GA 270/1

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RUDOLF STEINER

VERÖFFENTLICHUNGEN ZUR GESCHICHTE
UND AUS DEN INHALTEN DER ESOTERISCHEN SCHULE

Esoterische Unterweisungen
für die erste Klasse der Freien Hochschule
für Geisteswissenschaft

Erster Band

Erste bis neunte Stunde

GA 270/I

1977

Inhaltsverzeichnis


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VORBEMERKUNGEN

Bei der Neubegründung der Anthroposophischen Gesellschaft zu Weihnachten 1923/24 als Allgemeine Anthroposophische Gesell­schaft wurde von Rudolf Steiner auch seine von 1904 bis 1914 in drei Klassen geführte Esoterische Schule neu konstituiert als Freie Hochschule für Geisteswissenschaft. Diese sollte ebenfalls in drei Klassen aufgebaut werden. Bedingt durch seine Erkrankung im Herbst 1924 und seinen am 30. März 1925 erfolgten Tod konnte er jedoch nur noch mit der Einrichtung der Ersten Klasse beginnen.

Von den insgesamt 38 Klassenstunden, die Rudolf Steiner bis zu seiner Erkrankung halten konnte, sind von 30 Stunden Nachschrif­ten vorhanden, die - mit allen Unterlagen genauestens geprüft - hiermit eine erstmalige Drucklegung erfahren. Ihre Authentizität und ihr Zusammenhang mit dem Gesamtwerk Rudolf Steiners muß für die Zukunft sichergestellt werden, zumal mit dem Jahresende 1975 der Autorenschutz für diese Klassentexte in zahlreichen Län­dern abgelaufen ist.

Rudolf Steiner wollte nicht, daß die Texte, die mit seinem Ein­verständnis stenographisch aufgenommen und auch auf seine An­ordnung hin übertragen worden sind, zur persönlichen Lektüre gegeben werden. Denn zu den strengen Bedingungen der Schule - die er nicht als willkürliche Maßnahmen, sondern aus deren Wesen heraus verstanden wissen wollte - gehört auch, daß die In­halte in mündlicher Form mitgeteilt werden. Einige seiner wesent­lichsten Außerungen über die Einrichtung und das innere Leben der Ersten Klasse seien deshalb vorweggenommen.

«Mit dieser Stunde möchte ich die Freie Hochschule als eine eso­terische Institution wiederum zurückgeben der Aufgabe, der sie drohte in den letzten Jahren entrissen zu werden.» (Erste Stunde Dornach, 15. Februar 1924.)

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«Da [wenn man den Zugang zu dieser Schule sucht] handelt es sich darum, daß tatsächlich aus dem ganzen spirituellen Geiste, aus dem okkulten Geiste dieser Schule heraus derjenige, der Mitglied dieser Schule wird, die Verpflichtung übernimmt, ein würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der ganzen Welt mit allem seinem Denken, Fühlen und Wollen zu sein. Nicht anders kann man Mitglied dieser Schule sein. Entscheidung darüber, ob man ein würdiges Mitglied dieser Schule ist, kann einzig und allein der Leitung dieser Schule zustehen. Aber die Leitung dieser Schule muß ernst nehmen diejenigen Pflichten, die sie auf sich nimmt. Verantwortlich ist die Leitung dieser Schule nur den geistigen Mächten, der Michael-Macht selber gegenüber für dasjenige, Was sie tut. Aber sie muß ernst nehmen namentlich diesen Punkt, daß derjenige, der zur Schule gehört, ein würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt sein muß.» (Erste Wieder­holungsstunde Dornach, 6. September 1924.)

«Wir sollen bis zu dem Worte, das wir sprechen, uns verant­wortlich fühlen, sollen uns vor allen Dingen verantwortlich dafür fühlen, daß ein jegliches Wort, das wir sagen, im allerernstesten Sinne so weit von uns geprüft wird, daß wir es als Wahrheit ver­treten können. Denn nichtwahre Aussagen, auch wenn sie sozu­sagen aus gutem Willen hervorkommen, sind etwas, was innerhalb einer okkulten Bewegung zerstörend wirkt. Darüber darf keine Täuschung sein, sondern darüber muß völligste Klarheit herrschen. Nicht Absichten sind es, auf die es ankommt, denn die nimmt der Mensch oftmals sehr leicht, sondern objektive Wahrheit ist es, auf die es ankommt. Und zu den ersten Pflichten eines esoterischen Schülers gehört es, daß er sich nicht bloß dazu verpflichtet fühlt, dasjenige zu sagen, wovon er glaubt, daß es wahr ist, sondern daß er sich verpflichtet fühlt, zu prüfen, ob dasjenige, was er sagt, wirklich objektive Wahrheit ist. Denn nur, wenn wir im Sinne der objektiven Wahrheit dienen den göttlich-geistigen Mächten, deren

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Kräfte durch diese Schule gehen, werden wir hindurchsteuern können durch all diejenigen Schwierigkeiten, die sich der Anthroposophie bieten werden.» (Siebente Stunde Dornach, 11. April 1924.)

«Es sollte im Grunde genommen sogar von uns vermieden wer­den, an eine solche Sache dann zu denken, wenn wir nicht zugleich die Stimmung dafür aufbringen können. Wir sollten gerade eine solche Sache, wie die heute vorgebrachte, nur dann denken, wenn wir wirklich im Innern der Seele diese Stimmung aufbringen kön­nen, die einfach darinnen liegt, daß empfunden wird, wie das Majestätische aus Weltenweiten, kosmischen Fernen, wie mit einem Weltendonner zu uns dringt; daß in sanfter, mahnender Stimme dazwischen tönt, was vom Hüter der Schwelle kommt; und daß dann in eindringlicher Weise zu unserer Seele spricht der eine der Hierarchen selber.

Wir sollten nur dann, wenn wir uns immer auch an dieses er­innern, und wenn wir aufbringen die Gefühle, die mit dieser Er­innerung an dieses zusammenhängen, wir sollten eigentlich auch nur an diese Mantren denken, uns innerlich mit diesen Mantren in Verbindung setzen, damit wir sie auch innerlich nicht entweihen, dadurch in ihrer Kraft entweihen, daß wir sie mit dem gewöhn­lichen, trockenen, philiströsen Denken denken, mit dem wir sie ja denken, wenn wir uns nicht erst in die entsprechende Seelenstimmung versetzen.

Und wir sollten daraus, daß das so ist, auch die innere Seelen­stimmung bekommen, um zu fühlen, daß Selbsterkenntnis des Menschen etwas Feierliches, Ernstes, Heiliges ist, und daß eigent­lich diese Dinge nur so von der Seele innerlich auch gesprochen werden sollten - geschweige denn äußerlich -, daß sie empfunden werden als Ernstes, Feierliches, Weihevolles.

Ein großes Hindernis, weiterzukommen auf einem esoterischen Wege, ist eben dieses, daß so vielfach im Cliquenwesen von diesen

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Dingen gesprochen wird, wenn nicht diese ernste, feierliche, weihe­volle Stimmung zugleich entwickelt wird, sondern sogar mit einem Anflug von Eitelkeit diese Dinge beschwätzt werden. Man denkt dabei nicht, wie im esoterischen Leben alles darauf beruht, daß Wahrheit, richtige volle Wahrheit herrsche. Der kann überhaupt im esoterischen Leben nichts machen, der nicht diese Erkenntnis hat, daß im esoterischen Leben Wahrheit, volle Wahrheit herr­schen muß, daß man also nicht kann von der Wahrheit bloß spre­chen und dann dennoch die Dinge nur so auffassen, wie man sie im äußerlichen Profanleben auffaßt. Das tut man, wenn man die Sache zum Gegenstande des gewöhnlichen Geschwätzes macht.»(Zwölfte Stunde Dornach, 11. Mai 1924.)

Mit Artikel 7 der Statuten der Allgemeinen Anthroposophi­schen Gesellschaft von Weihnachten 1923 * hatte Rudolf Steiner sich vorbehalten, seinen eventuellen Nachfolger zu bestimmen. Das ist jedoch ausdrücklich nicht erfolgt. Seither wurde versucht, die gegebenen Inhalte der Ersten Klasse gemäß den Intentionen Rudolf Steiners weiterzupflegen. Es konnte jedoch nicht verhindert wer­den, daß die Texte über die Grenzen derjenigen hinausgedrungen sind, für die sie ursprünglich bestimmt waren. Daher hat Frau Marie Steiner, der im Falle einer notwendig werdenden Veröffent­lichung die Verantwortung für die Herausgabe eines authentischen Textes zugefallen wäre, ganz besonders in ihren letzten Lebens­jahren mit dem Problem gerungen, wie diese Aufgabe sachgemäß für die Zukunft gelöst werden könne. Einige ihrer wesentlichen Äußerungen dazu sind die nachfolgenden.

«Wie retten wir nun das uns anvertraute Gut? Nicht, indem wir es vergraben und nur den Feinden die Gelegenheit geben, das damit

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* «Die Einrichtung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft obliegt zunächst Rudolf Steiner, der seine Mitarbeiter und seinen eventuellen Nachfolger zu ernennen hat.»

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zu tun, was sie tun wollen, sondern indem wir, vertrauend auf die guten geistigen Mächte, der neuen Generation die Möglichkeit geben, Anregungen in ihrer Seele zu empfangen, die das darin schlummernde geistige Licht aufleuchten lassen; die weckend in ihren Seelen das aufrufen, was Schicksalsmächte in sie hinein­gelegt haben.» (Brief vom 4. Januar 1948.)

«Damals» [im Jahre 1925, als einem prominenten Mitglied der Ersten Klasse auf einer Rußlandreise die Mantren abgenommen worden waren] «sprach Herr Steffen ein Wort aus, das mir seither immer nachgegangen ist. Er sagte: Ich würde sie [die Texte der Klassenstunden] allgemein bekanntgeben. Ich war damals sehr erschrocken, es fuhr mir etwas ins Herz, aber zugleich kam mir der Gedanke, vielleicht ist es der beste Schutz. » (Brief vom 4. Januar

1948.)

«Ich kann diese Arbeit [das Lesen der Klassenstunden] nur dann übernehmen, wenn ich sie in Einklang bringe mit all dem, was ich in jahrzehntelanger Zusammenarbeit mit Dr. Steiner erhalten habe an Weisungen, an Belehrungen, an Einblicken in sein Inneres, an Willensäußerungen... er wehrte sich ganz energisch, daß diese Nachschriften irgend jemanden zum Lesen gegeben würden, und sei es auch den prominentesten Trägern der Arbeit im Ausland, wenn sie auf kurze Zeit nach Dornach kamen und in unserem Hause sie lesen wollten: , so drückte er sich ganz dezidiert aus. Mache ich mir klar, was diese Worte für mich bedeuten, so komme ich zu folgendem Ergebnis: Es lag in seiner Willensrichtung, daß diese Vorträge bloß vorgelesen würden. ... Dies sagte er immer und immer wieder anläßlich der esoteri­schen Stunden und dies ist auch in den Nachschriften dieser Klas­senstunden fixiert: Man solle in der richtigen Stimmung an diese Dinge herantreten.» (Aus einer Niederschrift für einleitende Worte vor Beginn der Lesung von Klassenstunden in Notizbuch Nr.20.)

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«Wir sind verwiesen worden auf das in innerer Freiheit und unter eigener Verantwortung. Unserm höheren Ich geloben wir, was uns als Pflichten gegenüber der Schule er­wächst. Der Leiter der Schule ist uns auf dem physischen Plane genommen. Um so kräftiger müssen wir streben, der geistigen Lei­tung wert zu sein, die er uns nicht entzogen hat, für die er uns Kraftlinien, Richtworte gegeben hat, die von seinem Leben erfüllt sind und lebenzündend in uns wirken können, wenn wir das ent­falten, was er als die notwendige Seelenhaltung, die Stimmung gegenüber dem empfangenen Geisteswort bezeichnet... Eine mo­ralische Forderung ist also das erste, was wir zu erfüllen haben. Es ist die Forderung der Anthroposophie: Weisheit ist nur in der Wahrheit. Weisheit und Wahrheit müssen wir in Tätigkeit um­setzen. Dazu ist erforderlich ein strenges Arbeiten an unserer Cha­rakterbildung. Rudolf Steiner hat durch sein ganzes Lebenswerk hindurch diese Forderung betont, aber er hat ihre Erfüllung unserer Freiheit anheimgestellt...» (Aus Notizbuch Nr.133.)

«Nun weiß ich wohl, daß man dies Weisheitsgut der Menschheit nicht vorenthalten kann, aber nicht genug kann geprüft und er­wogen werden, wie wir es in der richtigen Weise verwalten. Und so ziehe ich in Erwägung den anderen Umstand, das, was er selbst als Richtlinie angab für die Arbeit der Gruppe, die die mantrischen Sprüche miteinander durchleben wollten: diejenige Persönlichkeit, die die Mantren sprach, sollte sich erarbeiten dasjenige, was sie als Verbindendes zu diesen Sprüchen zu sagen hatte. Er wollte also eine Art selbständiger Arbeit an den Sprüchen, natürlich auf Grund des erhaltenen Weisheitsgutes. Aber vor allem das Erleben der Sprüche selbst.» (Aus Notizbuch Nr.20.)

Die vorstehenden Wortlaute sollen die wesentlichen Verpflich­tungen hervorheben, die Rudolf Steiner demjenigen auferlegte, der das Geistesgut der Ersten Klasse empfangen wollte: Ernsthafte Arbeit nach innen und große Verantwortung nach außen, um «ein

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würdiger Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der gan­zen Welt mit allem seinem Denken, Fühlen und Wollen zu sein. »

Zur Entstehung der Nachschriften

In der Zeit vom 15. Februar 1924 bis zu seiner Erkrankung im Herbst 1924 hielt Rudolf Steiner für die Erste Klasse in Dornach und an anderen Orten insgesamt 38 Klassenstunden:

In Dornach

Neunzehn Stunden zwischen dem 15. Februar und 2. August 1924:

1. Stunde Freitag 15. Februar 20 Uhr 30
2. Stunde Freitag 22. Februar 20 Uhr 30
3. Stunde Freitag 29. Februar 20 Uhr 30
4. Stunde Freitag 7. März 20 Uhr 30
5. Stunde Freitag 14. März 20 Uhr 30
6. Stunde Freitag 21. März 20 Uhr 30
7. Stunde Freitag 11. April 20 Uhr 30
8. Stunde Karfreitag 18. April 20 Uhr 30
9. Stunde Osterdienstag 22. April 12 Uhr
10. Stunde Freitag 25. April 20 Uhr 30
11. Stunde Freitag 2. Mai 20 Uhr 30
12. Stunde Sonntag 11. Mai 11 Uhr
13. Stunde Samstag 17. Mai 20 Uhr 30
14. Stunde Samstag 31. Mai 20 Uhr 30
15. Stunde Samstag 21. Juni 20 Uhr 30
16. Stunde Samstag 28. Juni 20 Uhr 30
17. Stunde Samstag 5. Juli 20 Uhr 30
18. Stunde Samstag 12. Juli 20 Uhr 30
19. Stunde Samstag 2. August 20 Uhr 30 19 *

Sieben Wiederholungsstunden zwischen dem 6. und 20.Sept. 1924:

1. Stunde Samstag 6. September 20 Uhr 30
2. Stunde Dienstag 9. September 20 Uhr 30

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3. Stunde Donnerstag 11. September 20 Uhr 30
4. Stunde Samstag 13. September 20 Uhr 30
5. Stunde Montag 15. September 20 Uhr 30
6. Stunde Mittwoch 17. September 20 Uhr 30
7. Stunde Samstag 20. September 20 Uhr 30 *

Außerhalb Dornachs

Zwölf Einzelstunden zwischen dem 3. April und 27. August 1924:

Zwei Stunden in Prag 2 *

1. Stunde Donnerstag 3. April 17 Uhr 30
2. Stunde Samstag 5. April 17 Uhr

Eine Stunde in Bern 1 *

Donnerstag 17. April 12 Uhr

Zwei Stunden in Paris 2 +

1. Stunde Montag 26. Mai 11 Uhr
2. Stunde Dienstag 27. Mai 11 Uhr

Zwei Stunden in Breslau 2 +

1. Stunde Donnerstag 12. Juni 18 Uhr
2. Stunde Freitag 13. Juni 18 Uhr

Zwei Stunden in Arnheim 2 +

1. Stunde Dienstag 22. Juli 20 Uhr
2. Stunde Mittwoch 23. Juli 20 Uhr

Eine Stunde in Torquay 1 +

Dienstag 19. August (? Uhr)

Zwei Stunden in London

1. Stunde Montag 25. August 20 Uhr 30 +
2. Stunde Mittwoch 27. August 20 Uhr x

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* - Nachschriften vorhanden

+ = keine Nachschrift vorhanden

x = Notizen vorhanden

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Von diesen insgesamt 38 Stunden durften mit der persönlich gegebenen Erlaubnis Rudolf Steiners folgende Stunden nachgeschrieben werden:

In Dornach von Helene Finckh, der damaligen offiziellen Ste­nographin der Vorträge Rudolf Steiners. Eine Sondererlaubnis erhielt auf ihr Ersuchen hin Lilly Kolisko zur Übermittlung für einen ganz bestimmten Kreis in Stuttgart. Sonst war, wie aus den Texten eindeutig hervorgeht, Nachschreiben nicht gestattet. - In Prag von Dr. Hans Eiselt, Prag.

In Bern von Rudolf Hahn, Reinach/Basel, der in der Zeit vor der Tätigkeit von Helene Finckh zu den Stenographen von Rudolf Steiners Vorträgen gehörte.

Von den Klassenstunden in Paris, Breslau, Arnheim, Torquay und London gibt es keine Nachschriften. Die von der zweiten Stunde in London vorhandenen Notizen sind keine Nachschrift im eigentlichen Sinn, sondern Aufzeichnungen von George Adams, der Rudolf Steiners Worte an Ort und Stelle mündlich ins Eng­lische übersetzte.

Über das Nachschreiben der Dornacher Vorträge hat Helene Finckh folgendes geäußert: « Ich habe Herrn Dr. Steiner selbst gefragt, ob ich nachstenographieren dürfe! Ich hätte mir das doch sonst nicht erlaubt. Ich mußte damals noch ziemlich lange warten an der Türe hinter dem Vorhang, weil noch so viele Menschen ge­kommen waren, mit denen Herr Doktor sprach. Ich frug ihn, und er sagte nach kurzem Besinnen: Ja. Der Tisch stand ja direkt vor Herrn Doktor, seitlich vor dem Pult; und einmal in England, als eine wiederholte Klassenstunde gegeben wurde, sagte Dr. Wachs­muth, daß man fragen solle, ob die mitgeschrieben werden soll. Er hat dann gefragt, und Herr Doktor hat ihm abschlägig geantwor­tet. Da wäre ja eine Gelegenheit gewesen, auf das Mitschreiben überhaupt zu sprechen zu kommen, wenn das in Dornach in Be­tracht gekommen wäre.» (Niederschrift von Helene Finckh im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung.)

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Ferner geht aus zwei Briefen von Dr. Ita Wegman an Helene Finckh vom 8. und 9. März 1925 - also kurz vor Rudolf Steiners Tod - hervor, daß Rudolf Steiner von dem Nachschreiben der Dornacher Klassenstunden nicht nur gewußt hat, sondern selbst noch das Übertragen der Wiederholungsstunden anordnete. Siehe die Faksimilewiedergabe auf Seite 243.

Zur Textgestaltung

Der vorliegende Manuskriptdruck ist die erste mit allen verfüg­baren Originalunterlagen gründlich überprüfte authentische Fas­sung dieser Wortlaute Rudolf Steiners. Neben den Stenogrammen konnten auch die Wandtafeln und die sonstigen Handschriften Rudolf Steiners, die im Tafelband wiedergegeben sind, herange­zogen werden. Für die vordem verwendeten Vervielfältigungen standen diese noch nicht zur Verfügung.

Die Textjassung der Dornacher Klassenstunden beruht auf einer mehrfachen Neuüberprüfung der erhalten gebliebenen Original­stenogramme von Helene Finckh. Die Stenogramme von Lilly Kolisko waren für diese Vergleichsarbeit nicht zugänglich. Es ließ sich nicht abklären, ob sie überhaupt noch existieren. Nach einer überlieferten Aussage von ihr habe sie alle Unterlagen verbrannt. Dieses fällt jedoch kaum ins Gewicht, da Helene Finckh als Berufs­stenographin alle Laienstenographen an Können überragte. Soweit die vor diesem Manuskriptdruck verwendeten Texte - Maschinen­ausschriften und Vervielfältigungen - von der hier vorliegenden Fassung abweichen, ist dieses entweder auf Fehler beim Übertragen des Stenogramms oder auf Textredigierungen unklarer Stel­len durch Helene Finckh oder spätere Textprüfer zurückzuführen. Die vorliegende Fassung folgt dem Stenogramm von Helene Finckh streng wortwörtlich mit Ausnahmen von einigen Stellen,

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bei denen eine Redigierung unumgänglich war. Diese sind in den Hinweisen am Schluß jedes Textbandes im einzelnen nachgewie­sen. Für die Prüfung der von den Klassenstunden in Bern, Prag und London vorliegenden Texte stand lediglich das Originalsteno­gramm der Berner Stunde zur Verfügung. Dieses befindet sich, wie auch die Stenogramme von Helene Finckh, im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung.

Die Zeichnungen, die Rudolf Steiner in den Dornacher Klassenstunden an der Tafel entwarf, wurden in die Texte selber nicht auf­genommen, da sie in Originalwiedergabe mit den anderen Hand­schriften Rudolf Steiners zusammen im Tafelband enthalten sind. Im Text ist lediglich jeweils auf dasjenige, was gezeichnet wurde, verwiesen.

Für den Wortlaut der Mantren standen folgende Unterlagen zur Verfügung. Erstens: die Tafeln mit den Texten und Zeichnungen, wie sie während der Stunden entstanden sind. Um die Tafelzeich­nungen Rudolf Steiners bei seinen Vorträgen aufbewahren zu kön­nen, wurde schon seit 1919 schwarzes Papier über die Wandtafel gespannt. Für die Dornacher Klassenstunden gibt es von der zwei­ten Stunde an jeweils zwei Tafeln; in der ersten Stunde wurde noch nicht an die Tafel geschrieben. Die Originale befinden sich im Goetheanum.

Zweitens: die handschriftlichen Blätter Rudolf Steiners. Die Originale befinden sich im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung und im Nachlaß von Dr. Ita Wegman.

Die in den Stunden wiedergegebenen Wortlaute der Mantren basieren auf den Tafeltexten. Einige wenige Abweichungen sind begründet durch die anderen Handschriften und das Stenogramm. An den betreffenden Stellen wird darauf hingewiesen.

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Das dreigliedrige Mantram

O Mensch, erkenne dich selbst...

Erkenne erst den ernsten Hüter...

Ich trat in diese Sinneswelt...

hat unter den Mantren der Klassenstunden eine Sonderstellung, da es zunächst weder notiert werden sollte noch an die Tafel ge­schrieben wurde. Dem gedruckten Wortlaut liegen deshalb die Handschriften aus zwei Notizbüchern zugrunde, sie sind ebenfalls im Tafelband wiedergegeben. Das Stenogramm stimmt mit ihnen überein. Allerdings konnte Helene Finckh in ihren beiden Über­tragungen - 1924/25 und 1949 - die Zeilengliederung nicht genau wiedergeben, weil ihr diese Handschriften nicht zugänglich waren. Ferner hatte sie die Worte «Du hörst es», «Du fühlst es» und «Zeitvernichtungsstrom» übertragen mit «Du hörest es», «Du fühlest es» und «Zeitvernichtungsstrome», vermutlich weil in dem von ihr verwendeten Stenographiesystem die Zeichen für diese Wortformen einander sehr ähneln und leicht verwechselt werden kön­nen. In dem Stenogramm der Berner Stunde von Rudolf Hahn, der nach einem anderen System stenographierte, in dem eine solche Verwechslung nicht möglich ist, lauten diese Stellen genauso wie in den Handschriften. Durch einen gleichartigen Übertra­gungsfehler verursacht, hieß es in der fünften Zeile des dritten Tei­les «das Christus-Wesen» statt richtig «des Christus Wesen». Die Vorlage, die Rudolf Steiner für dieses Mantram in den Klassenstunden gebrauchte, dürfte das Notizbuch Nr.281 mit der Rein­schrift gewesen sein, da sich in diesem Notizbuch, obwohl es aus dem Jahre 1923 stammt, auch eine Eintragung für die Klasse findet. Rudolf Steiner hatte das Mantram schon vor Einrichtung der Ersten Klasse in den Jahren 1921 bis 1923 in verschiedenen esoterischen Kreisen gegeben. Der Entwurf zu dem Mantram be­findet sich in Notizbuch Nr.98, das aus dem Jahre 1921 stammt.

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Erklärende Bemerkungen, die den Ablauf der Stunden verdeut­lichen sollen, stehen in eckigen Klammern. Alles in Kursivdruck Erscheinende ist Text, den Rudolf Steiner während der Klassenstunden an die Tafel schrieb. Wenn also ein und dasselbe Mantram einmal in gewöhnlichem Druck und das andere Mal in Kursivdruck wiedergegeben wird, so soll damit sichtbar gemacht werden, wann das Mantram gesprochen und wann es an die Tafel geschrie­ben wurde. Frau Finckh hatte in ihren beiden Übertragungen die­sen Unterschied nicht berücksichtigt, obwohl er in ihrem Steno­gramm deutlich festgehalten ist. Aus dem Stenogramm ergibt sich ebenfalls, daß Rudolf Steiner, um den Hörern das Mitschreiben der Tafeltexte zu erleichtern, beim Anschreiben den Text gleich­zeitig auch sprach. Die von ihm während des Anschreibens ge­machten erläuternden Zwischenbemerkungen erscheinen im Schriftbild wie der laufende Vortragstext. Die Gestaltung des Druckbildes soll mit dazu beitragen, Rudolf Steiners Art der Un­terweisung in diesen Klassenstunden zu veranschaulichen.

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ERSTE STUNDE Dornach, 15. Februar 1924

Meine lieben Freunde! Mit dieser Stunde möchte ich die Freie Hochschule als eine esoterische Institution wiederum zurückgeben der Aufgabe, der sie drohte in den letzten Jahren entrissen zu wer­den. Es wird heute in dieser einleitenden und begründenden Stunde nicht die Aufgabe sein, über dasjenige zu sprechen, was den eben geäußerten Satz näher erläutert; aber ich möchte durch das Aus­sprechen dieses Satzes eben auf die Bedeutung dieser Stunde doch hingewiesen haben, möchte namentlich darauf hingewiesen haben, daß der Ernst, der unserer ganzen Bewegung, die mit jedem Tage wirklich mehr gefährdet und unterminiert wird, daß der Ernst, der unserer ganzen Bewegung eigen sein muß, daß dieser Ernst ins­besondere in unserer Schule zum Ausdrucke kommen muß. Und es ist dies keine unnötige Bemerkung, weil ja keineswegs überall zu bemerken war, daß man diesem Ernste nunmehr wirklich Rech­nung tragen werde.

Eine Art vorbereitender Einleitung soll heute gegeben werden, meine lieben Freunde. Und da möchte ich vor allen Dingen be­tonen, daß innerhalb dieser Schule das Geistesleben in seiner wah­ren Bedeutung genommen werden soll, so daß Sie wirklich in aller Tiefe berücksichtigen sollen, daß dasjenige, was mit dieser Schule begründet ist, eine Institution darstellt, die aus dem Geiste heraus, aus dem unserer Zeit aus dem Geiste heraus sich offenbarenden Geistesleben gegeben werden kann. Es kann auf allen Gebieten dieses Geistesleben vertieft werden. Aber es muß ein Zentrum be­stehen, von dem aus diese Vertiefung geschieht, und dieses Zen­trum soll für diejenigen, die dieser Schule als Mitglieder angehören wollen, eben am Goetheanum in Dornach gesehen werden.

Daher möchte ich heute - mit denjenigen Mitgliedern der Schule, für die es uns bisher möglich war die Zertifikate auszustellen

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- diese Schule beginnen; beginnen zunächst so, daß Sie sich bewußt werden: es wird innerhalb dieser Schule jedes Wort, das gesprochen wird, so gesprochen, daß ihm zugrunde liegt die volle Verantwortlichkeit gegenüber dem in unserem Zeitalter sich offen­barenden Geiste, jenem Geiste, der sich durch die Jahrhunderte und Jahrtausende der Menschheit offenbart, aber in jedem Zeit­alter auf eine besondere Weise. Und dieser Geist, er will dasjenige dem Menschen geben, was der Mensch eben nur durch den Geist finden kann.

Wir müssen uns vom Anfange an klarsein, daß es nicht eine Feindlichkeit gegenüber all dem ist, was durch die Sinneswelt dem Menschen zukommt, wenn in einer Schule für Geisteswissenschaft auf die Offenbarungen des Geistes hingesehen wird. Wir müssen uns auch klar darüber sein, wie wir anerkennen - anerkennen in aller Tiefe -, anerkennen, daß die Welt der Sinne ihre großen, für das Leben so notwendigen Offenbarungen, notwendigen prak­tischen Winke dem Menschen gibt, müssen uns durch nichts ver­anlaßt fühlen, dasjenige, was aus der Sinneswelt dem Menschen zukommt, irgendwie geringzuachten.

Aber hier kommt es darauf an, die Geistesoffenbarung als solche in allem Ernste entgegenzunehmen. Da wird - das muß ich im vor­aus sagen - manches Vorurteil, mancher Eigensinn, mancher Ei­genwille, der heute noch tief auch in den Mitgliedern der Schule sitzt, noch fallen müssen. Und es wird erforscht werden müssen, wie man die Wege findet zu diesem seinem eigenen Eigensinn und Eigenwillen, die verhindern, richtig hinzuschauen auf dasjenige, was die Schule sein will. Denn mancher denkt heute noch nicht ernst genug über diese Schule. Und das muß allmählich geschehen. Und es ist gar nicht anders möglich, als daß nach und nach in der Schule nur diejenigen sind, die sie wirklich in allen Einzelheiten ernst nehmen.

Das fordert erstens die Sache selbst, und das fordert auf der anderen Seite der schwere Weg, den wir werden zu gehen haben

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den Widerständen und der Unterminierung gegenüber, die sich von allen Seiten mit jedem Tage mehr einstellen. Darauf achten auch die Mitglieder der Schule keineswegs schon in hinlänglich hohem Grade. Das alles, meine lieben Freunde, muß gebührend berücksichtigt werden.

Es wird ja dasjenige, was zunächst uns in dieser Schule vor das Seelenauge tritt, natürlich in der Hauptsache bestehen in dem Empfangen dessen, was aus dem Geiste heraus gegeben werden kann. Es wird aber auch gerade von den Mitgliedern der Schule in entsprechenden Mitteilungen gefordert werden müssen, daß sie mitgehen mit jenem schweren Wege, der gegenüber Hemmnissen und Unterminierungen zu gehen sein wird.

Ich habe mich über diese ganze Sache ja ausgesprochen in un­serem Mitteilungsblatte «Was in der Anthroposophischen Gesell­schaft vorgeht» und habe da genau unterschieden zwischen der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und dieser Schule. Und es ist notwendig, daß dieser Unterschied mit aller Deutlich­keit von der Mitgliedschaft der Schule gefühlt wird und daß auch im Sinne dieses Unterschiedes gelebt wird, so daß die Schule wirk­lich dazu kommen kann, nur diejenigen Persönlichkeiten als ihre Mitglieder zu haben, die sich wirklich zu Repräsentanten der anthroposophischen Sache im Leben in allen Einzelheiten machen wollen. Ich spreche diese Sätze heute paradigmatisch aus, um eben auf den Ernst der Sache hinzuweisen.

Dasjenige, was gewissermaßen wie eine erste eherne Tafel über unserer Schule stehen soll, das möchte ich zuallererst nunmehr vor Ihre Herzen, vor Ihre Seelen bringen. Es wird sich darum handeln, daß wir uns wirklich ganz identifizieren mit demjenigen, was, ergründet aus dem Leben des Geistes heraus, innerhalb dieser

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Schule an unser Seelenohr und an unsere seelische Auffassung her­ankommt. Und so beginnen wir mit den Worten:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willens kräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:
Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

Ich will es noch einmal lesen:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willenskräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:

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Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

Es soll uns dieses sagen, daß ja schön und herrlich und groß und erhaben die Welt ist, und unendlicher Glanz der Offenbarungen aus allem an uns heranquillt, was als Lebendiges in Blatt und Blume quellt und was unserem Auge entgegensendet Farb' an Farbe aus dem sichtbaren Weltenall; es soll uns erinnern, daß alles dasjenige Göttliches offenbart, das aus Leblosem, aus Unleben­digem im Erdenstoffe heraus in tausend und abertausend kristal­lenen und unkristallenen Formen zu unseren Füßen, in Wasser und Luft, in Wolken und Sternen sich offenbart; es soll uns das nahebringen, daß alles das göttlich-geistige Offenbarung ist, was sich als Tierisches in den Weiten tummelt und sich des eigenen Daseins freut und sich am eigenen Dasein wärmt. Und es soll uns ins Gedächtnis rufen, wie wir unseren eigenen Leib entnommen haben all dem, was sich da gestaltet, was Farb' an Farbe grünt und west. Aber es soll uns auch zum Bewußtsein bringen, wie in alle dem, was schön und erhaben und großartig und göttlich ist für die Sinne, vergeblich angefragt wird, was wir selber als Menschen sind.

Das Naturdasein, es mag noch so groß und gewaltig uns ent­gegenleuchten, entgegentönen, entgegenkraften, entgegenwärmen, das Naturdasein, es gibt uns nimmermehr, trotzdem es uns über vieles, über Ungeheures, über Göttlich-Weites Auskunft gibt, es gibt uns nimmermehr Auskunft über uns selbst. Denn wir müssen jederzeit uns sagen: Dasjenige, was wir erfühlen als unser Selbst in unserem Inneren, es ist nicht gewoben aus all dem, was uns als

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Schönheit und Herrlichkeit und Größe und Gewaltigkeit aus der äußeren Natur, aus dem Außermenschlichen, entgegenkraftet. Und es entsteht vor unserer Seele die Frage: Warum bleibt finster und stumm um uns jenes Wesenhafte, aus dem wir selber sind?

Und wir müssen dasjenige, was wie Entbehrung uns erscheinen könnte, wie eine Gnade erleben, erleben so, daß wir uns sagen, sagen in allem tiefsten Ernste, sagen mit aller klaren Strenge: Wir müssen eben uns erst selber zum Menschen machen, zum seelen­durchwärmten, geisterstarkten Menschen machen, damit wir als Geist im Menschen finden den Geist in der Welt.

Dazu ist aber notwendig, daß wir uns bereiten, nicht mit Leich­tigkeit zu kommen an jene Grenze der Sinnenwelt, an der uns die Offenbarung des Geistes aufgehen kann. Dazu ist notwendig, daß wir uns sagen: Wenn wir unvorbereitet an diese Grenze heran-treten und uns sogleich das volle Licht des Geistes entgegenkom­men würde, so würde, weil wir noch nicht das Geistig-Starke und das Seelen-Warme für das Empfangen des Geistes aufgerufen haben, so würde der Geist uns zerschmettern, würde uns in unsere Nichtigkeit zurückwerfen.

Daher steht an der Grenze zwischen Sinneswelt und Geisteswelt jener Götterbote, jener Geistesbote, von dem wir immer mehr und mehr in den nächsten Stunden hier hören werden, den wir immer genauer und genauer kennenlernen wollen. Es steht jener Geistes-bote da, der mahnend zu uns spricht, wie wir sein sollen und was wir ablegen sollen, damit wir in der rechten Art an die Offen­barungen der Geisteswelt herantreten.

Und haben wir erst begriffen, meine lieben Freunde, daß es allem Schönen, allem Großen, allem Erhabenen der Natur gegen-über geistige Finsternis gibt, zunächst für das menschliche Erken­nen, aus der heraus erst jenes Licht geboren werden muß, das uns sagt, was wir sind und waren und werden, dann müssen wir uns auch klarsein, daß als erstes aus dieser Finsternis heraus begriffen werden muß jener Geistesbote, der uns die entsprechenden Mahnungen

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entgegensendet. Daher lassen wir auch die Worte dieses Geistesboten in unsere Seele erklingen, und lassen wir die Charak­teristik dieses Geistesboten vor unserem Seelenauge aufleuchten:

Und aus Finsternissen hellet sich
- Dich

- der Mensch ist angesprochen -

                 im Ebenbilde offenbarend,
Doch zum Gleichnis auch dich bildend,
Ernstes Geisteswort im Weltenäther,
Deinem Herzen hörbar, kraftvoll wirkend -

Dir der Geistesbote, der allein
Dir den Weg erleuchten kann;
Vor ihm breiten sich die Sinnesfelder,
Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen.

Und vor seinen finstern Geistesfeldern,
Dicht am gähnenden Abgrund des Seins,
Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort:
Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor.

Wir müssen uns völlig klarsein, daß wir von all dem, was kom­men kann von diesem Geistesboten mahnend an unsere Seele, daß wir von all dem Kenntnis nehmen müssen - und wir werden ihn, wie gesagt, in den nächsten Stunden immer mehr und mehr kennen­lernen -, daß wir von all dem Kenntnis nehmen müssen, ehe wir uns anschicken, dasjenige zu ergründen, was nicht diesseits in den Sinnesfeldern, sondern jenseits des gähnenden Abgrundes geistig sich ausbreitet, aber zunächst für Menschenerkenntnis in tiefe Finsternis getaucht ist, aus der nur heraus sich erhellt jenes Antlitz des Geistesboten, der zunächst erscheint wie ähnlich dem Men­schen selber, aber ins riesengroß Gewaltige ausgebildet, dabei doch wiederum, so sehr er auch ähnelt dem Menschen, sich schattenhaft

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bildet, wie zum Gleichnis des Menschen bloß, der aber mahnt, daß keiner ohne den entsprechenden Ernst Einlaß suchen soll in das­jenige, was jenseits des gähnenden Abgrundes ist. Zum Ernste mahnt der ernste Geistesbote.

Und dann, wenn wir dessen Stimme in gebührendem Ernste in der Seele erfassen, dann sollen wir uns bewußt sein, wie uns zu­nächst leise, ganz leise und in Abstraktionen, die uns nur Richt­linien geben sollen, uns die Orientierung aus der geistigen Welt über den Abgrund herüber, der vor uns gähnt, und an dem uns zurückhält, damit wir nicht einen unvorsichtigen Schritt machen, der Geistesbote, daß es da herüber tönt:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herz empfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

Ich will es noch einmal sagen:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

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Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

Mit diesen Worten kann uns klarwerden, wie die Geheimnisse des Daseins ergründet werden müssen aus alle dem, was webt und west in den Raumesweiten und sich aus den Raumesweiten heraus offenbart, wie ergründet werden muß zur wirklichen Erkenntnis dasjenige, was im Schritte des Zeitenganges sich als schaffendes Wirken offenbaren kann, und wie alles dasjenige, was in den Tie­fen des Menschenherzens sich als Welt offenbart, sich erschließen muß dem ehrlichen Seelensuchen. Denn all das, es kann allein die Grundlage bilden für jene Ergründung, die der Mensch braucht zur Erkenntnis, für die Ergründung des eigenen Selbstes, in das die Welt dennoch die ganze Summe ihrer Geheimnisse gelegt hat, so daß sie aus diesem Selbst heraus als menschliche Selbsterkenntnis gefunden werden können, daß daraus gefunden werden kann alles dasjenige, was der Mensch braucht in gesunden und kranken Tagen auf seinem Daseinsweg zwischen der Geburt und dem Tode, und was er auch anwenden muß auf dem anderen Daseinsweg zwi­schen dem Tode und einer neuen Geburt.

Aber all diejenigen, die sich als Glieder dieser Schule fühlen, sie sollten sich auch klar, ganz klar darüber sein, daß alles andere, was nicht in dieser Gesinnung erworben wird, nicht wirkliche Erkenntnis ist, sondern nur äußere Scheinerkenntnis, daß alles dasjenige, was sonst als Wissenschaft gilt, als Wissenschaft gilt, das aufgenommen wird von dem Menschen, ehe er sich ein Bewußtsein erworben hat von den Mahnungen des Hüters der Schwelle zur geistigen Erkenntnis, daß alles das nur ein Scheinwissen ist. Es braucht nicht Scheinwissen zu bleiben. Wir verachten nicht das

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äußere Scheinwissen. Aber klar müssen wir uns darüber sein, daß es aus dem Stadium des Scheinwissens erst herauskommt, wenn es sich umgewandelt hat durch all dasjenige, was der Mensch wissen kann über jene Läuterung seines Wesens, über jene Metamorpho­sierung seines Wesens, die er sich erwirbt, wenn er versteht, was mahnend der hütende Geistesbote am gähnenden Abgrund der Erkenntnis, was mahnend der hütende Geistesbote des aus der Finsternis heraus leuchtenden Geistes dem Menschen zuzurufen hat, zuzurufen hat im Auftrage der besten Geister, der besten geistigen Bewohner der geistigen Welt.

Wer da kein Bewußtsein davon erwirbt, daß zwischen demAuf­enthalt in den Sinnesfeldern, mit denen wir leben müssen während unseres Erdendaseins zwischen der Geburt und dem Tode, daß zwischen dem Aufenthalt in den Sinnesfeldern und demjenigen, was in den Geistesfeldern ist, ein gähnender Abgrund waltet, wer darüber sich nicht ein gebührendes Bewußtsein erwirbt, kann nicht wahrhaftige, wirkliche Erkenntnis erwerben. Denn allein mit die­sem Bewußtsein kann der Mensch eintreten in wahrhaftige, wirk­liche Erkenntnis. Nicht hellsehend braucht er zu werden, obzwar aus wahrer Hellsichtigkeit die Erkenntnisse aus der Geisteswelt kommen, aber ein Bewußtsein muß er sich erwerben von dem­jenigen, was da vorhanden ist als Mahnung am gähnenden Ab-grunde der Geheimnisse des Raumes, der Geheimnisse der Zeit, der Geheimnisse des Menschenherzens selber. Denn ob wir hinaus­gehen in die Raumesweiten, der Abgrund steht da; ob wir hinaus-wandeln in die Zeitenwenden, der Abgrund steht da; ob wir hineingehen in das eigene Herz, der Abgrund steht da.

Und diese drei Abgründe, sie sind nicht drei Abgründe, sie sind ein einziger Abgrund. Denn wandeln wir in die Raumesweiten hinaus so weit, bis wir, da wo die Raumesweiten sich grenzen, den Geist finden, wandeln wir in der Zeitenwende bis dahin, wo diese Zeitenwenden im Beginne der Zyklen ihren Anfang finden, wandeln wir hinein in die Tiefen des Menschenherzens, so tief, als

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wir nur uns selber ergründen können: diese drei Wege führen zu einem einzigen Ziele, zu einem einzigen Endorte, nicht zu drei verschiedenen Orten. Sie führen alle drei zu dem gleichen Gött­lich-Geistigen, das im Urquell der Welt sprudelt, aus dem Urquell der Welt heraus alles Dasein befruchtet, ernährt, aber auch alles Dasein für den Menschen ergründen, erkennen lehrt.

In solch ernstem Bewußtsein sollen wir uns heute in Gedanken hinstellen da, wo der ernste Geistesbote spricht, und wir sollen anhören, was er gerade aus der besonderen Beschaffenheit unserer Zeit, unserer Gegenwart, als die Hindernisse auffaßt, die wir hinwegräumen müssen, um zu wahrer Geist-Erkenntnis zu kommen.

Hindernisse, meine lieben Freunde, Hindernisse der Geist-Erkenntnis gab es zu allen Zeiten. Zu allen Zeiten mußten die Menschen dies und jenes überwinden, dies und jenes ablegen unter der Mahnung des ernsten Hüters der Schwelle zur geistigen Welt. Aber jede Zeit hat wiederum ihre besonderen Hindernisse. Und dasjenige, was aus der menschlichen Erdenzivilisation heraus­kommt, ist zum großen Teil nicht Förderungsmittel, sondern ge­rade Hinderungsmittel, um in die geistige Welt hineinzukommen. Und gerade aus dem, was aus der gewöhnlichen Erdenzivilisation herauskommt, muß der Mensch eines jeden Zeitalters die beson­deren Hindernisse finden, die in seine Natur aus der Zeit heraus hineinverpflanzt werden, und die er ablegen muß, bevor er den gähnenden Abgrund, von dem gesprochen worden ist, übersetzen kann.

Daher hören wir gerade über dieses den ernsten hütenden Göt­terboten sprechen:

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Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

Ich lese es noch einmal.

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Der Hüter spricht:

Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

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Das, meine lieben Freunde, sind die drei großen Erkenntnisfeinde der Gegenwart, des gegenwärtigen Menschen.

Der gegenwärtige Mensch hat Furcht vor des Geistes Schöpfer-sein. Die Furcht sitzt tief unten im Seelendasein. Und er möchte diese Furcht hinwegtäuschen. Da kleidet er seine Furcht in allerlei scheinlogische Gründe, durch die er die Offenbarung des Geistigen widerlegen möchte.

Ihr werdet hören, meine lieben Freunde, von dieser oder jener Seite gegen die Geist-Erkenntnis dies oder jenes eingewendet. Es ist zuweilen in kluge, zuweilen in schlaue, zuweilen in törichte logische Regeln gekleidet. Niemals sind aber eigentlich die logi­schen Regeln die Gründe, warum der eine oder der andere die Geist-Erkenntnis zurückweist. In Wahrheit ist es der Geist der Furcht, der tief unten im menschlichen Inneren ruht und arbeitet und kraftet, und der, indem er zum Kopfe heraufspukt, sich meta-morphosiert als logische Gründe. Furcht ist es.

Aber seien wir uns nur klar, es genügt nicht, daß wir sagen: ich habe keine Furcht. Das kann sich natürlich jeder sagen. Wir müs­sen den Sitz und das Wesen dieser Furcht erst ergründen. Wir müssen uns ja sagen, daß wir herausgeboren, herauserzogen sind aus der Gegenwart, in die von ahrimanischer Seite die Furcht-geister hineingestellt worden sind, und daß wir behaftet sind mit diesen Furchtgeistern. Dadurch, daß wir uns über sie hinweg-täuschen, sind sie nicht von uns hinweg in Wirklichkeit. Und wir müssen die Mittel und Wege finden - und diese Schule wird dazu Anleitung geben -, gegenüber diesen Geistern der Furcht, die als Ungetüm in unserem Willen sitzen, Erkenntnismut zu finden. Denn nicht dasjenige, was heute vielfach die Menschen zur Er­kenntnis treibt, oder wovon sie sagen, daß es sie zur Erkenntnis treibe, kann wirkliche Erkenntnis bringen, sondern allein der Mut, der innerliche seelische Mut, der da die Kräfte und Fähigkeiten ergreift, die die Wege gehen können, die zur wahren, zur echten, zur lichtvollen Geist-Erkenntnis führen.

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Und das zweite Tier, das aus dem Zeitengeiste heraus sich in die Menschenseele heute einschleicht, um ein Erkenntnisfeind zu wer­den, dieses zweite Tier, das überall lauert, wo man hinkommt, das aus den meisten Literaturwerken der Gegenwart, aus den meisten Galerien, aus den meisten Plastiken, aus den meisten son­stigen Kunstwerken, aus allem möglichen Musikalischen heute an den Menschen herantritt, das in Schulen sein Unwesen führt, das in der Gesellschaft sein Unwesen führt, das überall da ist im Wan­del der Menschen, das zweite Getier, es ist dasjenige, was, um die Furcht vor dem Geiste sich nicht zu gestehen zu brauchen, sich innerlich erregt fühlt, über das geistige Wissen zu spotten.

Dieser Spott, er äußert sich ja nicht immer, denn die Menschen bringen sich nicht zum Bewußtsein, was in ihnen ist. Aber ich möchte sagen, nur durch eine leichte, spinnwebendicke Wand ist vom Bewußtsein des Kopfes getrennt dasjenige, was im Herzen des Menschen heute überall spotten will über wirkliche Geist-Erkennt­nis. Und wenn der Spott zutage tritt, so ist es nur dann, wenn eben die mehr oder weniger bewußte oder unbewußte Frechheit des gegenwärtigen Menschen die Furcht etwas zurückdrängt. Aber aufgestachelt durch innere sonderbare Kräfte ist schon im Grunde jeder Mensch heute gegen die Offenbarungen des Geistes. Und durch die allersonderbarsten Mittel offenbart sich dieses Spotten.

Und das dritte Tier, es ist die Schlaffheit des Denkens, es ist die Bequemlichkeit des Denkens, es ist jenes Denken, das aus der gan-zen Welt ein Kino machen möchte, ein Kino aus dem Grunde, weil man dann nicht zu denken braucht, sondern weil alles abrollt vor einem und die Gedanken nur dem Abrollenden zu folgen brau­chen. So möchte heute sogar die Wissenschaft dem äußeren Dasein mit den passiven Gedanken folgen. Der Mensch ist zu bequem, ist zu schlaff, um das Denken in Aktivität zu bringen. Es ist mit dem Denken der Menschheit heute so, wie es wäre bei einem Menschen, der irgend etwas aufheben wollte, was am Boden liegt, und sich hinstellt und die Hände an die Hosentaschen legt und glaubt, er

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kann das, was auf dem Boden liegt, dann aufheben. Er kann es nicht. So kann das Sein nicht ergreifen ein Denken, das die Hände an sich anlegt. Wir müssen uns rühren, wir müssen unsere Arme und Hände rühren, wenn wir etwas ergreifen wollen, wir müssen unser Denken in Aktivität, in Tätigkeit bringen, wenn wir das Geistige ergreifen wollen.

Charakteristisch spricht der Hüter der Schwelle von dem ersten Tier, das als Furcht in unserem Willen lauert, als von einem Tiere mit krummem Rücken und mit bis zur Knochenhaftigkeit ver­zerrtem Angesicht, dürrem Leib. Dieses Tier, das ein stumpfes Blau in seiner ganzen Oberfläche hat, das ist tatsächlich dasjenige, das neben dem Hüter der Schwelle für den heutigen Menschen aus dem Abgrunde heraufkommt. Und der Hüter der Schwelle macht klar dem Menschen von heute: da ist es, dieses Tier im stumpfen Blau mit krummem Rücken, mit bis zur Knochigkeit verzerrtem Angesicht, dürr. Dieses Tier ist eigentlich in dir. Und hier steigt aus dem gähnenden Abgrund, der vor dem Erkenntnisfelde liegt, dieses Tier herauf, bildet ab wie im Spiegel dasjenige, was in dir selber einer der Erkenntnisfeinde ist, derjenige Erkenntnisfeind, der in deinem Willen lauert.

Und das zweite Tier, das mit der Spottlust gegenüber der geisti­gen Welt heute zusammenhängt, das charakterisiert der Hüter der Schwelle in einer ähnlichen Weise. Neben dem anderen Ungetüm kommt es herauf, aber indem es in seiner ganzen Haltung die Schwächlichkeit zeigt. Schlaff ist seine Haltung. Aber mit dieser schlaffen Haltung und mit dem gräulich-gelben Leib fletscht es die Zähne im verzerrten Angesicht. Und aus diesem Fletschen der Zähne, das lachen möchte, aber im Lachen lügt, weil das Spotten ihm Lüge ist, grinst es uns als das Spiegelbild desjenigen Getiers entgegen, das in dem eigenen Fühlen lebt und uns an der Erkennt­nis hindert, Feind unserer Erkenntnis ist.

Und das dritte Tier, das nicht herankommen will an den Inhalt der Welt im Geiste, es charakterisiert der Hüter der Schwelle so,

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daß es aus dem Abgrunde herauf als das Dritte kommt, mit ge­spaltenem Maul, auseinandergespalten das Maul, mit glasigem Auge; stumpf ist der Blick, weil das Denken nicht aktiv sein will, schlaff die ganze Haltung und schmutzigrot die Gestalt. Und so ist ein erlogener Zweifel, der sich ausspricht aus diesem gespal­tenen Maul und der sich ausdrückt in diesem schmutzigen Rote der ganzen Gestalt, der Zweifel an des Geistes Lichtgewalt, also der dritte der Erkenntnisfeinde, die in uns lauern. Sie machen uns erdenschwer.

Und gehen wir mit ihnen der Geist-Erkenntnis entgegen, ohne die Mahnung des Hüters der Schwelle zu achten: der gähnende Abgrund ist da. Über ihn kann man nicht mit Erdenschwere hin-übersetzen, nicht mit Furcht und Spott und nicht mit Zweifel. Über ihn kann man nur hinübersetzen, wenn man im Denken erfaßt hat die Geistigkeit des Seins, wenn man im Fühlen erlebt hat das Seelische des Seins, wenn man im Wollen erkraftet hat das Wirkende des Seins. Dann wird Geistiges, Seelisches, Wirkendes des Seins uns zu Flügeln, die uns der Erdenschwere entheben. Dann können wir hinüber über den Abgrund.

Dreifach ist der Schritt des Vorurteils, das uns in den Abgrund wirft, wenn wir nicht Erkenntnismut, Erkenntnisfeuer, Erkennt­nisschaffen uns aneignen. Dann aber, wenn wir die schaffende Erkenntnis im Denken ergreifen, wenn wir das Denken aktivieren wollen, wenn wir nicht in schlaffer Lässigkeit dem Geiste ent­gegengehen wollen, sondern mit innerem Herzensfeuer den Geist empfangen, und wenn wir Mut haben, um das Geistige tatsächlich als Geistiges zu erfassen, nicht es als Materielles nur im Bilde an uns herankommen zu lassen, dann wachsen uns die Flügel, die uns über den Abgrund hinüberführen, wonach doch jedes ehrlich mit sich selber lebende Menschenherz sich heute sehnt.

Das ist dasjenige, was vor unsere Seele heute hinbringen will, meine lieben Freunde, diese Einleitung zur ersten Stunde, mit der diese Schule für Geisteswissenschaft beginnen soll.

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Lassen wir zum Schlusse Anfang, Mitte und Ende des gedachten Erlebnisses mit dem Hüter noch einmal an unserer Seele vorüberziehen:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willens kräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:
Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

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Der Hüter spricht:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

Und der Hüter spricht weiter:

Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

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Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

Was zu erfahren ist beim Vorüberschreiten an dem Hüter der Schwelle, was notwendig ist, fühlend, wollend, denkend zu er­leben, um an dem Lichte des Hüters vorbeizukommen, hinein­zuschreiten in jene Finsternisse, aus denen aber jenes Licht quillt, in dem wir das eigene Licht des eigenen menschlichen Selbstes wiedererkennen, und so zu dem «0 Mensch, erkenne dich selbst!» gelangen, was da heraus spricht, heraus sich offenbart aus den vom Geistigen sich erleuchtenden Finsternissen, davon dann, meine lieben Freunde, am nächsten Freitag in der nächsten Stunde der Ersten Klasse.

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ZU DEN MANTRAMTEXTEN DER ERSTEN STUNDE

In der ersten Stunde wurde noch nicht an die Tafel geschrieben. Die Mantren, die in dieser Stunde gesprochen wurden, erscheinen an der Tafel erst in der ersten und zweiten Wiederholungsstunde.

Zu dem Mantram: «Doch du mußt den Abgrund achten...»:

Die vierte Zeile der dritten Strophe beginnt - so wie der Tafeltext der zweiten Wie­derholungsstunde und eine Handschrift - mit «Dein Haß» analog den entsprechen­den Zeilen der zweiten Strophe («Deine Furcht») und der vierten Strophe («Dein Zweifel»). Gesprochen aber wurde in dieser ersten Stunde gemäß Stenogramm «Der Haß».

In den beiden letzten Zeilen der ersten Strophe

«Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt»

wurde gemäß Stenogramm das Satzobjekt «Sie» betont gesprochen; bei den Wieder­holungen des Mantrams in der zweiten Stunde wurde auch das Wort «deine» betont. Die dritte Zeile der vierten Strophe «Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt» wurde bei der Wiederholung des Mantrams am Schluß der Stunde Seite 40 so gesprochen:

«Schmutzigrot erscheint die Gestalt dir.»

Zu dem Mantram «Wo auf Erdengründen... » Seite 38:

In der letzten Zeile der zweiten Strophe und in der ersten Zeile der dritten Strophe wurde «aus den Finsternissen» statt «aus Finsternissen» und in der vorletzten Zeile des Mantrams «urgewaltiges Schöpferwort» statt «urgewaltig Schöpferwort» ge­sprochen.

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ZWEITE STUNDE Dornach, 22. Februar 1924

Meine lieben Freunde! Wir wollen heute anknüpfen an dasjenige, was in der vorigen Stunde gesagt worden ist, zum Teil deshalb, weil der Zusammenhang gewahrt werden soll, zum Teil aber auch deshalb, weil ja neue Mitglieder, oder wenigstens Mitglieder, die das vorige Mal nicht hier waren, heute auch mit hier versammelt sind. Es soll daher beginnen die heutige Stunde mit einer kurzen Rekapitulation desjenigen, was wir in der vorigen Stunde vor unsere Seele hingestellt haben.

Wir haben uns hinbegeben im Gedanken an diejenige Stätte, wo der Mensch - der ja im gewöhnlichen Leben und für das gewöhn­liche Bewußtsein um sich herum die sinnliche Welt hat, die er mit dem Verstand erfassen kann -, wo der Mensch sich fühlen kann gegenüber dem Übersinnlichen, gegenüber demjenigen aber, das verwandt ist, eines Wesens ist mit seinem eigenen Wesen. Und diese Stimmungen wollen wir zunächst ausbilden, bevor wir an die My­sterien des Geisteslebens herantreten, was wir ja in der nächsten Zeit tun wollen.

Eine erste Stimmung, sie sollte uns zum Bewußtsein bringen, wie der Mensch mit seiner gewöhnlichen Seelenverfassung um sich herum hat die Welt der Sinne, die aber durchaus nicht dasjenige ihm gibt, das eins ist mit seinem eigenen Wesen. Und wenn mit einem gewissen Rechte herantönt an den Menschen durch alle Zeiten, auffordernd ihn zu seiner edelsten Tätigkeit, das Wort «Erkenne dich selbst!», dann ist es so, daß der Mensch keine Ant­wort, keine Befriedigung finden kann, wenn er unter dem Ein-drucke des Wortes «Erkenne dich selbst!» nur hinblickt auf das­jenige, was vor seinen Sinnen sich ausbreitet, was Inhalt ist der außermenschlichen Welt. Und der Mensch wird hingewiesen auf etwas anderes, als in dieser Sinneswelt, als in dieser außermensch­lichen Welt ist.

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Wenn wir gegenüber dieser Empfindung, die der Mensch haben kann, wenn er mit der Frage nach seiner eigenen Wesenheit auf die Weiten des Weltendaseins hinblickt, wenn wir mit dieser Emp­findung herantreten im Gedanken an das übersinnliche Dasein, das eins ist mit der inneren Menschenwesenheit, dann wird uns die entsprechende Stimmung wiedergegeben mit den Worten, die ich schon das letzte Mal vor Ihre Seele hingestellt habe:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebenslose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willens kräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:
Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

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Wir haben vor uns, fühlend in unserer Seele, jene Empfindung, die uns vergegenwärtigt, wie wir zwar die Schönheit, die Größe, die Erhabenheit der außermenschlichen Welt empfinden können, wie wir alles außermenschliche Große, Erhabene und Schöne in dieser Welt erschauen können, wie wir aber gerade in dieser Welt unser eigenes Wesen niemals finden können. Es ist für den Menschen, der nach dem Geiste strebt, notwendig, immer wieder und wiederum diese Stimmung sich vor die Seele zu rücken. Denn das Erleben dieser Stimmung, das tiefe Erleben dessen, daß wir in die Welt hinausblicken, die außermenschlich ist, und diese Welt uns keine Antwort gibt auf die Frage, was wir selber sind, diese Empfindung immer wieder und wiederum entsprechend vor die Seele gerückt, das kraftet herauf aus der Seele diejenigen Impulse, welche uns hinauftragen können in die geistige Welt. Gerade aber weil wir so empfinden, daß wir durch solche Stimmungen hinaufgetragen werden in die geistige Welt, müssen wir auch uns vor die Seele rücken, wie der Mensch im gewöhnlichen Bewußtsein, im gewöhn­lichen Leben unvorbereitet ist, vor diejenige Welt hinzutreten, die eigentlich die Welt seines eigenen Wesens ist.

Deshalb steht an der Grenze, die da ist zwischen der Sinneswelt und der geistigen Welt, jener Hüter, der mit seinem Ernst Men­schen warnt davor, unvorbereitet in die geistige Welt hinüberzu-wollen. Und wiederum ist es so, meine Lieben, daß wir müssen diese Tatsache, daß vor der geistigen Welt zum eigenen Heile der unvorbereiteten Menschen der Hüter steht - wir werden ihn immer mehr kennenlernen in der nächsten Zeit -, wiederum ist es so, daß wir müssen diese Stimmung von Zeit zu Zeit immer wieder in uns rege machen, damit wir das Gefühl bekommen des Hintretens vor diesen Hüter und uns so recht klarmachen: es gehört eine be­stimmte Seelenverfassung dazu, um wirkliche Erkenntnis, wirk­liche Einsicht zu erwerben.

Wenn die Einsicht, die in der heutigen materialistischen Zeit allen Menschen, ich möchte sagen, auf der Straße zugetragen wird,

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wenn diese wirkliche Erkenntnis würde beim Menschen, so wäre es schlimm, denn er empfängt sie eben unvorbereitet. Er empfängt sie nicht in derjenigen Stimmung, die ja sein muß die vorbereitende Erkenntnisstimmung. Deshalb ist es so, daß wir uns recht innig auch die zweite Stimmung vor die Seele rücken müssen, die uns immer wieder und wiederum davon spricht, wie wir vor den Hüter hintreten müssen:

Und aus Finsternissen hellet sich
- Dich im Ebenbilde offenbarend,
Doch zum Gleichnis auch dich bildend,
Ernstes Geisteswort im Weltenäther,
Deinem Herzen hörbar, kraftvoll wirkend -

Dir der Geistesbote, der allein
Dir den Weg erleuchten kann;
Vor ihm breiten sich die Sinnesfelder,
Hinter ihm, da gähnen Abgrundtiefen.

Und vor seinen finstern Geistesfeldern,
Dicht am gähnenden Abgrund des Seins,
Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort:
Sieh, ich bin der Erkenntnis einzig Tor.

Und dann spricht der Hüter selbst, indem er zunächst, während wir noch hüben stehen in den Sinnesfeldern, hinüberweist in das­jenige Gebiet, wo noch für uns, wenn wir hüben stehen, waltet undurchdringliche Finsternis, indem er hineinweist in diese Fin­sternis, die aber Helligkeit werden soll, die sich hellen muß vor uns durch Geist-Erkenntnis, aus der er zunächst nur selbst sich heraus erhellt, da spricht er, hinweisend auf diese scheinbare Finsternis, auf diese Maja-Finsternis, da spricht er:

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Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

Wer das Wort, das da aus dem Munde des Hüters ertönt, tief genug empfinden kann, der wird gewahr, wenn er auf sich selbst zurückblickt, wie das Zurückblicken, das Wahrnehmen im Zu­rückblicken eine erste Selbsterkenntnis wird, Selbsterkenntnis noch, die vorbereitend ist für den wirklichen Eintritt in die wahre, in die rechte Selbsterkenntnis, in diejenige Selbsterkenntnis, die uns enthüllt geistige Welterkenntnis desjenigen Wesens, das eins ist mit unserem eigenen Menschenwesen. Und da steigen die Erkennt­nisse auf, die man noch gewinnen kann diesseits der Schwelle zum geistigen Dasein, da steigen die Erkenntnisse auf, welche die Un­reinigkeiten des eigenen Denkens, Fühlens und Wollens im zwar furchtbaren, aber wahren Abbilde zeigen; als drei aus dem Ab-grunde - aus dem gähnenden Abgrunde, der sich senkt zwischen Sinneswelt und Geisteswelt -, aus dem gähnenden Abgrunde auf­steigende Tiere zeigen.

Dasjenige, was wir fühlen sollen am Abgrunde des Seins zwi­schen der Maja, dem Schein, und dem Sein der wirklichen Welt, das soll uns die vierte Stimmung vor die Seele stellen:

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Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen;
Dein Erkenntnismut nur überwindet es.

Man muß, meine Lieben, sich klar vor die Seele stellen, daß zu­nächst nicht der Erkenntnismut in der Seele waltet, sondern daß im weitesten Umfange die Erkenntnisfeigheit in der Seele waltet, jene Erkenntnisfeigheit, die ja die meisten Menschen gerade in diesem Zeitalter so sehr davon abhält, überhaupt heranzutreten an die Einsicht in die geistige Welt.

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen;
Dein Erkenntnisfeuer muß ihn zähmen.

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Das ist das zweite, das wir in uns tragen, das alle Zweifel in unsere Seele senkt, jede Art von Gefühlen der Ungewißheit gegenüber der geistigen Welt in unserer Seele aufpflanzt. Das liegt im Fühlen, weil das Fühlen schwach ist, weil das Fühlen sich nicht auf­schwingen kann zur Begeisterung, zum Enthusiasmus. Wahre Erkenntnis muß zwar hinaus sein über den äußeren niederen En­thusiasmus, der an allem möglichen äußeren Leben sich hinauf­rankt. Ein billiges Hinaufranken! Der innere Enthusiasmus, das innere Feuer, das Erkenntnisfeuer wird, das ist dasjenige, was das zweite Tier besiegt.

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken;
Dem Erkenntnisschaffen muß es weichen.

Wir müssen den Mut und das Feuer finden, Aktivität in unser Denken zu bringen. Wenn wir im gewöhnlichen Bewußtsein schaffen, schaffen wir die Willkür, schaffen wir dasjenige, was nicht wirklich ist. Wenn wir uns in der entsprechenden Weise zum schaffenden Denken vorbereiten, strömt in unser schaffendes Denken die geistige Welt ein. Und dann gebären wir aus Erkennt­nismut, aus Erkenntnisfeuer und aus Erkenntnisschaffen das wirk­liche Drinnenstehen in der geistigen Welt.

Erst wenn die drei von dir besiegt,
Werden Flügel deiner Seele wachsen,
Um den Abgrund zu übersetzen,
Der dich trennet vom Erkenntnisfelde,
Dem sich deine Herzenssehnsucht
Heilerstrebend weihen möchte.

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Diese Stimmungen, sie können uns tragen so weit, daß wir in der rechten Weise fühlen, was wir als Mensch in uns rege machen sollen, damit wir als rechter Mensch, als wahrer Mensch, als wirk­lich lebendiger Mensch in die geistige Welt eintreten. Es ist ja schon so, daß im gewöhnlichen Leben der Mensch oftmals an den banal­sten Dingen empfindet, daß das Leben eben ernst ist und kein Spiel. Doch dasjenige, was zur Erkenntnis führen soll, das drückt nicht so stark als das äußere Leben; das wird eben in der Seele rege gemacht. Mit dem treibt man nur allzuleicht ein Spiel. Und man redet sich wohl von dem Spiele selbst ein, daß es ernst ist. Aber man schadet sich und den anderen Menschen ungeheuer, wenn man das Geistesstreben zum Spiel macht, wenn man nur im ge­ringsten eben mit dem Geistesstreben nicht den absolutesten Ernst verbindet.

Dieser Ernst braucht ja nicht darinnen zu bestehen, daß er in Sentimentalität sich offenbaren will. Das ist nicht das Nötige. Es kann der Ernst gewissen Zusammenhängen des Lebens gegenüber durchaus den Humor notwendig machen. Aber dann muß der Humor eben seriös sein. Dasjenige, was hier als Ernst und Spiel einander gegenübergestellt wird, ist nicht die Sentimentalität, die falsche Frömmigkeit, der unwahre Augenaufschlag gegenüber dem Spiel, sondern es ist die Möglichkeit, wirklich aufzugehen in dem Geistesstreben und stetig, ausdauernd, haltbar in diesem Geistesstreben zu leben.

Um das Gewicht der Worte, die ich jetzt spreche, meine Lieben, so recht zu empfinden, wird es gut sein, wirklich gut sein für das Erkenntnisstreben, wenn all die Freunde, die hier sitzen, nament­lich auch diejenigen, die schon länger in der Anthroposophischen Gesellschaft sind, sich einmal die folgende Frage vorlegen: Wie oft habe ich mir vorgenommen, dies oder jenes als Aufgabe des an­throposophischen Lebens zu tun, und wie oft habe ich nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr daran gedacht? Vielleicht hätte ich's getan, wenn ich daran gedacht hätte, aber ich habe nicht mehr

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daran gedacht. Es ist ausgelöscht, wie ein Traum ausgelöscht ist aus meinem Leben.

Es ist nicht unbedeutend und unwichtig, sich gerade eine solche Frage vorzulegen. Und vielleicht könnte es gar nicht unwichtig sein, wenn eine größere Anzahl unserer Freunde etwas ganz Aktuelles vor die Seele hinstellen wollten.

Die Weihnachtstagung sollte beginnen, reale Esoterik in die ganze anthroposophische Weltanschauungsströmung, wie sie ge­tragen wird von der Anthroposophischen Gesellschaft, hineinzu­gießen. Wie oftmals - so könnten sich viele fragen - habe ich das­jenige, was ich ganz gewiß während der Weihnachtstagung emp­funden habe als etwas Schönes, nachträglich vergessen und bin in meinen Gedanken, in meinen Empfindungen so gewesen, als wenn die Anthroposophische Gesellschaft so fortgehen sollte, wie sie vor Weihnachten war. Und wenn einzelne vielleicht sich sagen, das ist bei mir nicht der Fall, so könnte es gerade bei diesen sehr notwen­dig sein, daß sie sich die Frage stellen: Täusche ich mich denn nicht darüber, daß es bei mir nicht der Fall ist? Habe ich in allem, was anthroposophisches Handeln betrifft, wirklich darauf ge­sehen, daß mit Weihnachten eine neue Phase der Anthroposophi­schen Gesellschaft beginnen soll? Diese Frage gerade als Erkennt­nis frage zu stellen, ist von einer ganz besonderen Bedeutung. Dann wird der rechte Ernst in die Seelen einziehen.

Und sehen Sie, es ist gut, wenn so etwas, was mit dem Lebens-nerv der Anthroposophischen Gesellschaft zusammenhängen soll und was deshalb auch mit dem Lebensnerv eines jeden Mitgliedes, das die Aufnahme in die Klasse angesucht hat, zusammenhängen soll, es ist nötig, daß so etwas sich anfügt an irgend etwas, das einen starken Einschlag im Leben bildet. Daher wäre es gut, wenn jeder einzelne, der der Klasse angehören will, sich sagte: Gibt es nicht für mich etwas, was ich tun kann - jetzt nachdem die An­throposophische Gesellschaft neu begründet worden ist - anders als ich früher die Dinge getan habe? Könnte ich nicht etwas' Neues

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einführen in mein Leben als Anthroposoph? Könnte ich nicht ab­ändern die Art, wie ich früher gewirkt habe, dadurch daß ich irgendein einzelnes Neues einfüge?

Das würde von einer riesengroßen Bedeutung sein, wenn es ernst genommen würde, für jeden einzelnen, der der Klasse angehört. Denn dadurch würde die Möglichkeit herbeigeführt werden, meine Lieben, daß diese Klasse ohne die belastenden Schwer­gewichte fortarbeiten könnte. Denn ein jeder, der den alten Schlendrian weiterführt, belastet ja den entsprechenden Fortgang der Klasse. Das merkt man sonst nicht, aber wahr ist es doch. Im esoterischen Leben gibt es keine Möglichkeit, dasjenige herbeizu­führen, was sonst im Leben so herrschend ist: die Lüge als Wahr­heit umzudeuten. Wenn man das tut im esoterischen Leben, so wirkt nicht das Umgedeutete, sondern es wirkt die Wahrheit. Im esoterischen Leben wirkt nichts anderes als die Wahrheit. Sie kön­nen aus Eitelkeit irgend etwas färben, und das Gefärbte macht keinen Eindruck auf die geistige Welt. Das Ungefärbte, die un­gefärbte Wahrheit, die ist das Wirksame in der geistigen Welt.

Sie können daran ermessen, wie verschieden die geistigen Reali­täten sind - die unter der Oberfläche des Daseins ja auch heute wie immer wirken - von demjenigen, was, als aus so vielen Lebenslü gen heute zusammengeflickt, das äußere Leben darstellt. Es ist ja heute ungemein wenig wahr von demjenigen, was zwischen Menschen lebt. Und sich das immer wieder und wiederum vor die Seele zu rücken, das gehört eben zum Anfange des Strebens innerhalb die­ses Klassenlebens. Denn nur aus der Stimmung, die also sich bildet, können wir die innere Kraft finden, mitzutun in demjenigen, was hier in der Klasse von Stunde zu Stunde sich immer mehr ent­wickeln wird, immer mehr und mehr entrollen wird vor unseren Seelen, damit wir den Weg finden in die geistigen Welten hinein.

Dann erst werden wir aufmerksam werden können, was un­serem Denken, Fühlen und Wollen einverpflanzt werden muß, damit das Denken das Denkgespenst, das Fühlen den Spötter, das

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Wollen den Knochengeist, das heißt die drei Tiere, besiege. Denn diese drei Tiere sind unsere eigenen Erkenntnisfeinde. Sie treten uns im Spiegel, aber als Realitäten, aus dem gähnenden Abgrund des Seins entgegen.

Und tief mit unserem Menschenwesen verwurzelt ist alles das­jenige, was uns am wirklichen Erkennen hindert, zunächst im Denken. Das gewöhnliche menschliche Denken spiegelt sich in dem Denkgespenst des dritten Tieres, in jenem dritten Tiere, das seiner Gestalt nach ja geschildert war, deutlich:

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt.

Das ist das Abbild des gewöhnlichen Menschendenkens, jenes Menschendenkens, das denkt über die Dinge der äußeren Welt und nicht gewahr wird, daß dieses Denken über die Dinge der äußeren Welt ein Leichnam ist. Wo hat das Wesen gelebt, dessen Leichnam dieses gewöhnliche Denken ist?

Ja, meine Lieben, indem wir heute - unserer gegenwärtigen Menschheitszivilisation, das heißt unserer Weltenzeit gemäß - vom Morgen, vom Aufwachen, bis zum Abend, zum Einschlafen denken, denken nach der Anleitung, die uns heute gegeben wird aus den Schulen und aus dem Leben, denken wir, indem unser Denken ein Leichnam ist. Tot ist das Denken. Wann hat es gelebt und wo hat es gelebt?

Es hat gelebt, bevor wir geboren worden sind, es hat gelebt, als unsere Seele im vorirdischen Dasein war. Geradeso wie Sie sich vorzustellen haben, meine Lieben, daß der Mensch auf der physi­schen Erde lebt, sich in seinem physischen Leibe drinnen regt sein Seelenwesen, und er herumgeht in diesem physischen Leibe, der regsam ist durch sein Seelenwesen bis zum Tode, dann aber un­sichtbar wird für den äußeren Anblick das regsame Seelenwesen, und sichtbar dableibt der Leichnam, der tot, die tote Gestalt ist der

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lebendigen Menschengestalt während des Lebens, so müssen Sie sich vorstellen, daß lebte das Denken. Ein lebendiges, organisches, wachsendes, weben des, wesendes Dasein hatte es, bevor der Mensch ins irdische Dasein eingetreten ist. Dann wird es Leichnam, wird im Grabe unseres eigenen Kopfes, unseres eigenen Gehirnes be­graben. Und geradeso, wie wenn ein Leichnam im Grabe behaup­ten wollte: ich bin der Mensch, - so ist unser Denken, wenn es im Gehirn als Leichnam begraben liegt und über die äußeren Dinge der Welt nun nachdenkt. Es ist Leichnam. Es ist vielleicht niederdrückend für den Menschen, daß es Leichnam ist, aber es ist wahr, und an die Wahrheit muß sich esoterische Erkenntnis halten.

Das aber liegt in der Fortsetzung der Rede des Hüters der Schwelle. Denn nachdem er die Mahnung von den drei Tieren vor unsere Seele hingestellt hat, da spricht er weiter. Und die Worte, die nun an unser Herz tönen, sind diese:

Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geistgewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

Ich spreche es noch einmal:

Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geistgewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

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Das Denken, mit dem wir so vieles zu leisten haben hier im Sinnes­felde, es ist vor den Göttern der Welt der Leichnam unseres Seelen­wesens. Wir sind, indem wir die Erde betreten haben, in unserer Erdenzeit erstorben in dem Denken. Der Tod des Denkens be­reitete sich allmählich vor seit dem Jahre 333 der nachchristlichen Zeit. Von dieser Mitte der vierten nachatlantischen Periode, 333, bereitete sich allmählich dieses vor, daß das Denken tot wurde. Vorher war in das Denken hineinergossen noch Lebendigkeit, die die Erbschaft war aus dem vorirdischen Dasein. Und lebendig fühlten die Griechen, lebendig fühlten die Orientalen, indem sie dachten, in dem Weben des Denkens das Wirken des Geistes, das Wirken der Götter. Diese Orientalen, diese älteren Griechen, sie wußten - indem sie dachten -: In jedem Gedanken lebt der Gott. Das ist verloren. Das Denken ist tot geworden. Und wir müssen die Mahnung der Zeit befolgen, die uns vom Hüter zugeht:

Doch du mußt den Abgrund achten;
Sonst verschlingen seine Tiere
Dich, wenn du an mir vorübereilt'st;
Sie hat deine Weltenzeit in dir
Als Erkenntnisfeinde hingestellt.

Diese Weltenzeit hat begonnen 333 nach der Entstehung des Christentums, im vierten Jahrhunderte, nachdem das erste Drittel des vierten Jahrhunderts vorbei war. Und heute ist das Denken deutlich - in allem vom Denken in der Welt Ausgehenden - von Todes-, nicht von Lebenskraft. Und das tote Denken des 19. Jahr­hunderts hat den toten Materialismus an die Oberfläche der menschlichen Zivilisation getrieben.

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Anders ist es mit dem Fühlen. In derselben Weise konnte noch nicht der große ahrimanische Menschenfeind, Ahriman, auch das Fühlen ertöten, wie er das Denken ertötet hat. Das Fühlen lebt im Menschenwesen auch in der gegenwärtigen Weltenzeit. Aber der Mensch hat dieses Fühlen zum großen Teil aus dem vollen Bewußt­sein in das halb Unbewußte hinuntergedrückt. Das Fühlen steigt auf in der Seele. Wer hat es in seiner Gewalt, so wie er das Denken in seiner Gewalt hat? Wem ist es klar, was in den Gefühlen lebt, so wie ihm klar ist, was im Denken lebt?

Nehmen Sie nur eine der traurigsten, nämlich vor dem Geiste traurigsten Erscheinungen unserer Zeit, meine lieben Freunde. Wenn die Menschen klar nachdenken, sind sie Weltenbürger, denn sie wissen ganz gut: das Denken macht den Menschen zum Men­schen, wenn es auch im gegenwärtigen Weltenzeitalter tot ist.

Aber im Fühlen sind die Menschen nach Völkern getrennt, und gerade heute lassen sie walten dieses unbewußte Fühlen im schlimmsten Maße. Und überall entsteht der Streit im heutigen Weltensein aus dem unbestimmten Fühlen heraus, durch das sich der Mensch angehörig nur fühlt einer bestimmten Menschen­gruppe.

Allerdings, das Weltenkarma stellt uns hinein in eine bestimmte Menschengruppe, und es ist unser Fühlen, welches als Werkzeug dem Weltenkarma dient, wenn wir hineingestellt werden in die­sen Stamm, in jene Klasse, in jenes Volk. Das ist nicht das Denken, durch das wir so hineingestellt werden. Das Denken, wenn es nicht durch das Gefühl und durch den Willen gefärbt wird, es ist in aller Welt dasselbe Denken. Das Fühlen stuft sich ab nach den ver­schiedenen Gebieten der Welt. Das Fühlen liegt halb im Unbewuß­ten; das lebt, aber es ist im Unbewußten. Deshalb hat auf das Fühlen der ahrimanische Geist, da er nicht den Einfluß auf sein Leben hat, benützt die Gelegenheit, um im Unbewußten zu wüh­len im Fühlen. Und er beschränkt dieses Wühlen auf die Ver­wechselung von Wahrheit und Irrtum. Und alle unsere Fühlens-Vorurteile

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werden von ahrimanischen Einflüssen, ahrimanischen Impulsen in uns gefärbt.

Dieses Fühlen, es muß, wenn wir in die geistige Welt eintreten wollen, wirklich vor unsere Seele heraufsteigen. Wir müssen dem Fühlen gegenüber Selbsterkenntnis treiben können. Wir müssen uns durch immerwährendes Zurückblicken auf unser eigenes We­sen sagen können, welche Art von Mensch wir sind als fühlendes Menschenwesen. Das gewinnen wir nicht leicht. In bezug auf das Denken wird es uns leicht verhältnismäßig, wenn wir über uns selber Klarheit gewinnen wollen. Wir tun es zwar auch nicht immer; aber schon eher sagen wir uns: du bist nicht gerade ein Genie, dir fehlt zu einem klaren Denken dies oder jenes. Höchstens Eitelkeit oder Opportunität ist es, die uns nicht dazu kommen lassen, über unser Denken doch einige Klarheit zu haben.

Aber dem Fühlen gegenüber, da kommen wir ja gar nicht dazu, uns selbst wirklich vor unsere Seele hinzustellen. Wir sind ja eigent­lich immer überzeugt davon, daß unsere Gefühlsrichtung die rechte ist. Da müssen wir schon recht intim in unsere Seele ein­kehren, wenn wir uns als fühlendes Menschenwesen so recht vor uns selber charakterisieren wollen. Dennoch, wir müssen es tun. Wir erheben uns nur dadurch, daß wir uns als fühlendes Men­schenwesen mit aller Gewissenhaftigkeit zuweilen vor uns selber hinstellen, wir erheben uns nur dadurch über jene Schranken, die das zweite Tier vor uns aufrichtet auf dem Weg in die geistige Welt hinein.

Sonst aber, wenn wir nicht diese Selbsterkenntnis uns gegenüber als fühlendem Menschenwesen zuweilen üben, dann, dann ist es immer, daß wir eigentlich das Spottgesicht gegenüber der geistigen Welt entwickeln. Wir werden uns, wie wir uns unseres kranken Fühlens nicht bewußt werden, auch nicht bewußt, daß wir Spötter sind gegenüber der geistigen Welt. Wir kleiden den Spott in alle

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möglichen Formen, allein wir spotten doch der geistigen Welt. Und gerade diejenigen, von denen ich vorhin sprechen mußte, die Unernsten, das sind die Spötter. Sie genieren sich zuweilen vor sich selber, den Spott auch nur im Gedanken innerlich auszu­sprechen, aber sie spotten in Wirklichkeit gegenüber der geistigen Welt. Denn wie könnte man der geistigen Welt gegenüber unernst, spielerisch sein, wenn man ihrer nicht spotten würde. Solchen gegenüber spricht der Hüter der Schwelle:

Des zweiten Tieres Spottgesicht,
Es ist die böse Gegenkraft
Des Fühlens, das die eigne Seele
Aushöhlet und Lebensleerheit
In ihr erschafft statt Geistgehalt,
Der vor dem Erdensein erleuchtend
Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

Das erste Tier ist das Spiegelbild unseres Willens. Dieses Spiegel­bild unseres Willens wendet sich ja an dasjenige, was im Willen lebt. Aber der Wille träumt ja nicht nur, er liegt nicht nur halb im Unbewußten, er liegt ganz im Unbewußten.

Das ist öfter vor Euch, meine Lieben, ausgesprochen worden, wie das Wesen des Willens tief im Unbewußten liegt. Und tief im Unbewußten sucht der Mensch im Leben für das gewöhnliche Bewußtsein die Wege seines Karma. Jeder Schritt, den der Mensch im Leben tut aus seinem Karma heraus, ist ja abgemessen. Aber der Mensch weiß nichts davon. Es geschieht alles unbewußt. Die vorigen Erdenleben wirken kraftend in das Karma hinein. Das Karma führt uns zu unseren Lebenspunkten, zu unseren Lebensentscheidungen,

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zu unseren Lebenszweifeln. Da sind die Ver­irrungen des einzelnen Menschen, des Menschen, der nur für sein eigenes, einzelnes Wesen in der Welt die Wege sucht. Im Denken: der Mensch sucht die Wege, die alle Menschen suchen. Im Fühlen: der Mensch sucht die Wege, die seine Menschengruppe sucht. Im Fühlen erkennt man ja, ob einer aus dem Norden, aus dem Westen, aus dem Süden, aus dem Osten Europas, oder aus der Mitte, aus dem Westen, aus dem Osten, aus dem Süden stammt. Man muß schon eingehen auf die unbewußten Impulse des Willens, um den Menschen nicht als allgemeines Menschenwesen, nicht als An­gehörigen einer Gruppe, sondern als dieses einzelne Menschenindividuum vor sich zu haben. Da wirkt der Wille. Da wirkt der Wille aber auch im tief Unbewußten. Und da zeigt die Verirrungen des Willens das erste der Tiere.

Da spricht mahnend der Hüter:

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

In unserem Wollen wirken die geistigen Mächte, die eigentlich unsern Leib hinwegreißen wollen von uns während unseres Erdendaseins und damit ein Stück unserer Seele mitreißen möchten, damit sie bauen können damit dasjenige Erdendasein, das nicht in Jupiter, Venus, Vulkan sich weiterentwickeln soll, sondern das weggerissen von den göttlichen Absichten mit der Erde, der Erde entfremdet, der Erde geraubt würde nach einiger Zeit, in der Zukunft.

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Mit dieser den Göttern geraubten Erde soll der Mensch nach gewissen Mächten, die in seinem Willen wirken, durch den er sein Karma sucht, verbunden werden.

Das erste Tier ist wirklich geeignet, das zu vergegenwärtigen im Spiegelbild, was da im Willen wirkt: Knochenhaftes Haupt, von dürrem Leib, ganz von stumpfem Blau ist seine Haut; den Rücken krumm hat es. Das ist der ahrimanische Geist, der in allem Karmasuchen in dem Willen waltet und der nur besiegt werden kann durch den Erkenntnismut. Und so, wie ich es eben angeführt habe, so spricht der Hüter der Schwelle von diesem ersten Tier.

Ich will es noch einmal lesen:

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

In diesen Worten aus dem Munde des Hüters der Schwelle klingt die Mahnung weiter, die er dem suchenden, dem Einsicht, dem Erkenntnis suchenden Menschengeiste zuruft.

Lassen wir diese Worte, meine Lieben, recht, recht intensiv in unserer Seele leben, und hören wir des öfteren dasjenige, was der Hüter spricht:

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Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geistgewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

Sie müssen wiederum die Konkordanzen in diesen Sprüchen ent­sprechend fassen.

[Die erste Strophe dieses Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geist gewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

Fühlen Sie zunächst, was jede Strophe für sich hat.

Die zweite Strophe, die auf das Fühlen hinweist:

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[Die zweite Strophe wird an die Tafel geschrieben; siehe auch Seite 65]

Des zweiten Tieres Spottgesicht,
Es ist die böse Gegenkraft

- «Gegenkraft»: nun nicht mehr «Bild», nun «Kraft»! [Diese bei­den Silben werden doppelt unterstrichen, und dann wird weiter-geschrieben:] -

Des Fühlens, das die eigne Seele
Aushöhlet und Lebensleerheit
In ihr erschafft statt Geistgehalt,
Der vor dem Erdensein erleuchtend
Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

Fühlen Sie zweitens: Hier [in der ersten Strophe] «verleugnet», hier [in der zweiten Strophe] «aushöhlet» [beide Worte werden doppelt unterstrichen] ; und fühlen Sie stark die Nuance, die steckt in den Sprüchen dadurch, daß Sie das eine Mal das Wort «ver­leugnet», das andere Mal «aushöhlet» haben.

Die Worte des Hüters, die sich richten an das Wollen:

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

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[Diese dritte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht

- nun nicht «Bild», nicht «Kraft», sondern «Macht» [die Silbe «macht» wird doppelt unterstrichen]: Sie müssen die Steigerung fühlen -

Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet

- und nun haben Sie hier die Steigerung: erst etwas Intellektuel­les: «verleugnet»; etwas, was noch im Innern wühlt: «aushöhlet»; etwas, was direkt das Innere wegnimmt: «entfremdet» [«entfrem­det» wird doppelt unterstrichen, und es wird weitergeschrieben:]

deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

Fühlen Sie, wie aber durch alle drei Strophen, durch alle drei Sprüche durchklingt das «böse». [In jeder Strophe wird das Wort «böse» nun durch senkrechte Abgrenzungsstriche und dreimaliges Unterstreichen besonders hervorgehoben.]

Und wenn Sie innerhalb dieser Sprüche entsprechend erfühlen jene Haltepunkte, die gegeben sind in den Steigerungen, in dem Unterschiede zwischen Denken, Fühlen und Wollen [diese drei Worte werden unterstrichen], und wenn Sie recht herausfühlen, wie alle drei verbunden werden durch das eine gleiche, immer wiederkehrende «böse», dann wird Ihnen, meine lieben Freunde,

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jeder der Sprüche zum Mantram, zum Mantram seinem inneren Sinn nach, und er wird Ihnen Führer sein können auf den einzel­nen drei Etappen in die geistige Welt hinein: der des dritten Tieres, der des zweiten Tieres, der des ersten Tieres. [Die Worte: «dritten», «zweiten», «ersten» werden dabei an der Tafel unter­strichen.] Und wenn Sie nie ohne diese Konkordanzen und ohne zu verbinden diese drei durch das eine entscheidende Wort zum inneren Seelenorganismus, wenn Sie niemals ohne dieses in sich rege machen diese drei Sprüche, so werden diese drei Sprüche Euch Führer sein, meine Lieben, auf dem Wege hinein in die geistige Welt, vorbei an dem Hüter der Schwelle.

Wir wollen ihn in den nächsten Stunden näher kennenlernen.

Nächste Stunde am nächsten Freitag.

Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 65 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 65
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DRITTE STUNDE Dornach, 29. Februar 1924

Beginnen wir, meine lieben Freunde, mit jenen uns schon bekann­ten Worten, die - gewissermaßen die Richtung ins Geistige an-deutend der Hüter spricht zur Charakteristik desjenigen, was der Mensch empfinden kann an der Schwelle zur geistigen Welt, wenn er an dem Hüter vorbeischreitet:

Aus den Weiten der Raumeswesen,
Die im Lichte das Sein erleben,
Aus dem Schritte des Zeitenganges,
Der im Schaffen das Wirken findet,
Aus den Tiefen des Herzempfindens,
Wo im Selbst sich die Welt ergründet:

Da ertönet im Seelensprechen,
Da erleuchtet aus Geistgedanken
Das aus göttlichen Heileskräften
In den Weltengestaltungsmächten
Wellend wirkende Daseinswort:
O, du Mensch, erkenne dich selbst.

Es handelt sich ja zunächst darum, daß der Mensch im Gedan­ken nachgeht die Wege, die gegangen werden, wenn der Zugang gesucht wird in die geistige Welt. Und man darf nicht etwa sagen, wenn irgend jemand in seinen Gedanken nacherlebt, was der Ein­zuweihende durchmacht in der Wirklichkeit beim Eintritt in die geistige Welt, daß der Nachdenkende - wenn er ehrlich und ernst lebt in seinen Gedanken - nicht mitmachte, wenn auch nur im ideellen Abglanz nicht mitmachte dasjenige, was eben sich für die Menschenseele offenbart beim wirklichen Eintritt in die geistige Welt.

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Man sollte nicht sagen: Überlassen wir den Eintritt in die gei­stige Welt denjenigen, die die Einweihung suchen, um dann drin­nenzustehen mit ihrer Seele in dem geistigen Dasein, so wie sonst der Mensch steht mit seinen Sinnen im physischen Dasein; sondern man sage anders. Man sage: Wenn man herangeht an dasjenige, auch nur denkend, in Gedanken nacherlebend, was darstellt den Weg in die geistige Welt, darstellt den Eintritt in die geistige Welt, darstellt dasjenige, was dann einem entgegentritt in der geistigen Welt, dann wird man, wenn man in den Gedanken nur nicht ober­flächlich ist, durchaus auch ein volles Empfinden und ein volles Erleben haben von demjenigen, was sich regt, wenn man aus der Welt des Scheines, aus der Welt der Sinne, die sonst nur der Ver­stand erfassen kann, eintritt in die geistige Welt.

Daher ist dasjenige, was ich heute zu Ihnen sprechen werde, meine Lieben, nicht etwa bloß für denjenigen gesprochen, der mit seinem Gemüte jene Umwandlung sucht, die ihn in die geistige Welt hineinstellt, sondern es ist auch für denjenigen gesprochen, der diese Umwandlung zunächst nur in seinen Gedanken erlebt. Und das wollen Sie ja im Grunde alle, sonst würden Sie nicht hier sitzen.

Deshalb muß das Folgende gesagt werden: Wenn der Mensch in der Sinneswelt seine Beobachtungen macht - das Leben besteht aus solchen Beobachtungen -, wenn der Mensch dann dasjenige, was in der Sinneswelt ihm entgegentritt, zum Anlaß nimmt, sei­nen Willen zu entfalten, wenn er aus der Beobachtung zur Tat übergeht und dasjenige auf sein Gemüt wirken läßt im Fühlen, was sich aus Tat und Gedankenbeobachtung zusammensetzt, dann steht der Mensch, weil ihm das nun einmal als physisches Erden-wesen zwischen der Geburt und dem Tode eingepflanzt ist, es steht der Mensch auf einem gewissermaßen sicheren Boden. Diesen sicheren Boden, wo er ihn nicht hat, da sucht er ihn ja. Er sucht überall, wenn er irgend etwas glauben soll, die Tatsachen, die das lehren. Er frägt: Welche Erfahrung beweist dieses oder jenes? Er

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nimmt nicht gern etwas an im gewöhnlichen Leben, was nicht durch diese oder jene äußere Erfahrung bewiesen wird. Der Mensch steht da auf einem sicheren Boden, weil er sich sagt: Das­jenige ist wahr, was man gesehen hat, dasjenige ist wirklich, was man angegriffen hat. Es ist ja durch die Welt selbst, durch die Weltordnung, eine gewisse Sicherheit im menschlichen Leben. Und weil diese Sicherheit ist, unterscheidet ja der Mensch, soweit eben das für das gewöhnliche Leben zwischen Geburt und Tod nötig ist, unterscheidet er zwischen Wahrheit und Illusion, Wahrheit und Schein, Wahrheit und Traum. Wo eben die Korrektur durch das Leben nicht stattfinden kann, die Verifizierung, da redet der Mensch von Schein. Und nur das, daß er reden kann im gewöhn­lichen Leben von Wahrheit und Schein, von Wirklichkeit und Schein, das führt ihn sicher durch das Leben hindurch.

Bitte stellen Sie sich einmal vor, meine lieben Freunde, Sie gingen durch das gewöhnliche sinnliche Leben, das Sie durch­machen zwischen der Geburt und dem Tode, so, daß Sie richtig niemals recht wissen könnten, ob irgend etwas, was Ihnen ent­gegentritt, Wahrheit oder Illusion ist. Sie könnten nicht kontrol­lieren, ob ein Mensch, der Ihnen gegenübersteht, der Ihnen etwas sagt, nun ein wirklicher Mensch ist oder ob er ein Scheingebilde ist. Sie könnten nicht unterscheiden, ob irgendein Ereignis, das Ihnen begegnet, von Ihnen bloß geträumt ist oder ob es in demTatsachen­zusammenhang der Welt drinnensteht. Denken Sie nur, welche Unsicherheit, welche furchtbare Unsicherheit in das Leben hineinkäme!

Aber so, wie Sie sich fühlen würden, wenn Ihnen das Leben auf Schritt und Tritt die genaue Kontrolle entzöge, ob Sie träumen oder ob Sie der Wirklichkeit gegenüberstehen, so ist es, wenn zu-nächst der Schüler an der Pforte, an der Schwelle der geistigen Welt steht. Das ist das allererste bedeutsame Erlebnis, daß er, wenn er an der Schwelle der geistigen Welt steht, merkt, jenseits dieser Schwelle ist die geistige Welt.

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Wir haben ja gesehen: zunächst strömt ja nur Finsternis aus die­ser geistigen Welt heraus. Aber dasjenige, was da oder dort heraus­wellend, herausleuchtend erscheint, das ist bei der ersten Erfah­rung - in die noch der Hüter der Schwelle seine Worte hineintönen läßt, wie wir sie das letzte Mal gehört haben -, bei der ersten Er­fahrung so, daß Sie niemals zunächst mit all dem, was Sie sich errungen haben in der physischen Welt an Sinneserkenntnis, an Verstandeserkenntnis, daß Sie mit all dem, was Sie sich da er­rungen haben, niemals unterscheiden können, ob Sie ein wirkliches geistiges Wesen, eine wirkliche geistige Tatsache, oder aber vor sich haben ein Traumgebilde.

Das ist die allererste Erfahrung, die man macht gegenüber der geistigen Welt, daß sich ineinandermischen Schein und Wirklich­keit, und die Unterscheidung zwischen Schein und Wirklichkeit zunächst ganz problematisch ist. Das ist auch dasjenige, das gar sehr berücksichtigen sollte derjenige, welcher nicht in regelmäßi­gem Schülergange, sondern wie durch elementarische Kräfte, die aus allem Möglichen heraus kommen können, aus erschütternden Ereignissen, aus Krankheit und so weiter, das ist, was der, der durch solche elementarischen Kräfte erlebt diese oder jene Im­pressionen aus der geistigen Welt, wohl berücksichtigen sollte. Er sollte sich nicht von vornherein vormachen: Nun hast du die geistige Welt; denn es könnte sehr wohl sein, daß dasjenige, was sich ihm da oder dort aufblitzend zeigt aus der geistigen Welt, eben eine bloße Illusion ist. Daher ist das erste, was man lernen muß, um in die geistige Welt eintreten zu können in rechter Weise, das von allem, was man in der physischen Welt erfährt, unabhängige Unterscheidungsvermögen für Wahrheit und Irrtum, für Wirk­lichkeit und Illusion. Man muß sich ein ganz neues Unterschei­dungsvermögen aneignen für Wirklichkeit und Illusion.

In unserer Zeit, in der ja die Menschen nicht mehr sehr viel geben auf dasjenige, was aus der geistigen Welt hereinleuchtet, in der die Menschen ganz und gar in der allgemeinen Zivilisation nur

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etwas geben auf dasjenige, was handgreiflich ist, was mit physi­schen Augen gesehen werden kann, in unserer Zeit, wo der Mensch sich ganz und gar gewöhnen will an die äußere Sicherheit, die das Leben zwischen Geburt und Tod gibt, in dieser Zeit ist es ganz besonders schwierig, sich dieses Unterscheidungsvermögen für Wahrheit und Irrtum, Wirklichkeit und Schein für die geistige Welt anzueignen. Und es ist auf diesem Gebiete der alleraller­größte Ernst notwendig.

Und woher kommt denn das? Ja, sehen Sie, wenn Sie als physi­scher Mensch gegenüberstehen der äußeren Welt, so machen Sie sich über diese äußere Welt Ihre Gedanken. Aber gleichzeitig mit diesen Gedanken kommen an Sie die Eindrücke der physischen Welt. Diese Eindrücke der physischen Welt, die gehen gewisser­maßen unter den Gedanken durch, die tragen Sie. Sie brauchen nicht viel dazu zu tun, um in der Wirklichkeit zu leben. Die Wirk­lichkeit nimmt Sie auf als physische Wirklichkeit.

In der geistigen Welt ist das ganz anders. In die geistige Welt müssen Sie erst hineinwachsen. Der geistigen Welt gegenüber müs­sen Sie sich erst erwerben eine richtige Empfindung von der wah­ren eigenen Wirklichkeit. Dann können Sie nach und nach zu einem Unterscheidungsvermögen kommen zwischen Wahrheit und Irrtum, zwischen Wirklichkeit und Schein.

Wenn Sie sich auf einen Stuhl setzen - in dem Augenblicke, wo Sie nicht zu Boden fallen, sondern in der regelrechten Lage sitzen können auf dem Stuhl-, wissen Sie: der Stuhl ist in der physischen Welt ein wirklicher Stuhl, nicht bloß ein vorgestellter Stuhl. Der Stuhl sorgt dafür, daß Sie zu der Anschauung seiner Wirklichkeit kommen.

Das alles ist in der geistigen Welt nicht so da. Denn warum ist das in der physischen Welt so? Da in der physischen Welt ist das aus dem Grunde so, weil in der physischen Welt Ihr Denken, Ihr Fühlen, Ihr Wollen durch den physischen Körper als eine Einheit getragen wird. Sie sind ein dreigliedriger Mensch: ein denkender

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Mensch, ein fühlender Mensch, ein wollender Mensch. Aber das alles ist ineinandergefügt durch den physischen Leib.

In dem Augenblicke, wo der Mensch in die geistige Welt hineintritt, da wird er sogleich ein dreifaches Wesen. Sein Denken geht eigene Wege, sein Fühlen geht eigene Wege, sein Wollen geht eigene Wege. Diese Gliederung, diese Spaltung in drei macht er sogleich durch, wenn er in die geistige Welt eintritt. Und Sie kön­nen in der geistigen Welt denken, Gedanken haben, die gar nichts zu tun haben mit Ihrem Wollen; dann aber sind diese Gedanken Illusionen. Sie können Gefühle haben, die nichts zu tun haben mit Ihrem Wollen; dann sind diese Gefühle etwas, was zu Ihrer Ver­nichtung, nicht zu Ihrer Förderung beiträgt.

Das ist das Wesentliche, daß der Mensch in dem Augenblick, wo er an die Schwelle zur geistigen Welt herantritt, sich so vorkommt, als flöge sein Denken in die Weltenweiten, als gehe sein Fühlen hinter seine Erinnerungen zurück.

Betrachten Sie das letztere, was ich gesagt habe. Sehen Sie, die Erinnerung ist tatsächlich etwas, was hart an die Schwelle zur geistigen Welt herankommt. Denken Sie, Sie haben vor zehn Jah­ren etwas erlebt. Es kommt in der Erinnerung wieder herauf. Das Erlebnis steht da. Sie sind zufrieden, mit Recht zufrieden für die physische Welt, wenn Sie bis zu einer recht lebhaften Erinnerung kommen. Aber derjenige, der in die geistige Welt eintritt, bei dem ist es wirklich so, als ob er die Erinnerung durchstoßen würde, als ob er weiter gehen würde als die Erinnerung reicht. Vor allen Dingen geht er weiter als seine Erinnerungen reichen können für das physische Erdenleben. Er geht hinter die Geburt zurück.

Und wenn man in die geistige Welt eintritt, so fühlt man sofort, daß das Fühlen gar nicht bei einem bleibt. Das Denken wenigstens geht noch hinaus in die gegenwärtige Welt. Es zerstreut sich ge­wissermaßen in dem Weltenraum. Das Fühlen geht aus der Welt heraus, und man muß sich sagen, wenn man dem Fühlen nachgehen will: Ja, wo bist du jetzt eigentlich? Wenn du im Leben 50 Jahre

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alt geworden bist, so bist du eigentlich weiter zurückgegangen als 50 Jahre in der Zeit; du bist 70 Jahre, 90 Jahre, 100 Jahre, 150 Jahre zurückgegangen. Das Fühlen führt Sie ganz heraus aus der Zeit, die Sie miterlebt haben von Kleinkindheit auf.

Und das Wollen, wenn Sie es im Ernste fassen, führt Sie noch weiter zurück, in die vorigen Erdenleben. Das ist etwas, was so­gleich auftritt, meine Lieben, wenn man an die Schwelle der gei­stigen Welt wirklich herantritt. Der Zusammenhalt des physischen Leibes hört auf. Man fühlt sich nicht mehr in den Grenzen seiner Haut eingeschlossen, aber man fühlt sich zerteilt.

Man fühlt, wie wenn ausstrahlen würde das Denken, das man früher zusammengehalten hat in seinem Gefühl, wie wenn das Denken ausstrahlen würde in die Weltenweiten und Weltengedanken werden würde. Man fühlt sich, in der Zeit zurückgehend, mit seinem Fühlen unmittelbar in der geistigen Welt drinnen, die man zwischen dem letzten Tode und dem diesmaligen Erdenleben durchgemacht hat. Und man fühlt sich im vorigen Erdenleben mit seinem Wollen.

Gerade aber diese Spaltung des menschlichen Wesens - ich habe sie beschrieben in meinem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? » -, gerade diese Spaltung des menschlichen Wesens, die macht Schwierigkeiten beim Betreten der geistigen Welt, denn die Gedanken verbreitern sich. Dasjenige, das man zu­sammengehalten hat, geht in alle Welt über. Damit aber wird es zugleich fast unwahrnehmbar. Und man muß sich erwerben die Fähigkeit, diejenigen Gedanken noch wahrzunehmen, die in solche Weiten hinausgehen.

Das Fühlen ist nicht mehr von Gedanken jetzt durchsetzt - denn die Gedanken sind einem gewissermaßen davongegangen -, das Fühlen kann sich nur in allgemeiner Hochschätzung, Hingabe, gebetartiger Stimmung wenden an diejenigen Wesen, mit denen man das Leben zwischen dem Tode und der Geburt, bevor man die Erde betreten hat, durchlaufen hat. Aber wenn man sein Leben

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heranerzogen hat für solches verehrendes Fühlen der geistigen Welt, so geht das noch.

In dem Augenblicke aber, wo man sich dem Wollen hingibt, das hinwill in die vorigen Erdenleben, da tritt für den Menschen eben die große Schwierigkeit ein, daß er eine ungeheure Anziehungs­kraft in der Seele bekommt für alles dasjenige, was niedrig ist in seiner Wesenheit. Und hier wirkt am stärksten dasjenige, was ich vorhin sagte, daß es schwierig ist, zwischen Schein und Wirklich­keit zu unterscheiden. Denn der Mensch bekommt da einen wah­ren Hang dazu, sich dem Scheine hinzugeben. Ich will das so er­zählen.

Wenn der Mensch beginnt zu meditieren, wenn er wirklich mit innerer Hingabe sich durchsetzt mit seinem Meditationsstoff: er möchte diese Meditation in möglichster Gleichgültigkeit ablaufen lassen; er möchte nicht, daß ihn die Meditation herausreißt aus der Behaglichkeit des Lebens. Nun, dieser Trieb, möglichst still zu sein, möglichst nicht herausgerissen zu werden aus der Behaglichkeit des Lebens, dieser Trieb ist ein starker Illusionserzeuger, ein star­ker Scheinerzeuger. Denn gibt man sich restlos ehrlich der Medi­tation hin, dann kommt ganz notwendig herauf aus den Tiefen der Seele die Empfindung: Was ist eigentlich alles an Anlage zu Bösem in dir! Man kann gar nicht anders, als durch die Meditation, durch jenes innerliche Vertieftsein, man kann gar nicht anders als wirk­lich fühlen, tief fühlen: Da ist alles Mögliche da, was du eigentlich tun könntest, wozu du fähig wärest. Aber, nur der Trieb ist so stark, sich das ja nicht zu gestehen, so daß man sich der Illusion hingibt: man ist eigentlich ein guter, ein recht guter Mensch seinen innersten Anlagen nach.

Die wirkliche Erfahrung als Folge der Meditation gibt das nicht. Die zeigt einem, wie man beseelt sein kann von allen möglichen Eitelkeiten, wie man beseelt sein kann von allem möglichen Über­schätzen seines eigenen Wesens und Unterschätzen des Wesens der anderen, wie man ganz durchsetzt ist davon, auf das Urteil von

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Leuten nicht nur deshalb etwas zu geben, weil sie von uns als Men­schen empfunden werden, die etwas zu sagen haben, sondern weil man sich eben sonnen will in dem Urteil der anderen. Aber das sind noch die geringsten Dinge. Derjenige, der wirklich ehrlich meditiert, wird sehen, welche Triebe in seiner Seele eigentlich leben, zu was allem er eigentlich fähig wäre. Da tritt schon die niedere Menschennatur in einer starken Weise vor die innere Schau der Seele. Und diese Ehrlichkeit muß im Meditieren sein. Und wenn diese Ehrlichkeit da ist, dann eben spiegelt sich dasjenige, was eigentlich im Willen alles veranlagt ist, das spiegelt sich in den Worten, die ja auch schon vor unsere Seele getreten sind, es spiegelt sich dasjenige, was angeschlagen worden ist in den Worten:

Schau das erste Tier, den Rücken krumm,
Knochenhaft das Haupt, von dürrem Leib,
Ganz von stumpfem Blau ist seine Haut;
Deine Furcht vor Geistes-Schöpfer-Sein
Schuf das Ungetüm in deinem Willen.

Und weil das so ist, weil der Mensch sozusagen durch einen Hang, sich über dieses einer Illusion hinzugeben, hinunterwürgt den notwendigen Eindruck der Meditation, deshalb entsteht dann jenes innerliche Aufstacheln, das Spottenwollen über die geistige Welt. Nur aus diesen Gegenkräften kann das ehrliche Drinnen-stehen in der geistigen Welt hervorgehen. Dann tritt eben der An­blick des zweiten Tieres auf an der Schwelle:

Schau das zweite Tier, es zeigt die Zähne
Im verzerrten Angesicht, es lügt im Spotten,
Gelb mit grauem Einschlag ist sein Leib;
Dein Haß auf Geistes-Offenbarung
Schuf den Schwächling dir im Fühlen.

Und das ist es, was uns dann, wenn wir nicht hinauskönnen, wenn

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wir ohnmächtig sind, die Gedanken, die wir während des Erden­lebens sonst im Kopfe festhalten, als Weitgedanken zu verfolgen, was uns - aus der Ohnmacht, unsere Menschengedanken zu Weltgedanken aufzuschwingen - als das dritte Tier erscheint:

Schau das dritte Tier, mit gespaltnem Maul,
Glasig ist sein Auge, schlaff die Haltung,
Schmutzigrot erscheint dir die Gestalt;
Dein Zweifel an Geistes-Licht-Gewalt
Schuf dir dies Gespenst in deinem Denken.

Je weniger wir uns einer Illusion hingeben über diese Dreiheit, die unser eigenes Wesen spiegelt, desto mehr gehen wir ein in jene Stätte, wo wir das in uns finden, was der wahre Mensch ist, der das Licht aus der geistigen Welt empfangen kann, der nun wirklich jenes Rätsel, soweit es auf Erden möglich ist, zu lösen in der Lage ist, das uns aufgegeben wird mit den Worten: «0 du Mensch, er­kenne dich selbst!» Denn aus dieser Selbsterkenntnis quillt die wahre Welterkenntnis, die dann durchs Leben in der rechten Weise führen kann. Daher durfte diese Dreispaltung, in die der Mensch eintritt, wo das Denken seinen Weg geht, das Fühlen seinen Weg geht, das Wollen seinen Weg geht, die sonst durch das Außere ver­einigt sind, es durfte das mit den Worten zitiert werden, die der Hüter der Schwelle zu dem Zögling der geistigen Welt spricht. Das letzte Mal wurden hier diese Worte angeführt:

Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geistgewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

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Des zweiten Tieres Spottgesicht,
Es ist die böse Gegenkraft
Des Fühlens, das die eigne Seele
Aushöhlet und Lebensleerheit
In ihr erschafft statt Geistgehalt,
Der vor dem Erdensein erleuchtend
Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

Das sind die Worte, die als Ermahnung des Hüters gesprochen werden, so daß wir erkennen, wie wir nicht in die geistige Welt eintreten sollen. Wir müssen beim Eintritt in die geistige Welt uns eine andere Art zu urteilen, eine andere Art zu fühlen, eine andere Art zu wollen angewöhnen, als sie in der physischen Welt herr­schend sind. Und dazu ist notwendig, daß wir wirklich diese Drei­heit in uns erfassen, daß wir den Blick nach innen in starker Weise wenden, um aufmerksam zu werden, wie das Denken nun ist, wie das Fühlen nun ist, wie das Wollen nun ist, und wie sie werden müssen, damit wir hinüberschreiten können über die Schwelle hin­ein in die geistige Welt, wenn das auch nur mit unseren Gedanken geschieht. Es ist schon so, daß die Götter vor dem höchsten Er­kenntnisglück die Überwindung aufgerichtet haben und sie for­dern.

Deshalb schließt unmittelbar, nachdem diese entmutigenden, vielleicht schauererregenden Worte des Hüters gefallen sind, die ich heute wiederholentlich zu Ihnen gesprochen habe, deshalb

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schließt der Hüter die anderen an, die uns sagen, was wir tun sol­len. Und hier handelt es sich darum, daß unsere ersten Stunden in dieser Klasse hier eben auch praktisch werden, dasjenige uns über­liefern, was in unsere Gedanken- und Fühlens- und Willenskräfte eingehen kann, damit wir in der richtigen Weise in die geistige Welt hineintreten.

Und dreigliedrig soll wiederum der Spruch sein, der so in uns hineinströmen soll, daß wir mit ihm leben können. Denn indem wir mit ihm leben, begeben wir uns auf den Weg in die geistige Welt. So wie wir essen und trinken, so wie wir schauen und hören, so soll etwas in uns erregt werden durch dasjenige, was uns der Hüter der Schwelle, der vor der geistigen Welt steht, mit seinem ernsten Antlitz sagt. Und er sagt zunächst in der ersten Strophe:

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

Lösen wir den Spruch auf: Der Mensch, wenn er in der Sinneswelt lebt, in dem Leben zwischen der Geburt und dem Tode, er fühlt sich in seinem physischen Leib. Er weiß, daß ihn seine Beine durch die Welt tragen. Er weiß, daß ihm seine Blutzirkulation Leben gibt. Er weiß, daß ihm seine Atmung das Leben erweckt. Er über­gibt sich demjenigen, was im Atem, in der Blutzirkulation, in den Bewegungen der Gliedmaßen ihn durch die Welt führt. Er gibt sich an das hin. Dadurch, daß er sich an das hingibt, ist er ein physi­sches Wesen innerhalb des Erdendaseins. So muß sich der Mensch hingeben, wie er sich hingibt in der physischen Welt an dasjenige, was ihm vom physischen Stoff aus das Leben auf Erden möglich

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macht in der Bewegung seiner Glieder, in der Zirkulation seines Blutes, in seinem Atem; so wie er sich dem hingibt, so muß er sich den führenden Mächten der geistigen Welt mit seiner Seele hin­geben, wenn er an der geistigen Welt Anteil haben will, wenn er da hineindringen will mit seiner Erkenntnis.

Geradeso wie ich sagen mußte für die Gesundheit im physi­schen Dasein: dein Blut muß entsprechend zirkulieren, dein Atem muß in Ordnung sein, so muß ich verweisen den Menschen, wenn er ebenso in der geistigen Welt drinnenstehen soll, darauf, daß nun seine Seele nachfolgt, getragen wird, geführt wird von seines Gei­stes Führerwesen:

[Der erste Spruch «Sieh in dir Gedankenweben» wird nun an der Tafel von rück­wärts her angeschrieben, beginnend rechts unten mit den beiden letzten Worten des Spruches:]

            Geistes Führerwesen

Aber, meine lieben Freunde, an Ihr Blut sind Sie hingegeben durch Naturgewalt, an die Bewegungen Ihrer Gliedmaßen sind Sie hin­gegeben durch Naturgewalt, ebenso an Ihren Atem. Nicht so kön­nen Sie hingegeben sein an Ihre Führerwesen in der geistigen Welt. Da müssen Sie mit innerer Aktivität ankommen. Die erreichen Sie nicht, wie Sie den Atem erreichen durch die Bewegung Ihrer Lunge, die erreichen Sie aber, indem Sie sie zu verehren verstehen:

[Über «Führerwesen» wird «verehren» geschrieben, so daß nun an der Tafel steht:]

                                             verehren
            Geistes Führerwesen

zu verehren mit dem Tiefsten, was in Ihnen wurzelt, mit Ihrem Selbstheitsein.

[Vor «verehren» wird «Selbstheitsein> geschrieben, so daß nun an der Tafel steht:]

Selbstheitsein verehren
           Geistes Führerwesen

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Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen

[Mit dem Sprechen dieser beiden Zeilen werden die noch fehlenden Worte «es soll» und «Deines» eingefügt, so daß die beiden letzten Zeilen nun vollständig an der Tafel stehen:]

Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen

Damit haben Sie den Tatbestand, in dem Sie drinnenstehen müssen in der geistigen Welt, in Worten gegeben, in den Worten, die der Hüter spricht.

Und wie stehen Sie drinnen? Sie stehen nicht dadurch drinnen, daß Sie wie mit Ihren Beinen auf dem physischen Erdboden stehen; Sie stehen nicht dadurch drinnen, daß Sie wie in Ihrem Blute in der physischen Lebenswärme weben; Sie stehen nicht dadurch drinnen, daß Sie den Atem einziehen: Sie stehen dadurch drinnen, daß Sie in dem halb geistigen Atherwesen sich fühlen, daß das Atherwesen wie weht durch Sie:

[Die dritte Zeile von unten wird angeschrieben:]

Ätherwesen weht in dir

Das ist die Empfindung: im Geistigen drinnenzustehen, wie wenn man selber ein Wölkchen wäre, ringsherum überall Wind wehte, Geisteswind, man genommen würde überall von diesem Windes-weben, aber man fühlen würde in diesem Windesweben, wie wenn Selbstheitsein, das eigne Ich nämlich, verehrte des Geistes Führerwesen, die überall mit diesem Windeswehen herankommen. In das unterzutauchen werden wir aufgefordert. Aber was ist es zu­nächst? Solange wir bloß mit unserer Meditation bleiben in all dem, was ich jetzt geschildert habe, leben wir im Schein; nur mus-sen wir untertauchen in diesen Schein mit dem vollen Bewußtsein, daß dieses Windeswehen, dieses Verehren von Geistes Führerwesen zunächst «Schein» ist:

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[Die vierte Zeile von unten wird angeschrieben:]

Tauche unter in den Schein

Warum sollen wir das alles tun? Ja, wir haben ja nur zunächst im Erdenleben ein unbestimmtes Gefühl von unserem Ich. «Selbst­heitsein» - wir bezeichnen es mit dem Worte «Ich», aber es ist ein unbestimmtes, dunkles Gefühl -, das verbirgt sich uns:

[Die fünfte Zeile von unten wird angeschrieben; siehe auch Seite 91.]

Selbstheitsein verbirgt sich dir

Von dem weiß man nicht viel. Und dasjenige, was man weiß, was man in den Gedanken, die man gewahr wird, erfaßt, ist ja nicht Weltensein, ist Weltenschein:

[Die sechste Zeile von unten wird angeschrieben:]

Weltenschein erlebest du

Das alles wird uns, wenn wir der Aufforderung des Hüters der Schwelle nachkommen,

[Die siebente beziehungsweise erste Zeile wird angeschrieben:]

Sieh in dir Gedankenweben

das alles wird uns das eigene Gedankenweben.

Nun haben wir den ersten mantrischen Spruch, der uns Kraft geben soll, in unserem Denken nachzukommen der Aufforderung mit unserer Selbstheit, der da also zunächst nur dem Wortlaute nach vor Ihre Seele hintreten kann:

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Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Atherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

Das ist es, was als Aufforderung an uns geht in bezug auf die Rückschau in unsere Gedanken. Wenn Sie sich von der Außenwelt ab­schließen und hinschauen, wie die Gedanken in Ihnen fluten, und dann dieser Aufforderung nachkommen, die in den sieben Zeilen liegt, dann haben Sie die erste Anforderung erfüllt, die der Hüter der Schwelle an Sie stellt.

Nun haben Sie heranzutreten mit demjenigen, was der Hüter sagt, an Ihre Gefühle:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Geradeso wie wir durch diesen [ersten] mantrischen Spruch ins Denken steigen, steigen wir durch den zweiten in die innere Welt der Gefühle:

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[Nun wird der zweite Spruch an die Tafel geschrieben:]

Vernimm in dir Gefühle-Strömen

Sehen Sie ab von dem Denken und versuchen Sie, zurückzu­wenden den Blick in Ihr eigenes Fühlen. Im Denken ist alles nur Schein. Wenn wir in die Gefühle hinuntersteigen, da mischen sich, da mengen sich Schein und Sein; das werden wir sogleich merken:

Es mengen Schein und Sein sich dir

Allein unser Ich, die Selbstheit, will nicht in das Sein. Sie ist ja gewöhnt an den äußeren Schein der Sinne, sie will nicht in das Sein. Sie neigt dem Scheine sich zu, sie hat noch das Nachgefühl, den Nachtrieb von der Sinneswelt:

Die Selbstheit neigt dem Scheine sich
So tauche unter in scheinendes Sein

in dasjenige, was sich im Gefühl, auf dem Grunde der Gefühle er­gibt: Es ist scheinendes Sein, es ist gemischt aus Schein und Sein.

«So tauche unter in scheinendes Sein»: da ist der Weg, wo wir schon fühlen werden, wenn wir uns der Gesinnung, die in diesen vier Zeilen liegt, hingeben, wo wir fühlen werden, es wird ernst, wir tauchen in das Sein unter:

Und Welten-Seelenkräfte sind in dir

Vorerst sollte die Selbstheit «verehren», indem sie sich ins Denken versenkt; jetzt soll die Selbstheit «bedenken». Der Gedanke soll hinuntergetragen werden ins Gefühl. Wir werden da hingestoßen an dasjenige, was uns des Seins versichert:

Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

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Nicht mehr «Schein», jetzt sind «Lebensmächte» da. Die Götter geben uns, während unsere Eigenheit, unser Ich, sich dem Scheine neigen möchte, geben uns die Götter in den Tiefen des Fühlens den Fels des Seins.

Es ist nun gut, wenn Sie, um die Sprüche wirklich zu einem Mantram zu machen, wiederum solche Entsprechungen wohl be­denken:

[Die in Anführungszeichen gesetzten Worte werden nun an der Tafel unterstrichen:]

«verehren»

«bedenken» - wir werden beim dritten Spruch sehen, wie sich das steigert -

«Schein» erlebest du.

Hier [erster Spruch] ist nur Schein; und hier [zweiter Spruch] ist: es mengen

«Schein» und «Sein» sich dir.

«Führerwesen» [im ersten Spruch]; die eignen

«Lebensmächte» [im zweiten Spruch],

die Wesen, die uns führen durch den Ather; die Wesen, die Lebens-mächte sind, die uns zurückführen in das vorirdische Dasein. Und dahin geht das Gefühl.

Wollen Sie aber das zu einem wirklichen Mantram machen, so müssen Sie noch etwas anderes betrachten.

Nun lesen Sie den ersten Spruch «Sieh in dir Gedankenweben»:

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Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen

Sie haben es deutlich zu tun mit einem Trochäus, mit der trochäi­schen Stimmung, die ich Sie bitte zu beachten. Wenn Sie dieses stark betonen, dieses schwach betonen [über die sieben Zeilenanfänge an der Tafel wird das trochäische Rhythmuszeichen: - u gesetzt], stark betont, schwach betont fühlen, dann ist das das richtige Atherweben der Seele, in das nur hineinzutönen braucht die Verehrung der höheren Wesen, dann werden Sie in die geistige Welt hinübergeführt.

Das wird anders in dem zweiten Spruch «Vernimm in dir»:

[Über die sieben Zeilenanfänge an der Tafel wird das jambische Rhythmuszeichen u - gesetzt und dabei der Spruch mit entsprechender Betonung gesprochen:]

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Die Art, wie in der Seele diese Worte empfunden werden, ob tro­chäisch oder jambisch - hier [im ersten Spruch] haben Sie einen deutlichen trochäischen Einschlag, hier [im zweiten Spruch] einen deutlichen jambischen Einschlag -, die Art, wie diese Worte emp­funden werden, gibt der Seele den entsprechenden Schwung.

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Es handelt sich eben durchaus nicht bloß darum, verstandes-mäßigen Inhalt in die Seele zu bekommen, wenn die Seele auch nur in Gedanken den Weg in die geistige Welt machen soll, sondern es handelt sich darum, daß die Seele in das richtige Atmen und in den richtigen Rhythmus des Weltendaseins hineinkommt. Wenn Sie einen Rhythmus, der jambisch ist, für das Hineinstreben in das Weltendenken anwenden, haben Sie den Hüter der Schwelle miß­verstanden. Wenn Sie einen Richtspruch anwenden für das Hin­einkommen in der Gefühle Welt, der trochäisch ist und nicht jam­bisch, haben Sie wiederum den Hüter der Schwelle mißverstanden.

Das dritte, worinnen wir untertauchen müssen, das ist das Wol­len. Und auch für dieses Wollen gibt uns der Hüter der Schwelle einen Richtspruch. Jetzt, nachdem die ersten beiden an unserer Seele vorbeigezogen sind, werden wir den letzten in einfacher Weise verstehen können:

[Der dritte Spruch wird an die Tafel geschrieben:]

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen

- das ist nicht ein Artikel: «der», sondern das ist ein Relativ:

«welcher» steigt -

Mit Eigensein erschaffend auf;

- aus dem Willen erkraftet sich auf, steigt auf dasjenige, was dem Eigensein Substanz, Inhalt gibt -

ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

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Fühlen Sie wiederum die Steigerung:

[Die in Anführungszeichen gesetzten Worte des dritten Spruches werden im folgen­den an der Tafel unterstrichen:]

verehren: man ist fern, man schaut auf, man verehrt von außen;

bedenken: man nähert sich mit den Gedanken, man tritt schon ein;

«ergreifen»: ist die höchste Steigerung, man tritt heran und nimmt es an sich.

Führerwesen,

Lebensmächte und jetzt

«Weltschöpfermacht», das jetzt als Wort an den Anfang der Zeile getreten ist, entsprechend der Realität der unmittelbaren Kraftwirkungsweise des Willens.

Als mantrische Sprüche werden Sie empfinden die drei, wenn Sie achten auf das trochäische hier [beim ersten Spruch]; das jambi­sche hier [beim zweiten Spruch]. Hier aber [beim dritten Spruch] haben Sie zwei betonte Silben überall:

[Über die Zeilenanfänge an der Tafel wird das spondäische Rhythmuszeichen - -gesetzt und dabei mit entsprechender Betonung gesprochen:]

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.
Hier haben Sie spondäischen Gang.

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Das ist dasjenige, was zu beachten ist. Sie müssen sich heraus­reißen aus dem bloßen Verstandesinhalt, achten auf diesen tro­chäisch-jambisch-spondäischen Gang. In dem Augenblicke, wo wir von dem Verstandessinn hineinkommen in die Hingabe an den Rhythmus, in diesem Augenblicke haben wir die Möglichkeit, die physische Welt zu verlassen und wirklich hineinzukommen in das Geistige; denn das Geistige begreift sich nicht, wenn wir für das Irdische sinngeprägte Worte anwenden, sondern gerade wenn wir die Gelegenheit ergreifen, den Rhythmus dieser sinngeprägten Worte hinauszutragen in das Weben im Weltensein.

Deshalb wird auf die Seele wirken gelassen in dreifachem Schritt Selbstanschauen von Denken, Fühlen und Wollen. Das wird schon in der richtigen Weise herauskommen aus der Seele, wenn die Seele sich erlebt, so wie sie erlebt Essen und Trinken im Leibe, wie sie erlebt die Blutzirkulation, das Atmen, wenn sie erlebt dasjenige, was hier rhythmisch im Worte in ihr weben kann:

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Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen.

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

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Mit den Worten haben Sie erst das Blut; mit den Worten in den entsprechenden Rhythmen haben Sie das Blut in Zirkulation. Suchen Sie den Sinn dieser Rhythmen, lassen Sie ihn walten im seelischen Leben, und Sie werden sehen, wie Sie sich nähern dem­jenigen, was als erste Mahnung vom Hüter an uns herandringt und was ich im Beginne dieser Stunden Euren Seelen, meine Lie­ben, mitgeteilt habe:

Wo auf Erdengründen, Farb' an Farbe,
Sich das Leben schaffend offenbart;
Wo aus Erdenstoffen, Form an Form,
Sich das Lebensiose ausgestaltet;
Wo erfühlende Wesen, willenskräftig,
Sich am eignen Dasein freudig wärmen;
Wo du selbst, o Mensch, das Leibessein
Dir aus Erd' und Luft und Licht erwirbst:

Da betrittst du deines Eigenwesens
Tiefe, nachtbedeckte, kalte Finsternis;
Du erfragest im Dunkel der Weiten
Nimmer, wer du bist und warst und werdest.
Für dein Eigensein finstert der Tag
Sich zur Seelennacht, zum Geistesdunkel;
Und du wendest seelensorgend dich
An das Licht, das aus Finsternissen kraftet.

Und wollen wir uns wenden an das Licht, das aus Finsternissen kraftet, wir finden es, wenn wir es auf diesem dreifachen Schritte suchen, uns durchdringend mit diesem seelischen Lebensblute in der Seele, die da sein will auf dem Weg zur wirklichen Geistes-und Gottes-Erkenntnis.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 91 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 91
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VIERTE STUNDE Dornach, 7. März 1924

Meine lieben Freunde! Uns hat beschäftigt in den vorangehenden Stunden die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Und diese Begegnung mit dem Hüter der Schwelle muß ja immer mehr und mehr von uns begriffen werden, begriffen werden so weit, daß der ganze Ernst desjenigen, was mit dieser Begegnung mit dem Hüter der Schwelle gemeint ist, wirklich ständig vor unserer Seele stehen kann. Denn wir haben damit ein Gebiet betreten, das sich im wesentlichen unterscheidet von anderen Gebieten des geistigen Lebens, so wie man sie gewöhnlich gewohnt ist zu betrachten innerhalb dessen, was man in der heutigen Zivilisation die geistige Welt, die Bekanntschaft mit der geistigen Welt und so weiter nennt. Begegnung mit dem Hüter der Schwelle ist ja eigentlich das erste, das an den Menschen herantritt, wenn in wahrem Sinne und im Ernste irgendein Verhältnis zur geistigen Welt für ihn in Be­tracht kommt. Ein Verhältnis zur geistigen Welt kann nicht ein­treten ohne dieses Verständnis für die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Denn erst jenseits der Schwelle ist die geistige Welt. Empfängt man Mitteilungen aus der geistigen Welt, dann sind diese Mitteilungen schon so aufzunehmen, daß sie eigentlich bloß als Mitteilungen für uns ein Verhältnis zur geistigen Welt begrün­den.

Ich möchte dasjenige, was heute vor unsere Seele treten soll, zu­nächst mit einer Erzählung, meine lieben Freunde, vor Ihre Seele stellen, mit einer Erzählung, die entnommen ist alten esoterischen Traditionen.

Es wurde einmal ein Schüler aufgenommen in die Mysterien. Er absolvierte die Vorstufen. Und als er eine gewisse Stufe der Reife erlangt hatte - die Sie sich durchaus nicht so vorstellen sol­len, daß er etwa dadurch gleich in irgendein Gebiet desjenigen eingezogen

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ist, was vielleicht die meisten Menschen heute unter Hell-sehen vorstellen, sondern er ist eben in Beziehung zur geistigen Welt getreten; und als er in eine solche Beziehung getreten ist, also nur in diejenige Beziehung, wo man gefühlsmäßig richtig die Mit­teilungen aus der geistigen Welt entgegennimmt -, da sagte der Lehrer zu ihm:

Siehe, wenn ich bloß zu dir spreche, dann sind die Worte, die ich zu dir sage, nicht Menschenworte; dasjenige, was ich zu sagen habe, kleidet sich nur in Menschenworte. Dasjenige, was ich zu dir zu sagen habe, sind Göttergedanken, und diese Göttergedanken werden zunächst durch Menschenworte vor dir ausgesprochen. Aber du mußt dir klarsein, daß ich an alles, was in deiner Seele ist, appelliere. Du mußt entgegenbringen den Worten, die ich im Auf­trage der Götter an dich richte, all dein Denken, all dein Fühlen, all dein Wollen. Du mußt entgegenbringen dem, was ich zu dir sage, allen Enthusiasmus deiner Seele, alle innere Wärme, alles innere Feuer. Du mußt entgegenbringen deine volle Wachsamkeit; eine Wachsamkeit, so stark als du sie nur entfalten kannst in dei­nem Seelenleben.

Aber eine Seelenkraft ist, an die ich zunächst bei dir nicht appel­liere, gar nicht appelliere: das ist dein Gedächtnis, das ist dein Erinnerungsvermögen. Und ich bin es zufrieden, wenn du gar nicht in dein Gedächtnis aufnimmst dasjenige, was ich zu dir spreche. Ich bin es zufrieden, wenn du morgen schon wieder vergessen hast dasjenige, was ich zu dir spreche. Denn dasjenige, was du gewöhn­lich dein Gedächtnis nennst, dasjenige, was die anderen Menschen dein Gedächtnis nennen, das ist ja zunächst nur für die Erdendinge gestimmt, das ist nicht für Götterdinge gestimmt. Und wenn du morgen wiederum vor mir erscheinest, und ich wiederum zu dir sprechen werde, appellierend an dein Denken, Fühlen, Wollen, an all deinen Enthusiasmus, an all deine Wärme, an all dein inneres Feuer, an deine ganze Seelenwachsamkeit, dann soll neu sein alles von diesen Kräften deiner Seele im Entgegenbringen dessen, was

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du entgegennehmen sollst. Neu und frisch lebendig soll es sein, und so übermorgen und so am nächsten Tage. An jedem Tage soll es neu und frisch lebendig sein.

Ich sage, ich appelliere nicht an dein Gedächtnis, ich appelliere nicht an dein Erinnerungsvermögen. Damit sage ich nicht zu glei­cher Zeit, du sollst morgen nichts von dem haben, was heute zu dir gesprochen worden ist. Aber du sollst es nicht in deinem Gedächt­nisse allein bewahren. Du sollst warten, was dein Gedächtnis damit macht. Was aber morgen dich in einem neuen Zustande zu mir führen soll, das sollen deine Gefühle sein, das soll deine inner­ste Seelenempfindung sein. Die soll bewahren dasjenige, was heute zu dir gesprochen worden ist. Denn siehe, Gedächtnis, Erinne­rungsvermögen, das ist zum Lernen da. Dasjenige aber, was die Esoterik dir sagt, soll nicht zum Lernen bloß da sein, sondern das soll zum Leben da sein und soll in jeder Stunde, wo es an dich herantritt, neu erlebt werden können, ohne daß dir dabei das begriffs- und vorstellungsgemäße Gedächtnis zu Hilfe kommt.

Es ist in der Tat so. Wir sollen an dasjenige, was esoterische Wahrheiten sind, herantreten so, daß uns niemals der Gedanke kommt: das weiß ich eigentlich schon. Denn nicht im Wissen liegt das Wesen der Esoterik, sondern im unmittelbaren Erleben. Und innerlich, in tieferen Schichten unseres Seelenlebens als da, wo das Gedächtnis wurzelt, soll uns das Esoterische ergreifen und soll sich bewahren.

Wenn Ihr, meine lieben Freunde, dies bedenkt, so werdet Ihr aus diesem Eurem Bedenken sehr viel für die Auffassung wahren eso­terischen Lebens in der nächsten Zeit zu begreifen haben. Denn das muß durchaus ernst genommen werden, daß schon in dem Augen­blicke, wo wir Esoterisches entgegennehmen, unser bloßes Ver­stehen des Esoterischen in uns ein anderes Verhältnis des Denkens, des Fühlens, des Wollens hervorruft, als wir gewohnt sind für das alltägliche Bewußtsein.

Für das alltägliche Bewußtsein sind Denken, Fühlen und Wollen

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im Menschen innig miteinander verbunden. Wir können ein ganz, ich möchte sagen, triviales Beispiel nehmen, und wir werden uns überzeugen können an einem trivialen Beispiel, wie eng ver­bunden im gewöhnlichen Leben, im gewöhnlichen Bewußtsein Denken, Fühlen und Wollen sind. Denkt einmal, Ihr kennet einen Menschen, irgendeinen Menschen, Ihr habt zu dem Menschen in einem näheren oder entfernteren Verhältnis gestanden. Ihr habt dasjenige, was Ihr mit ihm erlebt habt, in Euer Gedächtnis auf­genommen, mit Eurem Gefühle durchdrungen. Es führt Euch, wenn Ihr mit dem Menschen zusammenkommt, zu gewissen Im­pulsen Eures Handelns, Eures ganzen Verhaltens zu ihm. Ihr lebt mit dem Gedanken, mit dem Gefühl an diesen Menschen weiter. Eines Tages kommt jemand, erinnert Euch an diesen Menschen, spricht irgendein Wort von diesem Menschen, er regt den Gedan­ken an diesen Menschen in Euch auf. Sogleich werden dieselben Gefühle, die Ihr sonst gegen diesen Menschen oder für diesen Men­schen in Euch habt, in Euch aufleuchten. Habt Ihr ihn geliebt, leuchtet Eure Liebe auf, haßt Ihr ihn, leuchtet Euer Haß auf. Wolltet Ihr dies oder jenes mit ihm anfangen, leuchtet das auf, daß Ihr dies oder jenes mit ihm anfangen wolltet. Ihr könnt gar nicht trennen dasjenige, was Ihr im Gefühl und im Willen trägt für die­sen Menschen, von dem Gedanken an diesen Menschen.

Derjenige, der noch ganz in dieser Art der Seelenverfassung drinnensteht, kann eigentlich esoterische Wahrheiten nicht im richtigen Sinne begreifen, sondern erst derjenige kann esoterische Wahrheiten im richtigen Sinne begreifen, der zum Beispiel zu Fol­gendem imstande ist. Er kennt einen Menschen; er hat ein ganz bestimmtes Verhältnis zu diesem Menschen. Ihm sind gewisse Dinge an diesem Menschen außerordentlich antipathisch. Er wird erinnert an diesen Menschen, und er kann vorstellen diesen Men­schen, ohne daß die Antipathien, die er für diesen Menschen in der Seele trägt, irgendwie in ihm aufdämmern. Er kann ihn ganz bloß denken.

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Stellt Euch vor, meine lieben Freunde, daß es doch einigermaßen schwierig ist, sagen wir, seinen Feind bloß zu denken, ohne die feindlichen Gefühle aufleben zu lassen. Man kann sich durch ein richtiges Erfassen des Künstlerischen in solchen Dingen üben. Man kann sich die Frage vorlegen: Bin ich zum Beispiel imstande, gewisse, sagen wir, abscheuliche Naturen, wie sie zuweilen Shakespeare schildert, rein vorstellungsmäßig aufzufassen? Ich würde, wenn mir diese Menschen im Leben begegnen würden, viele Antipathien gegen sie haben. Künstlerisch kann ich sie immerhin, vielleicht gerade deshalb, weil sie so vorzügliche Bösewichter sind, objektiv vor mich hinstellen, sie bloß denken. Im Künstlerischen ist das dem Menschen zuweilen möglich; denn nicht immer kom­men ja den Menschen Begierden, wenn sie einen Shakespeareschen Bösewicht auf der Bühne sehen, hinaufzuspringen und ihn durch­zuprügeln. Also im Künstlerischen ist es möglich, das Denken vom Fühlen loszulösen.

Aber man muß es, um richtiger Esoteriker sein zu können, auch im Leben dahin bringen können. In dem Augenblicke, wo das­jenige, was aus der Esoterik heraus gesagt wird, richtig an die Seele herandringen soll, muß es aber möglich sein, in dieser Art das Denken von dem Fühlen loszulösen. Denn es löst sich nicht von selber los. Zunächst sind die Dinge der Esoterik, wenn wir sie denken, so stark, möchte ich sagen, in dem Gedanken drinnen, und sie sind ja von einer dem persönlichen Fühlen so ferneliegenden Art, daß wir sie gar nicht erfassen, wenn wir sie nicht im reinen Gedanken erfassen. Wenn wir aber nicht wie ein Sack Stroh dann der Esoterik zuhören wollen und alles an uns mit Gleichgültigkeit vorübergehen lassen wollen, dann müssen wir abgesondert von demjenigen, was uns der Gedanke gibt, Gefühle, Willensimpulse entwickeln. Denn Gefühle sollen entwickelt werden, weil eben Esoterik nicht bleiben soll ein kaltes eisiges Feld, das bloß über unseren Verstand hin sich ergießt, weil Esoterik uns tauchen soll in den hellsten Enthusiasmus. Aber dieser Enthusiasmus, diese

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Gefühlswelt, sie müssen ja von ganz woanders her kommen, wenn sie nicht aus den Gedanken kommen sollen.

Sehen Sie, da müssen wir uns - wenn nun unsere Gefühiswelt in der richtigen Weise aufwarmen soll -, da müssen wir uns klarsein darüber, daß, wenn in rechter Weise aus dem Esoterischen heraus gesprochen wird, gesprochen wird aus der Göttersphäre heraus und daß wir unsere Gefühle nun nicht den Gedanken entgegen­bringen, sondern den Realitäten.

Daher war es, daß ich in der ersten Stunde, die ich für diese Erste Klasse gegeben habe, daß ich in der ersten Stunde davon sprach, daß die Schule spricht, das heißt der reale Geist, der durch die Schule geht, und daß es vonnöten ist, daß wir einsehen, daß die Schule nicht irgendeiner persönlichen Absicht entsprungen ist, sondern daß sie aus der geistigen Welt heraus gewollt und ein­gesetzt ist. Wenn wir die Schule so auffassen, dann wird das Dasein der Schule uns den Enthusiasmus geben, den wir brauchen.

Und dann werden wir ein anderes noch verstehen. Ja, meine lieben Freunde, im gewöhnlichen Leben und in der gewöhnlichen Wissenschaft, da spricht man zu uns Worte. Und indem wir die Worte auffassen, kommen uns die Gedanken, die uns vermittelt werden sollen, weil sie in den Worten liegen. Der Esoteriker muß sich auch der Worte bedienen, denn er muß ja sprechen. Aber er braucht die Worte nur als Gelegenheit, um bemerklich zu machen, wie der Geist in seiner Realität in Strömen heranzieht und in die Menschenherzen sich hineinergießen will.

Daher ist es notwendig, daß allmählich der Sinn ausgebildet werde in einer esoterischen Schule, hinter die Worte zu hören. Und wenn dieser Sinn ausgebildet wird, dann wird man sich aneignen dem Esoterischen gegenüber dasjenige, was zu allen Zeiten in eso­terischen Strömungen mit einer so großen Heiligkeit genannt wor­den ist, man wird sich angewöhnen das Schweigen, das heilig-haltende Schweigen. Und dieses heilighaltende Schweigen, das hängt mit etwas anderem zusammen, ohne das die Esoterik den

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Menschen nicht fördern kann. Es hängt zusammen mit dem, was wir zunächst für die Esoterik gar sehr brauchen. Es hängt zusam­men mit der innersten menschlichen Bescheidenheit. Und ohne innerste menschliche Bescheidenheit ist zunächst nicht an Esoterik heranzukommen. Warum? Ja, wenn wir ermahnt werden, hinter die Worte zu hören, dann ist an das innerste Wesen unserer Seele appelliert. Nicht an unser Gedächtnis, sondern an das innerste Wesen unserer Seele ist appelliert. Da kommt unsere Fähigkeit in Betracht, da kommt in Betracht, wie weit wir fähig sind, hinter die Worte zu hören. Und wir tun gut, für uns, für unsere eigene Seele, möglichst viel zu hören. Aber wir tun gut, nicht gleich dasjenige, was in unserer Seele aufdämmert, als maßgebend so weit zu be­trachten, daß wir es nun selber in die Welt hineintragen können als etwas unbedingt Gültiges. Wir werden lange brauchen - gerade wenn wir hinter die Worte hören -, wir werden lange brauchen, bis wir mit uns selber zurechtkommen. Und wir sollen diese Stim­mung entwickeln, daß Esoterik im wortlosen Weben der Seele sich erst ausleben muß, bevor sie innerlich in uns als gereift angesehen werden kann.

Daher ist es so, daß wir mit der Esoterik allerdings zurückgehen müssen von demjenigen, was im gewöhnlichen Leben im Sinn der Worte liegt, zu demjenigen, was in der tieferen Auffassung der Seele liegt. Und das ist ja dasjenige, was in der letzten Klassenstunde hier an uns herangebracht worden ist, indem ich man­trische Sprüche vor Sie hingestellt habe, meine lieben Freunde, bei denen es auf das Skandieren ankommt: bei denen es darauf an­kommt, daß der erste Spruch einen trochäischen Rhythmus hatte, der zweite Spruch einen jambischen Rhythmus hatte, der dritte Spruch einen spondäischen Rhythmus hatte. Nur wenn wir inner­lich fühlen, wie wir beim trochäischen Rhythmus heruntersteigen vom Berge in das Tal und fühlen, indem wir dieses, was sich auf unsere Gedanken bezieht, richtig erfassen, wenn wir mit der Seele fühlen dieses Heruntersteigen vom Himmlischen zu dem Irdischen

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talwärts, dann fühlen wir uns hinein in die Stimmung gegenüber unserem Gedankenweben. Daher war dieser Spruch trochäisch, begann mit einer betonten Silbe, ging herunter zu der unbetonten Silbe und sollte in uns gewissermaßen eine seelische Blutzirkula­tion hervorrufen, die sich hineinstellt in den Geistesraum. Wir stehen nicht bloß da, indem wir ein solches Mantrisches in unserer Seele rege machen, irgend etwas auch nur im Gedanken aus­sprechen, sondern wir bewegen uns mit demjenigen, was sich gei­stig in der Welt bewegt, indem die menschlichen Gedanken weben in der Menschenseele. Und so war der erste Spruch, der sich auf das Gedankenweben bezieht:

Sieh in dir Gedankenweben:
Weltenschein erlebest du,
Selbstheitsein verbirgt sich dir;
Tauche unter in den Schein:
Ätherwesen weht in dir;
Selbstheitsein, es soll verehren
Deines Geistes Führerwesen

Ja, die Götter haben uns zu sich hinaufgenommen, indem sie uns die Gedanken gegeben haben. Und wir steigen - indem wir die Gedanken webend erleben in unserer Seele -, wir steigen von den Gipfeln, auf die uns die Götter gestellt haben, indem sie uns mit den Gedanken begnadet haben, wir steigen von diesen Gipfeln herunter in die Täler, wo wir mit diesen Gedanken umfassen und ergreifen die irdischen Dinge.

Anders steht es mit dem Fühlen. Da verhalten wir uns in der Seele recht, wenn wir uns fühlen untenstehend im Tal, und durch unser Gefühl hinaufkommen wollen wie auf einer geistigen Leiter zu den Göttern. Das Fühlen bringt uns in die entgegengesetzte Wellenbewegung, von unten nach oben. Daher ist der mantrische Spruch jambisch gestaltet. Die wenig betonte Silbe beginnt und

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steigt an zu der stark betonten Silbe. Und wir sollen das empfin­den:

Vernimm in dir Gefühle-Strömen:
Es mengen Schein und Sein sich dir,
Die Selbstheit neigt dem Scheine sich;
So tauche unter in scheinendes Sein:
Und Welten-Seelenkräfte sind in dir;
Die Selbstheit, sie soll bedenken
Der eignen Seele Lebensmächte.

Wieder anders ist es, wenn wir zum Wollen kommen.Wollen wir zum Wollen kommen, dann müssen wir uns bewußt werden, wie unser Menschenwesen in uns eigentlich gespaltet ist. Dann müssen wir uns den Göttern nahen im Gefühl und müssen durch die Stärke des Gefühis auf halbem Wege den Willensimpuls gebären können. Das ist allein gegeben, wenn wir spondäisch meditieren. Betonte Silbe, betonte Silbe beginnt:

Laß walten in dir den Willens-Stoß:
Der steigt aus allem Scheineswesen
Mit Eigensein erschaffend auf;
Ihm wende zu all dein Leben:
Der ist erfüllt von Welten-Geistesmacht;
Dein Eigensein, es soll ergreifen
Weltschöpfermacht im Geistes-Ich.

Und ich sagte schon das letzte Mal: Hier handelt es sich darum, daß wir nicht bloß den Sinn der Worte ergreifen, sondern daß wir ergreifen dasjenige, was in der Bewegung der Worte liegt und unsere Seele hineinreißt in diese Bewegung. Dadurch stellen wir uns nicht mehr bloß auf uns selbst, sondern wir wachsen hinein in die Welt.

Worte, dem Sinne nach bloß aufgefaßt, lassen uns bei uns. Dasjenige

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aber, um was es sich handelt bei der Esoterik, das ist, daß wir zusammenwachsen mit der Welt, daß wir immer mehr und mehr aus uns herauskommen. Denn nur so, daß wir aus uns heraus­kommen, ertragen wir das Getrenntsein von Denken, Fühlen und Wollen. Im Innern hält zunächst unser körperliches Ich für das Alltagsbewußtsein Denken, Fühlen und Wollen zusammen. Drau­ßen müssen sie zusammengehalten werden durch die Götter. Da aber müssen wir in das göttliche Sein hineinkommen. Da müssen wir zusammenwachsen mit der Welt. Da müssen wir wirklich jene Stimmung entwickeln lernen, durch die wir in aller Ehrlichkeit und in allem Ernste uns sagen lernen: Hier habe ich meine Hand. Ich betrachte sie. Dort steht der Baum. Ich betrachte ihn. Ich betrachte meine Hand: das bist du. Ich betrachte den Baum: das bist du. Ich betrachte die Wolke: das bist du. Ich betrachte den Regenbogen: das bist du. Ich betrachte den Donner: das bist du. Ich betrachte den Blitz: das bist du. Ich fühle mich eins mit der Welt.

Abstrakt, das heißt unehrlich, ist das leicht herbeizuführen. Konkret, das heißt ehrlich, bedarf der Mensch gar vieler innerer Überwindungen, um das herbeizuführen. Nur wenn er sich nicht scheut, diese inneren Überwindungen zu vollziehen, dann kommt er in die Stimmung hinein, die er braucht. Denn die Frage muß vor dem Esoteriker stehen, meine lieben Freunde: Ich betrachte meine Hand; sie gehört zu mir. Was wäre ich in diesem Erdenleben, das vor einigen Jahrzehnten begonnen hat, geworden, wenn ich die Hand nicht hätte? Es ist notwendig für all dasjenige gewesen, was ich geworden bin. Aber der Baum: der Baum, er ist so, wie er heute vor uns steht - in seiner Anlage im alten Mondendasein - aus dem ganzen Erdorganismus heraus gebildet worden. Dasjenige, was im ganzen Mondenorganismus war, konnte nicht sein, ohne daß die Anlage zum Baum herausgebildet worden ist. Damals aber ist aus dem ganzen Sein des Mondendaseins auch die Anlage zu meinem Denken entstanden. Wäre der Baum nicht, ich würde heute nicht

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denken. Die Hand ist nur notwendig für mein gegenwärtiges Erdendasein. Der Baum ist notwendig, daß ich überhaupt ein denkendes Wesen geworden bin. Wie soll mir die Hand mehr wert sein als der Baum? Wie soll ich die Hand mehr zu meiner Leiblich­keit rechnen als den Baum? Ich komme dazu, dasjenige, was ich Außenwelt nenne, nach und nach viel mehr zu meinem Inneren zu rechnen als dasjenige, was ich als das Innere meiner Leiblichkeit für diese Inkarnation ansehen kann. Das aber in aller Tiefe und Ehrlichkeit fühlen, muß gelernt sein.

Und heute wollen wir vor uns drei Sprüche hinstellen, man­trische Sprüche, durch die sich dieses Eins-Fühlen mit allem soge­nannten äußeren Dasein allmählich tief in die Seele hineinprägen kann.

Wie stehen wir zunächst zum äußeren Dasein? Wir schauen hin­unter auf die Erde: Wir fühlen uns abhängig von dieser Erde; sie gibt uns dasjenige, was wir zum äußeren Leben brauchen. Wir schauen in die Weiten: Da kommt die Sonne am Morgen herauf; da geht die Sonne am Abend unter; das Licht streift gewisser­maßen über die Erde hin; aus den Weiten kommt es, in die Weiten geht es. Wir schauen hinauf: Nächtlich der Sternenhimmel, ge­heimnisvoll spricht er zu uns.Wir haben in diesem dreifachen Blick unser Verhältnis zur Welt bestimmt: Ich schaue hinunter, ich schaue in die Weiten, ich schaue hinauf. Aber tun wir das mit dem intensivsten Bewußtsein, tun wir es so, wie es in folgenden man­trischen Sprüchen liegt:

Fühle wie die Erdentiefen
Ihre Kräfte deinem Wesen
In die Leibesglieder drängen.
Du verlierest dich in ihnen,
Wenn du deinen Willen machtlos
Ihrem Streben anvertrauest;
Sie verfinstern dir das Ich.

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[Diese Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Fühle wie die Erdentiefen
Ihre Kräfte deinem Wesen
In die Leibesglieder drängen.
Du verlierest dich in ihnen,

- in den Kräften -

Wenn du deinen Willen machtlos
Ihrem Streben anvertrauest;
Sie verfinstern dir das Ich.

Ja, das ist es, meine lieben Freunde, daß wir dasjenige, was uns an die Erde fesselt und bindet, nicht in Zusammenhang bringen in vollem Bewußtsein mit unserem menschlichen Wesen. Wir schauen hinunter zur Erde, wissen, daß in ihr Kristalle entstehen, daß sie das Erdreich von einem Fleck zum andern trägt, wissen, daß sie eine Schwerkraft ausübt, daß sie den Stein anzieht, zur Erde fallen läßt, wissen, daß sie uns selber anzieht. Wir denken an das alles. Wir denken nicht daran, daß in uns Triebe, Instinkte, Begierden, Leidenschaften leben, daß in uns all dasjenige lebt, was wir zur niederen Menschennatur zählen, und daß das zur Erde gehört. Wenn wir den Blick hinunterrichten und sagen, was schafft die Erde in uns, dann sollen wir uns erinnern: da liegt in uns, geschaf­fen durch die Erde, alles dasjenige, was uns unter den Menschen herunterziehen will, was unser Ich verfinstern will, was uns ins Untermenschliche treiben will. Das aber müssen wir uns zum Be­wußtsein bringen, daß wir mit der Erde so verbunden sind, daß - trotz aller Schönheit und Erhabenheit desjenigen, was über die Oberfläche der Erde ausgebreitet ist - für uns Menschen das Hin­unterziehende zu gleicher Zeit das ins Untermenschliche Ziehende ist. Im ehrlichen Gestehen dessen entwickeln wir uns zum wahren Menschen hin.

Dann, dann werden wir in die Lage kommen, nun nicht nur den Blick nach unten zu wenden, uns entwickelnd menschlich, sondern

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den Blick in die Weiten, die mit uns selber gleich hoch sind, zu wen­den, den Blick zu wenden in all dasjenige hinein, was um die Erde gewissermaßen herumkreist und unser Menschensein im Kreisen aufnimmt. Da beginnt schon im Physischen etwas, was gewisser­maßen uns über die hinunterziehenden Erdentiefen-Kräfte erhebt. Durch die Erdentiefen-Kräfte kann der Mensch böse werden; nicht so leicht durch den Atem, der auch zu dem um die Erde Kreisenden gehört; noch weniger durch das Licht, das die Sonne um die Erde kreisen läßt. Aber wir betrachten Atem und Licht als etwas, was nicht geistige Bedeutung hat. Aber Götter leben in Atem und Licht. Und wir müssen uns bewußt sein, daß insbeson­dere im Lichte Göttermächte walten, anders walten, indem sie durch uns Menschen gehen, als die Erdentiefen-Kräfte.

Das aber bringen wir uns in dem zweiten mantrischen Spruch zum Bewußtsein:

[Die zweite Strophe wird an die Tafel geschrieben; siehe auch Seite 115.]

Fühle wie aus Weltenweiten
Göttermächte ihre Geisteshelle
Dir ins Seelenwesen leuchten lassen.
Finde dich in ihnen liebend,
Und sie schaffen weisheitwebend
Dich als Selbst in ihren Kreisen
Stark zum guten Geistesschaffen.

Nicht immer werden wir uns dessen bewußt, daß wir lieben kön­nen dasjenige, was als Licht über unsere Erde hinzieht, sei es Sonnen-, sei es Sternenlicht. Nicht immer werden wir uns dessen bewußt. Aber wenn wir uns dessen bewußt sind, daß wir lieben können das Sonnenlicht, lieben können warm wie einen Freund, dann lernen wir auch, wie Götter im Lichtgewande um die Erde kreisen. Dann hört auf das bloße Sonnenlicht über die Erde hin leuchtend zu scheinen, dann wird das Sonnenlicht zum Göttergewande.

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Und Götter wandeln über die Erde hin im Leuchte­gewande. Und dann wird für uns dasjenige, was wir erleben mit dem Lichte, wirklich zur Weisheit. Dann bringen Götter ihreWeis­heit in unsere Herzen, in unsere Seelen hinein. Und wir sind dann tatsächlich, indem wir differenziert haben in den Gefühlen, sind tatsächlich aufgestiegen.

Wir haben zuerst die entsprechenden Gefühle gegenüber den Erdentiefen-Kräften entwickelt. Wir haben den Teil unseres Men­schentums, der den Erdentiefen-Kräften angehört, in richtiger Weise verspürt. Wir haben uns erhoben zu jenem höheren Teil unseres Menschenwesens, das den über die Erde im Leuchte-gewande hinziehenden Götterwesen angehört, die den Menschen nicht lassen wollen im Erdenkreise, sondern, schon während er auf Erden wandelt, in ihre Kreise aufnehmen wollen, so daß er dann, wenn er durch des Todes Pforte geht, in ihren Kreisen weiter wan­deln kann. Denn die Götter wollen uns nicht auf Erden allein las­sen, sie wollen uns in ihre Kreise ziehen. Sie wollen uns zu Wesen machen, die unter ihnen leben. Die Erdentiefen-Kräfte wollen uns entreißen den Götterkräften.

Daher hieß es in einem der früheren Sprüche, die Euch hier übermittelt worden sind:

Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

Das aber müssen wir fühlen, auch indem wir uns in die Welt hin­einstellen und mit der Welt uns identifizierend eins fühlen.

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Aber wir haben noch nicht unser Vollmenschliches in unser Bewußtsein hereingenommen, wenn wir nicht auch hinaufzusehen vermögen. In die Tiefen müssen wir schauen, in die Weiten müssen wir schauen, in die Höhen müssen wir schauen, und rege machen müssen wir in dem einen alltäglichen Bewußtsein, das Tiefe, Weite und Höhe vermischt, differenzieren müssen wir Tiefenbewußtsein, Weitenbewußtsein, Höhenbewußtsein.

[Die dritte Strophe wird an die Tafel geschrieben:]

Fühle wie in Himmelshöhen
Selbstsein selbstlos leben kann

Das können wir fühlen, wenn wir vollbewußt in die Höhen hin­aufschauen. Denkt Ihr Euch nur einmal, meine lieben Freunde, draußen auf dem Felde stehend, beim sternbedeckten Himmel hinaufschauend in die Himmelshöhen. Deutlicher nur ist es, wenn wir diese Gelegenheit wählen; es kann natürlich auch im vollen Sonnenlichte geschehen. Aber deutlicher wird es, wenn wir uns draußen stehend fühlen im Felde und hinaufschauen auf den ster­nenbedeckten Himmel. Wir fühlen uns eins mit dieser Welt; wir fühlen: das bist du. Aber der eine Punkt, an dem wir stehen auf der Erde, den wir für so wertvoll halten, daß wir immer nur als von unserem eigenen Selbst von ihm reden, es zerfließt, wenn wir hinaufschauen in die Weiten. Es ist ausgebreitet zur Halbkugel. Fühlen wir da recht, dann hört das enge Selbstsein auf und wird selbstlos, denn es ist unendlich verbreitet in den Weiten der Höhen:

Fühle wie in Himmelshöhen
Selbstsein selbstlos leben kann,

[Es wird weitergeschrieben:]

Wenn es geisterfüllt Gedankenmächten
In dem Höhenstreben folgen will

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Wer wirklich gefühlt hat, wie mit dem um die Erde ziehenden, strömenden Sonnenlichte im Leuchtegewande Götter mit jedem Atemzuge in die Menschenseelen einziehen und ausziehen, und wer dann hinaufschaut, selbstlos in seiner Selbstheit fühlend, in Himmelshöhen, der kommt schon dazu, auch das Weitere in sich bewußt zu entwickeln, was unter den folgenden Zeilen kommt, unter den folgenden Zeilen also:

Fühle wie in Himmelshöhen
Selbstsein selbstlos leben kann,
Wenn es geisterfüllt Gedankenmächten
In dem Höhenstreben folgen will

[Es wird weitergeschrieben:]

Und in Tapferkeit das Wort vernimmt,
Das von oben gnadevoll ertönet
In des Menschen wahre Wesenheit.

Es sprechen die Höhen. Und so, wie wir in Liebe zusammenwach­sen können mit den Göttern, die um die Erde ziehen im Leuchte­gewande, so können wir mit dem aus den Höhen tönenden Worte zusammenwachsen, wenn wir den Sinn dafür entwickeln, mit den Gedankenmächten in die Höhen der Himmel zu streben.

Aber, meine lieben Freunde, nur dann werdet Ihr richtig diese Empfindungen, die Euer Bewußtsein zu einem Tiefen-, Weiten- und Höhenbewußtsein machen, innerlich durchführen können, wenn Ihr die gegensätzlichen Sprüche [vom dritten, zweiten und ersten Tier] so recht tief und anschaulich für die Seele kontrastieren könnt mit diesen [an der Tafel stehenden drei Sprüchen].

Ihr tretet vor den Hüter der Schwelle. Lebhafte Gedankenvor-stellungen davon sollen in Eurer Seele walten. Der Hüter der Schwelle zeigt Euch das dritte der Tiere, von dem wir gesprochen haben in den letzten Stunden. Es klingt in Euch dasjenige, was dieses dritte der Tiere charakterisiert:

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Des dritten Tieres glasig Auge,
Es ist das böse Gegenbild
Des Denkens, das in dir sich selbst
Verleugnet und den Tod sich wählet,
Absagend Geistgewalten, die es
Vor seinem Erdenleben geistig
In Geistesfeldern lebend hielten.

Das ist das Hinunterziehende.

Dem entreißen wir uns, indem wir in tapferer Seele uns sagen:

Fühle wie die Erdentiefen
Ihre Kräfte deinem Wesen
In die Leibesglieder drängen.
Du verlierest dich in ihnen,
Wenn du deinen Willen machtlos
Ihrem Streben anvertrauest;
Sie verfinstern dir das Ich.

Da sind sie noch für den Anblick, ich möchte sagen, wenig unter­schieden, wenn Sie hinschauen auf das Tier, wenn Sie hinschauen auf dasjenige, was entreißt. Bedenken Sie, wie das eine der Man­tren ähnlich klingt dem andern, charakterisierend beide das Hin­unterziehende, nur das eine konkret das Tier schildernd, das andere das Aufmerksamwerden.

Aber gehen wir zum zweiten Tier, und nehmen wir dasjenige, was uns entreißt dem zweiten Tiere; stellen wir die beiden man­trischen Sprüche nebeneinander: ganz und gar verschieden wird die Stimmung. Das eine Mal grausige Schilderung des zweiten Tieres, das andere Mal der Appell an die Götter, die im Leuchte-gewande an uns herankommen. Und hören wir nebeneinander diese zwei mantrischen Sprüche, wie verschieden sie in ihrer gan­zen Stilisierung sind:

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Des zweiten Tieres Spottgesicht,
Es ist die böse Gegenkraft
Des Fühlens, das die eigne Seele
Aushöhlet und Lebensleerheit
In ihr erschafft statt Geistgehalt,
Der vor dem Erdensein erleuchtend
Aus Geistessonnenmacht ihr ward.

Fühle wie aus Weltenweiten
Göttermächte ihre Geisteshelle
Dir ins Seelenwesen leuchten lassen.
Finde dich in ihnen liebend,
Und sie schaffen weisheitwebend
Dich als Selbst in ihren Kreisen
Stark für gutes Geistesschaffen.

Indem wir zuerst das dritte Tier charakterisieren, müssen wir uns noch in diesem man trischen Spruch [Fühle wie die Erdentiefen...] wie neben dieses dritte Tier hinstellen. Wir vermögen zunächst uns nicht loszureißen, haben nur die Aufforderung, uns bewußt zu werden, wohin uns dieses Tier führen will. Indem wir uns an das zweite Tier wenden und an den helfenden mantrischen Spruch [Fühle wie aus Weltenweiten...], da ist der Spruch bereits dazu angetan, uns weit hinwegzuführen von dem Tiere, das wir in sei­ner Grausamkeit als Spottgesicht charakterisieren.

Und gehen wir jetzt an das erste heran, und wir werden sehen, wie die Charakteristik des ersten Tieres, das uns verhindern will, unser menschliches Leben zu heiligen im Aufblick zu den Him­melshöhen, wie dieses erste Tier charakterisiert ist seinem Stile nach und wie wir uns entreißen in unserem Innersten diesem Tier, wenn wir uns an jenen mantrischen Spruch, der uns hinaufweist in die Himmelshöhen, wenden:

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Des ersten Tieres Knochengeist,
Er ist die böse Schöpfermacht
Des Wollens, die den eignen Leib
Entfremdet deiner Seelenkraft
Und ihn den Gegenmächten weiht,
Die Weltensein dem Göttersein
In Zukunftzeiten rauben wollen.

Und nun: Wie wenn wir verbrennen wollten dasjenige, was in die­sem Spruch gesagt ist und uns in den Flammen erheben wollten, so steht der andere Spruch - der Tröster sein soll und begnadend gegenüber dem, was das erste Tier ist, durch unsere eigene tapfere Seelenkraft -, so steht der andere Spruch ihm gegenüber:

Fühle wie in Himmelshöhen
Selbstsein selbstlos leben kann,
Wenn es geisterfüllt Gedankenmächten
In dem Höhenstreben folgen will
Und in Tapferkeit das Wort vernimmt,
Das von oben gnadevoll ertönet
In des Menschen wahre Wesenheit.

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Sehen Sie, haben wir das letzte Mal gesehen, daß wir einen inner­lichen Rhythmus aufnehmen, wenn wir in das Weben der Leuchte­wesenheit der Welt mit unserem eigenen Wesen hineinkommen wollen, so müssen wir heute uns damit bekanntmachen, wie die Dinge, die nun in dieser Esoterik an uns herantreten, einen inneren Zusammenhang haben, und wie wir jedesmal zurückgreifen müs­sen auf das Frühere, nicht aber nur zurückgreifen müssen mit Bezug auf den Sinn der Worte, denn der bleibt immer irdisch, sondern zurückgreifen müssen durch die Stimmung. Und diese Stimmung, sie wird uns aus dem Ganzen entgegenkommen, sie wird uns aber auch aus den Einzelheiten entgegenkommen.

Denn nehmen Sie den ersten Spruch: «Fühle wie die Erdentiefen». Also wir werden verwiesen an die Erdentiefen. Und der andere Spruch weist uns auf «Des dritten Tieres glasig Auge». Sie stehen nebeneinander.

Im zweiten Spruch «Fühle wie aus Weltenweiten»: Wir fühlen, wie im Lichtgewande die Götter herankommen. Hier sind wir erhoben, wenn wir es wirklich fühlen können, über dasjenige, was des Göttlichen spottet in der Welt. «Des zweiten Tieres Spottgesicht», es wird wahrhaftig ausgelöscht durch den hellen Sonnen­schein, wenn wir den hellen Sonnenschein nur geistig ergreifen wollen.

Und gar der dritte Spruch, wie er beginnt: «Des ersten Tieres Knochengeist», er erstarrt uns. Wir werden nur warm, wenn wir aus der Erstarrung uns lösen durch den Aufblick in die Himmels­höhen. Und so können wir auch sagen:

Erblickst du des dritten Tieres glasig Auge, stehe fest und fühle, was die Erdentiefen von dir wollen.

Schaust du des zweiten Tieres Spottgesicht, empfange liebend Sonnenlicht.

Erstarrst du durch des ersten Tieres Knochengeist, erwarme menschlich als Mensch, indem du zu den Himmeishöhen das Herz warm erhebest.

113

So sollen wir uns allmählich einfühlen in geistiges Leben, und dieses geistige Leben wird immer verwandter und verwandter unserer Seele werden.

*

Meine lieben Freunde, es ist notwendig, daß ich einen kleinen Satz anfüge. Denn die Schule selbst muß im Ernste leben, und die Dinge, die ich an jenem Mittwoch, wo ich über die Bedingungen der Schule gesprochen habe, gesagt habe, müssen im Ernste erfaßt werden: Ich bin genötigt gewesen, einer Persönlichkeit, die - weil sie unterlassen hat, was sie hätte tun sollen hier im Dienste - ein großes Unglück hätte bewirken können, das Zertifikat für diese Erste Klasse zu entziehen. Ich erwähne dieses aus dem besonderen Grunde, weil ich damit andeuten will, daß tatsächlich Ernst ge­macht werden wird mit demjenigen, was bei der Weihnachtstagung hier als Absichten angedeutet worden ist. Und ich bitte durchaus, in der Zukunft dies nicht als irgendeine bloße Redensart aufzufassen, wenn durchaus geltend gemacht wird, daß diese eso­terische Schule in vollem Ernste als von der geistigen Welt gewollt gedacht wird, und daß in dem Augenblicke, wo irgend jemand nicht in rechter Weise ein Repräsentant der anthroposophischen Bewegung sein will, die Schule das Recht haben muß, ihm das Zer­tifikat für diese Schule zu entziehen. Ich möchte in allem Ernste darauf hinweisen und unterlasse es deshalb nicht zu erwähnen, daß bereits - wenigstens für eine gewisse Zeit, bis der Betreffende das Gegenteil wiederum durch sein Verhalten bezeugt - einer Per­sönlichkeit das Zertifikat entzogen werden mußte. Wir werden in diese Schule nur in richtiger Weise hineinwachsen, wenn wir ab­kommen von all denjenigen spielerischen Anschauungen über anthroposophische Bewegung, die gerade so großes Unheil innerhalb

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dieser anthroposophischen Bewegung angerichtet haben. Wir müssen in den vollen Ernst des Esoterischen hineinwachsen. Und es ist - ich muß es auch heute wieder sagen - noch nicht in jeder Seele aufgegangen dasjenige, was mit der Weihnachtstagung ge­meint war. Aber die Leitung der Schule wird wachsam sein, und sie wird diesmal tatsächlich mit dem Ernst der Schule Ernst machen. Wollen wir auch das als etwas zur heutigen Stunde Ge­höriges in unseren Sinn aufnehmen.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 115 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 115
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FÜNFTE STUNDE Dornach, 14. März 1924

Meine lieben Freunde! Wir haben gesehen, welche Veränderungen mit dem Menschen vorgehen, wenn er bekannt wird mit dem Wesen des Hüters der Schwelle. Und von der Auffassung dieses Wesens vom Hüter der Schwelle hängt es ja ab, ob der Mensch in irgendeiner Form an die geistige Welt herantreten und zum Ver-ständnisse dieser geistigen Welt kommen kann. Wir haben ins­besondere gesehen, wie dasjenige, was ja das menschliche Innere ausmacht - Denken, Fühlen, Wollen-, im Bereiche des Hüters der Schwelle eine wesentliche Anderung durchmacht. Und insbeson­dere in der letzten Klassenstunde hier konnte es uns klarwerden, wie gewissermaßen Denken, Fühlen und Wollen verschiedene Wege durchmachen beim Betreten der geistigen Welt, wie sie in andere Verwandtschaften eingehen bei diesem Betreten als die­jenigen sind, in denen sie gewöhnlich für das Erdenbewußtsein des Menschen stehen.

Wir haben gesehen, wie der Mensch seinem Wollen nach stark hingewiesen wird auf seinen Erdenzusammenhang. In dem Augen­blicke, wo der Mensch an die geistige Welt herantritt, trennen sich ja in einer gewissen Beziehung in der Seele Denken, Fühlen, Wollen. Und dieses Wollen, das dann in einer viel größeren Selbständigkeit in der Seele lebt als vorher, dieses Wollen, es erweist sich für den Menschen im hohen Grade als verwandt mit jenen Kräften, die den Menschen zur Erde hinziehen. Das Fühlen erweist sich ver­wandt mit jenen Kräften, die den Menschen halten in dem Um­kreis der Erde, in jenem Umkreis der Erde, den sozusagen das Licht durchwellt, wenn es, morgens erscheinend, den Tag erhellt, und abends wiederum an der entgegengesetzten Seite zunächst für den Anblick des Menschen verschwindet. Das Denken aber, es ist die Kraft, die den Menschen nach oben, nach dem Himmlischen

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verweist. So daß in demselben Augenblicke, in dem der Mensch vor den Hüter der Schwelle hintritt, dieser Hüter ihn aufmerksam macht darauf, wie er der ganzen Welt angehört: durch sein Wollen der Erde, durch sein Fühlen dem Umkreis, durch sein Denken den oberen Mächten.

Aber das ist es ja überhaupt, meine Lieben, was mit dem Eintritt in das geistige Leben für den Menschen klarwerden muß, daß ein Zusammenwachsen durch das Geistesleben mit der ganzen Welt eintritt. Wir stehen für das gewöhnliche Bewußtsein so da in der Welt, daß da draußen außer uns die Mächte walten, die im Pflan­zen-, im Mineral-, im Tierreiche, im physischen Menschenreiche tätig sind, die Mächte walten, zu denen wir durch unsere Sinne den Zugang haben und die eigentlich keine Verwandtschaft zeigen zunächst mit dem Menschen. Und da stehen wir dann abseits als Mensch, in uns blickend, unser Denken, Fühlen und Wollen ge­wahr werdend; gewahr werdend, wie dieses Denken, Fühlen und Wollen etwas von der äußeren Natur Getrenntes ist, etwas für sich Stehendes ist. Und wir fühlen eine tiefe Kluft zwischen unserem Menschenwesen und der sich ausbreitenden Natur.

Aber diese Kluft muß sich überbrücken. Denn diese Kluft, die wir höchstens ihren Außerlichkeiten nach im gewöhnlichen Be­wußtsein gewahr werden, diese Kluft ist gerade die Schwelle. Und das Gewahrwerden der Schwelle beruht eigentlich darauf, daß wir aufhören, jene Unbewußtheit einfach hinzunehmen, die uns auf uns zurückweist, wenn wir in unser Inneres schauen, und auf eine äußere, menschenfremde Natur weist, wenn wir eben den Blick nach außen richten, eine Kluft, die uns nur sichtbar zu werden braucht, um in ihrer ganzen Größe und Bedeutung nicht nur für das Menschenleben, sondern auch für das Weltenleben hervor­zutreten.

Nun, sehen Sie, in dem Augenblicke, wo man das Esoterische betritt, muß eine Brücke hinüber geschaffen werden über diese Kluft, über diesen Abgrund. Wir müssen gewissermaßen zusammenwachsen

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mit der Natur. Wir müssen aufhören, uns zu sagen:

Da draußen ist die Natur, die geht eigentlich das moralische Leben nichts an. Wir fragen nicht bei den Mineralien nach dem Morali­schen, an dem unsere Seele das höchste Interesse hat, wir fragen nicht bei den Pflanzen, wir fragen nicht bei den Tieren, und im materialistischen Zeitalter hat man ja auch aufgehört, bei dem Menschen zu fragen, weil man den Menschen nur nach seiner physischen Wesenheit genommen hat.

Und wiederum, wenn man in den Menschen hineinschaut, dann erblickt man für das gewöhnliche Bewußtsein das passive Denken, durch das man sich die Welt bildlich vergegenwärtigt, das aber machtlos dasteht. Der Gedanke, der in uns lebt, zunächst ist er nur unser Eigentum, durch das wir die Dinge der Welt erkennen. Er hat als Gedanke zunächst keine Macht. Unser Fühlen ist unser inneres Leben. Wir stehen mit ihm gewissermaßen getrennt, ge­sondert von der Welt. Und unser Wollen teilt sich zwar den äußeren Dingen mit; aber eben gerade dadurch, daß es sich den äußeren Dingen mitteilt, bekommen diese äußeren Dinge ein ihnen Fremdes.

Ein Großes muß an den Menschen herantreten, wenn er den Abgrund gewahr wird zwischen sich und der Natur, wenn er in die Nähe des Hüters der Schwelle kommt: ein Großes. Und dieses Große ist das, was mit den Worten seit alten Zeiten schon aus­gedrückt worden ist - Worten aber, die nach jedem Zeitalter neu verstanden werden müssen -, und diese Worte sind: Die Natur muß göttlich erscheinen, und der Mensch muß magisch wesen können, sein können. Was heißt, die Natur muß göttlich erschei­nen können?

Die Natur muß göttlich erscheinen können: So wie sie zunächst den Sinnen erscheint, wie sie der Verstand erfaßt, ist sie ja wahr­haftig ungöttlich. Man möchte sagen: die Göttlichkeit verbirgt sich in der Natur. Die Natur erscheint ihrer Äußerlichkeit nach. Wir sehen zunächst höchstens im Traume etwas von einer Verwandtschaft

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der Natur mit dem menschlichen Innenleben. Wir können gewahr werden, wie eine Unregelmäßigkeit in unserem Atmungsprozesse nach der einen oder nach der anderen Seite uns entweder freudig erregte Träume bereitet, oder aber Angst- und Furchtträume bereitet. Wir können gewahr werden, wie die rein natürliche Überhitztheit eines Zimmers in gewissen Träumen zum Vorscheine kommt, die eine Art moralisch-seelischen Inhalt haben. Der Traum rückt die Natur an das Seelische heran.

Allein wir wissen auch: im Traume ist unser Bewußtsein hin­untergetaucht, und der Traum ist doch nicht dasjenige, was uns das Geistige unmittelbar vermitteln kann. Wir müssen vielmehr sehen, wie sich dem erweckten, nicht dem eingeschlafenen Bewußtsein das Natürliche darstellt.

Nun, im Natürlichen haben wir zunächst, meine Lieben, eine Verwandtschaft des menschlichen physischen Leibes mit dem Festen in der Natur, mit demjenigen, was Erdenwesenheit trägt. Wir haben eine Verwandtschaft des ätherischen Leibes des Men­schen mit denjenigen, was wässerige Wesenheit in sich trägt. Allein, diese Verwandtschaft des menschlichen physischen Leibes mit dem Erdigen, die Verwandtschaft des menschlichen Atherleibes mit dem Flüssigen, mit dem Wasserförmigen, sie liegt tief unter dem­jenigen, was der Mensch zunächst erlebt.

Dasjenige, was dem Menschen nahesteht, ist eigentlich erst sein Atmungsprozeß, der da waltet im Luftförmigen. Und erst vom Atmungsprozeß nach aufwärts beginnt diejenige Region, in der der Mensch sich zunächst, wenn er an das Geistige herantritt, ver­wandt fühlen kann mit der Natur.

Wir haben, indem wir auf den Atmungsprozeß hinschauen, das Luftförmige, in dem wir wesen und leben.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Luft

Wir haben dann über dem Luftförmigen das Wärmehafte

[Über «Luft» wird angeschrieben:]

Wärme
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und über dem Wärmehaften das Lichtwesenhafte: Wärmeäther, Lichtäther.

[Über «Wärme» wird angeschrieben:]

Licht

Wenn wir höher hinaufkommen, so kommen wir schon in eine Region, die wir später besprechen müssen, die dem Menschen zu­nächst nicht so nahe liegt.

Daß der Mensch webt und lebt im Luftelemente, das kann ja für eine ganz äußerliche Betrachtung offenbar sein. Denn man braucht nur eben auf die Träume hinzuschauen, wie sie abhängig sind in gewissen Gestaltungen von Unregelmäßigkeiten, Abnormitäten des Atmungsprozesses. Wenn der Atmungsprozeß im wachen Leben verläuft, wir achten seiner nicht, weil wir in der Regel nicht auf dasjenige achten, was eben im normalen Leben verläuft.

Daß für den Menschen das Wärmeelement, das Leben in der Wärme etwas wesenhaft Durchgreifendes bedeutet, kann auch wiederum aus der oberflächlichen Betrachtung klarwerden. Wenn wir mit einem kalten Körper, der kälter ist als unser eigener Leib, sagen wir, mit einer kalten Stricknadel uns betupfen, so empfin­den wir die kalten Stellen, auch wenn sie sehr nahe beieinander­liegen, als getrennt. Wir sind sehr empfindlich für das Kalte. Wenn wir uns mit einem Gegenstande betupfen, der wärmer ist als unser eigener Leib, dann merken wir die Unterschiede nicht so stark.Wir können zwei kalte Stricknadeln ganz nahe aneinander halten, wir merken die Kälte beider. Wenn wir erwärmte Stricknadeln halten, so fließen nahe Berührungen zusammen in einen Punkt, und wir müssen sehr weit auseinandergehen, um die Eindrücke als getrennt wahrzunehmen. Wir sind eben für die Kälte viel empfindlicher als für die Wärme. Warum? Wir ertragen dieWärme leichter, weil wir einWärmewesen sind, weil die Wärme unsere eigene Natur ist, weil wir in der Wärme weben und leben. Die Kälte ist uns fremd, für die sind wir außerordentlich stark empfindlich.

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Nun, für das Licht ist das schwieriger auseinanderzusetzen dem gewöhnlichen Bewußtsein. Wir wollen ja heute in das Esoterische in bezug auf diese Dinge eindringen. Und so mag es genügen, daß ich auf das Luftförmige und auf das Wärmeartige hingewiesen habe für das gewöhnliche Bewußtsein. Aber im gewöhnlichen Erleben fühlt der Mensch eben die Luft als etwas Äußerliches, Naturhaftes. Er fühlt die Wärme als etwas, was ihn von außen berührt in irgendeiner Weise, und er fühlt das Licht als etwas, was von außen an ihn herankommt.

In dem Augenblicke, wo der Mensch jenen Ruck seines Lebens durchmacht, der ihn in die Nähe des Hüters der Schwelle bringt, in dem Augenblicke wird der Mensch gewahr, wie er mit dem­jenigen, dem er sonst fremd gegenübersteht, inniglich verwandt wird.

Ich habe ja öfter darauf aufmerksam gemacht, wie wir im Grunde genommen in jedem Augenblicke unseres Lebens, auch für das gewöhnliche Bewußtsein, unsere Weltverwandtschaft gerade durch unser Verhältnis zur Luft gewahr werden können. Da ist die Luft draußen; dieselbe Luft, die jetzt draußen ist, habe ich etwas später in mir drinnen; dann ist sie wiederum draußen, dieselbe Luft, die in mir drinnen war. Das werden wir nicht gewahr, daß wir - während wir unsere Muskeln, während wir unsere Knochen fortwährend in uns tragen, ihr Entstehen und Vergehen nur ge­wahr werden mit dem Embryonalleben und dem Tode -, daß wir fortwährend, indem wir ein Luftmensch sind, eigentlich dasjenige, was wir in uns tragen, nach außen entlassen, das Äußere wieder aufnehmen, so daß wir eins werden mit dem ganzen Weben und Leben und Wesen des Luftartigen, in dem wir als Erdenmenschen sind.

In dem Augenblicke, wo wir eintreten in das geistige Gebiet, bleibt das nicht mehr so. In diesem Augenblicke fühlen wir, wie wir mit jeder Ausatmung, mit jedem Ausatmungszug gewisser­maßen mitgehen, wie wir auf den Flügeln der ausgeatmeten Luft

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hinausdringen in die Weiten des Daseins, in die sich die ausgeat­mete Luft zerstreut, wie wir die geistigen Wesen, die Geister, die im Luftkreislauf leben, mit der Einatmung in uns hineinnehmen. Geistige Welt fließt in uns mit der Einatmung; unser eigenes Wesen fließt in die Umwelt mit der Ausatmung.

So aber ist es nicht nur mit dem Luftartigen; so ist es - und zwar in einem noch höheren Grade - mit dem Wärmeartigen. Wie wir eins sind mit dem Umkreise der Luft, die die Erde umgibt [es wird gezeichnet: die beiden weißen Kreise], ein Wesen als Luftmensch dadurch ausmachen, so ist es in einem noch höheren Grade mit dem Wärmewesen, das die Erde umgibt und durchdringt [rot] ; mit ihm sind wir eines.

Und während wir,wenn wir an die geistigewelt herantreten, tat­sächlich das Erlebnis haben, Geistiges in uns hereinzubekommen mit der Einatmung, unser eigenes Wesen hinauszuentlassen in die Weltenweiten mit der Aus atmung, also ein geistiges Weben durch­machen mit Einatmung und Ausatmung, ist es beim Wärmewesen so, daß wir noch intensiver fühlen, wie wir mit dem Steigen der Wärme, insofern wir selber in dem Wärmeelement sind, mehr Mensch werden, mit dem Sinken der Wärme weniger Mensch wer­den. Da hört dann die Wärme auf, etwas bloß Naturhaftes zu sein; da fühlen wir es - wo wir uns sagen: erkennen wir das innere See­lenhafte der Wärme, das Geisteswirkliche der Wärme -, dann fühlen wir es innig verwandt mit unserem Menschsein. Dann fühlen wir, daß Steigerung der Wärme bedeutet von seiten der in dem Wärmeelement wirkenden Geister: ich gebe dir durch das Wärmeelement dein Menschtum; ich nehme dir durch das Kälte-element dein Menschtum weg.

Und gehen wir gar an das Licht heran, dann weben und leben wir auch im Lichte. Nur bemerken wir das nicht, weil wir im ge­wöhnlichen Bewußtsein keine Ahnung davon haben, daß das innere Weben des Lichtes in unserem eigenen Denken enthalten ist, daß jeder Gedanke aufgefangenes Licht ist: aufgefangenes Licht

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beim physisch Sehenden, aufgefangenes Licht beim physisch Blin­den. Das Licht ist ein Objektives. Das Licht nimmt nicht nur der physisch Sehende auf, das Licht nimmt auch der physisch Blinde auf, wenn er denkt. Denn der Gedanke, den wir innerlich in uns festhalten, der Gedanke, den wir innerlich in uns einfangen, er ist in uns vorhandenes Licht.

Und so können wir sagen: treten wir vor den Hüter der Schwelle hin, so ermahnt uns dieser Hüter der Schwelle in der folgenden Art:

Mensch, indem du denkst, ist dein Wesen nicht in dir, es ist im Lichte. Mensch, indem du fühlst, ist dein Wesen nicht in dir, es ist in der Wärme. Mensch, indem du willst, ist dein Wesen nicht in dir, es ist in der Luft. Bleibe nicht in dir, o Mensch. Denke nicht, dein Denken sei im Kopfe. Denke daran, daß dein Denken nichts anderes ist als dein Erlebnis mit dem die Welt durchwellen den und durchwebenden Licht. Denke daran, daß dein Fühlen nichts an­deres ist als das in dir zur Wirkung kommende allgemeine Weben und Leben des Wärmeelementes. Denke daran, daß dein Wollen nichts anderes ist als das in dir zur Wirkung kommende allgemeine Weben und Leben des Luftelementes.

Das muß man stark ins Bewußtsein aufnehmen, daß man eigent­lich vor dem Hüter der Schwelle zerteilt wird in die Weltelemente, daß man sein Wesen nicht mehr so selbstverständlich zusammen­fassen kann, wie man es zusammenfaßt, dunkel, chaotisch, im ge­wöhnlichen Bewußtsein. Und das ist das große Erleben, das dann die Einweihungserkenntnis dem Menschen gibt, daß er aufhört ernst zu nehmen, daß er in der Haut eingeschlossen ist. Es ist ja nur ein Zeichen dafür, daß wir da sind als Mensch. Es ist ja vor dem geistigen Bewußtsein eine Illusion dasjenige, was sich da innerhalb der Haut konzentriert; denn der Mensch ist so groß wie das Wel-tenall. Seine Gedanken sind so weit wie das Licht, seine Gefühle sind so weit wie die Wärme; sein Wollen ist so weit wie die Luft.

Und wenn ein entsprechend dem Bewußtsein nach entwickeltes Wesen von irgendeinem anderen Weltenkörper herunterstiege, so

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würde es den Menschen in ganz anderer Weise ansprechen, als die Menschen auf der Erde für das gewöhnliche Bewußtsein unter­einander ansprechen. Ein solches Wesen würde sagen: Differenziert ist das Licht, das die Erde umwebt [um den Luft- und Wärmekreis wird die Lichthülle gezeichnet: gelb]. Da sind viele einzelne differenzierte Wesenhaftigkeiten im Lichte drinnen. Man muß das so vorstellen, daß in diesem Erdenlichte, das die Erde umgibt, das die Erde umwebt und umwallt, trotzdem alles in einem Raume ist, in diesem einen Raume viele Wesenhaftigkeiten sind, so viele als Menschen auf der Erde sind. Sie alle decken sich in der Lichtwelt der Erde. Und alle Gedanken sind für ein solches Wesen, das von einem fremden Weltenkörper zur Erde käme, alle Gedanken der Menschen sind in dieser Lichthülle, in diesem Lichtgewebe der Erde drinnen. Und alle Gefühle sind in der Wärmehülle drinnen, und alle Wollungen sind in der Atmosphäre, in der Lufthülle drinnen.

Dann würde ein solches Wesen sagen: Da habe ich rein qualita­tiv herausdifferenziert ein Wesen. Daß das da ist, wird mir an­gezeigt durch einen Leib a; ein anderes, das wiederum in der gan­zen Umhüllung ist, wird mir angezeigt durch einen Leib b, und so weiter [in das Gelb werden zwei verdichtete Einschlüsse a und b gezeichnet]. Das sind die äußeren Zeichen, daß das da ist. Die wirklichen Menschenwesen stecken alle ineinander in Licht, Wärme und Luft und umgeben die Erde.

Das ist für den, der wirklich vor den Hüter der Schwelle hintritt, keine Spekulation, das ist Erfahrung. Und darinnen besteht das geistige Vorrücken, daß der Mensch zusammenwächst mit der umgebenden Welt. Es ist wenig getan, wenn diese Dinge theoretisch ausgesprochen werden. Es ist wahrhaftig keine besonders tiefe Mystik, wenn man davon spricht, daß man eins werde mit der Welt, und hat nur den Gedanken im Auge, wenn man nicht be­ginnt, tatsächlich innerlich erlebend gewahr zu werden, wie man, indem man denkt, eigentlich in dem ganzen Lichte der Erde lebt, eins wird mit dem ganzen Lichte der Erde, und wie man dadurch,

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daß man eins wird mit dem ganzen Lichte der Erde, als Mensch aufgeht in einem göttlich-geistigen Sein, gewissermaßen durch alle Poren seiner Haut heraustritt und eins wird mit dem Erdenwesen selber und ebenso mit den anderen Gliedern der Erdenwesenheit. Das ist es, was in ganz ernster Weise von demjenigen, der nun wirk­lich ein Verhältnis gewinnen will zur geistigen Welt, erfaßt werden muß.

Sehen Sie, zunächst muß gewissermaßen das Licht moralisch wirken. Und der Mensch muß gewahr werden, wie er dem Lichte, das Licht ihm verwandt wird im esoterischen Erleben der Welt. Dann aber, dann tritt einem sehr klar vor das Bewußtsein, wie in dem Augenblicke, wo man die Schwelle betritt, das Licht recht wesenhaft wird und einen harten Kampf zu bestehen hat gegen die finsteren Mächte. Da wird Licht und Finsternis real. Und da tritt etwas vor dem Menschen auf, durch das er sich sagt: Wenn ich ganz mit meinem Denken im Lichte aufgehe, dann verliere ich mich an das Licht. Denn in dem Augenblicke, wo ich mit meinem Denken in das Licht aufgehe, erfassen mich Lichtwesen, die zu mir sagen: Du Mensch, wir lassen dich nicht wiederum aus dem Lichte los, wir halten dich im Lichte zurück. - Und das drückt auch das Wollen dieser Lichtwesen aus. Diese Lichtwesen wollen fortwährend durch das Denken des Menschen den Menschen an sich ziehen, ihn mit dem Lichte eins machen, ihn entreißen allen Erdenmächten und ihn verweben mit dem Lichte. Es gibt um uns herum jene Lichteswesen, die eigentlich den Menschen in jedem Augenblicke seines Daseins hinwegreißen wollen von der Erde und ihn verweben wollen mit dem über die Erde hinwellenden Sonnenlichte. Da leben sie, diese Lichtwesen, im Umkreis der Erde und sagen: Du Mensch sollst nicht mit deiner Seele in deinem Leibe bleiben; du sollst des Morgens mit dem ersten Strahl der Sonne im Lichte auf die Erde hin selber leuchten, du sollst mit der Abendröte untergehen, sollst als Licht die Erde umkreisen!

Immer wieder und wieder finden sich verlockend da diese Lichteswesen.

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In dem Augenblicke, wo man die Schwelle betritt, wird man es gewahr: immer wieder und wieder verlocken da diese Lich­teswesen und wollen den Menschen hinwegziehen von der Erde, wollen ihm klarmachen, daß es seiner nicht würdig ist, in den Fesseln der Erde zu verbleiben, durch die Schwere an die Erde ge­fesselt zu sein. Sie wollen ihn in den Schein der Sonne aufnehmen. Ja, für das gewöhnliche Bewußtsein scheint die Sonne da droben, und wir stehen herunten und lassen uns als Menschen von der Sonne bescheinen; für das entwickelte Bewußtsein steht die Sonne am Himmel als der große Verlocker, der uns immer mit seinem Lichte vereinen will und uns von der Erde losreißen will, der uns immerdar in das Ohr flüstert: O Mensch, du brauchst nicht auf der Erde zu bleiben, du kannst ein Wesen im Sonnenstrahl selber sein, dann wirst du die Erde bescheinen und beglücken können, dann brauchst du dich nicht mehr auf der Erde bescheinen und beglücken zu lassen.

Das ist das Wesenhafte, was uns entgegentritt bei der Begegnung mit dem Hüter der Schwelle, daß die Natur, die vorher ruhig außer uns war und keinen Anspruch an uns gemacht hat für unser gewöhnliches Bewußtsein, daß diese Natur gewinnt die Kraft, zu uns zu sprechen in moralischer Weise. Auf tritt diese Natur, wie in der Sonne, als eine Verlockerin. Was erst nur ruhig scheinendes Sonnenlicht war: ihr Sprechen wird verlockend, wird verführend, wird versuchend. Und die erste Art, wodurch wir gewahr werden aus dem Sonnenlichte, daß Geistiges in diesem Sonnenlichte webt und lebt, das erste ist, daß uns im Lichte der Sonne die verlocken­den, die versuchenden Wesen erscheinen, die uns von der Erde hin­wegtragen wollen. Denn diese Wesenheiten sind im fortwährenden Kampfe mit demjenigen, was das Erdeninnere ausmacht, mit der Finsternis.

Und wenn wir dann ins Extrem verfallen - und man tut das durchaus, denn die Erlebnisse vor dem Hüter der Schwelle sind eben durchaus ernste und tiefgehende und die Menschenseele ergreifende -,

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wenn wir gewahr werden, wie verlockend das Sonnen­licht ist durch seine Lichteswesen, dann wollen wir davon los, wenn wir noch eine Erinnerung daran haben, daß wir Mensch sein sollen. Und diese Erinnerung dürfen wir nicht verlieren. Wenn wir sie verlieren, werden wir eben - wenn auch wir zunächst noch das physische Leben auf der Erde fortleben -, wir werden in einer ge­wissen Weise seelisch gelähmt. Aber wenn wir gewahr werden, wie verlockend das Sonnenlicht ist, dann wenden wir uns nach der ent­gegengesetzten Seite, dann wollen wir Ruhe finden vor diesen Ver­lockungen in der Finsternis, mit der das Licht immerdar kämpft. Und pendeln wir hin aus dem Lichte in die Finsternis, dann ver­fallen wir in das entgegengesetzte Extrem. Dann droht uns in der Finsternis dieses Selbst - das hinaustragen wollte ins helle, schei­nende Sonnenlicht die eine Seite des Daseins -, dieses Selbst droht uns in der Finsternis einsam zu werden, getrennt zu werden von allem übrigen Sein. Und wir Menschen können nur in der Gleich­gewichtslage zwischen Licht und Finsternis leben.

Das ist das große Erlebnis vor dem Hüter der Schwelle: daß wir der Verlockung des Lichtes gegenüberstehen; der entselbstenden Gewalt der Finsternis gegenüberstehen. Licht und Finsternis wer­den moralische Mächte, die moralische Gewalt über uns haben. Und wir Menschen müssen uns sagen: Es ist gefährlich, das reine Licht, gefährlich, die reine Finsternis zu schauen. Und wir werden innerlich erst beruhigt an der Schwelle, wenn wir sehen, wie die mittleren Götter, die guten Götter, die Götter des normalen Fort­schrittes uns das Licht abdämpfen zum hellen Gelb, zur hellen Röte, und wenn wir wissen, daß wir nicht mehr für die Erde ver­loren sein können, wenn wir nicht das Licht gewahr werden, das uns im Erblenden verlockt, sondern wenn wir gewahr werden die Farbe im Geiste, die abgedämpftes Licht ist.

Und ebenso gefahrvoll ist es, sich hinzugeben der reinen Finster­nis. Und wir werden innerlich befreit, wenn wir nicht der reinen schwarzen Finsternis gegenüberstehen im Geisterland, sondern

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wenn wir gegenüberstehen der aufgehellten Finsternis in dem Vio­letten, in dem Blauen. Gelb und Rot sagen uns im Geisterland: Es wird das Licht dich nicht durch seine Verlockungen von der Erde hinwegheben können. Violett und Blau sagen uns: Es wird die Fin­sternis dich nicht in der Erde begraben können als Seele; du wirst dich halten können über demjenigen, was die Schwere der Erde auf dich auswirkt.

Das sind die Erlebnisse, wo Natürliches und Moralisches in eins verwachsen, wo Licht und Finsternis wesenhaft werden. Und ohne das, daß Licht und Finsternis wesenhaft werden, werden wir nicht gewahr die wirkliche Natur des Denkens. Daher sollen wir die Worte hören, die der Hüter der Schwelle spricht, indem wir ihm begegnen mit unserem selbständig gewordenen, im Seelenleben getrennten Denken:

Es kämpft das Licht mit finstren Mächten
In jenem Reiche, wo dein Denken
In Geistesdasein dringen möchte.
Du findest, lichtwärts strebend,
Dein Selbst vom Geiste dir genommen;
Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,
Im Stoff das Selbst verlieren.

Das ist das Gewahrwerden der Zweiheit, in die man hineingestellt ist und zwischen der man den Ausgleich, die Harmonie finden muß im Denken.

[Diese Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Es kämpft das Licht mit finstren Mächten
In jenem Reiche, wo dein Denken
In Geistesdasein dringen möchte.
Du findest, lichtwärts strebend,
Dein Selbst vom Geiste dir genommen;
Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,
Im Stoff das Selbst verlieren.

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Man muß solche Impulse, die aus solchen Worten kommen können, stark aufnehmen in das Denken, muß empfinden lernen am äuße­ren Lichte, an der äußeren Finsternis, wie dieses Licht eigentlich nur ertragen wird, wenn es zur Farbe abgedämpft wird. Und man muß sich dann zusammensuchen im geistigen Anschauen, wie das Denken versetzt wird in diesen Kampf zwischen Licht und Finster­nis: wie es, wenn es ins Licht kommt, gewissermaßen hingenom­men wird, aufgenommen wird, verwoben wird in das Licht; wenn es ins Finstere kommt, erlischt. Wollen wir in die Materie hinein, in die finstere Materie, erlischt uns das Denken. Dann lebt man sich in das Geistige hinein.

Und man muß, um solches zu erleben, meine Lieben, Mut haben, inneren Mut. Sagt man sich noch nicht, daß man Mut braucht, leugnet man sich ab, daß man Mut braucht, dann weiß man überhaupt nicht, um was es sich handelt. Dann denkt man, man braucht Mut, um sich einen Finger abschneiden zu lassen, aber man braucht keinen Mut, um das abgesonderte Denken hineinströmen zu lassen in jenen Strudel,von dem es ergriffen wird,wenn es an der Schwelle verstrickt wird in den Kampf zwischen Licht und Finsternis. Und da steht es immer drinnen. Nur bedeutet Erkenntnis, daß das­jenige, was immer ist, man auch gewahr wird.

In jedem wachen Augenblicke steht man mit seinem Denken drinnen in einer solchen Gefahr, daß es gewisse geistige Wesen­heiten auf uns benachbarten Weltenkörpern gibt, die da wissen, wie es möglich ist in jedem Zeitalter, in jedem Jahrhundert, daß für das Menschliche Licht über Finsternis oder Finsternis über Licht siegen kann.

Ja, meine Lieben, für den Menschen im gewöhnlichen Bewußtsein erscheint das Leben so gefahrlos wie für den Nachtwandler, der noch nicht angerufen worden ist: er fällt nicht herunter. Für denjenigen, der hineinschaut in das Leben, für den ersteht ein Kampf: und er kann gar nicht mit Bestimmtheit sagen, ob in hun­dert Jahren Licht oder Finsternis den Sieg davongetragen haben

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werden, ob das Menschengeschlecht auf der Erde überhaupt noch in einem menschenwürdigen Dasein dasein werde. Und er kann ganz gut wissen, warum sich solche Katastrophen in der bisherigen Entwickelung der Menschheit auf Erden nicht vollzogen haben.

Ich könnte noch einen anderen Vergleich gebrauchen. Wenn Sie einen Seiltänzer auf dem Seile sehen, dann haben Sie das Bewußt­sein, daß er jeden Augenblick herunterfallen kann nach links oder nach rechts. Daß Sie seelisch selber auf einem solchen Seile gehen - nach links und rechts abstürzen kann jeder Mensch seelisch -, davon ist im gewöhnlichen Leben kein Bewußtsein vorhanden, weil man links und rechts den Abgrund nicht sieht. Er ist aber da.

Das ist die Wohltat, die der Hüter der Schwelle den Menschen gewährt, daß er ihnen diesen Abgrund nicht sichtbar sein läßt, bis sie durch seine eigenen Ermahnungen für ihn vorbereitet sind. Das aber war auch immer das Geheimnis aller Mysterien zu allen Zei­ten, daß den Menschen gezeigt wurde dieser Abgrund und daß dadurch die Menschen in die Lage kamen, erst die Kräfte, die für die Erkenntnis der wirklichen Welt notwendig sind, sich anzu­eignen.

So wie es mit dem Lichte in bezug auf das Denken ist, so ist es mit der Wärme in bezug auf das Fühlen. Derjenige, der mit Bezug auf das Fühlen vor den Hüter der Schwelle hintritt, der wird ge­wahr, wie er in einen Kampf eintritt zwischen dem Warmen und dem Kalten: wie das Warme fortwährend verlockt unser Fühlen, denn es möchte dieses Fühlen in sich aufsaugen. Wie die Lichtwesen, die luziferischen Lichtwesen mit uns gewissermaßen von der Erde fortfliegen, zum Lichte wollen, so wollen die luziferi­schen Wärmewesen unser Fühlen aufsaugen in der allgemeinen Weltenwärme. Alles Fühlen der Menschen soll den Menschen ver­lorengehen und aufgesogen werden in der allgemeinen Weltenwärme.

Und verlockend ist das aus dem Grunde, weil vorhanden ist, was der die Einweihungswissenschaft Empfangende gewahr wird,

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wenn er mit seinem Fühlen vor die Schwelle hintritt: dann erschei­nen die Wärmewesen, die in Überfülle, im Überm aß dasjenige dem Menschen geben wollen, was eigentlich sein Element ist, in dem er lebt: die Wärme. Sie wollen sein ganzes Fühlen aufsaugen lassen von der Wärme. Das aber, indem es der Mensch gewahr wird - er tritt ja hin vor die Schwelle, diese Wärmewesen sind da, er wird warm, warm, warm, er wird ganz selber Wärme, er fließt über in die Wärme -, das ist eine Riesenlust, das ist das Verlockende. All das rieselt fortwährend durch den Menschen. Und all das muß man wissen. Denn ohne daß man weiß, diese Verlockung in der Wärmelust ist da, ist es unmöglich, daß man eine freie Aussicht in das Geisterland gewinne.

Und die Feinde dieser luziferischen Wärmewesen sind die ahri­manischen Kältewesen. Diese ahrimanischen Kältewesen, sie zie­hen den Menschen an, der sich noch ein Bewußtsein davon erhält, wie gefährlich es ist, in der Wärmelust zu verschweben. Er möchte in die gesundende Kälte eintauchen. Da gerät er in das andere Extrem: da kann die Kälte ihn verhärten. Und dann entsteht, wenn die Kälte in dieser Situation, in dieser Lage an den Menschen herantritt, dann entsteht unendlicher Schmerz, der gleich physi­schem Schmerz ist. Physisches und Psychisches, Stoffliches und Geistiges werden eins. Der Mensch erlebt die Kälte als sein ganzes Wesen in Anspruch nehmend,wie zerreißend in maßlosem Schmerz.

Daß das hinter dem Menschen steht, daß der Mensch eigentlich Fortwährend in diesem Kampf zwischenWärme und Kälte drinnen lebt, das ist dasjenige, was man sich als die Ermahnung des Hüters der Schwelle wiederum klarmachen soll in bezug auf das Fühlen.

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[Die zweite Strophe wird an die Tafel geschrieben; siehe auch Seite 139:]

Es kämpft das Warme mit dem Kalten
In jenem Reiche, wo dein Fühlen
Im Geistesweben leben möchte.
Du findest, Warme liebend,
Dein Selbst in Geisteslust verwehend;
Du kannst, wenn Kälte dich verhärtet,
Im Leid das Selbst verstäuben.

Mit dem Wollen taucht der Mensch in eine Welt ein, die uns anscheinend recht nahe liegt. Sie ist auch nahe. Es ist die Welt der Luft, die Welt, die unsern Atmungsprozeß unterhält. Man ahnt nicht, wie innig verwandt das menschliche Wollen mit dieser Luft ist, in der wir atmen, denn von unserem Atem hängt unser Wollen ab. Und in der Luft, meine Lieben, liegt Leben und Tod, liegt der belebende Sauerstoff, liegt der ertötende Stickstoff. Da haben wir es, ich möchte sagen, fast handgreiflich. Und der Chemiker sagt mit seiner schrecklichen, unwahren Abstraktion: Die Luft besteht aus Sauerstoff und Stickstoff. - Ja, solange man im gewöhnlichen Bewußtsein verweilt, sagt man: Sauerstoff und Stickstoff. Tritt man hin an den Hüter der Schwelle, so wird einem klar: Sauer­stoff, das ist ja die Offenbarung von lauter Geistwesen, denjenigen Geistwesen, die dem Menschen das Leben geben. Stickstoff, das ist ja die äußere Offenbarung von lauter Geistwesen, denjenigen Geistwesen, die dem Menschen den Tod geben, auch den Tod, der in jedem Augenblicke unseres wachen Lebens, in dem wir denken, in dem wir das Seelenleben entwickeln, partiell abtötend, in uns abbauend ist.

In der Luft ist ein Kampf: da kämpfen die luziferischen Sauer­stoffgeister mit den ahrimanischen Stickstoffgeistern. Die Luft besteht, solange man nicht an die Schwelle hingetreten ist, aus jenen Abstraktionen, die der Chemiker kennt: aus Sauerstoff und Stick­stoff. Tritt man an die Schwelle hin, so besteht sie aus Ahriman

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und Luzifer, und der Sauerstoff ist die äußere Maske für Luzifer, der Stickstoff ist die äußere Maske für Ahriman. Und ein Kampf wird in der Luft gekämpft. Verdeckt ist dieser Kampf für das gewöhnliche, illusionäre Bewußtsein. Man tritt in ihn ein, wenn man an die Schwelle herantritt.

Und da wiederum wird, wenn man erfassen soll dasjenige, was in den Sauerstoffgeistern lebt, was in dem Lebenselemente lebt, wenn man sein Wollen verbinden will mit Geistesschaffen, wenn man will von den Sauerstoffgeistern bewegt werden zu wackerem, immer wackererem Schaffen, da tritt die Gefahr ein, daß man hin­genommen wird mit seinem ganzen Schaffen vom Geistesschaffen, daß man aufhört, ein Mensch zu sein, daß dasjenige, was man an Kraft zum Wollen hat, von der geistigen Welt, der luziferischen Welt, für sich in Anspruch genommen wird.

Und wendet man sich jetzt nach der entgegengesetzten Seite, dann locken die Stickstoffmächte, die ahrimanischen. Dann lockt dasjenige, was als Tod im Luftelemente waltet. Da bleibt einem nicht der Tod nur dasjenige, was man bloß im Physischen schaut, mit dem man aber nicht verwandt wird. Wird man verwandt mit dem Tode, fängt man an, den Tod als etwas zu betrachten, mit dem man sich einen will, dann kommt man nicht von ihm wieder los. Während im Lebenselemente die Geister einen ergreifen wollen, so daß ihre Taten aufnehmen die Taten der Menschen, wird man geworfen - nach der entgegengesetzten Seite, nach Seiten der ahri­manischen Stickstoffgeister -, wird man geworfen in das Nichts des Lebens. Man will im Tode sein Tun entfalten, man will im Tode handeln, im Nichts handeln. Man krampft, statt daß man handelt, man verkrampft im Selbst.

Wiederum ist der Mensch zwischen diese zwei Gegensätze hin­eingestellt, die er gewahr werden muß in bezug auf sein Wollen.

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[Die dritte Strophe wird an die Tafel geschrieben:]

Es kämpft das Leben mit dem Tode
In jenem Reiche, wo dein Wollen
Im Geistesschaffen walten möchte.
Du findest, Leben fassend,
Dein Selbst in Geistesmacht verschwinden;
Du kannst, wenn Todesmacht dich bändigt,
Im Nichts das Selbst verkrampfen.

Meine Lieben, und wenn der Mensch nun sagt: Da möchte ich ja lieber fliehen vor dem Erkennen! Warum soll ich mir das antun, daß ich hintrete vor den Hüter der Schwelle, wenn dasjenige, was sonst wohltätig dem Menschen verhüllt ist, nun vor mir auftritt? Kann es ersprießlich sein dem Menschen, daß er diese furchtbaren Wahrheiten gewahr wird? - Es ist naheliegend, daß des Menschen Bequemlichkeit diesen Einwand macht, namentlich ihn macht, in­dem gefragt wird: Was soll man mit solchenWahrheiten anfangen? Wenn einem das gesagt wird, so wird einem ja etwas gesagt, was man lieber nicht wissen möchte.

Aber, meine lieben Freunde, die Aufgabe der gegenwärtigen Zeit ist diese, daß der Mensch eindringe in die Wirklichkeit, daß der Mensch nicht feige zurückschrecke vor der Wirklichkeit, daß er eindringe in die Wirklichkeit, damit er sich vereinigen kann mit dem, was doch sein Wesen ausmacht. Denn wir können ja nur, solange wir dieses kurze Erdenleben durchmachen, unseren Kopf in den Sand stecken und nichts wissen von diesen Wahrheiten; das dürfen wir aber nicht mehr, wenn wir nun eintreten in ein anderes Zeitalter, in dem der Mensch nur dann gedeiht nach dem Tode, wenn er sich hier im Erdenleben ein Bewußtsein von dem aneignet, was er nach dem Tode erleben wird.

Und wie wird es sein nach dem Tode? Wenn der Mensch durch die Todespforte tritt, noch indem er unerlöscht hat sein Bewußt­sein, zurückblickt und der Rückblick ihm anfängt bewußt zu werden,

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so raunen geistige Wesenheiten in diesen Rückblick hinein, so daß es als ein leiser Nebenton da ist. Man schaut zurück - die paar Tage nach dem Tode, in denen der Ätherleib sich auflöst im all­gemeinen Weltenäther -, man schaut zurück noch, schaut die Bil­der des verlebten Erdenlebens; da raunen gewisse Geister hinein:

Es kämpft das Leben mit dem Tode
In jenem Reiche, wo dein Wollen
Im Geistesschaffen walten möchte.
Du findest, Leben fassend,
Dein Selbst in Geistesmacht verschwinden;
Du kannst, wenn Todesmacht dich bändigt
Im Nichts das Selbst verkrampfen.

Jetzt weiß man, das ist eine Realität; denn das eine oder das andere kann einem, wenn man nicht die Richtung mittendurch findet, sondern die Richtung links oder rechts findet, geschehen.

Und wiederum, wenn man hindurchgegangen ist durch die Zeit des SchI afens nach dem Tode, die nicht lange dauert, eintritt in das Bewußtsein, wo man durchwandert - in einer Zeit, die ein Drittel des Erdendaseins ausmacht-, durchwandert das durchlebte Erden-leben, wie wir es beschrieben bekommen in den allgemeinen an­throposophischen Vorträgen, dann tritt an einen heran, da wo das Bewußtsein dieses Rückwärtslebens beginnt, eben dieses Erleben. Aber immer wieder und immer wiederum treten, ich möchte sagen, an Meilensteinen dieses Erlebens die mahnenden Geister auf und sprechen zu uns:

Es kämpft das Warme mit dem Kalten
In jenem Reiche, wo dein Fühlen
Im Geistesweben leben möchte.
Du findest, Wärme liebend,
Dein Selbst in Geisteslust verwehend;
Du kannst, wenn Kälte dich verhärtet,
Im Leid das Selbst verstäuben.

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Gedenkend dieses, habe ich so manchem, der da gefragt hat, wie er sich den Verstorbenen gegenüber, die ihm nahegestanden haben, verhalten soll, geraten, jene Gedanken an die Verstorbenen zu richten, die zum Beispiel den Sinn haben: Meine Liebe wandle zu dir, daß sie wärme deine Kälte, lindre deine Wärme -, weil wäh­rend des ganzen nach rückwärts gelenkten Lebens dieses Warme und Kalte jene Rolle spielt. Aber uns wird es auch zugerufen, daß es jene Rolle spielt die ganze Zeit über. Die Dinge sind eben durch­aus Realitäten.

Und wenn wir dann übertreten aus diesem Rückwärtserleben in jenes Erleben, wo wir im freien Geisterlande sind, uns vorberei­tend für das nächste Erdenleben, dann treten wiederum an diesen Meilensteinen dieses Erlebens die mahnenden Geister auf und rufen ohne Ende uns zu:

Es kämpft das Licht mit finstren Mächten
In jenem Reiche, wo dein Denken
In Geistesdasein dringen möchte.
Du findest, lichtwärts strebend,

- da ist das Streben eine rechte Realität: man kann rechts, man kann links gehen -

Dein Selbst vom Geiste dir genommen;
Du kannst, wenn Finstres dich verlockt,
Im Stoff das Selbst verlieren.

Meine lieben Freunde, als der Mensch noch ein instinktives Hell­sehen hatte, da war es so, daß wenn er durch die Todespforte ging, er gerade durch dieses instinktive Hellsehen Worte, die ihm so ge­sprochen werden an den drei Stationen seines Lebens nach dem Tode, verstehen konnte. In dem Zeitalter, durch das der Mensch durchgehen mußte, um sich die Freiheit zu erringen, wurde es ihm immer weniger und weniger möglich, dasjenige, was ihm da zugerufen

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wurde, zu verstehen. Und jetzt leben wir in jenem Zeit­alter, in dem die Menschen, wenn sie nicht während des Erden­lebens aufmerksam gemacht werden auf den Sinn dieser Worte, diese Worte zugerufen erhalten in der Geistessprache und sie nicht verstehen.

Das ist es aber, was passieren kann dem Menschen, wenn er der Zukunft entgegenlebt, daß er durchgehen muß durch eine Welt, in der ihm entgegengerufen werden diese Worte, und er sie nicht ver­stehen kann und alle Qualen des Nichtverstehens durchleben muß. Und alle diese Qualen dieses Nichtverstehens, was bedeuten sie? Sie bedeuten das immer stärkere Überhandnehmen der Angst in der Seele, den Zusammenhang mit den schaffenden Geistes-mächten zu verlieren und am Ende der Tage nicht anzukommen bei denjenigen Mächten, denen man das Dasein verdankt, sondern bei fremden Mächten zu verlieren seinen Menschenursprung.

In die Esoterik eindringen bedeutet eben durchaus, meine Lie­ben, nicht einen bloßen Unterricht, nicht eine bloße Theorie, be­deutet: an sich herannehmen eine ernste Angelegenheit des Lebens. Und wer in Esoterik eintaucht, taucht nicht in Lehre, nicht in Theorie ein, taucht in das Leben ein. Das Leben, das unsere Sinne gewahr werden, es ist nur die äußere Offenbarung; hinter dem ist in jeder Stunde die geistige Welt. Wir dringen nicht in sie, wenn wir uns verschließen vor demjenigen, was in solchen Worten liegt. Vertiefen wir uns aber meditierend in solche Worte, dann erstarkt unser Denken, Fühlen und Wollen, dann wird unser Denken, Füh­len und Wollen in die Lage kommen, den Geist, in den wir ein­dringen müssen als Mensch, den Geist wirklich zu ergreifen.

Die Fortsetzung dann am nächsten Freitag. Morgen und über­morgen ist dann um acht Uhr der allgemeine anthroposophische Vortrag, Sonntag um fünf Uhr eine Eurythmie-Vorstellung.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 139 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 139
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SECHSTE STUNDE Dornach, 21. März 1924

Meine lieben Freunde! Es sind ja die Wahrheiten, die der Mensch lernen kann von dem Hüter der Schwelle, an die wir in diesen gegenwärtigen Betrachtungen her antreten. Und dasjenige, was die fortwährende Ermahnung des Hüters der Schwelle ist, besteht ja darinnen, daß der Mensch gewahr werde, wie er im geistigen Leben seelisch vorwärtskommt, wenn er sich zum Bewußtsein bringt sein wahres Verhältnis zur Welt.

Das wahre Verhältnis zur Welt zum Bewußtsein bringen: Der Mensch lernt zunächst die Welt kennen, indem er um sich herum sieht die Reiche der Natur, jene Reiche der Natur, die außer seiner eigenen Wesenheit liegen. Der Mensch lernt kennen das Tierreich, das Pflanzenreich, das Mineralreich. Er wird aufgefordert durch das Verhältnis, das sich ihm zunächst darbietet, Pflanzen, Tiere, Mineralien kennenzulernen, sie wohl auch zu bewundern, sich ihrer zu bedienen zur Ausführung seiner Willensimpulse, und so weiter, und so weiter. Der Mensch lernt diese ganze Welt als seine Außenwelt kennen und wird im gewöhnlichen Bewußtsein nur wenig gewahr, wie er nun eigentlich aus dieser ganzen Welt heraus gewachsen ist, wie es in ihm eine tiefe Verwandtschaft gibt zu die­ser ganzen Welt.

Allein man kann auch nicht, wenn man nur den Blick herumschweifen läßt über diese äußere Welt, diese Verwandtschaft mit den Reichen der Welt fühlen. Man muß vorschreiten zu einem selbsterkennenden Sichhineinfühlen in die Welt. Und dann darf man gar nicht, wenn man zu diesem selbsterkennenden Sich­hineinfühlen in die Welt kommen will, dann darf man gar nicht, meine Lieben, stehenbleiben dabei, die Dinge so anzusehen, wie sie sich dem äußeren Anblick darbieten; dann muß man zurückgehen zu demjenigen, was zwischen den Dingen sich offenbart.

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Seit der neueren Phase der Menschheitsentwickelung sieht man nur noch wenig hin auf dasjenige, was sich zwischen den Dingen offenbart. Man sieht auf die äußeren Wesenheiten der drei Reiche der Natur. Aber Ihnen, meine Lieben, ist ja bekannt, daß man als reale Wesenheit zunächst hinter den Reichen der Natur zu sehen hat dasjenige, was man die Welt der Elemente nennt.

Wir können sagen: Unsere Füße setzen auf auf den Boden der festen Erde.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Erde

Und dasjenige, was unsere Füße als feste Erde trägt, das sendet ja auch seine Substanz hinein in Tiere, in Pflanzen, in Mineralien, auch in unseren physischen Menschenleib. Und wenn wir unseren Blick erheben von dem Boden, den unsere Füße betreten, wenn wir gewissermaßen auf dasjenige hinblicken, was mit uns von gleicher Höhe ist, so ist ja da nicht etwa bloß das Luftartige vorhanden, sondern das Luftartige ist immer durchsetzt von dem Wäßrigen. Zwar ist die Lebensweise des Menschen auf der Erde so geworden, daß er dieses Wäßrige nur in der feinen Auflösung der Luft um sich herum empfindet und es zu seinem eigenen Gebrauche im Organis­mus erst verdichten muß; aber man kann doch sagen: der Mensch lebt in diesem wäßrigen Elemente.

[Über «Erde» wird angeschrieben:]

Wasser

Und er lebt dann im luftförmigen Elemente, in dem er ja seine Atmung zu vollziehen hat.

[Über «Wasser» wird angeschrieben:]

Luft

In dem Augenblicke, wo wir auf diese Elemente hinschauen, kön­nen wir nicht so sagen, wie wir sagen müssen gegenüber den Wesen­heiten der Naturreiche, die wir in scharfen Konturen vor uns sehen. Wir sehen die einzelnen festen Körper scharf konturiert.

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Aber vom Festen als solchem, vom Erdigen, können wir nur sagen, daß wir in ihm leben. Wir sind zu verwandt mit dem Erdigen, als daß wir es besonders unterscheiden würden. Dasjenige, was zu uns selber gehört, das unterscheiden wir ja nicht von dem anderen. Ein Tisch, ein Stuhl, die außer uns stehen, die unterscheiden wir von uns. Dasjenige,was in uns ist, das schauen wir nicht als ein Begrenz­tes an. Wir schauen unsere Lunge, unser Herz nicht als Begrenztes an uns selber an. Nur wenn wir es ebenso wie ein Außending zum Objekte machen, in der Anatomie, schauen wir uns an. Aber eben­so wie wir verwandt sind mit unserem eigenen Leibe, so sind wir in einem größeren Umfange verwandt mit demjenigen, was die Elemente sind. Wir leben in Erde, wir leben in Wasser, wir leben in Luft, wir leben in Wärme. Die gehören zu uns. Sie stehen uns zu nahe, um sie völlig innerhalb der Welt als scharf Konturiertes zu verstehen.

Legen wir uns einmal vor dasjenige, was da als elementarische Welt um uns herum und zugleich in uns ist, so daß wir es als Inhalt derWelt und als Inhalt von uns selbst betrachten müssen: Da haben wir eben dasjenige, was wir als Erde bezeichnen, dasjenige, was wir als Wasser bezeichnen, dasjenige, was wir als Luft bezeichnen, was wir als Wärme bezeichnen.

[Über «Luft» wird angeschrieben:]

Wärme

Wenn wir weiter hinaufgehen aus dem dichteren Substantiellen ins Ätherische, von der Wärme, die ja schon ätherisch ist, so kom­men wir ins Licht

[Über «Wärme» wird angeschrieben:]

Licht

und in dasjenige, was wir mit einem trockenen, abstrakten Aus­drucke immer den chemischen Äther und seine Wirkungen genannt haben. Wir wollen das heute, weil dadurch die Ordnung der Welt hervorgerufen wird, die Gestaltung der Welt hervorgerufen wird,

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wir wollen den großen Chemismus des Kosmos einmal als Weltgestaltung bezeichnen. Es ist schwer, dafür einen richtigen Aus­druck zu finden:

[Über «Licht» wird angeschrieben:]

Weltgestaltung

Und wir wollen dasjenige, was dann im Ätherischen als das Höch­ste zu bezeichnen ist, das Weltenleben nennen: Lebensäther, Wel­tenleben:

[Über «Weltgestaltung» wird angeschrieben:]

Weltenleben

Nun werden Sie aber schon aus der letzten Klassenstunde hier, meine Lieben, die Anschauung empfangen haben, daß der Mensch, so wie er auf der Erde lebt, eigentlich nicht in allen diesen Elemen­ten in gleicher Art mit seiner inneren Verwandtschaft drinnensteht. Eigentlich lebt der Mensch innerlich voll verwandt nur in dem Element der Wärme. [Das Wort «Wärme» an der Tafel wird rot angekreuzt.] Es ist notwendig für den geistigen Fortschritt, sich einer solchen Sache voll bewußt zu sein.

Bedenken Sie nur, wie unmittelbar, so recht unmittelbar Sie Wärme und Kälte als Ihr Eigenes empfinden. Sie machen ja ganz stark mit den Unterschied von Wärme und Kälte. Schon dasjenige, was zum Beispiel im Luftkreis vor sich geht, machen Sie nicht in einer so unmittelbaren Weise mit. Wenn die Luft schlecht oder gut ist, merken Sie das erst ganz mittelbar an der Wirkung auf Ihren Organismus. Und ebenso ist es bei den Wirkungen des Lichtes. Dennoch steht der Mensch Luft und Licht noch außerordentlich nahe. [Die Worte «Luft» und «Licht» werden an der Tafel gelb angekreuzt.] Außerordentlich nahe steht er ihnen.

Aber schon dem wäßrigen Elemente unter den dichteren Ele­menten steht der Mensch, trotzdem er mit ihm verwandt ist, ver­hältnismäßig ferne. Und doch, es bedeutet das wäßrige Element

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etwas, was durchaus mit dem Menschenleben tief verwandt ist. [Das Wort «Wasser» wird bläulich angekreuzt.] Schauen Sie nur einmal hin, meine lieben Freunde, auf einen recht lebendigen Angsttraum, und untersuchen Sie, wie solch ein Angsttraum sich in Ihrer Transpiration, in der Absonderung des wäßrigen Elemen­tes zeigt, wie er sich darinnen offenbart. Merken Sie, wie das wäß­rige Element überhaupt eine Rolle spielt im Schlafe, welche be­deutsame Rolle da spielen kann die Absonderung des wäßrigen Elementes. Der Mensch lebt im wäßrigen Elemente. Dasjenige, was in seiner Umgebung aufgelöste Flüssigkeiten sind, hat eine große Bedeutung für ihn, aber keine so unmittelbare wie die Wärme. Gleich wenn es kalt wird oder warm wird, fühlt das der Mensch als sein Eigenes. Er wird mit kalt, er wird mit warm. Daß zum Bei­spiel, wenn wir in einen Nebel eintreten, diese Nebelbildung einen ebenso bedeutenden, aber indirekten Einfluß auf unser Menschenwesen hat, das merkt das gewöhnliche Bewußtsein nicht so stark. Es ist so: Treten wir in eine Nebelbildung ein, dann verschwimmt gewissermaßen unser eigenes wäßriges Element mit dem wäßrigen Elemente der Außenwelt. Und wir fühlen dann an diesem sanfte­ren Übergang von unserem eigenen wäßrigen Element in das wäß­rige Element der Außenwelt - anders als beim Übergang unseres wäßrigen Elementes in trockene äußere Luft -, wir fühlen bei die­sem Übergang, wie wir zusammenhängen mit dem ganzen Kosmos. Trockene Luft läßt uns mehr innerlich als Mensch empfinden, wäßrige Luft läßt uns unsere Abhängigkeit zum Kosmos fühlen. Nur haben wir heute keine Schulung in diesen Dingen. Ich habe einmal in einem Zyklus im Haag, der ja auch gedruckt ist, über diese Abhängigkeiten des Menschen von den Elementen im einzel­nen gesprochen. Sie sind da, und es gehört zum esoterischen Leben, sich dieser Abhängigkeiten praktisch bewußt zu werden.

Noch tiefer, möchte ich sagen, im Unterbewußten liegt das Ver­hältnis des Menschen zum erdigen Elemente. [Das Wort «Erde» wird bläulich angekreuzt.] Was weiß viel der Mensch von seinem

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Verhältnis zum erdigen Elemente? Er weiß, daß Salz sauer ist, daß Zucker süß ist. Die gehören zum erdigen Elemente. Aber was Salz und Zucker in seinem Organismus für besondere Metamorphosen durchmachen, wie er in Verbindung steht mit dem Kosmos im Auf­lösen des Zuckers oder des Salzes innerhalb seines Organismus, wie gewisse Kräfte aus dem Kosmos hereinwirken in den Organismus, wenn die Süßigkeit des Zuckers durch unseren Leib rollt, oder die Salzigkeit des Salzes durch unseren Leib rollt, das merkt ja der Mensch nur an diesem geringfügigen Reflex des Salzigen und des Süßen für seinen Geschmack. Das sind Prozesse tiefgehender Art, die sich da abspielen. Die ganze Welt sozusagen hat für gewisse Kräfte ihre Tore geöffnet, wenn der Mensch Zucker auf der Zunge löst und in den Organismus überführt.

Wiederum ist es so, daß, während also diese dichteren Elemente einen indirekten Einfluß auf den Menschen haben, auch die äthe­risch dünnen Elemente, Weltgestaltung und Weltenleben, einen indirekten Einfluß auf den Menschen haben, einen verborgenen Einfluß. [Die Worte «Weltgestaltung» und «Weltenleben» werden bläulich angekreuzt.]

Der offenbarste Einfluß des Menschen geht von dem mittelsten Elemente, der Wärme, aus. Stark vorhanden, auch für das gewöhn­liche Bewußtsein, sind noch die Einflüsse von Licht und Luft. Aber im Unbewußten liegen die Einflüsse auf der einen Seite von Wasser und Erde, auf der anderen Seite von Leben und chemischer Gestal­tung der Welt, chemischer Gestaltung im Kosmos. Daher ist es auch so, daß der Mensch während seines Erdenlebens sich bewußt sein soll, daß er in diesen mittleren Elementen [Luft, Wärme, Licht] eigentlich lebt mit seinem Menschtum und daß seinem Bewußt­sein sich entzieht sein Verhältnis zu Wasser und Erde und zurWelt­gestaltung und dem Weltenleben

Daher war es immer so, daß, als noch das alte instinktive Be­wußtsein geherrscht hat, dem immer eine Nuance von Hellsichtig­keit beigemischt war, daß da in den Mysterien die Schüler auf einer

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bestimmten Stufe ihrer Entwickelung die Mahnung erhielten: Ver­trauet dem Feuer, vertrauet der Luft, vertrauet auch dem Licht; doch werdet vorsichtig der Unterwelt gegenüber, dem Wasser, der Erde; werdet vorsichtig der Oberwelt gegenüber, der Welten­gestaltung und dem Weltenleben Denn weil die Beziehungen da so stark ins Unbewußte hineingestellt sind, treten auf die Verlockun­gen Luzifers in Weltenleben und Weltgestaltung, und es treten auf die Verführungen Ahrimans von Erde und Wasser.

[Es werden die Worte «Luzifer» und «Ahriman» angeschrieben; das Schema ist jetzt vollständig:]

Weltenleben x Luzifer
Weltgestaltung x
Licht x
Wärme x
Luft x
Wasser x Ahriman
Erde x

Und die esoterische Anleitung hat nun immer in den Mysterien auch darinnen bestanden, daß der Mensch das richtige Verhältnis finden sollte zu diesen Elementen, in richtiger Weise seine Ver­wandtschaft mit den Elementen fühlen sollte. Wenn der Mensch zum imaginativen Leben aufsteigt, dann fühlt er gerade dieseVer­wandtschaft mit den Elementen. Im gewöhnlichen Bewußtsein:

Wir schauen hinaus, lernen kennen als außer uns stehend Tierheit, Pflanzheit, Mineralsein. Lernen wir aber kennen die Elemente in ihrer Verwandtschaft mit uns: Wir dürfen ja dann nicht hinaus-schauen in die Welt, sondern wir müssen erfühlen, erleben das­jenige, was in uns und in der Welt zugleich ist.

Dann können wir, wenn wir ins imaginative Leben aufsteigen, unsere Verwandtschaft mit dem Erdigen fühlen. Da machen wir uns dann, wenn wir in der richtigen Weise dieses Gefühl entwikkeln,

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ein intensives Geständnis. Und in dem Selbstgeständnisse-Machen besteht ja eigentlich die fortschreitende, wirkliche, wahre Selbsterkenntnis des Menschen. Man wird gewahr: Eigentlich ist man zunächst nur Mensch, wenn man gewissermaßen entlassen ist aus der Welt, mit der man innerlich zusammenhängt, in diese Welt der Erde, in der man einsam steht, wo Pflanzheit, Tierheit, Mine-ralsein außer uns im Fremden liegt. Wird man durch eine imagina­tive Erkenntnis gewahr seine Verwandtschaft mit der Erde, dann fühlt man sich nicht mehr in seiner Menschheit, dann fühlt man sich in seiner Tierheit, dann fühlt man die innige Verwandtschaft des Menschen mit dem ausgebreiteten Wesen der Tierheit.

Und fühlt man sich eins mit dem Wassersein auf Erden, dann wird man gewahr: Du bist ja eigentlich verwandt mit der Pflanz­heit. Es ist etwas in dir, was so schlafend, so träumend in der Welt ist wie die Pflanzheit.

Und wird man gewahr seiner Verwandtschaft mit der Luft, dann fühlt man das Mineralsein in sich. Dann fühlt man, wie wenn etwas vom Mineralischen einen ganz, durch die ganze Haut, er­füllte.

Man fühlt sich, sobald man in die Elementenwelt eintritt mit der Imagination, verwandt mit Tier, Pflanze, Stein. Und man fühlt anders gegenüber diesen Reichen der Natur, wenn man sich so selbst ihnen angehörig fühlt. Man fühlt die innige Verwandtschaft, die man mit diesen Reichen hat, etwa in der folgenden Weise.

Man schaut hinaus auf das Tierreich. Man schaut die trägen Tiere, die langsam einen Schritt nach dem anderen machen. Man schaut die regsamen Tiere, die flatternden Vögel. Man schaut alles dasjenige, was in der Tierheit so in Bewegung ist, daß es aus dem Eigenwesen heraus die Welt mit Bewegung erfüllt. Dann sagt man sich: In alle dem, was da aus dem innersten Wesen der Tierheit heraus sich regt, ist ja dasselbe ersichtlich, dasselbe offenbar, wie dein eigener Wille. Und man fühlt die Verwandtschaft des eigenen Willens mit der Tierheit.

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Aber man fühlt zugleich eines noch: man bekommt Furcht vor sich selber. Und das ist es, was man so gerne möchte, daß gerade derjenige, der in ein esoterisches Leben eintritt, fühle diese Furcht vor sich selber, nicht damit er in ihr steckenbleibe, sondern damit er sie verwandeln könne in eine höhere Seelenkraft. Aber es ist schon so, wenn man gewahr wird, daß eigentlich diese Menschen-gestalt in uns nur dadurch da ist, daß wir einsam dastehen und die Reiche der Natur außer uns sind, wie wir sie nach außen hin an­schauen können, dann fühlt man: Die Erde, so wie sie wirklich ist als Element, macht uns noch nicht zum Menschen, die macht uns zum Tiere. Da sind wir Tier. Von Erden wegen sind wir Tier. Und da das Erdige immer da ist, so ist immer die Gefahr vorhanden, daß wir in die Tierheit hinuntersinken. Und wenn man das nicht bloß mit abstrakter, theoretischer Erkenntnis, wie man's heute gewohnt ist, auffaßt, sondern wenn man es fühlt, dann bekommt man die Angst davor, in jedem Augenblicke in die Tierheit hin­unterfallen zu können. Aber gerade diese Angst muntert einen auf, sich immerfort erheben zu wollen über diese Tierheit, herauszu-treten aus dem elementarischen Leben in das Leben, das uns zwar mit der fremden Welt umgibt, das uns zugleich aber in das Mensch­liche hereinführt. Fühlend zu erkennen sein Verhältnis zu der Welt, das ist dasjenige, was in die wirkliche Esoterik hineinführt.

Und wiederum, wenn man fühlt seine Verwandtschaft mit der Wasserwelt, mit dem Wasserelemente, dann wird man gewahr:

von Wasser wegen wären wir nicht Menschen, wären wir Pflanzen. Und unser Gefühl, das ja ein träumendes Wesen hat, wie ich Ihnen oftmals auseinandergesetzt habe, meine Lieben, unser Gefühl hat fortwährend die Tendenz, pflanzenhaft zu sein. Versuchen Sie, gerade sich zu vertiefen in die intimsten, in die leisesten Gefühle, Sie werden empfinden können das Pflanzenhafte des Gefühls-lebens. Und dann werden Sie das Gefühl bekommen: Es droht Ihnen nicht nur die Gefahr, hinunterzusinken in die Tierheit, son­dern auch die Gefahr, mit gelähmtem Bewußtsein dahinzuleben

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wie eine Pflanze, wie schlafend, träumend. Aber dieses Gefühl der Lahmheit, das in den Tiefen des Bewußtseins sitzt, das muß sich umwandeln in das Gefühl, sich zu erwecken für das Menschen-dasein. Die Furcht vor der Tierheit muß sich umwandeln in den Mut, sich selber zum Menschen zu erheben. Das Gefühl der Lahm­heit im Pflanzensein muß sich umwandeln zum inneren Weckruf, zur inneren Kraft, sich selber in der Welt zum erwachten Menschen zu bringen.

Und wird man gewahr, wie man lebt im Luftwesen, dann, wenn man das gewahr wird, dann schaut man, wie eigentlich alles Den­ken - das wissen ja die Menschen nicht -, aber wie eigentlich alles Denken nichts anderes ist als ein verfeinertes Atmen. Denken ist verfeinertes Atmen. Die Gedanken, in denen wir leben, sind durch­aus ein verfeinerter Atmungsprozeß. Der Einatmungsstrom, das Atmunghalten, das Ausatmen, sie wirken, ich möchte sagen, im groben auf der einen Seite hinein in unsere Blutzirkulation, auf der anderen Seite aber verfeinert in das Vibrieren der Gehirn-Organe. Und wie da das Atmen verläuft, das ist Denken in der physischen Welt; sublimiertes Atmen ist Denken.

Wer zur Imagination vorschreitet, der glaubt ja gar nicht mehr an dieses abstrakte Denken, das da wie irgend etwas ganz Dünnes im Gehirn lebt. Wer zur Imagination vorschreitet, der empfindet die Einatmung, das Ausbreiten des Atems im Gehirn; er fühlt, wie der Atem sich ausbreitet. Wenn der Atem sich so ausbreitet, daß er sich gewissermaßen schließt, entstehen die geschlossenen Begriffe, die geschlossenen Vorstellungen. Wenn der Atem ein anderes um­schließt und wellig wird, entstehen die Vorstellungen des Sich-bewegens. Es ist nur ein verfeinerter Atmungsprozeß, der durch uns webt und wellt, was wir als Vorstellen, als Denken bezeichnen.

Aber gerade so, wie man fühlt: ich atme ein, ich ziehe den Atem bis hinauf in das Gehirn, ich lasse den Atem stoßen an mein Ohr, so fühlt man: er lebt mir als Gedanke aus dasjenige, was ich als Ton, was ich als Schall, was ich als Klang höre; ich lasse den Atem

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stoßen in mein Auge: er lebt mir aus, was ich als Farbe sehe. Es ist ja die innere Sprache des Atmens, was als Vorstellung wirkt. Wenn der Atem, ganz verfeinert, an die Sinnesorgane stößt, macht er die Vorstellungen. Aber wird man das gewahr, wird man sich gewis­sermaßen als Denker und zugleich als Atmer gewahr, dann fühlt man diese zum Denken verfeinerten Atmungsprozesse wie ein organisiertes Mineral, wie einen organisierten Stein, der einen erfüllt.

Sie wissen, daß ja der Sauerstoff im Menschen in Kohlensäure sich verwandelt. Dieses Erfassen des Kohlenstoffes in den feineren Verzweigungen des Atmens im menschlichen Haupte, das stellt sich ja dar wie ein Abfangen der Kohlensäure. Das ist ein Minera­lisierungsprozeß. Und je mehr man in der Lage ist, sich innerlich zu vertiefen in das Abfangen des Kohlenstoffes durch den Sauer­stoff, um so mehr hat man den Mineralisierungsprozeß. Man er­greift die Kohle in sich, den Kohlenstoff, die Kohle. Und die Kohle ist der Stein der Weisen; nur eben innerlich im Menschen ist die Kohle der Stein der Weisen.

Lesen Sie nach bei alten instinktiven Hellsehern, wie sie den Stein der Weisen beschreiben. Sie werden überall finden, daß sie beschreiben: Der Stein der Weisen - die Menschen kennen ihn nur nicht -, er ist überall zu finden; man kann ihn überall erzeugen. Man kann ihn finden, wo er seine Fundstätten hat; er ist in der Erde zu finden. Es wird ganz genau beschrieben, wie man die Kohle erzeugt, indem man Holz verbrennt. Er kann überall er­zeugt werden, der Stein der Weisen. Kohle ist er. Er ist in den Kohlengruben der Kohlenbergwerke enthalten... [Lücken im Stenogramm; siehe Hinweis auf Seite 238] ein mineralischer Pro­zeß. Man fühlt sich innerlich versteint... in dem Vermineralisie­ren durch das im Lüftewehen Leben, wie man sich verpflanzt, also in der Pflanzenheit fühlt durch das im Wasserwesen Leben, wie man sich in der Tierheit fühlt durch das in der Erde Leben.

Das ist es, was der Hüter als Ermahnung dem Menschen gibt:

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sich bewußt zu werden dieser seiner Verwandtschaft mit den Rei­chen der Natur. Daher haben wir von dem Hüter der Schwelle diese Ermahnungen, die wie zum Menschen gesprochene Medita­tionssätze sind. Und wenn der Mensch sie mit tiefem Gefühl, mit ernster Empfindung auf sein Gemüt wirken läßt, dann wird er etwas gewahr von seiner Verwandtschaft mit dem Elemente der Erde, was verwandt ist mit seinem Willen; mit dem Elemente des Wassers, was verwandt ist mit seinem Fühlen; mit dem Elemente der Luft, die in dieser Weise, wie ich's Ihnen jetzt geschildert habe, verwandt ist mit seinem Denken, mit seinem Vorstellen.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Du steigst ins Erden-Wesenhafte
Mit deines Willens Kraftentfaltung

Das bleibt für das gewöhnliche Bewußtsein ganz unbewußt. Jedes­mal, wenn wir etwas wollen, steigen wir ins Erdenelement hinun­ter. Aber das gewöhnliche Bewußtsein weiß nichts davon. In dem Augenblicke, wo dieses Hinuntersteigen bewußt wird, dann ver­wandelt man sich selber vom Menschentum ins Tieretum, dann erscheint man sich als irgendeines der Tiere - wenigstens in der ätherischen Gestalt, die man dann schaut -, verwandt mit irgend­einer Tierheit. Man wird ja nicht gerade genau zum Elefanten oder genau zum Stiere, aber es wird so etwas aus einem für das Willens-element, das man mit Stierhaftem, Elefantenhaftem, Adlerhaftem und so weiter zum Ausdruck bringen kann.

[Es wird weitergeschrieben; siehe auch Seite 167:]

Betritt als Denker du das Erdenreich,
Es wird Gedankenmacht dir dich
Als deine eigne Tierheit zeigen

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Aber solche Ermahnungen des Hüters der Schwelle, meine Lieben, sind nicht dazu da, um sie als Begriffe, als Theorien aufzunehmen. Sie sind da, um vom ganzen Menschen erlebt zu werden. Schaut man nach dem, wohin der Wille tritt, wird man gewahr der eigenen Tierheit, dann erhält man vor dem Selbst Furcht, die sich aber ver­wandeln muß in Seelenmut. Dann kommt man weiter. Dann kommt man in die geistige Welt hinein.

[Es wird weitergeschrieben:]

Die Furcht vor deinem Selbst
Muß dir in Seelen-Mut sich wandeln.

Da haben wir den ersten Hinunterstieg, den Hinunterstieg in jenes Reich, wo so stark die ahrimanischen Kräfte wirken. Unser rechtes Verhalten wird uns geradezu angedeutet durch die eben an­gegebene Mahnung des Hüters der Schwelle:

Du steigst ins Erden-Wesenhafte
Mit deines Willens Kraftentfaltung;
Betritt als Denker du das Erdensein,
Es wird Gedankenmacht dir dich
Als deine eigne Tierheit zeigen;
Die Furcht vor deinem Selbst
Muß dir in Seelen-Mut sich wandeln.

Es ist in der Regel dasjenige, was wir als das Beste erhalten können zu unserem geistigen Fortschritte, hervorgehend aus etwas, was uns eigentlich herunterbringt. Wenn wir etwas, was uns herunterbringt, wie diese Furcht vor der eigenen Tierheit, wenn wir diese bezwingen, wenn wir sie verwandeln in eigenes inneres Tun, in

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Seelenmut, dann wird sie der Antrieb zu einer hohen Eigenschaft des Menschen. Die brauchen wir, um im Geistigen vorzurücken.

Den anderen Hinunterstieg in das Wasserwesen, wir lernen ihn durch folgende Mahnung des Hüters der Schwelle - denn die Worte, die ich Ihnen hier mitteile, sind die Worte des Hüters der Schwelle -, wir lernen ihn durch folgende Mahnung:

Du lebest mit dem Wasserwesen
Nur durch des Fühlens Traumesweben;
Durchdring erwachend Wassersein,
Es wird die Seele sich in dir
Als dumpfes Pflanzendasein geben;
Und Lahmheit deines Selbst
Muß dich zum Wachen führen.

Die Verwandlung ins Gegenteil von diesem schlafenden Fühlens­ Traumeswesen, wenn wir wirklich bewußt hinuntersteigen, wird zum Wecker in uns selber.

[Die zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Du lebest mit dem Wasserwesen
Nur durch des Fühlens Traumesweben;
Durchdring erwachend Wassersein,
Es wird die Seele sich in dir
Als dumpfes Pflanzendasein geben;
Und Lahmheit deines Selbst
Muß dich zum Wachen führen.

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Und wenn der Mensch seineVerwandtschaft fühlt mit dem Luftwesen, dann fühlt er schon im gewöhnlichen Bewußtsein auch seine Verwandtschaft genauer. Er steigt nicht so tief ins Unterbewußte hinunter. Aber trotzdem bleibt noch eine Spur von ahrimanischer Verführung auch in diesem Hinuntersteigen. Wir sind ja, wenn wir in unseren Erinnerungen leben, in unserem Gedächt­nisse leben, vorzugsweise in einer inneren Atmungstätigkeit. Wenn wir die gewöhnliche Atmung verfeinern zum Denken desjenigen, was in unserer Umgebung ist, dann ist allerdings kaum eine Gefahr vorhanden. Wenn aber Erinnerungen aufsteigen, der Atem von innen aus wirkt, dann ist noch immer eine Gefahr vorhanden, wenn diese Gefahr auch am leichtesten zu beobachten ist. Und dieses Hinuntersteigen aus dem Denken in das Sinnen, wo wir es vorzugsweise mit unseren Gedächtnisvorstellungen zu tun haben, das ist es, gegenüber dem der Hüter der Schwelle uns die folgende Mahnung gibt:

[Die dritte Strophe wird an die Tafel geschrieben:]

Du sinnest in dem Lüftewehen
Nur in Gedächtnis-Bilderformen;
Ergreife wollend Lüftewesen

Das kann man, meine Lieben, wenn man mit ebensolcher innerer Aktivität, mit Impulsivität einen Gedanken an den andern reiht, wie man das sonst gegenüber den äußeren Handlungen tut. Der Mensch ist gewöhnt, einen Stuhl von einem Orte zum andern zu stellen, indem er sich anstrengt. Der Mensch ist nicht gewöhnt, einen Gedanken von einer Stelle an die andere zu rücken. Er möchte nur denken am Leitfaden der äußeren Erscheinungen, wie sich ihm die Dinge geben. Er möchte, daß ihm das Buch die Folge der Gedanken zeigt; er möchte, daß ihm die Zeitung die Folge der Gedanken zeigt, und er ist beruhigt, wenn das der Fall ist. Das wäre geradeso, wie wenn Sie erwarten würden, daß alles dasjenige,

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was Sie eigentlich tun sollen in der äußeren Willensentfaltung, von einer objektiven Macht erst angeregt würde: wenn Ihnen der Arm bewegt werden sollte, damit Sie einen Stuhl ergreifen; wenn einer dastehen sollte als Geist und Ihnen fortwährend die Beine eines vor das andere stellen würde, damit Sie gehen können. In bezug auf sein Denken ist ja der Mensch so, wie er wäre, wenn er darauf rechnete, daß ihm ein Bein vor das andere gestellt würde, damit er gehen könnte.

[Es wird weitergeschrieben, nachdem die zuletzt angeschriebene Zeile «Ergreife wollend Lüftewesen» sprechend wiederholt wurde:]

Es wird die eigne Seele dich
Als kalterstarrter Stein bedrohn

- dieses Mineralisch-Werden -,

Wer nicht die Imagination kennt, weiß ja nicht, wie hart das gewöhnliche Denken ist. Das gewöhnliche Denken ist steinhart. Man fühlt wirklich das Denken mit Ecken und Kanten, wenn man einmal in die spirituelle Welt den Eintritt erlangt hat. Das Denken tut sogar weh, wenn es in seinen besonderen Abstraktionsformen auftritt. Wer spirituelles Leben hat, kann noch allenfalls mit dem­jenigen, was gedacht wird aus menschlichem Gefühle heraus, was gedacht wird aus menschlicher Impulsivität heraus, mitleben. Er kann selbst mitleben, wenn Hasses- und Zornesausbrüche aus menschlicher Wesenheit heraus in Gedanken sich äußern; aber er fühlt sich innerlich wie durch Ecken und Kanten verwundet, wenn ihm die abstrakten Gedanken der heutigen Zivilisation in seine Organisation hineingehen. Was gelitten werden kann an den heu­tigen Gedanken, das macht sich derjenige, der eben diesen Satz nicht kennt: «Es wird die eigne Seele dich als kalterstarrter Stein bedrohn», der macht sich das nicht klar. Aber wenn man bewußt hinuntersteigen wird in das Reich der Erinnerungen, in das Reich des Lüftewehens, wenn der Atem ergriffen wird vom Vorstellen

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aus, dann wird das so, wie ich es geschildert habe. Aber dieser innere Tod im Denken, dieser Kältetod, der muß wiederum uns anfeuern zu einer Gegenkraft, eben im Gedanken das Geistig-Lebendige aus innerer Kraft hervorzurufen.

[Es wird weitergeschrieben:]

Doch Deiner Selbstheit Kälte-Tod,
Er muß dem Geistesfeuer weichen.

Das sind die drei Ermahnungen gegenüber der Unterwelt, der Welt der unteren Elemente, die der Hüter der Schwelle an denjeni­gen, der an die Schwelle kommt, richtet, indem er ihm zeigt, wie der Mensch seine innere Verwandtschaft mit den drei Reichen der Natur gewahr werden muß, wenn er ein Erkennender werden will: wie er gewahr werden muß durch seine Verwandtschaft mit dem Erdenwesen seine Tierheit und damit das Wesen der Tiere seiner Umgebung; wie er gewahr werden muß durch seine Verwandt­schaft mit dem Wasserwesen seine eigene Pflanzenheit und damit das Wesen der Pflanzen seiner Umgebung; wie er gewahr werden muß durch seine Verwandtschaft mit dem Lufteswesen das eigene Mineralreich, das eigene Mineralwesen, das eigene Steinwesen, und damit die Wesenheit des Mineraireiches seiner Umgebung.

Furcht, Lahmheit,Tod müssen sich als die negativen Eigenschaf­ten dabei entwickeln, müssen sich aber metamorphosieren in die positiven, ins Geistige hineinführenden Eigenschaften von Seelen mut, von Weckekraft, Aufwachekraft, belebendem Feuer.

Das ist es auch, was der Hüter der Schwelle in demVorbeischrei­tenden hervorruft: erst das innere Angstesfühlen vor dem Hin­untersteigen in die Tierheit; dann das innere Ohnmachtfühlen in der Lahmheit des Pflanzenseins; dann aber die Sehnsucht, gegen­über dem auskühlenden, auskalten den Steinesdasein das belebende Feuer zu entwickeln.

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So lautet diese dreifache Ermahnung des Hüters der Schwelle:

Du steigst ins Erden-Wesenhafte
Mit deines Willens Kraftentfaltung;
Betritt als Denker du das Erdensein,
Es wird Gedankenmacht dir dich
Als deine eigne Tierheit zeigen;
Die Furcht vor deinem Selbst
Muß dir in Seelen-Mut sich wandeln.

Du lebest mit dem Wasserwesen
Nur durch des Fühlens Traumesweben;
Durchdring erwachend Wassersein,
Es wird die Seele sich in dir
Als dumpfes Pflanzendasein geben;
Und Lahmheit deines Selbst
Muß dich zum Wachen führen.

Du sinnest in dem Lüftewehen
Nur in Gedächtnis-Bilderformen;
Ergreife wollend Lüftewesen,
Es wird die eigne Seele dich
Als kalterstarrter Stein bedrohn;
Doch deiner Selbstheit Kälte-Tod,
Er muß dem Geistesfeuer weichen.

Und wie wir da [unterer Teil des Schemas, siehe Seite 147] in Ahrimans Reich kommen und durch den Hüter der Schwelle er­mahnt werden, wie wir uns erretten vor den Versuchungskünsten Ahrimans, so dringen wir auf der anderen Seite [oberer Teil des Schemas], indem wir im Erdenleben stehen und ins Esoterische hineinwollen, in Licht, Weltengestaltung, Weltenleben

Wir nehmen das Licht auf. Wir wissen gewöhnlich nicht un­mittelbar, daß das Licht, wenn es durch das Auge dringt, eben sich

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mit dem Atem verbindet - die Wärme liegt ja nur dazwischen -, der Atem der Luft verbindet sich mit dem Lichte [mittlerer Teil des Schemas] : Es entsteht die Vorstellung über der Wahrnehmung. Wir leben im Lichte, indem wir Gedanken uns bilden, ebenso, wie wir nach der anderen Seite, nach dem unteren Reiche, in der Luft leben, im Atem. Wir halten von dem Lichte die Gedanken zurück. Wir wissen nicht, daß die Gedanken in uns nur leben können, wenn sie am Lichte erleuchtet werden, wenn der Atem am Lichte er­leuchtet wird.

Für den, der zur Imagination aufsteigt, ist das Denken ein leises Atemverhauchen, das vom Lichte, das innerlich aufgenommen wird, durchleuchtet wird, durchglänzt wird, durchvibriert wird.

Da gehen die verdünnten Atmungswellen. [Es wird gezeichnet: Wellen.] Sie leuchten auf im Lichte [gelb]. Denn als Licht wird in der Geisteswissenschaft alles bezeichnet, was überhaupt durch die Sinne wirkt. Nicht nur das, was durch das Auge wirkt, auch das­jenige, was im Ton wirkt, ist Licht; auch dasjenige, was in der Tast­empfindung wirkt, insofern wir wahrnehmen, ist Licht. Das ganze Wahrgenommene durch die Sinne ist Licht. Aber wenn wir das gewahr werden, wie da dieses Denken, dieses Haben von Gedan­ken, feiner Atem ist, auf dem Licht wellt und webt - es ist ja wirk­lich so, wie wenn man die Meeresoberfläche sehen würde, und darauf, auf der Meeresoberfläche, das Sonnenlicht erglänzen sehen würde auf den Wellen [rot auf den gelben Lichtreflexen], aber wie wenn man da drinnen wäre, spüren würde, fühlen würde das We­ben in den Wellen, das Glänzen darauf -, so ist alles Wahrnehmen, wenn man es innerlich erlebt.

Da tritt die Verlockung Luzifers heran; denn das ist etwas un­geheuer Schönes, das ist etwas, was ungeheure Lust und ungeheures Wohlbehagen verbreitet. Eine wahre innere Wollust überkommt den Menschen. Er verfällt leicht den Verlockungen, den Ver­suchungen Luzifers, die ihn wegziehen wollen von der Welt, in die Schönheit dieser Welt hinein, die sie selber beherrschen. Sie wollen

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den Menschen entreißen den irdischen Elementen und ihn hinaufheben ins Engel-, ins Geisterreich, so daß er nach jedem Schlafe nicht mehr heruntersteigen will in den physischen Leib. Da tritt die luziferische Versuchung ein, so wie gegenüber den dichteren Elementen die ahrimanische Versuchung eintritt.

Aber da handelt es sich darum, daß wir die Mahnung des Hüters der Schwelle hören und uns nicht hineinbegeben in dieses Reich, ohne daß wir den festen Entschluß bewahren, alle Erdennöte nicht zu vergessen. Dann, dann wird das Band mit dem Erdensein, das wir doch durchwandern müssen, sich fest gestalten. Daher lautet die Mahnung des Hüters der Schwelle:

Du hältst von Lichtes-Scheines-Macht
Gedanken nur im Innern fest;
Wenn Lichtesschein in dir sich selber denkt,
So wird unwahres Geisteswesen
In dir als Selbstheitwahn erstehn;
Besinnung auf die Erdennöte
Wird dich im Menschensein erhalten.

[Die erste Strophe dieses Mantrams wird nun an die Tafel geschrieben:]

Du hältst von Lichtes-Scheines-Macht
Gedanken nur im Innern fest;
Wenn Lichtesschein in dir sich selber denkt,

- also der Mensch ganz verwandt wird durch die Imagination dem Schein des Lichtes, und die Gedanken nicht mehr in ihrer Abstrakt­heit hat, sondern als spielendes Licht über den Atmungswogen -

So wird unwahres Geisteswesen
In dir als Selbstheitwahn erstehn;
Besinnung auf die Erdennöte
Wird dich im Menschensein erhalten.

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Steigen wir weiter hinauf in das ätherische Element, dann wird die luziferische Verlockung schon intensiver. Da werden nicht nur unsere Gedanken, in denen wir uns verhältnismäßig noch leicht zurechtfinden, in Betracht kommen, sondern da wird das dumpfe Element des Fühlens in Betracht kommen. Denn der Mensch hält von der Weltgestaltung, von dem, was im chemischen Äther kos­misch wirkt und webt, dasjenige, was das Substantielle ist, in sei­nen Gefühlen fest. Und wenn er nun imaginativ hinaufsteigt,wirk­lich in diese Weltenchemie hinein sich fügt - da geht es ja nicht so zu, wie in einem gemütlichen, philiströsen, irdisch-chemischen Laboratorium, wo der Chemiker am Laboratoriums tisch steht und alles außer ihm ist -, da muß er, der Mensch, in alle Stoffe hinein, im Mischen und Entmischen selber drinnen sein. Da wird er selber zum kosmischen Chemiker und ist mit seinen chemischen Prozes­sen verwebt. Da fühlt er in diesem Verwebtsein mit der Weltengestaltung die luziferische Versuchung in der Gestalt wie ein Ohnmächtigwerden. Erst wird der Mensch in eine gewisse Art von innerer Wollust versetzt, daß er Geist sein kann. Er will nicht mehr zurück, wenn er sich nicht auf die Erdennöte besinnt. Jetzt wird er ohnmächtig gemacht, daß er sich nicht mächtig ist seines Menschenwesens, um hineinzukommen. Er muß vor dieser Seelenohnmacht sich bewahren, indem er nur herantritt an diese Welt, nachdem er die Liebe zu all dem, was wertvoll ist auf Erden, zu den Erdenwerten sich erworben hat.

Du hältst vom Weltgestalten

- so sagt der Hüter der Schwelle -

Gefühle nur im Innern fest;
Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben
In dir das Selbstheitsein ersticken;
Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

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[Die zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Du hältst vom Weltgestalten
Gefühle nur im Innern fest;
Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben

- das eben von Luzifer kommt -

In dir das Selbstheitsein ersticken;
Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

Man kann sein kosmisches Ziel nur erreichen, wenn man zur rech­ten Zeit Engel wird. Während des Jupiterdaseins steigen ja die jetzigen Menschen zum Engeldasein auf. Luzifers Verführung be­steht darinnen, daß er den Menschen zur Unzeit, noch während des Erdendaseins zum unreifen Engel machen will, zum verküm­merten Engel. Dann wäre die Menschenseele verloren und eine verkümmerte Engelseele entstanden. Die Mahnung des Hüters der Schwelle sollen wir hören:

Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

Am intensivsten ist die Verlockung, wenn wir in das letzte Ele­ment, in das Weltenleben, in das allgemeine Weltenleben auf­steigen. Daraus halten wir das Wollen fest, das aber wie im Schlafe, wie ich oft gesagt habe, beim Menschen enthalten ist. Wird es auf­geweckt in der Imagination, werden wir gewahr - statt unseres irdisch engbegrenzten Lebens, das in unserer Haut eingeschlossen ist - unser Miterleben mit dem Weltenleben im Augenblicke sind wir tot. Denn im allgemeinen Weltenleben bewußt leben, heißt, den Tod als einzelne Wesen erfahren. Das universelle Leben tötet uns, wenn es uns ergreift. Wie das Insekt, das in die Flamme fliegt aus Gier nach dem Feuer, nach dem Lichte, im Augenblicke, wo es

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hineinfliegt, erstirbt, so erstirbt das einzelne Lebende in dem all­gemeinen Weltenleben, wenn es bewußt eintritt mit seinem eigenen Geiste. Und wie das Tier aus einer ungeheuren Lust in die Flamme hineinflattert, so - in einer ungeheuren Lust, die aber ein Auf-flackern in einem Momente ist - geht der Mensch als einzelnes Wesen sterbend in das allgemeine, in das kosmische Leben hinein mit seinem Geiste.

Wir dürfen nicht einmal denkend uns in dieses Element hineinwagen, wenn wir nicht in uns ausgebildet zunächst haben ein gottergebenes, ein geistergebenes Erdenwollen, das heißt, uns voll be­wußt sind, daß wir auf Erden ausführen die Absichten der Geister. Durchdringen wir uns bis zu innerer hingebender Glut-Liebe mit diesem gottergebenen Wollen, dann werden wir uns nicht ver­locken lassen, ein degenerierter Engel zu werden, statt ein Mensch zu bleiben, solange das Menschsein notwendig ist für dasjenige Wesen, das in uns lebt. Daher heißt die Mahnung des Hüters der Schwelle:

Du hältst vom Weltenleben
Das Wollen nur im Innern fest;
Wenn Weltenleben dich voll erfaßt,
So wird vernichtend Geistes-Lust
In dir das Selbst-Erleben töten;
Doch Erdenwollen geist-ergeben,
Es läßt den Gott im Menschen walten.

[Die dritte Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Du hältst vom Weltenleben
Das Wollen nur im Innern fest;
Wenn Weltenleben dich voll erfaßt,
So wird vernichtend Geistes-Lust
In dir das Selbst-Erleben töten;
Doch Erdenwollen geist-ergeben,
Es läßt den Gott im Menschen walten.

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Und hier haben wir die dreifache Mahnung des Hüters der Schwelle gegenüber dem Oben [siehe Schema, Seite 147], gegen­über den Elementen des Äthers:

Du hältst von Lichtes-Scheines-Macht
Gedanken nur im Innern fest;
Wenn Lichtesschein in dir sich selber denkt,
So wird unwahres Geisteswesen
In dir als Selbstheitwahn erstehn;
Besinnung auf die Erdennöte
Wird dich im Menschensein erhalten.

Du hältst vom Weltgestalten
Gefühle nur im Innern fest;
Wenn Weltenform in dir sich selber fühlt,
So wird ohnmächtig Geist-Erleben
In dir das Selbstheitsein ersticken;
Doch Liebe zu den Erdenwerten
Wird dir die Menschenseele retten.

Du hältst vom Weltenleben
Das Wollen nur im Innern fest;
Wenn Weltenleben dich voll erfaßt,
So wird vernichtend Geistes-Lust
In dir das Selbst-Erleben töten;
Doch Erdenwollen geist-ergeben,
Es läßt den Gott im Menschen walten.

Es ist die Praxis des Erkennens, die Ihnen in diesen Stunden, meine Lieben, vorgeführt wird. Und dasjenige, was Ihnen in dieser Weise gegeben wird, haben Sie nicht so aufzufassen, als wenn es an Sie dringen würde bloß wie eine Schilderung von theoretischen Dingen, sondern Sie werden das Herzhafte der Sache dann erleben,

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wenn Sie die wahre Voraussetzung haben. Sie ist so, wenn Sie die wahre Voraussetzung haben: daß dasjenige, was Ihnen in diesen Stunden gesagt wird, eigentlich die Unterweisung des Hüters der Schwelle selber ist, entstanden ist unmittelbar aus demjenigen, was man erhalten kann im Gespräche mit dem Hüter der Schwelle. Denn nicht das, meine Lieben, ist hier in diesen Klassenstunden die Absicht, Theorien zu geben. Dasjenige ist die Absicht, die geistige Welt selber sprechen zu lassen. Deshalb wurde in der ersten Klas­senstunde davon gesprochen, wie diese Schule angesehen werden soll als eingesetzt aus der geistigen Welt selber.

Das ist das Wesen aller Mysterienschulen gewesen, daß in ihnen die Menschen gesprochen haben als Beauftragte der geistigen Ge­walten der Welt. Das muß aber auch das Wesen der Mysterienschulen bleiben. Deshalb ist so stark an den Ernst gemahnt worden, den ein jeglicher Angehöriger dieser Klasse in sich rege machen und bewahren soll. Ohne diesen Ernst kann eigentlich niemand wirkliches Mitglied dieser Schule des geistigen Lebens sein. Das ist dasjenige, was ich als eine ernste Mahnung noch einmal an Sie, meine Lieben, richten möchte. Nehmen Sie diese Schule als konsti­tuiert unmittelbar aus dem Wollen der geistigen Welt selbst heraus, das nur versucht wird in der richtigen Weise zu interpretieren für unser Zeitalter, in das wir eingetreten sind, nachdem die Finsternis vorüber war und ein Licht wieder gekommen ist, ein Licht, das allerdings zunächst sich nur mangelhaft auf Erden äußert, weil die Menschen noch die alte Finsternis bewahrt haben. Aber es ist da. Und nur derjenige, der versteht, daß das Licht da ist, wird das Wesen und Wollen dieser unserer Geistesschule in wahrem Sinne erfassen.

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Ich mußte heute etwas länger Sie hierbehalten, weil ja jetzt durch meine Reise nach auswärts, durch die Vorträge, die auswärts sind, zunächst die zwei nächsten Freitagsstunden leider ausfallen müssen und der nächste Freitag-Vortrag, die nächste Klassenstunde, am Karfreitag eben erst sein kann. Morgen ist ja der Vor­trag für die Anthroposophische Gesellschaft. Am Sonntag wird außerdem um fünf Uhr eine eurythmische Darstellung sein, zuerst eine Darstellung von Eurythmie jüngerer Eurythmisten, Kinder und junger Damen. Und dann wird eine Vorstellung sein, welche von Herren, namentlich Herren unserer Wache gegeben wird im zweiten Teil. Das also Sonntag um fünf Uhr. Sonntag um acht Uhr dann der zweite der Vorträge, die ja gegeben werden Samstag und Sonntag um acht Uhr.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 167 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 167
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SIEBENTE STUNDE Dornach, 11. April 1924

Meine lieben Freunde! Es sind nun eine ganze Anzahl neuer Mit­glieder dieser Schule heute hier eingetroffen, und deshalb obliegt es mir, wenigstens mit wenigen Worten noch einmal einiges über die Prinzipien dieser Schule zu sagen.

Zunächst handelt es sich bei dieser Schule darum, daß sie bildet den esoterischen Einschlag derjenigen anthroposophischen Be­wegung, die mit der Weihnachtstagung am Goetheanum hier ihre Erneuerung gefunden hat. Früher sind einzelne esoterische Kreise dagewesen. Alle diese esoterischen Kreise müssen nach und nach in dieser Schule aufgehen; denn es handelt sich ja darum, daß mit der Weihnachtstagung ein neuer Geist eingezogen ist in die anthropo­sophische Bewegung, insofern sie durch die Anthroposophische Gesellschaft strömt.

Ich habe ja wiederholt jetzt auch auswärts die Worte gespro­chen, welche hindeuten sollen darauf, was der Unterschied ist zwischen der anthroposophischen Bewegung von vor Weihnachten und derjenigen, die wir nun haben seit Weihnachten. Es war früher die Anthroposophische Gesellschaft eine Art Verwaltungsgesellschaft für anthroposophische Lehre, für anthroposophischen In­halt. Anthroposophie wurde sozusagen innerhalb der Anthropo­sophischen Gesellschaft gepflegt. Seit Weihnachten handelt es sich darum, daß durch die Anthroposophische Gesellschaft nicht nur Anthroposophie gepflegt wird, sondern daß sie getan wird; das heißt, daß alles dasjenige, was durch die Anthroposophische Ge­sellschaft geht an Handlungen, an Gedanken, selber Anthropo­sophisches wieder ist.

Das, was damit an Erneuerung geschehen ist, das muß nur, meine lieben Freunde, tief genug erfaßt werden; und es muß vor allen Dingen auch mit dem tiefsten Ernst erfaßt werden. Denn es wird

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sich unterscheiden die Anthroposophische Gesellschaft im allge­meinen und diese esoterische Schule innerhalb der Anthropo­sophischen Gesellschaft. Die Anthroposophische Gesellschaft wird selbstverständlich - im Sinne des Öffentlichkeitsprinzipes, das gel­tend gemacht worden ist gerade bei der Goetheanum-Weihnachts­tagung -, sie wird selbstverständlich nichts weiter von den Mitgliedern verlangen können, als daß sie sich in ehrlicher Weise bekennen können zu demjenigen, was Anthroposophie ist, und daß sie gewissermaßen Zuhörer dieser Anthroposophie sind, daß sie aus dieser Anthroposophie alles dasjenige machen, was ihnen ihr Herz, ihre Seele eingibt.

Anders steht es mit dieser Schule. Wer dieser Schule als Mitglied beitritt, erklärt damit, daß er ein wirklicher Repräsentant der anthroposophischen Bewegung sein will. In dieser esoterischen Schule, die allmählich auf drei Klassen erweitert werden wird, in dieser esoterischen Schule muß gewiß jene Freiheit, die für jedes Mitglied innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft ist, auch herrschen; aber auch für den Vorstand am Goetheanum, der für diese Schule verantwortlich ist, für diesen Vorstand muß völlige Freiheit herrschen. Das heißt aber in diesem Falle: es muß in dieser Schule nur demjenigen das, was ihr Inhalt ist, gegeben werden, den diese Schule als ein richtiges Mitglied derselben anerkennen kann.

Daher wird es sich darum handeln, daß bei einem Mitglied die­ser Schule wirklich in alle dem, was durch dieses Mitglied zutage tritt, die anthroposophische Sache vor die Welt hintritt; und es muß der Entscheidung des Vorstandes am Goetheanum anheim­gestellt sein, auch für Mitglieder, die ihm so erscheinen, daß sie nicht Repräsentanten der anthroposophischen Bewegung sein kön­nen, für diese Mitglieder die Mitgliedschaft der Schule zu strei­chen. Es muß ein gegenseitiges Verhältnis sein.

Daher wird auch in der Handhabung dieser Schule immer mehr und mehr ein sehr ernster, in gewissem Sinne strenger Geist einziehen müssen. Wir können sonst ja mit der anthroposophischen

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Bewegung nicht weiterkommen, wenn wir nicht uns als Schule wirklich fühlen, wie wenn wir einen Fels für Anthroposophie er­bauen wollten. Wir werden es mit Anthroposophie noch recht schwerhaben, und die Mitglieder der Schule müssen wissen, daß sie mit diesen Schwierigkeiten aufzunehmen haben. Sie sind eben nicht bloß Anthroposophen, sie sind Mitglieder einer esoterischen Schule.

Und es muß als eine Verpflichtung, eine innerlichste Verpflich­tung angesehen werden, daß auch die Einsetzung des Vorstandes, wie er jetzt zusammengesetzt ist, als eine esoterische Sache an­gesehen werde. Das muß immer mehr und mehr zum Bewußtsein der Mitglieder kommen. Es ist noch nicht überall zum Bewußtsein gekommen. Es muß dafür getan werden, daß dies zum Bewußtsein komme. Es ist ja damit, daß nun aus Esoterik heraus selber ein Vorstand geschaffen worden ist, sehr viel gesagt.

Das weitere ist, daß eigentlich alle diejenigen, die sich als recht­mäßige Mitglieder der Schule betrachten, ansehen diese Schule als nicht von Menschen begründet, sondern tatsächlich als eine aus dem Willen der heute die Welt regierenden geistigen Mächte; ansehen als etwas, was aus der geistigen Welt eingesetzt ist und was im Sinne der geistigen Welt wirken will; sich nur dieser geistigen Welt gegenüber verantwortlich fühlt, aber auch im strengsten Sinne sich dieser geistigen Welt gegenüber wirklich verantwortlich fühlt. Daher wird jedes nicht ernste Nehmen dieser Schule, wenn es irgendwie zutage tritt, unweigerlich dahin führen müssen, daß für solche die Sache nicht ernst nehmenden Mitglieder die Mit­gliedschaft gestrichen wird.

Es ist ja so, daß Lässigkeit in ganz besonderem Maße in den letz­ten Jahren in die Anthroposophische Gesellschaft eingezogen ist. Daß sie wiederum ausziehe aus ihr, das wird die Aufgabe, mit eine der Aufgaben der Mitglieder dieser Schule sein. Wir sollen bis zu dem Worte, das wir sprechen, uns verantwortlich fühlen, sollen uns vor allen Dingen verantwortlich dafür fühlen, daß ein jegliches

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Wort, das wir sagen, im allerernstesten Sinne so weit von uns geprüft wird, daß wir es als Wahrheit vertreten können. Denn nicht-wahre Aussagen, auch wenn sie sozusagen aus gutem Willen hervorkommen, sind etwas, was innerhalb einer okkulten Be­wegung zerstörend wirkt. Darüber darf keine Täuschung sein, sondern darüber muß völligste Klarheit herrschen. Nicht Absich­ten sind es, auf die es ankommt, denn die nimmt der Mensch oft­mals sehr leicht, sondern objektive Wahrheit ist es, auf die es an­kommt. Und zu den ersten Pflichten eines esoterischen Schülers gehört es, daß er sich nicht bloß dazu verpflichtet fühlt, dasjenige zu sagen, wovon er glaubt, daß es wahr ist, sondern daß er sich verpflichtet fühlt, zu prüfen, ob dasjenige, was er sagt, wirklich objektive Wahrheit ist. Denn nur, wenn wir im Sinne der objek­tiven Wahrheit dienen den göttlich-geistigen Mächten, deren Kräfte durch diese Schule gehen, werden wir hindurchsteuern können durch all diejenigen Schwierigkeiten, die sich der Anthro­posophie bieten werden.

Man darf eben nicht außer acht lassen - meine lieben Freunde, ich sage das hier im Umkreise der Schule; dasjenige, was im Umkreise der Schule gesprochen wird, bleibt innerhalb des Umkreises der Schule -, man darf nicht vergessen, daß jetzt von maßgeben­den Persönlichkeiten etwa das Folgende gesprochen wird. Von maßgebenden Persönlichkeiten wird gesagt: Diejenigen, welche das Prinzip der römischen Kirche vertreten, werden alles daransetzen, in der nächsten Zeit die einzelnen Staaten des ehemaligen Deutschen Reiches selbständig zu machen und aus den selbstän­digen Staaten, mit Ausschließung - ich erzähle nur - der Vorherrschaft von Preußen, wieder aufzurichten das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das sich selbstverständlich, wenn es von so hervorragender Seite aufgerichtet wird, in seiner Macht über die umliegenden Nachbargebiete erstrecken wird. Denn - so sagen die betreffenden Leute - wir haben es nötig, auf diesem Wege die allergefährlichsten, allerschlimmsten Bewegungen, die es heute

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gibt, mit Stumpf und Stiel auszurotten. Und - so fügen diese Leute dazu - wenn es nicht gelingen sollte, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation aufzurichten, und es wird gelingen - so sagen die Leute -, wenn es nicht gelingen sollte, so werden wir andere Mittel finden, die widerstrebendsten, die gefährlichsten Bewegun­gen der Gegenwart mit Stumpf und Stiel auszurotten, und das sind die anthroposophische Bewegung und die Bewegung zur religiösen Erneuerung.

Ich zitiere Ihnen fast wörtlich. Und Sie sollen sehen, daß die Worte, die ich von Zeit zu Zeit immer spreche - daß die Schwierig­keiten nicht kleiner werden, sondern mit jeder Woche größer-, daß diese Worte durchaus auf einem festen Untergrunde erbaut sind. Ich möchte sie gerade heute zu Herzen derjenigen bringen, die aus ihrem Herzensernste heraus sich zur Mitgliedschaft dieser Schule bekennen. Nur wenn wir aus solchem vollen Ernste heraus Mit­glieder der Schule sind, aber aus einem aktiven Ernste heraus, wer­den wir den Fels errichten können, den wir nötig haben, wenn wir durch die Schwierigkeiten der Zukunft hindurchwollen.

Sie sehen aber daraus, daß tatsächlich gewichtiger von den Geg­nern genommen wird Anthroposophie - denn die religiöse Er­neuerung ist ja nur ein Zweig von ihr -, daß gewichtiger genom­men wird Anthroposophie von den Gegnern als von vielen der­jenigen, die innerhalb der Mitgliedschaft leben. Denn wenn man heute erfahren kann, daß das im Jahre 1806 untergegangene Hei­lige Römische Reich Deutscher Nation aufgerichtet werden soll, um solch eine Bewegung wegzuschaffen, so bedeutet das doch, daß man die Sache sehr ernst nimmt. Es handelt sich bei einer Be­wegung, die im Geiste gründet, nicht, wahrhaftig nicht darum, meine lieben Freunde, wieviel Mitglieder sie zählt, sondern es handelt sich darum, welche Kraft ihr innewohnt gerade aus der geistigen Welt heraus. Das sehen die Gegner, daß ihr eine starke Kraft innewohnt; deshalb wählen sie nicht leichte, sondern wählen scharfe und starke Mittel.

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Nun, meine lieben Freunde, die Betrachtungen dieser Klassen­stunden haben sich ja hauptsächlich bezogen auf dasjenige, was mitgeteilt werden kann über die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle, jene Begegnung mit dem Hüter der Schwelle, die die erste Erfahrung, das erste Erlebnis bedeutet für das Erringen wirk­licher, wahrer übersinnlicher Erkenntnisse. Ich möchte heute zu den Betrachtungen, die schon hier gepflogen worden sind, einiges hinzufügen.

Nicht eher kann man davon sprechen, daß die Begegnung mit dem Hüter der Schwelle wirksam erfolgt sei, bis man nicht die Erfahrung gemacht hat, was es heißt, mit seiner menschlichen Wesenheit in Ich und astralischem Leib außer dem physischen Leibe zu sein. Denn der Mensch kann, wenn er mit seinem Wesen eingeschlossen ist im physischen Leibe, nur dasjenige in seinem Umkreise wahrnehmen, was er durch die Werkzeuge des physi­schen Leibes wahrnimmt. Und durch die Werkzeuge des physischen Leibes kann nur die Sinneswelt wahrgenommen werden, die ein Abglanz ist einer geistigen Welt, die aber für die Sinne zunächst nicht enthüllt, wovon sie ein Abglanz ist.

Nun ist es ja im allgemeinen für den Menschen nicht schwierig, aus seinem Leibe herauszugehen. Er tut das jedesmal, wenn er ein­schläft. Er ist dann außerhalb seines Leibes. Aber wenn er im Schlafzustande außerhalb seines Leibes ist, dann ist auch sein Be­wußtsein hinuntergedämpft bis zur Unbewußtheit. Nur die illu­sorischen oder vielleicht auch nichtillusorischen Träume wogen herauf aus dieser Bewußtlosigkeit. Aber es handelt sich bei der Erringung höherer Erkenntnisse darum, daß dieses Herausgehen aus dem physischen Leib mit voller, bewußter Besonnenheit voll­zogen wird, so daß dann der Mensch außerhalb seines physischen Leibes so um sich herum wahrnimmt, wie er innerhalb seines phy­sischen Leibes mit Hilfe der physischen Sinne die physische Welt wahrnimmt. Und er nimmt dann außerhalb des physischen Leibes die geistige Welt wahr.

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Aber der Mensch ist zunächst ja bewußtlos schlafend. Es wird ihm nicht unter gewöhnlichen Verhältnissen mitgeteilt dasjenige, was er schauen kann, wenn er außerhalb seines Leibes ist. Und daß er das nicht kann, rührt gerade davon her, daß der Mensch zu­nächst geschützt ist davor, unvorbereitet heranzutreten an die geistige Welt.

Ist der Mensch genügend vorbereitet, was geschieht dann mit ihm? Dann, wenn der Mensch an den Abgrund zwischen Sinnen-welt und geistiger Welt tritt [es wird gezeichnet: rot], dann nimmt der Hüter der Schwelle, wenn der Mensch so vorbereitet gefunden wird, wie das in den letzten Stunden angedeutet worden ist, die wahre Wesenheit des Menschen heraus; die kann den Abgrund überflügeln [es wird gezeichnet: gelb] mit denjenigen Mitteln, die in den letzten mantrischen Sprüchen angedeutet worden sind. Und es kann dann der Mensch zunächst von jenseits der Schwelle sein eigenes sinnliches Wesen, sein physisches Wesen betrachten.

Das ist der erste große Eindruck wirklicher Erkenntnis, meine lieben Freunde, wenn der Hüter der Schwelle sagen kann zum Menschen: Siehe, da drüben, da bist du so, wie du äußerlich er­scheinst in der physischen Welt; bei mir bist du, wie du deinem inneren Wesen nach bist.

Und dann erklingt wiederum von dem Hüter der Schwelle ein bedeutsames Wort. Es erklingt von dem Hüter der Schwelle das bedeutsame Wort, das dem Menschen zugerufen wird - jetzt über den Abgrund hin -, ihm vergegenwärtigend, wie anders er sich schaut, wenn er jenseits des Abgrundes steht. Er schaut sich anders. Er schaut sich als eine Dreiheit [es wird gezeichnet: grünlich]; er schaut sich als die Dreiheit, die sich seelisch ausdrückt in Denken, Fühlen und Wollen. Das sind eigentlich drei Menschen: der den­kende Mensch, der fühlende Mensch, der wollende Mensch, die in jedem Menschen stecken und die eigentlich nur durch den physi­schen Leib zunächst für die physische Welt in eins zusammengezogen

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sind. Und dasjenige, was da der Mensch schaut, in folgender Weise ertönt es von den Lippen des Hüters der Schwelle:

O schau die Drei
Sie sind die Eins
Wenn du die Menschenformung
Im Erdendasein trägst

- oder auch Menschenprägung; man muß ja die Worte übersetzen aus der okkulten Sprache -

O schau die Drei
Sie sind die Eins
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

Erleb des Kopfes Weltgestalt
Empfind des Herzens Weltenschlag
Erdenk der Glieder Weltenkraft

Sie sind die Drei
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

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[Das Mantram wird nun an die Tafel geschrieben :]

O schau die Drei
Sie sind die Eins
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

Erlebe des Kopfes Weltgestalt
Empfinde des Herzens Weltenschlag
Erdenke der Glieder Weltenkraft

Sie sind die Drei
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

Es wird hier von dem Hüter der Schwelle hingedeutet, wie die Drei - die sich sofort voneinander trennen, wenn der Mensch sei­nen physischen Leib verläßt-, wie die Drei aussehen im Verhältnis zu diesem physischen Leib. Hingelenkt wird der Blick auf den phy­sischen Leib, auf Kopf, Herz, Gliedmaßen, und gesagt wird von dem Hüter der Schwelle: Wenn du in wirklicher Weltenwahrheit das menschliche Haupt schaust, so ist dieses menschliche Haupt ein Abbild des himmlischen Weltenalls. Du mußt hinaufschauen in die Weiten, wo die Welt dir begrenzt erscheint - wo sie in Wahrheit auch durch den Geist begrenzt ist, denn sie ist nicht so, wie sich's physikalische Einfalt vorstellt -, du mußt hinaufschauen, und du mußt dich beim Hinaufschauen erinnern, daß dein Haupt in seiner Rundung wirklich ein echtes Abbild ist desjenigen, was draußen als die himmlische Welt ist. Und man füge hinzu, indem man das mantrische Wort hier zum Bewußtsein sich bringt:

178
Erlebe des Kopfes Weltgestalt

man füge hinzu das Zeichen [es wird vor die Zeile gezeichnet]:

Zeichn ung aus GA 270/1, S. 178 (a)
Zeichn ung aus GA 270/1, S. 178 (a)

durch das man haltmacht bei diesem Satze des mantrischen Spru­ches, um die Richtung nach den Weltenweiten, nach oben - und überall um die Erde herum ist ja in die Weltenweiten hinaus oben -, um diese Richtung sich zu vergegenwärtigen.

Empfinde des Herzens Weltenschlag

Durch diese kosmisch-himmlische Lage geht der Weltenrhythmus, der als Weltenmusik ertönt. Wenn wir das menschliche Herz schla­gen fühlen, scheint es so, als ob dieses menschliche Herz nur schlüge von demjenigen, was im menschlichen Organismus vor sich geht. In Wahrheit ist dasjenige, was im Herzen schlägt, ein Widerschlag desjenigen, was als Weltenrhythmus nicht bloß durch Jahrtau­sende, sondern durch Jahrmillionen kreist. Daher mache man wieder halt - so sagt der Hüter der Schwelle - bei dem Worte «Empfinde des Herzens Weltenschlag», und empfinde dasjenige, was im Herzen sowohl nach unten wie nach oben wirkt. [Nun wird vor die entsprechende Zeile gezeichnet:]

Zeichnung aus GA 270/1, S. 178 (b)
Zeichnung aus GA 270/1, S. 178 (b)

Das [Dreieck mit Spitze nach unten] verbindet mit demjenigen, was oben ist, mit diesem Zeichen [Dreieck mit Spitze nach oben].

179
Erdenke der Glieder Weltenkraft

Diese Weltenkraft ist diejenige, die in der Schwerkraft und den an­deren irdischen Kräften von unten her konzentriert ist. Wir müssen in unserem Denken - das so, wie es ein Erdendenken ist, geeignet ist nur, zu begreifen das Irdische - hinunterschauen, dann begreifen wir dasjenige, was von der Erde ausströmt, um im Menschen zu wirken. Wiederum mache man halt bei dem «Erdenke der Glieder Weltenkraft» in dem Dreieck, das nach unten gerichtet ist [es wird vor die entsprechende Zeile gezeichnet]:

Zeichnung aus GA 270/1, S. 179
Zeichnung aus GA 270/1, S. 179

Und man wird fühlen das Wort des Hüters in der Art, wie es auf das menschliche Herz, auf die menschliche Seele heute wirken soll, wenn man diesen mantrischen Spruch in der entsprechenden Weise in sich rege macht und wirken läßt:

O schau die Drei
Sie sind die Eins
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

180
Erlebe des Kopfes Weltgestalt

- man sage den Spruch, indem man vor dem Haupte das Zeichen macht:

Zeichnung aus GA 270/1, S. 180
Zeichnung aus GA 270/1, S. 180
Empfinde des Herzens Weltenschlag

- man sage den Spruch, indem man vor der Brust das Zeichen macht -:

Zeichnung aus GA 270/1, S. 180
Zeichnung aus GA 270/1, S. 180
Erdenke der Glieder Weltenkraft

- man sage den Spruch, indem man das Zeichen nach unten macht -:

Zeichnung aus GA 270/1, S. 180
Zeichnung aus GA 270/1, S. 180

Sie sind die Drei
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

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Und man versuche, nachdem man diesen mantrischen Spruch auf die Seele hat wirken lassen, die Sinne stumpf zu machen, die Augen zu schließen, mit den Ohren nichts zu hören, nichts wahrzuneh­men und eine Weile dunkel um sich zu haben, daß man ganz und gar in der Atmosphäre desjenigen lebt, was durch die Worte tönt. Und man wird sich versetzen auf diese Weise in jene Sphäre, die dann bei der Einweihung in aller Realität erlebt werden kann bei der Begegnung mit dem Hüter der Schwelle. Das ist die eine Ver­richtung, durch die der Mensch den ersten Schritt jenseits der Schwelle machen kann.

Aber man muß das weitere Wort des Hüters in vollem Ernste auf sich wirken lassen. Dieses weitere Wort des Hüters, es weist darauf hin, daß in dem Augenblicke, wo wir hinüberkommen über die Schwelle, alles anders wird, als es in der Sinneswelt ist. In der Sinneswelt, da denken wir, daß im Haupte des Menschen das Denken, das Vorstellen säße. So ist es für die Sinneswelt. Allein diesem Vorstellen, diesem Denken des Hauptes ist immer - auch wahrnehmbar für das gewöhnliche Bewußtsein - ein klein wenig Wollen beigemischt. Denn indem wir von einem Gedanken zu dem anderen schreiten, müssen wir ebenso wollen, wie wenn wir einen Arm bewegen oder ein Bein bewegen oder überhaupt etwas wollen. Aber es ist ein leises, feines Wollen, das einen Gedanken in den anderen überführt. So ist es, wenn wir in der Sinneswelt sind: an das Haupt gebunden der ganze weite Umfang des Denkens und ein wenig Wollen, ein leises Wollen. Sobald man hinüberkommt über die Schwelle und an den Hüter herantritt, wird es umgekehrt:

wenig Denken an das Haupt gebunden und viel ausgebreitetes Wollen. Und in diesem Wollen, das sonst schlafend ist in dem Men­schen, verspürt man den Geist, wie er aus dem Kosmos heraus, aus der Himmeiswelt, das menschliche Haupt als sein kugeliges Abbild gestaltet in allen Einzelheiten.

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Daher ruft der Hüter der Schwelle, wenn wir hinübergekom­men sind jenseits der Schwelle, die Worte zu:

[Das neue Mantram wird sogleich an die Tafel geschrieben:]

Des Kopfes Geist,
Du kannst ihn wollen

Und jetzt sieht man, daß Wollen etwas ganz anderes ist, als es frü­her war. Früher waren die Sinne eben Vermittler der Sinnesempfindungen, und man hat kein Bewußtsein davon, daß durch das Auge das Wollen, durch das Ohr das Wollen geht, daß durch den Wärmesinn, durch jeden Sinn das Wollen geht. Jetzt sieht man, daß alles dasjenige, was die Augen empfinden als die mannig­faltigen Farben, was die Ohren hören als die mannigfaltigen Töne, was der Mensch wahrnimmt als die Wärme und Kälte, als die ver­schiedene Rauheit und Glätte und so weiter, Gerüche und Ge­schmäcke und so weiter, daß das alles, alles in der geistigen Welt ein Wollen ist:

[Es wird weitergeschrieben:]

Und Wollen wird dir
Der Sinne vielgestaltig Himmelsweben

Hat der Mensch dieses durch den Anblick seines Hauptes von jenseits der Schwelle erkannt, wieWollen geht durch das Haupt [das Verb «wollen» in der zweiten Mantramzeile wird unterstrichen] und wie die Sinne Wollen darstellen [das Wort «Wollen» in der dritten Mantramzeile wird unterstrichen], dann wird er weiter-gewiesen, wie das Herz die Seele birgt und wie man die Seele im Herzen so fühlen kann, wie des Kopfes Geist man wollen kann gegenüber dem Haupte. Und dann weiß man erst, wenn man das Denken nicht als Eigenschaft des Kopfes, sondern als eine Eigen­schaft des Herzens, der Seele, des Herzens betrachtet, wie das

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Denken nicht dem einzelnen Menschen, sondern der Welt an­gehört; dann erlebt man das Weltenleben, das da kreist als Weltenmusik.

[Die zweite Strophe wird an die Tafel geschrieben:]

Des Herzens Seele,
Du kannst sie fühlen;
Und Fühlen wird dir
Des Denkens keimerweckend Weltenleben;
          Du lebest in dem Scheine

- nicht in dem wesenlosen Scheine, sondern in dem Scheine, da das Wesen der Welt erscheint -.

[Es werden nun die zusammenfassenden Zeilen für die erste und zweite Strophe an­geschrieben, deshalb wird die erste Strophe noch einmal gelesen:]

Des Kopfes Geist,
Du kannst ihn wollen;
Und Wollen wird dir
Der Sinne vielgestaltig Himmelsweben;

zusammenfassend das noch in der Zeile:

Du webest in der Weisheit.

Zusammenfassend dasjenige, was sich auf des Herzens Seele, auf das Fühlen bezieht, in dem Satze:

Du lebest in dem Scheine.

[Die Worte «Weisheit» und «Scheine» werden unterstrichen.]

Wie man die Sinne als ein Wollen erkennt, so erkennt man das Denken als ein Fühlen gegenüber dem Weltendasein, wenn man die Drei schaut, die nur in der Sinneswelt eins sind.

[In der zweiten Strophe werden die Worte «fühlen» und «Fühlen» unterstrichen.]

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Und als drittes fügt der Hüter der Schwelle hinzu:

[Die dritte Strophe wird an die Tafel geschrieben:]

Der Glieder Kraft,
Du kannst sie denken

Nun haben wir die völlige Umkehrung. Während man sonst das Denken konzentriert meint im Kopfe, ist hier [in der ersten Stro­phe] das Wollen, so wie ich es vorhin angeführt habe, im Kopfe konzentriert. Das Fühlen bleibt im Herzen, wie es auch in der Sinneswelt gefühlt wird; denn dasjenige, was innere Kraft des Herzens ist, geht hinüber in die geistige Welt.

Der Glieder Kraft,
Du kannst sie denken

[«denken» wird unterstrichen]

- jetzt wird das Denken gerade mit den Gliedmaßen in Zusam­menhang gebracht, umgekehrt wie in der Sinneswelt -[Es wird weitergeschrieben:]

Und Denken wird dir
Des Wollens zielerfassend Menschenstreben;

- das Wollen wird also zum Denken - [«Denken» wird unterstrichen. Es wird weitergeschrieben und das Wort «Tugend» gleichzeitig unterstrichen; siehe auch Seite 189:]

Du strebest in der Tugend.

So haben wir die völlige Umkehrung in der geistigen Welt, durch den Hüter der Schwelle uns gesagt. Während man sonst unterscheidet

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Wollen, Fühlen, Denken von unten nach oben im Menschen, hat man zu unterscheiden, wenn der Mensch angeschaut wird als eine Drei von jenseits: Wollen oben im Haupte, Fühlen in der Mitte, Denken unten an den Gliedmaßen.

Da erfährt man dann, wie das Wollende, das im Haupte kon­zentriert ist, die webende Weltenweisheit ist, in der man lebt; wie das Fühlen der Weltenschein ist, in dem alle Wesen des Geistes erstrahlen; und wie das Denken, das an den Gliedern geschaut wird, das Menschenstreben ist, das als Tugend des Menschen leben kann. Und die Drei erscheinen vor dem geistigen Blick:

Des Kopfes Geist
Des Herzens Seele
Der Glieder Kraft

[Dabei werden an der Tafel die Worte «Kopfes», «Herzens», «Glieder» weiß und die Worte «Geist», «Seele», «Kraft» rot unterstrichen.]

So ist der mantrische Spruch gebaut. Und diese innere Kon­gruenz ist es, deren man sich bewußt sein muß, bewußt ferner, daß an den Menschen herandringe, wenn er also diesen mantrischen Spruch auf sich wirken läßt:

Himmelsweben
Weltenleben
Menschenstreben

[Dabei werden diese drei Worte an der Tafel gelb unterstrichen.]

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So daß des Hüters der Schwelle Worte sind, mit denen uns die Drei, die aus der Eins werden, indem wir hinübertreten in die Welt jenseits der Schwelle, vor das geistige Auge geführt werden:

Des Kopfes Geist,
Du kannst ihn wollen;
Und Wollen wird dir
Der Sinne vielgestaltig Himmelsweben;
            Du webest in der Weisheit.

Des Herzens Seele,
Du kannst sie fühlen;
Und Fühlen wird dir
Des Denkens keimerweckend Weltenleben;
            Du lebest in dem Scheine.

Der Glieder Kraft,
Du kannst sie denken;
Und Denken wird dir
Des Wollens zielerfassend Menschenstreben;
            Du strebest in der Tugend.

Das sind die Empfindungen, die durch die Seele ziehen müssen, wenn wirkliche Erkenntnis errungen werden soll; das sind die Mahnungen, die der Hüter der Schwelle ertönen läßt in dem Augenblicke, wo er uns zugleich sagt:

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

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[Es wird an die Tafel geschrieben :]

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

Und das sind die Worte, die seit ungezählten Jahrtausenden an allen Pforten in die geistige Welt hinein mahnend und zugleich aufmunternd erklangen:

Tritt ein
Das Tor ist geöffnet
Du wirst
Ein wahrer Mensch werden.

Stellt Euch vor, meine Schwestern und Brüder, Ihr sagt Euch das erste Mal : Ich will ernst nehmen diese Worte des Hüters der Schwelle; ich will bekennen, daß ich noch nicht ein Mensch war; ich will bekennen, daß ich es werde durch die Einsicht in die gei­stige Welt.

Stellt Euch vor, meine lieben Schwestern und Brüder, Ihr sagt zum zweiten Mal : O, ich habe das erste Mal noch nicht ernst genug genommen diese Worte; ich will mir sagen, daß ich nicht eine, daß ich zwei der Stufen brauche, um von meiner jetzigen Wesenheit aus, da ich noch kein wahrer Mensch bin, ein wahrer Mensch zu werden.

Und stellt Euch vor, Ihr sprecht zum dritten Male: Ich will bekennen, daß ich drei der Stufen brauche von dem Punkte aus, an dem ich stehe, an dem ich kein wahrer Mensch bin, um ein wahrer Mensch zu werden.

Ernst ist die erste Mahnung, die Ihr Euch selber gebt. Ernster ist die zweite der Mahnungen. Aber des Ernstes höchste Prägung muß

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die dritte der Mahnungen tragen. Und wenn Ihr diesen dreifach dreifachen Ernst in den Tiefen Eurer Seelen aufzubringen wißt, dann werdet Ihr eine Ahnung bekommen, was es heißt für den Menschen, durch Erkenntnis ein Mensch zu werden. Und dann werdet Ihr zurückkehren - wie wir heute in dieser Klassenstunde zurückkehren wollen -, zurückkehren zur ersten Mahnung, die als ein uns umwandelnder Spruch in unserer Seele leben soll:

O schau die Drei
Sie sind die Eins
Wenn du die Menschenprägung
Im Erdendasein trägst.

Erlebe des Kopfes Weltgestalt
Empfinde des Herzens Weltenschlag
Erdenke der Glieder Weltenkraft

Sie sind die Drei
Die Drei, die als das Eins
Im Erdendasein leben.

So, meine Schwestern und Brüder, hat es geklungen in den Her­zen aller derjenigen, die, seit es ein Menschen dasein auf Erden gibt, nach Erkenntnis rangen.

Es war eine Pause in diesem Ringen seit dem Heraufkommen der fünften nachatlantischen Kulturepoche. Die Pause ist nach dem Willen der die Menschheit leitenden göttlichen, geistigen Wesenheiten zu Ende. An Euch wird es sein, daß in würdiger Weise in Menschenherzen wieder erklinge dasjenige, wodurch die weisen Leiter der Menschheit, seitdem es ein Menschendasein auf Erden gibt, die Menschenherzen hinaufleiteten zum Erschauen desjeni­gen, was als Geist in der Welt wirkt, was als Geist durch die Welt im Menschen, als der Welten Krone, wirkt.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 189 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 189
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ACHTE STUNDE Dornach, 18. April 1924

Meine lieben Freunde! Da heute eine größere Anzahl von anthro­posophischen Freunden in der Klasse hier erscheinen, welche vor­her noch nicht anwesend waren, so obliegt es mir, mit einigen ein­leitenden Worten über die Einrichtung der Schule zu sprechen. Es ist ja in allem Ernste festzuhalten, daß mit der Weihnachtstagung am Goetheanum hier ein neuer Zug in die anthroposophische Be­wegung gekommen ist. Und dieses Eintreten eines neuen Zuges muß durchaus in das Bewußtsein insbesondere der Mitglieder un­serer Freien Hochschule für Geisteswissenschaft übergehen. Ich habe es ja öfter angedeutet, aber ich weiß, wie viele anthroposo­phische Freunde heute hier sind, die die Sache noch nicht gehört haben, so daß ich sie noch einmal betonen muß.

Es ist ja so, daß bis zur Weihnachtstagung es immer wieder betont werden mußte: streng auseinanderzuhalten sind anthropo­sophische Bewegung und Anthroposophische Gesellschaft.

Anthroposophische Bewegung stellte dar das Einfließen in die Menschheitszivilisation der geistigen Weistümer und geistigen Lebensimpulse, die unmittelbar für unsere heutige Zeit aus der geistigen Welt geschöpft werden können und auch geschöpft wer­den sollen. Diese anthroposophische Bewegung, sie ist da, nicht weil es Menschen so gefällt, daß sie da ist, sondern sie ist da, weil es den geistigen Mächten, welche die Welt lenken und leiten, die Menschheitsgeschichte bewirken, weil es diesen geistigen Mächten als das richtige erscheint, das Geisteslicht, das durch Anthropo­sophie kommen kann, heute in der entsprechenden Weise in die Menschheitszivilisation einfließen zu lassen.

Dazu war dann die Anthroposophische Gesellschaft begründet, um als eine Verwaltungsgesellschaft das anthroposophische Weis­heits- und Lebensgut zu verwalten. Und immerzu mußte betont

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werden, daß Anthroposophie etwas Übergesellschaftliches ist und daß die Anthroposophische Gesellschaft eben die exoterische Ver­walterin ist.

Das hat sich seit der Weihnachtstagung am Goetheanum hier geändert. Seit dieser Weihnachtstagung ist das Gegenteil der Fall. Und nur weil dieses Gegenteil der Fall ist, konnte ich mich bereit erklären, mit dem Vorstande, der auf der Weihnachtstagung ge­bildet worden ist und mit dem die entsprechende, nun aufzu­nehmende Arbeit geleistet werden kann, konnte ich mich bereit erklären, mit dem Vorstand zusammen den Vorsitz der damals zu Weihnachten begründeten Anthroposophischen Gesellschaft zu übernehmen. Denn dasjenige, was dadurch geschehen ist, kann ich in einen Satz kleiden. Dieser Satz ist der: Bis dahin wurde Anthro­posophie verwaltet durch die Anthroposophische Gesellschaft; jetzt muß alles dasjenige, was durch die Anthroposophische Gesell­schaft geschieht, selber Anthroposophie sein. Es muß seit Weih­nachten Anthroposophie in der Anthroposophischen Gesellschaft getan werden. Jedes einzelne Tun muß unmittelbar dadurch einen esoterischen Charakter haben. Die Einsetzung des Dornacher Vor­standes auf der Weihnachtstagung war daher eine esoterische Maß­nahme, die Maßnahme, die unmittelbar gedacht werden muß als aus der geistigen Welt heraus geworden. Nur wenn dies im Bewußt­sein unserer anthroposophischen Freunde liegt, kann die Anthro­posophische Gesellschaft, die damals begründet worden ist, ge­deihen. So daß anthroposophische Bewegung und Anthroposophi­sche Gesellschaft nunmehr identisch geworden ist.

Daher ist der Dornacher Vorstand, wie schon auf der Weih­nachtstagung betont wurde, ein Initiativ-Vorstand. Selbstver­ständlich muß verwaltet werden. Aber das Verwalten ist nicht dasjenige, das er in erster Linie als seine Aufgabe betrachtet, son­dern er betrachtet es als seine Aufgabe, Anthroposophie durch die Anihroposophische Gesellschaft fließen zu lassen und alles das­jenige zu tun, was zu diesem Ziele führen kann.

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Damit aber ist auch die Stellung des Dornacher Vorstandes innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft gegeben. Und es muß klarsein, daß nunmehr jedes Verhältnis innerhalb der An­throposophischen Gesellschaft nicht auf irgendwelchen Büro­kratismus gebaut werden kann, sondern daß es gebaut wird durch­aus auf Menschliches. Man hat daher auf der Weihnachtstagung nicht Statuten vorgelegt, die Paragraphen enthalten - das muß man bekennen, wenn man ein Mitglied ist, zu dem muß man seine Zustimmung geben, oder dergleichen -, sondern es wurde erzählt in den Statuten, mitgeteilt, was der Vorstand am Goetheanum will. Und so ist die Anthroposophische Gesellschaft heute konstituiert. Auf das menschliche Verhältnis ist sie begründet.

Es ist eine Kleinigkeit, aber ich muß es immer wieder betonen: es wird jedem Mitgliede eine Mitgliedskarte ausgehändigt, die von mir selber unterschrieben ist, so daß wenigstens, wenn das auch eine abstrakte Sache zunächst ist, gleich das persönliche Verhältnis in irgendeiner Weise vorhanden ist. Es wurde mir nahegelegt, einen Stempel aufdrucken zu lassen mit meinem Namenszug. Ich tue das nicht - trotzdem es nicht gerade eine Bequemlichkeit ist, zwölf­tausend Mitgliedskarten zu unterschreiben nach und nach -, aber ich tue es nicht, weil das erste, allerdings abstrakteste persönliche Verhältnis dadurch begründet wird zu jedem einzelnen Mitgliede, daß einmal, wenn auch nur für Minuten, das Auge ruht auf dem Namen desjenigen, der die Mitgliedskarte trägt. Und selbstver­ständlich werden alle anderen Verhältnisse noch menschlicher, aber es beginnt eben damit das konkrete Wirken innerhalb unserer Gesellschaft.

Daher muß auch - ich muß das auch betonen - klarsein, im Bewußtsein der Mitgliedschaft liegen, daß - ich betone es, weil da­gegen schon gesündigt worden ist -, es muß im Bewußtsein der Mit­gliedschaft liegen, daß, wenn der Name «Allgemeine Anthropo­sophische Gesellschaft» gebraucht wird, daß dann erst eingeholt werde die Zustimmung des Vorstandes am Goetheanum. Ebenso,

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daß, wenn irgend etwas, was vom Goetheanum in Dornach ausgeht und weiter verwendet wird als ein Esoterisches, dies nur geschehe auf Grundlage einer Verständigung mit dem Vorstande am Goethe­anum. So daß also nichts anerkannt werden wird, was im Namen der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft auftritt, von uns hier nichts anerkannt werden wird als berechtigt, was hier an Formeln und an Lehren gegeben wird vom Goetheanum aus, wenn nicht eine Verständigung mit dem Vorstande am Goetheanum statt­findet. Es wird kein abstraktes Verhältnis in der Zukunft möglich sein, sondern nur ein konkretes Verhältnis. Dasjenige, was vom Goetheanum ausgeht, muß konkret vom Goetheanum entgegen­genommen werden. Daher ist für den Gebrauch des Titels «All­gemeine Anthroposophische Gesellschaft», den man etwa über Vorträge setzt, die irgendwo gehalten werden, oder für den Ge­brauch von Formeln und dergleichen, die hier gegeben werden und die man weiter mitteilen will als tätiges Mitglied der Anthro­posophischen Gesellschaft, zu schreiben an den Schriftführer der Anthroposophischen Gesellschaft am Goetheanum, an Frau Weg­man, um die Zustimmung des Vorstandes am Goetheanum dazu zu erhalten. Es ist nötig, daß der Vorstand am Goetheanum wirklich als der Mittelpunkt der anthroposophischen Bewegung in der Zu­kunft aufgefaßt werde.

Nun, wiederum dasjenige, was Verhältnis dieser Schule zur An­throposophischen Gesellschaft ist, muß genau in das Bewußtsein der Mitgliedschaft übergehen. Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft wird man, wenn man den inneren Herzensdrang hat, dasjenige kennenzulernen, mit demjenigen mitzuleben, was als anthroposophisches Weisheitsgut und Lebensimpuls durch die Welt gehen will. Man übernimmt keine anderen Verpflichtungen als diejenigen, die sich einem für Seele und Herz aus der Anthropo­sophie heraus selbst ergeben. Aus dieser allgemeinen Mitgliedschaft kann man dann, wenn eine gewisse Zeit - vorläufig ist das Mini­mum zwei Jahre festgesetzt -, wenn eine gewisse Zeit der Mitgliedschaft

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in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft ver­flossen ist, dann kann um die Mitgliedschaft der Freien Hoch­schule für Geisteswissenschaft angesucht werden.

Bei dieser Hochschule für Geisteswissenschaft handelt es sich nun darum, daß man nun auch wirkliche ernste Verpflichtungen für die Gesellschaft, das heißt für die anthroposophische Sache übernimmt, das heißt, daß man als Mitglied wirklich sein will ein echter Repräsentant der anthroposophischen Sache vor der Welt. Das ist heute notwendig. Unter anderen Bedingungen kann die Leitung der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft sich nicht bereit erklären, mit jemandem zusammen als Mitglied zu arbeiten.

Sagen Sie nicht, meine lieben Freunde, das sei eine Beschränkung der Freiheit. Freiheit bedingt, daß alle, die daran beteiligt sind, frei sind. Und ebenso wie man Mitglied der Schule sein kann und frei sein soll in dieser Beziehung, so muß auch die Leitung der Schule frei sein, das heißt erklären können, mit wem sie zusammen arbeiten will und mit wem nicht. Wenn daher die Leitung der Schule aus irgendeinem Gesichtspunkte heraus die Ansicht haben muß, daß ein Mitglied nicht ein wirklicher Repräsentant der an­throposophischen Sache vor der Welt sein kann, so muß es dieser Leitung der Schule möglich sein, entweder, wenn die Aufnahme angesucht wird, diese Aufnahme nicht zu bewilligen, oder auch, wenn die Aufnahme stattgefunden hat, der Betreffende schon Mitglied geworden ist, zusagen, daß die Mitgliedschaft erlöschen muß. Das muß unbedingt im strengsten Sinne in der Zukunft ein­gehalten werden; so daß da in der Tat ein freies Zusammenwirken der Leitung der Schule und der Mitgliedschaft dadurch gegeben sein wird.

Nun werden wir Schritt für Schritt - das alles ist ja schon in den Mitteilungen, die dem «Goetheanum» beigegeben werden, aus­gesprochen -, wir werden Schritt für Schritt versuchen, auch die­jenigen, die nicht am Goetheanum teilnehmen können an der fort­laufenden Arbeit der Schule, in irgendeiner Weise an ihr teilnehmen

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zu lassen. Es wird - wir können immer nur den fünften Schritt nach dem vierten machen, nicht den siebenten Schritt nach dem ersten; wir müssen eins nach dem anderen machen, und es ist seit der Weihnachistagung sehr viel hier zu tun -, aber es wird schon alles eingeleitet werden in dem Maße, als wir das können. Wir wer­den zu Rundbriefen kommen können, durch die teilnehmen kön­nen diejenigen, die auswärts sind - als auswärtige Mitglieder -, an demjenigen, was in der Schule hier vorgeht. Beginnen konnten wir ja nur damit zunächst, daß die an der Schule beteiligten Mediziner in einem Rundbrief, den Frau Dr. Wegman verschickt hat, an der Arbeit der Schule teilnehmen konnten. Die Dinge werden aber schon ihren Fortgang nehmen, je nach den Möglichkeiten. Ich bitte Sie, in bezug darauf natürlich Geduld zu üben.

Das weitere, was noch zu erwähnen wäre, wäre dieses, daß diese Schule aufgefaßt werden muß im besonderen nicht als die Ein­setzung durch menschlichen Impuls, sondern als die Einsetzung von seiten der geistigen Welt. Ein Ratschluß der geistigen Welt ist mit den Mitteln, die möglich sind, eingeholt worden. So daß diese Schule als eine Institution der geistigen Welt für die Gegenwart aufzufassen ist, wie es immer zu allen Zeiten in den Mysterien der Fall war. So daß heute gesagt werden darf: Diese Schule muß sich entwickeln zu demjenigen, was in unserer Zeit eine wirkliche Mysterienschule sein kann. Dadurch wird sie die Seele sein der anthroposophischen Bewegung.

Damit ist aber auch schon angedeutet, in welchem Sinne ernst die Mitgliedschaft zu dieser Schule aufzufassen ist. Es ist selbst­verständlich, daß alles dasjenige, was an esoterischer Arbeit vor­her geleistet worden ist, einläuft in die Arbeit dieser Schule. Denn diese Schule ist der esoterische Grundstock und Grundquell alles esoterischen Wirkens innerhalb der anthroposophischen Bewe­gung. Und es müssen daher diejenigen Persönlichkeiten, welche aus irgendwelchen Untergründen heraus vermeinen, irgend etwas Esoterisches in der Welt zu begründen ohne den Zusammenhang

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mit dem Vorstande am Goetheanum, die müssen entweder sich mit dem Vorstande am Goetheanum voll verständigen, oder aber sie können unmöglich irgend etwas, was vom Goetheanum ausgeht, in ihre Lehren oder in ihre Impulse einfließen lassen. Wer Esoterik treiben will unter anderen Bedingungen als die eben ausgesproche­nen, kann nicht Mitglied dieser Schule werden. Er muß dann außerhalb der Schule, unanerkannt von dieser Schule seine Eso­terik treiben, muß aber sich klarsein darüber, daß in dieser nichts enthalten sein kann, was von dieser Schule ursprünglich ausgeht. Die Verbindung mit der Schule muß als eine durchaus konkrete aufgefaßt werden. So daß also jedes Mitglied der Freien Hoch­schule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach, daß jedes Mitglied sich klarsein muß: die Schule muß der Meinung sein können, das Mitglied sei ein wirklicher Repräsentant der anthro­posophischen Sache vor der Welt, und ein jedes Mitglied vertrete exoterisch die Anthroposophie so, wie es sie vertreten muß als Mit­glied der Schule.

Es ist ja versucht worden, das Goetheanum in der Zeit, als ich noch nicht selber die Leitung hatte, nicht den Vorsitz der Anthro­posophischen Gesellschaft hatte, in einer gewissen Weise nachzu-bilden den anderen Hochschulen. Allein das geht unter den ge­gebenen Verhältnissen nicht. Hier wird man dasjenige Esoterische finden, was man eben an sonstigen Hochschulen nicht finden kann. Und es wird gar nicht angestrebt werden, irgendwie in Konkur­renz mit den Hochschulen der Welt zu treten zunächst, sondern gerade da zu beginnen, wo der ehrlich strebende Mensch heute auf irgendeinem Gebiete des Lebens dazu kommt, Fragen aufzuwer­fen, die eben außerhalb der Esoterik nicht beantwortet werden.

Es muß daher insbesondere für die Mitglieder der Schule in der Zukunft - diese Dinge sind ja nun einmal so: weil mit der Weih­nachtstagung wirklich etwas geschehen ist, muß man das, was mit ihr geschehen ist, ernst nehmen; es ist nun einmal so, daß in der Zukunft deshalb, weil die Impulsivität, welche von dieser Stätte

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hier am Goetheanum ausgehen soll, im ernstesten Sinne ihre Auf­gabe erfüllen muß, sich unbedingt stellen muß auf den Stand­punkt, daß die Aufgabe erfüllt werden muß -, es muß daher klar-sein, daß in der Zukunft all der Firlefanz aufhören muß, für die Mitglieder der Schule aufhören muß, der da immer wieder und wiederum zurückzuckt davor, frank und frei sich zu bekennen dazu: Ich bin da als Repräsentant der vom Goetheanum aus­gehenden Anthroposophie. Wer das nicht will, wer in einer un­freien und nicht freimütigen Weise immer wieder und wiederum nur damit kommt, man müsse erst schweigen über Anthroposo­phie, die Leute langsam vorbereiten, wer in irgendeiner Weise nach dieser Richtung Politik treiben will und glaubt, daß er weiter-kommt damit, daß er erst uns verleugnet, um dann zu uns zu führen - es führt ja gewöhnlich nicht zu uns -, der möge lieber seine Mitgliedschaft zur Schule sogleich aufgeben. Ich kann Ihnen versprechen, daß die Mitgliedschaft zur Schule in der Zukunft im allerernstesten Sinne genommen werden wird. Das wird, wie ich glaube, denjenigen Mitgliedern der Schule, die es nun wirklich um der Anthroposophie willen, nicht aus irgendeinem anderen Grunde halten, um der Anthroposophie willen halten mit ihrem Wirken, im Sinne der Anthroposophie halten mit ihrem Wirken, denen wird es etwas Herzliebes sein; diejenigen, die aber immer wieder und wiederum mit der Phrase kommen: Man kann den Leuten nicht gleich mit Anthroposophie kommen, man muß ihnen zum Munde reden oder dergleichen -, die können ja wählen, eben ihren Standpunkt außerhalb der Schule zu nehmen.

Das ist dasjenige, was nun einmal vorausgesetzt werden muß. Und es mußte heute erwähnt werden, weil eben zahlreiche anthro­posophische Freunde da sind, welche bisher nicht an den Arbeiten dieser Schule teilgenommen haben. Gerade aus dem Grunde, weil heute ja so viele Freunde neu gekommen sind, mußten wir so lange auf den Beginn dieser Stunde warten, mußten auch hier noch, bevor diese Stunde begonnen hat, diese Einleitung hören, und es

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ist daher in gewissem Sinne diese heutige Stunde eine Art Vor­bereitung. Ich werde eine zweite Stunde halten, deren Zeitpunkt ich noch angeben werde; aber an dieser zweiten Stunde werden keine anderen Freunde teilnehmen können als diejenigen, die schon heute da sind. Also ich bitte diejenigen, die später kommen, zu beruhigen. Wir kommen sonst überhaupt nicht zustande, wenn jedesmal, wenn eine Stunde hier gehalten wird, immer wiederum Neue ankommen. Mit der heutigen Stunde muß dasjenige er­schöpft sein, was Mitgliedschaft zunächst sein kann. Gewiß, man kann Mitglied werden; aber an der nächsten Stunde können nur diejenigen teilnehmen, die auch heute schon da sind. Sie wird ja nur die Fortsetzung der heutigen sein.

*

Nun möchte ich heute damit beginnen - ohne daß Sie zunächst irgend etwas notieren, daß Sie zunächst nur anhören -, jene man­trische Formel hier auszusprechen, welche hinweist auf dasjenige, was durch alle Zeiten - zunächst ausgehend von den Mysterien, dann aber für die Mysterien ausgehend von der in den Sternen, im ganzen Kosmos geschriebenen Schrift - in die Menschenseele, in das Menschenherz hereintönt, hereintönt als die große Aufforde­rung an den Menschen, nach einer wirklichen Erkenntnis seiner selbst zu streben. Diese Aufforderung: «0 Mensch, erkenne dich selbst!», sie ertönt aus dem ganzen Kosmos heraus.

Blicken wir auf zu den Ruhesternen, zu denjenigen Sternen, die in besonders deutlicher Schrift im Tierkreis stehen, zu jenen Ruhesternen, die durch ihr Zusammenlagern in gewissen Formen die großen kosmischen Schriftzüge zum Ausdruck bringen, dann wird für den, der diese Schrift versteht, zunächst angeschlagen der Ge­halt des Weltenwortes: «0 Mensch, erkenne dich selbst!»

Blickt man auf zu demjenigen, was die Wandelsterne in ihren Bewegungen ausführen, zunächst Sonne und Mond, aber auch die

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anderen Wandelsterne, welche zur Sonne und zum Mond gehören, dann offenbart sich in den Bewegungen dieser Wandelsterne, wie sich in den Formen der Ruhesterne der Gehalt des weltenkräftigen, seelengewaltigen Weltenwortes enthüllt, so in den Bewegungen der Herzens-, der Weltenherzensgehalt, der Gemütsgehalt.

Und durch dasjenige, was wir in den Elementen erleben, die draußen im Umkreise der Erde um uns sind, an denen wir teil­nehmen, die auch durch unsere Haut, durch unsere Sinne, durch alles, was wir an uns haben, in uns einziehen und in unserem ei­genen Körper wirken - Erde,Wasser, Feuer, Luft -, durch das wird der Willensimpuls in diese Worte eingegossen.

Und so können wir dieses zum Menschen ertönende Weltenwort auf unsere Seele wirken lassen bei den mantrischen Worten:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Meine lieben Freunde, meine lieben Schwestern und Brüder, es gibt kein Erkennen, das nicht herandringt an die geistige Welt; alles dasjenige, was man Erkennen nennt, und was nicht entweder erforscht wird aus der geistigen Welt heraus oder mitgeteilt wird von solchen, die forschen können in der geistigen Welt, das ist kein wirkliches Erkennen. Denn der Mensch muß sich klarsein dar­über, wenn er herumschaut in der Welt, in den Reichen der Natur, schaut dasjenige, was Farb' an Farbe west, dasjenige, was Glanz an Glanz sich offenbart, dasjenige, was oben lebt in den strahlen­den Sternen, dasjenige, was in der wärmenden Sonne west, das­jenige, was unten sproßt aus den Tiefen der Erde heraus: es ist in alle dem Erhabenes, Großes, Schönes, Weisheitsvolles. Und der Mensch würde höchst unrecht tun, wenn er vorbeigehen würde an diesem Schönen, Erhabenen, Gewaltigen, Weisheitsvollen. Der Mensch muß auch, wenn er Esoteriker wird, wenn er an wirkliche Erkenntnis herandringt, er muß einen Sinn haben für dasjenige, was ihn in der Welt umgibt, einen offenen, freien Sinn. Denn während der Zeit zwischen Geburt und Tod, während seines irdischen Daseins, obliegt es ihm, aus den Kräften der Erde heraus seine Kraft zu ziehen, in die Kräfte der Erde hinein seine Arbeit zu leisten.

Aber so wahr es ist, daß der Mensch wahrhaftig teilnehmen müsse an alle dem, was ihn Farb' an Farbe, Ton an Ton, Warmheit an Warmheit, Stern an Stern, Wolke an Wolke, Naturwesen an Naturwesen im äußeren Reiche umgibt, so wahr ist es, daß, wenn da der Mensch hinausschaut in all das, was ihm an Großem, Ge­waltigem, Erhabenem,Weisheitsvollem, Schönem seine Sinne über­mitteln können, er dann nicht dasjenige findet, was er selbst ist. Gerade dann, wenn er einen rechten Sinn hat für das Erhabene, Schöne, Große in seiner Umgebung im Erdenleben, dann wird er darauf aufmerksam: In diesem lichten, hellen Reich der Erde ist der innerste Urquell des eigenen Seins nicht vorhanden. Der ist woanders. Und das volle Erfühlen davon, das bringt den Menschen

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dazu, aufzusuchen jenen Bewußtseinszustand, der ihn ver­setzt an dasjenige, was wir nennen die Schwelle zur geistigen Welt. Diese Schwelle, die unmittelbar vor einem Abgrunde liegt, an sie muß man herantreten, an ihr muß man sich erinnern: In all dem, was einen auf der Erde umgibt im irdischen Dasein zwischen Ge­burt und Tod, liegt der Urquell des Menschen nicht.

Dann muß man wissen: an dieser Schwelle steht eine Geistgestalt, die man nennt den Hüter der Schwelle. Jener Hüter der Schwelle, er sorgt in einer dem Menschen wohltätigen Weise dafür, daß der Mensch nicht unvorbereitet - nicht, ohne jene Empfin­dungen in aller Tiefe in der Seele durchlebt zu haben, von denen ich eben gesprochen habe -, daß der Mensch nicht unvorbereitet an diese Schwelle herantrete.

Dann aber, wenn der Mensch wirklich mit innerlichem Ernst vorbereitet ist für geistiges Erkennen - sei es, daß er es im hell­sichtigen Bewußtsein erwirbt, sei es, daß er es für den gesunden Menschenverstand, denn beides ist möglich, mitgeteilt erhält: er muß in beiden Fällen entweder schauen oder wissen in bezug auf den Hüter der Schwelle -, erst dann ist es möglich, daß der Hüter der Schwelle wirklich die weisende Hand ausstreckt und den Men­schen über den Abgrund hinüberschauen läßt. Da, wo der Mensch seinem innersten Wesen nach urständet, seinen Ursprung hat, da aber liegt zunächst - jenseits der Schwelle - die äußerste Finsternis.

Meine lieben Freunde, meine lieben Schwestern und Brüder, Licht suchen wir, um in dem Lichte unser eigenes menschliches Wesen seinem Ursprunge nach zu sehen. Finsternis breitet sich zu­nächst aus. Dieses Licht, das wir suchen, es muß herausstrahlen aus der Finsternis. Und es strahlt nur heraus aus der Finsternis, wenn wir gewahr werden, wie dasjenige, was die drei Grundimpulse unseres Seelenlebens sind, Denken, Fühlen, Wollen, hier in diesem Erdendasein durch unseren physischen Leib zusammengehalten wird. Verbunden ist Denken, Fühlen und Wollen im physisch-irdischen Dasein.

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Soll ich schematisch aufzeichnen, wie das verbunden ist, so muß ich das so zeichnen: Das Denken [gelb]; in das Denken erstreckt sich hinein das Fühlen [grün]; in das Fühlen erstreckt sich hinein das Wollen [rot] . So daß die Dreie in dem irdischen Dasein für den Menschen verbunden sind.

Es muß der Mensch empfinden lernen, daß die Dreie sich von­einander scheiden. Und er wird - wenn er immer mehr und mehr jene Meditationen, die ihm von der Schule aus hier empfohlen wer­den, zum kraftvollen Inhalt seines Seelenlebens macht -, er wird merken, daß das an ihn herantritt [es wird nochmals gezeichnet] :

das Denken [gelb] wird frei, löst sich heraus aus der Verbindung mit dem Fühlen, das Fühlen [grün] wird für sich; das Wollen [rot] wird für sich. Denn der Mensch lernt wahrnehmen ohne seinen physischen Leib.

Der physische Leib hat zusammengehalten Denken, Fühlen und Wollen, sie ineinandergedrängt. [Um die erste Zeichnung wird ein Oval gezeichnet.] Hier [bei der zweiten Zeichnung von Denken, Fühlen, Wollen] ist der physische Leib nicht vorhanden.

Der Mensch kommt allmählich durch die Meditationen, die er hier von der Schule empfängt, dazu, sich außerhalb seines Leibes zu fühlen; und er kommt in jenen Zustand, in dem dasjenige, was Welt ist, für ihn Selbst wird, und dasjenige, was Selbst war, für ihn Welt wird. Stehen wir hier auf der Erde in unserem irdischen Da­sein: Wir fühlen uns als Mensch; wir sagen, indem wir uns inner­lich gewahr werden: dies ist mein Herz, dies ist meine Lunge, dies ist meine Leber, dies ist mein Magen. Dasjenige, was wir unsere Organe nennen, was wir die physische Menschenorganisation nen­nen, das bezeichnen wir als unser Eigenes. Und wir weisen hinauf: das ist die Sonne, das ist der Mond, das sind die Sterne, die Wolken, das ist der Baum, der Fluß. Wir bezeichnen diese Wesenheiten als außer uns stehend. Wir sind in unseren Organen drinnen. Wir sind außerhalb dessen, wo wir hinweisen: das ist die Sonne, das ist der Mond, das sind die Sterne und so weiter.

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Wenn wir genügend unsere Seele zubereitet haben, daß sie ohne den Leib, das heißt, außerhalb des Leibes im Geistes-All wahr­nehmen kann, dann tritt für uns gerade das umgekehrte Bewußt­sein ein. Wir sprechen zur Sonne, wie wir jetzt hier im irdischen Dasein zu unserem Herzen sprechen: das ist mein Herz. Wir spre­chen zum Monde : das ist der Schöpfer meiner Gestalt.Wir sprechen zu den Wolken etwa so, wie wir auf Erden zu unseren Haaren sprechen. Wir nennen dasjenige, was Glieder des Weltenalls für den irdischen Menschen sind, unseren Organismus. Und wir weisen hin: Siehe da, ein menschliches Herz, eine menschliche Lunge, eine menschliche Leber: das ist objektiv, das ist Welt. So wie wir hier vom Menschen aus sehen nach Sonne und Mond, wenn wir im physischen Leibe die Welt schauen, so schauen wir vom Welten all aus so, daß Sonne und Mond und Sterne und Wolken und Flüsse und Berge in uns sind, auf den Menschen hin, der unsere Außen­welt ist. Die Schwierigkeit ist nur in den Raumesverhältnissen gegeben. Und diese Schwierigkeit wird überwunden.

So nehmen wir wahr, sobald wir mit unserem Denken heraus­getreten sind aus unserem physischen Leibe: dieses Denken ist eins mit alle dem, was in den Ruhesternen sich offenbart. Wie wir hier das Gehirn unser eigen nennen, es ansprechen als Werkzeug un­seres Denkens, so beginnen wir die Ruhesterne, namentlich die Ruhesterne des Tierkreises als unser Gehirn zu empfinden, wenn wir draußen sind in der Welt und auf den Menschen herunterschauen als auf das uns jetzt Außenstehende.

Und dasjenige, was als Wandelsterne kreist, wir empfinden es als dasjenige, was unser Fühlen ist. Unser Fühlen webt dann im Laufe der Sonne, des Mondes, im Laufe der anderen Wandelsterne. Ja, es ist zwischen dem, was wir erleben als Denken in den Ruhe­sternen, und dem Fühlen, die Sonne in uns selber [zwischen Gelb und Grün der zweiten Zeichnung wird das Sonnenzeichen gesetzt]; und zwischen dem Fühlen und dem Wollen liegt der Mond, die wir in uns fühlen. [Zwischen Grün und Rot wird das Mondenzeichen

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gesetzt.] Und einfach, indem wir diese Figur meditieren, liegt in dieser Figur die Kraft, immer mehr und mehr uns einer geistigen Anschauung zu nähern. Man muß nur darauf kommen, daß dasjenige, was mit diesen Worten, die ich hier sage, ausgespro­chen wird, wirklich innerlich erlebt werden kann: das Heraus­gehen aus dem physischen Leibe, das Sichausdehnen über den Kos­mos, das Fühlen der Glieder des Kosmos - Sonne und Mond, Sterne und so weiter - als die eigenen Organe, das Hinschauen auf den Menschen als auf unsere Außenwelt.

Da aber muß uns völlig klarwerden: unser Denken, unser Füh­len, unser Wollen werden aus einer Einheit, die sie ja nur durch den physischen Leib auf Erden sind, eine Dreiheit. Und wir lernen empfinden diese Dreiheit, wenn wir vor allen Dingen auf das Denken selbst hinschauen.

Liebe Freunde, liebe Schwestern und Brüder, dieses Denken, das der Mensch übt hier auf der Erde zwischen Geburt und Tod, es ist ja ein Leichnam. Es lebt nicht. Was der Mensch auch durch sein Gehirn ausdenken mag an noch so Schönem, Erhabenem, Großem über die irdische Welt seiner Umgebung: diese Gedanken leben nicht. Gelebt haben sie im vorirdischen Dasein. Gelebt haben sie, diese Gedanken, als wir noch nicht heruntergestiegen waren in die physische Welt, sondern als geistig-seelische Wesen oben in der geistig-seelischen Welt gelebt haben. Da waren diese Gedanken lebendig, die wir hier haben auf der Erde, und unser physischer Leib ist das Grab, in dem die sterbende Gedankenwelt begraben wird, wenn wir heruntersteigen auf die Erde. Und hier tragen wir die Gedankenleichname in uns. Und mit Gedankenleichnamen, nicht mit lebendigen Gedanken, denken wir dasjenige, was in der sinnlichen Umgebung hier auf Erden ist. Aber bevor wir herunter­gestiegen sind in diese physische Welt, da war in uns ein lebendiges Denken.

Meine lieben Freunde, man braucht nur mit aller inneren Wucht und Kraft immer wieder und wiederum sich von dieser Wahrheit

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zu durchdringen: man kommt dazu, im Bewußtsein einWissen zu entwickeln, daß das so ist. Man lernt so den Menschen kennen. Man lernt ihn so kennen, daß man ihn anschaut dann: Da ist das menschliche Haupt. [Es wird der Umriß eines Hauptes gezeichnet.] Dieses menschliche Haupt ist der Träger und Boden für das irdische Leichnamdenken. Da sprossen heraus [es wird gezeichnet: die läng­liche Form nach rechts unten], aber tot, die Gedanken, die sich ergießen über das durch die Augen Wahrgenommene, durch die Ohren Wahrgenommene, durch den Wärmesinn, durch andere Sinne Wahrgenommene. Da schauen wir hin auf das Denken, das sich auf die Erde bezieht.

Aber wir lernen allmählich durchschauen durch dieses Denken. Dahinter in der Geisteszelle des menschlichen Hauptes, da ist noch der Nachklang des wahren, lebendigen Denkens, in dem wir gelebt haben, bevor wir heruntergestiegen sind in die physische Welt. Schaut man hin auf den Menschen, dann eigentlich schaut man auf sein totes Denken zunächst [Zeichnung: roter Teil des Hauptes] . Aber hinter diesem toten Denken ist in der Kopfes-Geisteszelle das lebendige Denken [gelber Teil des Hauptes] . Und dieses lebendige Denken hat die Kraft mitgebracht, unser Gehirn erst zu bilden. Das Gehirn ist nicht der Erzeuger des Denkens, sondern das Pro­dukt des vorgeburtlichen lebendigen Denkens.

Schaut man daher mit dem richtigen Bewußtsein hin auf den Menschen, der offenbart an der Oberfläche seines Hauptes das irdisch-tote Denken, schaut man hinein in die Geisteszelle da­hinter, dann schaut man auf das lebendige Denken, das eigentlich so ist wie ein Wollen, das man gewahr wird als Wollen sonst in dem menschlichen motorischen System, das eigentlich schlafend in uns ist. Denn wir wissen nicht, wie der Gedanke hinuntergeht - wenn er die Absicht hat, dies oder jenes zu wollen - in unsere Muskeln und so weiter. Schauen wir auf dasjenige, was als Wollen in uns lebt : wir erblicken das Wollen als Denken in der Geisteszelle hinter dem auf das Sinnliche gerichteten Denken. Dann aber ist dieses

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Wollen, das wir als Denken da gewahr werden, schöpferisch für unser Denkorgan. Da ist dieses Denken nicht mehr menschliches Denken, da ist dieses Denken Weltendenken.

Können wir den Menschen so verstehen, daß wir gewissermaßen durch das irdische Denken hindurchblicken auf dasjenige Denken, das erst die Grundlage für das irdische Denken im Gehirn gemacht hat, dann verfließt ins Weltennichts das sinnliche Denken, und auf­ersteht wie ein Wollen das ewige Denken.

Das alles bringen wir uns zum Bewußtsein, wenn wir in uns wir­ken lassen die mantrischen Worte:

Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstren Geisteszelle
Wollen sich hebt aus Leibestiefen;
Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

Diese Imagination muß allmählich vor Euch stehen, meine lieben Freunde, diese Imagination, daß vom Kopfe ausstrahlt das Ge­dankentote, das auf die Sinneswelt gerichtet ist. Dahinter liegt - zunächst wie als Finsternis - das durch die Sinnesgedanken hindurchscheinende wahre Denken, das das Gehirn erschafft, indem der Mensch heruntersteigt aus der geistigen Welt in die physische. Das ist aber wie ein Wollen. Und man sieht dann, wie aus dem Menschen heraufsteigt das Wollen [einige weiße Striche von unten nach oben], sich ausbreitet nun im Haupte, zum Weltendenken wird, weil, was im Wollen als Denken lebt, eben schon Welten-denken ist.

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Man suche daher immer besser zu verstehen, immer mehr zu begreifen, immer mehr und mehr zur Befestigung zu bringen die mantrischen Gedanken, die man mit diesen Worten in die Seele hineinlegen kann, in der folgenden Weise:

[Die erste Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstren Geisteszelle

- also man muß hinter das Denken schauen -[«hinter» wird dabei unterstrichen]

Wollen sich hebt aus Leibestiefen;

- nun muß man stark werden in der Seele, verfließen lassen das gewöhnliche Sinnendenken -

Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

In diesen sieben Zeilen ist eigentlich das Geheimnis des mensch­lichen Denkens in seinem Zusammenhang mit dem Weltenall ent­halten.

Man muß nicht Anspruch machen darauf, diese Dinge mit dem Intellekt aufzufassen. Man muß diese Dinge im Gemüte als Medi­tation leben lassen. Und diese Worte haben Kraft. Sie sind har­monisch gebaut. «Denken», «Wollen», «Weltennichts», «Wollen» und «Weltgedankenschaffen» [diese Worte werden an der Tafel unterstrichen] sind hier zusammengefügt in innerer Gedankenorganisation so, daß sie auf das imaginative Bewußtsein wirken können.

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Ebenso wie wir hinschauen können auf das menschliche Haupt, das menschliche Haupt uns ein Mittel wird, in das Weltgedankenschaffen hineinzuschauen, so können wir hinblicken auf das menschliche Herz als den Repräsentanten, den physischen Reprä­sentanten, den imaginativen Repräsentanten der menschlichen Seele. Wie das Denken der abstrakte Repräsentant des mensch­lichen Geistes ist, so können wir hinblicken auf das menschliche Herz als den Repräsentanten des Fühlens. Wiederum können wir in das Fühlen, wie es zugewandt ist dem Erdenwesen im mensch­lichen irdischen Dasein zwischen Geburt und Tod, wir können in das Fühlen hineinschauen, aber jetzt nicht hinter das Fühlen, son­dern in das Fühlen. [Zeichnung: gelbes Oval.] Denn so, wie wir in der Geisteszelle hinter dem Denken wahrnehmen das Weltgedan­kenschaffen, so nehmen wir in dem Fühlen, dessen Repräsentant das Herz ist, wir nehmen in dem Fühlen wahr, das Fühlen durch­strömend, etwas, was vom ganzen Kosmos im Menschen ein- und ausgeht: Weltenleben nehmen wir wahr, Weltenleben, das im Men­schen Menschenseelenleben wird.

Muß da stehen [im ersten Spruch] : «hinter des Denkens Sinneslicht», so muß es nun heißen : «in des Fühlens» im zweiten Man­tram, das mit dem ersten harmonisch zusammenverwoben werden muß:

Sieh in des Fühlens Seelenweben,
Wie in dem Träume dämmern
Leben aus Weltenfernen strömt;
Laß in Schlaf durch die Herzensruhe
Menschenfühlen still verwehen;
Und das Weltenleben geistert
Als Menschenwesensmacht.

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[Diese zweite Strophe wird nun an die Tafel geschrieben:]

Sieh in des Fühlens Seelenwehen,
Wie in dem Träumedämmern

Das Fühlen ist nur ein wachendes Träumen. Die Gefühle werden dem Menschen nicht so bewußt wie die Gedanken. Sie werden ihm so bewußt, wie die Bilder des Träumens. So ist das Fühlen ein Träumen im Wachen. Daher heißt es:

Sieh in des Fühlens Seelenwehen,
Wie in dem Träumedämmern

[es wird weitergeschrieben:]

Leben

- hier [beim ersten Spruch] strömt «Wollen» aus Leibestiefen her­auf; hier aber strömt aus Weltenfernen ein in das Seelenwehen «Leben» - [das Wort «Leben» wird unterstrichen und die Mantramzeile weiter angeschrieben]

aus Weltenfernen strömt;

[in der Zeichnung werden vier waagerechte Pfeile gemacht.]

Nun handelt es sich darum, wie hier [im ersten Spruch] das Denken ins Weltennichts durch die Seelenstärke verfließen soll, daß wir jetzt verwehen lassen die Träume des Fühlens, dafür aber in dem Seelenweben des Fühlens wahrnehmen, was als Weltenleben hereinströmt. Wenn das Träumen des Fühlens ganz in Schlaf verweht, wenn das einzelne menschliche Fühlen aufhört, dann webt herein in den Menschen Weltenleben:

211

Leben aus Weltenfernen strömt

[Es wird weitergeschrieben:]

Laß in Schlaf durch die Herzensruhe

Hier [im ersten Spruch] brauchen wir Seelenstärke; hier [im zwei­ten Spruch] brauchen wir innere vollständige Beruhigung, dann verwehen in Schlaf die Träume des Fühlens, und das göttliche Wel­tenleben strömt in das menschliche Seelische herein:

Laß in Schlaf durch die Herzensruhe

[Es wird weitergeschrieben und dabei werden die Worte «verwehen», «Weltenleben» und «Menschenwesensmacht» unterstrichen:]

Menschen fühlen still verwehen;
Und das Weltenleben geistert
Als Menschenwesensmacht.

In diesen sieben Zeilen ist das ganze Geheimnis des menschlichen Fühlens, wie es sich verseibständigen kann aus der Einheit in die Dreiheit, enthalten.

Ebenso können wir hinschauen auf die menschlichen Glieder, in denen sich das Wollen äußert. Da können wir, wenn wir auf diese menschlichen Glieder, in denen sich das Wollen äußert, hinschauen [Zeichnung: weißer Pfeil nach abwärts in der länglichen Form], da können wir nicht sagen «Sieh hinter», «Sieh in», da müssen wir sagen «Sieh über», denn vom Haupte strömt herunter in das Wol­len das Denken, allerdings ohne daß es der Mensch im gewöhn­lichen Bewußtsein schauen kann, aber es strömt vom Haupte in die Glieder der Gedanke, damit in den Gliedern das Wollen wirken kann.

212

Dann aber, wenn wir in den Gliedern das Wollen wirkend schauen, wenn wir sehen in jeder Armbewegung, in jeder Bein­bewegung, wie der Strom des Wollens strömt, dann werden wir auch gewahr, wie in diesem Wollen ein geheimes Denken lebt, ein Denken, das im Menschen unmittelbar das irdische Sein ergreift. Es ist ja im Grunde genommen unser Wesen aus früheren Erdenleben, das da durch die Glieder das irdische Dasein ergreift, damit wir in diesem Ergreifen das gegenwärtige Dasein haben. Denken senkt sich herunter in die Glieder. Aber wenn wir es im Wollen der Glieder sehen, wie es sich da heruntersenkt, dieses Denken, dann erblicken wir im Wollen das Denken [Zeichnung: rot nach abwärts in der länglichen Form].

Dann müssen wir, indem wir hinschauen mit der Seele, wie im Arm, in den Händen, in den Beinen, in den Füßen, in den Zehen Denken lebt, das uns nur sonst verborgen wird, dann müssen wir sehen, wie dieses Denken Licht ist. Es strömt das Denken als Licht durch Arme und Hände, durch Beine und Zehen. Und es verwan­delt sich das Wollen, das sonst in den Gliedern als ein schlafendes Wollen lebt, es verwandelt sich das Wollen, und das Denken er­scheint als Willenszauberwesen, das den Menschen aus früheren, zu Geist gewordenen Erdenleben in das gegenwärtige Erdenleben hereinversetzt:

Sieh über des Wollens Leibeswirken,
Wie in schlafende Wirkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

213

Es zaubert, das heißt, es wirkt magisch das unsichtbare Denken in dem Willen der Glieder. Der erst versteht den Menschen, der da weiß, daß der Gedanke, weil wir im Wollen schlafen, daß der Ge­danke, der nicht im Wollen geschaut wird, magisch wirkt in den Gliedern als Wollen. Und der versteht erst wahre Magie, der diese Magie zunächst erschaut als den Gedanken, der durch Arme und Hände, durch Beine und Zehen lebt.

[Es wird nun die dritte Strophe an die Tafel geschrieben, und dabei werden die Worte «Denken», «verwandlen», «Denken», «Willenszauberwesen» unterstrichen:]

Sieh über des Wollens Leibeswirken,
Wie in schlafende Wirkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

Darinnen ist das Geheimnis des menschlichen Wollens, wie es als solches Wollen aus dem Weltenall heraus schaffend, magisch schaf­fend im Menschen wirkt, enthalten.

Und so wollen wir denn, meine lieben Freunde, meine lieben Schwestern und Brüder, dieses als eine Grundlage betrachten - zu einer Zeit, die ich noch ankündigen werde, auf dieser Grundlage etwas weiterbauen -, als eine Grundlage betrachten, indem wir uns immer wieder und wieder meditierend die mantrischen Worte durch die Seele ziehen lassen:

214

Sieh hinter des Denkens Sinneslicht,
Wie in der finstren Geisteszelle
Wollen sich hebt aus Leibestiefen;
Lasse fließen durch deiner Seele Stärke
Totes Denken in das Weltennichts;
Und das Wollen, es erstehet
Als Weltgedankenschaffen.

Sieh in des Fühlens Seelenwehen,
Wie in dem Träumedämmern
Leben aus Weltenfernen strömt;
Laß in Schlaf durch die Herzensruhe
Menschenfühlen still verwehen;
Und das Weltenleben geistert
Als Menschenwesensmacht.

Sieh über des Wollens Leibeswirken,
Wie in schlafende Wirkensfelder
Denken sich senkt aus Haupteskräften;
Laß durch die Seelenschau zu Licht
Menschenwollen sich verwandlen;
Und das Denken, es erscheinet
Als Willenszauberwesen.

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Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 215 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 215
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NEUNTE STUNDE Dornach, 22. April 1924

Meine lieben Freunde! Wir lassen zunächst - ohne dabei irgendwie etwas zu notieren - diejenige Mahnung an die Menschenseele an unserem Gemüte vorüberziehen, welche hinweist den Menschen auf das uralt heilige Wort des Erkennens:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

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Wir können, meine lieben Freunde, hinaufschauen in die Weiten der Sterne und unseren Blick ruhen lassen auf demjenigen, was uns entgegenleuchtet und entgegenglänzt aus den Weltenweiten in den Ruhesternen, in den Sternen, die uns bestimmte Formen ihrer Gruppierung entgegenbringen. Wir werden, wenn wir uns in das Erhabene hineinversetzen, was da aus den Weltenfernen auf uns wirkt, immer stärkere und stärkere innere Kraft gewinnen. Und wir werden insbesondere dann, wenn wir brauchen die Kraft, die Seele freizuhalten von dem Körperlichen, wir werden dann be­sonders darauf angewiesen sein, diesen Blick auf die Sternenwelt so zu richten, daß wir ihn rein innerlich richten. «Innerlich rich­ten», damit ist gemeint: Wir haben den Anblick der Sterne so und so oft gehabt, wir haben ihn bewahrt in unserem Gemüte; wir sind nunmehr nicht darauf angewiesen, auf den äußeren Sternenhim­mel zu schauen, um in unserem Bewußtsein regsam zu machen das gewaltige Bild des Himmelsdomes, der sternenbesetzt uns ent­gegenleuchtet. Wenn dieses Bild aus unserem eigenen Inneren auf­taucht, wenn die Seele sich erkraftet, dieses Bild in sich selber zu schaffen, dann wird sie erst recht in der Lage sein, durch diese er­starkten Kräfte ihr Seelisches freizubekommen vom Körperlichen.

Und wir können ferner hinschauen auf alles dasjenige, was uns durchstrahlt und durchströmt von den wandelnden Sternen, die den Umkreis um die Erde machen, die wohl auch in ihrem Umkreis mitreißen dasjenige, was auf der Erde webt und west an Wind und Wetter. Und wir können wiederum von alle dem, wenn wir es im Gemüte bewahren, uns ein Bild machen, so daß wir dieses Hinein­verwobensein in die Bewegung des Umkreises als ein zweites er­leben.

Und wir können dann, wenn wir aufmerksam werden auf alles dasjenige, was uns an die Erde fesselt, was da macht, daß wir ein schwerer Körper sind unter anderen schweren Körpern, was also in uns lebt als Empfindung unseres Erdgebundenseins, wir können dies in der Seele rege machen. Und es wird das ein drittes sein.

219

Und aus diesen drei inneren Erlebnissen: aus dem, was wir wie einen, aber jetzt in sich erglänzenden, in sich weben den und wesenden Gedanken gewonnen haben an den Ruhesternen; durch das jenige, was wir haben, wenn wir uns, aufgehend in dem Gang unserer eigenen Erdenbahn im Weltenall, aufgehend in all das­jenige, was die Wandelsterne in ihren Bewegungen bedeutungsvoll vom Raume herein uns sagen, wenn wir uns so, wie wir uns den Ruhesternen gegenüber als ruhender Mensch empfinden, selbst durch den Kosmos in Bewegung gekommen fühlen; wenn wir uns dann zum dritten fühlen als gebunden an die Erde, als gewisser­maßen durch die Kraft der Erde an diese Erde gezogener Teil die­ser Erde, dann werden wir ebenmäßig und richtig immer mehr und mehr dazu kommen, den Anfang damit zu machen, in die geistige Welt einzutreten. Und diesen Anfang, ihn kann heute jeder Mensch machen.

Da kann allerdings die Frage aufgeworfen werden: Wie kommt es denn, daß ihn so wenige Menschen machen? Darauf muß die Antwort werden : Die meisten Menschen wollen eigentlich nicht so intim erleben, um in das Geistige hineinzukommen. Sie ver­schmähen es, so intim zu erleben. Sie möchten tumultuarischer erleben, so, daß ihnen die geistige Welt entgegentritt mit allen Eigenschaften der sinnlichen Welt.

Die Menschen würden heute leicht zu überzeugen sein von der geistigen Welt, wenn ihnen zum Beispiel aus der geistigen Welt ein Tisch entgegentreten würde. Aber Tische gibt es nicht in der geisti­gen Welt, sondern nur geistige Wesenheiten gibt es in der geistigen Welt. Die müssen wahrgenommen werden mit demjenigen im Menschen, was selber geistig ist. Geistig aber ist dasjenige, was wir aus den Ruhesternen lesen können, was wir an der Bewegung der Wandelsterne fühlen können, was wir an Kräften, mit denen uns die Erde hält, um uns zu Menschen der Erde zu machen, was wir da erfühlen können.

220

Deshalb muß es jeder, der da will immer in richtigerem und richtigerem Sinne verstehen, auch innerlich verstehen. Mit dem gesunden Menschenverstande kann man ja alles Anthroposophi­sche verstehen; aber innerlich verstehen heißt, es immer mehr und mehr auch ins innere Leben überführen. Wer da will dieses Ins-innere-Leben-Überführen innerlich als Verständnis zu haben, der muß sich dazu entschließen, wirklich zu einer solchen inneren, intimen Übung zu kommen, wie sie in diesen drei Gefühlen, Erleb­nissen - wie wir es nennen, ist gleichgültig -, in diesen drei Gefüh­len, Erlebnissen, sich ergibt.

Und da möchte heute dasjenige, was aus der geistigenWelt durch diese Schule zu Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, fließt, das möchte zu Euch von dem sprechen, wie man durch eine intime Übung an seinem Menschenwesen mehr gewahr werden kann an Zusammenhang des Menschen mit der Welt, als man gewöhnt ist, im äußeren Bewußtsein wahrzunehmen.

Zunächst handelt es sich ja darum, daß wir als Mensch wirklich uns zu dem im späteren Leben machen, was wir eigentlich als Kind im hohen Grade sind. Wir sind als Kind fast ganz Sinnesorgan, Auge, Ohr. Das Kind nimmt alles, was in seiner Umgebung ge­schieht, so wahr, wie wenn sein ganzer Körper Sinnesorgan wäre. Deshalb macht es alles nach, weil alles weitervibriert in ihm und wiederum mit derselben Weise, wie es in ihm vibriert, durch seinen Willen aus ihm herauswill.

Nun behält das Kind diese Sinne-Art seines ganzen Leibes ei­gentlich nur so lange, als wir es davor bewahren, dasjenige zu machen mit diesem seinem ganzen Leibes-Sinn, was wir später als erwachsener Mensch mit diesem Leibes-Sinn machen können. Das Kind entwickelt eigentlich diese innere Sinne-Fähigkeit so lange, als wir es tragen, als wir es immer so bewahren, daß es noch nicht den Kräften der Erde ausgesetzt ist. Und es ist eigentlich etwas ganz Wunderbares im Heranwachsen des Menschen, daß sein

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Sinne-Sein bewahrt wird vor der Einwirkung der Erdenkräfte, solange dieses Sinne-Sein ganz besonders lebendig ist.

In dem Augenblicke, wo das Kind sich auf seine Füße stellt, anfängt sich so zu bewegen, daß seine Bewegungen in die Kräfte der Erde hineinfallen, das Kind sein eigenes Gleichgewicht finden muß, in dem Augenblicke hört auch das intime Sinne-Sein des Kindes auf. So daß der Mensch, der sich ja nicht bis zu dieser ersten Stufe des Menschtums zurückerinnert, gar nicht weiß, was es eigentlich heißt, sich als ganzer Mensch wie ein Sinn zu fühlen. Aber wir müssen uns, wenn wir den Menschen immer mehr und mehr in uns erleben wollen, eben als ein solcher Sinn als ganzer Mensch erfühlen und erleben. Dann aber müssen wir uns als Tast­organ erleben, als ein einziges großes Tastorgan, das unser ganzer Leib ist.

Sie greifen, meine lieben Schwestern und Brüder, irgend etwas an. Es drückt auf Sie. Sie nehmen den Druck wahr. Oder Sie nehmen die Oberflächen-Beschaffenheit wahr, indem Sie tasten. Aber Sie tasten in Wirklichkeit fortwährend, indem Sie durch Ihren ganzen Körper von oben nach unten sich auf die Erde stellen und die Erde unten mit Ihren Fußsohlen betasten. Sie sind es nur so gewöhnt geworden, daß Sie es nicht beachten. Wenn Sie beginnen, es zu beachten, dann fühlen Sie sich als Mensch erst in den Erden­kräften drinnenstehend. Daher die Mahnung an der Schwelle zur geistigen Welt :

[Es wird an die Tafel geschrieben :]

O Mensch, ertaste in deines Leibes ganzem Sein,
Wie Erdenkräfte dir im Dasein Stütze sind.

Damit haben wir die erste Stufe dieses inneren Erlebens in uns wirken lassen.

Nun können wir uns aber wiederum als der Mensch fühlen, der da tastet. Wir können erleben dieses Tasten, können uns als der

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Mensch innerlich fühlen, in dem webt und lebt dieses Tasten. Wenn wir dazu aufsteigen, dieses Tasten selber nun zu empfinden, dann nehmen wir nicht die Erdenkräfte wahr, sondern dann fangen wir an, in uns die vibrierenden Wasserkräfte wahrzunehmen, die Flüssigkeitskräfte, die als Blut, als andere Säfte in unserem Körper wellen und weben. Und in diesen Kräften fühlen wir dann, wie alles, was in uns flüssig ist, was wellt und webt als Flüssiges, zu­sammenhängt mit dem Ather in der Welt.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erlebe in deines Tastens ganzem Kreis,
Wie Wasserwesen dir im Dasein Bildner sind.

Wären nur die von uns als ganzer Mensch zu ertastenden Erdenkräfte in uns, wir würden darstellen etwas, was nach unten immer­dar zerfällt. Die Wasserkräfte, welche in uns sind, die bilden uns eigentlich zu dem gestalteten Menschenleib aus dem Weltenäther heraus. Auf dasjenige, was in uns fest ist, feste Erdenkräfte sind, hat auch nur die Erde Einfluß. Auf dasjenige, was in uns Flüssig­keit ist, hat die ganze weite Welt des Äthers Einfluß.

Dann aber können wir uns wiederum versenken auf der dritten Stufe in dasjenige, was da in der Flüssigkeit webt und lebt. Wir können dunkel das innerlich fühlen. Dann, wenn wir zum Beispiel den Atem fühlen, dann werden wir entdecken, wie wir als Men­schen aus den Wesen des Atems, aus den Wesen der Luft heraus fortwährend gepflegt werden. Wir wären hilflose Kinder in der Welt, wenn wir nicht fortwährend durchströmt würden von den Atemkräften, die uns pflegen, die uns aus hilflosen Kindern erst zu Menschen machen.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erfühle in deines Lebens ganzem Weben,
Wie Luftgewalten dir im Dasein Pfleger sind.

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Und nun können wir, wenn wir so zur dritten Stufe des inner­lichen Erlebens aufgestiegen sind, zu der vierten kommen, wenn wir uns innerlich durchwärmt fühlen, wo wir aufmerksam werden auf unsere eigene, uns erfüllende Wärme, die im Atem, die in allem lebt, was luftförmig ist um uns. Denn nur durch dasjenige, was luftförmig in uns webt und lebt, wird die Wärme in uns, die uns auch körperlich verinnerlicht, in uns erzeugt.

Das aber, was da innerlich als Wärme in uns lebt, das können wir mit dem Gedanken erreichen. Und hier ist ein sehr bedeut­sames Geheimnis der Menschennatur gegeben.

Meine lieben Schwestern und Brüder, Ihr könnet nicht erreichen mit dem Gedanken, sondern nur mit dem Tastgefühle, wie Erdenkräfte auf Euch wirken und Euch Stütze sind. Ihr könnet nicht mit dem Gedanken erreichen, sondern nur mit dem innerlichen Erleben, wie Wasserkräfte in Euch plastische Bildner sind. Ihr könnet nicht mit dem Gedanken erreichen, sondern nur innerlich erfühlen, wie Luftgewalten in Euch Pfleger sind. Ihr könnet dank­bar sein diesen Pflegern, Ihr könnet lieben diese Pfleger, aber Ihr könnet sie nicht mit dem Gedanken unmittelbar erreichen. Aber das kann der Mensch meditierend erreichen, daß er sich in seine Wärme mit dem Gedanken hinunterversenkt, daß er wirklich innerlich sich durchlebt als ein Wärmewesen.

Der Arzt kommt mit dem Fieberthermometer; er mißt die Wärme von außen. Wie sie verschieden sein kann an den einzelnen Körperstellen, so ist die Wärme im Inneren nach den einzelnen Organen verschieden. Man kann den Gedanken hinunterlenken zu den einzelnen Organen, und man kann finden den ganzen inneren Wärme-Organismus in sich differenziert. Man kann sich als Wärme-Organismus mit dem Gedanken erreichen.

Dann aber, wenn man das hat, dann hat man ein ganz bestimm­tes Gefühl. Dieses Gefühl, meine lieben Schwestern und Brüder, ist hier an dieser Stelle vor Eure Seele hinzubringen. Denkt Ihr Euch, Ihr erreicht es, daß Ihr vom Gedanken ausgehend diesen

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Gedanken hinunterversenkt in Euren Organismus, sich differen­zierende Wärme Ihr erreicht : die Wärme der Lunge, die Wärme der Leber, die Wärme des Herzens, die ja alle in Wirklichkeit gott­geistgeschaffene Wesenheiten in Euch sind. Ihr erreicht das mit dem Gedanken. Da wißt Ihr erst, wer der Gedanke ist. Vorher habt Ihr nicht gewußt, was der Gedanke ist. Da wißt Ihr erst, daß der Gedanke, indem er hinunterzieht in die Wärme, die vorige bloße Wärme zur Flamme macht, zum Feuer macht. Denn der Gedanke, er erscheint Euch ja in einer unwahrnehmbaren Innerlichkeit als abstrakter Gedanke im gewöhnlichen Leben. Wenn Ihr ihn hin­unterversenkt in den eigenen Leib, erscheint der Gedanke Euch so, daß er leuchtend, strahlend einzieht in Lunge, in Herz, in Leber. Wie das Licht, das von Eurer Stirne ausgeht, sich nach unten er­streckt, so durchleuchtet der Gedanke, sich differenzierend in die verschiedenen Farbennuancen hinein, die einzelnen Organe.

Man kann nicht bloß sagen: ich durchdenke mich nach den Unterschiedenheiten meiner Wärme; man muß sagen: ich durch-leuchte mich durch den Gedanken nach den Unterschiedenheiten meiner Wärme.

[Es wird an die Tafel geschrieben.]

O Mensch, erdenke in deines Fühlens ganzem Strömen,
Wie Feuermächte dir im Dasein Helfer sind.

Das Ganze kann dann zusammengefaßt werden. Alles das­jenige, was in diesen acht Zeilen liegt, kann zusammengefaßt wer­den, indem man gewissermaßen dasjenige, was man da innerlich durchgemacht hat, noch einmal zusammenfassend auf seine Seele wirken läßt in dem Worte:

[Es wird an die Tafel geschrieben, die Elemente hinter die entsprechenden Mantramsätze:]

O Mensch, erschaue dich in der Elemente Reich.

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Elemente:

Erde
Wasser
Luft
Feuer

So durchmißt Ihr Euch, durchstrahlt, durchkraftet Ihr Euch in bezug auf den Leib. Aber bemerkt nur einmal, wie dieses Durchkraften, dieses Durchmessen aus dem mehr physischen Fühlen in das Moralische übergeht:

Hier haben wir zuerst die Stütze des Menschen, die physische Stütze. [Im ersten Mantramsatz wird «Stütze» unterstrichen.]

Hier haben wir die plastischen Bildekräfte. [Im zweiten Man­tramsatz wird «Bildner» unterstrichen.] Es ist noch etwas Physi­sches, obwohl vom Atherischen durchzogen.

Hier haben wir Pfleger. [Im dritten Mantramsatz wird «Pfle­ger» unterstrichen.] Es ist schon etwas Moralisches. Denn kommt man herauf vom Wasser in die Luft, so empfindet man: die Wesen, die in der Luft sind, sind schon von Moralität durchzogen.

Und im Feuer haben wir nicht nur Pfleger, sondern Helfer [«Helfer» im vierten Mantramsatz wird unterstrichen], Kamera-den, Wesen, die gleichgeartet sind mit uns.

Ebenso aber, wie man den Leib in dieser Weise durchfühlt, kann man auch die Seele selber durchfühlen. Da muß man aber nicht auf die Elemente hin sich konzentrieren, da muß man sich konzen­trieren auf dasjenige, was in den Wandelsternen um die Erde her­um zieht und Luft- und Meeresströmungen mitreißt. Sein Leib­liches in seiner Geistigkeit fühlt man, wenn man in der Weise, wie es auseinandergesetzt ist, den Leib durchmißt; sein Seelisches aber durchlebt man. Die weiteren Details sollen in späteren Stunden entwickelt werden; heute soll kurz dasjenige hingeschrieben wer­den, was dieses Durchfühlen der Seele erleben läßt.

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[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, so lasse walten in deiner Seele Tiefen
Der Wandelsterne weltenweisende Mächte.

Wieder kann das zusammengefaßt werden in dem Satze:

O Mensch, erwese dich durch den Weltenkreis.

Dasjenige, wodurch wir auch das Geistige in uns erfassen und er­leben, das wird erreicht, wenn wir den Geist erheben zu den Ruhesternen, zu denjenigen Sternen, die uns in ihren Gruppen Formungen, Gestaltungen entgegensenden und so wie zur Himmelsschrift für uns werden. Wenn wir bewahren dasjenige, was so ein­geschrieben ist in den Sternenhimmel, dann werden wir unserer eigenen Geistigkeit in uns gewahr, jener Geistigkeit, die nicht per­sönlich vom Menschen spricht, sondern die vom ganzen Welten all spricht.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

O Mensch, erhalte dir in deines Geistes Schaffen
Der Ruhesterne himmelkündende Worte.

Zusammenfassend :

O Mensch, erschaffe dich durch die Himmelsweisheit.

Nicht mit allgemeinen Sätzen, nicht mit allgemeinen Empfin­dungen kommen wir dazu, mit unserem Seelischen aus dem Leibe immer mehr und mehr herauszukommen und in die Allwelt über­zugehen, sondern allein dadurch kommen wir dazu, daß wir in so bestimmter Weise ergreifen Element nach Element, Bewegung der Wandelsterne, Sinn der Ruhesterne. Wir verbinden uns mit der Welt, indem wir dies tun.

Und wir werden bemerken, indem wir dies tun, daß wir in einer solchen Übung, indem wir ihren ersten Teil absolvieren, fühlen das Leben in uns, das Leben der Welt:

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[Neben die ersten acht Mantramzeilen wird geschrieben:]

Leben

Indem wir den zweiten Teil absolvieren, fühlen wir uns in Liebe zu aller Welt:

[Neben die zehnte und elfte Zeile wird geschrieben:]

Liebe

Indem wir den dritten Teil absolvieren, fühlen wir uns im Fromm­sein:

[Neben die dreizehnte und vierzehnte Zeile wird geschrieben:]

Frommsein

Und es ist wirklich ein Hinaufheben des Menschen vom Leben durch die Liebe zum Frommsein, zum wirklich religiösen Welt-erleben, was durchgemacht werden kann an solchen mantrischen Worten.

Dann aber, wenn wirklich das so durchgemacht wird, wenn wir zuletzt endigen im Frommsein durch eine solche Übung, dann hört die Welt auf, physisch für uns zu sein. Dann sagen wir uns mit aller inneren Wahrheit : das Physische an der Welt ist nur Schein, Maja; die Welt ist durch und durch überall Geist. Wir gehören als Mensch zu diesem Geiste. Und wenn wir uns als Geist in der Geistwelt fühlen, dann sind wir jenseits der Schwelle zur geistigen Welt.

Dann aber, wenn wir jenseits der Schwelle zur geistigen Welt sind, dann empfinden wir, wie unser Leib hier zusammenhält, durch seine äußerliche Leibeskraft zusammenhält Denken, Fühlen, Wollen; wie aber in diesem Augenblicke, wo wir leibfrei in un­serem Erleben werden, Denken, Fühlen, Wollen eines nicht mehr sind, sondern eine Dreiheit sind. Denn es ist so, als ob wir, indem wir uns mit den Erdengewalten in Erde, Wasser, Luft, Feuer ver­binden, wie wenn wir da unser Wollen der Erde zuführten und eins würden durch unser Wollen mit der Erde.

Es ist weiter, indem wir fühlen unsere Seele in Liebe zu den

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Bewegungen der Wandelsterne, das heißt zu den Geistwesen, welche darinnen leben, es ist so, daß wir da die kreisenden Gewal­ten des Weltenraumes erleben als Fühlen. Und wenn wir sagen kön­nen: Sonne bewegt sich im Gefühl des Weltenraumes, Merkur bewegt sich im Gefühl des Weltenraumes, Mars bewegt sich im Gefühl des Weltenraumes, dann haben wir das Fühlen in seinem Weltendasein getrennt vom Denken ergriffen und getrennt vom Wollen.

Und wenn wir das Denken so erfassen können, daß wir den Gedanken freibekommen vom physischen Dasein, dann ist es, wie wenn unser Denken weit hinausflöge zu den Ruhesternen und in den Ruhesternen selber ruhte. Und wir sagen uns, wenn wir jenseits der Schwelle angekommen sind: mein Denken ruht in den Ruhesternen; mein Fühlen bewegt sich in den Wandelsternen; mein Wollen gliedert sich ein den Kräften der Erde. Und Denken, Füh­len, Wollen sind im Weltenall aufgeteilt.

Und sie müssen wiederum zusammengefügt werden. Hier auf Erden braucht der Mensch nicht Denken, Fühlen und Wollen zu­sammenzubinden, denn sie sind dadurch, daß der physische Leib eine Einheit ist, für den physischen Menschen zusammengebunden. Fortwährend würden Denken, Fühlen und Wollen auseinanderfallen, wenn sie nicht durch den physischen Menschen, ohne daß der Mensch es beabsichtigen oder wollen kann, zusammengehalten werden. Jetzt aber sind sie so getrennt, Denken, Fühlen und Wol­len, daß das Denken oben ruht bei den Fixsternen, daß das Fühlen kreist mit den Planeten, daß das Wollen unten sich eingliedert den Kräften der Erde. Und wir mussen uns mit festem inneren Er­kraften hinstellen und die drei, die weit auseinanderliegen, durch unsere eigenen Kräfte zu einer Einheit zusammenfassen.

Dazu müssen wir so, wie wir das durch eine solche mantrische Formel können, Denken, Fühlen und Wollen empfinden, damit wir dem Denken, das zu den Ruhesternen gegangen ist, etwas mit­teilen können vom Wollen und Fühlen; dem Fühlen, das in den

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Wandelsternen kreist, etwas mitteilen können vom Denken und Wollen; dem Wollen, das an die Erde gebunden ist, etwas mitteilen können vom Denken und Fühlen.

Wir müssen hinaufschauen zu den Ruhesternen, andächtig uns sagen: Da ruhet dein Denken. Aber ich bringe diesen ganzen Ster­nenhimmel in Bewegung, wie das Gefühl es sonst bei den Planeten tut, ich bewege im Geiste den Sternenhimmel langsam hin. Ich fühle mich wie angezogen vom Sternenhimmel; ich möchte hinauf, ich möchte eins werden als ganzer Mensch mit dem Sternenhimmel. So habe ich Fühlen und Wollen dem an die Ruhesterne gebundenen Denken einverleibt.

Nun schaue ich hin in die Wandelsterne und fühle: In diesen Wandelsternen wandelt mein eigenes Fühlen. Aber ich will mich bemühen, den Augenblick, den ich angeschaut habe, der sich immer in den Wandelsternen verändert, festzuhalten, wie fest sonst nur die Fixsterne stehen. Und ich will mit meinem ganzen mittleren Menschen, mit all dem, was zu Herz und Lunge gehört, eins wer­den mit dem ganzen Planetensystem. Dann habe ich das Denken und das Wollen zugeteilt dem Fühlen.

Und werde ich gewahr, wie ich als Mensch gebunden bin an die Erde, durch diese mantrische Formel, dann soll ich zumischen diesem Gebundensein an die Erde Fühlen und Denken. Ich soll in mir im Gedanken die Erde in Bewegung setzen, so daß ich mit ihr wie ein Wandelstern fortgleite und ihre Schwere nicht wahrnehme, die Gebundenheit der Erde mir so wird, wie wenn ich die Erde durch den Weltenraum tragen würde. Fühlen ist dem Wollen bei­gemischt. Denken mische ich bei, wenn ich mit der Erde mich fortbewege in Gedanken, aber wieder stillhalten kann, die Erde selber zum Ruhestern durch meine eigene Gedankenkraft meditierend mache.

Wenn ich solch eine Meditation durchführe und immer wieder und wieder durchführe, ich komme dazu, mich als Mensch im Weltenall außer dem Leibe nach und nach zu fühlen. Dazu lasse

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man, meine lieben Schwestern und Brüder, wirken eine mantrische Formel, die besonders kräftig auf die Seele wirken kann.

[Es wird an die Tafel geschrieben:]

Trag' in Denk-Erleben
Das als reines Sinnen

- das heißt: als Meditieren, als Sinnen -

In der Seele lichtvoll
          glänzt
Fühlen und Wollen
Und du bist Geist
Unter reinen Geistern.


Als Zweites:

Trag' in Fühlenskräfte
Die als edle Liebe
Durch die Seele wärmend
           weben
Denken und Wollen
Und du bist Seele
Im Reich der Geister.

Als Drittes:

Trag' in Willensmächte
Die als Geistestriebe
Um die Seele wirkend
          leben
Denken und Fühlen
Und du schaust dich selbst
Als Leib aus Geisteshöhen.

Erst so angeschaut erscheint der Leib des Menschen in seiner wah­ren Gestalt.

Was so erkundet wird aus der geistigen Welt, was erlebt der Ein­geweihte in der geistigen Welt, wenn das so in Worte gefaßt wird,

231

so sind es mantrische Worte, und derjenige, der es nacherlebt, wird hineingeführt in die geistige Welt.

Daher ist es eine wirkliche Führerschaft in die geistige Welt, wenn Eure Seele eben auf sich die Worte wirken läßt:

Trag' in Denk-Erleben
Das als reines Sinnen
In der Seele lichtvoll
       glänzt
Fühlen und Wollen
Und du bist Geist
Unter reinen Geistern.

Trag' in Fühlenskräfte
Die als edle Liebe
Durch die Seele wärmend
       weben
Denken und Wollen
Und du bist Seele
Im Reich der Geister.

Trag' in Willensmächte
Die als Geistestriebe
Um die Seele wirkend
       leben
Denken und Fühlen
Und du schaust dich selbst
Als Leib aus Geisteshöhen.

232

Dann, wenn solches Euch immer klarer und klarer wird, meine lieben Schwestern und Brüder, was in solchen mantrischen Worten liegt, dann werdet Ihr, wenn Ihr immer wieder und wieder kommt zu diesen Stunden, mit immer größerem Verständnisse, das heißt mit immer größeremWelterleben hier hören die Worte:

O Mensch, erkenne dich selbst!
So tönt das Weltenwort.
Du hörst es seelenkräftig,
Du fühlst es geistgewaltig.

Wer spricht so weltenmächtig?
Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung
In deines Sinnes Seinserleben?
Tönt es durch der Zeiten Wellenweben
In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich
Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd
Erfühlend in Raumes Seelenleere,
Weil du des Denkens Kraft
Verlierst im Zeitvernichtungsstrom.

233
Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 233 Wandtafelanschrift aus GA 270/I, S. 233
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HINWEISE

Die Texte für diesen Manuskriptdruck wurden mit dem Finckhschen Originalstenogramm mehrfach neu verglichen. Abweichungen gegenüber den vordem verwendeten Texten, soweit sie im folgenden nicht nachgewiesen sind, gehen auf diese neue Textüberprüfung zurück.

Für die Wortlaute der Mantren gilt im allgemeinen der an die Tafel geschriebene Text. Abweichungen sind in den Fußnoten zu den Tafeltexten der einzelnen Stunden aufgeführt. Auch beim Sprechen wich Rudolf Steiner gelegentlich von dem geschriebenen Wortlaut ab. Soweit dies nicht aus dem Druck selber hervorgeht, werden solche Abweichungen im folgen­den nachgewiesen. Sicherlich sind nicht alle stenographisch festgehalten worden, weil Helene Finckh, dem Stenographenbrauch folgend, gewöhnlich nur dann Wort für Wort nachschrieb, wenn ein Mantram zum ersten Mal gesprochen wurde. Sonst hat Sie es nur durch Anfangs­und Schlußworte angedeutet, während sie die an der Tafel erscheinenden Texte nicht steno­graphisch, sondern vollständig in Langschrift mitschrieb. Dies ermöglichte die Unterschei­dung zwischen den gesprochenen und den an die Tafel geschriebenen Texten, wie sie jetzt im Druckbild erscheint. Dadurch wird ablesbar, wie unterschiedlich Rudolf Steiner die Mantren methodisch behandelte, zumeist erst sprechend und dann an die Tafel schreibend, gelegent­lich aber auch sogleich an der Tafel entwickelnd.

Seite

7 von 1904 bis 1914 in drei Klassen geführte Esoterische Schule: Siehe hierzu Rudolf Steiners «Anweisungen für eine esoterische Schulung - AUS den Inhalten der Esoteri­schen Schule», Bibl.-Nr. 245, Gesamtausgabe Dornach 1976.

21 Mit dieser Stunde möchte ich die Freie Hochschule als eine esoterische Institution wie­derum zurückgeben der Auf gabe, der sie drohte in den letzten Jahren entrissen zu werden: Siehe hierzu die Ausführungen Rudolf Steiners in «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Jahresausklang und Jahreswende 1923/24», Bibl.-Nr. 260, Gesamtausgabe Dornach 1963, und «Die Kon­stitution der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft - Der Wiederaufbau des Goetheanum, 1924/1925«, Bibl.-Nr. 260a, Gesamtausgabe Dornach 1966.

23 Ich hahe mich üher diese ganze Sache ja ausgesprochen in unserem Mitteilungshlatte «Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht>: Rudolf Steiner bezieht sich hier auf seine Aufsätze «Die Freie Hochschule für Geisteswissenschaft», innerhalb der Gesamtausgabe in Bibl.-Nr. 260 a, vergleiche den vorigen Hinweis.

30 was mahnend der hütende Geistesbote am gähnenden Abgrund der Erkenntnis, was mahnend der hütende Geisteshote des aus der Finsternis heraus leuchtenden Geistes dem Menschen zuzurufen hat...: Das Stenogramm hat zwischen den Worten «der Erkenntnis» und «des aus der Finsternis» eine sogenannte Wiederholungslücke, die der Stenograph dann zu machen pflegt, wenn ein vorhergehender Wortzusammenhang noch einmal gesagt wird. Frau Finckh hatte in ihrer Übertragung diese Lücke ergänzt durch «des gähnenden Abgrundes»; sinnvoller ist jedoch zu wiederholen: «was mah­nend der hütende Geistesbote».

37 dann wachsen uns die Flügel, die uns über den Abgrund hinüber führen, wonach doch jedes ehrlich mit sich selber lebende Menschenherz sich heute sehnt: Im Stenogramm steht «nach dem» statt «wonach». Gemeint ist, der Mantramstrophe entsprechend:

«... Flügel, die uns über den Abgrund hinüberführen zu dem Erkenntnisfelde, nach

dem doch jedes ... Menschenherz sich heute sehnt.»

46 Da ertönt sein urgewaltig Schöpferwort: In dieser Mantramzeile wurde hier - in der zweiten Stunde - ebenso wie in der ersten Stunde gesprochen «urgewaltiges».

48 Dein Haß auf Geistes-Offenbarung: In dieser Mantramzeile wurde hier - in der zwei­ten Stunde - ebenso wie in der ersten Stunde gesprochen «Der Haß».

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56 Und er beschränkt dieses Wühlen auf die Verwechselung von Wahrheit und Irrtum:

In der Übertragung von Helene Finckh steht »Fühlen» statt «Wühlen». Es dürfte sich um einen Hör- oder Schreibfehler handeln. Statt «Verwechselung« hatte Frau Finckh sus dem undeutlichen Zeichen im Stenogramm «Abwechslung» gelesen.

58 Es ist die böse Gegenkraft: Gemäß Stenogramm wurde hier «Seelenkraft» statt «Ge­genkraft» gesprochen.

59 Im Fühlen erkennt man ja, ob einer aus dem Norden, aus dem Westen... stammt: Das Stenogramm läßt erkennen, daß an dieser Stelle sehr rasch gesprochen wurde; offenbar sst dadurch der Wortlaut in Unordnung geraten. So steht im Stenogramm zweimal «aus dem Westen» Europas. Sinngemäß dürfte es heißen: «... ob einer aus dem Nor­den, aus dem Westen, aus dem Süden, aus dem Osten Europas, oder in der Mitte Eu­ropas aus dem Westen, aus dem Osten, aus dem Süden stammt.«

73 Und das Wollen, wenn Sie es im Ernste fassen, führt Sie noch weiter zurück, in die vorigen Erdenleben: Im Stenogramm lautet dieser Satz: «Und das Wollen, wenn Sie es sm Ernste fassen, führt Sie in die vorigen Erdenleben zurück noch weiter.»

75 Schuf das Ungetüm in deinem Willen: Diese gesprochene Mantram-Strophe wurde im Stenogramm nur durch die Anfangsworte «Schau das erste Tier» und die Schlußworte «aus deinem Willen« festgehalten, woraus hervorgeht, daß an dieser Stelle «aus» statt in deinem Willen« gesprochen wurde.

79 an Ihre Führerwesen in der geistigen Welt: Frau Finckh hatte übertragen «an Ihr Füh­rerwesen», offenbar weil sie das Wort «Führerwesen» in der Mantramzeile «Deines Geistes Führerwesen» als Singular aufgefaßt hatte. Jedoch hat das Stenogramm «an Ihre Führerwesen». Auch aus den weiteren Darstellungen Rudolf Steiners geht ein­deutig hervor, daß in der Mantramzeile das Wort «Führerwesen» sm Plural gemeint ist.

83 Im Denken ist alles nur Schein: In den beiden Übertragungen von Helene Finckh hieß es gemäß Stenogramm: «Im Denken ist fast alles nur Schein, alles Schein.» Die Korrek­tur entspricht der Selbstberichtigung Rudolf Steiners.

88 den Rhythmus dieser sinn geprägten Worte hinauszutragen in das Weben im Welten­sein: Im Stenogramm steht anstelle von Rhythmus «Sinn». Helene Finckh hatte bei ihrer zweiten Übertragung dies als Schreibfehler gewertet und deshalb statt «Sinn« übertragen «Atem». Siehe hierzu auch die zweite Prager Stunde vom 5. April 1924, in der es heißt: «Erst wenn wir im Worte fühlen, daß es in Rhythmus übergeht, so wie im Menschen der Stoff in Blut- und Atmungszirkulation in Rhythmus übergeht, dann erst fühlen wir das Wort uns hinauftragen in die geistige Welt.»

96 Ihr könnt gar nicht trennen dasjenige, was Ihr im Gefühl und im Willen trägt für die­sen Menschen...: Helene Finckh hatte gemäß Stenogramm übertragen «treibt» statt «trägt». Es dürfte sich um einen Hör- oder Schreibfehler handeln.

97 Denn es löst sich nicht von selber los: In den Finckhschen Übertragungen fehlt das Wörtchen «nicht», da es im Stenogramm ausgefallen ist.

102 Aber der Baum: der Baum, er ist so, wie er heute vor uns steht - in seiner Anlage im alten Mondendasein - aus dem ganzen Erdorganismus heraus gebildet worden: Frau Finckh hatte aus einem undeutlich geschriebenen stenographischen Zeichen «Erd­Organismus« übertragen. Aus dem Sinnzusammenhang stellt sich jedoch die Frage, ob der Satz nicht so lauten müßte: «Aber der Baum: der Baum, er ist so, wie er heute vor uns steht, in seiner Anlage im alten Mondendasein aus dem ganzen Mondenorganismus heraus gebildet worden.«

106 Er ist die böse Schöpfermacht: Gemäß Stenogramm wurde hier «Seelenmacht» statt «Schöpfermacht« gesprochen.

109 Da sind sie noch für den Anblick, ich möchte sagen, wenig unterschieden, wenn Sie hin­schauen auf das 77er, wenn Sie hinschauen auf dasjenige, was entreißt: In den Finckh­schen Übertragungen lautet dieser Satz gemäß Stenogramm wie folgt: «Da sind sie noch mit dem Anblick...».

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110 Und geben wir jetzt an das erste heran, und wir werden sehen, wie die Charakteristik des ersten Tieres, das uns verhindern will, unser menschliches Leben zu heiligen im Aufblick zu den Himmelsböhen, wie dieses erste Tier charakterisiert ist seinem Stile nach und wie wir uns entreißen in unserem Innersten diesem Tier, wenn wir uns an jenen mantrischen Spruch, der uns hinaufweist in die Himmelshöhen, wenden: Der wörtliche Stenogrammtext lautet so: «Und gehen wir jetzt an das dritte heran, und wir werden sehen, wie die Charakteristik des dritten Tieres, das uns verhindern will, unser menschliches Leben zu heiligen im Aufblick zu den Himmelshöhen, wie dieses dritte Tier Charakteristik ist seinem Stile nach und wie wir uns entreißen in unserem Innersten diesem Stil, wenn wir an jenen mantrischen Spruch, der uns hinaufweist in die Himmelshühen, wenden.» Gemäß Stenogramm spricht Rudolf Steiner in diesem Satz dreimal vom «dritten» Tier. Dieses «dritte» wurde in «erste» geändert, da er vor-angehend ja schon vom dritten und zweiten Tier gesprochen hat und jetzt das erste Tier aus der nun folgenden dritten Mantramstrophe: «Des ersten Tieres Knochen-geist...» behandelt. Ferner wurden die offensichtlichen Schreibfehler «Charakteri­stik» und «Stil» in «charakterisiert» und «Tier» korrigiert sowie das ausgefallene Wörtchen «uns» eingefügt.

113 an jenem Mittwoch, wo ich über die Bedingungen der Schule gesprochen habe: Vortrag Dornach 30. Januar 1924 in Bibl.-Nr. 260a »Die Konstitution der Allgemeinen Anthro­posophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft - Der Wiederaufbau des Goetheanum 1924/1925», Seite 112ff.

121 Wenn wir mit einem kalten Körper, der kälter ist als unser eigener Leib...: Die im folgenden in Klammern gesetzten Worte sind die sinngemäße Ergänzung des Steno­grammteztes: «Wenn wir mit einem kalten Körper, der kälter ist als unser eigener Leib, sagen wir, mit einer kalten Stricknadel uns betupfen, so empfinden wir die kalten Stel­len [auch wenn sie] sehr nahe [beieinander liegen] als getrennt. Wir sind sehr empfind­lich für das Kalte. Wenn wir uns mit einem Gegenstande betupfen, der wärmer ist als unser eigener Leib, dann merken wir die Unterschiede nicht so stark. Wir können zwei kalte Stricknadeln ganz nahe aneinander halten, wir merken die Kälte [beider].«

126 und ebenso mit den anderen Gliedern der Erdenwesenheit: Im Stenogramm steht irr­tümlich «menschlichen Wesenheit» statt «Erdenwesenheit».

127 Was erst nur ruhig scheinendes Sonnenlicht war: ihr Sprechen wird verlockend, wird ver führend, wird versuchend: Im Stenogramm steht zwar «ihr Sprechen»; es wäre aber möglich, daß Frau Finckh sich verhört hat und es sinngemäß heißen müßte «wird sprechend».

128 wenn wir gewahr werden, wie verlockend das Sonnenlicht ist durch seine Lichtes-wesen, dann wollen wir davon los, wenn wir noch eine Erinnerung daran haben, daß wir Mensch sein sollen: Das Wörtchen «davon» fehlt im Stenogramm.

128 Dann droht uns in der Finsternis dieses Selbst - das hinaustra gen wollte ins kelle, scheinende Sonnenlicht die eine Seite des Daseins -, dieses Selbst droht uns in der Fin­sternis einsam zu werden...: Im Stenogramm lautet der Anfang des Satzes: «Dann droht uns die Finsternis dieses Selbst...»

128 und wenn wir wissen, daß wir nicht mehr für die Erde verloren sein können: Das Wörtchen «wenn» fehlt im Stenogramm.

130 Man muß solche Impulse ... aufnehmen in das Denken, muß empfinden lernen am äußeren Lichte, an der äußeren Finsternis, wie dieses Licht...: Der Stenogrammtext lautet: «Man muß... in das Denken, muß lernen am äußeren Lichte, an der äußeren Finsternis empfinden, wie dieses Licht...».

130 Und man muß sich dann zusammensuchen im geistigen Anschauen, wie das Denken versetzt wird in diesen Kampf zwischen Licht und Finsternis...: Aus dem Steno-gramm ist nicht zu ersehen, ob gemeint war «geistigen» oder «Geistigen» oder «Geiste», ebensowenig ob «Anschauen« oder «anschauen»; so daß auch gelesen werden könnte:

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«Und man muß sich dann zusammensuchen im Geistigen (oder: im Geiste), anschauen, wie das Denken versetzt wird...» Es wäre aber auch möglich, daß Rudolf Steiner das Wort «zusammensuchen» ersetzen wollte durch «anschauen» und sich selbst berich­tigend sagen wollte: «Und man muß sich dann im Geistigen (oder: im Geiste) an­schauen, wie das Denken versetzt wird...».

132 das ist eine RiesenJust, das ist das Verlockende: Durch ein berichtigendes Überschrei­ben im Stenogramm ist nicht zu erkennen, ob es «Riesenlust» oder vielleicht auch «reine Lust« heißen soll.

133 Mit dem Wollen taucht der Mensch in eine Welt ein, die uns anscheinend recht nahe liegt. Sie ist auch nahe: Gemäß Stenogramm wurde gesprochen: «Mit dem Wollen taucht der Mensch in eine Welt ein, die uns scheinbar recht nahe liegt, die uns an­scheinend recht nahe liegt. Sie ist auch nahe.« Die Worte «die uns scheinbar recht nahe liegt» wurden gestrichen, weil Rudolf Steiner offensichtlich das Wort «scheinbar« durch das sinorichtige Wort «anscheinend« ersetzen wollte.

137 Gedenkend dieses, habe ich so manchem... geraten, jene Gedanken an die Verstorbenen zu richten, die zum Beispiel den Sinn haben: Meine Liebe wandle zu dir, daß sie wärme deine Kälte, lindre deine Wdrme Siehe hierzu Rudolf Steiner, «Unsere Toten», Bibl.-Nr. 261, Gesamtausgabe Dornach 1963, Seiten 323, 326, 329.

137 dann treten wiederum an diesen Meilensteinen dieses Erlebens: Im Stenogramm steht statt «dieses Erlebens« nur «dieses Lebens». An der Flüchtigkeit der Schriftzeichen läßt sich ablesen, daß an dieser Stelle mit gesteigertem Tempo gesprochen wurde.

143 Wenn wir weiter hinaufgehen . . ., so kommen wir ins Licht und in dasjenige: Im Steno-gramm fehlt das Wörtchen «und«.

144 wir wollen den großen Chemismus des Kosmos einmal als Welt gestaltung bezeichnen:

Im Stenogramm lautet der Tezt: «wir wollen den großen Chemismus des Kosmos wol­len wir einmal...». Die Worte «wollen wir« wurden gestrichen.

145 Und wir fühlen dann an diesem sanfteren Übergang von unserem eigenen wäßrigen Element in das wäßrige Element der Außenwelt - anders als beim Übergang unseres wäßrigen Elementes in trockene äußere Luft -, wir fühlen bei diesem Übergang.... Das Wort «anders« fehlt im Stenogramm.

145 Ich habe einmal in einem Zyklus im Haag, der ja auch gedruckt ist: Siehe «Welche Bedeutung hat die okkulte Entwickelung des Menschen für seine Hüllen - Physischen Leib, Atherleib, Astralleib - und sein Selbst?« (Den Haag, März 1913), Bibl.-Nr. 145, Gesamtausgabe Dornach 1975. Über die Abhängigkeit des Menschen von den Elemen­ten vgl. auch «Die geistigen Wesenheiten in den Himmelskörpern und Naturreichen» (Helsingfors 1912), Bibl.-Nr. 136, Gesamtausgabe Dornach 1974.

150 Der Einatmungsstrom, das Atmunghalten, das Ausatmen, sie wirken, ich möchte sagen, im groben auf der einen Seite hinein in unsere Blutzirkulation, auf der anderen Seite aber verfeinert in das Vibrieren der Gehirnorgane: Aus dem Stenogramm ist nicht zu entscheiden, ob «hinein» oder «hin« gesagt wurde. Das Wort «verfeinert» fehlt im Stenogramm.

150 Aber gerade so, wie man fühlt: ich atme ein, ich ziehe den Atem bis hinauf in das Ge­hirn, ich lasse den Atem stoßen an mein Ohr, so fühlt man: er lebt mir als Gedanke aus dasjenige, was ich als Ton . . . sehe: «so fühlt man» fehlt im Stenogramm; statt «er lebt mir aus«, heißt es im Stenogramm «er lebt mit aus«.

151 der Stein der Weisen. Kohle ist er. Er ist in den Kohlengruben der Kohlenbergwerke enthalten . . . [Lücken im Steno gramm]: An dieser Stelle folgt im Stenogramm ein über sechs Stenogrammzeilen sich erstreckender bruchstückhafter Text, von dem die mei­sten der wenigen festgehaltenen Worte, offenbar wegen des erhöhten Sprechtempos, so flüchtig geschrieben sind, daß sie nicht eindeutig entziffert werden können. Die Steno­graphin Helene Finckh hatte in ihren beiden Übertragungen diese Lücken wie folgt ergänzt:

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«Dann wird er eben ergriffen von dem verfeinerten Atmungsprozeß. Das ist aber im Menschen Naturproxeß, der Verbrennungsprozeß der Kohle, der lebendigen Kohle, ein mineralischer Prozeß. Man fühlt sich innerlich versteint in dem Vermine­ralisieren.»

153 Du steigst ins Erden-Wesenhafte: Diese siebenzeilige gesprochene Mantramstrophe ist im Stenogramm wiederum nur durch die beiden Anfangs- und die beiden Schlußworte festgehalten. Es steht da aber «Du trittst» anstatt «Du steigst».

156 das macht sich derjenige . . . nicht klar: Im Stenogramm steht: «davon macht sich der­jenige...».

157 Furcht, Lahmheit, Tod müssen sich als die negativen Eigenschaften dabei entwickeln, müssen sich aber metamorphosieren: Im Stenogramm steht «muß» statt «müssen».

162 Wenn Welten for'n in dir sich selber fühlt: Diese Zeile wurde zunächst versehentlich so angeschrieben: «Wenn Weltenform sich selber fuhlt»; dann wurde «in dir» eingefugt mit der Zwischenbemerkung: «also eigentlich aber 166 durch meine Reise nach auswärts . . die nächste Klassenstunde, am Karfreitag eben erst sein kann: Rudolf Steiner war in der Zeit vom 27. März bis 11. April 1924 zu Vor­trägen in Prag und Stuttgart. Die siebente Klassenstunde fand eine Woche vor dem Karfreitag, am Karfreitag selber die achte Klassenstunde statt.

169 und deshalb obliegt es mir, wenigstens mit wenigen Worten noch einmal einiges über die Prinzipien dieser Schule zu sagen: Rudolf Steiner hatte darüber in Dörnach schon gesprochen und geschrieben. Vgl. Teil II des Bandes «Die Konstitution der Allgemei­nen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hochschule für Geisteswissen­schaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum. 1924/1925». Bibl.-Nr. 260a, Gesamtaus­gabe Dornach 1966, Seite 89ff.

169 Weihnachtstagung am Goetheanum: Vgl. «Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft 1923/24», Bibl.-Nr. 260, Gesamtaus­gabe Dornach 1963.

169 Früher sind einzelne esoterische Kreise dagewesen: Rudolf Steiner hat hier offensicht­lich nicht die frühere esoterische Schule (1904-1914) im Auge, sondern einzelne Kreise, die sich um 1920-1923 gebildet hatten.

169 Ich habe ja wiederholt jetzt auch auswärts die Worte gesprochen: Alles, was von Rudolf Steiner über die Bedeutung der Weihnachtstagung an den verschiedenen Orten gesagt wurde, findet sich in dem Band «Die Konstitution der Allgemeinen Anthropo­sophischen Gesellschaft...», Teil III, Seite 163 ff.

172 daß jetzt von maßgebenden Persönlichkeiten etwa das Folgende gesprochen wird - . . Ich zitiere Ihnen fast wörtlich: Rudolf Steiner notierte sich hierüber in seinem Notiz­buch vom April 1924 (Archiv-Nr. 571): «Dr. Eisele, Leiter des Preuß. Pressedienstes an Exc. v. Gillhausen. Anthroposophie, Christengemeinschaft - Wir werden das heilige römische Reich deutscher Nation wieder errichten - kleine Staaten gegen Vorherr­schaft von Preußen, denn wir müssen Herr werden geistiger Bewegungen. Sollte das nicht gelingen - und es wird gelingen - so werden wir auf andere Art - wir meinen anthroposophische Bewegung und christliche Erneuerung.» Die Quelle für dieses Zitat konnte bisher nicht festgestellt werden.

176 0 schau die Drei: Die zittrigen Schriftzüge im handschriftlichen Entwurf zu diesem Mantram deuten darauf hin, daß Rudolf Steiner das Mantram niederschrieb, als er am 11. April 1924 nachmittags im Auto von Stuttgart nach Dornach zurückreiste, um un­mittelbar nach seiner Ankunft die siebente Klassenstunde zu halten, in der dieses Man­tram zum ersten Mal gegeben wurde. In der Reinschrift dieses Mantrams lautet die erste Zeile nicht mehr «0 schau die Drei», sondern «Schau die Drei». In dieser Form wurde sie auch in der sechsten Wiederholungsstunde gebracht.

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178 Durch diese kosmisch-himmlische Lage geht der Weltenrhythmus, der als Weltenmusik ertönt: Anstatt «Lage« könnte auch «All» gesagt worden sein, denn in der Stenogra­phie sind die Kürzungen für »All« und «Lage« völlig identisch. Frau Finckh hatte sich für «Lage» entschieden.

180 «Erlebe des Kopfes Weltgestalt», man sage den Spruch, indem man vor dem Haupte das Zeichen macht . . . «Empfinde des Herzens Weltenschlag«, man sage den Spruch, indem man vor der Brust das Zeichen macht . . . «Erdenke der Glieder Weltenkraft», man sage den Spruch, indem man das Zeichen nach unten macht: Im Stenogramm ist nur der erste Satz vollständig geschrieben, beim zweiten und dritten sind große Wie­derholungslücken gelassen. Beim zweiten Satz steht nur «Empfinde des Herzens Wel­tenschlag» «vor der Brust»; beim dritten Satz steht lediglich «Erdenke der».

188 0 schau die Drei: Aus dem Stenogramm, in dem dieses dreiteilige Mantram nur durch die Anfangsworte festgehalten wurde, läßt sich nicht entnehmen, ob Rudolf Steiner beim Sprechen auch die Zeichen gemacht hat.

188 wodurch die weisen Leiter der Menschheit, seitdem es ein Menschendasein auf Erden gibt, die Menschenherzen hinaufleiteten zum Erschauen desjenigen, was als Geist in der We/t wirkt, was als Geist durch die Welt im Menschen, als der Welten Krone, wirkt:

Im Stenogramm heißt es statt «Menschendasein auf Erden» irrtümlich «Erdendasein auf Erden« und anstatt «durch die Welt im Menschen» - offensichtlich infolge eines Hörfehlers - «durch die Welt dem Menschen».

192 Und nur weil dieses Gegenteil der Fall ist, konnte ich mich bereit erklären, mit dem Vorstande...: Die Worte «bereit erklären« stehen nicht im Stenogramm.

193 Man hat daher auf der Weihnachtstagung nicht Statuten vorgelegt, die Paragraphen enthalten . . - : Vergleiche Bibl.-Nr. 260 «Die Weihnachtstagung...».

195 das alles ist ja schon in den Mitteilun gen, die dem «Goetheanum» beigegeben werden, ausgesprochen: Vergleiche Hinweis zu Seite 21.

196 Wir werden zu Rundbriefen kommen können . . . Beginnen konnten wir ja nur damit zunächst, daß die an der Schule beteiligten Mediziner in einem Rundbrief, den Frau Dr. Wegman verschickt hat, an der Arbeit der Schule teilnehmen konnten: Außer die­sem medizinischen Rundbrief (abgedruckt in Bibl.-Nr. 316 «Meditative Betrachtungen und Anleitungen zur Vertiefung der Heilkunst», Gesamtausgabe Dornach 1967) kamen keine Rundbriefe zustande.

197 So daß also jedes Mitglied der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goethe­anum in Dornach: Im Stenogramm ist die Wortfolge «...in Dornach am Goetheanum».

200 Zu dem Mantram «0 Mensch, erkenne dich selbst!«: Dieses Mantram, das hier zum ersten Mal innerhalb der Ersten Klasse gesprochen wurde (siehe hierzu die Vorbemer­kungen Seite 18), ist nur hier und in der darauffolgenden neunten Stunde im Steno-gramm vollständig festgehalten, während in späteren Stunden das Mantram nur noch abgekürzt durch Anfangs- und Schlußworte erscheint. Deshalb läßt sich nicht fest­stellen, ob Rudolf Steiner beim Sprechen von dem handschriftlichen Tezt abwich, wie das gelegentlich bei anderen Mantren geschah. Aus dem Stenogramm ergibt sich ledig­lich, daß beim ersten Vortragen in der achten Stunde die Zeile «In deines Sinnes Seins-erleben« gesprochen wurde: «In deiner Sinne Seinserleben«. Aus dieser gesprochenen Abweichung könnte sich die Frage ergeben, ob diese Zeile zu verstehen ist als «In dei­nes Sinnesseins Erleben». Siehe hierzu die Ausführungen Rudolf Steiners in der neun­ten Stunde, Seite 220 f.

201 Aber so wahr es ist, daß der Mensch - - ., so wahr ist es, daß . - . er dann nicht dasjenige findet, was - . : Im Stenogramm steht: »dann findet er nicht dasjenige, was . - . » .

204 Ja, es ist zwischen dem, was wir erleben als Denken in den Ruhesternen, und dem

Fühlen - Nach «in den Ruhesternen» folgen im Stenogramm noch die Worte «rechtem

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Denken». Diese Worte wurden, um Mißverstandnssse zu vermeiden, weggelassen, denn Rudolf Steiner bezog sich hier auf die Zeichnung und meinte das Denken in der rechten und nicht in der linken Zeichnung. Der Satzteil «und dem Fühlen« fehlt im Stenogramm.

207 Dahinter liegt - zunächst wie als Finsternis - das durch die Sinnes gedanken hindurch-scheinende wahre Denken . . .: Im Stenogramm lautet diese Stelle: «Dahinter liegt in der zunächst wie als Finsternis durch die Sinnesgedanken hindurchscheinende wahre Denken...«

209 Sieh in des Fühlens Seelenweben: Rudolf Steiner hat zwischen «Seelenweben» und «Seelenwehen» gewechselt. In der achten Stunde hat er an die Tafel geschrieben «See­lenwehen« und in der siebenten Wiederholungsstunde «Seelenweben». Beim Sprechen dieser Mantramzeile wurde ebenfalls zwischen «Seelenwehen» und «Seelenweben« gewechselt, was im Text stenogrammgemäß wiedergegeben wurde. Auch in den hand­schriftlichen Vorlagen finden sich beide Formen. Aus dem Stenogramm geht nicht her­vor, welche der beiden Formen beim Sprechen des ganzen dreistrophigen Mantrams am Schluß der achten Stunde, Seite 214, gesagt wurde; denn Frau Finckh hat es an dieser Stelle nur abgekürzt festgehalten.

220 wirklich zu einer solchen inneren, intimen Übung zu kommen, wie sie ... sich . :

Das Stenogramm hat «ergeben» statt «ergibt».

220 Wir sind als Kind fast ganz Sinnesorgan, Auge, Ohr. Das Kind nimmt alles, was in seiner Umgebung geschieht, so wahr, wie wenn sein ganzer Körper Sinnesorgan wäre:

Frau Finckh hatte sich offenbar verhört und deshalb stenographiert: «Wir sind als Kind fast ganz Sinnesorgan, Auge. Oh, das Kind...».

220 Nun behält das Kind diese Sinne-Art seines ganzen Leibes . Bei den in diesem Passus gebrauchten Worten «Sinne-Art«, «Sinne-Fähigkeit», «Sinne-Sein» ist aus dem Steno­gramm nicht zu entscheiden, ob «Sinn« oder «Sinne» oder «Sinnen« gesprochen wor­den ist.

228 daß das Wollen unten sich ein gliedert den Kräften der Erde: Im Stenogramm heißt es: «sich eingliedert mit den Kräften der Erde«. Das Wörtchen «mit» wurde auch schon in der ersten Finckhschen Übertragung weggelassen.

229 Und ich will mit meinem ganzen mittleren Menschen . . . eins werden . . . Dann habe ich das Denken und das Wollen zugeteilt dem Fühlen: Vor «eins werden» heißt es im Stenogramm «will ich», was schon in der Finckhschen Übertragung gestrichen wurde. Die Worte «das Denken und« fehlen im Stenogramm.

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#Bild s. 243

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.