis, Kyrio­tetes - antwortet, wenn uns der Hüter der Schwelle frägt, was aus des Wassers Bildsamkeit wird, Bildungskraft wird, die in uns wirkt und die uns eigentlich unsere innere Gestaltung gibt. Und die erste Hierarchie -Throne, Cherubine, Seraphine - antwortet, wenn uns der Hüter frägt, was aus unseres Atems, aus der Lüfte Reizgewalt wird, die uns eigentlich erweckt aus dem dumpfen Pflanzendasein in empfindend-fühlendes Dasein.

Und solche mantrischen Sprüche haben ja so an unsere Seele, an unser Herz zu dringen, daß wir uns drinnen fühlen in der ganzen Situation. Der Hüter der Schwelle stellt die prüfend-mahnende Frage an uns. Die Hierarchien antworten.

Der Hüter: Was wird aus der Erde Festigkeit, die dich stützte?
Angeloi: Empfinde, wie wir in deinem Denken empfinden.
Archangeloi: Erlebe, wie wir in deinem Fühlen erleben.
Archai: Schaue, wie wir in deinem Wollen schauen.


Der Hüter: Was wird aus des Wassers Bildekraft, die dich durchdrang?
Exusiai: Erkenne Geistes-Welten-Schaffen im Menschen-Körper-Schaffen.
Dynamis: Erfühle Geistes-Welten-Leben im Menschen-Körper-Leben.
Kyriotetes: Wolle Geistes-Welt-Geschehen im Menschen-Körper-Sein.

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Der Hüter: Was wird aus der Lüfte Reizgewalt, die dich erweckte?
Throne: Ergreife wissend Innen-Sein in deinem Gottes-Welten-Sein.
Cherubine: Erwarme am Innen-Leben in deinem Gottes-Welten-Leben.
Seraphine: Erweck' in dir Innen-Licht in deinem Gottes-Welten-Licht.

Das, meine lieben Schwestern und Brüder, sind die aus der Ge­meinschaft des Hüters der Schwelle mit den Hierarchien hervor­gehenden Mahnworte, die unsere Seele allmählich weiter und immer weiter bringen, wenn wir sie in der richtigen Weise immer wieder und wieder erleben.

Wir machen in der Art, wie es für den heutigen Menschen und für den Menschen der Zukunft sein muß, dasjenige durch, was in den alten heiligen Mysterien bezeichnet worden ist damit, daß der Schüler sagte: er würde geführt in die Wesenheit der Elemente Erde, Wasser, Luft.

Aber die Wärme, die auch ein Element ist, sie durchdringt alles: Im erdigen Elemente, das als Festes uns Menschen stützt, im erdigen Elemente ist die Wärme; im wäßrigen Elemente, das als Menschen uns bildet, das unsere Organe in Konturen gestaltet, sie ins Werden und Weben und Wachsen bringt, in diesem wäßrigen Elemente lebt auch das Wärmeelement; und in dem luftigen Ele­mente, durch das einstmals die Jahve-Geister eingehaucht haben dem Menschen sein seelisches Wesen, durch das heute noch der Mensch sein seelisches Wesen aus dem dumpfen pflanzlichen Da­sein heraus erweckt, lebt die Wärme. Die Wärme lebt allüberall. Wir müssen sie kennenlernen als das allwaltende Element. Wir müssen in sie untertauchen als in das allwaltende Element. Wir fühlen uns ihr ja auch nahe.

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Fern fühlen wir uns - wenn wir auch die Stütze der Erde emp­finden - dem festen Erdenelemente. Fern fühlen wir uns noch dem Wasserelemente. Das Luftelement drängt schon zu einem intimeren Zusammensein mit uns. Wenn das Luftelement nicht ganz regel­mäßig uns ausfüllt - wenn wir zuviel des Atems in uns haben oder wenn wir zuwenig des Atems in uns haben -, zeigt sich in unserem Innenleben an, wie das Luftelement mit uns verbunden ist. Zuviel des Atems in uns erweckt in der Seele Angst und Ängstlichkeit. Zuwenig des Atems in uns erweckt in der Seele Ohnmacht. Mit dem Luftelemente wird schon unsere Seele ergriffen.

Mit dem Wärmeelemente fühlen wir uns ganz intim vereinigt. Was in uns warm oder kalt ist, sind wir selber. Wir müssen, um zu leben, eine bestimmteWärme in uns herstellen. Dem Wärmeelement stehen wir intim nahe. Wollen wir uns ihm nähern, dann kann nicht bloß eine Hierarchie sprechen, dann müssen zusammenklingen die Mahnworte der verschiedenen Hierarchien.

Daher richtet der Hüter der Schwelle auch Mahnworte an uns, die Mahnfrage an uns bezüglich des Wärmeelementes. Aber die Antwort, die aus dem Weltenall, aus dem Kosmos tönt, ist jetzt anders. Der Hüter der Schwelle stellt seine Frage:

Was wird aus des Feuers Reinigung, die dir das Ich entflammte?

Wir kennen die Frage, es ist nur die Frage unseres Hineinführens in das Element der Wärme oder des Feuers.

Aber dann antwortet nicht eine Hierarchie oder eine Wesens-ordnung aus einer Hierarchie, sondern es antworten im Chore: die Angeloi, die Exusiai, die Throne; als zweite auf die Frage des Hüters antworten Archangeloi, Dynamis, Cherubine; als dritte antworten Archai, Kyriotetes, Seraphine. So daß die drei Ant­worten erklingen aus dem chormäßigen Zusammensprechen der drei Hierarchien wegen des Allgemeinen des Wärmeelementes.

Wir haben uns also vorzustellen, daß, indem wir so aufsteigen zu der Mahnfrage des Hüters der Schwelle über das Wärmeelement,

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daß in diesem Augenblicke die Antworten, die aus un­serem Ich heraus klingen, aber angeregt werden durch die Hierar­chien, diese Mahnantworten erklingen so, daß von allen Seiten her zuerst sprechen Angeloi, Exusiai,Throne; als zweite sprechen Arch­angeloi, Dynamis, Cherubine; als dritte sprechen Archai, Kyriote­tes, Seraphine. Immer sprechen alle drei Hierarchien: eineWesens­ordnung aus den drei Hierarchien spricht immer. So tritt kosmisch an uns heran dasjenige, was mit dieser Frage verbunden ist.

Der Hüter spricht:

Was wird aus des Feuers Reinigung, die dir das Ich entflammte?

Angeloi, Exusiai, Throne:

Erwecke dir in Weltenätherweiten die Lebensflammenschrift.

Es ermahnen uns alle drei Hierarchien, daran zu denken, wie alles dasjenige, was während des Erdenlebens an uns herantritt, eingetragen ist in dem Weltenäther, und wir es eingetragen er­blicken in dem Weltenäther, wenn wir durch die Pforte des Todes gegangen sind. Da stehen in Geisteswelten - nachdem wir durch die Pforte des Todes gegangen sind, zurückblicken auf unser irdisches Leben, aber auch hinblicken auf die Ätherweltenweiten -, da ist eingeschrieben dasjenige, was wir an Gedanken, Gefühlen und Taten vollbracht haben während des Erdenlebens: Es ist eine, deine Lebensflammenschrift.

Archangeloi, Dynamis, Cherubine, sie antworten in uns:

Erschaffe dir in Zeitenwellenkreisen die Seelensühnekräfte.

Wir werden ermahnt an das zweite Stadium, das wir durch­machen, nachdem wir durch die Pforte des Todes gegangen sind, wo wir rückwärts erleben, wo wir alles dasjenige im Spiegelbilde durchmachen - das heißt in seiner gerechten Sühne -, was wir hier

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im Leben vollbracht haben. Haben wir uns gegen irgendeinen Menschen in dieser oder jener Weise benommen, wir erleben dann in einem Rückwärtsgehen im Zeitenstrome dasjenige, was der andere durch uns erlebt hat. So wie ich es ausgedrückt habe, so ermahnen uns Archangeloi, Dynamis, Cherubine an dasjenige, was dieses zweite Stadium ist, das wir durchmachen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.

An dasjenige aber, was dann im dritten Stadium unser Karma ausarbeitet, an dasjenige, was geschieht, indem wir zusammen­arbeiten als Seelen mit anderen Menschenseelen und mit den Wesenheiten der höheren Hierarchien, daran mahnen uns Archai - Urkräfte -, Kyriotetes und Seraphine:

Erbitte dir in ew'gen Wesentaten die Geisterlösermächte.

Wir müssen uns so drinnen fühlen in dieser Situation: den spre­chenden Hüter der Schwelle, seine ernste Gebärde nach uns hin­breitend, uns mahnend. Und aus den Weltenweiten, zu uns her­übertönend, unser Herz ergreifend dasjenige, was uns mit den Rätseln des Lebens verbindet.

[Der vierte Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht:
     Was wird aus des Feuers Reinigung, die dir das Ich entflammte?
Angeloi, Exusiai, Throne:
     Erwecke dir in Weltenätherweiten die Lebensflammenschrift.
Archangeloi, Dynamis, Cherubine:
     Erschaffe dir in Zeitenwellenkreisen die Seelensühnekräfte.
Archai, Kyriotetes, Seraphine:
     Erbitte dir in ew' gen Wesentaten die Geisterlösermächte.

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Dasjenige, was vorher vor uns stand wie eine schwarze, nacht-bedeckte Finsternis, es ist noch nicht für das Seelenauge von Licht durchhellt. Aber wir haben das Gefühl, weil wir da drinnen-stehen in dieser schwarzen, nachtbedeckten Finsternis, daß überall, wo wir hinfühlen, wir glimmendes Licht zunächst fühlen. Und wir befinden uns in der Lage, uns selber drinnen zu wissen in diesem glimmenden Lichte, das wir nur fühlen. Wir fühlen uns hin zu dem Hüter der Schwelle. Gesehen haben wir ihn ja eigentlich nur, so­lange wir drüben waren im Sinnesfelde. Denn wir traten zunächst ein in die Finsternis und hörten sein mahnendes, fragendes Wort.

Dieses mahnende, fragende Wort hat uns aber dahin geführt, daß wir jetzt fühlen etwas wie webendes, wirkendes Licht, mildes, webendes, wirkendes Licht. Hilfesuchend im webenden, wirken­den Licht wenden wir uns an den Hüter der Schwelle. Und es ist ein eigentümliches Erleben: Hell noch nicht, aber die Helligkeit fühlen lassend; in dieser gefühlten Helligkeit der Hüter der Schwelle, sich offenbarend, wie wenn er jetzt intimer würde mit uns, wie wenn er jetzt mehr sich neigen würde zu uns, wie wenn wir ihm auch jetzt näher kämen.

Und was er nunmehr spricht, es wirkt so, wie im Leben etwas wirkt, das ein Mensch einem vertraulich leise ins Ohr sagt. Und es setzt sich fort dasjenige, was zuerst als mahnendes, ernstes Wort deutlich erklungen hat vom Hüter der Schwelle her; was posau­nenartig, mächtig, majestätisch von allen Seiten aus dem Kosmos an unser Herz herangetreten ist, das setzt sich fort in einem intimen Gespräche im webend-wirkenden Lichte mit dem Hüter der Schwelle; denn jetzt ist es, als ob er nicht mehr spräche zu uns, als ob er zu uns raunte:

Hat verstanden dein Geist?

Und unser Inneres wird warm ob dieser vertraulichen Sprache des Hüters der Schwelle, wenn er sagt: «Hat verstanden dein Geist?» Unser Inneres wird warm. Es erlebt sich in der Wärme.

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Und es fühlt sich gedrungen, dieses Innere, zu antworten. Andäch­tig antwortet es - so haben wir es meditativ in der Vorstellung -, andächtig antwortet es, still, bescheiden:

Der Weltengeist in mir
Er hielt den Atem an
Und seine Gegenwart
Mög' erleuchten mein Ich.

Nicht antwortet stolz und hoffärtig unser Ich auf die Frage «Hat verstanden dein Geist?»: «Ich habe verstanden», sondern das Ich fühlt: göttliches Sein durchströmt das innerste Wesen des Men­schen, göttlicher Atem im Menschen ist es, der still anhält und vor­bereitet zum Verstehen.

[Die erste Strophe des neuen Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]


Der Hüter: Hat verstanden dein Geist?

      Ich: Der Welten geist in mir
           Er hielt den Atem an
           Und seine Gegenwart
           Mög' erleuchten mein Ich.

Und als zweites frägt der Hüter vertraulich:

Hat begriffen deine Seele?

Das Ich antwortet:

Die Weltenseelen in mir
Sie lebten im Sternenrat
Und ihre Harmonien
Mögen klingend schaffen mein Ich.

Es ist wiederum nicht etwa eine stolze Antwort, zu der sich das Ich versucht fühlt, wenn der Hüter frägt: «Hat begriffen deine Seele?», sondern die Seele wird sich bewußt, daß in ihr sprechen

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die Weltenseelen, die Seelen der Wesen der höheren Hierarchien, und daß in dem, was sie sprechen, nicht ein Einzelnes lebt, sondern ein ganzer Rat, eine beratende Versammlung, die so ist, wie wenn Sterne eines Planetensystems kreisen und gegenseitig sich ihre Leuchtekräfte zusenden. So senden sich die Weltenseelen ihre Rat-schlüsse zu. Das vernimmt die eigene Seele. Und aus den Harmo­nien hofft die Seele, daß das Ich klingend erschaffen werde, so daß das im eigenen Menschenwesen wesende Ich ein Widerklang ist jener Weltenharmonien, die entstehen, wenn - wie im Planeten-system wallende Sterne - die Weltenseelen in Weltengeistesform miteinander ratschlagen und Harmonien dieses Rates durch die Menschenseele erklingen.

[Die zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]


Der Hüter: Hat begriffen deine Seele?

      Ich: Die Weltenseelen in mir
           Sie lebten im Sternenrat
           Und ihre Harmonien
           Mögen klingend schaffen mein Ich.

Und die dritte vertrauliche Frage, die der Hüter an den Men­schen richtet in dieser Situation, sie ist die:

           Hat erlebt dein Leib?

Die Seele fühlt, daß in diesem Leibe leben die Weltenkräfte, wie sie überall sind, konzentriert an einer Stelle des Raumes. Aber diese Weltenkräfte, sie erscheinen jetzt nicht als physische Kräfte. Die Seele ist längst gewahr geworden, wie diejenigen Kräfte, die drau­ßen als wirkende physische Kräfte erscheinen, als Schwerkräfte, als elektrische, magnetische, als Wärmekräfte, als Lichtkräfte, wie diese Kräfte, wenn sie im Menschenleibe wirken, moralische

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Kräfte sind, in Willenskräfte sich umwandeln. Die Seele empfin­det die Weltenkräfte als diejenigen Kräfte, welche die ewige Wel­tengerechtigkeit konstituieren durch die Reihe der Erdenleben hin­durch. Wie richtende Kräfte empfindet die Seele das, richtende Kräfte, die in ihren Wahrspruchworten das Karma weben und damit das eigentliche Ich.

Wenn der Hüter der Schwelle traulich frägt:

           Hat erlebt dein Leib?

fühlt der Mensch sich gedrungen, demutvoll zu antworten, aber hingegeben an die Weltengerechtigkeit:

           Die Weltenkräfte in mir
           Sie richten Menschentaten
           Und ihre Wahrspruchworte
           Mögen lenken mir das Ich.

[Die dritte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]


Der Hüter: Hat erlebt dein Leib?

      Ich: Die Weltenkräfte in mir
           Sie richten Menschentaten
           Und ihre Wahrspruchworte
           Mögen lenken mir das Ich.

So wird die Seele, nachdem sie mit dem Hüter der Schwelle und den Hierarchien zusammen erlebt hat die Umwandelung, die Metamorphose der Weltenelemente, so wird die Seele auf diese drei Fragen des Hüters hin innerlich andächtig; verwebt mit der eigenen Wesenheit dasjenige, was sich in sie ergossen hat; ist wie­derum ein wenig weitergekommen in der Beantwortung des Rät-selwortes: «O Mensch, erkenne dich selbst!»

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Und nun wollen wir heute einmal vergleichen das Anfangswort und dasjenige, mit dem wir - uns einfühlend in das Wärme-element - dann zu uns selbst kommen in andächtiger Stimmung gegenüber dem geistigen Inhalt des Kosmos; dann wieder fühlend, wie wir so weitergeschritten sind in der Befolgung der großen Mahnung: «0 Mensch, erkenne dich selbst!» Wir werden sehen, wie wir als Menschenwesen mitten drinnenstehen zwischen diesem Ertönen der Aufforderung zur Selbsterkenntnis aus allen Vor­gängen und allen Weltenwesen heraus, und dem mantrischen Gespräch, das gerade durch die heutige Stunde vor unsere Seele getreten ist:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Was wird aus des Feuers Reinigung, die dir das Ich entflammte?

Erwecke dir in Weltenätherweiten die Lebensflammenschrift.

Erschaffe dir in Zeitenwellenkreisen die Seelensühnekräfte.

Erbitte dir in ew'gen Wesentaten die Geisterlösermächte.

Hat verstanden dein Geist?

Der Weltengeist in mir
Er hielt den Atem an
Und seine Gegenwart
Mög' erleuchten mein Ich.

Hat begriffen deine Seele?

Die Weltenseelen in mir
Sie lebten im Sternenrat
Und ihre Harmonien
Mögen klingend schaffen mein Ich.

Hat erlebt dein Leib?

Die Weltenkräfte in mir
Sie richten Menschentaten
Und ihre Wahrspruchworte
Mögen lenken mir das Ich.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 153 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 153
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SIEBZEHNTE STUNDE Dornach, 5. Juli 1924

Meine lieben Freunde! Wir beginnen auch heute mit jenem Spruch, der bei richtiger Erfassung der Welt dem Menschenherzen ent­gegentönt aus allem Seienden, Werdenden als die ständige Auffor­derung nach Selbsterkenntnis, durch die man ja erst zur wirklichen Welterkenntnis kommen kann:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Noch einmal lassen wir dasjenige durch unsere Seele ziehen, was den Inhalt der letzten Klassenstunde zusammengefaßt hat. Auch das war ja eine Meditation, heraus entsprungen aus dem, was der Mensch erleben kann, wenn er sich ganz hineinfühlt in den Weltenzusammenhang, in den Zusammenhang vor allen Dingen mit der geistigen Welt.

Wir haben ja vor unserer Seele auftreten lassen des Menschen Weg zum Abgrund des Seins, an dem der Hüter der Schwelle steht. Wir haben die Lehren vernommen, die der Hüter dem Schwellen­übersteiger gibt. Wir haben vernommen, wie derjenige, der jenseits der Schwelle nun ankommt, zunächst sich fühlt im Lichte, erlebt die Welt auf neue Weise, indem er zunächst vernimmt, was der Hüter auf der einen Seite spricht, was aber auch die Wesenheiten der höheren Hierarchien zu ihm sprechen. Und das letzte Gespräch war dieses, wo der Hüter eine Frage stellt, und wo über das Ele­ment der Wärme - das alles durchdringt, das sich von jenseits des Abgrundes als ein moralisches Element erweist -, wo hinweisend auf dieses Element der Wärme nacheinander sprechen: Angeloi, Exusiai, Throne; Archangeloi, Dynamis, Cherubine; Archai, Ky­riotetes, Seraphine. Wo dann der Hüter noch einmal zum Ich spricht in drei tief in das Menschenwesen hineingehenden Fragen und das Ich bescheiden antwortet, wie es das letzte Mal erklärt worden ist, aber innerlich wie im längerweilenden Gespräche jetzt mit dem Hüter die Worte wechselt.

Der Hüter spricht:

Was wird aus des Feuers Reinigung, die dir das Ich entflammte?

Angeloi, Exusiai, Throne:

Erwecke dir in Weltenätherweiten die Lebensflammenschrift.

Archangeloi, Dynamis, Cherubine:

Erschaffe dir in Zeitenwellenkreisen die Seelensühnekräfte.

Archai, Kyriotetes, Seraphine:

Erbitte dir in ew'gen Wesentaten die Geisterlösermächte

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Der Hüter: Hat verstanden dein Geist?

      Ich: Der Weltengeist in mir
           Er hielt den Atem an
           Und seine Gegenwart
           Mög' erleuchten mein Ich.

Der Hüter: Hat begriffen deine Seele?
      Ich: Die Weltenseelen in mir
           Sie lebten im Sternenrat
           Und ihre Harmonien
           Mögen klingend schaffen mein Ich.

Der Hüter: Hat erlebt dein Leib?

      Ich: Die Weltenkräfte in mir
           Sie richten Menschentaten
           Und ihre Wahrspruchworte
           Mögen lenken mir das Ich.

Indem das Menschenwesen jenseits der Schwelle des Seins, wo der Hüter steht, sich fühlt im webenden, lebenden Lichte, wird es allmählich, langsam, nicht nur gefühltes Licht, es wird langsam solches Licht, von dem man sagen kann: der Mensch sieht es. Aus dem Fühlen des Lichtes, das webt und weht, das man sozusagen nur im geistigen Griff der Gedanken hat, entsteht allmählich Licht, das wie geschaut wird vom Geistesauge.

Aber nicht anders kommt der Mensch in dieses Licht hinein - schauend -, als indem er nun wiederum ein tiefgründiges Mahn­wort des Hüters vernimmt. Und dieses Mahnwort, das weist auf eine mächtige Weltenimagination hin, weist auf etwas hin, durch das der Mensch, indem er hier in der Sinneswelt steht, etwas un­geheuer

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Majestätisches - wenn er dazu das Herz hat - in seine Ein­drücke aufnehmen kann. Denn, wenn er zauberhaft im Himmels-raum bei entsprechender Wolkengestaltung sich erlichtet, der majestätische Regenbogen, dann kann man so etwas empfinden, wie wenn hereinleuchten würden durch des Regenbogens Farben-schein die Geister von jenseits des physischen Sinnenscheins. Er steht ja da, baut sich herauf, auf aus dem All, verschwindet wieder in das All, ist hineingestellt in dieses All wie eine mächtige Imagi­nation.

An diesen Eindruck des Regenbogens erinnert in diesem Augen­blicke, wo es auch für das Schauen hell werden soll drüben in der geistigen Welt, der Hüter.

[Es wird der Regenbogen gezeichnet; siehe Hinweis S. 214.]

Und der Hüter erinnert daran, daß derjenige, der so hinübergekommen ist in die geistige Welt, jenes Bild in sich rege machen soll aus seiner Erinnerung an die Sinneswelt, das ihm der im All waltende Regenbogen immer gemacht hat. Denn es ist merkwür­dig, meine lieben Schwestern und Brüder, daß, wenn der Mensch aus der physisch-sinnlichen Welt hinüberkommt in die geistige Welt, das Bild des Regenbogens dasjenige ist, an das man sich am leichtesten erinnert und das am leichtesten hervorruft erinnerungs­gemäß den Zusammenhang zwischen der geistigen Welt, in der es nun licht werden soll, und der physisch-sinnlichen Welt, die man mit seinen Erkenntniskräften verlassen hat.

Und dann - also es ist der Anblick des Regenbogens, es ist die Erinnerung an den Regenbogen, die hervorgerufen wird durch den Hüter der Schwelle -, und dann weist einen der Hüter an: Ver­suche nun - wir werden die Worte hören, mit denen er das spricht-, versuche nun mit der Kraft, mit der du sonst aus deinen Augen schaust, diejenigen Substanzen dir zu bereiten, mit denen du durch­dringst diesen Regenbogen, mit denen du unten durch den Bogen hindurchdringst auf die andere Seite.

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Wenn wir also uns vorstellen:

[Es wird die zweite Zeichnung entwickelt:]

Im Wolkengebilde drinnen [weiß] - von der Erde aus hinaufschauend [kleiner Pfeil] -, wäre der Regenbogen hier [rot im Wolkengebilde]; so haben wir uns jetzt vorzustellen: Der Hüter weist uns an, durchzudringen durch jenen Regenbogen und von jener Warte [Strich durch das Wolkengebilde bis zum kleinen Kreis, an den das Wort «Warte» geschrieben wird], die jenseits ist, zurückzuschauen, von jenen Weltenweiten zurückzuschauen auf den Regenbogen. So weist uns der Hüter an, auch unsere Imagina­tion sinnend, meditativ zu vertiefen, wenn wir von dem Punkte aus weiterschreiten wollen, bei dem wir angekommen sind im Sinne der letzten Stunde.

Dann, wenn wir von da drüben zurückschauen, wenn Ihr Euch also, meine Schwestern und Brüder, vorstellt, daß Ihr hinter die Tafel geht [weißer Pfeil nach links oben in der ersten Zeichnung], den Regenbogen von rückwärts schaut [roter Pfeil nach rechts unten in der ersten Zeichnung], wie er in der Erinnerung aufge­taucht ist, von rückwärts anschaut, dann wird der Regenbogen zur mächtigen Schale, wie zur Weltenschale. Und man sieht nicht mehr einen Bogen, man sieht wie auf eine mächtige, halbhimmel­große Schale, und darinnen flutend die Farben durcheinander.

Das ist die Imagination, die der Hüter zunächst erregt:

Sieh' des Äther-Farbenbogens
Lichtgewalt'ges Rund,
Lass' durch deiner Augen
Lichterschaffene Kraft
Dein Ich den Kreis durchdringen,
Und dann schau von jenseit'ger Warte
Farbenflutend die Weltenschale.

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[Diese erste Strophe des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]


Der Hüter: Sieh, des Äther-Farbenbogens
           Lichtgewalt' ges Rund,
           Lass' durch deiner Augen
           Lichterschaffene Kraft
           Dein Ich den Kreis durchdringen,
           Und dann schau von jenseit'ger Warte
           Farben flutend die Weltenschale.

Es sind mächtige Worte, die da der Hüter spricht. Und Ihr müßt Euch nur richtig versetzen in die Lage, meine lieben Schwestern und Brüder, in die Lage der ganzen Bildhaftigkeit, innerhalb der sich der Zögling des Hüters der Schwelle befindet, wenn er nun aufgefordert wird, die Weltenschale mit ihrem Inhalte, dem far­benflutenden Lichte, zu schauen:

Sieh' des Äther-Farbenbogens
Lichtgewalt'ges Rund,
Lass' durch deiner Augen
Lichterschaffene Kraft
Dein Ich den Kreis durchdringen,
Und dann schau von jenseit'ger Warte
Farbenflutend die Weltenschale.

Man muß durch solche Bilder hindurchgehen. Und wirkt das Bild ganz innig und tief in das Ich hinein, dann schaut der Mensch in diesen Farbenfluten, die die Schale erfüllen, wie in diesen Far­benfluten erscheinen die Wesenheiten der dritten Hierarchie: Angeloi, Archangeloi, Archai. Und sie atmen die Farben, nehmen in ihr eigenes Engelwesen die Farben auf.

Man erhält einen Begriff von jenem Weltenschaffen, das hinter der Sinneswelt ist und sich abspielt in den Taten der höheren Hierarchien;

161

man erhält einen Begriff davon, wie jenseits des Regen­bogens walten die geistigen Wesenheiten, zunächst die Farben der Weltenschale aufatmend, in ihr eigenes Wesen aufnehmend.

Man schaut, wie übergeht dasjenige, was fließt von der Welt zum Regenbogen, den Regenbogen durchdringt, hinter dem Regen­bogen als die Gedanken erscheint, wie das aufgesogen wird, auf­geatmet wird von Engelwesen. Man lernt jetzt die Natur des Regenbogens kennen. Alles dasjenige, was für irgendeine Gegend an solchen Gedanken gedacht wird, die von Menschen ausgehen, es wird von Zeit zu Zeit immer wieder und wieder durch die Brücke des Regenbogens gesammelt, hinausgeleitet ins geistige Reich, wo es veratmet wird von den Wesenheiten der dritten Hier­archie.

Dasjenige, was so zauberhaft erscheint innerhalb der Weiten des Weltenalls, das hat nicht nur eine physische Bedeutung, das hat seine geistig-innerliche Bedeutung. Und so etwas wie den Zauber­Ätherbogen, man lernt ihn nicht erkennen, wenn man nur inner­halb der physisch-sinnlichen Welt bleibt, man lernt ihn erst er­kennen, wenn man steht jenseits der Schwelle des Seins, wenn man mancherlei - wie wir sie kennengelernt haben - Ermahnungen des Hüters der Schwelle hinter sich hat.

Dann aber wird einem gerade durch den Eindruck, den man bekommt von jenseitiger Warte von dem Regenbogen als der Wel­tenschale, dann wird einem gerade da deutlich, wie das Licht all­mählich in dem sich ausbreitet für uns, das anfangs wie finstere, nachtbedeckte Sphäre vor uns stand. Wir sind nunmehr darinnen. Es hellt sich auf: Sonne ist sie, die Weltenschale - mit ihren Farbenfluten - von jenseits des Regenbogens.

Dann beginnen Angeloi, Archangeloi und Archai innerhalb der Menschenseelen ihr Bewußtsein zu spiegeln, wie sie aufatmen die Farbenfluten, damit dasjenige, was auf der Erde hier im Sinnen-schein lebt, soweit es brauchbar ist für das Geisterreich, in das Geisterreich hineingetragen wird.

162

Und dann, wenn man vernommen hat, wie diese Wesenheiten der dritten Hierarchie eingeatmet haben dasjenige, was sie ent­nommen haben der sinnlichen Welt, was zu ihnen durchgedrungen ist durch den Farbenbogen, was sie verwandelt haben so, daß es aufgenommen werden kann in der geistigen Welt, dann gehen sie mit dem, was sie so in sich aufgenommen haben, dienend hin zu den höheren Geistern, zu den Geistern der zweiten Hierarchie. Denn die Geister der dritten Hierarchie, Angeloi, Archangeloi, Archai, sie sind die dienenden Geister der Geistwelt. Von ihnen hören wir jetzt dasjenige, was wir ja schauen, wenn wir den Seelenblick hinrichten auf die farbenflutende Weltenschale, das Jenseits des Re­genbogens.

Angeloi, Archangeloi, Archai:

           Empfind' unsrer Gedanken
           Farbenatmend Leben
           In der Schale Lichtesfluten;
           Wir tragen Sinnenschein
           In Geistes-Wesensreiche
           Und wenden weltdurchdrungen
           Uns höhern Geistern dienend zu.

[Diese zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]


Angeloi, Archangeloi, Archai:

           Empfind' unsrer Gedanken
           Farbenatmend Leben
           In der Schale Lichtesfluten;
           Wir tragen Sinnenschein
           In Geistes-Wesensreiche
           Und wenden weltdurchdrungen
           Uns höhern Geistern dienend zu.

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Meine lieben Schwestern und Brüder, stellen wir das Bild noch einmal vor unsere Seele hin: Die Weltenschale, halbhimmelgroß, darinnen flutend die Farben, die wir sonst im Regenbogen flächen­haft sehen, webend, lebend ineinander, herankommend dieWesen­heiten der dritten Hierarchie, Angeloi, Archangeloi, Archai. Sie atmen diese Farben. Uns aber werden die Gedanken der Wesen­heiten der höheren Hierarchie in diesem Farbenatmen seelen-sichtbar.

Wir schauen aber, wie durchdrungen von diesen Weltgedanken sich diese Wesenheiten der dritten Hierarchie wenden zu den We­senheiten der zweiten Hierarchie, denen sie dienen, wenden zu Exusiai, Dynamis, Kyriotetes. Und wir haben das gewaltige Bild vor uns, daß erscheinen die reinen Geistwesen, die Sonnenbewoh­ner, die da nur erscheinen, wenn verschwindet das physische Bild, das die Sonne entwirft, wenn jenes kleine, trotz all seiner Größe im Verhältnis zur Erde kleine Bild - denn ein Bild ist es nur -, wenn jenes kleine Bild der Sonne verschwindet. Und majestätisch wird die Sonne erfüllen das ganze All, unendlich viel größer als das riesengroße Weltenbild. Dann erscheinen die Wesenheiten der zweiten Hierarchie, webend, lebend im reinen Geisterreiche, jetzt aber empfangend dasjenige, was ihnen Angeloi, Archangeloi, Archai bringen. Das sind nicht tote Gedanken, wie wir sie haben; da sind die toten Gedanken entnommen dem Sinnenschein und im Atmen der Angeloi, Archangeloi, Archai lebendige Gedanken ge­worden. Wie in einem gewaltigen Opfer tragen Angeloi, Arch­angeloi, Archai diese lebendigen Gedanken hin vor die Wesen­heiten der zweiten Hierarchie, vor Exusiai, Dynamis, Kyriotetes. Diejenigen Gedanken, die gelebt haben im Erdendasein, die im Erden dasein Schein sind, die wecken die Wesenheiten der zweiten Hierarchie im Sein auf.

164

Und wir sehen, wie empfangen die Wesenheiten der zweiten Hierarchie von den Wesenheiten der dritten Hierarchie die schon belebten Gedanken, und wie jetzt wie eine mächtige Auferstehung eine Welt wird, eine neue Welt aus demjenigen, was tot aus dem Sinnenschein von Angeloi, Archangeloi, Archai entnommen wor­den ist; eine neue Welt, eine auferstehende Welt wird unter der Wirkung der Exusiai, Dynamis, Kyriotetes.

Dann sehen wir, wie das merkwürdige Geheimnis der Welt, das Geheimnis des Kosmos wirkt. Dann sehen wir, wie Exusiai, Dyna­mis, Kyriotetes dasjenige, was sie empfangen haben von den We­senheiten der dritten Hierarchie, übergeben demjenigen, was wir im Erdendasein Strahlen, Strahlen der Sonne, Strahlen der Sterne nennen. All dem Strahlenden wird jetzt das belebte, auferweckte Gedankenweben der Welt übergeben.

In Wahrheit sind Strahlen nichts Physisches. In Wahrheit strahlt in den Strahlen der Geist. Aber wir übersehen, wenn die Strahlen so zu uns dringen, wir sie so anschauen, wir übersehen, was diesen Strahlen von rückwärts mitgegeben wird aus dem Bereich der Wesenheiten der zweiten Hierarchie. In all diesem Strahlenden, in dem Sternenstrahlenden, Sonnenstrahlenden wird mitgegeben das­jenige, was die Wesenheiten der zweiten Hierarchie an Welten­gedanken weben, aber auch alles dasjenige, was sie auferstehen ließen aus den belebten, aus den durch die Wesenheiten der dritten Hierarchie belebten - im toten Sinnenschein auch toten -Gedanken. Und jetzt hören wir, wie sie mitgeben diesen strahlen­den Geisteskräften dasjenige, was als schaffende Liebe wirkt im Kosmos, was auf den Sternen- und Sonnenstrahlen als Liebe webt, als Liebe flutet durch den Kosmos und die eigentliche erzeugend-schaffende Kraft im ganzen Kosmos ist, wie sie das anvertrauen den Sternenstrahlen, anvertrauen den Sonnenstrahlen; jetzt schauen wir mit dem Geistesauge, wie Geiststrahlendes, Liebe­weckendes, Liebetragendes die Geister der zweiten Hierarchie der Welt einverleiben.

165

So hören wir sie jetzt sprechen - nicht zu uns -, wir werden Zeuge eines Zwiegespräches zwischen den Wesenheiten der zweiten Hierarchie und den Wesenheiten der dritten Hierarchie. Da tönt es hinüber. Wir hören es nur mit an. Es ist das erste Mal, daß wir mit­einander sprechen hören im Fortgange des Situationsmeditierens die Wesenheiten der oberen Hierarchie:

Euer Empfangenes
Aus totem Sinnenschein Belebtes:
Wir wecken es im Sein;
Wir schenken es den Strahlen,
Die des Stoffes Nichtigkeit
In des Geistes Wesenheit
Liebewebend offenbaren.

Und indem also wir Zeugen eines Himmelsgespräches werden, hellt sich für das Geistesauge die frühere nachtbedeckte Finsternis all­mählich auf. Sie wird durchdrungen von einem sanften, milden Lichte.

[Diese dritte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben.]


Exusiai, Dynamis, Kyriotetes:

           Euer Empfangenes
           Aus totem Sinnenschein Belebtes:
           Wir wecken es im Sein;
           Wir schenken es den Strahlen,
           Die des Stoffes Nichtigkeit
           In des Geistes Wesenheit
           Liebewebend offenbaren.

166

Haben wir dieses vernommen, sind wir durchdrungen von die­sem, dann sehen wir ein Weiteres mit dem Geistesauge, das sich ab­spielt. Dann sehen wir, daß dasjenige, was also dadurch entstanden ist, daß Erdengedanken belebt worden sind durch die dritte Hier­archie, daß das von der dritten Hierarchie belebend Eratmete empfangen worden ist von der zweiten Hierarchie, und den Sternenstrahlen, den Sonnenstrahlen mitgeteilt worden ist, in Liebe gewandelt worden ist; das sehen wir übernommen von den Wesenheiten der ersten Hierarchie und von diesen Wesenheiten der ersten Hierarchie zu den Elementen gemacht, aus denen sie neue Welten schaffen. Was Angeloi, Archangeloi, Archai aus der Welt sich eratmen, was von ihnen empfangen Exusiai, Dyna­mis, Kyriotetes, das übernehmen und wandeln es in Schaffens-kräfte, aus denen sie neue Welten gestalten, Throne, Cherubine, Seraphine.

Und das Merkwürdige ist dieses: wir waren erstens Zeuge eines Himmelsgespräches, das geführt haben die Wesen der zweiten Hierarchie mit den Wesen der dritten Hierarchie. Jetzt hören wir mit den Geistesohren weiter. Es beginnen zu sprechen die Weltenworte die Wesen der ersten Hierarchie, Throne, Cherubine, Sera­phine. Uns ist es zuerst, als sollten wir hören wiederum nur ein Himmelsgespräch, bei dem wir Lauscher, Zuhörer sind. Doch gleich wird es uns klar: so ist es nicht.

Erstens ließen ihre Stimme ertönen die Angeloi, Archangeloi, Archai; dann entstand ein Zwiegespräch zwischen Exusiai, Dyna­mis, Kyriotetes mit Angeloi, Archangeloi, Archai; dann mischen sich in das Gespräch Throne, Cherubine, Seraphine. Ein ganzer Chor der Geistessphären tönt. Wir werden gewahr, indem jetzt die Stimmen der neun Chöre zusammentönen, daß dasjenige, was aus ihnen erklingt, wiederum an uns als Mensch gerichtet ist. Und so spricht zuletzt die ganze Geisteswelt zu uns. Aber erst wiederum, wenn dasjenige, was innerhalb der Geisteswelt gesprochen ist, auf­genommen wird in die Weltenworte der Seraphine, Cherubine und

167

Throne, dann tönt es auch wiederum in unser Menschenwesen her­ein. Und dann tönt es zu uns als Mensch:

In deinen Willenswelten
Fühl' unser Weltenwirken;
Geist erglänzt im Stoffe,
Wenn wir denkend schaffen;
Geist erschafft im Stoffe,
Wenn wir wollend leben;
Welt ist Ich-wollend Geistes-Wort.

Die Welt ist das Geisteswort, das das Ich will; und im Schaffen von Seraphinen, Cherubinen und Thronen ist die Welt.

[Diese vierte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]


Throne, Cherubine, Seraphine:

             In deinen Wllenswelten
             Fühl' unser Weltenwirken;
             Geist erglänzt im Stoffe,
             Wenn wir denkend schaffen;
             Geist erschafft im Stoffe,
             Wenn wir wollend leben;
             Welt ist Ich-wollend Geistes-Wort.

Das Geisteswort, das das Ich will, ist die Welt. Und indem wir diese Worte an unser Menschenwesen herandringen hören mit dem Geistesohr, wird es hell in der geistigen Welt. Das milde Licht, das vorher da war, wandelt sich in Geisteshelle.

Das ist das Erlebnis mit dem Hüter beim Hellwerden der Gei­stessphäre:

168

Sieh' des Äther-Farbenbogens
Lichtgewalt'ges Rund,
Lass' durch deiner Augen
Lichterschaffene Kraft
Dein Ich den Kreis durchdringen,
Und dann schau von jenseit'ger Warte
Farbenflutend die Weltenschale.

Empfind' unsrer Gedanken
Farbenatmend Leben
In der Schale Lichtesfluten;
Wir tragen Sinnenschein
In Geistes-Wesensreiche
Und wenden weltdurchdrungen
Uns höhern Geistern dienend zu.

Euer Empfangenes
Aus totem Sinnenschein Belebtes:
Wir wecken es im Sein;
Wir schenken es den Strahlen,
Die des Stoffes Nichtigkeit
In des Geistes Wesenheit
Liebewebend offenbaren.

In deinen Willenswelten
Fühl' unser Weltenwirken;
Geist erglänzt im Stoffe,
Wenn wir denkend schaffen;
Geist erschafft im Stoffe,
Wenn wir wollend leben;
Welt ist Ich-wollend Geistes-Wort.

169

Und es ist dann, als ob der Hüter der Schwelle uns sanft berührte mit seinen Geistesorganen. Wir fühlen sein Wesen so, wie wenn er uns die Geistaugen zudrückte, wir für einen Augenblick nichts schauten, trotzdem wir vorher im hellen Geistesraume waren. Dann steigt aus unserem Innern das Wort auf, das wir heute noch nicht rechnen wollen zu den Mantren, die wir bekommen, das aber an den Schluß dieser Stunde gestellt werden soll und das wir auf­sparen wollen, aufschieben für das nächste Mal.

Indem - wenn wir es mit einem sinnlichen Bilde ausdrücken, was da auf rein geistige Art geschieht - der Hüter der Schwelle uns sanft die Hände auf die Augen legt, so daß wir von der um uns herum befindlichen Geisteshelle nichts sehen, steigt in uns das­jenige auf, was wie eine Erinnerung wirkt an die Sinneswelt, die wir verlassen haben zur Aneignung der Erkenntnis in der Geist­welt. Das steigt auf:

Ich trat in diese Sinnes-Welt,
Des Denkens Erbe mit mir führend,
Eines Gottes Kraft hat mich hereingeführt.
Der Tod, er steht an des Weges Ende.
Ich will des Christus Wesen fühlen.
Es weckt in Stoffes-Sterben Geist-Geburt.
Im Geiste find' ich so die Welt
Und erkenne mich im Weltenwerden.

Meine lieben Freunde, ich muß erinnern an etwas, was gesagt worden ist im Beginne der Einrichtung der Klassenstunden, auch schon betont worden ist bei der Weihnachtstagung. Es dürfen nicht die Dinge immer wiederum so genommen werden, daß man eine Einrichtung, die aus tieferem Sinn heraus voll getroffen ist, von außen her abändert, sie anders einrichtet als sie eingerichtet war.

170

Deshalb muß ich hier verkündigen, daß zukünftig - und das soll­ten diejenigen, die schon in der Klasse sind, durchaus als die Ord­nung für diejenigen, die für die Klasse ansuchen wollen, den an­deren klarmachen - es wird zukünftig kein einziges Klassengesuch mehr berücksichtigt, das nicht entweder an den Schriftführer des Vorstandes des Goetheanum, Frau Dr. Wegman, oder an mich direkt gerichtet ist. Nur mit diesen zwei persönlichen Adressen werden zukünftige Ansuchen um die Zugehörigkeit zur Klasse berücksichtigt. Das, was vom Anfange an festgesetzt worden ist, muß bleiben. Die Mitglieder haben sich schon wiederum so ein­gerichtet, daß sie das nicht befolgen, sondern die Sache so machen, wie sie selber wollen.

Bei dieser Gelegenheit mache ich noch auf etwas anderes auf­merksam, meine lieben Freunde, was insbesondere jetzt schwer­wiegend wird, wo wirklich mit der nötigen Einhaltung der Kom­petenzen die Anthroposophische Gesellschaft geleitet werden muß. Immer wieder und wiederum bekommt man Briefe, in denen steht:

Wenn ich nicht eine Antwort bekomme, so betrachte ich das als eine Bejahung. - Diejenigen, die so geschrieben haben, wissen schon davon. Ich möchte diejenigen, die so geschrieben haben und alle, die noch so schreiben wollen, bitten zu berücksichtigen, daß jeder Brief, der enthalten wird den Satz: Eine Nichtantwort betrachte ich als eine Bejahung -, daß jeder solche Brief sich selber die Ant­wort bilden kann als eine Verneinung. Es wird in Zukunft über­haupt ein solcher Brief nicht mehr beantwortet, weil man gar nicht zurechtkommen kann, wenn solche Zumutungen gestellt werden, sondern es muß dasjenige, was in den Briefen geschrieben wird, von vornherein als verneinend beantwortet gelten.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 171 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 171
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ACHTZEHNTE STUNDE Dornach, 12. Juli 1924

Meine lieben Freunde! Den Ruf nach Selbsterkenntnis, den die Menschenseele vernehmen kann, wenn sie unbefangen hinlauscht auf alle Wesen und Ereignisse in Natur- und Geistesleben, wir wol­len ihn wiederum im Ausgangspunkte dieser Betrachtungen an unserer Seele vorüberziehen lassen:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

174

Wir sind, meine lieben Schwestern und Brüder, in jener Ant­wort, die die Seele finden kann auf diese Frage, die Strecke durch­gegangen, die der Mensch durchmißt bei seinem Wege hin zum Hüter der Schwelle, zum Abgrund des Seins. Wir sind vorge­drungen bis zu derjenigen Unterweisung des Hüters der Schwelle, die da erfolgt so, daß dem Menschen dasjenige, was vorher dunkel und finster vor ihm stand - wovon er aber doch wußte, daß es sein Wesen, den Quell seines Daseins enthält -, was vor ihm dunkel und finster sich ausbreitete und dann hell wurde, hell wurde. Und nun im Hellwerden hörten wir des Hüters Ruf:

Sieh' des Äther-Farbenbogens
Lichtgewalt'ges Rund,
Lass' durch deiner Augen
Lichterschaffene Kraft
Dein Ich den Kreis durchdringen,
Und dann schau von jenseit'ger Warte
Farbenflutend die Weltenschale.

Und Angeloi, Archangeloi, Archai, sie lassen ihre Stimmen er­tönen auf dieses Wort des Hüters der Schwelle also, indem sie sich an die Menschenseelen richten:

Empfind' unsrer Gedanken
Farbenatmend Leben
In der Schale Lichtesfluten;
Wir tragen Sinnenschein
In Geistes-Wesensreiche
Und wenden weltdurchdrungen
Uns höhern Geistern dienend zu.

175

Und so schauen wir, wie da durch das flutende Licht der Wel­tenschale, die wir kennengelernt haben in der letzten Stunde, die Wesen der dritten Hierarchie durchleuchtet und erleuchtet wer­den; wir sehen die Scharen dieser Wesenheiten, Angeloi, Arch­angeloi, Archai, sich hinwenden dienend zu den höheren Geistern, zu den Exusiai, Dynamis, Kyriotetes; und wir werden Zeuge, wie die Exusiai, Dynamis, Kyriotetes zu ihren dienenden Geistern sprechen, zu erfüllen dasjenige, was diese dienenden Geister für die Menschen brauchen.

Und also sprechen Exusiai, Dynamis, Kyriotetes:

Euer Empfangenes
Aus totem Sinnenschein Belebtes:
Wir wecken es im Sein;
Wir schenken es den Strahlen,
Die des Stoffes Nichtigkeit
In des Geistes Wesenheit
Liebewebend offenbaren.

Und dann müssen wir, durch unser Inneres gedrängt, den Blick zu den höchsten Geistern, der ersten Hierarchie, wenden, die sich jetzt an die Menschen segnend selber wenden. Von da hören wir:

In deinen Willenswelten
Fühl' unser Weltenwirken;
Geist erglänzt im Stoffe,
Wenn wir denkend schaffen;
Geist erschafft im Stoffe,
Wenn wir wollend leben;
Welt ist Ich-wollend Geistes-Wort.

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So Zeuge desjenigen, was Wesen höherer Welten miteinander sprechen, so durchdrungen von demjenigen, was die höchsten Wesen als das Weltenwort in die Menschenseele hineinergießen, damit das Menschenherz ihm entgegenschlage, so müssen wir uns drinnen fühlen im allwaltenden, allwesen den Weltenlichte, in dem wir selber drinnen leben und weben.

Und jetzt geht uns auf eine Wahrheit, die empfunden wird da, wo nichtverkörperte Wesen, wo Geister ihr Leben leben, wo Gei­ster ihre Wahrheiten denken, wo Geistern ihre Schönheit erglänzt, wo durch Geister ihr Wirken geistig wirkt. Und auf geht uns die große, die allumfassende, die in Geisteswelten webende Wahrheit:

Geist ist. Denn wir stehen, wir leben, wir weben im Geist. Wir erfassen geistiges Sein.

Und wir gedenken jetzt, wie Geist, wie dasjenige, worinnen wir jetzt leben, allein ist. Und wir wissen jetzt: auch da, wo wir sonst sind im Leben, auch in der Welt des Sinnenscheins ist nur Geist. Geist ist allein. Das steht jetzt vor unserer Seele als unerschütter­liche, allwaltende Wahrheit: Geist ist. Und wir tun gut, uns diese Wahrheit im Bilde vor die Seele hinzustellen.

[Es wird gezeichnet: rot.] (siehe Zeichnung S. 191)

Dasjenige, das im Bilde ausgedrückt ist, ist Geist. Es ist Geist allein.

[Während des Weitersprechens wird an verschiedenen Stellen das Wort «Ist» in die roten Zeichen hineingeschrieben.]

Dasjenige, was hier erscheint: Ist. Es ist Geist. Und was außer dieser Röte ist, ist nicht. Das steht vor unserer Seele. Und die Gei­steswelt sagt uns: hier Ist, hier Ist, hier Ist> hier Ist. Überall, wo Geist ist, lst etwas.

[Nun wird während des Weitersprechens das Wort «Nichts» an verschiedenen Stellen zwischen die roten Zeichen geschrieben, ferner die Worte «Mineralien», «Pflanzen», «Tiere».]

177

Und wo nicht Geist ist, ist Nichts. Und wir sind tief durch­drungen, daß das die Wahrheit ist: Überall, wo Geist ist, ist etwas, und wo nicht Geist ist, ist Nichts. Und nun fragen wir uns: Wie er­schien uns das alles drüben in der Welt des Sinnenscheins, aus dem wir über die Schwelle herüber herausgetreten sind in die geistige Welt, wo wir das wahre Sein, den Geist, vor unsere Seele hingestellt finden. Da drüben sahen wir dasjenige, was hier in Röte gezeichnet ist, nicht. Wir sind zu schwach drüben, um dasjenige, was in Röte gezeichnet ist, zu sehen. Was bleibt übrig drüben? Das Nichts. Wir sehen drüben das Nichts: nennen es Mineralien> eine Sorte von dem Nichts; nennen es Pflanzen> eine zweite Sorte von dem Nichts; nennen es Tiere, eine dritte Sorte von dem Nichts, und so weiter.

Das Nichts empfinden wir, weil wir zu schwach sind, das Etwas zu schauen. Und die Nichtse reden wir als die Reiche der Natur an. Das ist die große Täuschung, das ist die große Illusion, sagen wir. Nur verschiedene Arten des Nichts sind uns drüben vor Augen, wenn wir im Leibe schauen. Und wir haben in unserem Gefühl tief den Eindruck, wie wir drüben leben und Namen geben dem­jenigen, was Nichts im Grunde ist, was die große Illusion ist. Und uns erscheint jetzt dasjenige, was da drüben als Nichts lebt und dem wir Namen geben, uns erscheint das wie eine Summe von Namen, die wir der Nichtigkeit geben. Denn in ihrer Wahrheit sind alle Wesen erst jetzt im Sein da, wo wir in die geistige Welt ein­getreten sind. Namen, dem Nichts geweiht, die haben wir drüben verschwendet auf Wesenloses. Und Wesen - nicht aus den Götter-reichen, denen wir angehören und angehören sollen -, die können sich der Namen bemächtigen, die wir auf die Nichtse verschwen­den. Und sie tragen fortan diese Namen.

Wenn wir uns nicht klar sind darüber, daß wir hier auf der Erde den Nichtigkeiten Namen geben, so verfallen wir mit unseren Namen in die stärkste Illusion. Wissen müssen wir, daß wir den Nichtigkeiten Namen geben. Das steht jetzt, indem wir drüben im Lichte leben und weben, vor unserer Seele, so daß es die Geistkraft

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unseres Herzens, die uns hinüber geblieben ist, tief, tief, tief fühlen kann: Wir wissen jetzt, wir sind aus dem Reiche der Illusion in das Reich der Wahrheit eingezogen. Ernst, heiliger Ernst gegenüber der Wahrheit beginnt zu walten in unserer Seele.

Und jetzt schauen wir zurück auf den treuen Hüter der Schwelle, der am Abgrund des Seins steht. Er spricht jetzt nicht. Er sprach aus dem Dunkel heraus. Er sprach, als wir die Helligkeit erst fühlten. Er sprach, während die Helligkeit sich für uns aufhellte. Jetzt, wo wir in der Helligkeit erschüttert stehen durch die große Wahrheit «allein Geist ist», jetzt spricht er nicht, jetzt deutet er stumm, wie oben die Wesen der höheren Hierarchien mit­einander sprechen. Und wir denken einen Augenblick in Geistes­gegenwart: Da unten im Erdenleben haben wir vernommen, was Mineralien, was Pflanzen, was Tiere, was physische Menschen auf uns für einen Eindruck machen, was die Wolken sprechen, was die Berge sagen, was die Quellen rieseln, was die Blitze walten, was die Donner rollen, was die Sterne flüstern von Weltengeheimnissen. Das war drunten unsere Erfahrung; das waren unsere Erlebnisse. Jetzt ist das alles stumm, jenseits des Abgrundes des Seins. Jetzt sind wir Zeuge, wie die Götter miteinander sprechen. Der ganze Chor der Angeloi beginnt zu sprechen.

Wir schauen noch hinauf, wie er sich wendet zu den höheren Geistern, wie er sich wendet zu den Geistern der zweiten Hierar­chie, denen er dienen will. Wir schauen auf die liebevoll dienenden Gebärden der Angeloi, Archangeloi, Archai, die sich hinwenden zu Exusiai, Dynamis, Kyriotetes. Wir haben den Anblick der Scharen der dritten Hierarchie im Dienen.

Wir haben den Anblick der Scharen der zweiten Hierarchie im Weltenschaffen, im Weltbeherrschen, im Weltbeleuchten, und hören, was die geisterleuchteten, göttlich wollenden, Göttliches wollenden Wesen miteinander sprechen.

179

Wir hören die Angeloi ihr Wort ertönen lassen. Heraus aus ihrer Sorge um die Führung der Menschenseelen lassen sie ihr Wort er­tönen:

Es denken die Menschenwesen!

Das lastet auf den Angeloi. Darum sind sie besorgt, wie sie führen sollen die Menschenseelen, indem die Menschenwesen denken. Dann wenden sie sich hin, bittend, zu den Dynamis, damit sie bekommen jene Kräfte, durch die sie richtig führen können die Menschenwesen im Denken.

Angeloi:

Es denken die Menschenwesen!
Wir brauchen das Licht der Höhen,
Daß wir im Denken leuchten können.

Die Dynamis aus dem Bereiche des Leuchtens, Herrschens, Wir­kens antworten liebevoll, wohlwollend:

Empfanget das Licht der Höhen,
Daß ihr im Denken leuchten könnt,
Wenn Menschenwesen denken.

Und das flutende Licht, Kraft des Leuchtens im Denken, es strömt hinüber von den Dynamis zu den Angeloi. Was die Angeloi empfangen, es leuchtet, ohne daß die Menschen es wissen, im menschlichen Denken. Jetzt werden wir gewahr, was im mensch­lichen Denken wirkt und webt, das Leuchten der Angeloi. Aber die Lichtkraft zu diesem Leuchten, sie empfangen sie von den Dynamis.

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[Der erste Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

I) Angeloi:

«Es denken die Menschenwesen!»: Das ist ihre Sorge, das stellen sie hin als ihr Sorgenwort.

Es denken die Menschenwesen!

Nun wenden sie sich in ihrer Sorge an die Dynamis:

Wir brauchen das Licht der Höhen,
Daß wir im Denken leuchten können.

Die Dynamis antworten:

Dynamis:

Empfanget das Licht der Höhen,
Daß ihr im Denken leuchten könnt,
Wenn Menschenwesen denken.

Weiter geht unser geistiger Blick. Die Schar der Archangeloi sehen wir dienend sich hinwenden zu den Geistern der zweiten Hierarchie. Jetzt wenden die sich an Exusiai und Kyriotetes, an die zwei Kategorien der Geister der zweiten Hierarchie. Angeloi haben sich an Dynamis gewendet; Archangeloi wenden sich an Exusiai und Kyriotetes. Und ihre Sorge geht auf das Fühlen der Menschenwesen. Und sie erbitten von Exusiai und Kyriotetes, was sie brauchen für das Fühlen der Menschenwesen, das sie führen sollen.

Archangeloi:

Es fühlen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Seelenwärme,
Daß wir im Fühlen leben können.

Sie müssen dem Fühlen Leben einhauchen. Und mit mächtiger Stimme, weil zwei Chöre es sind, die da antworten, ertönt es im geistigen Weltenall von Kyriotetes und Exusiai:

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Empfanget die Seelenwärme,
Daß ihr im Fühlen leben könnt,
Wenn Menschenwesen fühlen.

[Der zweite Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

II) Archangeloi:

Es fühlen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Seelenwärme,
Daß wir im Fühlen leben können.

Es antworten

Kyriotetes und Exusiai:

Empfanget die Seelenwärme,
Daß ihr im Fühlen leben könnt,
Wenn Menschenwesen fühlen.

Und wir wenden uns zu der dritten Schar der dritten Hierar­chie, zu der Schar der Archai. Sie haben die Sorge für das Wollen der Menschenwesen, die dritte Sorge der dritten Hierarchie.

Wir fühlen: wenn sich die Angeloi wenden an die Dynamis, dann wirken die Dynamis weit hinauf in die Höhen, um das Licht der Höhen, das sie erzeugen, den Angeloi für ihre Sorge für das Denken der Menschen zu geben. Und wir fühlen: alles, was im Umkreise an Weltenwärme ist, das wird erzeugt von Exusiai und Kyriotetes, und es wird übergeben den Archangeloi, damit diese führend sein können in alle dem, was das Fühlen in Menschenwesen ist. Und tief unten, da, wo die Geister und Götter der Tiefe walten, wo aus den Abgründen, in denen viel Böses waltet, die Tiefenkräfte als die guten von weit herauf gezogen werden müs­sen, da ziehen alle Götter der zweiten Hierarchie zugleich; denn in ihrer Sorge um das Wollen der Menschenwesen brauchen die Archai die Tiefenkraft. Und sie sprechen:

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Es wollen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Tiefenkraft,
Daß wir im Wollen wirken können.

Und es antworten darauf wie aus einer mächtigen, gewaltigen kosmischen Stimme, in die zusammenklingen die mächtigen Stim­men der mächtigen Geister der zweiten Hierarchie, alle drei zu­sammen, die drei Scharen aus drei Chören zu einem Chor - Kyriotetes, Dynamis, Exusiai -, drei Chöre in einem:

Empfanget die Tiefenkraft,
Daß ihr im Wollen wirken könnt,
Wenn Menschenwesen wollen.

[Der dritte Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

III) Archai:

Es wollen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Tiefenkraft,
Daß wir im Wollen wirken können.

Es antworten Kyriotetes, Dynamis und Exusiai zugleich:

Kyriotetes, Dynamis und Exusiai:

Empfanget die Tiefenkraft,
Daß ihr im Wollen wirken könnt,
Wenn Menschenwesen wollen.

183

Das ist die Welt, die Welt, bestehend in den heiligen Schöpfer-worten, von deren Ertönen wir Zeuge werden in geistigen Welten, wie wir Zeuge sind von dem, was im mineralischen, pflanzlichen Reiche hier auf Erden vor sich geht.

Und wir vernehmen, indem das unsere Erfahrung, unser Erleb­nis wird:

Es denken die Menschenwesen!
Wir brauchen das Licht der Höhen,
Daß wir im Denken leuchten können.

Empfanget das Licht der Höhen,
Daß ihr im Denken leuchten könnt,
Wenn Menschenwesen denken.

Es fühlen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Seelenwärme,
Daß wir im Fühlen leben können.

Empfanget die Seelenwärme,
Daß ihr im Fühlen leben könnt,
Wenn Menschenwesen fühlen.

Es wollen die Menschenwesen!
Wir brauchen die Tiefenkraft,
Daß wir im Wollen wirken können.

Empfanget die Tiefenkraft,
Daß ihr im Wollen wirken könnt,
Wenn Menschenwesen wollen.

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Wir wachsen hinein in die geistige Welt. Statt dessen, was uns hier auf der sinnlichen Erde umgibt, umgeben uns die Chöre der geistigen Welt. Und wir werden Zeuge dessen, was die Götter sprechen, was die Götter sprechen bei ihrer Sorge um die Men­schenwelt, bei ihrem Schaffen in der Sorge um die Menschenwelt.

Nur wenn unsere Meditation übergeht in dieses völlige Aus­schalten dessen, was wir hier auf der Erde sind, und in ein Erfühlen desjenigen, was drüben die Götter in ihrer Göttersprache eine Welt sein lassen, erleben wir die wahre Wirklichkeit. Und erst wenn wir diese Wirklichkeit haben, haben wir auch dasjenige, was wirklich ist um uns herum zwischen der Geburt und dem Tode. Denn hinter all dem, was da lebt in den Erscheinungen zwischen der Geburt und dem Tode, ist als wahre Wirklichkeit enthalten dasjenige, in dem wir leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.

Menschen früherer Zeiten, sie lebten auf Erden, sie lebten auf Erden in einem dumpfen, traumhaften Hellsehen. Ihre Seele war erfüllt von solchen traumhaften Bildern, die von der geistigen Welt sprachen. Stellen wir uns vor einen solchen Menschen alter Zeiten: dann, wenn er nicht arbeitete, wenn er - da noch die Sonne am Himmel stand - von der Arbeit schon zur Rast gegangen war, wenn er nachsann, stiegen auf die Bilder, die er in seiner Seele erleben konnte und die ihn erinnerten an dasjenige, was er im vor-irdischen Dasein in der geistigen Welt erlebt hatte. Und er verstand nicht den Zusammenhang seines Erdendaseins mit jenem Dasein, das da hereinleuchtete in seine hellseherischen Träume. Aber die Lehren der Eingeweihten, der Initiierten, waren da. Die erklärten zumeist ihren Schülern und durch die Schüler allen Menschen, wie der Zusammenhang ist. Und man lebte in der Erdenwelt von den Erinnerungen an das vorirdische Dasein.

Jetzt ist erloschen im Erdenleben die Erinnerung an das vor-irdische Dasein. Jetzt können Initiierte nicht erklären den Zu­sammenhang des Erdenlebens mit dem vorirdischen Dasein; denn die Menschen haben vergessen, was sie erlebt haben im vorirdischen

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Dasein. Einer solchen Erklärung bedarf es nicht; das kosmische Gedächtnis braucht nicht erklärt zu werden, denn es ist heute nicht da.

Aber gelauscht muß werden durch die Initiationswissenschaft demjenigen, was da die Götter sprechen hinter dem sinnlichen Dasein. Dann müssen das die Menschen erfahren. Und immer mehr wird die Zeit kommen, daß die Menschen, wenn sie durch die Pforte des Todes gegangen sind, die geistige Welt, in die sie ein­treten, nur verstehen werden, wenn sie folgendes sagen können.

Wenn der Mensch getreten ist durch die Pforte des Todes in das überirdische Dasein, und sich nun befindet in der Wirklichkeit der geistigen Welten, befindet innerhalb der Welt von Angeloi, Arch­angeloi, Archai, Exusiai, Dynamis, Kyriotetes, Seraphinen, Che­rubinen, Thronen: wenn er all das erlebt, dann wird er sich - wenn ihm das nicht unverständlich und dunkel bleiben soll, was er da nach dem Tode erlebt -, dann wird er sich erinnern müssen an das­jenige, was er hier auf Erden durch die Initiationswissenschaft erfahren hat.

Und wichtig, von unermeßlicher Wichtigkeit wird es sein zum Verständnisse dessen, was erlebt werden kann drüben in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, wenn gehört wird

- was sonst nicht verstanden wird - durch das Rückerinnern an dasjenige, was auf Erden noch gehört worden ist, solches, was da drüben ertönt:

Es denken die Menschenwesen!
Empfanget das Licht der Höhen.

Es fühlen die Menschenwesen!
Empfanget die Seelenwärme.

Es wollen die Menschenwesen!
Empfanget die Tiefenkraft.

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Das sind die Worte, meine Schwestern und Brüder, die gehört werden sollen heute in den esoterischen Schulen. Da sollen sie erklingen durch die Unterweisungen derjenigen, die aus der Kraft des Michael-Zeitalters heraus die esoterischen Schulen leiten. Dann kann es so sein:

In den esoterischen Schulen wird zunächst gehört innerhalb des Erdendaseins die Stimme der Angeloi:

Es denken die Menschenwesen!

Die Antwort der Dynamis:

Empfanget das Licht der Höhen.

Es wird gehört die Stimme der Archangeloi:

Es fühlen die Menschenwesen!

Die Antwort der Kyriotetes und Exusiai:

Empfanget die Seelenwärme.

Die Worte der Archai:

Es wollen die Menschenwesen!

Die Antwort aller drei Wesensarten der zweiten Hierarchie, Exu­siai, Dynamis, Kyriotetes:

Empfanget die Tiefenkraft.

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Menschen, die in esoterischen Schulen das gehört haben, werden durch die Pforte des Todes gehen, die Worte drüben wieder klingen hören, zusammenklingen hören: die esoterischen Schulen hier, das Leben zwischen Tod und neuer Geburt dort. Verstehen werden sie, was dort erklingt.

Oder die Menschen sind dumpf und unwillig gegen dasjenige, was die esoterischen Schulen nach der Vorbereitung durch die all­gemeine Anthroposophie sagen. Sie vernehmen nicht dasjenige, was erlauscht werden kann durch die Initiationswissenschaft aus den Reichen der Höhen. Sie gehen durch die Pforte des Todes. Sie hören dort, was sie hätten hören sollen schon hier. Sie verstehen es nicht. Wie unverständliches Klingen, wie bloßer Schall, wie Wel­tengeräusch ertönen die Kraftworte, wenn die Götter miteinander sprechen.

Das Evangelium spricht davon, Paulus spricht davon, daß die Menschen sollen durch die Weisung Christi sich hüten vor dem Tode im Geisterland. Denn gleich kommt es dem Tode im Geister-land, wenn wir durch des Todes Pforte gehen und nicht verstehen, was dort erklingt; wenn wir nur hören können statt verständ­licher Worte der Götter das unverständliche Geräusch, weil uns überfallen hat statt des Lebens der Seele der Tod der Seele. Daß die Seelen leben, dafür gibt es eine Initiationswissenschaft. Daß die Seelen lebend bleiben, wenn sie durch des Todes Pforte gehen, dafür gibt es esoterische Schulen. Davon sollen wir uns durchdringen.

Und jetzt gedenken wir des Weges, den wir im Geiste durch­gemacht haben. Gedenken wir, wie wir an den Hüter heran­getreten sind, um kennenzulernen, wie der Mensch hinüberkommt über den Abgrund des Seins. Und nehmen wir jetzt, wo die Ein­drücke von drüben auf unsere Seele gewirkt haben, nehmen wir jetzt in unsere Seele herein dasjenige, was als die innere Dramatik der Selbsterkenntnis vor unsere Seele hintreten kann.

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Wir haben den Weg gegangen. Drei Tafeln standen gewisser­maßen da.Vor der dritten stehen wir jetzt, nachdem wir alle Tiefen eines Göttergespräches in unsere Seele aufgenommen haben. Auf der ersten Tafel, lange noch bevor wir hingekommen waren zum Abgrund des Seins, da tönte es eben:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

189

Nun näherten wir uns dem Hüter. Die zweite Tafel ist da. Auf ihr stehet:

Erkenne erst den ernsten Hüter,
Der vor des Geisterlandes Pforten steht,
Den Einlaß deiner Sinnenkraft
Und deines Verstandes Macht verwehrend,
Weil du im Sinnesweben
Und im Gedankenbilden
Aus Raumeswesenlosigkeit,
Aus Zeiten Truggewalten
Des eignen Wesens Wahrheit
Dir kraftvoll erst erobern mußt.

Dann sind wir hinübergelangt, vorbei an dem ernsten Hüter, stehen drüben, haben vernommen ein solches Gespräch wie dieses:

Es denken die Menschenwesen!
Empfanget das Licht der Höhen.

Es fühlen die Menschenwesen!
Empfanget die Seelenwärme.

Es wollen die Menschenwesen!
Empfanget die Tiefenkraft.

190

Da schauen wir herüber, hinüber in die Sinneswelt, da fühlen wir gegenüber dieser Sinneswelt die Worte:

Ich trat in diese Sinnes-Welt,
Des Denkens Erbe mit mir führend,
Eines Gottes Kraft hat mich hereingeführt.
Der Tod, er steht an des Weges Ende.
Ich will des Christus Wesen fühlen.
Es weckt in Stoffes-Sterben Geist-Geburt.
Im Geiste find' ich so die Welt
Und erkenne mich im Weltenwerden.

*

Die nächste Klassenstunde wird nicht heute über acht Tage, sondern heute über vierzehn Tage um halb neun sein.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 191 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 191
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NEUNZEHNTE STUNDE Dornach, 2. August 1924

Meine lieben Freunde! Wir lassen wiederum an unserer Seele vorüberziehen zunächst jenen Spruch, der uns vergegenwärtigen kann, wie aus allem, was in der Welt ist und wird, was geworden ist in vergangenen Zeiten, ist in der Gegenwart, wird in der Zu­kunft, wie uns aus alle dem entgegentönt, entgegentönt immer dazu aufrufend, Selbsterkenntnis zu suchen, die da ist die Grund­lage für wirkliche, für wahrhaftige Welterkenntnis:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

194

Nun, meine lieben Schwestern und Brüder, wir haben an un­serer Seele vorüberziehen lassen mantrische Sprüche, welche in ihrer Kraft enthalten den Weg hin ins Geisterland, vorüber an dem Hüter der Schwelle, hinein in die erst dunkle, finstere, nacht-bedeckte geistige Welt, die dann erst licht sich fühlt, des weiteren licht wird für seelisches Wahrnehmen.Wir haben in dieser geistigen Welt gesehen, wie der Mensch teilhaftig ist - gewöhnlich un­bewußt, aber er kann sich dessen bewußt werden - des Gespräches der höheren Hierarchien miteinander, desjenigen, was wie wirkend und webend mit den höheren Hierarchien zusammen die Welt selber als Weltenwort spricht. Und wir haben zuletzt uns versetzen können in dasjenige Weltengebiet, wo ineinanderklingen die Chöre der verschiedenen Hierarchien. Das wollen wir noch einmal vor unsere Seele führen, wie ineinanderklingen die Chöre der verschie­denen Hierarchien, da, wo wir schon hindurchgedrungen sind durch dasjenige, was die Wesenheiten der zweiten Hierarchie sprechen, wo wir hindurchgedrungen sind durch dasjenige, was die Wesen der ersten Hierarchie aussprechen. Nunmehr kommen wir dazu, sie sprechen zu hören in ihrem Zusammenklang wie im Chore.

Der Hüter macht uns darauf aufmerksam - wir kennen das schon aus vorigen Stunden

Sieh' des Äther-Farbenbogens
Lichtgewalt'ges Rund,
Lass' durch deiner Augen
Lichterschaffene Kraft
Dein Ich den Kreis durchdringen,
Und dann schau von jenseit'ger Warte
Farbenflutend die Weltenschale.

Nachdem uns der Hüter auf dies Geheimnis, auf dies geistige Geheimnis des Regenbogens hingewiesen hat, tönt es wie aus dem Chore der Angeloi, Archangeloi, Archai:

195

Empfind' unsrer Gedanken
Farbenatmend Leben
In der Schale Lichtesfluten;
Wir tragen Sinnenschein
In Geistes-Wesensreiche
Und wenden weltdurchdrungen
Uns höhern Geistern dienend zu.

Die Geister der dritten Hierarchie erklären, wie sie im Men­schendienste dienen wollen den Geistern der zweiten Hierarchie, den Exusiai, Dynamis, Kyriotetes. Aus deren Bereich hören wir wiederum im Chore:

Euer Empfangenes
Aus totem Sinnenschein Belebtes:
Wir wecken es im Sein;
Wir schenken es den Strahlen,
Die des Stoffes Nichtigkeit
In des Geistes Wesenheit
Liebewebend offenbaren.

Und wenn wir so gehört haben, wie die Wesenheiten der zwei­ten Hierarchie weltenschöpferisch an unser Ich herantreten, dann tönt der Chor der ersten Hierarchie, der Throne, Seraphine, Che­rubine:

In deinen Willenswelten
Fühl' unser Weltenwirken;
Geist erglänzt im Stoffe,
Wenn wir denkend schaffen;
Geist erschafft im Stoffe,
Wenn wir wollend leben;
Welt ist Ich-wollend Geistes-Wort.

196

Nun stehen wir drinnen im Geisteswort, in jenem Geisteswort, das dem Weltenschaffen zugrunde liegt. Wir fühlen um uns herum dieses Geisteswort. Wir fühlen die Welt durchdrungen von diesem Geisteswort. Wir fühlen uns selber umwoben von diesem Geistes-wort. Wir fühlen eindringen in unser inneres Menschenwesen die­ses Geisteswort. Wir fühlen zuletzt einströmen in unser Herz dieses weltenweite Geisteswort. Da fühlen wir uns mit unserem ganzen Menschenwesen in dem Wellen dieses Geisteswortes. Da fühlen wir uns geistig im wortgewobenen Weltengeiste.

Da ist der Hüter in der Ferne. Wir sind am Hüter vorbeigeschritten. Er ist nun ganz in der Ferne. Leise nur hören wir ihn, wie er jetzt ein letztes ermahnendes Wort aus weiter Ferne an unser Geistesohr heranströmen läßt.

Der Hüter spricht aus der Ferne. Das Menschen-Ich weiß sich im Bereich des seraphisch-cherubinisch-Throne-getragenen Geisteswortes. Der Hüter spricht:

Wer spricht im Geistes-Wort
Mit der Stimme,
Die im Weltenfeuer lodert?

Da tönt es als Antwort aus dem Reiche der ersten Hierarchie:

Es sprechen Sternen-Flammen,
Es flammen seraph'sche Feuer-Mächte;
Sie flammen auch

- so fühlen wir die Weltensprache, die Sprache des Weltenwortes in unserem Innern -

Sie flammen auch in meinem Herzen.
In des Urseins Liebe-Quell
Findet Menschen-Herz
Schaffendes Geistes-Flammen-Sprechen:
             Es ist Ich.

197

Meine lieben Schwestern und Brüder! Derjenige, der in der Eso-terik Reich eindringen will, sollte eigentlich zunächst fühlen, daß das uralt heilige «ejeh asher ejeh» - «Ich bin Ich», «Ich bin» - ein heiliges Wort ist, das aus jener jenseitigen Wirklichkeit herüber-tönt. Es ist nur ein Abglanz, was wir im flüchtigen Gedanken als «Ich bin» festhalten.

Eigentlich müssen wir uns bewußt sein, daß das wahre «Ich bin» zunächst im Erdenbereiche nicht aus uns spricht, daß wir, wollen wir würdig und wert «Ich bin» sagen, wir erst hineinkommen müssen in das Reich der Seraphine, Cherubine und Throne. Dort erst klingt das «Ich bin» wahr. Hier im Erdenbereiche ist es Illu­sion.

Da aber müssen wir, damit wir das wahre «Ich bin» in uns er­leben, da müssen wir das Weltenwort hören. Da müssen wir die Frage vernehmen vom Hüter der Schwelle, wer denn eigentlich im Weltenworte spricht. Seraphine, die mit Blitzesflammen, Geistes­Blitzesfl ammen ihren Weg durch die Welt wellen, sie sprechen die Feuersprache des Weltenwortes da, wo wir nun stehen. Das Wort ist Flamme, flammende Stimme. Und indem wir in diesem lodern­den Weltenfeuer, das in der flammenden Stimme die Feuersprache spricht, uns erleben, erleben wir das wahre «Ich bin».

Das ist in den Worten enthalten, die jetzt als Frage vom fernen Hüter der Schwelle - wir sind längst an ihm vorübergegan­gen - und als Antwort kommen aus dem Bereich der ersten Hier­archie:

198

Wer spricht im Geistes-Wort
Mit der Stimme,
die im Weltenfeuer lodert?

Es sprechen Sternen-Flammen,
Es flammen seraph'sche Feuer-Mächte;
Sie flammen auch in meinem Herzen.
In des Urseins Liebe-Quell
Findet Menschen-Herz
Schaffendes Geistes-Flammen-Sprechen:
             Es ist Ich.

[Der erste Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht aus der Ferne (Das Menschen-Ich weiß sich im Bereich des seraphisch-cherubinisch- Throne-getragenen Geistes-Wortes):

Wer spricht im Geistes-Wort
Mit der Stimme,
Die im Welten feuer lodert?

Aus dem Reich der ersten Hierarchie:

Es sprechen Sternen-Flammen,
Es flammen seraph'sche Feuer-Mächte;
Sie flammen auch in meinem Herzen.
In des Urseins Liebe-Quell
Findet Menschen-Herz
Schaffendes Geistes-Flammen-Sprechen:
            Es ist Ich.

Wenn Menschenwort erklingt, dann spricht aus Menschenwort Menschendenken. Und wenn Geistes-Weltenwort erklingt, dann spricht aus Geistes-Weltenwort Weltendenken. Das liegt in der Frage des Hüters, die er jetzt aus der Ferne als zweite stellt.

199

Der Hüter spricht aus der Ferne. Das Menschen-Ich weiß sich im Bereich des seraphisch-cherubinisch-Throne-getragenen Geistes-Wortes:

Was denkt im Geistes-Wort
Mit Gedanken,
Die aus Weltenseelen bilden?

Es sind diejenigen Gedanken, die aus den Weltenseelen, aus allen Weltenseelen, die angehören den Wesenheiten der verschiedenen Hierarchien, heraus kommen. Die bilden, gestalten, formen alles, was in den Reichen der Welt ist. Deshalb frägt der Hüter, wer da denkt die bildekräftigen Gedanken:

Was denkt im Geistes-Wort
Mit Gedanken,
Die aus Weltenseelen bilden?

Wieder kommt es zu uns aus dem Reich der ersten Hierarchie:

Es denken der Sterne Leuchter.

Erst waren es die Flammen, die sprechen die Worte; die Sternenflammen sprechen die Worte. Die Leuchter, aus denen die Flam­men kommen, denken.

Es denken der Sterne Leuchter,
Es leuchten cherubin'sche Bilde-Kräfte;
Sie leuchten auch in meinem Haupte.

- So sagt sich der Mensch, der darinnen steht. -

In des Urseins Lichtes-Quell
Findet Menschen-Haupt
Denkendes Seelen-Bilde-Wirken:
           Es ist Ich.

200

Das ist das zweite Gespräch: wie wenn die Wesenheiten der ersten Hierarchie in uns selbst uns die Weltenerlaubnis geben wür­den, daß wir das «Ich bin» erleben dürfen:

Was denkt im Geistes-Wort
Mit Gedanken,
Die aus Weltenseelen bilden?

Es denken der Sterne Leuchter,
Es leuchten cherubin'sche Bilde-Kräfte;
Sie leuchten auch in meinem Haupte.
In des Urseins Lichtes-Quell
Findet Menschen-Haupt
Denkendes Seelen-Bilde-Wirken:
            Es ist Ich.

[Der zweite Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht aus der Ferne:

Was denkt im Geistes-Wort
Mit Gedanken,
Die aus Weltenseelen bilden?

Aus dem Reich der ersten Hierarchie:

Es denken der Sterne Leuchter,
Es leuchten cherubin'sche Bilde-Kräfte;
Sie leuchten auch in meinem Haupte.
In des Urseins Lichtes-Quell
Findet Menschen-Haupt
Denkendes Seelen-Bilde-Wirken:
           Es ist Ich.

201

Das Welten-Geisteswort, sprechen muß es. Gedanken strömen aus ihm. Aber die Gedanken sind schaffend; die Gedanken sind kräftedurchdrungen; sie strömen, die Gedanken; und Weltenwesen und Weltengeschehnisse werden daraus, alles was ist. In ihm leben die wortgebildeten Weltgedanken, die gedankentragenden Weltenworte. Das ist nicht bloß Denken, das ist nicht bloß Sprechen; das ist Schaffen, das ist Kraften, Kräfteströmen in den Worten. Kräfte zeichnen die Gedanken hinein in die Weltenwesen, in die Weltengeschehnisse.

Darauf deutet die dritte Frage, die der Hüter der Schwelle aus der Ferne spricht:

Was kraftet im Geistes-Wort
Mit Kräften,
Die im Weltenleibe leben?

Die ganze Welt, die da ertönt vom Weltenwort, die da durch­leuchtet wird vom Weltendenken, sie ist, wie dasjenige, was im Menschen denkt und spricht, leibgetragen ist, so ist dasjenige, was im Weltenwort ertönt, im Weltenwort gedankendurchleuchtet scheint: Weltenleib. Ihn tragen die Throne, oder besser gesagt, er ist dasjenige, worinnen die Throne das gedankendurchleuchtete Wel­ten-Geisteswort tragen.

Daher antwortet es aus dem Reiche der ersten Hierarchie auf die Frage des Hüters:

202

Es kraftet der Sternen-Welten-Leib,
Es leiben der Throne Trag-Gewalten.

Wir müssen ein Wort bilden, das sonst ungewöhnlich ist. Aber geradeso wie man von Licht «leuchten», von Leben eben das Ver­bum «leben» bilden kann, so kann man von dem, was an Kraft aufbringt im Tragen der Leib, das Wort «leiben» bilden. Denn «Leib» ist nichts Totes, Leib ist nichts Fertiges, Leib ist etwas, was in jedem Augenblicke tätig, beweglich, regsam ist, was «leibt».

Es leiben der Throne Trag-Gewalten;
Sie leiben auch in meinen Gliedern.
In des Urseins Lebens-Quell
Finden Menschen-Glieder
Kraftendes Welten-Träger-Walten:
          Es ist Ich.

Weltenwort, Weltendenken, Weltenleib; sprechender, denkender Weltenleib, auf ihn bezieht sich die dritte Frage des Hüters:

Was kraftet im Geistes-Wort
Mit Kräften,
Die im Weltenleibe leben?
Es kraftet der Sternen-Welten-Leib,
Es leiben der Throne Trag-Gewalten;
Sie leiben auch in meinen Gliedern.
In des Urseins Lebens-Quell
Finden Menschen-Glieder
Kraftendes Welten-Träger-Walten:
          Es ist Ich.

203

[Der dritte Teil des Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Der Hüter spricht aus der Ferne:

- Das Menschen-Ich weiß sich im Bereich des seraphisch-cheru­binisch-Throne-getragenen Geistes -Wortes -

Was kraftet im Geistes-Wort
Mit Kräften,
Die im Weltenleibe leben?

Aus dem Reich der ersten Hierarchie:

Es kraftet der Sternen-Welten-Leib,
Es leiben der Throne Trag-Gewalten;
Sie leiben auch in meinen Gliedern.
In des Urseins Lebens-Quell
Finden Menschen-Glieder
Kraftendes Welten-Träger-Walten:
           Es ist Ich.

Es ist gewissermaßen, meine Schwestern und Brüder, eine Art Abschluß dieses Weges, der begonnen hat im Reiche der Illusion, im Reiche der Maja, der uns geführt hat zum Hüter der Schwelle, der uns geführt hat in Selbsterkenntnis durch die Selbsterkenntnis hinüber in die geistigen Reiche, der uns hat hören lassen die Chöre der Hierarchien; es ist gewissermaßen ein Abschluß, wenn wir jetzt stehen auf der Stelle, wo wir das wahre «Ich bin», «ejeh asher ejeh», in uns erleben dürfen.

In diesem Dialoge können wir es erleben, wenn uns das dreifache «Es ist Ich» aus dem Herzen quillt da, wo es uns aus dem Herzen quellen darf; wenn es uns aus dem Herzen quillt so, daß es wird in unserem Herzen das Echo desjenigen, was Seraphine, Cherubine, Throne in diesem Herzen erklingen lassen:

204

Wer spricht im Geistes-Wort
Mit der Stimme,
die im Weltenfeuer lodert?

Es sprechen Sternen-Flammen,
Es flammen seraph'sche Feuer-Mächte;
Sie flammen auch in meinem Herzen.
In des Urseins Liebe-Quell
Findet Menschen-Herz
Schaffendes Geistes-Flammen-Sprechen:
           Es ist Ich.

Was denkt im Geistes-Wort
Mit Gedanken,
Die aus Weltenseelen bilden?
Es denken der Sterne Leuchter,
Es leuchten cherubin'sche Bilde-Kräfte;
Sie leuchten auch in meinem Haupte.
In des Urseins Lichtes-Quell
Findet Menschen-Haupt
Denkendes Seelen-Bilde-Wirken:
           Es ist Ich.

Was kraftet im Geistes-Wort
Mit Kräften,
Die im Weltenleibe leben?
Es kraftet der Sternen-Welten-Leib,
Es leiben der Throne Trag-Gewalten;
Sie leiben auch in meinen Gliedern.
In des Urseins Lebens-Quell
Finden Menschen-Glieder
Kraftendes Welten-Träger-Walten:
           Es ist Ich.

205

Damit, meine lieben Schwestern und Brüder, ist in gewissem Sinne der erste Abschnitt dieser Ersten Klasse der Schule absolviert.

Wir haben diejenigen Mitteilungen, die wir bekommen können aus den geistigen Welten - denn diese Schule ist eine Schule, ein­gesetzt von der geistigen Welt selber -, wir haben diejenigen Bilder und Inspirationen, die da kommen können aus der geistigen Welt, an uns vorüberziehen lassen. Sie stellen vor unserer Seele dar, wel­ches der Weg ist hin bis zu der Ergreifung des wahren Menschen-Ichs in der Umgebung der Seraphine, Cherubine, Throne.

Meine lieben Schwestern und Brüder! Es war, wie Ihr gehört habt in den allgemeinen anthroposophischen Vorträgen, des Mi­chael übersinnliche Schule, in der zuerst solche inneren Herzens-lehren ertönten. Es waren dann die gewaltigen Bilder in dem ima­ginativen Kultus im Beginne des 19. Jahrhunderts, wo vor die Seelen, die dazu ausersehen waren, in der Umgebung des Michael zu sein, sich hinstellten die Offenbarungen der Schule aus dem 15., 16., 17. Jahrhundert, die in der übersinnlichen Welt von Michael und den Seinen in dem ausgesprochenen Sinne selbst ge­leitet wurde. Und jetzt stehen wir vor dieser von Michael begrün­deten anthroposophischen Schule. Wir fühlen uns in derselben. Michael-Worte sind es, die den Weg charakterisieren sollten, der in die geistige Welt und in das menschliche Ich hineinführt, Michael-Worte. Diese Michael-Worte der esoterischen Michael-Schule, sie bildeten sozusagen den ersten Abschnitt.

Wenn wir - was dann anzukündigen sein wird - im September wiederum uns finden zu diesen Klassenstunden, dann wird es der Wille der Michael-Macht sein, zunächst zu schildern die imagina­tiven Kultus-Offenbarungen vom Beginne des 19. Jahrhunderts. Das wird der zweite Abschnitt sein. Dasjenige, was an mantrischen Worten jetzt an unsere Seele gedrungen ist, es wird weiter in Bil­dern vor unserer Seele stehen, die - soweit dies möglich ist - die heruntergestellten Bilder des übersinnlichen imaginativen Kultus vom Beginne des 19. Jahrhunderts sein werden.

206

Das dritte Kapitel dieser Schule wirj bilden dasjenige, was uns unmittelbar hinführen wird zu jenen Interpretationen, die da ge­geben wurden zu den mantrischen Worten in der übersinnlichen Michael-Schule des 15., 16., 17. Jahrhunderts.

Wir sollen fühlen, wie wir uns hineinstellen durch all das in die geistige Welt selber. Wir sollen aber immer wieder und wiederum zurückblicken auf die physisch-sinnliche Erdenwelt und in be­scheidener Weise aufnehmen dasjenige, was in der sinnlich-physi­schen Erdenwelt waltet.

Daher lassen wir zum Schluß wiederum an unsere Seele tönen alles dasjenige, was - wenn wir aufnahmefähig sind, wenn wir einen Sinn dafür haben - aus jedem Stein, aus jeder Pflanze, aus jedem Tier, aus jeder ziehenden Wolke, aus jedem sprudelnden Quell, aus jedem rauschenden Winde, aus den Wäldern und von den Bergen, überall aus den Dingen und Vorgängen des Erden-rundes tönt, wenn wir einen Sinn dafür haben, was da tönt.

Wir waren im Reiche der Seraphine, Cherubine, Throne. Selbst des Hüters Stimme hat von Ferne nur ertönt. Wir gehen in Beschei­denheit wieder zurück, an dem Hüter vorbei, hinaus ins Reich des Sinnenscheins. Und wiederum lassen wir die Worte in uns er­klingen:

207

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

Meine lieben Schwestern und Brüder, es ist ja nun einmal so, daß leider die Maßregeln, auf welche genügend hingewiesen worden ist innerhalb dieser esoterischen Schule, sonderbar beobachtet werden von vielen, die Mitglieder geworden sind, angesucht haben um die Mitgliedschaft und sie auch haben erwerben können; und ich mußte ja schon gestern mancherlei Unerquickliches monieren. Man sollte es nicht glauben, aber vorgekommen ist es ja, daß Mit­glieder mit ihren blauen esoterischen Zertifikaten hier ihre Plätze

208

belegt haben. Aber vorgekommen ist auch, daß von drei Seiten her Hefte - eine Kapsel eigentlich und zwei Hefte - mit den man­trischen Sprüchen dieser Schule einfach liegengelassen worden sind. Die Kapsel mit den mit Schreibmaschine geschriebenen Sprü­chen ist draußen auf der Straße gefunden worden. Von einem Hefte konnte in der Weise abgeschrieben werden, wie ich's Ihnen gestern erzählt habe. Ein anderes Heft ist im Glashaus liegengeblieben. So daß es nötig geworden ist, drei Mitglieder dieser Schule, unmittelbar bevor diese Klassenstunde begonnen hat, aus­zuschließen.

Damit sind wir angekommen bei dem neunzehnten Ausschluß aus dieser Schule. Man sollte meinen, daß der Ernst mehr sprechen könnte aus den Seelen derjenigen, die hier doch schon gehört haben dasjenige, was diese Schule bedeutet. Der eine verliert die Sprüche auf der Straße, der zweite läßt sie hier liegen, der dritte läßt sie liegen im Glashause; und es wird nötig, drei durchaus prominente Mitglieder aus der Schule auszuschließen. Und ich kann Ihnen die Versicherung geben, meine lieben Schwestern und Brüder, daß das­jenige, was mit Bezug auf die strenge Handhabung der Maßregeln dieser Schule im Beginne und dann immer wieder gesagt worden ist, strenge eben gehandhabt werden muß. Eine solche Schule mit dem esoterischen Ernst kann eben nur aufrecht erhalten werden, wenn tatsächlich ihre Mitglieder dasjenige innehalten, was im Namen der geistigen Mächte, die dieser Schule vorstehen, verlangt werden muß.

Es ist in wahrhaft okkulten Dingen so. Und es kann dasjenige, was vielfach gewaltet hat in der Anthroposophischen Gesellschaft, nicht weiter fortwalten. Es muß dasjenige, was mit Ernst durch seinen eigenen Charakter erfüllt ist, auch wirklich mit Ernst ge­nommen werden können.

209
Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 209 Wandtafelanschrift aus GA 270/II, S. 209
210


211

HINWEISE

zu den Wortlauten der Texte und der Mantren vergleiche die Einleitung für die Hinweise im ersten Band, Seite 235.

zu Seite

7 Karma: Aus dem Stenogramm kann entnommen werden, daß Rudolf Steiner das Wort stets wie Kärma gesprochen hat. Siehe Rudolf Steiners Bemerkung zur Aussprache dieses Wortes in seinem vortrag in Dornach vom 23. Fehruar 1924, enthalten in «Eso­terische Betrachtungen karmischer zusammenhänge, Erster Band», 1970, Seite 64:

«Karma ist geradeso zu sprechen, wie wenn es mit ä geschrieben wäre.» Auf der Tafel zu diesem vortrag steht von Rudolf Steiners Hand geschrieben: Kärma

9 Man muß nur damit zusammenhalten auch die Betrachtungen, welche die ganze Stel­lung..,...: Das Wort «damit» steht nicht im Stenogramm.

12 Plato beschreibt selber das Sehen noch so: Timaios, 44 D bis 46 A.

14 Wenn wir von der anderen Seite aus den Tierkreis ansehen und lesen dasjenige, was wir von der Erde aus gewissermaßen von hinten ansehen, wie es Moses bedeutet wird, daß er Gott nur immer von hinten anzusehen hat von der Erde aus: Der Stenogramm-text lautet: ... was wir gewissermaßen von hinten aus ansehen, von der Erde, wie es Moses bedeutet wird, daß er Gott nur immer von hinten anzusehen hat, von der Erde.»

14 wie es Moses bedeutet wird: 2. Moses 33, vers 20 bis 23.

22 dann nähern wir uns - im Unbewußten - mit diesem Anhören im Geiste dem Momente, wo unser Ätherleib gebildet worden ist: Im Stenogramm steht «im Unbewußten» am Satzende. Die Umstellung wurde vorgenommen auf Grund der Formulierung im letz­ten Satz des vorhergehenden Abschnittes.

29 Miss Maryon ... Ich werde morgen... dasjenige hier sagen: Gedenkworte für Edith Maryon am 3. Mai 1924, abgedruckt in Bibl.-Nr. 261 «Unsere Toten», Gesamtausgabe Dornach 1963.

32 Und dann haben wir die Gliedmaßen-Stoffwechsel-Organisation, nach unten und nach außen hin zentralisiert, lokalisiert: Am Schluß des Satzes könnte es sich um eine Selbst-berichtigung handeln, so daß «zentralisiert» durch «lokalisiert» ersetzt werden sollte.

36 Der Engel antwortet... So lebet Ihr im Erdenleibe: An dieser Stelle wurde «Men­schenleibe» statt «Erdenleibe» gesprochen.

38 von der Bewegung von Mond, Sonne, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn: Das Wort «Venus» fehlt im Stenogramm.

44 Tempel... Aber man kommt doch nur mit Überwindung.., von sechzig.., Meilen zu ihnen:

Rudolf Steiner bezieht sich hier wohl auf die Charakterisierung des Gralstempels in Wolfram von Eschenbachs «Parzival» (5. Buch, vers 801). Sigune spricht zu Parzival:

Auf dreißig Meilen ward geschnitten
Zum Bau kein Baum hier und kein Stein,
Nur eine Burg liegt ganz allein
Des Erdenwunsches höchster Preis.

46 und so sollen diese Stunden auf Sonntag.., von elf bis zwölf Uhr verlegt werden: Dies war nur bei der folgenden, der zwölften Stunde, der Fall. Die weiteren Stunden wur­den an Samstagabenden gehalten.

212

52 «Wenn ich etwas denke, wozu ich in der Gegenwart veranlaßt bin durch das, was mir ein Mensch sagt: Die Worte «durch das» fehlen im Stenogramm.

55 Das geht hinauf, wo die Archang..,eloi sind: Die Worte »wo die Archangeloi sind» fehlen im Stenogramm.

60 Fühl' in deines Atems Lebensregung. Es spricht wieder der Hüter die nächsten drei Zeilen: Diese beiden Sätze fehlen im Stenogramm. Der erste Satz wurde bereits in den Finckhschen Übertragungen eingefügt; die Einfügung des zweiten Satzes erfolgte analog der bei den anderen Mantramteilen gebrauchten Formulierung.

81 webende Wolken als Symbolisierung der Throne: An dieser Stelle fuhr Rudolf Steiner gemäß Stenogramm fort mit den Worten: «Und wenn wir zum zweiten kommen und der Hüter uns ermahnt.» Bereits Frau Finckh hat in ihren beiden Übertragungen diese Worte weggelassen, weil Rudolf Steiner durch den folgenden Satz sich selbst korri­gierte. Während des Zeichnens an der Tafel hatte er offenbar nicht bemerkt, daß die Zeile der Throne noch nicht gesprochen war.

81 Es spricht, der das Menschensein, das vollbrachte: Gemäß Stenogramm wurde zuerst gesprochen «Menschendasein, das vollbrachte», weshalb Rudolf Steiner nach der Zwi­schenbemerkung «das sind die früheren Erdenleben» sich berichtigend wiederholte «Menschensein, das vollbrachte».

86 Vernimm des Willens Feld: Gemäß Stenogramm hat Rudolf Steiner an dieser Stelle «Wollens» statt «Willens» gesprochen.

86 Es kommt aber alles darauf an, daß wir in der Situation uns darinnen empfinden so...: Das Wort «empfinden» fehlt im Stenogramm.

88 So sollten wir den Übergang vom Nichtmeditieren zum Meditieren auffassen, daß es keinen Moment gibt, der so ist, daß, wenn wir ihn ohne das Bewußtsein, daß wir Meditanten sind, hinterher entdecken, wir uns seiner nicht schämen würden: In dem Satz «wir uns seiner nicht schämen würden« fehlen im Stenogramm die Worte «wir» und «nicht».

96 Das Wißrige bildet uns nicht mehr, denn seine formenden Kräfte hören auf. So wie wenn wir ins Wasser uns hineinstürzten . Zwischen diesen beiden Sätzen, die im Stenogramm am unteren Rand der Blockseite auftreten, steht noch: «Das Wasser wird Wasser.» Fragliche Textstellen treten zumeist an den Blattenden auf, wo der Steno­graph durch das Umblätternmüiien in Verzug geraten kann. Es könnte deshalb auch hier sein, daß der Zwischensatz so nicht stimmt. Er wurde daher, zumal der Sinn­zusammenhang dadurch nicht unterbrochen wird, im Text weggelassen. vielleicht sollte es heißen: «Das Blut wird Wasser« oder auch: «Das Wäßrige wird Wasser.»

99 seit dem Beginn der Michael-Zeit: Aus dem Stenogramm geht hervor, daß Rudolf Steiner hier wie auch an den anderen Stellen den Namen Michael wie Mikael ge­sprochen hat.

99 Ich habe gar manchem gesagt, als dieser Weltkrieg ausgebrochen war: Siehe hierzu Rudolf Steiners «Vorbemerkungen zu «Die Schuld am Kriege, Betrachtungen und Er­innerungen des Generalstabschefs H. von Moltke über die Vorgänge vom Juli bis No­vember 1914««; ferner das «Matin«-Interview, beides abgedruckt in «Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus und zur Zeitlage 1915-1921», Bibl.-Nr. 24, Gesamtausgabe Dornach 1961.

213

102 sobald man das Gebiet jenseits der Schwelle betritt: Im Stenogramm steht «überschreitet» statt «betritt».

104 ins Dasein erweckte: Das Wort «erweckte» steht nicht im Stenogramm, wurde jedoch bereits in den Finckhschen Übertragungen eingefügt.

106 Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne: Gemäß Stenogramm wurde an dieser Stelle «schaffen kann» gesprochen, während nachher an die Tafel geschrieben wurde «schaffen lerne».

107 Ich habe schon einmal . . . in diesen esoterischen Stunden darauf aufmerksam gemacht: Siehe fünfte und sechste Stunde.

111 Zu dem Mantram der vierzehnten Stunde: Aus dem Stenogramm geht hervor, daß Rudolf Steiner das Mantram an dieser Stelle ohne die Namen vor den Mantramzeilen gesprochen hat.

112 einen landwirtschaftlichen Kursus in Schlesien zu halten: Siehe «Geisteswissenschaft­liche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft, Landwirtschaftlicher Kursus», Bibl.-Nr. 327, Gesamtausgabe Dornach 1963.

118 Wir tragen in uns, indem wir fühlen dasjenige, was man in der Geisteswissenschaft «Wasser» nennt, was aber alle Flüssigkeit bedeutet das zweite, das Wasser-Element:

Die Worte «das zweite, das Wasser-Element» fehlen im Stenogramm.

119 auch da richtet: »auch» fehlt im Stenogramm.

119 denn nur mit dem Geistigen sollen wir in der Geistwelt sein wollen: Das Stenogramm ließe auch die Lesart «mit dem Geiste» zu; Frau Finckh hatte sich jedoch für «mit dem Geistigen» entschieden.

121 Mein Leben zerschmilzt sie, daß ich erlöst von ihr werde: So wurde diese Mantram­zeile während der vierzehnten Stunde an die Tafel geschrieben. Hier an dieser Stelle der fünfzehnten Stunde wurde aber gesprochen: »Mein Leben zerschmilzt sie. daß er­löst von ihr ich werde.»

121 Meine Seele saugt sie auf, daß ich göttlich schaffen lerne: Es wurde gesprochen «schaf­fen kann». Vergleiche Hinweis zu Seite 106.

121 Der Hüter spricht: Wo ist des Feuers Reinigung, die dir das Ich erflammte? Gemäß Stenogramm hat Rudolf Steiner an dieser Stelle «entflammte» gesprochen, während es an der Tafel «erflammte» heißt. Siehe hierzu die Handschriften im Tafelband.

128 Die Kyriotetes aus der zweiten Hierarchie antworten: Anstelle der Worte «aus der zweiten Hierarchie antworten» ist im Stenogramm eine Wiederholungslücke gelassen, die in den beiden Übertragungen von Frau Finckh nicht berücksichtigt worden war.

139 Der Mensch sieht um sich herum alles das, was zunächst im irdischen Dasein in den Reichen der Natur um ihn herum ist: Im Stenogramm lautet der Text: «Der Mensch sieht um sich herum in alle dem, was im nächsten irdischen Dasein in den Reichen der Natur um ihn herum ist.» Dieser Satz, der im Stenogramm am Ende der Seite beginnt, ist durch das Umblättern offenbar in Unordnung geraten.

144 dann müssen zusammenklin gen die Mahnworte der verschiedenen Hierarchien: im Stenogramm heißt es «Machtworte« statt «Mahnworte». Es kann sich hier nur um einen Hör- oder Schreibfehler handeln, denn im folgenden Satz heißt es: «Daher richtet der Hüter der Schwelle auch Mahnworte an uns», und etwas weiter »die Antworten, die . . . angeregt werden durch die Hierarchien, diese Mahnantworten erklingen so...»

214

144 Wir kennen die Frage, es ist nur die Frage unseres Hinein führens in das Element der Warme oder des Feuers: Dieser Satz ist im Stenogramm undeutlich und unvollständig festgehalten, weil umgeblättert werden mußte. Aus dem ganzen Zusammenhang ergibt sich als Satzsinn: Wir kennen die Frage schon in bezug auf die Elemente Erde, Wasser, Luft; hier ist es nun die Mahnfrage bezüglich unseres Hineinführens in das Element der Wärme oder des Feuers.

146 Erbitte dir in ew'gen Wesentaten: Im Stenogramm beginnt diese Mantramzeile mit «Erbitte dir in ewigen Weienstaten».

148 Er hielt den Atem an: Gemäß Stenogramm hat Rudolf Steiner an dieser Stelle ge­sprochen «Er hält», aber dann an die Tafel geschrieben »Er hielt».

152 Zu den beiden Mantren der sechzehnten Stunde: Aus dem Stenogramm geht hervor, daß Rudolf Steiner an dieser Stelle die Mantren ohne die Namen vor den Mantram­zeilen gesprochen hat.

158 Zur Zeichnung.., des Regenbogens: Zu der hier von Rudolf Steiner vorgenommenen Reihenfolge der Regenbogenfarben siehe Bibl.-Nr. 321 »Geisteswissenschaftliche Im­pulse zur Entwicklung der Physik. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs» (9.Vortrag), Gesamtausgabe Dornach 1972.

159 So weist uns der Hüter an, auch unsere Imagination sinnend, meditativ zu vertiefen:

Im Stenogramm steht »imaginativ» statt «meditativ»; offensichtlich ein Schreibfehler.

162 In Geistes-Wesensreiche: Diese Mantramzeile wurde gemäß Stenogramm gesprochen «In Geistes-Weltenreiche», während gleich darauf an die Tafel geschrieben wurde «In Geistes-Wesenireiche».

163 Und wir haben das gewaltige Bild vor uns, daß erscheinen die reinen Geistwesen, die Sonnenbewohner, die da nur erscheinen, wenn verschwindet das physische Bild, das die Sonne entwirft, wenn jenes kleine, trotz all seiner Größe im Verhältnis zur Erde kleine Bild - denn ein Bild ist es nur -, wenn jenes kleine Bild der Sonne verschwindet: In dem Nebensatz »daß erscheinen die reinen Geistwesen» fehlt im Stenogramm das Wort »erscheinen»; in dem Nebensatz »wenn jenes kleine Bild der Sonne verschwindet» fehlen im Stenogramm die beiden Worte »wenn jenes».

164 wie sie das anvertrauen: Die Worte «wie sie das« fehlen im Stenogramm.

168 Zu dem Mantram »Sieh' des Äther-Farbenbogens»: Aus dem Stenogramm geht her­vor, daß Rudolf Steiner das Mantram zusammenfassend an dieser Stelle ohne die Namen vor den Mantramzeilen gesprochen hat.

169 das Wort auf, das wir heute noch nicht rechnen wollen zu den Mantren, die wir be­kommen, das aber an den Schluß dieser Stunde gestellt werden soll und das wir auf­sparen wollen, aufschieben für das nächste Mal: Das nächste Mal, in der achtzehnten Stunde, hat Rudolf Steiner dieses Mantram «Ich trat in diese Sinnes-Welt» ebenfalls nur gesprochen und auch nicht an die Tafel geschrieben.

174 daß dem Menschen dasjenige, was vorher dunkel und finster vor ihm stand . . . was vor ihm dunkel und finster sich ausbreitete und dann hell wurde, hell wurde: Im Ste­nogramm lautet der Anfang »daß der Mensch».

177 Namen, dem Nichts geweiht, die haben wir drüben verschwendet auf Wesenloses:

Nach den Worten «Namen, dem Nichts geweiht» folgen im Stenogramm noch drei Worte, die von Frau Finckh mit »die bergen wir» übertragen wurden. Da jedoch

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«bergen» sich nicht eindeutig lesen läßt, wurden diese drei Worte weggelassen. Auf der Rückseite einer der beiden Handschriften zu dem Mantram dieser achtzehnten Stunde notierte Rudolf Steiner: «Aufgehört die schaffende Geisteskraft: Sie ist nicht mitgegangen. Die Natur streckt uns die Nichtigkeit entgegen: Geist verbirgt sich. Du schauest, was nicht ist. Das Nichts steht vor dir. Du gibst ihm Namen. Die Namen werden Eigentum der Wesen, die da leben von der Lüge und der Selbstsucht.»

178 Er sprach, während die Helligkeit sich für uns aufhellte: Möglicherweise liegt hier ein Schreibfehler vor und müßte es heißen: «während die Dunkelheit sich für uns auf-hellte».

179 Es denken die Menschenwesen I: Gemäß Stenogramm wurde in dieser Mantramzeile das erste Mal «Menschenseelen» und das zweite Mal «Menschenwesen» gesprochen; siehe hierzu die Handschriften im Tafelband.

179 Dann wenden sie sich hin, bittend, zu den Dynamis: Im Stenogramm heißt es: «Dann wenden sie sich hin, bittend, zu Exusiai, Dynamis, Kyriotetes.» Aus dem nachfolgenden Text ergibt sich jedoch, daß hier nur die Dynamis gemeint sind.

183 Zu dem Mantram «Es denken die Menschenwesen 1»: Aus dem Stenogramm geht her­vor, daß Rudolf Steiner das zusammenhängende Mantram ohne die Hierarchiennamen vor den einzelnen Teilen gesprochen hat.

184 dann, wenn er nicht arbeitete, wenn er - da noch die Sonne am Himmel stand - von der Arbeit schon zur Rast gegangen war: Im Stenogramm steht «die Arbeit» statt «von der Arbeit».

189 Und deines Verstandes Macht verwehrend: Im Stenogramm lautet die Zeile «Und deines Verstandes Macht dir verwehrend».

190 Die nächste Klassenstunde: Sie fand nicht, wie angekündigt, nach vierzehn Tagen, sondern erst nach drei Wochen statt.

205 in den allgemeinen anthroposophischen Vorträgen: Siehe «Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge», dritter Band, Bibl.-Nr. 237, Gesamtausgabe Dornach 1975.

205 im September . . . der zweite Abschnitt: Im September 1924 konnte es infolge des gro­ßen Zustromes von neuen Klassenmitgliedern nicht zu der angekündigten Schilderung des zweiten Abschnittes kommen. vergleiche die Einleitungsworte Rudolf Steiners zu der ersten Wiederholungsstunde.

207 und ich mußte ja schon gestern mancherlei Unerquickliches monieren: Siehe Bibl.-Nr. 260a «Die Konstitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft - Der Wiederaufbau des Goetheanum» (Seite 542, Worte nach dem Vortrag vom 1. August 1924), Gesamtausgabe Dornach 1966.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.