GA 266/3

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VORBEMERKUNGEN DER HERAUSGEBER

#G266c-1998-SE009 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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VORBEMERKUNGEN DER HERAUSGEBER

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Innerhalb der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, die sich in die drei großen Abteilungen Schriften - Vorträge - künstlerisches Werk gliedert (siehe die Übersicht am Schluß des Bandes), erscheinen alle Dokumentensammlungen von Rudolf Steiners esoterischer Lehr-tätigkeit in der Reihe «Veröffentlichungen zur Geschichte und aus den Inhalten der esoterischen Lehrtätigkeit Rudolf Steiners» (siehe die Übersicht S.2).

Näheres zur Geschichte der Esoterischen Schule Rudolf Steiners, wie sie von 1904 bis 1914 bestanden hat, findet sich in den beiden ersten Bänden dieser Reihe (GA 264 und 265) und in den «Vor­bemerkungen der Herausgeber» im Band 1 «Aus den Inhalten der esoterischen Stunden» (GA 266/1). Ebenso wie dieser Band so voll­ständig als möglich und in chronologischer Reihenfolge alle vorlie­genden Gedächtnisaufzeichnungen von Teilnehmern an esoterischen Stunden aus den Jahren 1904 bis einschließlich 1909 umfaßt, so auch der zweite Band alle Aufzeichnungen aus den Jahren 1910 bis einschließlich 1912. In dem hier vorgelegten dritten Band erscheinen die Aufzeichnungen aus den Jahren 1913 und 1914. Diejenigen von 1914 reichen allerdings nur bis zum Sommer, da damals - bedingt durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 -Rudolf Steiner die Esoterische Schule einstellte. Als er nach Kriegs­ende verschiedentlich gebeten wurde, die esoterische Arbeit doch wieder aufzunehmen, hielt er vom Jahre 1920 an einige esoterische Stunden, bis mit der zu Weihnachten 1923/24 erfolgten Neubegrün­dung der Anthroposophischen Gesellschaft auch die esoterische Schule, nunmehr als «Freie Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum» neu gestaltet werden sollte. Durch seinen frühzeitigen Tod konnte dies allerdings nur anfänglich realisiert werden.

Der vorliegende dritte Band ist in die folgenden drei Teile ge­gliedert:

1. Aufzeichnungen von Stunden der Jahre 1913 und 1914 mit einem Anhang von Notizen der Jahre 1904 bis 1906. Letztere gehören chronologisch eigentlich zum ersten Band; sie sind

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aber erst nach dessen Erscheinen dem Rudolf Steiner-Archiv zugekommen.

2. Aufzeichnungen von Stunden der Jahre 1920 bis 1923.

3. Aufzeichnungen von zwei für den sogenannten esoterischen Jugendkreis gehaltenen Stunden aus dem Jahre 1923, mit Auf­zeichnungen zu dessen Entstehungsgeschichte.

Dankenswerterweise haben auch für den Druck des vorliegenden Bandes das Archiv des Goetheanum und andere Stellen ihre Samm­lungen zum Vergleichen und Ergänzen zur Verfügung gestellt.

Da es sich um Aufzeichnungen von esoterischen Stunden han­delt, die hinterher aus dem Gedächtnis niedergeschrieben wurden, da Mitschreiben während der Stunden nicht erlaubt war, müssen sie als fragmentarisch, mitunter verstümmelt und manchmal auch als fehlerhaft gewertet werden. Andrerseits stammen sie jedoch von Schülern, die mit den allgemeinen geisteswissenschaftlichen Lehr-inhalten gut vertraut waren. Außerdem lassen sich die Unzuläng­lichkeiten und etwaigen Fehler in den Schülerniederschriften korri­gieren und ergänzen durch Heranziehen der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners über den Schulungsweg. Denn wie aus manchen Aufzeichnungen hervorgeht, wurde von ihm selbst darauf hingewie­sen, daß sich das in den esoterischen Stunden mitgeteilte Geistes-wissenschaftliche weniger dem Inhalt als der Art nach von dem der andern Vorträge unterscheidet.

Für die Herausgabe ist, abgesehen von Korrekturen eindeutig sinnentstellender Fehler, von einer stilistischen Redaktion weitge­hend Abstand genommen worden. Einfügungen, die sich in runden Klammern finden, gehen auf die Aufzeichner zurück. Durch die Herausgeber vorgenommene Ergänzungen und Einfügungen in den Texten wurden in eckige Klammern gestellt, außerhalb der Texte klein geschrieben. Näheres zu den Textunterlagen findet sich in den Hinweisen am Schluß des Bandes.

Die meisten Handschriften-Wiedergaben sind verkleinert ge­druckt.

ERSTER TEIL AUS DEN INHALTEN DER ESOTERISCHEN STUNDEN 1913 - 1914

#G266c-1998-SE011 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ERSTER TEIL

AUS DEN INHALTEN DER

ESOTERISCHEN STUNDEN 1913 - 1914

Gedächtnisaufzeichnungen von Teilnehmern

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IMMER WIEDERKEHRENDE SPRÜCHE

IN DEN ESOTERISCHEN STUNDEN

DER JAHRE 1913 - 1914

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Die Sprüche an den Tagesgeist*

Meditationen, die das Zeitwesen der Hierarchien erfasscn

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Freitag Abend für Sonnabend Saturn

Großer umfassender Geist,

der Du den endlosen Raum erfülltest,

als von meinen Leibesgliedern

keines noch vorhanden war:

Du warst.

Ich erhebe meine Seele zu Dir.

Ich war in Dir.

Ich war ein Teil Deiner Kraft.

Du sandtest Deine Kräfte aus,

und in der Erde Urbeginn spiegelte sich

meiner Leibesform erstes Urbild.

In Deinen ausgesandten Kräften

war ich selbst.

Du warst.

Mein Urbild schaute Dich an.

Es schaute mich selbst an,

der ich war ein Teil von Dir.

Du warst.

- - -

* Faksimiles der Handschriften in «Aus den Inhalten der esoterischen Stunden», Band I, GA 266/I, S.63-78.

Es ist überliefert, daß die meisten Stunden mit der Anrufung des Tagesgeistes begonnen wurden, doch iSt dies nicht immer in den Aufzeichnungen festgehal­ten worden.

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Sonnabendabend für Sonntag Sonne

Großer umfassender Geist,

viele Urbilder sproßten aus Deinem Leben,

damals, als meine Lebenskräfte

noch nicht vorhanden waren.

Du warst.

Ich erhebe meine Seele zu Dir.

Ich war in Dir.

Ich war ein Teil Deiner Kräfte.

Du verbandest Dich

mit der Erde Urbeginn

zur Lebenssonne

und gabest mir die Lebenskraft.

In Deinen strahlenden Lebenskräften

war ich selbst.

Du warst.

Meine Lebenskraft strahlte in der Deinen

in den Raum.

Mein Leib begann sein Werden

in der Zeit.

Du warst.

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Sonntagabend für Montag Mond

Großer umfassender Geist,

in Deinen Lebensformen leuchtete Empfindung,

als meine Empfindung

noch nicht vorhanden war.

Du warst.

Ich erhebe meine Seele zu Dir.

Ich war in Dir.

Ich war ein Teil Deiner Empfindungen.

Du verbandest Dich

mit der Erde Urbeginn,

und in meinem Leibe begann

das Leuchten der eignen Empfindung.

In Deinen Gefühlen

fühlte ich mich selbst.

Du warst.

Meine Empfindungen fühlten Dein Wesen in sich.

Meine Seele begann in sich zu sein,

weil Du in mir warst.

Du warst.

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Montag für Dienstag Mars

Großer umfassender Geist,

in Deinen Empfindungen lebte Erkenntnis,

als mir noch nicht Erkenntnis gegeben war.

Du warst.

Ich erhebe meine Seele zu Dir.

Ich zog ein in meinen Leib.

In meinen Empfindungen lebte ich mir selbst.

Du warst in der Lebenssonne.

In meiner Empfindung

lebte Dein Wesen als mein Wesen.

Meiner Seele Leben

war außerhalb Deines Lebens.

Du warst.

Meine Seele fühlte ihr eigenes Wesen in sich.

In ihr entstand Sehnsucht.

Die Sehnsucht nach Dir,

aus dem sie geworden.

Du warst.

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Dienstag für Mittwoch Merkur

Großer umfassender Geist,

in Deines Wesens Erkenntnis ist Welterkenntnis,

die mir werden soll.

Du bist.

Ich will meine Seele einigen mit Dir.

Dein erkennender Führer

beleuchte meinen Weg.

Fühlend Deinen Führer

durchschreite ich die Lebensbahn.

Dein Führer ist in der Lebenssonne.

Er lebte in meiner Sehnsucht.

Aufnehmen will ich sein Wesen

in meines.

Du bist.

Meine Kraft nehme auf

des Führers Kraft in sich.

Seligkeit zieht in mich.

Die Seligkeit, in der die Seele

den Geist findet.

Du bist.

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Mittwoch für Donnerstag Jupiter

Großer umfassender Geist,

in Deinem Lichte strahlt der Erde Leben,

mein Leben ist in dem Deinen.

Du bist.

Meine Seele wirkt in der Deinen.

Mit Deinem Führer gehe ich meinen Weg.

Ich lebe mit Ihm.

Sein Wesen ist Bild

meines eigenen Wesens.

Du bist.

Des Führers Wesen in meiner Seele

findet Dich, umfassender Geist.

Seligkeit ist mir

aus Deines Wesens Hauch.

Du bist.

In einer anderen Niederschrift lautet die drittletzte Zeile: «Seligkeit wird mir«.

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Donnerstag für Freitag Venus

Großer umfassender Geist,

in Deinem Leben lebe ich mit der Erde Leben.

In Dir bin ich.

Du bist.

Ich bin in Dir.

Der Führer hat mich zu Dir gebracht.

Ich lebe in Dir.

Dein Geist ist

meines eigenen Wesens Bild.

Du bist.

Gefunden hat Geist

den umfassenden Geist.

Gottseligkeit schreitet

zu neuem Weltschaffen.

Du bist. Ich bin. Du bist.

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[Nach dem Vorigen jeden Tag*]

Großer umfassender Geist,

mein Ich erhebe sich von unten nach oben,

ahnen mög es Dich im Allumfassen.

Der Geist meines Wesens durchleuchte sich

mit dem Licht Deiner Boten,

Die Seele meines Wesens entzünde sich

an den Feuerflammen Deiner Diener

Der Wille meines Ich erfasse

Deines Schöpferwortes Kraft.

Du bist.

Dein Licht strahle in meinen Geist,

Dein Leben erwarme meine Seele,

Dein Wesen durchdringe mein Wollen, .

daß Verständnis fasse mein Ich

für Deines Lichtes Leuchten,

Deines Lebens Liebewärme,

Deines Wesens Schöpferworte.

Du bist.

- - -

* Diese im Original fehlende Angabe geht auf Marie Steiner für den Erstdruck in «Aus den Inhalten der Esoterischen Schule«, Heft III, Dornach 1951, zurück.

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Der Meditationsspruch

«Im Geiste lag der Keim meines Leibes . . . »*

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Im Geiste lag der Keim meines Leibes.

Und der Geist hat eingegliedert meinem Leibe

Die sinnlichen Augen,

Auf daß ich durch sie schaue

Das Licht der Körper.

Und der Geist hat eingeprägt meinem Leibe

Empfindung und Denken

Und Gefühl und Wille

Auf daß ich durch sie wahrnehme die Körper

Und auf sie wirke.

Im Geiste lag der Keim meines Leibes.

In meinem Leibe liegt des Geistes Keim.

Und ich will eingliedern meinem Geiste

Die übersinnlichen Augen,

Auf daß ich durch sie schaue das Licht der Geister.

Und ich will einprägen meinem Geiste

Weisheit und Kraft und Liebe,

Auf daß durch mich wirken die Geister

Und ich werde das selbstbewußte Werkzeug

Ihrer Taten.

In meinem Leibe liegt des Geistes Keim.

- - -

* Von einem gewissen Zeitpunkt an wurden damit die esoterischen Stunden geschlossen.

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In den reinen Strahlen des Lichtes

Erglänzt die Gottheit der Welt

In der reinen Liebe zu allen Wesen

Erstrahlt die Göttlichkeit meiner Seele

Ich ruhe in der Gottheit der Welt

Ich werde mich selber finden

In der Gottheit der Welt

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ESOTERISCHE STUNDE

Köln, 2. Januar 1913

Aufzeichnung A

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Bevor wir unsere eigentliche esoterische Betrachtung beginnen, ist zu sagen, besonders auch für unsere ausländischen Freunde, daß wir uns vollständig zu scheiden haben in unserer esoteri­schen Strömung von jenem anderen, was durch die Welt geht und was von Frau Besant vertreten wird. Wir können aus Gründen der Wahrhaftigkeit uns von den Taten einer Persön­lichkeit scheiden, [müssen] aber der Persönlichkeit selbst doch unveränderlich unsere Liebe erhalten, vielleicht eben deshalb ihr unsere Sympathie in erhöhterem Maße zuwenden, gerade darum, weil wir ihre Taten ablehnen müssen.

Es werden die Worte von Frau Besant von 1906 verlesen, worin sie alle diejenigen, die sie wahrhaft lieben, bittet, wenn der Tag ihres Falles kommen sollte, eben aus Liebe zu ihr, nicht schwarz weiß zu nennen. Es ist eben der Okkultismus ein ge­fährlicher Weg, und jeder soll eingedenk sein, daß in der Tiefe der menschlichen Seele Kräfte schlummern können, die vielleicht im gewöhnlichen Leben nicht zum Vorschein kommen, aber wenn man den gefahrvollen Pfad betritt, ans Tageslicht treten, darum gilt es unablässig Wache zu halten bei der eigenen Seele und des Wortes eingedenk zu sein: «Wachet und betet!» -

Wer eintreten will in die geistigen Welten, der muß vor allen Dingen strenge Selbsterkenntnis üben. Der Essäerorden, dessen erhabene Lehrer in Nazareth auch dem einen Jesusknaben, den wir den Jesus des Lukas-Evangelium nennen, den Extrakt aller Weisheit, wie ihn gerade diese Wesenheit brauchte, lehrten, hatte zwei besonders wichtige Regeln, die uns zeigen können, wie weit gerade unsere heutige Zeit von dem Spirituellen entfernt ist. Die eine Regel lautete: Vor Sonnenaufgang und nachdem die Sonne untergegangen ist, soll kein Essäer von weltlichen Dingen reden. Und für diejenigen, die in höhere Grade aufgestiegen

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waren, wurde diese wichtige Essäerregel dadurch verstärkt, daß auch nicht Gedanken weltlicher Art den Schüler beschäftigen sollten in der angegebenen Zeit. Eine zweite wichtige Unter­weisung war: Bevor die Sonne heraufkommt, soll jeder Essäer bitten, daß dieses geschehen möge und daß die Kraft der Sonne über der Menschheit an jedem Tage leuchte. - Diese Regeln geben uns Kunde, wie bedeutsam wir mit unserer Wesenheit zusammenhängen mit den Geschehnissen der geistigen Welt, aus welcher wir am Morgen auftauchen und in die wir untertauchen, wenn wir des Abends einschlafen.

Wie wenig unsere Zeit nach diesen Gesetzen äußerer und in­nerer Zyklen lebt, zeigt Ihnen wohl das Verhalten der Menschen unserer Gegenwart an einem solchen äußeren Zyklus, wie es der Übergang der Sylvesternacht in das neue Jahr ist. Alles, was die Menschen da tun und vor dem Einschlafen unternehmen, scheint darauf eingerichtet, sich besonders tief mit dem Mate­riellen zu verbinden, statt diesen Augenblick als einen Rückblick zu benützen.

Diesem äußeren Zyklus entspricht im Menschen ein innerer:

der von Wachen und Schlafen. Der Mensch zieht am Abend sei­nen Astralleib und sein Ich aus dem physischen und Ätherleib heraus und lebt mit seinem Astralleib und Ich in einer rein geistigen Welt. Vergegenwärtigen wir uns den Moment des Finschlafens, bis allmählich Bewußtlosigkeit eintritt.

Also der gewöhnliche Mensch hat in der Nacht kein Bewußt­sein in der geistigen Welt. Es kann nun sein, daß hellseherische Augenblicke eintreten und er dann in einem Bilde das, was er verlassen hat, da unten liegen sieht. Je nachdem, wie der betref­fende Mensch in geistig-seelischer Verfassung ist, wird er diesen physischen und Ätherleib dann sehen, je nach Temperament und Charakter wird das Bild verschieden sein. So wird der Mensch, der das Wohnen in dem physischen und Ätherleibe mehr emp­findet wie das Wohnen in einem Hause, dessen Sinn also mehr aufs äußere Leben gerichtet ist, den physischen und Ätherleib auch so sehen als Haus mit einer Pforte, durch die er zu treten

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hat. Ein Mensch, der mehr als Stimmungsmoment - nicht als Charakteranlage - das Vergängliche des irdischen Seins erlebt, der wird das Bild eines Sarges, in dem ein Toter liegt, sehen.

Hat der Mensch nun schon einiges von dem spirituellen Le­ben aufgenommen, so kann es sein, daß - anzeigend als Symbol [dafür], daß dieser physische und Ätherleib uns von göttlich-geistigen Mächten schon durch die Saturn- und Sonnenzeit zubereitet worden war - das Bild eines Engels, einer Licht-gestalt, die uns einen Kelch darreicht, erscheint, repräsentierend das alte Urwort der Menschheit: Aus dem Gotte sind wir ge­boren: E.D.N.

An Stelle dessen, was einstens der Essäer tat am Morgen, bevor die Sonne aufging, und was ja heute nicht mehr getan werden kann, soll der neuere Esoteriker am Morgen, wenn er in seinen physischen und Ätherleib untertaucht, sich durchdringen mit dem heiligen Gefühl: Erhabene Götter haben in langen Zei­ten durch die Saturn- und Sonnenentwickelung hindurch diesen gottgewollten physischen und Ätherleib uns zubereitet und auf­gebaut, damit wir Bewußtsein darin entwickeln können. In die­sem Bewußtsein wird der Esoteriker den Gott - die geistige Sonne, welche die physische Sonne repräsentiert, bitten, daß Er ihm lasse und erhalte diesen physischen und Ätherleib an jedem Morgen, wenn der Mensch heraustritt aus der geistigen Welt, um Bewußtsein zu entwickeln in der physischen Welt. Denn, was wären wir denn, wenn uns über Nacht jemand nähme die-sen physischen und Ätherleib? Überwältigen würde uns dann dies Gefühl der Bewußtlosigkeit. Durchdringen wir uns so recht mit der Tatsache, daß die Götter uns gebaut haben diesen phy­sischen und Ätherleib, dann werden wir das Erlebnis haben, daß unser Gehirn (und wir können das mit jedem Gliede unseres Leibes erleben), etwas nicht allein an unseren physischen Leib Gebundenes ist, sondern, daß es erweitert zu einer Hohlkugel wird, in die eingebettet sind die Sterne, die da ihre Bahnen zie­hen; und unsere Gedanken sind diese Sterne, die da ihre Bahnen ziehen. Der Mikrokosmos wird so zum Makrokosmos! Zusammengepreßt

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sind in unserem Gehirn die gewaltigen Kräfte des ganzen Kosmos, und wir fühlen ihren Zusammenhang mit uns. Alles, was uns durch Saturn, Sonne und weiter durch die Ver­erbungslinie bis in unsere jetzige Geburt geführt hat, ist zu bezeichnen mit dem Spruch: E.D.N.

Ebenso nun, wie wir bewußtlos bleiben müßten, wenn wir nicht untertauchen könnten am Morgen in unseren physischen und Ätherleib, so löscht auch das Gehen durch die Pforte des Todes alles bewußte Leben aus. Vor dem Mysterium von Gol­gatha, da erhielt der Mensch durch die Vorratskraft, die der Menschheit auf ihrem Wege mitgegeben war, Post mortem, nach dem Tode, ein Bewußtsein, das ihm Bewußtsein in der geistigen Welt brachte. Nun aber war diese Gabe der Götter allmählich aufgebraucht, und der Grieche wußte, daß es nach dem Tode sein Los war, im Reiche der Schatten zu leben. Es war dies nach dem Willen der Götter so. Schattenhaft, herabgedämpft war das Bewußtsein, und darum legt der Grieche einem seiner Größten die Worte in den Mund: Lieber ein Bettler in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten! - Durch das Mysterium von Golgatha nun wurde eine neue Substanz geschaffen, die der Menschheit Bewußtsein geben konnte, wenn sie Post mortem in der geistigen Welt war. Diese Substanz floß heraus aus dem Mysterium von Golgatha. Durch das Untertauchen in diese Christus-Substanz ist es dem Menschen möglich, nun Bewußt­sein nach dem Tode in der geistigen Welt zu entwickeln. Darum sollen wir jeden Abend, wenn wir einschlafen und eingehen in die geistige Welt, uns daran erinnern und uns durchdringen mit dem Gefühl: In dem Christus sterben wir! - Denn nur der Chri­stus-Impuls kann uns durch seine todüberwindende Lebenskraft nach dem Tode bewußt in der geistigen Welt erhalten. Weil aber nichts in der physischen Welt groß und heilig genug ist, um dies Mysterium zu verstehen, das da der Menschheit durch den Christus Jesus geschenkt worden ist, so soll auch nichts der Welt Angehöriges, nicht einmal der Laut der Sprache benützt werden, um dieses Mysterium, das große, unergründliche Geheimnis

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anzudeuten, das da enthalten ist in dem, was da aus­fließt von dem Mysterium von Golgatha. Deshalb schweigt der Esoteriker in Wort und Gedanke an der Stelle, wo der heilige Name, der unaussprechliche, genannt werden müßte. Er fühlt nur tief die Heiligkeit dieses Momentes: I.--- M.

Aber, wenn der Mensch auch Bewußtsein hat nach dem Tode, so hat er damit noch nicht Selbstbewußtsein, dasjenige, durch das er sich selbst als individuelle Wesenheit wiedererkennt in der geistigen Welt und wiederfindet mit den Brüdern und Schwestern, mit denen er gelebt hat in der physischen Welt. Daß wir diese unsere Wesenheit wiederfinden und in dem Selbst­bewußtsein erwachen in der geistigen Welt, nachdem wir unter­getaucht waren in die Christus-Substanz, dazu kann uns nur verhelfen das Erleben unseres höheren Ich, das uns beschert wird durch den Heiligen Geist, durch den uns die Hoffnung wird: Im Heiligen Geiste werden wir auferstehen! - P.S.S.R. -und zu selbstbewußtem Leben erwachen. Und so könnt Ihr da­heim sitzen und mit Inbrunst und tiefem Ernst Euerer Medita­tion obliegen, zu deren Grundnerv dieses Urgebet der Mensch­heit gehört: E.D.N. - I.--- M. - P.S.S.R.

Und dabei sollt Ihr denken an alle diejenigen, die nicht hier sind - aus einem Grunde des Leidens und der Schmerzen viel­leicht -, und Ihr werdet ihnen kraftvolle Gedanken schicken, wenn Ihr in der richtigen Weise das ausübt, was uns unsere Eso­terik vorschreibt. Denn in der geistigen Welt ist es so, daß man sich erst würdig machen muß, um benützen zu können zum Segen für sich und andere dasjenige, was uns in der Esoterik gegeben wird.

Nicht verstandes- und gehirnmäßig sollt Ihr solche Stunden auffassen, sondern eine Empfindung sollt Ihr in Euerer Seele auslösen, die Euch sagt, daß Worte, wie diese E.D.N. - I.C.M. -P.S.S.R., die von den Meistern der Weisheit und des Zusammen-klanges der Empfindungen uns gegeben sind, nicht erschöpft werden können durch vielfache Betrachtungen, sondern immer tiefer und tiefer genommen werden müssen. Und so sollt Ihr

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auch heute, wenn Ihr nun etwas tiefer das menschliche Urgebet verstanden habt, die Erwartung daran knüpfen, daß es in späte­rer Zeit noch tiefere Offenbarungen darüber geben kann und geben wird.

Im Geiste lag der Keim meines Leibes . . .

*

Aufzeichnung B*

Auf dem esoterischen Wege kann ein Mensch zu Fall kommen durch Unwahrhaftigkeit, Ehrgeiz etc. So können auch größere Gemeinschaften oder eine ganze esoterische Strömung von dem richtigen Wege abkommen und sich in Irrtum verstricken. Da wir wissen, wie leicht ein solches Fallen einen einzelnen Men­schen überkommen kann, müssen wir auch verstehen das Abir­ren größerer Menschengruppen. Es würde - wo sich dies zeigt -von einer egoistischen Liebe zeugen, wenn man jemandem treu bleiben möchte, von dem man wissen kann, daß er sich auf Ab-wegen befindet. So würde es auch von einer egoistischen Liebe Mrs. Besant gegenüber zeugen, wenn man sich verschließen wollte der Tatsache, daß die von ihr vertretene Richtung als eine verkehrte bezeichnet werden muß, deren Weiterverbreitung nur Unheil herbeiführen könnte. Und Mrs. Besant hat einmal selbst gebeten - als sie damals über den Fall Leadbeater schrieb -, daß man sie aufmerksam machen möge und sie warnen möge, wenn ihr «Fallen drohe». Wir tun also nur unsere Pflicht, wenn wir Mrs. Besant darauf aufmerksam machen; aber klar muß man ein­sehen, daß es so mit ihrer Richtung selbst steht, und daß von dem Augenblick an, wo wir solches erkannt haben, die Pforte unseres Tempels für die Anhänger dieser esoterischen Richtung geschlossen bleiben muß.

In der Essäergemeinschaft, die vor und während des Myste­riums von Golgatha in Palästina bestand, gab es zwei bestimmte

- - -

* Eine sonst gleichlautende Vorlage hat als ersten Satz: «Einige Bemerkungen sol­len unserer esoterischen Betrachtung vorangehen.»

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Vorschriften, die den Schülern dieser Gemeinschaft auf verschie­denen Stufen gegeben wurden. Die eine Regel, die für alle galt, war die Verpflichtung, zwischen Sonnenuntergang und Sonnen­aufgang sich mit keinen weltlichen Verrichtungen zu beschäfti­gen, sich sogar aller weltlichen Gedanken zu enthalten. Das ist eine Regel, die in unserer Zeit nicht so beibehalten werden kann, weil wir in einem anderen Menschheitszyklus leben. Bei den Essäern war diese Regel der Ausdruck für den Zusammenhang einer jeden Seele mit dem Kosmos. Die Menschen haben die richtige Empfindung für die großen Übergangsmomente verlo­ren; man braucht nur zu sehen, wie der Übergang zum neuen Jahr in den Städten begangen wird. Die Menschen in unserer Zeit haben geradezu die Neigung, in den Stunden vor der Nachtruhe sich mit den allertrivialsten Dingen zu beschäftigen, die sie am meisten in die Materie verstricken. Was bedeutet es denn für uns, wenn der Mensch in der geistigen Welt ist zwi­schen Einschlafen und Aufwachen?

Der normale Mensch unserer Zeit ist da nicht bewußt. Für den Esoteriker ist der beste Übergang in die geistige Heimat möglich, wenn er beim Einschlafen sich entsinnt des Spruches:

Ex Deo nascimur etc. Das ist das, was für uns ersetzt die erste Essäervorschrift. Geschieht es dadurch, daß wir während des Schlafes Momente des Bewußtseins erleben, dann werden wir je nach unserem Temperamente verschiedene Bilder schauen kön­nen. Wer zum Beispiel durch sein Temperament die Neigung hat, seinen Körper anzuschauen als das Haus, in welchem der Mensch wohnt, der wird das Bild schauen eines Hauses mit einer Pforte, durch die er in das Haus einzutreten hat. So schaut er im voraus den Moment seines Erwachens. Und wer zu Stim­mungen der Melancholie neigt, wer in dem irdischen Dasein mehr das Dem-Tode-verfallen-Sein der irdischen Kräfte spürt, der wird zum Beispiel einen Sarg sehen mit einem Leichnam darin. Und wer wegen seines Temperamentes eine starke Emp­findung davon hat, daß die Götter für ihn das Haus seines Leibes gebaut haben, der wird einen Engel schauen können, der

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ihm einen Kelch reicht. Alles das sind nur erst vorbereitende Visionen des imaginativen Lebens. Ausgedrückt ist es in den Worten: Ex Deo nascimur. Die göttlichen Wesenheiten, die wir unter dem Namen «Deus» zusammenfassen, haben während der Saturn- und Sonnenentwicklung unseren Leib auferbaut. Hätten wir diesen physischen Leib nicht, um am Morgen darin unterzu­tauchen, so würden wir nicht zum Bewußtsein auf dem physi­schen Plan kommen können. Stellen wir uns einmal vor, daß die Götter während der Nacht uns unseres physischen Leibes be­rauben würden: was würde da aus uns werden, da wir dann zu keinem Bewußtsein kommen könnten! Zur Dankbarkeit gegen­über den Göttern muß uns dieses stimmen.

Für einen Essäer der höheren Grade kam noch die Verpflich­tung hinzu, vor jedem Sonnenaufgang zu beten, daß das große Himmelsgestirn aufgehen und die Erde mit seinem Segen bestrah­len möge. Auch das wird in unserer Zeit durch eine andere Emp­findung ersetzt. Ebenso wie wir zu keinem Bewußtsein kommen könnten, wenn uns nachts unser physischer Leib genommen wur­de, ebenso wahr ist es, daß wir kein Bewußtsein nach dem Tode in der geistigen Welt haben könnten, wenn wir nicht auch dort einen Körper fänden, in welchen wir untertauchen könnten. In der vorchristlichen Zeit wurden alle Seelen nach dem Tode mit einer spirituellen Substanz bekleidet, in welcher sie ihre Erlebnis­se zwischen dem Tode und ihrer neuen Geburt durchmachten. Diese Substanz wurde aber nach und nach erschöpft, und tragisch empfanden das die Menschenseelen, als die Zeit des Mysteriums von Golgatha herannahte; so daß bei dem hervorragendsten Volke der damaligen Zeit, bei den Griechen, die Empfindung vor­herrschte: Lieber ein Bettler sein in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten. - Denn zu Schatten wurde man in dem Le­ben nach dem Tode. Von dem Kreuze auf Golgatha strömte aber eine neue Substanz aus, und mit dieser können die Seelen sich umkleiden, damit sie ein Bewußtsein entwickeln können nach dem Tode. Das können wir empfinden bei dem zweiten Teil unseres Spruches: In - morimur. Wenn wir diesen Spruch mitnehmen

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nach dem Tode, dann gibt er die Veranlassung, daß alles Irdische bald von uns abfällt und daß wir aus dieser Christus-Substanz heraus ein Bewußtsein entwickeln können.

Da aber Bewußtsein noch nicht Selbstbewußtsein ist, so dür­fen wir auch die Hoffnung hegen, daß zu dem Bewußtsein, das wir in diesem Leibe entwickeln können, uns noch hinzu ge­schenkt werde die vollständige Erkenntnis, das Selbstbewußt­sein, durch den Heiligen Geist: Per Spiritum Sanctum revivisci­mus. Durch Selbsterkenntnis, die der Heilige Geist uns schenkt, bereiten wir uns vor zu diesem Leben nach dem Tode.

Liebe, Demut und Selbsterkenntnis können für uns die Fol­gen sein unseres richtig verstandenen Spruches. Wer über diesen Spruch richtig meditiert, der wird auch die Kraft bekommen, Kranken zu helfen und liebevolle Gedanken zu senden denjeni­gen, die zum Beispiel durch Krankheit oder aus anderen Ursa­chen heute nicht hier anwesend sein können. Das soll auch wie ein sakramentales Gefühl unser exoterisches Leben durchdrin­gen. Einen neuen Ausblick bekommen wir so wiederum auf unseren Spruch, und das darf das Vertrauen bei uns wachrufen, daß in der Zukunft wir immer tiefer in ihn werden eindringen können.

Aufzeichnung C

In einem bedeutsamen Augenblick haben wir uns hier eingefun­den, nicht nur im exoterischen, sondern auch im esoterischen Sinne; denn wo eine okkulte Bewegung entsteht an einem Ort, da begibt sich auch etwas an einem anderen. Die Weisheit ist allein in der Wahrheit, das ist es, was wir suchen wollen. Lösen, trennen müssen sich von uns diejenigen esoterischen Richtun­gen, die nicht mit uns gehen.

Mrs. Besants Brief aus dem Jahre 1906 wird verlesen, den sie nach dem Fall von Leadbeater schrieb, in dem sie alle bittet etwa mit diesen Worten:

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Judge ist gefallen, Leadbeater ist gefallen. Sollte es in meinem Karma liegen, daß schließlich ich auch noch falle, so bitte ich alle, die mich liebhaben, mich nicht darin zu bestätigen. Man möge nicht schwarz weiß nennen, sondern getrost schwarz schwarz. Was kommt es an auf eine Meinung in einem Leben. Die Meister bringen uns schon in einem anderen wieder zurecht. Dies sei der Fels, auf den wir bauen. -

Innerhalb der Essäerschule, deren Lehrer auch den Jesus von Nazareth unterrichtet haben, gab es eine Vorschrift, die lautete: Nachdem die Sonne untergegangen ist und bevor sie aufging, soll der Schüler nicht von profan materiellen Dingen sprechen und nicht an sie denken. - Das war eine Forderung damals. Daß sie für uns nicht mehr bestehen kann, daß sie sich in anderes umgewandelt hat, das werden wir nachher sehen.

Eine zweite Vorschrift lautete: Noch vor Sonnenaufgang mußte jeder Essäer ein Gebet richten an die Geister, welche die Sonne heraufsenden aus dem Weltenraum, daß sie sie auch an diesem Tage senden mögen. - Kein Essäer durfte dies versäu­men.

Betrachten wir die Menschen heute, wie wenig sie realisieren die Tatsache, daß der Mensch, wenn er einschläft, in geistige Regionen eingeht. Dieser Augenblick, der etwas Heiliges für uns sein sollte, er wird nur zu oft entweiht. Der Mensch verbindet sich zuletzt meist noch mit allem möglichen Profanen, Materiel­len. Wir neuen Esoteriker sollten uns aber der Heiligkeit der Stunde vor dem Einschlafen immer bewußt bleiben. Und wenn wir zuruckkommen in unseren physischen Leib, dann sollen wir es mit den gleichen Gefühlen tun. Wie wäre es - sollen wir uns fragen -, wenn wir unseren physischen und Ätherleib nicht mehr vorfänden beim Erwachen? Dankbarkeit soll unsere Seelen durchziehen, wenn wir dies Götterwerk, unseren physischen Leib, am Morgen wieder betreten. Wenn wir zwischen Einschlafen

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und Aufwachen einen Moment des Bewußtseins haben, so können wir in verschiedener Weise sinnbildlich dies Erlebnis empfinden, es widergespiegelt sehen.

Drei Beispiele:

1. Der eine Mensch sieht ein Haus mit einem geöffneten Tor. Das ist unser physischer Leib, durch dessen Pforte wir wieder einziehen sollen.

2. Ein anderer - und dies besonders Menschen, die melancho­lische Anwandlungen haben; sie brauchen aber nicht ein melan­cholisches Temperament zu haben - sieht einen Sarg mit einem Leichnam darin. Dies sind wir selbst, es ist unser physischer Leib.

3. Wieder ein anderer sieht einen Engel, der ihm einen Kelch entgegenhält. So sollen wir verspüren die tiefe Bedeutung un­seres zentralen Kern-Spruches: Ex Deo nascimur, der eben von den verschiedenen Seiten aus betrachtet und für unser Verständ­nis vertieft werden soll. Mit diesen Worten sollen wir den Göt­tern, die unseren physischen Leib auferbaut haben, die wir mit dem Wort «Deo» zusammenfassen, unsern Dank zollen.

Anstelle des Sichabwendens vom Profanen bei den Essäern tritt dann bei uns ein vollständiges Schweigen ein. Wir sprechen den Namen des Höchsten nicht aus: In - morimur.

Daß wir uns wiederfinden, daß wir vom Bewußtsein zum Selbstbewußtsein kommen, den Dank hierfür drücken wir aus mit den Worten: Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Aufzeichnung D

Wachet und betet!

Wenn wir in die lichtvollen Hallen der übersinnlichen Welten eintreten wollen, müssen wir Selbsterkenntnis lernen. Hierbei können uns Weisungen geben zwei Sprüche des Essäerordens, welche auch auf die Entwicklung des einen Jesusknaben (Lukanischer,

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von Nazareth) Einfluß geübt haben. - Der eine lautete: Bevor die Sonne aufgegangen ist und nachdem sie untergegangen ist, sollst du dich nicht mit weltlichen Gedanken und Geschäf­ten beschäftigen. Der zweite: Bevor das Tagesgestirn herauf­kommt, sollst du beten und bitten, daß dies geschehen möge und es seine Kraft des Tages über dir und der Menschheit ent­falten möge. - Durch diese Aussprüche sollen wir uns dessen bewußt werden, wie bedeutsam unsere Wesenheit zusammen­hängt mit der geistigen Welt, aus welcher wir morgens auftau­chen, wenn wir erwachen und in welche wir untertauchen, wenn wir des Nachts einschlafen. Wie wenig die Menschheit heutzuta­ge sich solcher äußerer Zyklen und innerer Zyklen bewußt ist, zeigt ihr Verhalten an der Jahreswende in der Sylvesternacht und die Tatsache, daß alles das, was die Menschen vor dem Ein­schlafen unternehmen, geradezu dazu bestimmt zu sein scheint, die Menschen ja in ihrem Körper und in ihrer physischen Er­scheinungswelt zu befestigen.

Der angehende Esoteriker soll sich in heiliger Empfindung dessen bewußt sein, daß er des Nachts mit Astralleib und Ich verläßt den physischen und Ätherleib und bis zum Erwachen in den übersinnlichen Welten lebt. Freilich bringt er am Anfang keine bewußte Erinnerung an dieses Erleben mit, aber allmäh­lich stellen sich gewisse Bilder ein, welche ihn erfüllen können mit den rechten Empfindungen gegenüber dem physischen und Ätherleib, den er morgens vorfindet. Diese Bilder werden je nach Temperament und Charakteranlagen verschieden sein.

So kann ein mit seinem Ich tatkräftig mehr auf das Äußere gerichteter Mensch das Bild eines Hauses mit einer Pforte haben, durch die er beim Erwachen eintreten muß; wobei das Haus als Symbol des physischen Leibes anzusehen ist. Ein mehr melancholischer Mensch (nicht im Sinne einer Charakteranlage, sondern als Stimmungsmoment), wird vielleicht das Bild eines Sarges vor sich sehen, in dem er selbst als Leichnam liegt. Dies rührt daher, wenn ein Mensch öfters durch die Gedanken der Vergänglichkeit alles Physischen beeinflußt wird. Oder es zeigt

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sich vor dem geistigen Blicke eine Lichtgestalt, die einen Kelch darreicht, gewissermaßen als Symbol, daß die höheren Mächte uns nun wieder das bewußte Leben im physischen Leibe als Gnadengabe darreichen. Diesen Gedanken kann ungeheuer ver­tiefen der erste Satz des uralten Weisheitsspruches, des Rosen­kreuzerspruches E.D.N.

Wenn der Esoteriker des Morgens erwachend seinen physi­schen und Ätherleib vor sich sieht, so soll er sich durchdringen mit dem heiligen Gefühl: Erhabene Götter haben in unermeß­lichen Weltenräumen und unendlichen Zeitenläufen den gott­gewollten physischen und Ätherleib in Saturn- und Sonnenent­wicklung aufgebaut, auf daß er eine Wohnung werde für das geistige Wesen des Menschen. In dieser Empfindung wird der Esoteriker den Gott bitten, er möge ihm lassen und erhalten die­sen physischen Leib, ohne den er kein bewußtes Leben führen kann. Und der Esoteriker kann weiter sich denken, daß sein Hirn nicht etwas Isoliertes, an seinen physischen Leib allein Gebundenes sei, sondern daß, weil seine Kräfte aus dem Kos­mos stammen, es sich gewissermaßen wie eine Halbkugel in den Kosmos hinein weitet, auf welcher die Gedanken als kosmische Kräfte wie Sterne mit ihren Bahnen verzeichnet sind und den physischen Leib erleuchten.

Nun denke man sich, man fände den physischen Leib nicht mehr vor, dann würde uns das Gefühl überwältigen, wie wenn man durch die Pforte des Todes schreitet und alles bewußte Le­ben auslischt. Wäre nämlich nicht auch schon vor dem Myste­rium von Golgatha eine gewisse Weltensubstanz vorhanden ge­wesen, wäre das Leben Post mortem (nach dem Tode) ein schat­tenhaftes dumpf unbewußtes gewesen. Das meinte der griechi­sche Tragiker, wenn er seinen Helden ausrufen läßt: «Lieber ein Bettler in der Oberwelt als ein König im Reiche der Schatten.»

Nun wurde aber durch das Christus-Opfer auf Golgatha eine neue Substanz geschaffen, in die der Mensch untertauchen kann, um sein Leben auch nach dem Tode zu einem bewußten zu gestalten. Daher soll der Esoteriker, bevor er in den Schlaf versinkt,

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sich mit diesem Gedanken und Gefühl durchdringen:

I.C.M., das heißt, nur durch den Christus-Impuls kann ich eine den Tod überwindende Lebenskraft erhalten, die mich immer wieder zu bewußtem Leben ruft und stärkt. Weil aber nichts auf der physischen Welt groß genug ist, um sich vergleichen zu las­sen mit dem, was der Menschheit geschenkt ist durch den Chri­stus Jesus, so soll auch nicht einmal der der physischen Welt angehörige Laut der Sprache bewußt werden, um das große un­ergründliche Geheimnis auszusprechen, welches enthalten ist in dem, was ausströmt von dem großen Mysterium von Golgatha. Daher verschweigen wir Esoteriker das heilige Wort, welches den Namen des Unaussprechlichen ausspricht.

Wenn der Mensch auch Bewußtsein hat nach dem Tode, so hat er noch nicht Selbstbewußtsein, durch das er sich selber wie­dererkennt in der übersinnlichen Welt und seine Schwestern und Brüder, mit denen er in der physischen Welt verbunden war, wiederfindet. Hierzu kann ihm nur verhelfen das höhere Ich, zu dem der Heilige Geist ihm verhilft, das lebensmächtig ihn durch die Pforte des Todes zu selbstbewußtem Leben trägt.

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ESOTERISCHE STUNDE

Köln, 4. Januar 1913

Aufzeichnung A

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Oft wird, wenn gesprochen wird von den esoterischen Verhält­nissen, in denen wir leben, gesagt, daß unsere, die abendländi­sche Richtung sich getrennt habe von der morgenländischen. Das ist aber, besonders in der jetzigen Zeit, sehr unrichtig. Schon längst handelt es sich nicht mehr um okzidentalisch oder orientalisch, sondern um Wahrheit oder Unwahrheit. Solange es sich bei den Verschiedenheiten noch um übersinnliche Fragen handelte, konnte man, wenn man durchaus wollte, noch sagen:

das ist etwas, was ich nicht beurteilen kann; da konnte man noch über zwei Richtungen sprechen. Jetzt aber sind die Diffe­renzen auf den physischen Plan herabgestiegen; jetzt hat die Sache nichts mehr zu tun mit morgenländischem oder abendlän­dischem Okkultismus; jetzt hat die Welt, um diese Sache beur­teilen zu können, dasjenige, was sie gerne hat: «physische Doku­mente», um die Sache zu prüfen. Ein jeder kann sich durch materielle Dokumente überzeugen, daß dasjenige, was Mrs. Be­sant im Jahre 1909 gesagt hat, in völligem Widerspruch steht mit dem, was sie 1912 behauptet hat. Es ist aber die Frage, ob die Welt sogar das anerkennen wird, worauf sie sonst schwört. Wenn es soweit kommt, daß ein Generalsekretär (der englische) schreibt, Mrs. Besant müsse den Brief von 1909 eben vergessen haben, dann steht es wirklich schlimm mit der Menschheit. Wenn man die andere Strömung (die esoterische von Mrs. Be­sant) als die orientalische bezeichnet, beleidigt man die wahre orientalische Esoterik und Philosophie. Am Ausgangspunkt der theosophischen Bewegung, als noch wirkliche orientalische Im­pulse in der Theosophischen Gesellschaft waren, hatte H. P. Blavatsky zum Beispiel noch eine richtige Vorstellung von dem, was ein Avatar ist. Mrs. Besant hat diese nie gehabt, und daher ist es auch nicht zu verwundern, daß sie nichts verstanden hat

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von dem Christus. Es handelt sich bei jener Richtung nur um das Durchsetzen persönlicher Wünsche und Auffassungen. Ver­hängnisvoll würde es für die Welt werden, wenn das, was Lead­beater für die Wahrheit hält, sich über die ganze Welt verbreiten würde.

Es kommt oft vor, daß ein Esoteriker nach jahrelangem Üben das Gefühl hat, daß er gar nicht weitergekommen ist. Dennoch kann dies nur auf Unaufmerksamkeit beruhen. Es kann vorkom­men, daß man eine Meditation verrichtet und versucht hat, Ruhe eintreten zu lassen in der Seele, daß aber Gedanken von allen Seiten heranschwirren, so daß sich nichts Übersinnliches ankün­digen kann. Es ist aber ein gutes Zeichen, wenn man diese Ge­danken von allen Seiten heranschwirren fühlt, denn dann spürt man sie erst in ihrer Wirklichkeit. Es ist ein Fortschritt gegen­über dem Nichtbemerken dieser Tatsache. Nehmen wir nun an, der Esoteriker beginnt seine gewohnten Verrichtungen, nachdem er in dieser Art meditiert hat. Dann kann es passieren, daß er plötzlich spürt: du warst beschäftigt damit, dich anzuziehen, aber du warst mit deinen Gedanken nicht dabei, sondern es denkt in dich hinein. Diese Empfindung bekommt erst ihre volle Kraft und Bedeutung, wenn man sie umwandelt in die mantri­sche Formel: Es denkt mich. Dabei darf man nicht einwenden, daß immer gesagt wird, man solle keinen Wert legen auf das, was unbewußt in dem Menschen vorgeht, denn wir machen uns gerade bewußt dessen, was in uns vorgeht, wir bringen es hinauf in unser Bewußtsein und verleiben es dadurch unserem Ich ein. Es denkt mich ist esoterisch dasselbe, was exoterisch ausge­drückt ist in den Worten: «In deinem Denken leben Weltgedan­ken.» Ein wichtiges Hilfsmittel für das okkulte Leben ist es, sich in jedem freien Augenblick mit diesem Gedanken zu durchdrin­gen. Immer aber soll dieser Gedanke durchdrungen werden von dem Gefühl der Frömmigkeit; nur dann wirkt er in der richtigen Art. Und wenn auch der Esoteriker nicht bemerkt hat, wie es in ihn hinein denkt, so geschieht es deshalb doch. Denn unser Ich ist von derselben Art wie die Weltenmächte, die in den Men­schen

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hinein denken, und der Inhalt unserer Meditation ist aus den Weltgedanken selber genommen. Alle Kräfte und Wesen­heiten, die während der Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit an uns gewirkt haben, die fassen wir zusammen in diesem Es denkt mich.

Wie wir fühlen können, wie höhere Hierarchien an unserm Ich arbeiten, wenn wir uns in unseren Ubungen bemüht haben, zu einer geistigen Entwicklung zu kommen, das können wir zusammenfassen in die Empfindung: Es webt mich, die wieder­um entspricht dem: «In deinem Fühlen weben Weltenkräfte.» Weltenkräfte weben an unserem höheren Ich, und Dankbarkeit gegenüber den geistigen Wesenheiten ist das Gefühl, das sich verbinden soll mit dem Es webt mich.

Dann kann der Mensch sich selber schauen und kann sehen, wie er in karmischen Verhältnissen zu seiner Umgebung steht. Nur wenn man praktisch und nicht nur theoretisch alles, was einen überkommt, als karmische Folge ansieht, kommt man im esoterischen Leben weiter, wenn auch die Zusammenhänge oft sehr verborgen sein können und man die Sache nicht zu einfach nehmen darf. Sich davon zu durchdringen, das gibt dem Men­schen die notwendige Bescheidenheit, die er braucht gegenüber der anderen Auffassung, die man ausgedrückt findet in dem Drama «Die Prüfung der Seele», daß der Mensch das Resultat sei des Zusammenwirkens aller Götter. Alles in der Welt strebt zu dem Menschen hin. Das ist es, was exoterisch ausgedrückt ist in den Worten: «In deinem Willen wirken Weltenwesen» und esoterisch in dem Mantram: Es wirkt mich. Ehrfurcht muß den Menschen überkommen, der sich in diesen Gedanken vertieft.

Diese drei Gedanken mit den entsprechenden Gefühlen: Es denkt mich mit der Frömmigkeit, Es webt mich mit der Dank­barkeit, Es wirkt mich mit der Ehrfurcht, bilden zusammen mit dem über unseren Rosenkreuzerspruch Gesagten ein mächtiges Hilfsmittel für unsere esoterische Entwicklung. Ein ähnlicher organischer Zusammenhang besteht zwischen diesen Formeln und den genannten Empfindungen wie zwischen der Luft, die

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wir einatmen, und unserem Blute, das durch die Luftzufuhr gereinigt wird.

Einen Gedanken können wir uns noch vor die Seele stellen. Es ist der Gedanke, wie Menschen zusammenleben durch ihr Karma. In der vorchristlichen Zeit wurden Menschen, die kar­misch etwas miteinander auszustehen (-wirken) hatten, von den geistigen Mächten in denselben Stamm und dieselbe Familie ge­bracht; durch die Blutsverwandtschaft wurde der Zusammen­hang geschaffen, damit das persönliche Karma sich ausleben konnte. In nachchristlichen Zeiten wurde das anders. Die Kräfte, die die Menschen auf so einfache Weise innerhalb der Bluts-verwandtschaft ihr Karma auswirken ließen, waren allmählich erschöpft. Statt dessen mußte eine neue Kraft in die Erdenent­wicklung einziehen. Wir wissen, daß Paulus spricht von dem ersten Adam, von dem die Menschen physisch abstammen, und daß Christus für ihn der zweite Adam ist, von dem die Men­schen in der Zukunft ihre Seelen werden ableiten müssen, so wie ihren physischen Leib von dem ersten Adam. Die Seelen waren zur Zeit des Mysteriums von Golgatha am Absterben. Das wuß­ten auch die Griechen, und auch im Buche Hiob kommt das tra­gisch zum Ausdruck, wo das Weib des Hiob zu ihm sagt: «Sage Gott ab und stirb.» Außerhalb des unmittelbaren Zusammen­hangs mit Gott gab es nur den Tod für die Seelen. Das wußte auch Paulus, obwohl er es damals nicht in solchen Worten aus­drücken konnte. Wäre der Christus-Impuls nicht gekommen, so würden alle Seelen hinsterben. Die Körper würden zwar noch auf Erden herumgehen, aber die Seelen lebten automatisch darin, die Menschen würden zu Tieren werden, wenn auch in mensch­licher Form. Diejenigen, welche heute den Christus-Impuls noch nicht aufgenommen haben, zehren noch an den letzten Resten der alten Seelenkräfte. Durch das Mysterium von Golgatha wird das Seelenleben gerettet und durchkraftet, indem die Menschen ein Verhältnis zu dem Christus finden. Oft fragt der Mensch:

Wie kann ich in ein Verhältnis kommen zu dem Christus-Impuls? Nur durch die Aufnahme desjenigen, was uns gegeben

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wird, um uns immer tiefer in die Erkenntnis des Christus­Impulses hineinzuführen. Und Christus sagt: «Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen.» Das heißt, wenn zwei Menschen, die ein persönliches Karmaverhältnis haben, ein Verhältnis zueinander gewinnen, in welches der Christus hineinwirken kann, dann wird Er das persönliche Karma ausgleichen. Dazu gehört das Vertrauen, das alles Persönliche auf eine höhere Stufe hinaufhebt.

So wird immer mehr der Christus in unseren exoterischen Verhältnissen wirken. Und so beleuchten wir wiederum von neuem unseren Spruch:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Aufzeichnung B

Wann immer wir denken, daß wir noch keine Resultate unserer Übungen sehen, kommt das meist davon, daß wir nicht genug aufmerksam sind. Aber es kann sein, daß wir nicht direkt nach den Übungen, sondern später am Tag plötzlich bemerken, daß wir unsere gewohnten Verrichtungen automatisch tun und daß da kurz Gedanken waren, die wir nicht selbst dachten. Dann wird in uns gedacht, und wir realisieren, daß es die großen Weltgedanken sind, die in uns denken, und daß unser Ich von derselben Natur sein muß wie die Weltgedanken, weil dieses dadurch ergriffen wird und denkt, ohne daß etwas vom gewöhn­lichen Ich-Erlebnis dabei ist. Das können wir immer fühlen als ein Begnadigt-Werden durch die geistigen Welten. Es ist eine Gnade, daß so die hohen Weltenmächte uns denken, und wir können fühlen Es denkt mich und dabei ein starkes, inniges Gefühl von Frömmigkeit haben.

Und dann können wir weiterhin denken, wie unser Seelen-leben allmählich gewoben wurde durch die Mächte, die durch

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die Saturn-, Sonnen-, Mondenentwicklung hindurch uns aufge­baut haben, und wir fühlen, als wäre dieses Weben der Welten­mächte nicht allein in eben diesem Hereinspielen der Gedanken, sondern in unserem ganzen Sein; wir können fühlen, das sind wir, dieses Es webt mich. Sie haben uns gewebt und geformt durch all die Welten hindurch, und wir fühlen dann große Dankbarkeit.

Und dann können wir noch als Drittes denken: Es wirkt mich. Wir fühlen, wie alle großen Geistwesen eigentlich zusam­menwirken, um den Menschen zustandezubringen, wie dieses Ziel der Entwicklung das Menschen-Ideal vom vollendeten idea­len Menschen ist, wie er durch die Götter gewollt ist. Und dann denken wir, wie das, was wir bis dahin aus uns gemacht haben, unser eigenes persönliches Karma, wie klein das ist und wie weit entfernt von diesem hohen Weltenideal des Menschen. Dann müssen wir Ehrfurcht, tiefe Ehrfurcht und Andacht empfinden gegenüber den hohen Wesenheiten in Es wirkt mich.

Und ebensosehr, wie da ein organischer Zusammenhang be­steht zwischen der Luft, die wir einatmen, und unserem Blut, das durch die Luftzufuhr gesäubert wird, ebensosehr müssen in organischem Zusammenhang stehen die Sprüche Es denkt mich

- Es webt mich - Es wirkt mich mit den dazugehörenden Ge­fühlen von Frömmigkeit, Dankbarkeit und Ehrfurcht (Andacht).

Aber wie steht das weiter mit dem persönlichen Karma? Das persönliche Karma muß ausgeglichen werden, anders kann un­sere Erdenentwicklung nicht ihren vollen Sinn erreichen. Nun wurde das früher anders ausgeglichen als jetzt. Früher wurden Menschen, die ein persönliches Karma zusammen hatten, in der­selben Rasse, in demselben Stamm und so weiter geboren, und die Mächte, die mit dem Blut zusammenhingen, sorgten dann für das Auswirken des Karmas. Die Kräfte, die wirksam waren von Adam ab, versiegten gegen das Mysterium von Golgatha zu, und nach dieser Zeit mußte das Karma anders ausgeglichen wer­den. Am Anfang der Entwicklung ging alles von einem Geist aus, danach kam die Differenzierung, dadurch Persönlichkeit,

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dadurch persönliches Karma usw. Nun muß Christus für das Seelenleben unser zweiter Stammvater werden, wie Adam dies für das Fleischliche und alles, was das Blut betrifft, war. Wäre der Christus-Impuls nicht gekommen, dann wäre das Seelen-leben, nicht mehr gebunden und unterhalten durch die dann aussterbenden geistigen Kräfte, die an das Blut gebunden sind, immer weniger und armseliger geworden. Die Menschheit wür­de immer tierähnlicher geworden sein, ohne selbständiges inner­liches Seelenleben. Das Seelenleben wurde gerettet und aufs neue ernährt, gestärkt und aufgebaut durch das Mysterium von Gol­gatha. . Nun können die Menschen ein Verhältnis zu dem Chri­stus finden. Und der Christus sagt: Wo zwei zusammen sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen. Was bedeutet das? Das bedeutet, daß zwei Menschen, die durch ihr persön-liches Karma in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehn, dadurch ein höheres Verhältnis zueinander gewinnen, ein Ver­hältnis, worin der Christus wirken kann und was auf dem gro­ßen Vertrauen fußt, daß dann der Christus selbst die Kraft ist, die das Karma ausgleichen wird. Da wirkt nicht das persönliche Karma, sondern die seelische Christus-Kraft zwischen ihnen, und der Christus selbst leitet dann die Auswirkungen des Kar­ma. So daß dann, soweit es nötig ist, das Karma ausgeglichen wird. Aber die führende Macht darin ist der Christus selber, so daß das Verhältnis so geworden ist, daß der Christus darin wir­ken kann: In seinem Namen vereinigt. So wird mehr und mehr der Christus in allem, was unser Leben betrifft, wirken können.

* *

Aufzeichnung C

Erstens wird uns Vorsicht ans Herz gelegt in der Wahl unserer Ausdrücke, ganz besonders, wie wir über Herrn Doktor spre­chen, wir sollen Ausdrücke wie «Meister» u. a. vermeiden, um nicht den Haß und Neid unserer Gegner wachzurufen; denn

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nicht die Gesinnungen haben sich geändert, sondern nur die Art der Methode der Bekämpfung hat sich geändert in der Gegen­wart. In früheren Zeiten wurden Scheiterhaufen angezündet und andere Mittel angewendet, um Ketzer zu vernichten, jetzt hat man andere Methoden, man macht sie lächerlich, oder man macht sie durch Verdächtigung unmöglich.

Nicht eine orientalische und eine okzidentale esoterische Strömung gibt es, sondern nur eine wahrhaftige, echte Esoterik und etwas, was sich nur so nennt und was für wahren orientali­schen Okkultismus eine Beleidigung wäre. Etwas, was nur per­sönliche Zwecke verfolgt, darf nicht mit dem Namen «Esoterik» belegt werden. Bei uns wollen wir alles Persönliche vermeiden, und darum eben wollen wir strenge Scheidung eintreten lassen zwischen uns und dem, was von dort (von Adyar und von Frau Besant) ausgeht seit 1906 und was nun endlich zum Austrag kommen kann. Strenge Scheidung wollen wir machen zwischen alledem, was Mr. Leadbeater wünscht, daß die Welt es glaubt, und dem, was hier in strenger Wahrhaftigkeit und unter voller Verantwortung gegeben wird. -

Der Esoteriker klagt vielfach, daß er keine Fortschritte mache und daß, wenn er meditieren wolle, die Gedanken wie Bienen-schwärme kommen und ihn abhalten. Seid froh, daß die Gedan­ken so kommen, sie wollen Euch zeigen, daß sie eine Macht sind, eine Macht, die stärker ist als Ihr selbst. Jahrelang macht einer vielleicht fleißig und treu seine Meditation und kann auch Seelenruhe darnach eintreten lassen, aber nichts, nichts aus den höheren Welten will sich ergießen in diese Seele. Das kann nur so scheinen, denn Aufmerksamkeit gehört dazu, die feinen Fort­schritte der Seele zu bemerken, weil sie ein sehr intimes Leben der Seele betreffen. Da, eines Tages, bemerkt der Betreffende, während er seiner Tagesbeschäftigung nachgeht: das eben hast du ja ganz mechanisch getan, so wie geistesabwesend und doch nicht so. Denn im spirituellen Leben handelt es sich nicht nur darum, daß beim Erleben das Bewußtsein dabei erhalten bleibt, sondern darum, daß man sich an das Erlebte erinnern kann. Das

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Erinnern bedeutet auch Heraufgeholtsein ins Bewußtsein. Der Meditant hat nun das Gefühl, ja, da ist etwas, was sich in mich hineinergießt und was gleicher Art und Wesenheit ist wie menschliche Gedanken selbst, ja so, wie das Ich selbst.

Drei wichtige Mantrams werden nun gegeben, die in folgen­der Art zu gebrauchen sind:

Es denkt mich, denn nicht ich denke eigentlich, sondern es denkt in mir. Exoterisch haben Sie diese drei Sätze ausgedrückt in der «Prüfung der Seele» in den Worten: «In Deinem Denken leben Weltgedanken, In Deinem Fühlen weben Weltenkräfte, In Deinem Willen wirken Weltenwesen.» Esoterisch ist das aus­gedrückt in: E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R. Von dem Gefühl der Frömmigkeit muß dieses Es denkt mich durchsetzt sein.

Es webt mich drückt aus das Menschtum, was es eigentlich ist und was man selbst daneben ist, Selbsterkenntnis soll es anregen. Das Gefühl des Hineinverwobenseins in das ganze Leben und Weben der Welt soll es erzeugen, das sich ausdrückt in Dank­barkeit.

Es wirkt mich. Der ganze Kosmos, alles ist nur als Ziel des Menschtums anzusehen. Ehrfurcht, Andacht, Hingabe soll das Gefühl sein, das dadurch ausgelöst wird. Demut, Bescheidenheit muß man lernen, wenn man sich dann daneben sieht, was man ist in seiner Unvollkommenheit und was das Ziel der Götter mit dem Menschen ist.

E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R., das ist das Vierte, was Ihr ge­brauchen sollt, das Urgebet der Menschheit. -

Diese vier wichtigen Sätze, die drei Mantrams und das Urge­bet der Menschheit, können uns gut vorwärtsbringen in unserem esoterischen Leben, wenn wir im Gehen und Stehen, auf der Straße und daheim, recht oft diese Worte in unserer Seele auf­steigen lassen. Aber schweigen lassen muß die Seele in sich diese Worte, wenn sie sie nicht heilig denken kann, d.h., sie muß sich verbieten, diese Sätze in sich aufsteigen zu lassen, wenn sie nicht begleitet sind von dem entsprechenden Gefühl. -

Das Sterben der Seelen ist anders geworden in dem Zeitalter

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des Mysteriums von Golgatha. Wie der Leib von Adam ab­stammt, so stammt die Seele von Christus ab.

Die Substanz der Seelen hatte sich im Laufe der Zeiten all­mählich erschöpft, und es wäre ohne das Mysterium von Golga­tha eine Zeit gekommen, wo nur Leiber, automatische Leiber auf der Erde noch dagewesen wären, seelenlose Leiber.

Der Ausgleich des Schicksals wird in der Zukunft so erfolgen, daß das Wort des Christus: «Wenn zwei in meinem Namen bei­sammen sind, so bin Ich mitten unter ihnen» zur Wahrheit wird.

Die Seelen sterben aus, aber das Schicksal, das die Menschheit zusammen geschaffen hat, das Karma, bleibt bestehen. Die Menschheit ist ausgegangen von einer Art Gruppenseelenhaftig­keit, hat sich differenziert, individualisiert, dadurch sind die Be­ziehungen von Mensch zu Mensch entstanden. Früher nun ge­schah der karmische Ausgleich dadurch, daß von den göttlich-geistigen Mächten gesorgt wurde, daß zwei Menschen, die etwas miteinander auszugleichen hatten, wiedergeboren wurden in demselben Stamm. Das ist jetzt nicht mehr so. Jetzt wird das Wort zur Wahrheit, das der Christus gesprochen hat: «Wenn zwei in meinem Namen beisammen sind, dann bin Ich mitten unter ihnen.» Christus ist der Herr des Karma!

Alle Seelen stammen ab von Christus, und eine solche Zeit wird kommen, wo den Seelen das zum Bewußtsein kommt und wo sie verstehen werden, daß auch der Ausgleich unter den Seelen nur durch den Christus geschehen kann.

* *

Aufzeichnung D (Auszug)

[. . .] Wie ist eine esoterische Strömung wie die unsrige über­haupt möglich? Im Urbeginn war eine Seelensubstanz vorhan­den, die sich dann in die unzähligen differenzierten Einzelseelen teilte; durch diese Differenzierung entstand das Karma, das be­steht in seelischen Zusammenhängen von Mensch zu Mensch. In

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der Zeit vor dem Ereignis von Palästina lebten sich diese karmi­schen Zusammenhänge in der Blutsverwandtschaft aus, waren an das Blut gebunden. Aber gerade zur Zeit des Mysteriums von Golgatha versiegte allmählich diese Seelensubstanz, und die Menschen wären seelenlos über die Erde dahingegangen am Ende der Erdenentwicklung, wären in die Tierheit verfallen in Menschenleibern, die die Karikaturen von Tierleibern sein wür­den; und die Iche (denn nicht das Ich stirbt aus, an dieses ist das Karma gebunden bis zum Ende) würden leer und seelenlos sein, wenn nicht das Mysterium von Golgatha stattgefunden hätte. Der Christus ist der geistig-seelische Stammvater der jetzigen Menschheit, wie Adam es in bezug auf den Leib ist und nur, indem wir uns mit der Christus-Substanz, dem Christus-Impuls erfüllen, entgehen wir der Seelenlosigkeit, und das tun wir, indem wir die Erkenntnisse über das Mysterium von Golgatha in uns aufnehmen und in uns leben lassen. Immer seelischer werden dann die Beziehungen und das Zusammenleben von Mensch und Mensch.

ESOTERISCHE STUNDE Berlin, 6. Januar 1913 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE050 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 6. Januar 1913

Aufzeichnung A

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Es gibt viele Esoteriker, die da meinen, keine Fortschritte zu machen. Dies ist unmöglich bei jedem, der seinen Übungen mit Eifer obliegt. Wir müssen da wohl unterscheiden zwischen dem Fortschreiten und dem Bemerken des Fortschreitens. Und die, die da nicht zufrieden sind, die mit Meister Eckhart sprechen möchten: Was nützt mir, daß ich ein König bin, wenn ich es nicht weiß! - die müssen sich ein feineres Empfinden anschaf­fen, ein Hinhorchen auf das, was in ihrer Seele vorgeht.

Vor allem wird geklagt, daß man bei Ausübung seiner abend­lichen Übungen einschlafe. Gesetzt den Fall, jemand wäre bei seiner Rückschau eingeschlafen; er wird auch wieder aufwachen. Wenn er sich dann zurückerinnert, bis zu welchem Punkte er gekommen war, dann wird er gewahr werden, daß im Schlafe, trotzdem sein Tagesbewußtsein ausgelöscht war, seine Medita­tion weitergegangen ist. Das kann ihm unter Umständen mehr nützen als eine Meditation mit vollem Bewußtsein; denn es han­delt sich hier um die bedeutungsvolle Tatsache, daß im entkör­perten Zustande sein Bewußtsein weitergearbeitet hat, daß ein Übergang stattgefunden hat vom gewöhnlichen Tagesbewußt­sein zu einem höheren Bewußtseinszustand. Dies ist schon ein Erweitern des Bewußtseins, und in einem solchen Erweitern besteht der eigentliche Fortschritt.*

Auch in Träumen zeigt sich, daß der Esoteriker weiter-kommt; er muß nur seine Seele beobachten, aufmerksam sein auf das, was in seiner Seele vorgeht.

Da kann es passieren, daß jemand kurz vor dem Erwachen im Traum einen Sarg erblickt, oder ein Haus mit einer Tür, oder

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* In einer anderen, sonst gleichlautenden Vorlage folgt hier noch der Satz: «Es handelt sich dabei nicht um ein Unterbewußtes, sondern das so Erlebte wird ja gerade in das Bewußtsein heraufgehoben.»

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auch einen Engel, der ihm einen Kelch reicht. Bevor der Mensch wirklich seinen Körper zu schauen vermag, sieht er ihn in Bil­dern, und zwar wird dieses Bild stets seiner Veranlagung ent­sprechen. Jemand, der ernst veranlagt ist, bisweilen melancho­lisch, sich häufiger mit Todesgedanken abgibt, wird einen Sarg mit einem Leichnam darin erblicken als Symbolum für seinen physischen Leib. Derjenige, der mehr freudig, optimistisch ver­anlagt ist, wird ein Haus vor sich sehen, durch dessen Tür er wieder eintritt in seinen physischen Leib. Ein Mensch mit reli­giöser Veranlagung wird einen Engel erblicken, der ihm einen Kelch reicht. Das ist [ein Symbol für] das wache Tagesbewußt­sein, das wieder in ihn zurückkehrt.

Selbstverständlich zeigen sich solche Symbole nur im Anfang der esoterischen Schulung. Der Esoteriker, der weiter fortge­schritten ist, der wird nicht mehr diese Bilder erblicken, sondern fühlen, wie sein Ätherleib immer mehr hinauswächst in den Kosmos, wie von den einzelnen Organen seines physischen Lei­bes sich Ströme ergießen weithin in den Weltenraum - er fühlt, daß er eine kosmische Wesenheit ist.

Auch davon haben wir schon gesprochen, daß sich die Emp­findungen, die Gefühle des Esoterikers ändern. In dem Orden der Essäer, der zu Jesu Zeiten bestand und in dem Jesus auch eine Zeitlang geweilt hat, galten zwei Regeln. Erstens durfte man vor Sonnenaufgang und nach Sonnenuntergang nicht über welt­liche Dinge sprechen. Für die Brüder der höheren Grade er­streckte sich das auch auf die Gedanken. Solange das Tages-gestirn am Himmel stand, durften sie sich weltlichen Gedanken hingeben; aber die mußten schweigen, sobald es erloschen war. Und die zweite Regel: Vor Sonnenaufgang mußten sie die Sonne bitten, zu erscheinen, und des Abends ihr danken für ihr Schei­nen. - Der heutige moderne Mensch wird diese Regeln nicht in demselben Maße befolgen können. Aber müßte er nicht, ebenso wie der Essäer voll Dank, voller Andacht dem Erscheinen des Tagesgestirnes entgegensah, dankbar sein, am Morgen wieder in seinen physischen Körper zurückzukehren? Denn nicht mehr

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bestimmt war es, daß der Essäer die Sonne wiedersehen würde, als es bestimmt ist, daß der heutige Mensch wieder in seinen physischen Körper zurückkehrt. - Der Materialist weiß darüber nichts; aber wir haben darüber gehört, wie unser physischer Leib durch die Saturn-, Sonnen-, Mondenentwicklung hindurch von allen über dem Menschen stehenden Wesenheiten unter Heranziehung der Weltenkräfte aller Zeiten und Räume so kunstvoll hergerichtet worden ist. Von Göttern ist dieser Tem­pel für die Seele gebildet, aus Geistigem entstanden: Ex Deo nascimur.

Dann ist noch ein zweites Gefühl, das wir entwickeln müs­sen, dieses: Es bestand früher ein uraltes Erbstück, ein Rest des Urgöttlichen, in das sich der Mensch ergoß nach dem Tode. Dadurch erhielt er sein Bewußtsein aufrecht. Diese göttliche Substanz ist immer weniger geworden. Es war damit verschie­den in den verschiedenen Epochen, bei den einzelnen Völkern; aber in der vierten Epoche der nachatlantischen Zeit war es fast verlorengegangen. Nicht das Ich, aber die Seelen waren [da­durch] tot. Der Grieche hatte wohl ein Bewußtsein davon; dar­um sagte er: Lieber ein Bettler auf der Oberwelt, als ein König im Reiche der Schatten. - Aber diese Substanz hat sich neu ge­bildet durch das Mysterium von Golgatha. In die Christus-Substanz treten wir jetzt nach dem Tode ein und erhalten dort unser Bewußtsein wieder. Wie Adam unser leiblicher Stammvater ist, so ist Christus der Stammvater unserer Seelen:

In Christo morimur. Oder, weil der Name für uns etwas so Heiliges bedeutet, daß wir ihn in Lauten nicht wiederzugeben wagen, so sprechen wir nur: In --- morimur.

Aber wenn wir in der Christus-Kraft nach dem Tode zum Bewußtsein gelangen, so haben wir darum noch kein Selbstbe­wußtsein. Wir erkennen wohl die Dinge um uns her, aber uns selbst können wir nicht schauen. Das können wir nur dadurch erlangen, daß wir uns auf Erden schon vorbereiten. Ebenso, wie ich hier in der physischen Welt einen Knopf wohl wiederfinde, wenn ich ihn mit Bewußtsein an einen bestimmten Ort lege, so

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ist es auch nach dem Tode. Wir können nicht erwarten, uns an etwas zu erinnern, was wir nicht mit vollem Bewußtsein getan haben. Dazu wird uns aber das Mittel gegeben durch die Lehren der rosenkreuzerischen Theosophie. Suchen wir also zu verste­hen den Geist der theosophischen Weltanschauung, durchdrin­gen wir uns mit dem Geistigen, so wird uns der Geist in jenem Leben nach dem Tode auferwecken: Per Spiritum Sanctum revi­viscimus.

Empfinden wir, daß dieser unser Rosenkreuzerspruch kein gewöhnlicher Spruch ist, sondern daß er gegeben ist von den Meistern der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfin­dungen. Sie haben Weltenkräfte da hineingeheimnißt. Nicht zum Hersagen, zum Erleben ist er da; und durch jahrelanges Üben werden wir aus ihm immer mehr Erkenntnis sammeln. Der ge­schulte Hellseher sieht, wie bei einem Menschen, der sich in die­sen Spruch versenkt hat, der Ätherleib beginnt, sich immer mehr zu weiten und mit den Kräften des Makrokosmos zu verbinden; dabei werden seine Organe Kraftzentren, in die Ströme hinein-fließen aus der geistigen Welt. Durchdringen wir uns mit diesem Spruche, wenn unsere Seele in voller Ruhe und Gelassenheit ist. Und wenn wir Trost brauchen, wenn unsere Seele nieder-gedrückt ist, so wird er uns Mut und Kraft geben. Aber wenden wir ihn nicht nur an als Trostmittel, sondern auch, wenn unsere Seele ganz stille ist; dann wird er uns immer mehr ein Freund, ein Helfer sein auf unserem esoterischen Wege.

Aufzeichnung B

Wenn beginnende Esoteriker oft denken, daß sie keine Fortschrit­te machen, dann ist das noch absolut kein Beweis, daß die Fort­schritte nicht doch da sind. Oft werden sie nur nicht bemerkt. Es wird öfters geklagt, daß der Schüler während den Abendübungen einschläft, aber es kann geschehen, daß er dann später beim Aufwachen

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bemerkt, daß er doch in einem anderen Bewußtseins­zustand seine Übungen fortgesetzt hat. Das Sich-Erinnern an das Fortsetzen der Übungen in einem anderen Bewußtseinszustand ist sehr wichtig. Gerade eine solche Erinnerung kann von mehr Gewicht sein als das einfache Ausführen der Übung mit dem Ta­gesbewußtsein. Auch muß man mehr achtgeben auf das Traum-leben. Man kann dann manchmal gegen das Aufwachen hin in symbolischer Form seinen Körper sehen, entweder als ein Haus, in das man hineingehen muß, oder als ein Grab (diese Vision kommt vor bei Menschen, die öfters an den Tod und das Ver­gängliche des irdischen Lebens denken), oder als einen Engel mit einem Kelch in der Hand (das kommt vor bei Menschen, die eine religiöse Grundstimmung haben und sich bewußt sind, daß der Körper durch die Götter geschaffen ist).

Aber später wird man dann seinen Körper mehr so sehen, wie er in Wirklichkeit ist, und wie sehr die Wirklichkeit ab­weicht von der Maja des Physischen. Man sieht dann physischen und Ätherleib weit ausgedehnt, vom Herzen aus wächst es wie ein Baum in das ganze Universum, und wir begreifen, wie unser Herz kosmische Bedeutung hat, während unser Kopf wie der Sternenhimmel den halben Kosmos umspannt. Aber es dauert lange, bis man von dem ersten Stadium des symbolischen Schau­ens bis zu diesem Anblick kommt.

Wenn wir an das Essäer-Gebot denken, daß man sich vom Sonnenuntergang bis zum Sonnenaufgang nicht mit weltlichen Dingen beschäftigen soll (und für die höheren Grade nicht ein­mal an solche Dinge denken soll), dann können wir das für un­ser esoterisches Leben so umwandeln, daß wir mit heiligen Ge­fühlen einschlafen sollen. Und das zweite Essäer-Gebot, jeden Morgen darum zu bitten, daß die Sonne aufgehen möge, kann für uns werden ein Gefühl von Heiligkeit und Dankbarkeit ge­genüber den Göttern, die uns unseren Körper gaben, Dankbar­keit für das Zurückfinden in unseren Körper jeden Morgen. Wenn wir so recht realisieren, wie wir ohne den Körper unmög­lich unser Bewußtsein wieder entfalten könnten beim Aufwachen,

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dann können wir Dankbarkeit fühlen für das Wiederfin­den unseres Körpers und mit Ehrfurcht denken an den Spruch:

Ex Deo nascimur - und ihn in Verbindung bringen mit dem hei­ligen Gefühl, das wir haben können gegenüber unserem durch die Götter geschenkten Körper. Wir werden, wenn wir das

E.D.N. manchmal so kontemplieren, eine wunderbare Entdek­kung machen können, nämlich daß wir kurz vor dem Aufwa­chen beten, daß wir unseren Körper wiederfinden mögen. Diese Entdeckung, daß wir in diesem anderen Bewußtseinszustand, worin wir vor dem Aufwachen noch sind, beten, ist von großer Bedeutung. (Das E.D.N. mit Dankbarkeit für unseren Leib.)

Beim Kontemplieren von I.C.M. können wir dann auf die­selbe Weise Dankbarkeit fühlen für das, was beim Sterben für uns dasselbe tut wie beim Aufwachen unseres Körpers, nämlich für die geistige Substanz, in die wir dann untertauchen wie beim Aufwachen in unseren physischen Leib. Und diese geistige Sub­stanz, die sich vor dem Mysterium von Golgatha erschöpft hatte, ist nun für den Esoteriker die Christus-Substanz.

Aber auch unser Selbstbewußtsein müssen wir lernen zu ent­falten. Das werden wir mehr und mehr, wenn wir als lebende Kraft das aufnehmen, was uns als theosophische Lehren gegeben wird. Diese theosophischen Begriffe sind lebende Kräfte, und je nachdem unser Seelenleben durch sie geformt wird, werden wir auch in dem Leben nach dem Tod unser Selbstbewußtsein behalten, wenn wir uns an all das, was wir als Wahrheit hier lernten, erinnern. Das ist der Heilige Geist: P.S.S.R.

So können wir, diesen Spruch meditierend, der der Kern­punkt unserer Rosenkreuzer-Esoterik ist, mehr und mehr Kraft durch ihn bekommen. Je mehr wir diesen Spruch, diese im wah­ren Sinne «Zauberworte» meditieren, je mehr bringt er uns auch in Verbindung mit geistigen Kräften und geistigen Wesen. Und dieses Zusammenleben mit den geistigen Welten muß es für uns werden. Und auch in Zeiten, in denen wir betrübt und schwer beladen und bedrückt sind, wird dieser Spruch uns zum Trost werden können. Aber das wird sich nur ergeben, wenn wir auch

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in gelassenen und freudigen Momenten wirklich mit ihm in Ver­bindung treten, wenn so im Zusammenleben mit diesem Spruch dieser zu dem Weg wird, auf dem auch Engel zu uns kommen, die dann auch in trüben Momenten uns Trost und Kraft brin­gen. So können unsere Lehren uns geistig aufbauen, unser Seelenleben neu schaffen, und immer mehr werden wir der Heiligkeit von allem bewußt werden und uns mit frommen und gelassenen Gefühlen einleben in den Spruch: E.D.N. - I.C.M. -

P.S.S.R.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 8. Februar 1913

Aufzeichnung A

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Die Welt des Erkennens, des Erlebens und der Seligkeiten

Meine lieben Schwestern und Brüder!

Wenn wir alles das beachten und tun, was uns in all den Vorträ­gen, in den Mysterienspielen und esoterischen Stunden bis jetzt schon gegeben ist, wenn wir das alles wirklich ausführen in vol­ler Hingabe, dann können wir schon sehr, sehr weit hineinkom­men in hohe spirituelle Welten. Mehr braucht die Menschheit der Jetztzeit nicht, um in sehr hohe geistige Welten zu gelangen. Wir müssen ganz leben in der Meditation, Konzentration und Kontemplation; alles andere draußen lassen. Nur in strikter Innehaltung der gegebenen Vorschriften kann etwas erreicht werden. Die Meditationszeit muß uns als etwas Schönes, Erha­benes in unserem esoterischen Leben gelten. Zuerst beim Medi­tieren soll man sich ganz in den Inhalt der Übungen versenken. Man muß also die Seele leer machen von allen alltäglichen Ge­danken und Gefühlen und in dem Inhalt der gegebenen Übun­gen leben. Und dann den Bewußtseinsinhalt ganz leer machen, auch von dem Meditationsstoff und dann lauschen, «wachen». Es ist das ja sehr schwer; das ist schon richtig. Einige behaupten, sie hörten dann ihr Blut pulsieren, und das störe sie. Mögen sie das Blut pulsieren hören, mögen sie darauf hinhören. Dann wer­den sie Leben im Blut und in den Nerven spüren und dadurch ein Stück des Innenlebens gewahr werden.

Das exoterische Leben verläuft in der Welt des Erkennens; dadurch, daß wir einem Gegenstand gegenüberstehen und ihn ansehen, uns Vorstellungen von ihm machen, erkennen wir ihn. In dem Augenblick der Meditation wird dieses anders. Wir tre­ten durch die Meditation in eine andere Welt ein, wir haben dort unsere Vorstellungen, unsere Gedanken und Begriffe vor

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uns, außer uns; wir wissen, daß wir mit ihnen zusammenhängen. Aber wir können sie nicht loswerden, wir laufen ihnen nach. Es steigen die Gedanken aus den Untergründen der Seele auf. Wir sehen, wie wenn Raubtiere sie fräßen. Wir verbinden uns ganz mit den Gedanken und so weiter. So erleben wir hier [beim Meditieren], während wir im Exoterischen erkennen. - Wir sind hier beim Meditieren in der Welt des Erlebens. Wir mussen uns nur davor hüten, uns gleich Vorstellungen über das zu machen, was so an uns in dieser Welt herantritt. Nur öffnen müssen wir uns und lauschen, erfühlen, was da in unsere Seele hineinströ­men will. Das bildet die Lotosblumen aus, so daß sie dann in Tätigkeit treten können.

Noch weiter kommen wir in die Welt der Seligkeiten oder die Welt der Gestalten. Nur der, der sich reif gemacht hat für diese Welt, erlebt sie als Welt der Seligkeiten. Für den unreifen Men­schen ist sie voller Schauer und Schrecklichkeiten und zermalmt ihn. Für diesen verkehren sich dort Liebe in Haß, Schönes in Häßliches. Was ihm bisher eklig war, mag er jetzt gern und so weiter. Pervers ist alles. Nur wer die Schulung der Selbsterzie­hung durchmacht, wird wirklich reif zum richtigen Erleben die­ser Welt der Gestalten.

Was haben die Götter getan, um uns vor dem Erleben dieser Welt der Gestalten zu beschützen, ehe wir reif sind? Sie haben uns den Genuß gegeben, das Genießen der Freude am Schaffen hier im Physischen. Das, was wir als Schönes empfinden an einem Kunstwerk, an einem Raffael, an einem Lionardo, ist nicht das Bleibende, auch nicht das Kunstwerk selbst (dargestellt oder angedeutet im dritten Mysterienspiel mit den zwei Bildern von Raffael und Lionardo), sondern das, was ewig ist, ist das Geistige, was in des Künstlers Seele beim Schaffen vorging, aus dem heraus das Kunstwerk geschaffen wurde.

Was ist Gott in der Maja? Ganz paradox muß klingen das, was jetzt gesagt werden muß. Nicht das ist Gott, was wir erle­ben im Frühling, in den aufbauenden Kräften, in dem Sprießen­den, Sprossenden, in allem Schönen und Leuchtenden, sondern

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da ist Gott wirklich und wirksam, wo wir verheerende Naturge­walten sehen; in den Herbststürmen, in allem Zertrümmernden, Vernichtenden, Zermalmenden, da ist Gott drinnen. Es klingt grauenvoll und erschütternd, aber es ist so: Gott ist in allem Zerstörenden und Zertrümmernden am wirksamsten. Uns Men­schen ist der Genuß am Schaffen im Physischen gegeben, um uns davor zu bewahren, vorzeitig in die Welt der Gestalten, der Seligkeiten einzutreten. Wie durch eine dünne Eisdecke sind wir in unserem Tages-Wachbewußtsein davon getrennt. Wenn wir in der esoterischen Schulung sind, sollen wir nun nicht diese esote­rischen Lehren ins exoterische Leben einführen, das exoterische Leben nach diesen Lehren einrichten wollen. Das muß zu Ver­kehrtheiten führen. Unsere Erziehung im exoterischen Leben muß aus exoterischen, pädagogischen Grundsätzen heraus erfol­gen. Es könnte als ein Ideal hingestellt werden, daß das esoteri­sche Leben ganz für sich verliefe.

Wie wir hier im Tagesleben allen Ereignissen, allen Gedanken und so weiter gegenüber gelassen bleiben, uns nicht aufregen, nicht aus dem Häuschen geraten sollen, ebenso müssen wir auch Gelassenheit, absolute Gelassenheit der Welt des [geistigen] Er-lebens gegenüber bewahren. Ganz gelassen müssen wir bleiben können - so in allen Welten allem gegenüber. Durch richtiges Hineindenken, Hineinfühlen und Hineinleben in die drei Man­tren: Es denkt mich - Es wirkt mich - Es webt mich erreichen wir diese Gelassenheit, dadurch daß wir diese drei Sätze wieder und wieder durch unsere Seele ziehen lassen.

Und dann verstehen wir auch in der richtigen Weise unseren

Rosenkreuzerspruch:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum San ctum reviviscimus.

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Aufzeichnung B

Im Laufe der Jahre ist in unseren esoterischen Betrachtungen und eigentlich auch in allem demjenigen, was außerhalb mitge­teilt wurde, alles gesagt worden, was für eine fortschreitende esoterische Entwicklung notwendig ist. Es hängt nur von einem jeden von uns ab, ob er die nötige Geduld, die nötige Aufmerk­samkeit und die nötige Ausdauer hat, um zu dem Ziel, dem Aufstieg in die geistige Welt zu gelangen.

Von diesen esoterischen Betrachtungen ist kein Wort bedeu­tungslos, und ein jeder kann daraus erhalten, was zu seinem gei­stigen Aufbau nötig ist. Ein jeder kann etwas Persönliches darin empfinden, etwas für ihn selber im besonderen, weil für jeden tatsächlich etwas ganz Persönliches darin enthalten ist. Indem wir diese Anregungen in unserer Seele weiterwirken lassen und im Zusammenhang damit alles, was in den Zyklen und Vorträ­gen gegeben ist, können sie uns zu dem höchsten Wachstum im Geistigen bringen, das in dieser Inkarnation überhaupt für uns möglich ist.

Was wir insbesondere brauchen für unsere esoterische Ent­wicklung, das ist Geduld; Geduld, immer wieder unsere Seele ganz leer zu machen, damit wir so die intensiveren Erlebnisse, die sich auf dem tiefen Grunde unserer Seele abspielen, auffan-gen können. Wenn wir nur genügend achtgeben, werden wir bemerken, wie unser Seelenleben sich allmählich wandelt. Wir werden zum Beispiel bemerken, daß wir nicht länger mehr ein­fach in Begriffen denken, sondern daß es so wird, daß wir tat­sächlich dasjenige sind, was wir denken. An Stelle des «Erken­nens» kommt das «Erleben».

Wir werden dann auch spüren, wenn wir so ganz still in uns selbst die Gedanken erleben wollen, daß es ist, als ob da Wesen wären, die gleichsam wie Raubtiere uns unserer Gedanken be­rauben wollen, sie verschlingen wollen. Zunächst ist es oft so, daß, wenn wir ganz stille werden in unserer Meditation, wir nichts anderes verspüren als das Rauschen unseres Blutes, die

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Wirkungen des Blutes und des Nervensystems, das Fließen eines feinen Fluidums um die Nerven herum. Das ist auch richtig. Über den Strom des Blutes kommen wir dann in das Reich des Erlebens, wo wir unser Erleben wirklich leben. Es kann aber auch sein, daß wir solche Gedanken, die wir erleben, die wir ganz selber werden, nicht nach der Meditation, sondern bis­weilen ganz unerwartet in anderen Augenblicken in uns finden. Solches Erleben ist von viel größerer Bedeutung als das einfache Schauen von Visionen, da ja das Letztere von selber später noch einmal kommen wird.

Wir sollen aber in eine noch höhere Welt aufsteigen, in die wirkliche Geisteswelt. Unser gewöhnliches, intellektuelles Be­greifen der Welt wirft eigentlich einen Schleier auf alles dasjeni­ge, was dahinter liegt. Und das ist den Menschen zum Segen, denn man muß ganz vorbereitet sein, mit der tieferen Welt in Berührung zu kommen, ohne daß daraus falsche Konsequenzen für das gewöhnliche Leben entstehen. Wenn man nämlich nicht genügend vorbereitet ist, kann es geschehen, daß alles, was man als gewöhnlicher Mensch empfindet und ist, sich genau in sein Gegenteil verwandelt. Wenn wir zum Beispiel im gewöhnlichen Leben einen Menschen sehr lieben, kann es geschehen - aber nur, wenn die Schulung nicht die richtige war -, daß wir diesen Menschen nach unserem Aufsteigen in die geistige Welt anfan­gen zu hassen. Oder unser Mut kann sich in Furcht verwandeln, oder dasjenige, was uns früher angenehm war, kann uns jetzt höchst unangenehm berühren.

Um dieses zu verstehen, müssen wir ein Bewußtsein davon entwickeln, daß im gewöhnlichen Leben zu unserem Heile der Genuß, den wir an den Dingen haben, uns die tiefer liegenden Kräfte verhüllt. Die Art, wie in dem Mysteriendrama «Der Hüter der Schwelle» im dritten Bild die Werke des Raffael und des Lionardo da Vinci dargestellt sind, ist sehr vielsagend. Denn auch in den Kunstwerken ruht ein Ewiges, nicht in dem Werke selber, sondern in den schöpferischen Kräften, die in der Seele des Künstlers gewirkt haben. Alles dasjenige, was auf Erden als

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Schönheit erscheint, ist vergänglich, und indem wir von dieser Schönheit genießen, wird der Genuß für uns die Verhüllung des Ewigen.

Wo findet man die ewig wirkenden Kräfte, wo findet man Gott am meisten in der physischen Welt? Ist es dort, wo wir Aufblühen, Aufsprießen an die Oberfläche treten sehen? Nein, wir schauen Gott am meisten da, wo wir die Form zerstören sehen, wo die äußere Schönheit verschwindet. In dem Sprießen und Sprossen ist das Ende der Wege Gottes. Gott ist für unsere physische Welt am meisten wirksam da, wo wir Zerstörung, Tod sehen. Das scheint ein starkes Paradoxon zu sein, wenn wir an die göttliche Liebe denken; und es wird hier gegeben wie ein erster Ausspruch, der über die Lippen kommen kann, wie ein Meditationsstoff, aus dem heraus die größten Schlüsse zu ziehen sind, die sogar jetzt noch nicht ausgesprochen werden dürfen. Nur diese eine Andeutung ist erlaubt, gehört zu werden.

Ein Mensch, der nicht volle Gelassenheit erlangt hat gegen­über allen Erfahrungen in der physischen Welt, kann sich in der geistigen Welt nicht aufrecht erhalten und erlangt für sein All­tagsleben die Umwandlung von Liebe in Haß, von Mut in Furcht und so weiter. Derjenige, der für sich selbst den Ent­schluß gefaßt hat: jetzt will ich stark vorwärtskommen in mei­nem okkulten Streben, soll immer mit dem größten Ernst darauf bedacht sein, daß er sich nicht wandle in bezug auf sein ge­wöhnliches tägliches Leben. Er soll bleiben, wie er einmal durch seine Veranlagung und sein Karma geworden ist. Soviel wie möglich soll das äußere Leben das gleiche bleiben, und wenn Veränderungen eintreten müssen, sollen diese nicht durch das esoterische Erleben, sondern durch exoterische Verhältnisse bedingt werden. Wer zum Beispiel im exoterischen Leben be­merkt, daß er lieblos ist, soll diesem Mangel abhelfen durch Anstrengungen im exoterischen Leben, aber in dieser Hinsicht nichts vom esoterischen Leben erwarten.

Wenn wir immer gelassen sind und uns immer wieder in die gegebenen Mantren vertiefen: Es denkt mich - Es webt mich -

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Es wirkt mich, dann werden wir auch die richtigen Kräfte mit­bringen, um uns inmitten der gewaltigen Kräfte der geistigen Welt aufrechtzuerhalten.

* *

Aufzeichnung C

Was wir vor allem nötig haben für unsere esoterische Entwick­lung, ist Geduld. Geduld, um immer wieder unsere Seele ganz leer zu machen, um so die feineren Erlebnisse, die sich zeigen, auffangen zu können. Wenn wir nur gut aufmerksam sind, wer­den wir bemerken, wie sich unser Seelenleben verändert. Wir werden z.B. merken, daß wir nicht mehr wie gewöhnlich in Begriffen denken, sondern daß es so wird, daß wir wirklich sind, was wir denken. Anstelle von «erkennen» kommt «er­leben». Wir werden dann merken, wenn wir so ganz still in uns selbst die Gedanken erleben wollen, daß Wesen, als seien es Raubtiere, uns unsere Gedanken hinwegreißen wollen, sie ver­schlingen wollen. Zuerst ist es oft so, daß wir, wenn wir nach unserer Meditation ganz still werden, nichts anderes bemerken als das Rauschen unseres Blutes, die Vorgänge im Blut und im Nervensystem, das Fließen der feinen Fluiden um die Nerven.

Aber das ist gut. Über den Strom des Blutes kommen wir dann in das Reich des Erlebens, wo wir unser Erleben wirklich leben. Es kann auch sein, daß wir solche Gedanken, die wir er­leben, die wir ganz und gar selbst werden, nicht nach der Medi­tation, sondern in anderen Momenten - oft ganz unerwartet - in uns finden. Dieses Erleben ist von viel größerer Bedeutung, als das eindeutige Sehen von Visionen, was ohnehin von selbst erfolgt. Aber wir müssen in eine noch höhere Welt eintreten, in die wirkliche geistige Welt. Unsere gewöhnlichen intellektuellen Begriffe von der Welt werfen eigentlich einen Schleier auf das, was dahinter ist. Und das ist ein Heil, weil man sehr vorbereitet sein muß, um mit der tieferliegenden Welt in Berührung zu

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kommen, ohne daß dies verkehrte Folgen für das gewöhnliche Leben hat. Wenn man nämlich nicht gut vorbereitet ist, kann es geschehen, daß sich alles, was wir als Mensch fühlen und sind, genau in das Gegenteil verändert. Wenn wir zum Beispiel einen Menschen sehr liebhaben, kann es geschehen (aber nur, wenn die Schulung nicht richtig ist), daß wir diesen Menschen nach unserem Aufstieg in die geistige Welt sogar hassen, und unser Mut kann sich in Furcht verwandeln. Vorliebe können wir ent­wickeln für etwas, was wir sonst widerwärtig fanden. - Um das zu verstehen, müssen wir begreifen, daß im gewöhnlichen Leben zu unserem Heil unser Genuß an den Dingen uns die tiefer lie­genden Kräfte verhüllt. Die Art, in der im «Hüter der Schwelle» die Werke von Raffael und da Vinci vorgestellt werden, ist sehr vielsagend, weil auch in den Kunstwerken das Ewige nicht im Werk selbst liegt, sondern in den schaffenden Kräften, die in der Seele des Künstlers wirkten. Alles, was als Schönheit erscheint auf Erden, ist vergänglich. Und indem wir die Schönheit genie­ßen, verhüllt uns der Genuß das Ewige.

Wo finden sich die ewigen geistigen Kräfte am meisten in unserer physischen Welt? Da, wo wir etwas aufblühen, auf­sprossen, an die Oberfläche treten sehen - oder da, wo wir die Form vernichten sehen, wo die äußerliche Schönheit verschwin­det? In dem letzteren ist der Geist wirksam, und für unsere physische Welt gilt dieses, daß der Geist wirkt in dem Vernich­tenden, Zerstörenden.

Deshalb ist es so, daß jemand, der auf verkehrte Weise eintritt in die geistige Welt, sich nicht halten kann, und dies kann sich so auswirken, daß er dann beginnt zu hassen, wo er liebte, furchtsam wird, wo er mutig war etc. Darum ist es so nötig, daß volle Gelassenheit erreicht ist beim Eintreten in die geistigen Welten, und jemand, der beispielsweise den Beschluß gefaßt hat:

«Jetzt will ich stark vorwärtskommen in meinem okkulten Stre­ben», immer mit dem größten Ernst darauf achten muß, daß er nichts verändert, was das gewohnte Leben betrifft in seiner Lie­be, seinem Mut, seinen Neigungen etc. Soweit als möglich muß

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das Äußere gleich bleiben, und wenn darin Veränderungen ein­treten müssen, sollen sie nicht durch das esoterische Leben, son­dern durch exoterische Umstände verursacht sein. Wenn wir stets gelassen bleiben und uns vertiefen beispielsweise in die ge­gebenen Mantren Es denkt mich - Es webt mich - Es wirkt mich werden wir auch die rechte Kraft mitbringen, um uns in den gewaltigen Kräften der geistigen Welt zu bewahren.

Von diesen esoterischen Stunden ist kein Wort ohne Bedeu­tung. Und jeder kann daraus empfangen, was zum geistigen Aufbau nötig ist. Jeder kann darin etwas Persönliches fühlen, weil für jeden etwas Persönliches darin ist. Diese Anregungen in unserer Seele weiter wirken lassen, verbunden mit allem, was auch in den Zyklen gegeben ist, kann uns zu dem höchsten Gei­steswachstum bringen, das in dieser Inkarnation, durch die wir jetzt gehen, möglich ist.

* *

Aufzeichnung D

In den esoterischen Stunden und in den Zyklen sind genügend Meditationsstoffe gegeben, die die Kraft haben, den Meditanten in die geistige Welt hineinzuführen; er muß nur verstehen, das Erkennen in Erleben zu verwandeln. Nach dem Fallenlassen des Meditationsstoffes fühlt dann mancher das Wogen des Blutes, das Weben der Nerven. Der Esoteriker muß über diesen Strom hinüberkommen, um in die Welt der Wirkungen zu gelangen.

Wir wandeln in der Maja auf einer dünnen Eisdecke, unter der die wogende geistige Wirklichkeit ist. Kommt ein Mensch nun durch Gelassenheit über diesen Strom, gelangt er in die zweite Welt, wo er seine Gedanken erlebt. Er sieht sie gleichsam wie von außen. Sie ziehen hinaus, und es ist ihm, als ob sie hin-und hergezerrt, von Raubtieren verschlungen würden. Von hier aus erreicht der Mensch nach weiterer Übung die dritte Welt. Auf denjenigen, der unreif, ohne genügende Vorbereitung, ohne

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Gelassenheit geübt zu haben, in sie hineinkommt, auf den wirkt sie verwirrend und zerstörend. Für denjenigen, der in richtiger Schulung sich in Geduld hineinlebt, kann sie etwas Beseligendes haben. Der Unreife erlebt dort seine Gefühle gewandelt. Es kann sein, daß einer im äußeren Leben schon eine große Liebe für einen Menschen entwickeln konnte; dort nun wandelt sich diese Liebe in Haß, und wo er liebte, muß er hassen. So kann sich Freude in Ekel kehren usw. Ein Schutz im Leben ist der Genuß (?).*

Wenn wir die aufbauenden und zerstörenden Kräfte in der Welt betrachten, so sehen wir mehr Göttliches wirken in den zerstörenden. Immer von neuem zertrummern sie die Maja, da­mit der Mensch sie durchschauen lernt. Die Bilder des Raphael und des Leonardo da Vinci sind äußere Maja gegenüber den Seelenerlebnissen dieser Künstler, die Ewigkeitswert haben.

Als Esoteriker dürfen wir keine Ungeduld fühlen, sondern müssen Gelassenheit üben. Nach der Meditation müssen wir uns eine Weile der Gelassenheit hingeben. Das bildet die Lotosblu­men aus und kräftigt sie.

Das Idealste wäre, wenn der Esoteriker das äußere Leben unverändert ließe, und Kräfte sollen ihm für dieses aus dem eso­terischen Leben kommen, die seine Pflichten im Alltag durch­geistigen. Selbst Änderungen in diesem äußern Leben sollen nur aus diesem genommen werden.

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* Vgl. dazu Aufzeichnung A.

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ESOTERISCHE STUNDE

Stuttgart, [zwischen 17.-20.] Februar 1913

Aufzeichnung A

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Es denkt mich: E.D.N.

Aus einer mystischen Sendung heraus ist für Mitteleuropa eine ganz bestimmte Sprache gegeben, in der jeder einzelne Wortlaut, sowie die Aneinanderreihung, etwas Okkultes ausdrückt, zum Beispiel in dem Satz: Es denkt mich. e langgezogen, drückt das waltende, webende, schaffende Göttliche aus in der Weltord­nung und im Menschen, s gedehnt gesprochen: das sich durch alles Hindurchschlängelnde, Wallende, Wellende (von Welle), gleichsam Astrale.

Mich, das heißt mein Ich. Also das Göttliche denkt man im Ich.* (Die Seele leer machen und ein Gefühl der tiefsten Fröm­migkeit empfinden.)

Zweiter mantrischer Satz: Es webt mich. Wieder die gött­lichen Kräfte im e, Astrales im s, und empfinden das Gefühl tiefster Ehrfurcht und Andacht.

Nun gibt es noch eine andere Übung, Meditation. Den alten Essäern war vorgeschrieben, nach dem Untergang der Sonne bis zum Aufgang der Sonne kein Wort zu sprechen, was sich auf weltliche, materielle Sachen bezog. Außerdem hatten die Essäer jeden Morgen vor Sonnenaufgang in inbrünstigem Gebet das Heraufkommen der Sonne zu erflehen und dann der Gottheit zu danken, daß sie das Tagesgestirn wieder heraufgeführt hatte. Es gab sogar eine bestimmte Formel: «Ihr Götter, Euch verdan­ke . . . » Diese wunderschönen, erhebenden Gebräuche und Medi­tationen kann der moderne Mensch nicht mehr üben. Der Eso­teriker soll durchaus wahr sein, wahr sein bis in den innersten Herzensgrund, und es würde eine Unwahrhaftigkeit sein, wenn der heutige Esoteriker jeden Morgen in inbrünstigem Gebet den Sonnenaufgang erflehen und dafür danken wollte.

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* In Aufzeichnung B heißt es: «Also das Göttliche denkt mein Ich.«

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Zur Zeit der alten Essäer hatte man noch die Anschauung, daß das Weltensystem durchaus nicht so feststehend sei, sondern daß zum Beispiel der Lauf der Gestirne usw. der Willkür der göttlichen Wesenheiten unterworfen sei, daß also einmal eines Morgens die Sonne nicht heraufsteigen würde* Diese Übung ist also für den heutigen Menschen nichts, denn der heutige Mensch weiß, daß es ein feststehendes Weltensystem gibt. Es würde also unwahrhaftig sein, wollte er diese Übung machen. Auch die erste Übung der Essäer zwischen Sonnenuntergang und -aufgang würde in der heutigen Zeit nicht durchführbar sein. Der heutige Esoteriker aber weiß, daß jede Nacht Astral-leib und Ich den physischen und Ätherleib verlassen. Nun muß sich der Esoteriker einmal diese Vorstellung vor die Seele füh­ren, daß ein Dämon sich des physischen und des Ätherleibes bemächtigt hat und Astralleib und Ich am Morgen nicht wieder in ihre Wohnungen einziehen könnten. Der Esoteriker sollte sich nun beim Erwachen folgendes vor die Seele rufen: «Was hast du kurz vor dem Erwachen gedacht, getan?» (Der vor­geschrittene Esoteriker tut dies vor dem Erwachen mit vollem Bewußtsein!) Zunächst kann man sich nicht besinnen, daß man überhaupt etwas gedacht und getan hat. Nachdem man aber län­gere Zeit diesen Gedanken nachgehangen hat, kommt - zuerst gleichsam vorbeihuschend, dann immer festere Formen anneh­mend - der Gedanke: «Du hast der Gottheit gedankt, daß es dir vergönnt ist, wieder in dem von ihr aufgebauten Leib Wohnung zu nehmen, denselben wieder zu beleben.»

Aus dem Göttlichen sind wir geboren. E.D.N.

Diesen Satz, diesen Dreiklang sollen wir uns jeden Morgen wiederholen und dabei das Gefühl der tiefsten Dankbarkeit emp­finden. Die Gottheit hat uns den Tempel unseres Leibes aufge­baut: während der Saturn-, Sonnen- und Monden-Entwicklung unseren physischen, Atherleib und Astralleib aufgebaut. Wir haben also jeden Morgen unser Bewußtsein wieder heraufgeholt.

Wenn wir durch die Pforte des Todes schreiten, kommen wir wieder in einen anderen Bewußtseinszustand. Zur Zeit der alten

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Atlantier war noch ein helles Bewußtsein vorhanden. Der alte Atlantier ging bei seinem Tode mit hellem Bewußtsein in die geistigen Welten ein. Das verlor sich aber nach und nach, und in dem vierten nachatlantischen Zeitalter war die Furcht vor dem unbekannten, schattenhaften Zustand so stark, daß das in dieser Zeit geprägte Wort - «Lieber ein Bettler auf Erden, als ein Kö­nig im Reiche der Schatten» - eine Realität war. Es war wirklich nach dem Tode alles schattenhaft in dieser Zeit.

Durch das Christus-Ereignis ist dies anders geworden. Wir können durch die Aufnahme des Christus in uns wieder dahin­kommen, daß wir bewußt nach dem Tode in die geistigen Wel­ten eindringen können - in den Christus hinein sterben: In Christo Morimur. Diesen Dreiklang muß man immer nur mit dem Gefühl tiefster Frömmigkeit im Herzen meditieren.

Und nun müssen wir dahin gelangen, uns bewußt zu werden unseres göttlichen Ich; es muß uns gleichsam wiedergeboren werden:

Per Spiritum Sanctum reviviscimus*

*

* *

Aufzeichnung B (Auszug)

Wir müssen uns bewußt machen, wie in den mantrischen Wor­ten, bis in den einzelnen Laut hinein, spirituelle Geheimnisse verborgen sind. Aus einer mystischen Sendung heraus ist für Mitteleuropa von den Eingeweihten eine ganz bestimmte Spra­che gegeben worden, in der jeder einzelne Wortlaut sowie die Aufeinanderfolge der einzelnen Laute etwas Okkultes ausdrückt, wie es ja im Wörtchen «ich» zum Ausdruck kommt, das die Initialen des Jesus Christus enthält.

Nehmen wir den ersten Satz: Es denkt mich: Wir müssen hierbei empfinden das e als ein langgezogenes, das das Waltende, Schaffende, Göttliche in der Weltenordnung und im Menschen

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ausdrückt. Das s, gedehnt gesprochen, ist das durch alles sich Hinschlängelnde, Wellende, gleichsam Astrale. Für «mich» kön­nen wir auch (im Innern> uns denken «mein Ich», also: Das Göttliche denkt mein Ich. - Wir machen darauf die Seele wieder leer und entwickeln ein Gefühl tiefster Frömmigkeit

Es webt mich, das heißt: Das Göttliche webt mein Ich. - Wie­derum erleben wir die göttlichen Kräfte im langgezogenen e, dann das Astrale: s, und empfinden das Gefühl tiefster Dankbar­keit dabei.

Es wirkt mich, das heißt: Die göttlichen Kräfte wirken mein Ich. Wieder die göttlichen Kräfte empfinden im e, dann das

Astrale: s, dabei empfinden wir das Gefühl tiefster Ehrfurcht und Andacht. *

Aufzeichnung C

Aus einer mystischen Sendung heraus ist für Mitteleuropa eine ganz bestimmte Sprache gegeben, in der jeder einzelne Wortlaut so wie die Aneinanderreihung etwas Okkultes ausdrückt, zum Beispiel in dem Satz Es denkt mich. Da ist das e zweimal lang­gezogen. Das ist der Ausdruck für das waltende, webende, schaffende Göttliche, das aus der göttlichen Weltenordnung ein-strömt in den Menschen. s - gedehnt gesprochen - ist das sich durch alles hindurchschlängelnde, wallende, webende Astrale.

Mich: das heißt mein Ich. Also: das Göttliche denkt mein Ich. Wenn man das meditiert, soll man die Seele ganz leer machen und nur das tiefste Gefühl der Frömmigkeit in ihr haben.

Der zweite mantrische Satz: Es webt mich. Wieder die gött­lichen Kräfte im e, das Astrale im s empfinden und dabei das Gefühl tiefster Ehrfurcht und Andacht in sich haben. Der heu­tige Esoteriker weiß, daß er jede Nacht in seinem Astralleib und Ich den physischen Leib und den Ätherleib verläßt. Nun muß er

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* Der folgende Text ist wörtlich gleichlautend wie Aufzeichnung A, 4. Absatz.

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sich die Vorstellung vor die Seele führen, daß ein Dämon sich des physischen Leibes und des Ätherleibes bemächtigt habe und Ich und Astralleib nicht wieder einziehen können in ihre Woh­nungen, und er soll sich beim Erwachen Folgendes vor die Seele rufen: Was hast du kurz vor dem Erwachen gedacht, getan? Der vorgeschrittene Esoteriker tut dies vor dem Erwachen mit vollem Bewußtsein*

Zunächst kann man sich nicht besinnen, daß man überhaupt etwas gedacht und getan hat. Nachdem man aber längere Zeit diesen Gedanken nachgehangen hat, kommt zuerst gleichsam vorbeihuschend, dann immer festere Formen annehmend der Gedanke: Du hast der Gottheit gedankt, daß es dir vergönnt ist, wieder in dem von ihr aufgebauten Tempel des Leibes Wohnung zu nehmen und denselben wieder zu belegen. Aus dem Gött­lichen sind wir geboren: Ex Deo nascimur.

Diesen Satz, diesen Dreiklang sollen wir uns jeden Morgen wiederholen und dabei das Gefühl tiefster Dankbarkeit empfin­den, daß wir unser Ich-Bewußtsein (Erde> wieder hereingesenkt haben in den Tempel, der durch Saturn-, Sonnen-, Mondent­wicklung hindurch von der Gottheit uns gebaut worden ist.

Beim Tode haben wir nicht mehr unser Erden-Ich-Bewußt­sein. Zur Zeit der alten Atlantis gingen die Menschen mit hellem Bewußtsein in die geistigen Welten ein, das verlor sich aber in der nachatlantischen Zeit, in demselben Maße, als das Erden­Ich-Bewußtsein aufleuchtete. In der vierten nachatlantischen Zeit war die Furcht vor dem schattenhaften Bewußtsein, dem unbekannten Zustand so stark, daß in dieser Zeit geprägt wurde das Wort: Lieber ein Bettler [in der Oberwelt als ein König im Schattenreich]. Es war wirklich nach dem Tode alles schatten­haft geworden.

Durch das Christus-Ereignis ist dies anders geworden und durch die Aufnahme des Christus in uns können wir bewußt nach dem Tode übergehen in die geistige Welt, das heißt I.C.M. Diesen Dreiklang muß man mit dem Gefühl tiefster Frömmig­keit meditieren. Das Bewußtsein des göttlichen Ich verhilft uns

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dazu. Es muß in uns geboren werden, damit wir durch dieses Bewußtsein eindringen können in die geistige Welt: P.S.S.R.

ei = Offenbarung des Göttlichen in den Menschen hinein, vor dem scheue Ehrfurcht zurückweicht.

oe = drückt das noch mehr aus. Da fühlt sich der Mensch eingeschlossen in seiner Form und draußen die wirkende Gott­heit.

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ESOTERISCHE STUNDE

München, 12* März 1913

Aufzeichnung A

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Es ist unsere Aufgabe, in unseren esoterischen Stunden uns über unsere Meditation klar zu werden. Wir müssen uns erwartungs­voll machen und darauf gefaßt sein, daß die Dinge anders kom­men, als wir es uns gedacht hatten. Der Esoteriker muß umler­nen. Selbst im täglichen Leben muß er seine Begriffe ändern und die Dinge anders bewerten, ihnen eine andere Bedeutung verlei­hen, als er bisher getan hat. Wir werden sehen, wie das zum Beispiel mit unseren Übungen der Fall sein kann. Es gibt häufig Klagen über das Einschlafen bei der Abendübung. Der Esoteri­ker ist geneigt, dies als einen Mangel zu betrachten. In Wahrheit ist dies anders. Das Einschlafen kann sogar einen Fortschritt bedeuten. Natürlich muß man sich Mühe geben, wach zu blei­ben bei der Übung. Wenn man aber trotzdem vom Schlaf über­fallen wird, dann ist das kein Fehler. Es kann sogar sein, daß nach dem Einschlafen die Übung weitergeht. Wenn man des Nachts oder erst am Morgen wieder aufwacht, soll man versu­chen, sich zu erinnern, wo die Übung durch den Schlaf abgebro­chen wurde. Dann hat man das Gefühl, als ob die Übung doch weitergegangen wäre, als ob etwas noch weiter in uns gearbeitet hätte. Das kann dann allmählich einen Fortschritt bedeuten und nach und nach das Eintreten in die geistige Welt bewirken. Es wird uns immer gesagt, daß der Geschulte in der geistigen Welt voll bewußt sein muß. Es kann aber auch so etwas eintreten, daß der Mensch in der geistigen Welt zuerst nur halb bewußt ist. Das ist kein Fehler, wenn der Schüler versucht, nachher im Wachen voll bewußt sich an das zu erinnern, was während seines Schlafes vorging.

Daß der Schüler so leicht sein Bewußtsein verliert und in den Schlaf fällt, kommt daher, weil alles, was wir erleben in der phy­sischen Welt, Maja ist und das, was wir in der geistigen Welt

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erleben würden, ohne vorbereitet zu sein, uns erschüttern wur­de. Deshalb dämpfen die höheren Wesenheiten unser Bewußt­sein herab, bis wir soviel Kraft errungen haben, um den erschüt­ternden Erlebnissen entgegenzutreten und sie ertragen zu kön­nen. Wir schlafen ein, weil wir noch nicht erleben dürfen. Wenn wir allmählich durch unsere Träume und andere Erlebnisse reif geworden sind, das Erschütternde zu ertragen, dann erscheint es uns nicht mehr so furchtbar. Wir sind ja so umgeben von Maja, daß wir bei allem, was wir sind und tun, in sie verstrickt sind. Wenn wir zum Beispiel die vier kleinen Sätze betrachten, die die Menschen immer für wahr halten, dann können wir gleich se­hen, wie Worte, die wir täglich gebrauchen, uns täuschen. Es sind die vier Sätze: «Ich bin» - «Ich denke» - «Ich fühle» - «Ich will». Von allen diesen ist nur der erste wirklich wahr: «Ich bin». - So wird uns klar werden, daß unsere Gedanken meist nicht von uns selbst gedacht werden, sondern von außen uns aufgedrängt werden: durch die sozialen Verhältnisse, durch an­dere Zustände, durch die Umgebung des Menschen. Der Mensch wird von außen angeregt, dies oder jenes zu denken, zu fühlen oder zu tun. Es ist eben die große Illusion, wenn der Mensch sagt: ich denke, ich fühle, ich will.

Wenn der Mensch das geworden wäre, was die fortschreiten­den Hierarchien gewollt haben, dann wäre das alles anders ge­worden, dann hätte der Mensch im Schlafen eine imaginative Welt erlebt, allerdings anders, als sie auf dem alten Monde war. Die Bilder, welche er in diesem Zustande gesehen hätte, an die würde er sich am Tage erinnert haben, die würden ihn geleitet und befruchtet haben in seinem Leben. - Nun aber hat Luzifer von unsern Gedanken Besitz ergriffen und dadurch uns die ima­ginative Welt getrübt. Er denkt in allem in uns. Wenn wir nun in die geistigen Welten eintreten und das Schauen erlangen, so erleben wir das, daß Luzifer so in uns denkt, und das ist als Erlebnis etwas sehr Erschütterndes. Deshalb verhüllen die guten göttlichen Wesenheiten uns den Luzifer, um uns zu schützen. Also ist es nicht Luzifer, der unser Nachtbewußtsein verdunkelt.

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Wir sehen also, wie falsch es ist, zu sagen: ich denke. Der Esoteriker kann es auch so deutlich erkennen, wenn er seine Meditation macht. Da stürmen die Gedanken auf ihn ein, und er kann sie trotz aller Anstrengung nicht loswerden. Er ist sehr traurig, daß es so schlecht geht, aber er macht doch dabei die Erfahrung, daß nicht er die Gedanken macht, die so viel stärker sind als er selbst. Er sieht eben, daß auch die so oft unbegreif­lichen Träume ihm von außen kommen. In Wirklichkeit kom­men die meisten, ungefähr zwei Drittel der Gedanken von Luzi­fer. Der denkt im Menschen. Über das Denken machen sich die Menschen überhaupt falsche Vorstellungen. Der Wert des Den­kens liegt nicht darin, wieviel man lernt, begreift und wieviel Wissen man hat, sondern wie man vorwärtskommt durchs Den­ken, was man für Kräfte dadurch entwickelt. Das kann man zum Beispiel sehen an den Gelehrten, die sehr viel Wissen ha­ben, aber doch vom spirituellen Standpunkt aus nicht weiter sind als zu ihrer Studentenzeit. Man sagt von solchen Leuten, sie sind vertrocknet, und der Hellseher kann das in Wirklichkeit sehen, wie der Astralleib eingeschrumpft ist. Man sollte sagen:

Nicht ich denke, sondern Luzifer denkt in mir. - Wenn Luzifer nicht eingegriffen hätte, dann hätten die Menschen, wenn sie im Wachen etwas begehrt hätten, aus der Erinnerung Bilder gehabt, und die hätten sie geleitet, nicht die äußeren Verhältnisse. Wenn sich der Mensch bewußt wird, daß andere Wesen in ihm den­ken, dann kann er sagen: Es denkt mich. Es kann eine gute Wirkung auf ihn haben, wenn er dieses mit der richtigen Emp­findung verbindet, nämlich mit der Frömmigkeit.

Bei dem zweiten Wort: «Ich fühle» ist es leichter einzusehen, daß es ganz falsch ist. Die in uns lebenden Triebe und Begierden bringen nicht wir hervor, sondern sie beherrschen zum größten Teil uns. Zwei Drittel dieser Gefühle, im besten Falle die Hälfte, kommen von luziferischen und ahrimanischen Wesen, durch die Maja der äußeren Sinnenwelt. Mit dem Fühlen des Menschen wäre es auch ganz anders geworden, wenn nur die fortschreiten­den Wesenheiten gewirkt hätten. Dann wäre der Mensch in der

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Nacht in einer Urbilderwelt gewesen Dort hätte er z.B. das Urbild einer Blume gesehen. Wenn er dann am Tage die Blume gesehen hätte, dann hätte er zugleich das Urbild mitgesehen als ätherische Kräfte, die die Pflanze umspielen. So durchweben auch den Menschen Kräfte, und wenn er sich das zum Gefühl und zur Anschauung macht, dann kann das eine gute Wirkung auf ihn haben. Er kann die Pflanze als etwas Wesensverwandtes mit sich erkennen und die Zusammengehörigkeit aller Wesen sich wieder zum Bewußtsein bringen in den mantrischen Wor­ten: Es webt mich. Aber es muß geschehen mit der richtigen Empfindung, mit den Gefühlen der Dankbarkeit.

Bei den letzten Worten: «Ich will» ist es am deutlichsten ein­zusehen, daß das eine Täuschung ist. Man braucht nur ein wenig exoterische Selbsterkenntnis zu besitzen, um einzusehen, daß es eigentlich ein Unsinn ist, zu sagen: ich will. Hätten nur die fort­schreitenden Hierarchien am Menschen gearbeitet, so würde es nicht zu dieser Illusion gekommen sein. Aber durch die ahrima­nischen Einflüsse ist er in die große Illusion gekommen. Die ganze äußere Welt ist Maja. Wenn wir eine abgeschnittene Blume vor uns haben, so ist sie keine Wahrheit. Wahrheit ist die Blume nur, wenn sie in der Erde steckend mit der Wurzel verbunden ist. Ebenso ist es mit dem Menschen. Er ist auch in Wahrheit nicht abgesondert zu denken von der übrigen Welt. Wie die Pflanze mit der Erde, so ist der Mensch verbunden mit dem Kosmos und seinen Kräften. Nur durch die ahrimanischen Kräfte ist der Mensch in die Maja gekommen, sich als einzelnes, abgesondertes Wesen zu fühlen. Wäre er geworden, was die fortschreitenden Hierarchien wollten, so wäre er sich immer be­wußt geblieben, daß Weltenkräfte ihn durchströmen. Der Esote­riker kann sich das zum Bewußtsein bringen, sich verbunden fühlen mit diesen kosmischen Kräften, sich in webenden Wel­tenkräften und welligem, wogendem Walten dieser Kräfte wirk­sam wähnen. Diese Worte sind nicht aus Affektation heraus gewählt, sondern sie enthalten gefühlsmäßig das, was in uns er­weckt werden soll durch sie. Und unsere Willensimpulse sollen

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auch durch die wirkenden, waltenden Weltenwesen beeinflußt werden, indem wir uns sagen: Es wirkt mich. Doch muß dieses Mantram stets verbunden sein mit dem Gefühl der Erfurcht.

Diese drei Formeln: Es denkt mich mit Frömmigkeit, Es webt mich mit Dankbarkeit, Es wirkt mich mit andächtiger Ehrfurcht, kann der Esoteriker in verschiedener Weise als Meditation benützen, entweder zusammen oder einzeln, zu verschiedenen Tageszeiten, auch zwischen anderen Beschäftigungen. Sie können eine große Wirkung auf ihn haben. Es hat Menschen gegeben, die durch eine ganze Inkarnation mit diesen Formeln gearbeitet haben und dabei weit gekommen sind.

Immer aber soll als zentrale Meditation für den Esoteriker dastehen, was in den zehn Worten zusammengefaßt ist und stets den Abschluß dieser Betrachtungen bildet: der Rosenkreuzer­spruch. Wir mussen fühlen, wie weisheitsvoll diese Worte ge­wählt sind, so daß schon im Laute gefühlsmäßig der tiefe Sinn zu erfassen ist. Nicht umsonst beginnt der Spruch mit zwei e:

Ex Deo. Denn mit diesen Worten wird gesagt, daß der Mensch beim Erwachen aus einer göttlich-geistigen Welt herabsteigt oder geboren wird in seinem physischen Körper. Und dieser Körper ist nicht, wie so oft geglaubt wird, etwas Niedriges. Was beim heutigen Menschen im Bette liegen bleibt, wenn er im Schlafe sich herauszieht, das ist niedrig nur deshalb, weil er es im Laufe der Inkarnationen in der Vererbung verdorben hat. So wie der Körper ursprünglich dem Menschen gegeben war, ist er ein heiliger Tempel, ein großes Kunstwerk. Und wie der Mensch beim Zurückkehren in den physischen Leib, beim Aufwachen, dies empfindet, das ist ausgedrückt durch die zwei e in Ex Deo. Der Vokal e bedeutet immer freudiges Erstaunen. Das 0 in Deo bedeutet dann das Umfassen des physischen und ätherischen Leibes durch die Seele, wie der Laut o immer ein Umfassen be­deutet. Daran aber schließt sich eine andere Empfindung, eine Art scheues Zurückbeben vor diesem Heiligtum. Das liegt in dem a des nascimur. Durch das i dieses Wortes ist ausgedrückt die Ichheit oder das Selbstbewußtsein, welches erwacht durch

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das Untertauchen in den physischen Leib und Ätherleib. Das u der letzten Silbe bedeutet den Abschluß der Vereinigung.

In den folgenden drei Worten bleibt das mittlere stets unaus-gesprochen, weil wir uns dann erfüllen sollen mit dem, was nicht einmal durch sinnliche Laute angedeutet werden soll. In diesen Worten sollen wir, nicht nur verstandesmäßig, sondern im Gefühl, auch schon durch den Klang der Laute erleben, wie der Mensch beim Verlassen des Körpers in den Christus, in die geistige Welt einfließt. In dem i des In fühlen wir die sich her-aushebende Wesenheit des Menschen, in dem o des morimur die ihn empfangende geistige Welt, bereit, ihn zu umfassen. Dann folgt nochmals das i und u, worin man erleben kann die voll­endete Tatsache des vom Christus umfangenen Ich.

Bei den letzten vier Worten spielen die Konsonanten die Hauptrolle. Das p r in Per bedeutet etwas, was hingestellt ist in ein bestimmtes Verhältnis, also hier die Seele, welche in das Ver­hältnis gekommen ist zur geistigen Welt. Die beiden s am An­fang der folgenden Worte sind das Schwingen, das Vibrieren der Seele, das wellige Weben des Geistes in ihr, welches im Physi­schen ausgedrückt ist und sich zeigt in der Gestaltung des Rük­kenmarkes. In den zwei t drückt sich aus das individuelle Wesen des im Geiste lebenden Menschen. In dem r des letzten Wortes spricht zu uns das rein Geistige, das Absolute, ruhig Wollende, aus dem die webende, wogende Geisteswelt hervorquillt, wel­ches durch die zwei s des letzten Wortes nochmals spricht.

So haben wir in den Lauten dieser zehn Worte schon etwas, was in unserem Gefühl wirksam sein soll, wenn wir es richtig erfassen. Über vieles in dieser Betrachtung Gegebenes ist schon früher gesprochen worden; es müssen eben diese Dinge von verschiedenen Gesichtspunkten aus betrachtet werden.

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Aufzeichnung B

Es denkt mich

Es webt mich

Es wirkt mich

Ein Gefühl, wie von einem wärmenden lichtvollen Geistleib sol­len wir haben, der in uns erzeugt worden ist durch die Kraft des Mantrams.

Luzifer tritt an uns heran beim Einschlafen.

Ahriman tritt an uns heran, wenn der Körper verlassen ist vom Astralleib und Ich.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 16. März 1913

Aufzeichnung A

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Zuerst wurde gesprochen über Oda Waller, daß sie in kurzer Zeit so innig verbunden war mit unserer Bewegung, weil sie einer der Geister war, die, selbst eigentlich zu einer späteren Zeit gehörend, sich so ganz verwandt gefühlt hat mit unserer Bewegung, die auch eigentlich etwas ist, was erst in spaterer Zeit zu seinem Recht kommen kann; daß der Doktor die Totenfeier hat halten können und diese ganz eingestimmt war auf die Wor­te: «Wir werden ihr treu bleiben, wie sie uns treu war.»

Eine der Redensarten im gewöhnlichen Leben, die eigentlich ganz Maja sind, ist: «Ich denke», «Ich fühle», «Ich will». Nur wenn wir sagen «Ich bin», sagen wir etwas Wahres. Was unsere Gedanken betrifft, können wir oft bemerken, wie sie sich von allen Seiten uns aufdrängen, wenn wir sie eigentlich ausschließen wollen. Das beweist, daß wir nicht selbst denken, sondern daß in uns gedacht wird. Wenn nun die fortschreitenden, guten Göt­ter allein in uns gewirkt hätten, wären wir nie zu der Illusion gekommen, uns einzubilden, daß wir denken. Wir würden des Nachts, anstatt in tiefen, traumlosen Schlaf zu fallen, eine große Imagination unserer Gedanken und Vorstellungen um uns her­um gesehen haben, aber ganz durchdrungen von dem Leben, von der Substanz der höheren Wesen. Wir würden uns dann daran tagsüber erinnern und immer wissen, daß in unseren Ge­danken eigentlich das Leben der höheren Wesen ist. Aber nun hat Luzifer gewirkt und sich ganz in unser Gedankenleben hin-einverwoben. Wenn nun des Nachts die Imagination auftreten würde, würden wir daran sehen, wie beinahe unser ganzes Ge­dankenleben luziferisch geworden ist. Und tagsüber würden wir es als etwas Schreckliches andauernd empfinden: Luzifer denkt in mir. Um die Menschen davor zu beschützen, kommt nun des Nachts der unbewußte Schlaf über uns, und wir leben in der

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Maja-Idee, daß wir selbst denken. Aber als Esoteriker müssen wir doch lernen, der Wahrheit in die Augen zu sehen; und die Kraft, den Gedanken zu ertragen, daß Luzifer in uns denkt, be­kommen wir, wenn wir stets mit Frömmigkeit, ganz durchdrun­gen mit Frömmigkeit, den mantrischen Satz meditieren: Es denkt mich.

Einfacher als in unserem Gedankenleben ist in unserem Ge­fühlsleben die Tatsache zu erkennen, daß wir nicht selbst Herr­scher in unserem Gefühlsleben sind. Gefühle stürmen in uns auf, und wir können sie oft sehr wenig selbst beherrschen. Wäre auch hierin unsere Entwicklung nur mit den fortschreitenden Mächten in Verbindung geblieben, dann würden wir nachts in Imaginationen gesehen haben, wie unsere Gefühle von derselben Substanz sind, wie das, was als Leben das große Lebensreich der Natur durchwebt. Wir würden die ätherischen Urbilder der Pflanzen sehen (ganz verschieden von den physischen Pflanzen), und wir würden wissen, daß das, was da das ätherische Lebens-reich durchpulst, auch in unseren Gefühlen ist. Daran würden wir uns tagsüber erinnern, wenn wir die äußere Natur anschau­ten. Aber jetzt hat Ahriman in das alles hineingewirkt. Und so können wir sagen, daß in günstigen Fällen in unseren Gefühlen vielleicht zu zwei Dritteln, aber meistens eher zu drei Vierteln Ahriman lebt und nur zu einem ganz kleinen Teil die guten Götter. Und das würden wir des Nachts in der Imagination se­hen, weil wir bewußt blieben, und tagsüber, wenn wir die Natur da draußen anschauten, würden wir wissen, daß in unseren Ge­fühlen, die mit dem Weben im Lebensreich verwandt sind, Ahri­man lebt. Und furchtbar würden wir das empfinden: Ahriman fühlt in uns. Wiederum um Kraft zu bekommen, diese Wahrheit zu ertragen, müssen wir in intensiver Dankbarkeit gegenüber den guten Göttern, die uns doch noch nicht ganz verlassen haben, den Satz meditieren: Es webt mich.

Auch was unsere Willensimpulse betrifft, ist es mehr als deut­lich, daß beinahe immer unser Wille bestimmt wird durch Ursachen außer uns, daß die Anziehungen und Anregungen der

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Außenwelt uns treiben zu unseren Handlungen. Auch hier, wenn Luzifer und Ahriman nicht eingegriffen hätten, würden wir des Nachts gesehen haben das Wirken der geistigen Wesen, und wir würden uns eins damit gefühlt haben. Und tagsüber würden wir auch nichts anderes gekannt haben als zu wirken in Übereinstimmung mit dem, was durch die geistigen Wesen, die guten Götter, gewollt wird. Unser Wille würde der Wille der geistigen Welt sein. Aber jetzt hat auch hierein Ahrimans Ein­fluß gewirkt, und auch das sollten wir sehen und tagsüber wis­sen, und die Kraft, um dies zu tragen, bekommen wir dadurch, daß wir in tiefer Ehrfurcht und Verehrung für die hohen geisti­gen Wesen meditieren: Es wirkt mich.

So sehen wir, daß das oben erwähnte «ich denke, ich fühle, ich will» eigentlich als Maja in unserem gewöhnlichen Leben uns gegeben ist, da wir nicht imstande sind, die Wahrheit zu ertragen. Und die Meditation des Mantrams: Es denkt mich - Es webt mich - Es wirkt mich kann durch sich selbst bereits, ohne andere Meditationen, den Menschen einen gewaltigen Ruck vor­wärts bringen in die geistige Welt.

Auch das folgende über die Buchstaben ist in diesen Mant­rams von Gewicht. Es denkt mich = e e i ist das Sich-Nähern an ein anderes Wesen in Scheu und Ehrfurcht. i, das ist Eins-Werden mit diesem Wesen, welchem wir uns nähern. Das d (Tau) deutet jedoch an ein Sich-noch-abgeschieden-Fühlen in Ehrfurcht.

In Es webt mich haben wir dieselben Vokale e e i, aber statt dem d das w, ein viel intimeres Sich-Nähern. Man webt und wogt ganz in das andere Wesen hinüber, das Wellige des w trägt uns von selbst herüber.

In Es wirkt mich ist alles völlig umgekehrt: e ii. Man ist ganz in dem anderen Wesen, wirkt von da aus, man ist damit ganz eins geworden.

Auch die zehn Worte des Rosenkreuzerspruches sind so ge­ordnet, daß die Buchstaben von Bedeutung sind. In Ex Deo nasci­mur haben wir die Stimmung, die wir beim Aufwachen fühlen

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können gegenüber unserem Körper, e e o a i u: Im e haben wir Scheu, uns unserem Körper zu nähern, unserem physischen und Ätherkörper, den die Götter durch große Weltperioden hindurch aufgebaut haben. o ist das Umfassen-Wollen, a Zurücktreten in gewaltiger Ehrfurcht, als ob es zu groß und heilig wäre. i = Eins-werden-Wollen. u = das alles zusammenfassend.

In (Christo) morimur: der Spruch, worin wir dieses unaus­sprechliche Wort haben. Dieses können wir nennen Post-mor­tem-Stimmung, Sterben in den Christus ii o 0 i u. - Einssein, Umfassen, ganz Einswerden, das alles zusammengefaßt.

Per Spiritum Sanctum reviviscimus. Das ist, worin ausge­drückt wird auch das Erlangen des Selbstbewußtseins in den Sphären, worin wir eintreten nach dem Tod. Hier sind die Kon­sonanten mehr von Belang. p r - Sich-hineingestellt-Fühlen. i steht für das Ichgefühl, das Sich-als-Ich-Realisieren, Selbstbe­wußtsein im Post-mortem-Zustand. s die Form des Rückgrates. So haben die Meister hier hineingelegt die Geheimnisse des schaffenden Wortes, und immer noch mehr Geheimnisse sind darin zu finden (die zehnfältige Wesenheit des Menschen).

Aufzeichnung B

Zuerst wurde der Tod Oda Wallers erwähnt und gesagt, daß sie einer derjenigen Geister war, die früher, als es im gewöhnlichen Verlauf der Dinge der Fall gewesen wäre, auf die Erde herabge­stiegen waren und deshalb - ebenso wie unsere ganze Bewegung

- eigentlich zu einer späteren Zeit gehörten und sich daher nie ganz heimisch auf der Erde gefühlt hatten. Daher hatte sie sich auch so innig eingelebt in unsere Bewegung und auch in sehr kurzer Zeit in den Christus-Impuls; so innig hatte sie sich einge­lebt, daß sie nach dem Alter, in welchem der Christus den Leib verlassen hatte, nicht [länger] leben konnte. Es war ihr inniger Wunsch gewesen, nur von Theosophen umgeben zu sein, wenn

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ihr Körper begraben werden sollte, und so ist es auch gesche­hen. Und so konnte zum Hauptmotiv der Leichenfeier gemacht werden: Wir werden ihr treu bleiben, wie sie uns treu war. -

Manches gilt für das gewöhnliche Leben, was aber anders wird für die geistigen Welten. So sollen wir hier auf Erden im­mer versuchen, das Leben zu erhalten, und sei es auch unser ei­genes. Aber trotzdem kann es sein, daß, wenn jemand durch die geistigen Mächte aus dem Leibe gerufen wird, dann ein solcher Mensch, der warm und in heiligem Sinne mit uns vereinigt war, auch außer dem Leibe einer unserer größten Helfer werden kann.

So ist es auch nicht richtig, wenn man meint, daß das immer etwas Verkehrtes sei, bei der Meditation eingeschlafen zu sein. Es kann eben auch bedeuten das Fortsetzen der Meditation in einem anderen Bewußtseinszustand.

Eines derjenigen Dinge, die auch nur für das gewöhnliche Leben einen Wert haben, aber im Grunde genommen ganz und gar Maja sind, ist unsere Art zu sagen: Ich denke, ich fühle, ich will. Nur wenn wir sagen: «Ich bin», sagen wir eigentlich etwas Richtiges. Wenn wir bemerken, wie die Gedanken durch uns hindurchwirken, können wir uns vergegenwärtigen, daß die gro­ßen Weltengeister durch uns hindurchdenken. Wenn nur die normal fortschreitenden Geister und nicht auch Luzifer und Ahriman an uns gewirkt hätten, würden wir heute, anstatt in einen tiefen, unbewußten Schlaf zu geraten, in der Nacht unsere Gedanken und Vorstellungen wie eine große Imagination vor uns sehen, aber ganz durchdrungen von der Substanz der höhe­ren Geister. Die Erinnerung daran würde uns dann am Tage bleiben, und wir würden wissen, daß die göttlichen Wesenheiten in uns denken. Nun aber hat Luzifer gewirkt, und jetzt ist es fast ganz Luzifer, der in uns denkt, und weil wir das sonst auch nachts schauen würden, wird es uns zugedeckt, so daß wir wäh­rend des Tages nicht herumzugehen brauchen mit der fortwäh­renden Erinnerung in uns: Luzifer denkt mich. Und so werden wir beschützt durch die Maja: Ich denke.

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Als Esoteriker müssen wir dies alles ins Auge fassen, und die Kraft dazu erwerben wir, indem wir immer in Frömmigkeit meditieren: Es denkt mich.

Noch schwieriger zu unterscheiden ist die Maja des «Ich fühle». Wir wissen, daß in günstigem Falle wir vielleicht zu zwei Dritteln, zumeist für drei Viertel nicht die Herrscher über unsere Gefühle sind. Wenn Ahriman nicht eingegriffen hätte, würden wir nachts unsere Gefühle schauen wie das Leben, das webt in dem großen Lebensreich der Pflanzen draußen in der Natur. Wir würden geschaut haben die ätherischen Urbilder der Pflanzen, ganz anders als die physischen Pflanzen, und darin webend unsere Gefühle. Am Tage würden wir uns daran erinnern, wenn wir die äußere Natur betrachten; aber dadurch, daß Ahriman gewirkt hat, ist es uns zugedeckt. Sonst müßte es uns etwas Schreckliches sein, nachts zu erleben, wie Ahriman in uns wirkt, und am Tage Ahriman in der Natur webend zu sehen.

Wiederum müssen wir, um die Kraft zu bekommen, dieses zu ertragen, in Dankbarkeit zu den guten Göttern, die auch in uns leben, meditieren: Es webt mich.

Und auch von unseren Willensimpulsen wissen wir, daß es eine Maja ist, wenn wir sagen: «Ich will». Es müßte da auch heißen mit Beziehung auf unseren Willen zur Handlung: Ahri­man will in mir. Und die Kraft, dieses zu ertragen, bringt uns die Meditation: Es wirkt mich.

Diese drei Mantren können alle uns ein großes Stück vor­wärtsbringen in der geistigen Welt, wenn sie immer ganz durch­drungen werden von den entsprechenden Gefühlen.

Auch die Reihenfolge der Buchstaben ist hier von Bedeutung:

Es denkt mich: e e i. e bezieht sich auf «Scheu» und «Ehr­furcht», auf alles dasjenige, was sich uns da nähert.

i auf das Einswerden mit dem Wesen, dem wir uns nähern. Durch das d - von «denkt» - aber ist noch eine Abtrennung in den zwei ersten Worten zu empfinden.

Es webt mich. Wiederum e e i, aber ein w an Stelle des d gibt

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schon weniger Abtrennung. Man webt und wogt schon in das andere Wesen hinüber.

Es wirkt mich: e ii. Jetzt ist es gerade umgekehrt; man ist in dem anderen Wesen darinnen und wirkt aus ihm heraus.

Auch die zehn Worte unseres Rosenkreuzerspruches sind so geordnet:

e e o a i u: Ex Deo nascimur.

e: sich scheu dem Leibe nähern, wie er uns durch die Götter geschenkt worden ist.

o: umfassen, umschließen wollen.

a: Zurücktreten in ungeheurer Ehrfurcht, als ob das Erlebte zu groß und zu heilig wäre.

z: eins werden wollen.

u: alle vorigen Vokale zusammen umfassend.

i i o o i u: In Christo morimur - eine Post-mortem-Stim­mung.

p s s r: Per Spiritum Sanctum reviviscimus. Hier sind die Konsonanten bedeutungsvoller als die Vokale:

p r: das Sich-hineingestellt-Fühlen,

s: sich als Ich realisieren, das Ichgefühl, das Selbst­bewußtsein Post mortem.

So haben die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen in diesen Spruch aus dem schaffenden Wel­tenwort hineingeheimnißt. Wir können das gar nicht genug in uns verwirklichen, denn es liegen immer noch tiefere Geheim­nisse in unserem Spruch.

Zehn Worte, zehnfache Wesenheit des Menschen, wovon das fünfte den unaussprechlichen Namen enthält.

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Aufzeichnung C

Vokalismus des Rosenkreuzerspruches

E.D.N. Wir kommen aus der geistigen Welt. Wir treten ein in den heiligen Tempel, den uns die Gottheit gebaut hat aus gött­lich-geistigen Kräften: in den physischen Leibestempel. Heilige Scheu, Bewunderung vor der Herrlichkeit drückt sich aus im e d; und im eo liegt das Umfaßt-Werden von diesem Tempel des Leibes. Im na spricht sich aus eine gewisse Furcht im Gefühl der eigenen Unwürdigkeit, gegenüber der Herrlichkeit der Got­tesgabe dieses Tempels ein Zurückfahren. Im i wieder die ver­trauensvolle Hingabe und in dem u wieder die völlige Zusam­menschließung mit dem physischen Körper und damit zugleich mit dem Erdenbewußtsein.

I.C.M. Das dreimal ertönende, immer neu verstärkte i bedeu­tet das Erfassen unserer eigenen Innerlichkeit, das Sich-hinein­Versenken, das Einswerden-Wollen mit dem Christus. Im o und im u liegt das völlige Aufgehen, das Sich-Zusammenschließen mit dem Christus. Durch dies Mantram soll das Post-mortem­Bewußtsein erzeugt werden. Verhilft uns das Leben im physi­schen Leibe zum Erdenbewußtsein, so das Hineinsterben in die Christus-Substanz im I.C.M. zum Post-mortem-Bewußtsein.

P.S.S.R. Soll das Selbst-Bewußtsein erzeugen, d.h. das Be­wußtsein des Leben-Könnens im höheren Selbst, das sich aus dem niederen heraushebt. - Hier sind nicht die Vokale, sondern die Konsonanten vorherrschend. s spricht aus das Hervorgehen des Menschen aus dem Schoß der Götter. Als einst der s-Laut durch den Weltenraum ertönte, da wurde das Rückgrat des Menschen geschaffen. Aber das Wellige, Wogende des s ist auch das Zeichen des Luzifer, der Schlange. Die müssen wir über­winden, um die Wirklichkeit des P.S.S.R. zu gewinnen.

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Aufzeichnung D

a: das Hingeben und Wollen

i: das völlige Hingeben - Einswerden

e: andächtig (Ehrfurcht gegenüber den hohen göttlichen

Wesenheiten)

o: das liebende Umfassen

u: das Zusammenfassen (alles vorigen)

d(t): Das Auf-sich-selbst-Stellen

p: das Sich-Gegenüberstellen

w: das Verweben mit dem göttlichen Wirken

s: das Wissen oder das Bewußtsein (mit dem Rückenmark zusammenhängend)

E.D.N. Erdenbewußtsein

I.C.M. Post-mortem-Bewußtsein

P.S.S.R. Selbstbewußtsein von einer Inkarnation zur anderen.

Aufzeichnung E

e - scheue Ehrfurcht gebietend

b - etwas individuell Umgrenztes, Geschlossenes

w - etwas Welliges, ohne Grenzen in die Weiten gehend

i - Impuls gebend

a - etwas Unzulängliches, mit Sehnsucht verbunden

o - etwas Umfassendes

u - mehr in die Tiefe hineinziehendes Umfassendes

Per - das Verbindung Gebende

s - Das Geistige suchen (auch im Rückenwirbel dargestellt)

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ESOTERISCHE STUNDE

Den Haag, 21. März 1913 (Karfreitag)

#TX

Unsere heutige Betrachtung soll dem gewidmet sein, wie sich die Seele erheben kann in die geistigen Welten. Wer regelmäßig und mit Geduld und Eifer seinen Übungen obliegt, der muß auch weiterkommen; es kommt nur darauf an, daß er seinen Fortschritt auch bemerkt.

Nach der Meditation ist es gut, eine Ruhepause eintreten zu lassen, die Seele ganz leer zu machen und nur zu warten, welche Imaginationen uns aus höheren Welten kommen. - Viel hängt auch ab von der Stimmung, Verfassung unserer Seele: nur aus voller Andacht und Freude, nur mit größter Hingabe sollen wir an unsere Übungen herangehen. Die Erlebnisse, die sich einstel­len, sind sehr verschieden je nach der Individualität und dem Karma des Meditanten. Aus der Fülle derselben möchte ich heute zwei herausgreifen:

Das eine ist das Hinausgehobensein in den Raum, in die Un­endlichkeit. Man fühlt sich wie erweitert, wie emporgehoben; damit ist natürlich verknüpft ein Verlassen des Körpers. Bei diesem Emporgehobenwerden sieht man eine Rötung; gelblich-rötliche Wolken kommen uns entgegen, aus denen sich nach und nach Gestalten herauskristallisieren. Dieses Erlebnis löst aus ein Gefühl der Wonne, der Glückseligkeit.

Daneben tritt ein zweites Erlebnis auf, das des Hinuntertau­chens, des Versinkens in die Tiefe. Dabei hat man ein Gefühl des Verengens, des Zusammenschnürens. Die geistigen Wesen­heiten, die man bei diesem Untertauchen empfindet, erscheinen einem in blau-violetten Farbenerglänzungen. Sie lösen in uns aus ein Gefühl ehrfürchtigen Erschauerns und veranlassen den Men­schen, eine Art Selbstschau über sich zu halten. Sie zeigen dem Menschen, wie er wirklich ist, alle seine Fehler und Irrtümer, alle seine moralischen Schwächen in ihrer ganzen Größe und Verwerflichkeit.

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Zwar sind wir durch die Rückschau, die wir alle Abend an­stellen, schon darauf hingelenkt; aber mit dem physischen Be­wußtsein ist der Mensch doch nicht fähig, so klar zu erkennen. Diese aus der Tiefe auftauchenden Wesen bringen uns auch dazu, deutlich zu sehen, was Gewohnheitsfehler und falsches Denken in uns hervorbringen. Die Wesenheiten, die uns in bläu­lich-violettem Licht erscheinen und uns unsere Fehler zur An­schauung bringen, gehören den Angeloi an, während die oberen, die rötlich-gelben Lichtgestalten, die ihm gleich der strafenden Gerechtigkeit sein Urteil sprechen, den Archangeloi angehören. Diese Erlebnisse können auch in anderer Weise an den Men­schen herantreten, nämlich durch Klänge, Töne. Das ist dann noch viel schauriger, noch viel schwerer zu ertragen, wenn ihm auf diese Weise sein Urteil mit Donnerstimme von dem Erz­engel verkündet wird. Aber wenn der Mensch bis zu dieser Stunde gekommen ist, die eintritt, nachdem er die Erscheinung mit dem Hüter der Schwelle gehabt hat, dann muß er sich eben das Erschauern (Furcht) abgewöhnt haben.

Nur um verstanden zu werden, sei ein Beispiel erwähnt, es kann die Imagination aber ebenso gut anderes zeigen.

Die Gestalten, die da in blau-violetten Farbentönen aus der Tiefe aufsteigen, kann der Mensch sehen mit kummervollen, schmerzerfüllten Gesichtern. Über uns und unsere Fehler empfin­den diese hohen Wesenheiten Betrübnis; das erweckt in uns ein Gefühl grenzenloser Scham. Sieht der Mensch nun seine Irrtümer ein, bereut er seine Fehler, so wird er das Antlitz dieser Wesen auch freudig erstrahlen sehen. Diese Verbindung zwischen dem Mikrokosmos und dem Makrokosmos muß der Mensch fühlen.

Die Wesenheiten, die sich in rötlich-gelben Lichtwolken auf den Menschen herniedersenken und ihn im Kreise umgeben, so oft er das Zentrum ist, sie lösen als strafende Gerechtigkeit ein Gefühl der Furcht bei ihm aus. Dem kann sich aber zugesellen ein Gefühl der Freude, wenn ihm diese Wesenheiten zeigen, welche Entwicklungsmöglichkeiten in ihm vorhanden sind und wie es an ihm liegt, sie zur Ausführung zu bringen.

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Immer aber, wenn der Mensch diese beiden Erlebnisse hat, daß sich diese aus den rötlichen Wolken zusammengeballten Gestalten zu vereinen suchen mit den aus der Tiefe aufstreben­den blau-violetten Gestalten, da entsteht in ihm etwas wie ein Widerstreit. Er hört deutlich eine Stimme, die da sagt:

Glaube das nicht, glaube dem, was aus deiner eigenen Seele kommt. Das ist gleichwertig dem, was du da draußen im Kos­mos siehst!

Das ist Luzifers Stimme, und das ist die größte Versuchung, die der Mensch haben kann, da Luzifer alle anderen Wesenhei­ten an Schönheit, List und Verführung überstrahlt. Er steigt ebenfalls, wie die blau-violetten Wesenheiten, aus der Tiefe auf.

Klar müssen wir uns auch darüber sein, daß in diesen Gebie­ten nicht mehr die Form Bedeutung hat. Die Geister der Form, die Elohim, wie sie die Bibel nennt, haben ihre Bedeutung auf der Erde. Innerhalb der geistigen Welten finden wir, daß wir uns über sie erheben und uns den Geistern der Bewegung nähern können.

Eines sollten wir nie vergessen: das Gefühl tiefster Dankbar­keit gegenüber den höheren Wesenheiten und den geistigen Welten. Wie der Essäer jeden Morgen voller Dankbarkeit dem Nahen des Tagesgestirns entgegensah und betete, es möge er­scheinen - so sollten wir auch mit ehrfürchtigem Dank gegen die geistigen Wesenheiten jeden Morgen zurückkehren in den Tempel unseres physischen Leibes, der uns durch die Saturn-, Sonnen-, Monden- und Erdenzeit hindurch so kunstvoll auf-erbaut worden ist und in dem wir uns allein aneignen können das Erden-Bewußtsein: Ex Deo Nascimur.

Und dann mit diesem gewonnenen Gefühl der Ehrfurcht und Dankbarkeit uns hineinleben in das Geistig-Göttliche, das, was uns erlöst von den Fesseln der Körperlichkeit, uns ins Geistig-Übersinnliche hineinbringt und zur größten Seligkeit verhilft, das so groß und gewaltig ist, daß der Esoteriker den Namen des allerhöchsten Wesens nicht auszusprechen wagt:

In --- morimur.

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Und endlich in dem letzten Gliede unseres aus zehn Worten gebildeten Rosenkreuzerspruches: Per Spiritum Sanctum revi­viscimus wird ausgedrückt das Selbstbewußtsein, das den Men­schen hinüberbringt in eine neue Inkarnation. Viel mehr noch als das Meditieren über die drei Glieder dieses wunderbaren Spruches, bestehend aus 2 x 3 und 1 x 4 Worten, wird uns weiterbringen das Leben in seinen Buchstaben und Vokalen.*

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* In einer anderen, gleichlautenden Vorlage folgt noch: E.D*N. - I. --- M. -

P.S.S.R.

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ESOTERISCHE STUNDE

Den Haag, 21. März (Karfreitag)

und 25. März 1913

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Wenn es uns gelingt, nach unserer Meditation vollkommene Seelenruhe zu haben, kann dadurch ein Gefühl über uns kom­men, als ob wir nach oben zu über uns herausgehen und in Be­rührung kommen mit geistigen Wesenheiten um uns herum. Dieses Gefühl geht einher mit einem Sich-erweitert-Fühlen, ein Sich-Atisbreiten in einer Sphäre über uns. Aber auch nach unten können wir aus uns selbst kommen und kommen dann in Be­rührung mit anderen geistigen Wesenheiten. Das geht einher mit einem Gefühl des Enger-Werdens, wir steigen tief in uns selbst, wir fühlen es enger werden und kommen dann aus uns selbst auf dem Weg nach unten, wie bei dem anderen Gefühl auf dem Weg nach oben. Dieses Aus-uns-selbst-Herausgehen und das damit einhergehende Gefühl des Weiter-Werdens gibt ein Ge­fühl der Seligkeit, es ist, als ob wir aufsteigen zu geistigen We­senheiten, die uns da entgegenkommen. Steigen wir nach unten, dann treffen wir geistige Wesenheiten, die uns tief das Bewußt­sein unserer Mängel erkennen lassen, und wir werden eins mit diesen Wesenheiten. Aber wir merken dann auch, daß die Sphä­re, worin wir uns auf diese Art befinden, sich anschließt an die Sphäre über uns, und daß jetzt, in der Erkenntnis unserer Män­gel, wir die geistigen Wesenheiten fühlen, die uns dort entgegen­kommen, als die Rächer der Engel, die kommen, um uns zu richten und zu strafen, die Erzengel mit dem feurigen Schwert. Dagegen fühlen wir die Wesenheiten der unteren Sphäre wie trauernd über unsere Fehler, und tief fühlen wir, daß nicht wir allein durch unsere Fehler betroffen sind, sondern daß geistige Wesenheiten, die Boten, die Engel über unsere Fehler trauern. Wir können das entweder nur innerlich erleben oder auch als Sehen einer farbigen Imagination. In diesem letzten Fall wird über uns die Sphäre sich ausbreiten in roten und rot-gelben Farben

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und unter uns in blauen und blau-violetten Farben, worin sich die geistigen Wesen offenbaren. Aber die beiden Sphären schließen sich aneinander, und wir fühlen uns selbst darin bewe­gend, zurückblickend auf unseren Körper, als auf etwas, was wir hinter uns gelassen haben. Zu diesen Erlebnissen können wir kommen, wenn wir auf die rechte Weise das Es denkt mich meditieren; und wenn wir uns des Nachts bewußt sein könnten des Wirkens der guten Götter, würden wir diese Imaginationen sehen können.

25. März Wiederholung der Berliner ES. s als Zeichen des Luzi­fer. Gefühle (dort geäußert): Ahriman und Luzifer. Zehn Worte:

Zehnfältige Wesenheit des Menschen, wovon die fünfte das Unaussprechliche ist.

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ESOTERISCHE STUNDE

Den Haag, 25. März 1913

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Wir haben das letzte Mal gesehen, was in unserem Bewußtsein oben und unten ist, wie von unten heraufkommen Boten von bläulich-violetter Farbe, die Angeloi, dagegen von oben wie in Feuer getaucht die Archangeloi, und daß sie sich gewissermaßen zusammenschließen zu einer Sphäre, in die der Mensch nun hin-einsehen kann.

Heute möchte ich nun eine andere Meditation vor Eure Seele stellen, die so bedeutsam ist, daß durch sie allein geistig hoch­strebende Menschen sich den Weg in die höheren Welten ge­bahnt haben. Wir müssen uns klar sein, daß unser ganzes irdi­sches Denken eigentlich ganz falsch ist. Von den Ausdrücken:

Ich bin, ich denke, ich fühle, ich will ist eigentlich nur einer richtig, der Ausspruch: ich bin. Alle anderen sind zu zwei Drit­teln oder drei Vierteln falsch.

Es ist schon öfters darauf hingewiesen worden: hätten wir uns nur entwickelt nach den Intentionen der guten Götter, dann würde es keinen bewußtlosen Schlaf geben. Hätten nur gute Geister an uns gearbeitet, so hätten wir im Schlaf, wenn auch nicht ganz das Bilderbewußtsein wie auf dem alten Monde, so doch eine lebhafte Imagination von dem wogenden Wirken des an uns webenden Weltengeistes. Nun aber ist Luzifer in unsere Erdenentwicklung* eingetreten. Und damit der Mensch sich nicht aus dem Schlaf die grauenhafte Erkenntnis mitbringt: Lu­zifer denkt in mir, - haben gute Götter ihm während des Schla­fes das Bewußtsein entzogen. Und so sagt der heutige Mensch:

ich denke. Wie falsch das ist, kann jeder Esoteriker merken, der die Erfahrung macht, daß in dem Augenblicke, wo seine Medi­tation begonnen hat, Gedanken [an Geschehnisse], die oft weit zurückliegen, ihn von allen Seiten umschwirren, ohne daß er

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* Eine andere, sonst gleichlautende Vorlage hat hier «Erdenwesenheit»

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sich ihrer erwehren kann. Erst später, durch lange Übung, ge­langt er dahin, seiner Gedanken Herr zu werden und zugleich zu fühlen die Wahrheit des Mantrams: Es denkt mich. Der heu-tige Mensch, der ganz materialistisch denkt, ist davon weit ent­fernt. Auch im wachen Tagesbewußtsein beschäftigen ihn fast immer ungewollt Gedanken, Vorstellungen, die von außen kom­men, die luziferischer Art sind.

Was ist denn eigentlich der Materialismus? Die Gründe für den Materialismus sind nicht die sogenannten Gründe, die man dafür angibt, sondern es ist die Furcht, die Furcht vor der Leere, die der Mensch findet, bevor er in die geistigen Welten eintritt. Auf dem Untergrunde der Seele schlummert unbewußt diese Furcht und treibt den Menschen dazu, die Dinge nur äußerlich, materiell anzusehen. - Wenn wir uns hineinleben in das große Weltendenken, von dem der Mensch selbst ja nur ein Gedanke ist, wenn wir in ehrfurchtsvoller Scheu empfinden das Geistige um uns her, dann werden wir die Maja des luziferischen Den­kens, die Lüge des «Jch denke» immer mehr empfinden lernen. Ja, immer mehr werden wir das Gefühl haben, daß dieses «Ich denke» wie aufgesogen, wie verbrannt wird, wenn es uns immer besser gelingt, uns hineinzufühlen, uns ganz hinzugeben an das

Geistig-Göttliche: Es denkt mich. Immer aber sollen wir ihm nahen mit dem Gefühl tiefster Frömmigkeit.

Nehmen wir das zweite Wort: Ich fühle. Hätte der Mensch während des Schlafes sein Bewußtsein, so müßte er beim Erwa­chen sagen: Luzifer-Ahriman fühlt in mir. Wie ungewollte Ge­danken ohne Zahl uns umschwirren, so steigen auch Gefühle in uns auf, von denen wir nicht wissen, woher sie kommen. Denkt nur an alle die Triebe und Begehrungen, die befriedigt sein wollen. Nun aber haben die guten Götter das Bewußtsein des Menschen während des Schlafes herabgedämpft, und so glaubt er, mit Recht sagen zu können: ich fühle. - Mit dem Gefühl größter Dankbarkeit gegen die hohen Wesenheiten, die uns formen, sollen wir uns dem zweiten Mantram hingeben:

Es webt mich.

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Nicht anders als mit unseren Gedanken und Gefühlen steht es mit unseren Willensimpulsen. Der Wahrheit gemäß müßten wir sagen: nicht ich will, sondern Ahriman will in mir. Denn die meisten unserer Willensimpulse sind beherrscht von Ahriman. -Nun aber soll sich der Esoteriker mit dem Gefühl tiefster Ehr­furcht da hineinversetzen, daß höhere Wesenheiten an ihm wir­ken und arbeiten. Das ist ausgedrückt in dem dritten Mantram:

Es wirkt mich.

Diese drei Mantren: Es denkt mich - Es webt mich - Es wirkt mich haben hohen okkulten Wert. Sie können einzeln oder auch miteinander verbunden meditiert werden. Die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen haben sie selbst gegeben und auch in ihren Vokalismus etwas ganz Bestimmtes hineingelegt.

Es denkt mich: zwei e, ein i; e ist immer das Zeichen heiliger Scheu und Bewunderung, mit der wir uns der Gottheit nahen. Dagegen bedeutet i das Sich-Hingeben, Sich-in-der-Gottheit-Fühlen.

Bei Es webt mich haben wir wieder zwei e und ein i, also die­selbe Zusammenstellung der Vokale; aber aus dem d - «denkt» -ist ein w - «webt» - geworden. Diesen Unterschied müssen wir fühlen. Liegt in dem d ein Hinstellen, ein Auf-sich-selbst-Stellen, so ist in dem w das Wogende, Wellenartige des göttlichen Wir­kens angedeutet, in das wir uns ganz hineinleben sollen.

Bei dem dritten Mantram Es wirkt mich haben wir ein e und zwei i. Wieder bedeutet das e die fromme Scheu und Bewunde­rung, das doppelte i dagegen das innige Erfassen, das Sich-in-der-Gottheit-Fühlen, das Einssein mit ihr.

Aber nie sollten wir diese drei Mantren meditieren, ohne daß bestimmte heilige Gefühle dabei ausgelöst werden: bei Es denkt mich Gefühle der Frömmigkeit, bei Es webt mich Gefühle der Dankbarkeit, bei Es wirkt mich Gefühle der Ehrfurcht.

Prüfen wir jetzt einmal unseren Rosenkreuzerspruch auf seine Vokalisierung hin. Auch er ist vor uralten Zeiten aus den tief­sten Mysterien heraus gegeben.

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Die beiden Regeln, die von den Essäern streng befolgt wur­den: nach Untergang der Sonne keine weltlichen Gedanken zu hegen und vor ihrem Aufgange um ihr Erscheinen zu bitten, sie lassen sich mit dem modernen naturwissenschaftlichen Denken schwer in Einklang bringen. Aber etwas anderes kann an ihre Stelle treten. Denken wir an das erste Glied unseres Rosenkreu­zerspruches: Ex Deo nascimur. Beim Erwachen kommen wir aus den geistigen Welten, um nun wieder einzutreten in den Tempel des physischen Leibes, den uns gute Götter durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch so kunstvoll zubereitet ha­ben. Staunen und Bewunderung, heilige Scheu sollen wir da füh­len, ausgedrückt durch die beiden e - Ex Deo. In dem o liegt das Umfassen. In dem a von nascimur spricht sich eine gewisse Furcht, ein Zurückfahren aus, im i wieder die völlige Hingabe und im u, das gewissermaßen eine Wiederholung des o ist, der völlige Zusammenschluß mit dem physischen Körper und dem Erdenbewußtsein.

In dem zweiten Gliede des Rosenkreuzerspruches, dessen zweites Wort unaussprechlich ist, denken wir an das Substantiel­le, mit dem wir uns nach dem Tode, Post mortem, vereinigen. In den Christus sterben wir hinein und erhalten dadurch völliges Bewußtsein in den geistigen Welten, das Post-mortem-Bewußt-sein: In Christo morimur. Wir haben hier das dreimal verstärkte i. Das bedeutet das Erfassen unserer eigenen Innerlichkeit und das Hineinversenken und Einswerden mit dem Christus. Dann das 0 u: das völlige Umfassen, das Sich-Zusammenschließen mit dem Christus.

Verhilft uns das Leben im physischen Leibe zum Erdenbe­wußtsein, das Hineinsterben in die Christus-Substanz zum Post­mortem-Bewußtsein, so fehlt uns noch immer die Erkenntnis unseres Selbstes, das Selbstbewußtsein. Dazu muß uns der Send­bote des Christus verhelfen, der Heilige Geist - Per Spiritum Sanctum reviviscimus. Hier sind die Konsonanten vorherr­schend. Das p bedeutet das Hinstellen, das Gegenüberstellen, das s das Hervorgehen aus dem Schoße der Götter. Als der s-Laut

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durch den Weltenraum ertönte, da wurde das Rückgrat des Menschen geschaffen. Das Wellige, das Wogende des s ist auch das Zeichen des Luzifer, in dessen Schlangenwindungen es sich spiegelt. Gelingt es uns, ihn zu überwinden, so gewinnen wir die geistige Kraft, die uns das rechte Selbstbewußtsein gibt: Per Spiritum Sanctum reviviscimus. *

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* Eine andere sonst gleichlautende Vorlage bat noch den Schlußsatz: «Der Gral:

von geläuterten Schlangen umwundener Kelch,»

ESOTERISCHE STUNDE Berlin, 11. April 1913 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE100 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 11. April 1913

Aufzeichnung A

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Immer wieder kommt es vor, daß angehende Esoteriker darüber klagen, daß sie bei ihren Übungen gestört werden durch allerlei eindringende Gedanken. Das sollte uns aber nicht wundern, denn die Gedanken sind das einzig Geistige des physischen Planes; wenn wir uns also zu einer geistigen Tätigkeit, wie die Meditation eine ist, bequemen, machen diese sich geltend. Man sollte auch nicht so sehr gegen diese Gedanken kämpfen wollen, das hat ganz und gar keinen Sinn; sie mögen tun, was sie wollen, die Gedanken. Das einzige, was man zu tun hat, ist Fortsetzen, Ausharren, seinen Willen in Tätigkeit versetzen, um immer wie­der zu dem Inhalt der Meditation zurückzukehren. Auf diesen Willen kommt es viel mehr an als auf das Wie der Meditation. Wenn man immer wieder zum Inhalt der Meditation zurück-kehrt, drängt man die Gedanken zurück und schafft dadurch gleichsam eine Sphäre um sich herum, innerhalb derer sie - die störenden Gedanken - nicht sind, und gerade diese Sphäre ist das Geeignetste, um übersinnliche Erlebnisse haben zu können.

Eine andere Erfahrung des Esoterikers ist diese, daß er an­fängt gewisse Eigenschaften an sich zu bemerken, die er früher nicht an sich kannte. Dann handelt es sich wiederum nicht dar­um, diese Eigenschaften zu bekämpfen - es wären auch keine besonderen Mittel dagegen anzuwenden -, sondern das einzige, was man zu tun hat, ist, die angegebenen Übungen mit Kraft fortzusetzen. Diese doch sind es, welche jene Eigenschaften so weit aus uns herausgetrieben haben, daß sie für uns bemerkbar geworden sind, und bei fortgesetzten Übungen werden sie von selber verschwinden.

Nun wird man durch seine fortgesetzten Übungen vielleicht so weit gekommen sein, daß man dieses oder jenes übersinnliche Erlebnis hat, zum Beispiel Imaginationen schaut. Dann fragen

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die Anfänger immer wieder, ob das etwas Eingebildetes sei, was sie da geschaut haben, oder ob es eine Wirklichkeit auf geisti­gem Gebiet war. Diese Frage kann man dann stellen, wenn man urteilt nach der Art und Weise des physischen Planes - was ja im Anfang des esoterischen Weges auch kaum anders sein kann. Diese Frage hat nämlich nur einen Sinn auf dem physischen Plan; in der geistigen Welt ist das ganz und gar nicht dasselbe, worauf es ankommt.

Nehmen wir zum Beispiel an, jemand - es braucht gar nicht ein Meditant zu sein - habe seinen Doppelgänger gesehen. Es kann zum Beispiel so sein, daß er vorhatte, abends in eine Ge­sellschaft zu gehen, wo man beabsichtigte, ihn zu vergiften. Nun tritt er in ein halb abgedunkeltes Zimmer und sieht dort sich selbst. Unter dem Eindruck dieses Erlebnisses geht er nicht in die Gesellschaft, wird daher auch nicht vergiftet. Nun ist dabei die Gestalt, in die sich das Erlebnis kleidete, gar nicht dasjenige, worauf es ankommt. Das Bedeutsamste ist, daß das geistige We­sen, das den Menschen von Inkarnation zu Inkarnation begleitet, einen Eindruck auf ihn hat machen wollen. Es gibt ja ein solches Wesen, das zu der Hierarchie der Angeloi gehört und das in den Religionsbekenntnissen der Schutzengel des Menschen genannt wird. Dieses Wesen kann nicht, um den Menschen zu beein­drucken, seine Gedanken so beeinflussen, daß der Mensch ge­dankenmäßig gewußt haben würde: du sollst heute Abend nicht in jene Gesellschaft gehen. - Das kann deshalb nicht sein, weil unsere Gedanken, alle Gedanken außer denjenigen, die durch Geisteswissenschaft erzeugt werden, zum physischen Plan ge­hören und weil sie deshalb nicht vom Übersinnlichen aus beein­flußt werden können.

Nach dem Tode und schon während des Schlafes müssen wir unsere Gedanken ablegen, mit Ausnahme der genannten geistes-wissenschaftlichen. Aber unsere Gefühle und Willensimpulse reichen schon aus sich heraus in das Übersinnliche hinein, und auf diese kann daher ein Eindruck gemacht werden. Das ge­schieht zum Beispiel in dem Sehen des Doppelgängers. Es kann

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aber auch sein, daß jemand seinen Doppelgänger sieht, nicht weil das Engelwesen ihn ihm zeigt, sondern weil, sei es auch nur für Augenblicke, sein Ätherleib frei geworden ist und er nun deshalb seinen physischen Leib vor sich sieht. Und auch das ist möglich, daß man seinen Doppelgänger sieht, einfach weil man sich den Magen verdorben hat und dadurch der Ätherleib - viel­leicht nur in jenen Partien, die den Magen versorgen - für einen Augenblick frei geworden ist. Das muß also alles sorgfältig von­einander unterschieden werden.

Und es kann auch so sein, daß dieselbe Impression, die ge­macht werden muß - wie im Vergiftungsfalle -, in verschiedener Weise gemacht wird. Der eine kann seinen Doppelgänger sehen, der andere kann in ein Zimmer treten, während in demselben Augenblick mit großem und physisch unerklärlichem Geräusch ein Gemälde von der Wand fällt. Das entspricht ungefähr dem, ob man das eine Mal eine Mitteilung in deutschen, das andere Mal in lateinischen Buchstaben schreiben würde.

Es hat daher keinen Sinn, zu fragen: ist dasjenige, was ich geschaut habe, real oder nicht? Und der esoterische Lehrer wird niemals Aufklärung geben über eine Imagination, die man nur einmal gehabt hat, sondern nur, wenn diese öfter zurückkehrt oder aus anderen Gründen wichtig ist. Es ist so, wie wenn je­mand auf die Tafel schreiben würde B I N, und einer sagen wur­de: Ich sehe einen geraden Strich, dann zwei Bögelchen, wieder einen geraden Strich, dann drei verbundene Striche. Ein anderer aber, der lesen gelernt hat, sagt sofort: Da steht «bin». Es gibt aber kein eindeutiges Lesen von Imaginationen, sondern das muß man sich erst aneignen, wie sie zu lesen sind.

Oder es kann sein, daß einer ganz im Anfang seiner esoteri­schen Wege solche Art Figuren in der Luft sieht (Abbildung siehe S. 103).

Dann wird er vielleicht zu einem Augenarzt gehen, und der wird ihm sagen, daß das eine Krankheit der Augen sei. Von sei­nem Standpunkt aus hat der Arzt ja recht; für ihn ist der ganze Glaube an Theosophie eine Krankheit. Aber es rührt nur davon

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#Bild s. 103

her, daß der Ätherleib anfängt, neue Bewegungen zu machen, diese auf den physischen Leib zeitweilig überträgt; dadurch schaut er diese Dinge.

Manche Esoteriker können nun sagen: Dann wird also doch mein physischer Leib durch die Übungen geschädigt, wenn der Ätherleib so auf ihn einwirkt - und dann überkommt sie eine furchtbare Angst vor jedem kleinen Schmerz und Übel. Es ist aber gar keine Gefahr bei diesen Dingen; nach einiger Zeit wird der Ätherleib von selber diese Folgen wegnehmen. Es besteht auch dafür nur ein Mittel: ruhig ausharren!

Bisweilen kommt einer und sagt: Ich habe so schrecklichen Kopfschmerz über der Nasenwurzel, was soll ich dagegen tun?

- Das Beste wäre, gar nichts dagegen zu tun, sondern ruhig mit den Meditationen fortzufahren. Dann werden die Schmerzen zuerst schlimmer werden, und man wird ein Gefühl bekommen, als ob der Kopf sich spalten würde, aber erstens wird er sich doch nicht spalten, und zweitens wird es möglich sein, daß man gerade durch diesen Schmerz die Wand durchbricht, die uns vom Übersinnlichen trennt. Nur durch Schmerz und Leiden können wir uns weiterentwickeln.

Oft auch sind die Krankheiten, die da auftreten, die karmi­sche Folge von gewissen Entwicklungszuständen, die man schon in einem vorigen Leben durchgemacht hat und welche die Seele in diesem Leben nicht anders von sich weisen kann als durch

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Krankheit und Leiden. Oft wird man gewahr werden, wenn solch eine Krankheit vorüber ist, daß man weitergekommen ist in seiner Entwicklung. Als Karma soll man alles empfinden, was da kommt.

* *

Aufzeichnung B

(Nekrolog für Herrn Bittmann.)

Es ergibt sich wieder und wieder, daß ein angehender Esoteriker mit den erdrückenden Erfahrungen seiner Meditation zu mir kommt. Besonders wird geklagt über das eine, das schon öfter erwähnt wurde, daß in dem Augenblick, wo die Meditation beginnt, die Gedanken wie Bienenschwärme den Meditanten umschwirren. Erinnerungen stellen sich ein, meistens trauriger Natur, die oft viele Zeitläufe zurückliegen.

Nun muß man sich darüber klar sein, daß jeder Esoteriker unter allen Umständen Fortschritte macht. Auch wenn die Ge­danken ihn umschwirren und von der Meditation ablenken, so ist das ein Zeichen des Fortschrittes. Denn er muß sich klar sein, daß, wenn er seine Übungen macht, er immer mehr Kräfte im Geistigen bekommt. Nun sind aber Gedanken und Erinner­ungen das einzig Geistige auf der Erde; wenn sie sich an den Menschen herandrängen, so ist das ein gutes Zeichen.

Nicht das Was ist die Hauptsache bei der Meditation, son­dern das Wie. Darum soll man aushalten und immer wieder sei­nen Willen in Tätigkeit bringen. Der treue Wille ist die Haupt­sache; und wenn auch die Meditation durchaus nicht gehen will, so wird der Wille gestärkt. Gerade in solchem Raume, aus dem die umherschwirrenden Gedanken erst weggetrieben sind, ergibt sich die beste Möglichkeit, zu einer Erscheinung aus der geisti­gen Welt zu kommen.

Oder andere kommen und sagen: Das und das haben wir er­lebt - ist das eine Wahrheit oder eine Täuschung? Darauf ist schwer zu antworten. Natürlich ist es Wahrheit, Realität; aber

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man muß sich wohl hüten, dem zu große Bedeutung beizu­messen. Diese Fragen haben überhaupt nur einen Sinn auf dem physischen Plan; in der geistigen Welt haben sie keinerlei Bedeutung.

Andere klagen über heftigen Schmerz an der Nasenwurzel zwischen beiden Augen und fragen, was sie tun können. Ja, man muß das eben ertragen; sie sollen nur immer weiter meditieren. Dadurch wird der Schmerz verschlimmert werden; es ist, als würde einem der Kopf gespalten, aber erstens spaltet sich der Kopf nicht, und zweitens kann man dadurch die Wand durch­brechen, die uns vom Übersinnlichen trennt.

Nur durch Schmerz und Leid kann man sich weiterentwik­keln. Oft sind die Krankheiten, die auftreten, die karmische Fol­ge von Entwicklungszuständen, die man im früheren Leben durchgemacht hat, und die die Seele nicht anders von sich weisen kann als durch Krankheiten und Leiden. Oft wird man gewahr, wenn solche Krankheit vorbei ist, daß man weiter­gekommen ist in seiner Entwicklung. Als Karma soll man alles auffassen, was kommt.

Auch wenn besondere Eigenschaften auftreten, wie Egoismus, Eitelkeit etc., so soll man sie nicht bekämpfen, sondern ruhig weitermeditieren; man soll kein Mittel anwenden, sondern die Übungen mit Kraft weiterführen, denn sie werden solche Eigen­schaften schon aus uns heraustreiben.

Etwas, das einem angehenden Esoteriker häufig passiert, ist, daß er seinen Doppelgänger sieht. Zum Beispiel so: er tritt in ein anderes Zimmer - und da steht er mit einem Male sich selbst gegenüber. Nehmen wir weiter an, daß er gerade an jenem Abend in eine Gesellschaft gehen wollte, in der er vergiftet wer­den sollte - karmisch kann das sehr wohl bedingt sein -, nun hat er diese Erscheinung des Doppelgängers, die ihn in den weitaus meisten Fällen doch wohl abhalten wird, in die Gesell­schaft zu gehen.

Wie ist das zugegangen? Ja, sehen Sie, jeder Mensch hat einen Angelos, der sein Leben von einer Inkarnation zur andern führt

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- in der Religion nennt man ihn Schutzengel -, der wollte ihn davor bewahren, ihn warnen. Wie sollte er das machen? Zu ihm sprechen, das konnte er nicht; besonders, wenn er noch nicht Esoteriker ist, da das Denken ja etwas rein Irdisches ist. Nur das spirituelle Denken ist übersinnlich, das physische Denken ist rein irdischer Natur. Fühlen und Wollen dagegen stehen in Zu­sammenhang mit den geistigen Welten; darauf sucht der Angelos einen Eindruck zu machen und schickt ihm eine Imagination.

Noch auf andere Weise kann der Doppelgänger karmisch be­dingt sein. Zum Beispiel kann durch einen plötzlichen Schreck der Ätherleib gelöst werden - und der Mensch findet sich ge­genüber seinem physischen Leibe. Oder auch ein ganz trivialer Grund kann vorliegen: jemand hat sich den Magen verdorben; der Ätherleib tritt gerade an dieser Stelle heraus und der Mensch sieht sich selbst.

Die Form, in die sich das Ereignis kleidet, ist nicht die Hauptsache. Es kann ebensogut sein, daß jemand in ein anderes Zimmer tritt, in dem gerade mit donnerähnlichem Getöse ein Bild von der Wand stürzt. Es ist dasselbe, als ob man eine Mit­teilung einmal auf deutsch, das andere Mal auf lateinisch schreibt.

Eine Imagination hat nur Wert, wenn sie öfters auftritt; der eine wird sie verstehen, der andere nicht. Es ist geradeso, als ob jemand allerlei Striche und Bogen an die Tafel schreibt: BIN. Für den einen sind es nur Striche, der andere liest daraus: bin. Es gibt aber kein eindeutiges Lesen von Imaginationen.

Oder jemand sieht so kleine Kreise; er weiß nicht, was er daraus machen soll.

#Bild s. 106

Der physische Arzt ist der Meinung, das sei eine Augen-krankheit; für ihn ist ja schon der Glaube an die Theosophie

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eine Krankheit. In Wirklichkeit ist es nur ein Beweis, daß der Ätherleib angefangen hat, beweglich zu werden und dies über­trägt auf den physischen Leib. Dadurch sieht er diese Dinge.

Viele denken, der physische Leib leide doch bei der Entwick­lung Schaden, sie fürchten sich davor. Es ist aber keine Gefahr vorhanden; nach einiger Zeit räumt der Ätherleib von selbst die Folgen weg.

Aufzeichnung C

Es ist kein schlechtes Zeichen, wenn allerlei Gedanken anstür­men während der Meditation, weil alles verstärkt wird, und es ist folglich ganz natürlich. Aber gerade dann ist es von höchster Wichtigkeit, daß wir sie auf Abstand halten; und in dem leeren Raum, den wir um unsere Meditation herum schaffen, haben wir durch das Weghalten von allem, was da heranstürmen will, die beste Aussicht, wirklich okkulte Erfahrungen eintreten zu sehen. Auch wächst unsere Kraft dadurch, denn von noch größerem Wert als die Meditation selbst ist der Wille durchzu­kommen, was auch geschieht, und nicht von etwas anderem Heil zu erwarten, sondern gerade streng und mit dem tiefsten Ernst unsere Meditation fortzusetzen. Dieser Wille, immer weiter-zugehen, ist von größter Bedeutung.

Auch gibt es manche Meditanten, die fragen, ob diese oder jene Imagination, die sie gehabt haben, wahr ist oder nicht. Aber so soll die Frage nicht gestellt werden, weil eine Imagination zwar wahr sein kann, aber das ist es nicht, worauf es ankommt; worauf es ankommt ist, zu begreifen, was gemeint ist, was hinter dieser Meditation [Imagination] steht. So kann man beispiels­weise eines Tages seinen Doppelgänger sehen. Diese Imagination von sich selbst kann nun entweder durch den Schutzengel ent­standen sein, um den Menschen beispielsweise davon abzuhal­ten, diesen Abend auszugehen, oder sie kann auftreten, weil durch die Übungen der Ätherleib einen Augenblick aus dem

#SE266c-108

physischen Leib tritt. Oder sie kann von einem überladenen Magen kommen, wodurch der Äthermagen einen Augenblick aus dem Körper tritt. Es kommt hier also darauf an, es bis zur Empfindung weiterzuentwickeln, die gleichzeitig weiß, was die Imagination bedeutet. Auch kann es vorkommen, daß der Me­ditant allerlei Figuren sieht, und ein Arzt würde sagen, daß mit den Augen etwas verkehrt sei.

#Bild s. 108

Das kann auch der Fall sein, aber eben dadurch, daß der Äther-leib durch das Üben andere Formen annimmt und anders auf den physischen Leib einwirkt.

Einige klagen zum Beispiel, daß sie fürchterliches Kopfweh bekommen, aber es würde das beste sein, wenn sie gar nicht klagten, sondern einfach durchhielten, auch wenn es so kommt, daß das Haupt beinahe zu bersten scheint. Gerade durch die Kraft, durchzugehen, kommt man voran, und nach einiger Zeit hören solche Erscheinungen (es können auch unangenehme Wärme-, Hör- oder Geruchseindrücke sein) von selbst auf. Dann ist dadurch etwas überwunden, und es beginnt das wirk­liche Erleben der ätherischen Welt. Aber die Esoteriker sind manchmal sehr furchtsam so etwas gegenüber, obwohl sie doch wissen, daß Angst etwas ist, was immer an uns herankommen will, wenn wir durch unsere Schulung gehen, und was wir gera­de überwinden müssen, um so immer kräftiger zu werden. Wir wissen nun einmal, daß unser Weg aufwärts durch Leiden und Schwierigkeiten führt. Auch dürfen wir nicht die Wahrheit des Karma vergessen, ein Bewußtsein, was uns allezeit helfen muß, alles zu tragen. Man kann beispielsweise krank werden als Folge einer Entwickelung in einem vorigen Leben und durch dieses Ringen gegen die Krankheitskräfte kann ein Grad an Stärke wieder erreicht werden, den die Seele gewonnen hat in einem

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vorigen Leben. Immer weitergehen und alle Schwierigkeiten im rechten Licht sehen, ist die große Kraft, die uns aufwärts führt. Auch das Meditieren unseres Spruches mit den rechten Gefüh­len: E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R.

Aufzeichnung D

Durch die esoterischen Übungen werden wir immer mehr dazu kommen, gewisse tägliche Verrichtungen automatisch zu ma­chen. Wir müssen aber nicht die Herrschaft darüber verlieren. Die während der Meditation anstürmenden Gedanken müssen wir durch Willensstärke beiseite zu schieben trachten. In dem dadurch frei werdenden Raum werden am ehesten dann geistige Tatsachen hineinspielen können. Etwas, was früh schon erlebt werden kann, ist das Erlebnis des Doppelgängers. Es kann ge­schehen, daß man in ein dämmeriges Zimmer tritt und man sich seinem eigenen Bilde des physischen Leibes gegenüber sieht. Dann muß man unterscheiden, was dies bedeutet, es kann drei­erlei bedeuten. Erstens: Es kann eine Warnung sein unsres Füh­rers aus der Hierarchie der Angeloi, daß man zum Beispiel abends in eine Gesellschaft wollte, wo man vergiftet worden wäre; das Erlebnis hat einen davon abgehalten hinzugehen. Den Gedanken kann uns der Führer nicht schicken, denn die Gedan­ken gehören nur der physischen Welt an; die Gefühle und Wil­lensimpulse gehören schon der geistigen Welt an. Zweitens kann man durch seine Konzentrationsübungen den Ätherleib so ge­lockert haben, daß man ihn, wenn auch nur für Momente, aus dem physischen Leibe herausheben kann, dann kann man seinen Doppelgänger erleben. Drittens kann man zum Beispiel Magen-schmerzen haben, der Ätherleib geht aus dieser Partie des Leibes heraus, und man kann auch dann den Doppelgänger erleben.

Man muß dazu kommen bei den Erlebnissen, daß man weiß, was sie bedeuten, dann wird man nicht sagen können: man wisse nicht, ob es etwas Reales oder Einbildung sei.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Straßburg, 14. Mai 1913

Aufzeichnung A

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Unsere Meditationen sollen allmählich bewirken, daß wir leib-frei in die höheren Welten dringen und dort erkennen und schauen lernen. Allein, es kommt nicht nur darauf an, daß wir in die höheren Welten kommen, sondern wie; die Seelenverfas­sung, in der wir die höheren Welten betreten, muß eine gute, eine moralische sein. Nun ist es so, daß der Mensch als sinnlich­physisches Wesen auf der Erde zunächst gut-verlassen ist. Er empfindet nicht mehr das Moralische, Gute, das zu ihm spre­chen könnte und sollte aus der ganzen Schöpfung. Luzifer hat, um den Menschen die Freiheit zu geben, das Moralische sozu­sagen herausgezogen; der Mensch muß es nun zunächst in sich selbst erwecken, wiederfinden und dann den geistig-göttlichen Welten wieder zurückbringen.

Wenn der Mensch heute die Sonne in ihrem Auf- und Nie­dergang betrachtet, so fühlt er keinerlei moralischen Impuls von dort aus zu ihm strömen. Wäre Luzifer nicht, so würde er füh­len: von der Sonne fließen die Kräfte, die mich so durchpulsen, daß ich mich als Ich weiß und fühle. Wenn der Mensch den Mond betrachtet mit den Mitteln, die ihm die Astronomie an die Hand gibt, dann weiß er: in der Zeit von Neumond zu Voll­mond und von Vollmond zu Neumond sind es gewisse Gleich­gewichtskonstellationen, die so walten, daß man den Mond ein­mal eine viertel, dann einmal eine halbe und dann eine ganze Fläche beleuchtet sieht. Was der Mensch nicht mehr fühlt, ist, daß, wenn die Konstellationen völlig andere wären, wenn der Mond nur um ein geringes seinen Standpunkt verändern würde, überhaupt solche Lebewesen wie die Menschen in ihrem physi­schen Körper gar nicht mehr existieren könnten. Denn vom Monde fluten die Fortpflanzungskräfte. Wenn der Mensch den Merkur anschaut, so gibt ihm sein Anstarren und Anglotzen

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nicht mehr die Fähigkeit, zu erkennen, daß ohne Merkur keine Verbindung zwischen Sonnen- und Mondenkräften, zwischen den Ich- und den Generationskräften stattfände. Ebenso bei der Venus fühlt er nicht, daß ohne ihr mildes Licht all jene Liebes­beziehungen zwischen den Menschen nicht wären, die ihn be­glücken.

Luzifer hat den menschlichen Astralleib ganz mit Egoismus durchsetzt. Das ist notwendig um der Entwicklung willen zur Freiheit und Selbständigkeit des Individuums. Allein, so weit darf es nicht kommen, daß der Mensch unempfindlich wird für das Moralische. Das ist aber gegenüber der Natur, den Elemen­ten z.B. der Fall. Der Mensch müßte aus Luft, Feuer, Wasser, Erde herausfühlen, daß sie dazu da sind, einen strafenden Aus­gleich zu schaffen für die menschlichen Sünden; daß in ihnen, den Elementarkräften, «Erkränke-Kraft», «Kränkungskraft», lebt, die wir an uns müssen und sollen auswirken lassen, um uns zu läutern. Dieselben Worte sind wahr und falsch, je nachdem sie aus dem oder jenem Munde kommen. Im Munde Luzifers ist das Wort «Natur ist Sünde - Geist ist Teufel» ein Spottwort; in dem eben entwickelten Sinne, daß die materielle Natur uns um der Sünde willen strafen soll und wir den Geist in der Natur empfinden sollen als etwas uns Krankmachendes, uns Leidbrin­gendes, ist es wahr. Denn die Schmerzen, das Leid ist das gott­gegebene Mittel, den Egoismus zu erkennen und zu überwinden. Im Munde Luzifers ist das Wort «Ihr werdet sein wie Gott» eine Lüge; richtig verstanden ist es wahr. Der Christus spricht «ihr seid Götter» - Söhne der Gottheit. Der Mensch ist zur Vergottung berufen.

Der moderne Materialismus, der die Welt in Atome zerlegt, in physisch-materielle, was will er und tut er? Sündenkräfte will er verewigen. Denn Materie ist verdichtetes Unrecht. Das Mate­rielle muß sich ja durch spirituelle Entwicklung wieder in Geist auflösen. Wir müssen der Natur wieder das Moralische abrin­gen, das in sie von der göttlichen Weltenweisheit gelegt ist. Die rosenkreuzerische Weisheit sah diese ganze materialistische Entwicklung

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voraus, darum gab sie Mittel und zeigte Wege zu er­höhter Moralität, ohne die man nicht zu Heil und Segen die höheren Welten betreten sollte. Man kommt sonst vielleicht wohl hinein, aber man findet dann dort Luzifer nicht so, wie er einem entgegentreten soll als Führer in der Erkenntnis der höhe­ren Welten, sondern erst recht als Versucher, der einem dann allerlei Geistig-Göttliches vorspiegelt und zeigt, was aber nicht wirklich ist.

Ex Deo nascimur - so sollen wir sprechen - dabei aufblickend zum Monde in seelischer Erhebung als zu dem Spender der Gelegenheit, immer wieder sich zu inkarnieren und sich zu ver­vollkommnen auf Erden in einem physischen Leibe. In Christo morimur, dabei aufblickend zur Sonne, um sich von dorther gewissermaßen als Ich-Wesen, als geistig-göttliches Wesen zu empfinden durch den Christus, den mit der Sonne verbundenen, erhabenen Geist. Per Spiritum Sanctum revivisdmus, dabei auf­blickend zu Merkur und Venus, die sich nicht manifestieren in physische Abbilder, sondern rein geistig offenbaren. Weil auf sie und die anderen Planeten (Mars, Jupiter und Saturn) verteilt ist die Kraft des Geistes, die die Menschen zur geistigen Liebe erzieht.

Plato fühlte noch im Nachklang, daß die Menschen gut-ver­lassen sind, daß das Gute im tiefen Schoße der Gottheit zurück­gezogen lebe, gebunden ruhe. Er sprach: Gott ist gut, und der Christus Jesus sprach es aus, daß sozusagen sich zurückgezogen habe das Gute von den Menschen. Er sagt: «Niemand ist gut denn Gott allein!»

So wollen wir unablässig nach hoher Moralität streben, damit wir fähig werden, auch aus der Natur, aus Sonne, Mond und Sternen die moralischen Impulse wieder herauszufühlen und der geistigen Welt das Moralische wieder zurückzubringen, das aus ihr um unserer Freiheit willen durch Luzifer herausgenommen worden ist.

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Aufzeichnung B

Für den Esoteriker ist zweierlei notwendig. Erstens, daß man sich treu seinen Übungen hingibt, zweitens, daß man eine be­stimmte Gesinnung entwickelt, die folgendermaßen zu beschrei­ben ist: Im gewöhnlichen Leben denkt niemand beim Aufwa­chen daran, warum die Sonne wieder aufgeht, und ebensowenig berührt es den Menschen, wenn er den Mond in seinen regel­mäßigen Scheingestalten vom Vollmond zum Neumond gehen sieht und wieder zurück zum Vollmond, oder wenn er die ein­zelnen Planeten am Sternenhimmel scheinen sieht. Die Leute meinen, keine moralische Bedeutung mehr damit verbinden zu müssen. Die moralische und die natürliche Welt gehen ausein­ander. Das macht, daß man wirklich in einer Welt lebt, die von dem Guten verlassen ist. Für den Esoteriker müssen beide, die moralische und die natürliche Welt, wieder miteinander ver­einigt werden.

Betrachtet er einen Sonnenaufgang, so kann er diesen nie­mals so schildern, wie es der Astronom tut. Er weiß, daß ohne das Sonnenlicht niemals ein Ich in ihm pulsieren könnte. Der Einfluß dieses Sonnenlichtes wirkt immer auf den Menschen; auch wenn er nachts schläft, geht noch ein geistiger Einfluß von der geistigen Sonne aus. Wenn er den Mond sieht, dann weiß er: wenn der Mond nicht die Scheingestalten durchlaufen würde, könnte die Menschheit nicht bestehen, sie müßte auf­hören zu bestehen. Würde der Mond nur um ein weniges aus seiner Bahn gerückt im Verhältnis zur Sonne, dann würde das bestehende Menschengeschlecht verdorren, es könnte keine Nachkommen mehr erzeugen, denn der Mond bringt die Fort­pflanzungskraft. Und der Esoteriker weiß, wenn er den Merkur erblickt, daß er die Kräfte des Mondes und diejenigen der Sonne miteinander verbindet. Die Ichkräfte der Sonne könnten immer weiter heruntersteigen, und die Fortpflanzungskräfte des Mondes könnten weiter fortfahren, einen Menschen zu bilden, aber ohne die verbindende Kraft des Merkur würden diese

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Kräfte immer voneinander getrennt bleiben. Und aus der Venus strömt die Kraft der Liebe, wodurch die Möglichkeit dieser Verbindung entsteht.

Daß wir diese Verhältnisse nicht mehr als moralische empfin­den können, kommt von dem luziferischen Einfluß. Dadurch sind wir versetzt worden in eine Welt, die wirklich von dem Guten verlassen ist, weil Luzifer das Moralische herausgezogen, getrennt hat von dem Natürlichen. Dadurch sind krankmachen­de Kräfte in die Materie gekommen, «Erkrankungskräfte». Das weiß der Mensch heute so wenig, daß er das Wort «Kränkung» nur im Zusammenhang mit dem Seelischen kennt, so wie wir es eben unter dem Worte «Kränkung» kennen.

Das Gute ist nicht hier in dieser Welt zu finden, sondern nur außerhalb der Erde. Plato sagte schon: «Gott ist das Gute», -auch der Christus Jesus wies darauf hin, indem er sagte: «Nie­mand ist gut denn Gott allein.» Durch die guten Götter ist das Böse in die Materie hineingelegt, damit der Mensch lernen wird, sich freiwillig von ihm abzuwenden. Das ist etwas, was nur in einer besonderen Stimmung ausgesprochen werden darf; denn von der Stimmung hängt die Bedeutung des Gesagten ab. So sagte Luzifer zu den Menschen: «Ihr werdet sein wie die Göt­ter», - das war eine Behauptung; und Christus Jesus sagte als höchste Wahrheit: «Ihr seid Götter!»

Nur in einer besonderen Seelenverfassung darf gesagt werden, daß Stoff, Materie nichts anderes ist als konzentriertes Unrecht. Konzentrierte Sünde ist die Materie!

Der Materialist denkt sich den Stoff verteilt in Atome, die ein ewiges Dasein haben sollen, aber diesen Atomtheorien des 19. Jahrhunderts liegt nichts anderes zugrunde als der Wunsch: ich will die Sünde in kleine Atome zusammenziehen und sie dann verewigen, und ich will nichts anderes anerkennen außer diesem in der Welt. - Aus tiefer okkulter Erkenntnis hat Goethe das Wort gesprochen: «Natur ist Sünde, Geist ist Teufel». Aber er sprach es aus als Spott, weil er wußte, daß man solche Wahr­heiten nicht in gewöhnlicher Art aussprechen darf.

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Durch den luziferischen Einfluß ist auch der Egoismus in den Astralleib gekommen, und als Mittel gegen den Egoismus haben die Götter etwas gegeben, was auch egoistisch ist, das heißt, im Ich erlebt wird, nämlich den Schmerz. Dieses Mittel haben die Götter gewählt, um dem Menschen über die Sünde hinwegzu­helfen und ihm doch die Freiheit zu lassen. Deshalb ist es not­wendig, daß der Mensch Moralität entwickelt, ehe er in die hö­heren Welten aufsteigt. Von anderer Seite ist unserer Strömung der Vorwurf gemacht worden, daß sie so sehr die Notwendig­keit der moralischen Entwicklung betont. Ohne Moralität kann man zwar auch in die geistige Welt aufsteigen, wenn man aber Luzifer nicht kennt, wird man sich eine geistige Welt vorge­täuscht sehen von den schönsten Gestalten bevölkert, die aber keine Wirklichkeit ist.

Die moderne Naturwissenschaft betrachtet die Menschen als ausschließlich aus Materie bestehend, die eigentlich die Sünde ist. Das Rosenkreuzertum hat vorausgesehen, daß dieses kom­men würde, und hat deshalb einen anderen Gedanken in die Welt einfließen lassen durch das: Ex Deo nascimur. Wenn wir den Mond betrachten, dann können wir daran denken, daß aus den Kräften, die mit dem Monde verbunden sind, wir geboren sind. Und die Sonne erinnert uns an den Sonnengeist, den Chri­stus, der mit ihr verbunden war und der uns die Kräfte des Ich geschenkt hat: In Christo morimur. Und wenn wir das Per Spiritum Sanctum reviviscimus aussprechen, denken wir an die­jenigen Wesenheiten, die mit den fünf anderen Planeten verbun­den sind und die wir in ihrer Gesamtheit ansprechen als den Heiligen Geist.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Stuttgart, 18. Mai 1913

Aufzeichnung A

#TX

Der Esoteriker kann nur dann Fortschritte machen, wenn er sich gewisse Dinge immer klarer bewußt macht. Er muß sich ganz tief und ernst durchdringen mit dem, was gestern im öf­fentlichen Vortrage besprochen wurde. Es muß für ihn zum wirklichen Erlebnis werden, daß, wie die Luft in unserer Lunge ein Teil der uns umgebenden Luftatmosphäre ist, die wir durch den Prozeß des Atmens in uns aufnehmen, ebenso das Geistig-Seelische in uns zu der ganzen geistig-seelischen Umgebung gehört. Er muß sich auch ganz klar darüber werden, daß das Aufwachen und Einschlafen nichts anderes ist als ein Ein- und Ausatmen des Seelischen. Der Esoteriker muß immer mehr die Wirklichkeit der ihn umgebenden Welt verstehen.

Nehmen wir an, ein Mensch im exoterischen Leben habe kein Bewußtsein von der ihn umgebenden Luft, er könne nur wahr­nehmen die Mineralien, Pflanzen, Tiere, das Feste und Flüssige, die Berge usw. Er sähe vielleicht auch die Wolken und nähme Blitz und Donner oder ähnliches, was darinnen bestände, wahr, hätte aber kein Bewußtsein von der Luft, die dazwischen ist: Ein solcher Mensch wäre ähnlich, wie für den Okkultisten der Exo­teriker sich ausnimmt, der von der ihn umgebenden geistigen Welt nichts weiß. Zunächst ist es ja in der jetzigen Zeitepoche das Richtige und in Übereinstimmung mit dem Sinn der Erd­entwicklung, daß der Exoteriker das ihn umgebende Physische für die Wirklichkeit halte, in der er bewußt arbeiten soll. Der Esoteriker aber soll die physische Welt ganz anders auffassen. Worin besteht denn dieser Unterschied?

Für den Exoteriker ist es das Richtige, daß er überall die phy­sischen Dinge nach Ursache und Wirkung beurteilt, und die heutige Zeit ist durch die Naturwissenschaft dazu gekommen, daß sie gerade stolz darauf ist, überall in den äußeren Vorgängen

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Ursache und Wirkung nachzuweisen. Für den Esoteriker soll das anders werden. Wenn er zum Beispiel die Geschichte be­trachtet, so soll sie sich ihm nicht so darstellen, daß die Tat­sachen und Vorgänge als die Wirkung des einen vom andern auftreten, sondern diese physischen Vorgänge sind ihm nur Zei­chen für geistiges Geschehen. Er muß lernen, diese Zeichen mit­einander zu verbinden und durch dieses Verbinden sie richtig zu lesen. So wie ein Mensch nicht richtig lesen kann, wenn er nur die einzelnen Buchstaben kennt, aber ein Mensch, der richtig lesen kann, wenn er das Wort «aber» vor sich hat, nicht danach fragt, ob der Buchstabe b die Folge vom Buchstaben a ist, son­dern die beiden sinnvoll verbindet, so müssen die einzelnen Zei­chen der äußeren Geschichte, der äußeren Geschehnisse in rich­tiger Weise gelesen werden. Darin besteht das wahre Wesen des Esoterikers, daß er dies immer mehr lernt. Wir wollen dies an einem bestimmten Beispiel betrachten, und zwar an dem für den Menschen so schwer zu verstehenden Leben selbst.

Wir wissen, daß im Leben des Menschen zwischen Geburt und Tod das Wesentliche das Bewußtsein ist, welches die einzel­nen Erlebnisse verbindet. Wir haben ein Bewußtsein von dem Vergangenen in unserem Leben bis zurück zu jenem Zeitpunkt in unserer Kindheit, zu dem die Erinnerung reicht. Dieses Be­wußtsein ist das Wichtige in unserem Leben. In gewissen anor­malen Fällen verlieren die Menschen dieses Bewußtsein. Es ist zum Beispiel vorgekommen, daß ein Mensch, sagen wir in einer Stadt Mitteleuropas, auf den Bahnhof gegangen ist; hier hat er sich nach einer andern Stadt ein Billett genommen; hier an­gekommen, löst er sich wieder ein Billett für eine nächste Stadt, und so weiter; ja auch zu Schiff ist er gefahren. Nach einiger Zeit findet er sich in Nordafrika wieder. Alles, was zwischen dem Abfahrtsort und jetzt liegt, hat er vergessen, ja sogar sein ganzes Leben von der Geburt an - dabei hat er aber vollständig verständig und klug gehandelt beim Lösen der Billette, beim Weiterfahren von einem Platz zum andern, bis nach Marokko -vielleicht verständiger als andere Menschen. Das zeigt zugleich,

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daß Verstand und Bewußtsein nicht eins sind. Es kann zum Beispiel ein Schüler in der Schule vieles lernen und mit dem Verstand erfassen, aber sein Bewußtsein ist nicht dabei. Er kann dann das Gelernte nicht benutzen, es ist, wie wenn jemand ein Werkzeug hat, das irgendwo unbenutzt liegt. - Wie verhält es sich nun bei solchen Menschen wie dem oben geschilderten, wo in anormalen Zuständen das zusammenhängende Bewußtsein verlorengeht?

Wenn solche Fälle untersucht werden, so zeigt es sich, daß ein solcher Mensch schon vorher im Leben die Eigenschaft ge­habt hat, die äußeren Dinge nicht genau zu beobachten. Für den heutigen Menschen liegt es ja sehr nahe, die Dinge daraufhin anzusehen, wie sie in seiner Seele Sympathie oder Antipathie hervorrufen. Manche Menschen - wie der oben Beschriebene -waren schon vorher so, daß sie zum Beispiel weite Reisen durch viele Länder machen konnten und überall nur das ihnen Sympa­thische oder Antipathische bemerkten. Das ist aber ein großer Mangel, denn wir sollen unser Ich-Bewußtsein gerade dadurch haben und stärken, daß wir alle Dinge und Vorgänge genau, teil­nahmsvoll beobachten. Es ist sehr notwendig, dies ganz beson­ders auch Theosophen vorzuhalten, denn gerade sie sind leicht dazu geneigt, durch ihre theosophischen Interessen einseitig zu werden und das Interesse an vielen physischen Dingen zu verlie­ren; sie sollen aber alle Vorgänge und Dinge mit Interesse, Liebe und Teilnahme beobachten. Denn das Geistig-Seelische in uns, welches beim Aufwachen aus der geistigen Welt in den Körper eingeatmet wird, gelangt dadurch zum vollen Selbstbewußtsein, daß es die äußeren Vorgänge und Wesen mit Interesse und Lie­be beobachtet. Dessen soll sich der Esoteriker immer mehr be­wußt werden. Er soll sich klar werden darüber, daß dies die eine wichtige Seite des Lebens ist, dieses Geistig-Seelische, welches aus der geistig-seelischen Welt hereintritt in die physische Welt und an dieser sich zum Selbstbewußtsein entzündet. Der Eso­teriker lernt dann diesen Teil seines Lebens kennen wie einen Buchstaben im Weltgeschehen. Wie ein Zeichen oder Buchstabe

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ist das Ich-Bewußtsein für den geistig-seelischen Kern des Men­schen, aber dazu kommt nun etwas anderes.

Wir wissen, daß es heute eine Anzahl Menschen auf der Erde gibt; in einiger Zeit sind dann die Söhne und Töchter dieser Menschen da; vorher wieder waren andere da - die Eltern der heutigen. Wir wissen, daß durch diese Linie die Vererbung der Körper geht, die Vererbung der Kräfte und Eigenschaften. - Für den Esoteriker wird es immer mehr bewußte Realität, daß diese in der Vererbungslinie strömenden Kräfte die andere wichtige Seite des Lebens sind. Es verbindet sich das bei der Geburt oder Empfängnis aus den geistigen Welten kommende Seelische mit den Kräften der physischen Vererbungslinie. Es bilden also diese Kräfte den zweiten Buchstaben, und der Esoteriker wird immer mehr fähig, diese beiden Buchstaben seines Wesens nicht nur einzeln zu sehen, sondern richtig zu lesen.

Der Okkultismus gibt auch ein äußerlich aufzuzeichnendes Symbol für die Verbindung von zwei Buchstaben oder Zeichen. Wenn wir mit diesem [Symbol] das aus der geistigen Welt her eintretende Ich bezeichnen, so ist es also das Bewußtsein, wel­ches sich bildet dadurch, daß es in der physischen Welt magne­tisch die Kräfte der Vererbung angezogen, sich mit ihnen um­geben hat. Dies wird dargestellt durch den Kreis, der den Punkt zum Zentrum hat.

#Bild s. 119

Nun ist dieses Zeichen aber auch wirklich schon in der Welt vorhanden. Die Götter haben es hingezeichnet, und wir finden es am Himmel. Wenn wir die Erde als den oben gezeichneten e [Punkt] ansehen, so ist der 0 [Kreis] die Bahn des Mondes, und wir müssen also sehen in dieser Himmelskonstellation ein von den Göttern geschriebenes Zeichen dafür, daß die Erde der Platz des sich entwickelnden Ich-Bewußtseins ist, während die Mond­bahn mit dem physischen Mond, der der Erde seine wechselnden

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Zustände von Neumond, erstem Viertel, Halbmond und Vollmond zuwendet, das äußere Zeichen ist für die Kräfte, die in der Vererbungslinie wirken. Dadurch, daß die physische Son­ne ihr Licht auf die Erde wirft und dieses Licht von den Gegen­ständen zurückstrahlt, kann sich im Seelischen des Menschen das Selbstbewußtsein entzünden. Würde die Sonne aufhören zu scheinen, auch nur einen Augenblick, so würde die Möglichkeit für ein selbstbewußtes Leben des Menschen aufhören. Und ohne die Kräfte des Mondes könnte die physische Vererbung nicht weitergehen. Wenn der Mond nur ein wenig aus seiner Bahn herausgeschoben würde, so würden die Kräfte, welche nötig sind für die physische Vererbung des Menschen, aufhören zu wirken. Die Menschen würden noch eine Weile mit den ihnen innewohnenden Kräften weiterleben - dann würde die physische Fortpflanzung aufhören. Und in der Tat wird ein Zeitpunkt in der Zukunft kommen, wo die Kräfte der Erde so stark gewor­den sind, daß die Erde den Mond wieder in ihren Körper auf­nimmt. Dann können die Kräfte, die jetzt vom Monde auf die Erde wirken und die die Vererbung hervorbringen, nicht mehr sein. Der Mensch wird aufhören, ein Erzeuger [von Nachkom­men] zu sein, und das physische Menschengeschlecht wird auf­hören.

Alles das muß dem Esoteriker immer mehr zur Realität wer­den. Er muß diesen · [Punkt] mit dem 0 [Kreis] richtig ver­stehen lernen in der beschriebenen Art.

So wie ein Mensch, der lesen kann, wenn er das Wort «ab» schreibt, nicht das b und das a in irgendeiner Weise nebeneinan­der stellt, sondern zuerst das a und dann das b schreibt, so ist es auch mit diesen beiden Zeichen des Punktes und Kreises, die der Okkultist richtig zusammenstellt und die der Esoteriker dann lesen kann als das Zeichen für sein Wesen, in welchem das Gei­stig-Seelische zum Bewußtsein kommt durch die Verbindung mit den Kräften der Vererbung.

Aber es sind noch andere Kräfte tätig, um das Leben des Menschen, so wie es ist, zustande zu bringen. Gehen wir zurück

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in der Menschheitsgeschichte bis in die fernen Zeiten der Ägyp­ter und Perser, so sehen wir, wie überall die Menschen durch ihr Denken vorwärtskommen. Zu allen Fortschritten der Entwick­lung hat der Mensch selbst beitragen müssen durch sein Den­ken, dadurch, daß er als verständiges Wesen auf der Erde lebte. Aber diese Kräfte kommen nicht aus dem Menschen selbst. Das könnte nur eine materialistische Wissenschaft glauben, welche den Menschen so gern ihre Phantasmen aufreden möchte. Aber auch vom Monde kommen diese Kräfte nicht. Sie kommen aus Regionen, die über die Mondenbahn hinausreichen, und wir müssen sie uns in unserem Zeichen darstellen durch einen zwei­ten Kreis, und auch das finden wir in unserem Kosmos von den Göttern hingestellt. Dieser zweite Kreis ist die scheinbare Bahn des Merkur (heutige Venus). In den geistigen Kräften, welche ihren physischen Ausdruck in dem Merkur finden, müssen wir das sehen, was den Menschen den Verstand verleiht.

#Bild s. 121

Das muß der Esoteriker verstehen lernen. Während wir im gewöhnlichen Leben den Mond und den Merkur nur äußerlich anglotzen, soll er nicht bloß versuchen, diesen Merkur mit dem Verstande zu erfassen, sondern in ihm das äußere Zeichen für die geistigen Kräfte sehen, durch welche den Menschen der Ver­stand gegeben wird. Er soll hinaufschauen zu den Planeten mit einem Gefühl der Ehrfurcht und Dankbarkeit. Würden die Kräfte des Merkur aufhören, so würden die Menschen zwar Be­wußtsein auf der Erde haben, aber sie würden ohne Verstand sein. Aber auch dieses ist noch nicht alles. Es müssen noch an­dere Kräfte hinzukommen, um das Leben und die Entwicklung des Menschen hervorzubringen. Hätte nur der Verstand gewirkt

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in all den vergangenen Menschheitsepochen, so würde doch kein Fortschritt stattgeftinden haben. Die Menschen würden zwar gedacht haben, aber es würden keine neuen Gedanken in die Entwicklung gekommen sein. In Wahrheit sehen wir aber, wie immer neue Gedanken in die Menschheit einfließen. Heute lernen Kinder in der Schule Dinge, die noch zu Zeiten des Py­thagoras dem Denken der Menschen fremd waren. Ohne solche neuen Gedanken wären alle Erfindungen und Fortschritte un­möglich. Woher kommen nun diese Gedanken? Aus einer noch höheren Sphäre, die wir durch einen weiteren Kreis darstellen -die scheinbare Bahn der Venus. Venus ist der physische Aus­druck für die geistigen Kräfte, durch welche der Verstand im Menschen befruchtet wird durch neue Ideen, die über das ge­wöhnliche Gehirndenken hinausgehen.

Es gibt nun aber weitere Kräfte, die zwar nicht unmittelbar auf die Erde und auf den Menschen wirken, aber mittelbar da­durch, daß sie auf die Venus strahlen: es sind die Marskräfte. Damit die Marskräfte, wenn sie auf die Venus und indirekt da­durch auf die Erde strahlen, nicht kriegerisch wirken, strömt auf den Mars aus dem noch weiteren geistigen Umkreis der Jupiter eine erhabene göttliche Kraft. Diese läßt sich in Worten noch weniger beschreiben; man kann sie bezeichnen als geistiges Licht, welches nicht wahrnehmbar ist physisch, welches der Mensch aber im Innern als Liebeskraft erleben kann, wenn er in Ehrfurcht und Dankbarkeit zu diesem Weltwesen hinblickt und sich der Gnade bewußt wird, die von da auf uns herabströmt. Dadurch, daß diese Liebeslichtkräfte auf den Mars wirken, wird verhindert, daß die Marskräfte kriegerisch auf Venus und Erde wirken. Und schließlich kommen aus einem noch höheren Um­kreis Kräfte, aus der Saturnsphäre, von denen wir uns einen Be­griff bilden können, wenn wir an die Wärme des Enthusiasmus denken. Diese Wärmekräfte strömen auf den Jupiter und verbin­den sich mit seinem Licht. Und nun müssen wir hier zwischen Venus und Mars die Sonnenbahn einzeichnen. Wir haben dann die drei Bahnen von Mond, Merkur und Venus zwischen Sonne

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und Erde; das sind die direkt wirkenden Kräfte, und die drei von außerhalb wirkenden, die des Mars, Jupiter und Saturn, die nur mittelbar durch die Venus auf die Erde wirken.

#Bild s. 123

Von den geistigen Sonnenkräften aber bekommt der Mensch die Ich-Kraft, die Selbstbewußtheit, die sich mit den Monden­kräften und so weiter verbindet, um das ganze Wesen des Men­schen zustande zu bringen. Wir haben aber zunächst zwei Son­nen, die geistige, die das Ich gibt, und die physische, die durch ihre Licht- und Wärmestrahlen die physische Erde belebt. Dann aber müssen wir eine dritte Sonne erfassen, nämlich die Vermitt­lerin der höchsten geistigen Kräfte, die die außersonnlichen Kräfte mit den innersonnlichen verbindet, die seit dem Myste­rium von Golgatha auf die Erde ihre Gnadenkräfte sendet. Diese geistige Sonne ist das Christus-Prinzip, das, was der Mensch in sich erleben kann, wenn er den paulinischen Satz erfaßt: «Nicht ich, sondern der Christus in mir.»

Diese dritte Sonne wurde den Einzuweihenden immer in den christlichen Einweihungsstätten offenbart. Eine große Tragik lag darin, daß ein Mann von dieser dritten Sonne wußte und sie doch nicht innerlich ganz erleben konnte, das war Julian Apostata.

So haben wir also die Sphäre dieser dreifachen Sonne, außer­halb derselben die drei Kreise, welche die hohen indirekt wir­kenden Kräfte darstellen und innerhalb des Sonnenkreises die

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drei, welche unmittelbar auf die Erde wirken. In jedem dieser sieben Kreise steht einer der sieben Himmelskörper, und so können wir das Rosenkreuz mit den sieben Rosen auch als Sym­bol für diese siebenfache Himmelsrose ansehen. Aus den drei innern Sphären strömt das herein auf die Erde, woraus des Men­schen Wesen geboren wird: Ex Deo nascimur.

Die drei äußern Kreise bezeichnen die hohen, geistigen Kräf­te, durch welche seine höhere Natur gegründet wird: Per Spiri­tum Sanctum reviviscimus.

Die Verbindung zwischen beiden bildet der mittlere Halb­kreis, die Sonnenbahn der physischen, geistigen und der Chri­stus-Sonne: In - morimur.

Aufzeichnung B

Wenn der Esoteriker Fortschritte machen will, ist es gut, daß er sich einen Satz wie den: «Wie die Lunge die Luft einatmet, so atmet der physische und der Ätherleib morgens beim Erwachen den Geist ein» in seiner ganzen Bedeutung klar macht, meditativ darüber nachdenkt. Unser materialistisches Zeitalter will ja nur gelten lassen, was es sinnlich wahrnimmt, aber geradeso wie es den Geist leugnet, könnte jemand die Luft leugnen, weil diese schon mit der feineren Sinnlichkeit wahrgenommen wird. Der Esoteriker soll sich gewöhnen, die äußeren Geschehnisse nur als Buchstaben, als Zeichen eines Weltenwortes anzusehen. Der Esoteriker würde bei dem Worte «aber» zum Beispiel auch nicht fragen: Ist das b die Wirkung des a? - sondern er weiß, daß die­se Zusammensetzung der Buchstaben nötig ist, um das Wort zu formen. So soll der Esoteriker weniger nach Ursache und Wir­kung fragen, sondern sich sagen, daß die Dinge und Ereignisse nötig sind, um Weltenworte zu formen.

Der Exoteriker ist ja nur zu geneigt, alles nur unter dem Ge­sichtswinkel von Sympathie und Antipathie zu betrachten. Er ist

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sehr schnell dazu bereit, nur das anzunehmen, das zu beachten, was ihm gefällt, und das andere womöglich gar nicht zu beob­achten. Es gibt eine besondere Art Geisteskrankheit, die beob­achtet worden ist: daß ein sonst ganz normal handelnder Mensch plötzlich von Ort zu Ort reist und schließlich an einem dieser Orte wie erwacht, sich auf sich selbst besinnt und sich an nichts erinnert, was in der Zeit seit seiner Abreise geschehen ist. Wenn man okkult nachforscht in der Vergangenheit eines so Erkrankten, kann man finden, daß er mit der größten Interesse­losigkeit schon früher an vielen Dingen dieser Welt vorüberging und dadurch sein Ich in hohem Grade geschwächt hat. Es ist eine Schwächung, fast wie ein zeitweises Verlorengehen des Ich.

Der Theosoph neigt auch oft dazu, sich von der Außenwelt abzuwenden. Ein liebevolles Interesse für unsere Umgebung ist aber unbedingt notwendig, wenn man Fortschritte machen will. Deswegen braucht man das, was man theosophisch anstrebt, nicht zu vernachlässigen.

Das Ich erfaßt sich also in der Erinnerung, und hohe Wesen­heiten haben uns das Ich und die Erinnerung gegeben. Das sich in der Erinnerung erfassende Ich ist wie ein Buchstabe, den der Esoteriker lernen muß und den die Götter in den Weltenraum geschrieben haben. Die das Ich verleihenden hohen Wesenheiten haben ihren Sitz auf der Sonne; sie geben uns das, was von In­karnation zu Inkarnation geht. Unseren physischen Körper er­hielten wir von Kräften, die durch die Generationen herunter wirken, und diese Kräfte wirken auf uns von dem Kreise aus, der durch die Mondbahn beschrieben wird. Was so von Genera­tion zu Generation geht, ist wie ein zweiter Buchstabe. Wir können das schematisch aufzeichnen. Das sich in der Erinnerung bewußt werdende Ich als Erde zeichnen wir als Punkt und darum herum die Mondbahn als Kreis. Wenn der Mond durch irgendeine Kraft an eine andere Stelle gerückt würde, was wür­de dadurch für die Erde entstehen? Die durch die Generatio­nen wirkenden Fortpflanzungskräfte würden vertrocknen. Die Menschheit würde sich nicht mehr fortpflanzen und würde aussterben.

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Der wahre Esoteriker muß also voll ehrfürchtigen Dan­kes zu den Wesen aufblicken, die von außen durch die Mond-kräfte auf ihn einwirken, und sich sagen, daß er ihnen seine Entwicklung durch die Generationen hindurch verdankt. Wenn der Mond einst dadurch, daß die Anziehungskräfte der Erde so stark geworden sind, in diese hineingeht, wie es in Zukunft ge­schehen soll, so wird die Menschheit am Ende ihrer physischen Entwicklung angekommen sein.

Von der Sonne aus erhalten wir die Kräfte, die unser Ich stär­ken, und wir sollen die Sonne nicht nur anglotzen, sondern die Gedanken in uns entstehen lassen: Du herrlicher Weltenkörper, durch dich, durch deine Sonnengnadenkräfte erhielt ich mein Ich und alle Kräfte, die mit ihm zusammenhängen. In scheuer Ehrfurcht danke ich dir! - Wir können die Sonnenkräfte als zweiten Kreis zeichnen. Damit aber das, was aus den Generationen,

#Bild s. 126

und das, was aus der Reihe der Inkarnationen kommt, zu­sammenkommen kann, daran wirken Kräfte mit, die noch über der Sonnenbahn liegen, die Merkurkräfte. Durch sie erhielten wir auch unseren Verstand, der an das Gehirn gebunden ist. Und wenn wir in die Richtung des Merkur blicken, und über­haupt immer, wenn wir unsere Verstandeskräfte brauchen, sollen wir uns mit Dank gegen diese Wesenheiten erfüllen, die ihn uns gegeben haben.

Aber es gibt noch etwas Höheres als den bloßen Verstand. Die Entwicklung würde nicht haben fortschreiten können, sie ware immer auf dem gleichen Standpunkt geblieben, wenn nicht immer neue schöpferische Gedanken eingeflossen wären. Heut­zutage lernen die Kinder in der Schule Dinge, welche die Pytha­goreer in ihrer Weisheit noch nicht gewußt haben, und dieses fortwährend neu Einfließende stammt aus einer Sphäre über

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dem Merkur, von der Venus. Durch diese fließen die schöpferi­schen Gedanken, die sich zum Beispiel in Erfindungen äußern, in die Entwicklung. Dadurch nur ist der Fortschritt möglich. Dieses Denken geht nicht so durch den Verstand, ist nicht so an das Gehirn gebunden, sondern ist leichter, gefühlsmäßiger.

Über die Sphäre der Venus hinaus liegen nun erhabene Kräf­te, die nicht mehr direkt auf die Menschheit wirken. Sie wirken durch die Venuskräfte und befruchten diese. Es sind die Mars­kräfte. Damit diese nun in ihrem Zusammenwirken mit Venus nicht kriegerisch wirken, strömt von einem noch weiteren Um­kreis, dem des Jupiter, eine erhabene göttliche Lichtkraft ein, das geistige Licht, das für den gewöhnlichen Menschen unwahr­nehmbar und Finsternis ist. Der Esoteriker kann sich eine Emp­findung dafür erwerben, wenn er in Dankbarkeit aufblickt zu diesen erhabenen Weltenwesen, die ihre Gnade auf uns herab-strömen lassen. Und dieses innere geistige Licht, das man nur innerlich erfassen kann, empfindet man auch als Wärme, wenn man sich auf noch fernere Höhen konzentrieren kann, auf den Saturnumkreis, dessen Wesen Wärme herabströmen lassen durch die anderen Sphären.

Zwischen dem Zusammenwirken von Mars und Venus ist nun der Sonnenkreis der dritten Sonne. Diese dritte Sonne wur­de in allen Mysterien gelehrt. Die erste ist die schöpferische physische, die uns ihre wärmenden Strahlen sendet. Die zweite ist die dahinterstehende geistige, die uns das Ich verlieh, und die dritte ist die hohe Trägerin des Christus-Prinzips, der Christus, der uns mit seinen Gnadensonnenkräften das höhere Ich ver­leiht. Von dieser dritten Sonne geht seit der Zeit des Mysteriums von Golgatha eine Verbindung zur Erde. Es ist die Sonne, von der der Paulinische Satz spricht: «Nicht ich, sondern der Chri­stus in mir», der Christus, den jeder Mensch seitdem empfangen kann. Diese dritte Sonne wurde den christlich Einzuweihenden offenbar durch die Einweihung, und die Tragik in Julian Apos­tatas Geschick ist die, daß er die dritte Sonne kannte und sie nicht mit dem Christus identifizieren konnte.

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#Bild s. 128

Dieser sieben Sphären sollen wir uns erinnern, wenn wir die sieben Rosen unseres Rosenkreuzes betrachten; sie sind ein Symbol dafür. Durch den Christus-Kreis werden die Wirkungen der Sphären in zwei Teile geteilt, in einen unteren aus vier Krei­sen, dessen Kräfte von unten wirken, und einen oberen geistigen von drei Kreisen, die indirekt wirken. Für den geistigen oberen Teil gilt der Spruch: Per Spiritum Sanctum reviviscimus - im Heiligen Geiste werde ich wiedergeboren, für den unteren:

Ex Deo nascimur. Und die Verbindung zwischen beiden stellt Christus her: In - morimur.

* *

Aufzeichnung G

Nur dann vermag der Esoteriker etwas zu erreichen in seiner okkulten Entwicklung, wenn er ernst und wahrhaftig stets da­nach trachtet, sich in der physischen Welt zu empfinden als seelisch-geistiges Wesen, aus einer seelisch-geistigen Welt. Es ist schon in dem gestrigen öffentlichen Vortrag auseinandergesetzt

- - -

* Nach einer anderen gleichlautenden Vorlage sind die Kreise farbig von innen

nach außen. violett, rötlich, gelb, blau, rot, violett, grün.

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worden, wie wir empfinden sollen den Zustand des Einschlafens als ein Ausatmen und den Zustand des Erwachens als ein Einat­men des geistigen Wesens, geradeso wie wir ein- und ausatmen die Luft, die uns umgibt. So etwas muß der Esoteriker empfin­den. Er muß sich dadurch unterscheiden in seinen Gefühlen von dem Exoteriker.

Der Mensch der heutigen Zeit schaut an die Tiere, die Pflan­zen, die Mineralien, schaut herauf zur Sonne, zum gestirnten Himmel und will in allen Erscheinungen der Umwelt die Ursa­chen ergründen. Das ist auch in gewissem Sinn berechtigt und notwendig für unser Zeitalter. Der Esoteriker aber muß dahin gelangen, nicht nur die äußere Gesetzmäßigkeit in allen Dingen zu erkennen, sondern wenn er hinblickt auf Tiere, Pflanzen, Mineralien, hinauf zur Sonne und den Sternen, dann muß er sehen in allen diesen Erscheinungen den Ausdruck des dahinter­stehenden Geistes. Er muß dazu kommen, die Worte lesen zu können, die hineingeschrieben sind in den Himmelsraum, zu­sammengefügt aus einzelnen Buchstaben, wie man auch ein Wort zusammenfügt aus einzelnen Buchstaben und ihm dadurch seine Bedeutung gibt. Okkulte Schriftzeichen sind überall zu finden im Weltenraum, und sie müssen entziffert werden.

Stellen wir einmal ein solches okkultes Schriftzeichen vor uns hin. Da müssen wir zunächst einmal betrachten den Menschen als ein in sich gefestigtes, in sich bewußtes Ich. Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, sich bis zu einem gewissen Punkte zurück­zuerinnern. Das geschieht dadurch, daß er sich seines Ich bewußt ist. Dies ist der normale Zustand des Menschen, dieses Bewußtsein seines Ich. Es gibt aber einen krankhaften Zustand, in welchem dem Menschen dieses Ich-Bewußtsein verlorengeht. Es ist vorgekommen, daß ein Mensch zum Beispiel sich ein Bil­lett nimmt nach einer beliebigen Station. Das geschieht noch in ganz normalem Zustand. Dann aber reist er plötzlich von Sta­tion zu Station, um sich erst an einem Punkte von Afrika viel­leicht wieder als sich selbst zu erkennen, sich selbst wieder zu finden. Diese Menschen haben tatsächlich ihr Ich eine Zeitlang

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verloren. Auf geisteswissenschaftlichem Wege ist das ganz genau zu sehen. Sie reisen von Stadt zu Stadt, oft in praktischerer Weise als andere Menschen. Die Verstandestätigkeit ist nicht ausgeschaltet, aber das Ich-Bewußtsein, der wichtige Bestandteil des Ich ist verlorengegangen. Dieses Ich-Bewußtsein kann man verstärken, wenn man allen Dingen, die uns in der Außenwelt entgegentreten, Interesse entgegenbringt.

Manche Theosophen zum Beispiel werden einseitig in ihren Bestrebungen. Das ist aber nicht das Rechte. Man darf nicht gleichgütig werden gegen die Dinge und Tatsachen um sich her­um; alles soll man in sich aufnehmen. Viele Menschen empfin­den gleich bei allem, was sie sehen, ein Gefühl der Sympathie oder Antipathie. Sie sagen gleich: Das gefällt mir, das nicht. Und was ihnen nicht gefällt, das beachten sie nicht. Wenn dies nur mit dem Verstand geschieht, so ist es weniger gefährlich. Dann bleibt es objektiv. Durch das Gefühl aber wird es subjektiv ge­färbt. Wir sollen alles ansehen und beachten, auch das, was uns nicht gefällt und interessiert. Dadurch wird das Ich-Bewußtsein immer mehr und mehr verstärkt.

Denken wir uns nun einmal dieses in sich selbst gefestigte Ich als diesen Punkt im Weltenraum: · Damit nun ein solches Ich sich in einem physischen Körper erleben, sich betätigen kann, müssen Kräfte hinzutreten, die wir uns denken als diesen 0 [Kreis] um den Punkt gezogen Dieses Schriftzeichen hat der große Weltengeist schon seit langen, langen Zeiträumen hinein­gestellt in den Weltenraum: die Erde mit dem Mond. Von dem Monde strahlen dem Menschen zu die Kräfte der Fortpflanzung und Vererbung, die von Generation zu Generation gehen. Der Mond bewegt sich in einer ganz bestimmten Bahn um die Erde; erstes, zweites, drittes Viertel, Vollmond, Neumond. Und würde dieser Lauf nur einmal unterbrochen, der Mond aus seiner Bahn gerissen, so müßte das Menschengeschlecht untergehen. Am Ende der Erdenlaufbahn, wenn die Erde eine zu starke Anzie­hungskraft ausüben wird, wird sie den Mond wieder in sich auf­nehmen, und die Menschen müssen [als physische Menschen]

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untergehen. So blicken wir voll Dankbarkeit hin auf den Mond, der hereinsendet in die Menschenentwicklung seine Kräfte, die sich uns zeigen als Generationskräfte. Wir müssen sehen in dem Mond, wie er sich um die Erde bewegt, ein Zeichen der okkul­ten Schrift, das von erhabenen Wesenheiten hineingestellt ist in den Weltenraum als niederster Ausdruck ihres hohen Wirkens. Mond und Erde aber müssen bestrahlt sein von der Sonne, die hineinstrahlt in das Menscheninnere und in der sich widerspie­gelt das Menschen-Ich.

Und wenn wir hinaufblicken zur Sonne, so müssen wir sagen:

0, du herrliches Gestirn am Firmament, das du deine Strahlen hineinsendest in das Innere des Menschen und zurückstrahlst dieses Innerste, das Ich des Menschen! -

Und noch andere Kräfte strömen uns zu von den Himmels­körpern. Vom Merkur fließen in die Menschheitsentwicklung die Verstandes-Kräfte. Und wenn wir weiterforschen, so müssen wir uns fragen: woher kommen die Kräfte, die dem Verstande das gaben, was wir den Fortschritt des Menschengeschlechtes nennen? Wie viele Gedanken sind als Erfindungen eingeflossen in die verschiedenen Epochen bis zu der unsrigen? Jetzt lernen die Kinder in der Schule das, was vor der griechisch-lateinischen Zeit noch gar nicht gelehrt werden konnte, den pythagoreischen Lehrsatz. Diese Kräfte, die langsam hinein weben und wirken in den menschlichen Verstand und die zum Ausdruck kommen in den Erfindungen aller Zeiten, sie kommen von der Venus. Und verstärkend und schöpferisch fließen in sie hinein die Kräfte des Mars. Diese Marskräfte gleichsam in die rechten Bahnen zu len­ken, damit nicht der schöpferische Verstand allein herrscht, sen­det liebevolle Strömungen herunter aus noch höheren Welten Jupiter. Und wenn sich die Liebe immer mehr und mehr ver­stärkt in der Menschenseele, so wird sie zur Wärme, die uns herunterfließt vom Saturn. Zwischen Mars und Venus nun steht die Sonne, aber nicht eine Sonne nur gibt es, sondern eine drei­fache: eine physische Sonne, die dahinterstehende geistige und eine noch geistigere, die wir nennen den Christus.

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So sehen wir sieben Gestirne im Weltenraum: Die sieben Rosen des Himmeisraumes, wie wir sie sehen in unserem Sym­bolum, dem Rosenkreuz, als sozusagen Achtes die dreifache Sonne.

Die in der letzten esoterischen Stunde hier* gegebenen man­trischen Sätze kann man meditieren in dem Sinne und mit den Empfindungen, die sich aus dem heute Gesagten ergeben haben. Diese geistigste Sonne, den Christus, immer mehr und mehr zu erfassen, ihn immer stärker in sich zu erwecken und zu empfin­den, das muß die Aufgabe eines jeden Esoterikers sein. Es gab einen Eingeweihten der nachchristlichen Zeit, der nicht hinauf konnte zu diesem Christus, der ihn nicht erfassen konnte und dessen tragisches Ende dieser Tatsache zugrunde liegt. Es war Julian Apostata.

So müssen wir dahin gelangen, durch meditatives Nachden­ken dessen, was in dieser Stunde gegeben ist, immer mehr und mehr zu verstehen die Worte unseres Rosenkreuzerspruches: Ex Deo nascimur - In Christo morimur - Per Spiritum Sanctum re­viviscimus - und desjenigen Spruches, den uns gegeben die Mei­ster der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen [und den wir] am Ende einer jeden esoterischen Stunde [hören]:

Im Geiste lag der Keim meines Leibes

In meinem Leibe liegt des Geistes Keim . .

Blei - Buche - Saturn

Gold - Esche - Sonne

Silber - Kirsche - Mond

Eisen - Eiche - Mars

Quecksilber - Rüster - Merkur

Zinn - Ahorn - Jupiter

Kupfer - Birke - Venus

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* Stuttgart Fzwischen 17. und 20.] Februar 1913.

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Mond - Weisheit

Merkur - Empfänglichkeit für das Göttliche

Venus - Religiosität, Moral

Sonne - Liebe

Mars - Kampfesfreudigkeit, Widerstandsfähigkeit

Jupiter - [Angabe fehlt]

Saturn - Opferfreudigkeit

#Bild s. 133

Aufzeichnung D

Der Esoteriker soll alles, was gesagt wird, mit tiefem Ernst in seine Seele aufnehmen. So hat auch dasjenige, was gestern im öffentlichen Vortrag [über «Lebensfragen und das Todesrätsel»] gesagt wurde, eine sehr tiefe Bedeutung. Das dort angeführte Beispiel, daß der Mensch, so wie er die Luft einatmet, die die ganze Erde umgibt, er ebenso das Geistig-Seelische, das uns ge­nauso von allen Seiten umgibt, einatmet beim Aufwachen und

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ausatmet beim Einschlafen, soll von dem Esoteriker tief durch­dacht werden. Der exoterische Mensch fragt bei allem nach Ursache und Wirkung; die ganze heutige Wissenschaft beruht ja darauf. Unsere Zeit ist stolz darauf, so exoterisch wie nur mög­lich zu sein und alles in ein Verhältnis von Ursache und Wir­kung zu bringen. Der Esoteriker soll sich aber anders beneh­men. Er frägt nicht nach der Ursache oder der Wirkung der Erscheinungen, sondern nach ihrer Bedeutung und nach demje­nigen, was sie im ganzen Weltall darstellen. Für den Esoteriker wird alles zu Zeichen, zu Buchstaben, zu Worten. Ebensowenig wie man beim Sehen oder Hören eines Wortes, zum Beispiel beim Worte «aber» danach frägt, ob das b die Wirkung ist des a, ebensowenig kann man das in Wirklichkeit bei anderen Er­scheinungen tun. Der Esoteriker ist deshalb ein Esoteriker, weil er die Dinge als Buchstaben einer Schrift betrachtet, die er zu einem Ganzen zu verbinden sucht.

So kann der Esoteriker zwei Erlebnisse haben, die für ihn Zeichen sind für etwas anderes. Das eine ist, daß wir uns be­wußt sind, daß wir uns als Seele erleben dadurch, daß wir uns von einem bestimmten Zeitpunkt unseres Lebens ab zurückerin­nern können, uns als Ich empfinden. Würde diese Erinnerung auslöschen, wie es in krankhaften Zuständen ja vorkommen kann, so würden wir als Ich, als Seele ausgelöscht sein. So kann es geschehen, daß jemand zum Beispiel eine Fahrkarte nimmt nach einer Stadt in Mitteleuropa. Unterwegs löscht sich seine Erinnerung an sich selbst aus; trotzdem kann ein solcher Mensch weiterreisen und kann vielleicht in einer viel gescheite­ren Art sogar weiter handeln als im normalen Leben. Er kann so lange weiterreisen, bis er sich selber wiederfindet, zum Beispiel in einem Orte von Nordafrika. Es ist gleichsam ein Buchstabe in dem Weltenwort, das diese Seele darstellt, verlorengegangen. Und wenn man solchen Menschen nachgeht, um zu sehen, was noch weiter an diesem Worte fehlt, dann findet man gewöhn­lich, daß sie schon im normalen Leben Mangel an Interesse hatten. Allseitiges Interesse für dasjenige, was um uns herum

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geschieht, soll der Esoteriker entwickeln. Er darf nicht auf dem Standpunkt stehenbleiben: das gefällt mir, und das gefällt mir nicht, das heißt auf dem Standpunkt der Sympathie oder Anti­pathie. Dieser Standpunkt ist nicht so gefährlich, wenn nur mit dem Verstande geurteilt wird, aber es wird gefährlich, wenn die Gefühle sich dazugesellen.

Das andere Erlebnis ist dieses, daß wir uns als Mensch stehen fühlen innerhalb der Generationenreihe. Vor uns war die Gene­ration unserer Eltern, Großeltern und so weiter hier auf Erden, nach uns kommt diejenige unserer Kinder, Enkelkinder und so weiter. Diesem Strom der Generationen verdanken wir unseren Körper. Nehmen wir diese zwei Gedanken zusammen, dann können wir dies symbolisch so zeichnen: Der Mittelpunkt sei unser Ich, der Ring da herum dasjenige, wovon die Wirkung der Generationen ausgeht, die uns den Leib gegeben haben.

#Bild s. 135

Dieses Zeichen nun haben die Götter für uns aufgeschrieben, und das können wir schauen, wenn wir die Erde mit dem sie umkreisenden Mond betrachten. Und für das Ich schauen wir hinauf zur Sonne, und wir wissen: ohne die Sonne könnte nie­mals ein Ich im Menschen sein, so wie ohne den Mond oder mit einem Versetzen des Mondes das Menschengeschlecht verküm­mern müßte.

Und wenn wir uns zum Merkur erheben - im Sinne der gei­stigen Hierarchien, das heißt okkult genommen -, dann sehen wir in ihm denjenigen, der die Erdentwicklung ermöglichte, in­dem er dem Menschen das Denken gab. Ohne dieses könnte der mit dem Ich und dem Leibe begabte Mensch nichts anfangen. Aber durch das Denken allein könnte nichts Neues in der Ent­wicklung entstehen, es könnte kein Fortschritt sein. Dazu sind

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Entdeckungen, neue Gedanken notwendig, und daß es solche gibt, das verdanken wir der Venus. Heute lernen schon die Kinder in der Schule, was früher als tiefste Weisheit galt, zum Beispiel das Theorem des Pythagoras; darin besteht eben der Fortschritt.

Nun steigen wir über die Sonnenwirkung hinauf zu demjeni­gen, was vom Mars kommt; das ist dasjenige, was - indem es sich mit Venus verbindet, die neuen schöpferischen Gedanken ermöglicht. Inspirationen für den Fortschritt der Menschheit gibt uns Mars. Daß aber diese Marskräfte in ihrem Zusammen­hang mit den Venuskräften nicht zu kriegerischen Folgen füh­ren, dafür sagen wir Dank dem Jupiter. Wer sich in die Jupiter­kräfte einleht, fühlt sich in einer Sphäre des Lichtes, das ihm die Weisheit schenkt. Und wenn er sich in dieses Licht vertieft, kann er in ihm kalte und warme Strahlungen unterscheiden. Das ist dann dasjenige, was ausgeht vom Saturn.

#Bild s. 136

Zwischen den beiden Reihen: Mond, Merkur, Venus und Mars, Jupiter, Saturn steht die Sonne in ihrer Wirkung. Die un­teren Planeten wirken unmittelbar auf den Menschen und die Erdverhältnisse ein, die oberen wirken mittelbar. Mars wirkt, indem er sich mit der Venus verbindet, so wie durch das Schen­ken einer Inspiration, damit die Menschheit weiterkommen könne.

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Jupiter wirkt wie eine Gnade, die Marskräfte so beeinflus­send, daß diese nicht kriegerisch werden; und Saturn gibt die Begeisterung.

Die Sonne steht mitten zwischen diesen beiden Reihen darin­nen und hat auch eine doppelte, ja dreifache Natur. Es ist eines der Geheimnisse des Okkultismus, daß es drei Sonnen gibt. Die Sonne ist die Lichtbringerin, das ist die erste Sonne, deren Licht uns die physischen Gegenstände auf der Erde sichtbar macht. Und in diesem Lichte ist etwas Spirituelles enthalten, das von der zweiten Sonne herrührt, derjenigen Sonne, die uns das Ich geschenkt hat, wodurch wir eine Erinnerung haben, so daß wir ein in sich geschlossenes Seelenleben haben können. Aber dahin­ter liegt etwas noch Geistigeres, das ist die dritte Sonne, der Sonnengeist, Christus. Er ist es, der dem Ich, das durch die Erinnerung bloß besteht, die Möglichkeit gibt, indem es von Inkarnation zu Inkarnation schreitet, zum ewigen Leben zu ge­langen. Diese dritte Sonne hat sich seit dem Mysterium von Golgatha mit der Erde vereinigt. Die Wissenschaft darüber hat das Rosenkreuzertum bewahrt. Julian der Abtrünnige hatte noch eine Ahnung von den drei Sonnen. Daß er in der dritten, der geistigsten Sonne, den Christus nicht finden konnte, das wurde ihm in derjenigen Zeit, in der er eben lebte, zum Verhängnis.

Nehmen wir, wie es sich gehört, Mond und Erde als eins zusammen, oder rechnen wir die Erde nicht mit, dann haben wir in den sieben Planeten die sieben Lichtrosen, die das Rosenkreu­zertum vor uns hinstellt. Und mit Mond, Sonne und den übri­gen Planeten verbindet es den dreiteiligen Rosenkreuzerspruch:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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Aufzeichnung E

Okkultes Zeichen: 0 Vordermark mit Lotusblume Alles, was uns umgibt, ist äußerer Ausdruck eines dahinterste­henden Geistigen. Der Esoteriker muß dazu kommen können, die Worte zu lesen, die hineingeschrieben sind in den Himmels-raum, zusammengefügt sind aus einzelnen Buchstaben. Er muß lesen lernen diese okkulte Schrift. Okkulte Schriftzeichen sind überall zu finden im Weltenraum. Der Esoteriker hat die Aufga­be, sie zu entziffern. Ein solches okkultes Schriftzeichen, das die mannigfaltigste, die ungeheuerste Bedeutung hat, ist: 0. Wenn wir es in seiner einen Bedeutung entziffern wollen, müssen wir betrachten den Menschen als ein in sich geschlossenes, sich sei­ner selbst bewußtes Ich. Jeder Mensch besitzt die Fähigkeit, sich bis zu einem gewissen Punkt zurück zu erinnern. Das geschieht dadurch, daß er sich seines Ich bewußt ist in normaler Weise. Es gibt aber einen krankhaften Zustand, in welchem dem Menschen verloren geht dies Ich-Bewußtsein. Solche Menschen handeln scheinbar ganz vernünftig, machen in praktischer Weise eine Reise z.B., aber ganz ohne Zweck und Ziel, sie wissen nichts von sich, oft nicht einmal ihren Namen. Die Verstandestätigkeit ist nicht ausgeschaltet, wohl aber das Bewußtsein vom Ich. Das kommt ihnen dann ganz plötzlich wieder. Verstärken kann man das Ich-Bewußtsein, wenn man allen Dingen, die uns in der Außenwelt entgegentreten, ein liebevolles Interesse entgegen­bringt. Nie darf man einseitig oder gar gleichgültig werden ge­gen Dinge, Tatsachen, Menschen um uns herum. Alles soll man in sich aufnehmen, aber ohne gleich bei allem ein Gefühl von Sympathie oder Antipathie zu haben. Nicht gleich sagen, das gefällt mir, das nicht und das letztere nicht beachten. Man soll alles zu erkennen trachten, ohne subjektive Gefühle dabei zu haben, alles auch, was uns nicht gefällt. Dadurch wird das Ich immer mehr verstärkt.

Denken wir uns nun dies in sich selbst gefestigte Ich als einen . [Punkt] im Weltenraum. Das Ich ist ein solcher Punkt. Damit

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es in einem Körper sich erleben kann, müssen Kräfte hinzutre­ten. Denken wir uns diese als einen 0 [Kreis] um den e [Punkt] herum 0. Schon seit langen, langen Zeiten hat der große Wel­tengeist dies Schriftzeichen hineingestellt in den Weltenraum als die Erde mit dem Mond. Von dem Monde strahlen dem Men­schen zu die Kräfte der Fortpflanzung, Vererbung, alles, was von Generation zu Generation geht. Der Mond bewegt sich in einer ganz bestimmten Bahn um die Erde, als erstes, zweites, drittes Viertel, Vollmond etc. Würde nur einmal dieser Lauf un­terbrochen, der Mond aus seiner Bahn gerissen, so müßte das Menschengeschlecht untergehen. Am Ende der Erdenlaufbahn, wenn die Erde eine zu starke Anziehungskraft ausüben wird, wird sie den Mond wieder aufnehmen, und die Menschen, als physische Menschen, müssen untergehen.

So blicken wir voll Dankbarkeit hin auf den Mond, der her­einsendet in die Menschenentwicklung seine Kräfte als Gravita­tionskräfte. Wir sehen in ihm ein Zeichen der okkulten Schrift, das von erhabenen Wesenheiten hineingestellt ist in den Welten-raum als niederster Ausdruck ihres hohen Wirkens.

Mond und Erde aber müssen bestrahlt sein von der Sonne. Die strahlt hinein in das Menscheninnere, und in ihr spiegelt sich wider das Menschen-Ich. Und wenn wir hinaufblicken zur Sonne, so müssen wir sagen: 0 du herrliches Gestirn am Firma­ment, daß du deine Strahlen hineinsendest in das Innere des Menschen und zurückstrahlst dieses Innerste, das Ich des Men­schen - wir danken dir dafür.

Und noch andere Kräfte strömen uns zu von den Himmels­körpern. Vom Merkur fließen herein in die Menschheitsentwick­lung die Verstandeskräfte. Und wenn wir weiter forschen, so müssen wir fragen: woher kommen die Kräfte, die dem Verstan­de das geben, was wir den Fortschritt des Menschengeschlechts nennen? Wie viel Gedanken sind als Erfindungen eingeflossen in die verschiedenen Epochen bis zu der unsrigen. - Jetzt lernen die Kinder in der Schule das, was vor der griechisch-lateinischen Zeit noch nicht gelehrt werden konnte: den pythagoreischen

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Lehrsatz. - Diese Kräfte, die langsam hineinwirken in den menschlichen Verstand und den Menschen zu Erfindungen trei­ben, kommen von der Venus, und verstärkt in die schöpferische Inspiration hineinfließend kommen sie vom Mars. Diese Mars-kräfte in die rechten Bahnen zu lenken, damit nicht der schöpfe­rische Verstand allein herrscht, sendet liebevolle Ströme herunter Jupiter, aus noch höheren Welten. Und wenn sich die Liebe immer mehr und mehr verstärkt in der Menschenseele, so wird sie zur Wärme, die uns herunterfließt von Saturn.

Da sehen wir die sieben Rosen des Himmelsraumes und in ihrer Mitte ausstrahlend die achte Rose, die dreifache Sonne. Denn es gibt nicht nur die eine Sonne, die wir physisch wahr­nehmen, hinter ihr steht die geistige Sonne, von der die physi­sche Sonne nur das äußere Kleid ist, und hinter dieser steht eine noch geistigere Sonne, die wir nennen den Christus. Diese gei­stigste Sonne, den Christus immer mehr zu erfassen, ihn immer stärker in sich zu erwecken, das muß die Aufgabe jedes Esoteri­kers des Rosenkreuzes sein.

Es gab einen Eingeweihten der nachchristlichen Zeit, der nicht hinauf konnte zu dieser geistigsten, der dritten Sonne, dem Christus. Er konnte ihn nicht erfassen, und seinem tragischen Ende liegt diese Tatsache zugrunde. Das war Julian Apostata.

0 Menschen-Ich 0 Mond 0 Sonne

und seine Hüllen und Erde und Ich

0 die sieben Himmelsrosen mit der achten.

Mond: Weisheit - Silber - Kirschbaum

Merkur: Empfänglichkeit für das Göttliche - Quecksilber - Rüster

Sonne: Liebe - Gold - Esche

Venus: Religiosität - Moral - Kupfer - Birke

Mars: Kampfesfreudigkeit - Widerstandsfähigkeit - Eisen -Eiche

Jupiter: . . . - Zinn - Ahorn

Saturn: Opferfreudigkeit - Blei - Buche

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IAufzeichnung F (Auszug)

Einleitung über Einatmen und Ausatmen.

Wachen: Einatmen des Seelischen

Schlafen: Ausatmen des Seelischen.

Der Exoteriker erkennt alles nach Ursache und Wirkung. Dem Esoteriker ist es wie ein Lesen in einer Schrift des Göttlich-Gei­stigen. So muß der Esoteriker unterscheiden lernen den Keim des Menschen und das, was als Geistiges darin. Das ist die zwei­fache Vererbung. Das, was durch die Generationen sich hin­durchentwickelt, fortpflanzt, und das, was als Geistiges sich hin-durchzieht. Der Kern des Menschen, der von dem, was ihm von den Vätern vererbt ist, umgeben ist, kann in dieser Schrift in Buchstaben ausgedrückt werden. Der Kern: ein Punkt, umgeben von einem Kreis. [...]

#Bild s. 141

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Helsingfors, I Juni1913

#TX

In unseren esoterischen Stunden müssen wir uns erheben zu den göttlichen Wesen um uns herum, und weil wir als Esoteriker wissen, daß sehr viele Stufen uns trennen von der göttlichen Wesenheit, worüber im exoterischen Leben so leichtfertig ge­sprochen wird, wenden wir uns zu den Göttern, die zwischen uns und den höchsten geistigen Regionen stehen, zu den Göt­tern der Tage. So stellen wir uns bewußt in das Zeit-Miterleben, Miterleben des Regierens der verschiedenen Götter an den ver­schiedenen Tagen. *

Als Esoteriker muß vieles für uns anders werden, als es im gewöhnlichen Leben ist. Wir müssen beginnen, uns als Lebende zu fühlen im großen Meer des Seelisch-Geistigen um uns herum, und wissen, daß, ebenso wie wir physisch eins sind mit der umgebenden Welt durch die gemeinsame Luft, die wir einatmen, wir geistig-seelisch eingebettet sind in die geistige Welt um uns herum. Beim Erwachen des Morgens atmen wir in einem langen Atemzug den Geist, der wir selbst sind, ein, und beim Einschla­fen wieder aus, zurück in die geistige Welt. Alles wird anders um uns herum; wenn wir das Sonnenlicht sehen, sehen wir es als Esoteriker nicht mehr nur physisch, sondern wir wissen, daß ohne das Sonnenlicht wir uns nicht als Ich fühlen könnten, daß das Sonnenlicht zugleich die icherzeugende Kraft in sich schließt. Und wenn wir auf den Mond sehen mit seiner wechsel­haften Gestalt, dann wissen wir, daß damit zusammenhängt die Kraft, die uns befähigt, Nachkommen zu haben. Das Leben, das durch die Generationen geht, hängt mit dem Monde zusammen. Wir können das in Symbolen überall sehen. Wir sehen die Sonne auf- und untergehen. Und wir sehen die vier wechselnden Ge­stalten des Mondes und begegnen dem in dem Symbol mit den

- - -

* Hier wurde offenbar das Gebet an den Geist des Tages (Sonntag) gesprochen

S.13.

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vier Rosen, was uns Symbol sein kann für die Sonnen-Ich-Kraft und die Mondes-Fortpflanzungskraft (Regenerationskraft).

#Bild s. 143

Aber dazu müssen wir lesen können und nicht mehr einfach die Dinge anstarren. Und dann sehen wir im Merkur den Boten, und wissen, daß durch seine Kraft unser Ich in Zusammenhang mit der Fortpflanzungskraft gebracht wird, daß der Bote, der okkulte Merkur, die Verbindung darstellt. Und so, denkend an die Sphäre, woraus wir jeden Morgen ebenso wie bei jeder Ge­burt kommen, können wir mit Ehrfurcht in uns tönen fühlen:

E.D.N. - und dann wissen wir, daß hinter der physischen Sonne und der icherzeugenden Sonne noch eine dritte Sonne ist, die Christus-Kraft, womit wir uns verbinden können: I.C.M. - und dürfen dann auch hoffnungsvoll folgen lassen das P.S.S.R.

*

#SE266c-144

#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Helsingfors, 5. Juni1913

#TX

Eine der Klagen der Esoteriker ist die, daß sie bestürmt werden durch Gedanken während der Meditation, aber das ist natürlich. Das sind die luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten, die wir vorher nicht bemerkten, die aber gerade durch die Medita­tion bemerkbar werden. Es tut nichts zur Sache, daß wir Ahri-man und Luzifer nicht sehen. Zu sagen, daß die Gedanken, die uns bestürmen, nicht da sind, würde ebenso töricht sein, wie zu sagen, daß jemand, den wir in einer dunklen Kammer fühlen, doch nicht da sei, weil wir ihn nicht sehen.

Man muß gegen solche Gedanken nicht ankämpfen. Das wür­de sein, als würden wir uns wehren gegen einen Bienenschwarm; gerade durch ruhiges und stilles Fortsetzen unserer Meditation müssen sie uns von selbst verlassen. In vielen Dingen mussen wir anders denken lernen. Unsere Meditation hängt eigentlich gar nicht von der Zeit ab, sondern von der Intensität, vom voll­kommenen Interesse an unserem Meditationsstoff.

Viel unnützes Denken wird uns verursacht durch die Adyar­Geschehnisse, und viele unserer theosophischen Freunde waren genötigt, weil sie ihre Zeit darangeben mußten, unnütze Gedan­ken zu denken, statt sich dem geistigen Fortschritt widmen zu können. Da sind Kräfte am Werk, die uns schaden wollen, aber da sie auf den reinen Okkultismus, der sich rein und stark in der Wahrheit halten will, auf okkulte Manier nicht viel Angriffs-möglichkeiten haben, versuchen sie jetzt uns zu hindern und zu schaden, indem sie uns unsere Kräfte anwenden lassen auf all das unnütze Geschreibe, wodurch wir Zeit, die wir anders bes­ser verwenden könnten, hieran geben müssen.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Stockholm, 8. Juni1913

#TX

Esoteriker zu werden und zu sein ist nicht etwas Bequemes, und es würde auch nicht möglich sein, wenn es etwas Bequemes wäre, so sonderbar das klingen mag.

Eines derjenigen Dinge, die dem Esoteriker am meisten not tun, ist die Befolgung des alten griechischen Weisheitswortes:

Erkenne dich selbst! Es klingt sonderbar, aber es ist dennoch wahr, daß der Mensch im Grunde genommen alles andere auf dem physischen Plane besser kennt als sich selber. Auch die an­deren Menschen kennt er im Grunde genommen besser als sich selber. Selbsterkenntnis ist deshalb so schwierig, weil derjenige, der beginnt sie zu üben, bald zu Entdeckungen gelangt, die ihm nicht angenehm sind; dann läßt man's lieber bleiben, geht nicht darauf ein.

Man soll aber auch eine Selbsterkenntnis des Menschen im allgemeinen üben. Wenn man das tut, gelangt man bald zu drei Entdeckungen. Diese bestehen darin, daß der Mensch, so wie er ist in seiner physischen Inkarnation, erstens den Geist nicht an­erkennen will, ihn leugnet; zweitens dem Geist entlaufen will, tatsächlich Furcht vor ihm hat; drittens den Geist im Grunde seiner Seele gar nicht liebt, sondern tatsächlich haßt.

Die Menschen wollen den Geist nicht anerkennen, wo dieser ihnen auf dem physischen Plane in seiner wahren Gestalt entge­gentritt. Wenn zum Beispiel jemand eine Rose sieht, so wird er sagen, daß er sich eine Vorstellung von der Rose bildet, aber er wird glauben, daß diese Vorstellung auch von der Außenwelt herrührt. Das ist ein Nicht-Erkennen des Geistes, denn in Wirk­lichkeit kommen unsere Vorstellungen, unsere Gedanken gar nicht von der Außenwelt her, sondern werden uns unmittelbar von der geistigen Welt aus geschenkt. Wenn die Menschen das hören, dann sagen sie: Nein, in dieser Form will ich den Geist nicht haben! Aber im Grunde genommen wollen sie den Geist

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überhaupt nicht haben, sondern laufen ihm am liebsten so weit wie möglich davon.

Nehmen wir an, an einer Anschlagsäule seien zwei Vorträge angekündigt: der eine über ein theosophisches Thema, so daß man von vornherein weiß, daß man bei dem Gesagten wird mit-denken müssen, mitarbeiten müssen mit seinem Geist; der an­dere Vortrag sei einer mit Lichtbildern. Wo gehen die Menschen am meisten hin? Bei dem Vortrag mit Lichtbildern brauchen sie nicht aus sich heraus aufmerksam zu sein, sondern ihre Auf­merksamkeit wird gezwungen, bei dem Gegenstand zu bleiben. Aber gerade dieser Zwang bewirkt, daß man es gar nicht selber ist, der da denkt, sondern Ahriman ist es. Bei einem theosophi­schen Vortrag wird ein jeder selbst aufgefordert, «dabei zu sein»; bei einem Lichtbildervortrag wird Ahriman aufgefordert, für die Menschen zu denken.

Die größten Geisterbeschwörer sind die Materialisten. Jede materialistische Versammlung ist nichts anderes als eine Be­schwörung Ahrimans, weil man im Grunde seiner Seele Furcht hat vor dem Geist. Die Menschen laufen davon vor dem Geist, weil sie ihn nicht lieben können. Es ist noch ein Glück unserer Gegenwart, daß es einzelne Menschen gibt, die instinktiv emp­finden, daß sie sich einlassen sollen auf dasjenige, was Theo-sophie zu geben hat, und die so zum Geiste gelangen. Aus den üblichen Neigungen der Menschen im physischen Dasein würde keiner dazu gelangen. Aber die Menschen lieben auch den Geist nicht.

Wie steht es eigentlich mit dem Lieben? Wenn der Hellsehei dieses erforscht, dann kann er zu bitteren Erfahrungen kommen, solange er diese Erfahrungen nicht im Lichte eines noch größe­ren Ganzen betrachtet. Nehmen wir an, zwei Menschen werden geboren, die durch ihr Karma dazu gehalten sind, in dieseni Leben einander zu lieben. Dann kann der Hellseher oftmals be­obachten, daß vor der Geburt dieser Menschen in der geistigen Welt die beiden einander gehaßt haben. Oder eine Mutter be­kommt ein Kind, das sie, nach der weisen Einrichtung der Weltenordnung,

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mit Liebe erzieht. Aber bevor sie geboren war, hat sie das Kind vielleicht gehaßt. Hier kommen wir auf ein Gebiet, wo die weise Weltenlenkung gerade besonders weise vorgegan­gen ist. Das, was die Menschen in «Liebe» aneinander bindet, ist nämlich in weitaus den meisten Fällen Egoismus. Man liebt den andern, weil man es als angenehm empfindet, in der Nähe des geliebten Wesens zu sein. Die guten Götter haben den Egoismus gebrauchen müssen, um die Menschen in Liebe zu erziehen. Ohne dieses Mittel des Egoismus zu ergreifen - nachdem der luziferische Einfluß nun einmal gekommen war -, könnten keine Menschen dazu gebracht werden, karmische Bande durch Liebe-verhältnisse auszuwirken; die Mutter würde das Kind, das kar­misch mit ihr verbunden ist, gar nicht zur Welt bringen wollen und so weiter. So ist in dieser Welt wirklich alles umgekehrt; die Liebe ist von Luzifer und Ahriman, der Egoismus von den fort­schreitenden Göttern gegeben, damit durch die Veredlung des Egoismus die Menschen zu wahrer Liebe gelangen können.

Es wird das hier gesagt, um damit auf das Folgende hinzu­weisen. Es kommen oft angehende Esoteriker und klagen über die Gedanken, die sie bei ihrer Meditation bestürmen. Das ist eigentlich ein Zeichen des Fortschrittes, daß man diese Gedan­ken spürt; es beweist, daß wir Luzifer und Ahriman nicht mehr nur in uns selber haben, sondern daß wir anfangen, sie als Mächte außer uns wahrzunehmen, denn solche heraufziehenden Gedanken sind ganz von Luzifer und Ahriman. Wenn alles so geblieben wäre, wie es ursprünglich beabsichtigt war, dann hätte nach der luziferischen Versuchung der Mensch seine Gedanken niemals vergessen können. Er hätte immer Zutritt gehabt zu der Akasha-Chronik, aber es wären Luzifer und Ahriman gewesen, die diese Chronik für ihn aufgeschrieben hätten. Daher mußten die guten Götter es so einrichten, daß der Mensch seine Gedan­ken auch vergessen kann.

Alles, was so in das Unbewußte hinuntersinkt, ist abgestor­ben, aber das alles fressen Luzifer und Ahriman. Sie machen es zu einem Teil ihres Wesens, und als luziferische und ahrimani­sche

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Natur kommt es bei den Menschen wieder heraus in der Meditation. Sobald jemand sich zum Meditieren anschickt, steigt bei Luzifer die Hoffnung auf: Vielleicht werde ich doch noch in der Welt siegen! Und dann bestürmt er den Menschen mit des-sen abgelegten Gedanken. Das liebt der Mensch eigentlich, die­ses Gehen von Gedanken zu Gedanken, und die Kontemplation, das In-sich-erfüllt-Bleiben mit einem Gedankeninhalt, das liebt er nicht.

Man beobachte einmal, wie lange ein Nicht-Esoteriker (bei einem Esoteriker ist noch ein gewisser [selbstauferlegter] Zwang dazu vorhanden) einen Vorsatz ausführt, um zum Beispiel, so wie der Essäerschüler, jeden Morgen für das Aufgehen der Sonne zu danken, wenn er sich dieses freiwillig vorgenommen hat. Wie wenige werden es weiter als einige Tage bringen!

In Wirklichkeit liebt der Mensch den Geist überhaupt nicht. Er muß sich mit Gewalt dazu zwingen, bestimmte Gedanken durch längere Zeit in seiner Seele zu behalten. Luzifer und Ah­riman sind es eigentlich, die der Mensch in Wahrheit liebt. Als Protest gegen diese Tatsache haben wir unseren Rosenkreuzer­spruch:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

München, 3. September 1913

Aufzeichnung A

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Tagesspruch für Mittwoch.

Aus allem, was wir exoterisch an uns haben vorüberziehen las­sen können in diesen Tagen, das Esoterische, das sozusagen zwi­schen den Zeilen zu finden war, herauszuziehen, muß unsere Aufgabe der nächsten Zeit sein. Darin besteht alle Esoterik, das, was wir exoterisch verstehen und begreifen können, mit der Seele, mit dem Gemüt aufzunehmen.

Wovon hauptsächlich in all diesen Tagen die Rede gewesen ist, das sind der Hüter der Schwelle, das sind Luzifer und Ahri­man. Die Reiche dieser beiden Letzten müssen wir erkennen ler­nen, um uns vor Übergriffen schützen zu können. Vor allem mussen wir uns hüten, Begriffe, die wir hier im Physischen uns gebildet und uns angeeignet haben, die für das Physische mit Recht bestehen, mit in das Geistige hinaufzunehmen beim Über­schreiten der Schwelle.

Die Philosophie ist zwar etwas, was manchen der hier sitzen­den Seelen ferner liegt, aber Ihr alle wißt ja, daß die Philosophie versucht, dem Menschen Lebensanschauungen und Weltan­schauungen zu geben. In der Philosophie wird hauptsächlich von zwei Dingen geredet:

Erstens von der Vielheit, indem alles auf kleinste Teile, Atome, Monaden zurückgeführt wird. So ist zum Beispiel die Leibnizsche Philosophie eine monadologisch-spirituelle Welt­anschauung; Haeckels Materialismus ist eine atomistische.

Das Zweite, wovon gesprochen wird in der Philosophie, ist die Einheit. Hierher gehört die Spinozistische Philosophie, und auch Hegels Weltanschauung kann man hierher nehmen.

Nun sind Vielheit und Einheit aber Begriffe, die nur für den physischen Plan gelten und keine Bedeutung für die geistige Welt haben, allenfalls noch für die elementare Welt. Früher

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arbeiteten Freunde mit uns, die Philosophie trieben. Und da kam eines Tages eine Persönlichkeit zu mir und sagte, sie könne nicht länger mit uns arbeiten, sie sähe die Einheit als einzig Wahres an; das täten wir nicht. - Und sie löste sich von uns ab.

Wer die Einheit anbetet und diese Begriffe mit ins Geistige hinaufnimmt, verfällt Luzifer. Wer die Vielheit als einzig Richti­ges ansieht, der verfällt Ahriman. Wer im Geistigen bewußt wird, und das ist das Haupterfordernis für den fortgeschrittenen Esoteriker, daß er während des Meditierens bewußt außerhalb seines Körpers ist, sieht zuerst sich selbst. Als hauptsächlichsten Eindruck hat er sich selbst vor sich, seinen physischen Körper und sein Verhältnis zu seiner physischen Wesenheit. Hier im Physischen fühlt man sich als Einheit der Umwelt gegenüber, die man als Vielheit ansieht. Man sieht Wolken, Berge, Bäume, kurz die verschiedenen Naturreiche um sich herum. Wollte man hier etwa glauben, die Wolke da oben sei ein Teil von uns selbst, wie ein Finger ein Teil von uns selbst ist, so würden wir uns einem starken Irrtum hingeben. Im Geistigen wird man sei­ner selbst als Vielheit gewahr; alle die Kräfte und Wesenheiten, die in der elementaren Welt an unserem physischen Leib wir­ken, sehen wir dort als Vielheit. Wie hunderttausend Narren sehen wir das da, ja wie Legion. Würden wir aber diese hun­derttausend Narren als Vielheit nur sehen und nicht sagen: Alle ihr kleinen Kerle da, ihr zusammen seid ja nur ich selbst; ihr alle zusammen in eurer Vielkerligkeit bildet ja nur mich als eine Ein­heit! - würde man das nicht mit aller Kraft und Energie und Selbstbesinnung sagen, so würde man Ahriman verfallen. Und nicht nur theoretisch, denkerisch müssen wir uns das jetzt sagen, was ja schließlich nicht so schwer sein würde, sondern wirklich erleben müssen wir diese Überzeugung, daß Vielheit im Geisti­gen Einheit ist. Täten wir das nicht, erkrafteten wir unsere Seele nicht zu diesen Empfindungen, sondern sähen wir diese hun­derttausend Narren als hunderttausend Narren an, so flögen Fetzen von uns fort, wir würden zerrissen in die Vielheit. Ahrimanische Wesenheiten würden aus unserem Wesen Stücke

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nehmen und sich damit verschleiern und uns Irrtum und Lüge vorspiegeln.

Gewisse wilde Völkerstämme kennen zum Beispiel Löwen nur als Vielheit. Sie können sie sich nicht als Einheit denken, als Gat­tung. Man muß die Begriffe von Einheit und Vielheit wirklich richtig erfassen und die, die nur für den physischen Plan passen, beim Überschreiten der Schwelle zurücklassen. «Der Seelen Erwachen», 4. Bild, Romanus: «Doch legte mein Verstand die Tempelstimmung / Am Tore ab, wenn er ins Leben trat.»

Durch die Meditation müssen wir unsere Seele so erkraften und stärken, daß sie, wenn sich ihr wirklich die Wesenheiten nahen in der geistigen Welt, sich so stark fühlt, daß sie sofort erkennt, ob sie sie zu Irrtum verführen wollen. Die Seele muß imstande sein zu sagen: Ihr seid Erbauer meines physischen Körpers.

In der theosophischen Literatur findet man oft Schemata auf­gestellt, die ja soweit ganz nützlich sind; man geht da von einer Einheit aus, dann gabelt sich das, und immer mehr geht es in die Vielheit. Oder man fängt mit der Vielheit an und geht bis zur Einheit hinauf. Und wenn diese Darstellungen auch vielleicht nicht ganz richtig sind, so schadet das nichts. Es schadet schon, aber nicht so viel, solange es auf dem physischen Plan bleibt. Will man aber mit diesem Begriff des Schemas die Schwelle überschreiten, so kann das furchtbar werden. Ein Schema kann als Lehrmittel dienen, wenn es nur als Sinnbild dient, wenn man sich bewußt bleibt, daß man dieselbe Sache durch diese oder durch hundertfältige andere Art darstellen kann; ist man sich dessen nicht bewußt, so ist man Ahriman verfallen.

Bei allen Darstellungen und Erklärungen spielen selbstver­ständlich Gefühle und Emotionen mit hinein. Dem einen muß man es in lebhafter Weise mitteilen, dem andern in ganz anderer Weise, die direkt auf den ersteren antipathisch wirken kann. Das muß schon so sein.

Niemals aber darf man durch beredte, eloquente Mittel einem Esoteriker sozusagen eine geistige Wahrheit aufzwingen und

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aufdrängen; da wäre Luzifer im Spiel. Frei muß der Schüler sein in seiner Aufnahmewilligkeit.

Also man muß richtig auseinanderhalten das Leben auf dem physischen Plan und das in den geistigen Welten. Man muß die hier im Physischen gültigen Begriffe nicht mit hinüber nehmen beim Überschreiten der Schwelle, und ebenso beim Zurück-schreiten (Romanus in «Seelen Erwachen», wie vorhin schon gesagt).

Das Wirken der ahrimanischen und luziferischen Wesenheiten ist notwendig für die Weltenordnung, solange sie in den ihnen zukommenden Grenzen bleiben. Der Esoteriker muß nun seine Seele so erkraften, daß er die Übergriffe dieser Wesenheiten er­kennt und sich davor bewahrt. Erst wenn der Mensch im physi­schen Leben sich dazu gebracht hat, das Gleichgewicht zwischen Ahriman und Luzifer zu halten, wenn er bei allem, was ihm begegnet, weiß, welchen Ursprungs es ist, erst dann wird ihm die Selbstsicherheit in der geistigen Welt werden.

Aus dem, was in den esoterischen Stunden gegeben wird, und durch unser meditatives Leben soll sich der Esoteriker ein ande­res Empfinden, als es der Exoteriker hat, angewöhnen; sein gan­zes Leben und Tun muß er durchleuchten lassen vom Geistigen, so daß es zur Unmöglichkeit wird, daß Zank und Streit in un­seren Reihen herrscht. Es geht das, wirklich, es geht das! Im exoterischen Leben muß sich der Esoteriker benehmen wie der Exoteriker. Nur muß er sich dem Exoteriker gegenüber fühlen wie ein Erwachsener Kindern gegenüber, aber ohne allen Hoch­mut und ohne Überhebung, rein objektiv. Aber es ist oft recht schmerzlich zu sehen, wie auch unter den Esoterikern Zank, Streit, Ehrsucht und Eifersüchteleien herrschen. Es ist dies eben­so, wie wenn ein vierzigjähriger Mann mit Kindern Kegel spielte und er, wenn ein Kegel ihm den Finger verletzt oder ein Ball das Auge blau geschlagen hat, nun die Kugel oder den Ball schlagen wollte. Bei einem Kinde wäre diese Art, seinem Unmut Ausdruck zu geben, natürlich. Man kann als Erwachsener die Spiele besser spielen als die Kinder, aber mit anderen Empfindungen

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und Gefühlen ist man dabei; man steht über dem Spiel, während das Kind in dem Spiel aufgeht.

Manche unserer lieben Freunde sagten mir, mein Buch «Theosophie» sei so schwer verständlich, ob das nicht in leichte­rer Weise dargestellt werden könnte. Manchmal habe ich die Feder dazu angesetzt. Doch muß man ja nicht glauben, daß es leichter, weniger anstrengend sei, die Theosophie sozusagen po­pulärer zu schreiben. Aber immer habe ich die Feder wieder fortgelegt. Wollte man Theosophie ohne Gedankenschwierigkei­ten in sich aufnehmen wollen, so böte man dadurch Luzifer Angriffspunkte. Es ist schon richtig, sich etwas zu quälen dabei.

Es bestehen viele falsche Begriffe auch im Physischen. So zum Beispiel ist die Annahme verkehrt, daß das Licht nur auf Wellen beruhe. Ganz falsch ist es aber, bei geistigen Dingen von Wellen, Schwingungen, Vibrationen zu sprechen. So sagen man­che, bei einer esoterischen Stunde herrschten sympathische etc. Vibrationen («vibrations», englisch ausgesprochen); so sagt man gern; das sollte man nicht tun!

In all diesen Tagen ist viel die Rede gewesen von all den Ge­fahren, die des Geistesschülers harren auf dem Wege in die Gei­steswelt. Wenn nun jemand sagen wollte: Nein, ich will diesen Weg nicht gehen, ich will mich nicht zum Geistträger erheben, es sind zu viel Gefahren damit verbunden! - so ist das ebenso, als wenn jemand sagte: Ich will in dem Hause, das nun bald ein­stürzt, ganz gern wohnen, ich will nur nichts von dem Einsturz wissen! -Gehen muß jeder einmal diesen Weg, und deshalb ist es not­wendig, daß man sich mit den Gefahren bekannt macht. Die Menschheit muß diesen Weg ins Geistige unternehmen, wenn sie nicht veröden, verdorren will. Und da ist es Aufgabe des Esoterikers, seine Seele zu erkraften und zu erstarken, um alle Schwierigkeiten, um Luzifer und Ahriman, um den Hüter der Schwelle richtig zu erkennen und ihnen ins Gesicht sehen zu können, nicht den hemmenden Mächten zu verfallen, sondern sie zu besiegen, um der Menschheit den Weg zu weisen.

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Im Geiste lag der Keim meines Leibes . . .

In meinem Leibe liegt des Geistes Keim . . .

Aufzeichnung B

Zuerst das Gebet des Tages. Sodann die Einleitung.

Viele hören die Vorträge, viele haben im Laufe der Jahre auch die esoterischen Vorträge gehört, trotzdem kann man manchmal hören, daß es dem einen oder anderen schwer wird, so recht zu unterscheiden, was da eigentlich [der Unterschied] in den exo­terischen und in den esoterischen Vorträgen ist. Tatsächlich ist es ja auch schwer zu unterscheiden, was alles esoterisch bezeich­net werden soll. Einen einfachen Maßstab kann man aber darin haben, daß man sich klar ist darüber, daß die Mitteilungen, die auch exoterisch gemacht werden, eigentlich aus dem Übersinn­lichen stammen und von den Zuhörern so aufgefaßt werden sollen. Die Art der Auffassung nur macht den Esoteriker aus. Wenn es uns gelingt, das, was äußerlich an uns herangebracht wird, zu verinnerlichen, so sind wir Esoteriker. Die Verinner­lichung des Exoterischen ist Esoterik. Wir sind Esoteriker, wenn wir das, was uns äußerlich mitgeteilt wird, in unserem Innern wirklich erleben, nicht nur denkerisch, sondern mit allen Sinnen und Seelenkräften.

In allem, was uns umgibt in der physisch-sinnlichen Welt, findet sich zusammen dasjenige, was wir das Ahrimanische und das Luziferische nennen. Im Physisch-Sinnlichen fließen diese beiden Kräfte zusammen. Im esoterischen Leben aber sollte das nicht stattfinden; da sollte das Ahrimanische und das Luziferi­sche ferngehalten werden. Wie soll das aber gemacht werden, da wir ja keinen Maßstab haben dafür, was exoterisch und was eso­terisch ist, was ahrimanisch und was luziferisch ist? Auch in der Wissenschaft, in der Kunst, kurz, in dem ganzen äußeren Leben, sind diese Kräfte wirksam, ohne daß die Menschen es wissen.

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Wenn wir einen Blick werfen auf die verschiedenen Philoso­phien und Weltanschauungen, so können wir zwei große Grup­pen unterscheiden. Es gibt solche Philosophen, welche glauben, alles, was es in der Welt gibt, auf einen Einheitsgedanken, auf ein Einheitliches zurückführen zu müssen. Dazu gehören alle moni­stischen und vereinheitlichenden Philosophen, sei es, daß sie alles auf ein Physisches, ein Geistiges oder ein Seelisches zurückführen. Andererseits gibt es solche, welche glauben, alles auf eine Vielheit zurückführen zu sollen. Diejenigen, welche alles auf eine Einheit zurückführen wollen, sind von luziferischen Impulsen durchsetzt, diejenigen, welche alles auf eine Vielheit zurückführen wollen, sind von ahrimanischen Impulsen durchsetzt.

Da nun aber beide Strömungen in der physisch-sinnlichen Welt ihre Berechtigung haben, so ist es nötig zu wissen, wie weit diese Berechtigung geht. Und so frägt es sich, wie weit hat das eine und wie weit hat das andere Berechtigung? Das Ahri­manische, die Vielheit, hat Berechtigung im Physischen und in beschränktem Maße in der elementarischen Welt. Nicht aber im Geistigen. Atome gibt es nicht im Geistigen. Vibrationen des Lichtes gibt es schon im Physischen nicht mehr.

Selbst der Begriff ist etwas, das es nur in der physisch-sinn­lichen Welt gibt. Man kann also nicht einmal das in die geistige Welt hineinbringen. Auch das Mathematische hat keine Gültig­keit mehr auf dem geistigen Plan. Man kann nämlich da durch­aus nicht darauf bauen, daß dreimal drei neun ist. Wenn jemand mit einem solchen Dogma da hineinkommt, so ist es fast sicher, daß sich eine ahrimanische Wesenheit in die erste Drei hinein-mischt und dadurch dann ein ganz anderes Resultat heraus­kommt. Also, selbst mathematische Begriffe und rechnerische Axiome haben keine Gültigkeit im Geistgebiet. Die ganze Atomistik hat nur auf dem physischen Plane Gültigkeit, in be­schränktem Maße noch in der elementarischen Welt, aber nicht mehr in der geistigen.

Diejenigen nun, die die Tendenz haben, alles zu einer Einheit zusammenzuschließen, die arbeiten mit dem luziferischen Impuls;

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diejenigen aber, welche die Tendenz haben, alles atomi­stisch oder monadologisch zu betrachten, die arbeiten mit ahri­manischem Einfluß. Leibniz, Haeckel atomisieren, sie sind also ahrimanisch beeinflußt. Denjenigen, weiche mit solchen An­schauungen in die höheren Welten aufsteigen, verschleiern sich die Dinge wie sie sind. Die Dinge der geistigen Welt werden ihnen in einem ganz falschen Licht gezeigt. Wie die Kinder beim Kegelspielen den Kegel schlagen, wenn ihnen etwas schief ge­gangen ist, so ungefähr ist es, wenn die Menschen den anderen Menschen die Schuld geben an dem, was sie trifft. Das, was sie trifft, ist karmisch. Schuld daran ist nicht allein der eine, son­dern auch der andere Teil. Man muß es also dahin bringen, daß man auch das, was durch einen anderen bewirkt wird, als seine Schuld begreift.

So findet man, wie die Vielheit wieder zur Einheit wird.

Aufzeichnung C

Esoterische Arbeit ist das Verinnerlichen dessen, was wir in den exoterischen Vorträgen bekommen. Vieles wurde uns in den letzten vierzehn Tagen gegeben, was wir hineintragen müssen in unsere Seelen und darin verarbeiten esoterisch, damit es den wahren Wert für uns hat. Es ist uns viel gesprochen worden von der Schwelle, an der wir sehr, sehr vieles zurücklassen müssen, was für den physischen Plan gültig und richtig ist. Manches, das wir hinübertragen an diesseitigen Begriffen, ist ja unschuldig; vieles aber wird bedenklich dadurch, daß die ahrimanischen und luziferischen Kräfte sich dessen bemächtigen. So z.B. müssen wir unsre Begriffe über Einheit und Vielheit komplett ändern jenseits der Schwelle. Die Philosophien beschäftigen sich gerade mit diesen beiden Begriffen viel und die Philosophen haben sich Systeme und Weltanschauungen geschaffen, mit denen sie die

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Welt entweder in eine Einheit (Monas) oder in eine Vielheit ein­teilen (Spinoza, Hegel, Leibniz, Haeckel). Solche Philosophien haben ihre Berechtigung auf dem physischen Plan und sind un­schuldige Kinder gegenüber einem Esoteriker, der etwas derarti­ges tun würde. Überhaupt sollte der Esoteriker den anderen Menschen gegenüber - ohne in Hochmut oder Eingebildetheit zu verfallen, sondern in Demut - das Gefühl haben, wie es der Eiwachsene spielenden Kindern gegenüber hat. Diese haben von ihrem Standpunkt recht, ihr Spiel so oder so durchzuführen und ernst zu nehmen, während der Erwachsene immer über dem Spiel steht; so soll der Esoteriker über vielem stehen, in das an­dere - berechtigterweise - noch ganz verstrickt sind. Ein Esote­riker, der einmal die Schwelle zu einem Raum, in dem er esote­rische Lehren empfängt, überschritten hat und dann im exoteri­schen Leben noch genau wie früher seinen Antipathien, Eifer­süchteleien, Zorn und allen sonstigen Trieben die Zügel schießen läßt, der ist noch nicht in den Geist dessen eingedrungen, was gemeint ist, hat den Ernst noch nicht erfaßt.

Wenn wir in die geistige Welt eindringen wollen, wenn wir außerhalb unseres Körpers sind, so wird dieser Körper uns drü­ben wie eine große Vielheit erscheinen. Wir werden ihn erken­nen als das Resultat einer Arbeit aller elementarischen Wesen, aller Hierarchien. Wir müssen ihn aber trotzdem als unsere Ein­heit erkennen, daß wir eine Einheit mit ihm sind. Dann werden die elementaren Wesen uns ihr wahres Antlitz zeigen. Halten wir ihn aber für eine Vielheit an sich, so bemächtigt Ahriman sich unseres Irrtums und alle diese Wesen werden ein Stück von uns reißen und uns wie Lügengestalten, wie hunderttausend Narren entgegentreten. Jeder Irrtum betreffs einer Vielheit ver­fällt dem Ahriman und jeder betreffs einer Einheit dem Luzifer. Wenn wir uns ganz auf uns als auf eine Einheit beschränken wollen, sind wir Luzifer verfallen. Die verschiedenen Philoso­phien der Vielheit oder des Monismus werden von Ahriman und Luzifer beherrscht. - Wenn wir wachsam sind, so werden uns diese beiden Einflüsse nicht so leicht schädlich. Gefährlich ist's

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ja, unvorbereitet in die geistigen Welten zu dringen, aber man sollte sich nicht aus Furcht abhalten lassen davon, denn früher oder später muß doch jede Seele diesen Schritt tun. - Mit ganzer Seele, mit grenzenlosem Gemüt aufnehmen und sich durchdrin­gen lassen von den Wahrheiten, die wir hier empfangen; das ist der beste Weg in die geistigen Welten, uns tief hineinversenken, es uns selber erarbeiten, was uns gegeben wird. - Wohlmeinende Leute haben uns oft gefragt, ob ich nicht ein leichteres populä­res Buch für den Anfang als die «Theosophie» geben könne, und ich habe auch schon öfters die Feder dazu angesetzt. Es liegen aber Gefahren in diesem Erleichtern, diesem Leichtmachen für manche Gemüter, die Gift wären, und so habe ich es immer wieder gelassen.

Aufzeichnung D

Das esoterische Leben ist das Verinnerlichen der exoterischen Erkenntnisse, die wir uns über die Weltentwicklung aneignen. In diesem Vortragszyklus ist sozusagen hinter den Zeilen viel Eso­terisches eingeflossen, und es wird unsre Aufgabe sein, für die nächste Zeit dieses herauszulösen und zu finden. Es ist viel ge­sprochen worden von der Schwelle zur übersinnlichen Welt, die wir alle im Laufe der Zeit überschreiten müssen. An dieser Schwelle sind es die luziferischen und ahrimanischen Wesen­heiten, die einem gefährlich werden können. Es kann nicht oft genug betont werden, daß wir die Begriffe, die mit Recht für die sinnliche Welt Gültigkeit haben, nicht mit hinübernehmen in die geistige Welt, dort könnten sie uns gefährlich werden. Solche Begriffe sind die Vielheit und die Einheit. Die Philosophen, die auch esoterisch intellektuell sind, aber naive, kindliche Seelen haben, bilden sich Systeme, um die Welterscheinungen zu erklä­ren. Sie führen dieselben zurück auf Vielheiten, Monadologie, Atomismus - Haeckelismus: hierin wirken ahrimanische Impulse

- oder auf eine Einheit, Monismus, Spinozismus, Hegelismus, in

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diesem sind luziferische Impulse. Diese Begriffe sind in der sinnlichen Welt töricht, in der übersinnlichen Welt gefährlich. Sie würden dort, wo wir außerhalb unsres Leibes sind, uns dazu führen, hunderttausend Narren zu sehen. Die Vielheit der über­sinnlichen Welt müssen wir erkennen lernen als die Einheit unseres nun außerhalb unser seienden Leibes; wir müssen erken­nen, daß ungezählte elementarische Geister daran arbeiten, und die Sehnsucht haben, den Menschen zu schaffen. Wir müssen diesen Wesen die Maske der Lüge abreißen und sie erkennen als untergeordnete Helfer der höheren Hierarchien.

Es ist oft das Verlangen ausgesprochen worden nach einer leichteren populären Fassung der Theosophie als das Buch [«Theosophie»] ist. Die theosophischen Begriffe müssen erarbei­tet werden. Wollte man durch anderes als Lehrender wirken als nur durch den Inhalt der Lehre, zum Beispiel durch schöne Re­degewandtheit, würde man luziferische Impulse einfließen lassen in die Theosophie. In der Theosophie reden von «Vibrationen», wie vielfach getan wird, ist ahrimanischen Impulsen das Tor öff­nen. Wir müssen aus dem esoterischen Leben in die Welt treten, wie Erwachsene sich an Kinderspielen beteiligen; kehrt man zurück in seine alten Streitereien, Affekte und Leidenschaften, benimmt man sich ebenso wie der Erwachsene, der gleich dem Kinde den Ball schlägt, der ihn ins Auge getroffen hat.

ESOTERISCHE STUNDE München, 4. September 1913 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE160 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

München, 4. September 1913

Aufzeichnung A

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Tagesspruch Donnerstag.

Meine lieben Schwestern und Brüder!

Wovon immer und immer wieder die Rede war in diesen Tagen, das war von Luzifer und Ahriman, und daß dies Kräfte sind, die in der Weltentwicklung da sein müssen und die da, wo sie zu Recht bestehen, gut sind, vor deren Übergriffen wir uns aber hüten und bewahren müssen. Dazu müssen wir sie kennen und unterscheiden lernen.

In der mystischen Esoterik, wie wir sie bei Meister Eckhart, Ruysbroek, Tauler, Suso und so weiter sehen, ist Luzifer darin-nen; in dieser reinen Hingebung an das Göttliche, in diesem reinen, edlen Streben nach dem Geistigen ist Luzifer in guter Weise und man kann sagen, daß er in den Seelen dieser Mystiker «fromm» gewesen sei.

Sobald aber in dieses reine Streben, diese Hingabe eine per­sönliche Note einfließt, sobald der Mystiker wegen seiner eige­nen Freude an der Hingabe sich hingibt, würde das einen Über-griff Luzifers bedeuten. Da müssen wir wachen, daß nichts Derartiges in unser Streben hineinkommt. Bei der mystischen Versenkung ist es verhältnismäßig leicht zu wachen, schwieriger schon ist es beim visionaren Schauen. Auch hierin ist Luzifer. Er gaukelt dem Mystiker allerlei vor, was dieser nur schwer von den wahren Gesichten unterscheiden kann. Es mischt sich in alles Schauen etwas Subjektives, so wiederholen sich zum Bei-spiel gewisse Erscheinungen, Truggestalten oder dergleichen bei den Einzelnen. Darauf muß man seine Aufmerksamkeit lenken. Auch hier muß man wachen.

Sieht man Augen oder Gesichter, oder stellt man sich solche imaginativ vor, so ist man dabei nicht so leicht dem Irrtum aus­gesetzt, man bekommt dadurch Kraft, Luzifer abzuweisen.

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Es ist kein Vorwurf, wenn gesagt wird, daß im menschlichen Unterbewußtsein schlimme Eigenschaften wohnen; diese müssen sein, das Erdenleben bringt dieses mit sich. Der Mensch kann schon einen gewissen Grad von Heiligkeit errungen haben und doch schlummern noch solche Triebe in seinem Unterbewußt­sein, vor denen er sich entsetzen und erschrecken würde, würde er sie gewahr. Es gilt auch hier die größte Achtsamkeit und Wachsamkeit walten zu lassen.

In allem Gefühlsmäßigen, in der mystischen Versenkung, in allem Visionaren ist Luzifer an der Arbeit, ebenso in aller Be­geisterung, auch in der künstlerischen Betätigung, in dem, was ein Künstler schafft, was im Künstler schafft.

Es kann Materialisten geben, die im Äußeren ganz im Mate­riellen aufgehen, sich nur darin zum Ausdruck bringen; wenn man dann das Glück hat, in ihre Seelen hineinzuschauen, so fin­det man dort ein tief religiöses Streben, ein Sehnen nach dem Göttlichen. Auch hier ist Luzifer der Veranlasser.

In allem Willensmäßigen wirkt Ahriman. Er tritt in all dem an uns heran, was sich als Geste in Wort oder Schrift offenbart: In allem, was sich in mediumistischer Schrift kundgibt, handelt es sich nun um ein ausgebildetes Medium oder ein natürliches me­diumistisches Schreiben, oder auch darum, daß man sich sonst gedrängt fühlt, etwas zu schreiben; während Erscheinungen von Gestalten, Köpfe von Licht und so weiter, die durch ein Medium erzeugt werden, Luzifer bewirkt. Man kann da, wo man sich zum Beispiel gedrängt fühlt, zu schreiben, dem dadurch entgegenwir­ken, daß man stoppt, und nicht diesen Eingebungen, die man zu fühlen oder wahrzunehmen meint, nachgibt, sondern stoppt und diesen Einflüsterungen den festen Willen entgegensetzt, ihnen nicht Folge leisten zu wollen. Durch diese Anstrengung des Willens erringt man ungeahnte Kräfte im Okkulten.

In dem, was wir sagen, in Worten, die wir formen und an andere herankommen lassen, ist Ahriman. Sobald das Ohr das Tönen hört, der Kehlkopf das Tönen von sich gibt und in der Schrift die Worte geprägt werden, kommt Ahriman und ver­härtet

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den Ton, das Wort, die Schrift. Deshalb ist es wichtig, die Seele zu erkraften und auf das Subtilste seine Gedanken und Worte zu prüfen.

Die Swedenborgsche Weltanschauung, seine Ferngesichte und Erlebnisse (Wahrträume) sind mit Ahriman durchsetzt, auch das, was Kant aus Swedenborgschen Schriften entnahm, wofür er Interesse hatte.

Sehr häufig, fast täglich wird die Frage gestellt: Soll ich etwas geben auf das, was ich da sehe, höre oder wahrnehme? Ist das Wahrheit? Gewiß soll man etwas darauf geben, gewiß ist es Wahrheit, jede kleinste Kleinigkeit im okkulten Leben ist wichtig und ist wahr. Nur kommt es darauf an, zu wissen, was dahinter steckt. Ungeheuer sollen wir auf alles achten und auf­passen - wachen!

Aber ein gewisses feines Taktgefühl müssen wir uns dafür aneignen, daß wir solche Erlebnisse nicht herumerzählen. Ganz im innersten Innern müssen wir das mit uns abmachen und müssen wir herauszufinden suchen, ob Luzifer oder Ahriman dabei beteiligt ist. Natürlich kann man im engsten Freundeskrei­se über solche Erlebnisse sprechen und sich Rat holen, da, wo wir Vertrauen haben. Aber noch weniger soll man auf solche Erlebnisse Lehren aufbauen, und sie in dieser Weise weitergeben und sie als Lehrgut benutzen. Etwas, was uns täglich, ja stünd­lich passieren kann, ist, wenn wir zum Beispiel auf der Straße gehen, daß wir einen Menschen visionär sehen, der uns nach einigen Minuten wirklich begegnet. Nun kann es sein, daß wir diesem betreffenden Menschen notwendig etwas zu sagen haben, wir haben diese Vorausahnung seines Kommens und beschleuni­gen unsere Schritte, um ihn sicher zu treffen - eben infolge un­serer Vorausahnung, dieser okkulten Fähigkeit. Das aber dürfen wir nicht; wir dürfen nicht okkulte Fähigkeiten zu unserem Vorteil im physischen Leben anwenden. Da müssen wir nach den Gesetzen handeln, die hier gültig sind, so als ob wir nichts vom Okkulten wüßten. Nur als Hinweis, zum Aufmerken darf ein solches Ereignis dienen.

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In den exoterischen Vorträgen ist schon wiederholt von Maeterlinck die Rede gewesen, wie er Beweise für das geistige Leben haben wollte.

Wenn nun jemand erleben würde, daß ihm Goethes Seele ge­genüber stehe, er hätte untrügliche Beweise dafür, daß es Goe­thes Seele sei und er spräche mit dieser Seele Goethes, so würde er ganz gewiß sagen, dies ist ein unumstößlicher Beweis für die Unsterblichkeit der Seele.* Nach den hier im Physischen gülti­gen Gesetzen wäre dieser Schluß der einzig richtige. Und doch ist er unrichtig, es ist nicht richtig, zu sagen: Das ist «Goethes Seele». Luzifer hält sich in der Seele Goethes verborgen und gaukelt uns den Goethe aus dem und dem Jahre vor. Nur, wenn wir uns dessen bewußt sind, daß Luzifer in der Seele Goethes verborgen ist, haben wir die Möglichkeit, zu Goethes wirklicher Seele (die ja in der geistigen Welt sich weiterentwickelt) hin­zudringen, ihr gegenüberzutreten, und haben dann daran den wirklichen Beweis für die Unsterblichkeit der Seele.

Mit viel Leichtsinn wird an esoterische Übungen herangegan­gen, manche fangen sie an, und hören dann wieder auf damit aus Bequemlichkeit, Lauheit etc. Die Meditationen sind aber für die Seele dasselbe wie das Atmen für den physischen Körper. Wenn man das Atmen aufgäbe, würde Ahriman sofort eingreifen als Herr des Todes. Für die Seele muß es so werden, daß sie sich nicht zu den Meditationen quälen muß, sondern, daß sie ohne dieselben nicht mehr leben mag, daß sie ihr werden, wie das Atmen für den Körper.

Gegenüber dieser Lauheit und Bequemlichkeit steht das ungestüme Wünschen und Ersehnen, in die geistigen Welten eindringen zu wollen. Man muß nicht wünschen und ersehnen, in die geistigen Welten eindringen zu wollen, ehe die Seele recht erkraftet ist. Ruhe und Friedsamkeit in der Seele ist die Haupt-bedingung («Der Seelen Erwachen», 3. Bild). Nur so können wir die rechte Kraft für die Seele erringen, die sie haben muß,

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* Vgl. hierzu die Formulierung in Aufzeichnung D.

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um das Mittel, den Mittelweg zu finden, nicht rechts, nicht links zu gehen, nicht Luzifer, nicht Ahriman zu verfallen, sondern den Mittelweg einzuhalten.

Schwer, sehr schwer und schwierig ist das, meine lieben Schwestern und Brüder! Aber dann mussen wir uns daran erin­nern, was im Johannes-Evangelium gesagt ist, im Anfang und in den Sätzen Werse] 12-14 des achten Kapitels desselben Evange­liums. Wenn wir im Tumult, im Chaos der geistigen Welt darin­nen stehen, und von allen Seiten die Visionen und die Gestalten kommen, und wir nicht ein noch aus wissen, wir hin und her gezerrt werden, dann sollen wir die Worte vor unsere Seele stel­len: «Im Urbeginne war das Wort» und so weiter oder «Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.» Dann wird alles zerstieben, und das Rechte und Wahre werden wir anschauen können. In diesem Sinne sollen wir den rosen­kreuzerischen Satz immer wieder vor uns hinstellen: E.D.N. -

I.C.M. - P.S.S.R.

Und ferner werden wir immer mehr auf diesem schweren Wege das Richtige finden können, wenn wir eingedenk sind des so einfachen, aber tiefen Spruches, mit dem unsere esoterischen Stunden geschlossen werden:

Im Geiste lag der Keim meines Leibes ...

Aufzeichnung B

Wir wollen jetzt versuchen, auf jene subtilen Wirkungen hinzu­weisen, welche die luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten auf unsere intimsten Seelenregungen ausüben, denn diese zu kennen, ist Pflicht derjenigen, die den Weg zum esoterischen Leben suchen wollen. Es gibt insbesondere zweierlei Arten von Menschen, die in ganz verschiedener Weise den Weg der Geisteserkenntnis suchen. Dieses Suchen nach dem Geist ist in

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jedem Menschen veranlagt, wenn auch nicht alle Menschen das zugeben wollen. Sogar in den schlimmsten Materialisten lebt ganz tief im Unterbewußtsein die Sehnsucht nach dem Geiste. Sie können aber nicht zu dieser Erkenntnis gelangen, weil sie nach physischen Beweisen für geistige Angelegenheiten suchen. Als ein Beispiel kann Maeterlinck angeführt werden; auch er, der dem Geistigen so nahe kommt, begehrt physische Beweise.

Nun gibt es eine Art von Menschen, die aus ihrem innersten Bewußtsein, aus ihrem tiefsten Seelenfühlen sich zum Geistigen hingezogen fühlen, die ein intimes Wissen darüber haben, das sich nicht visionar auslebt. Sie brauchen weder durch physische Beweise noch durch sinnlich-physische Theorien das Dasein der geistigen Welt klargelegt zu haben, sie haben dieses Wissen aus ihren eigenen Gefühlen, aus den tiefsten Empfindungen ihres Herzens. Solche Menschen waren die Mystiker, Johannes Tauler, Ruysbroek und andere. Eine Mystik, wie diese Menschen sie hatten, stand oft unter dem luziferischen Einfluß, aber im guten Sinne, sogar in dem Sinne, daß Luzifer selber, der diese hoch­entwickelten hingegebenen Seelen in schöne, göttliche Verzük­kung hinaufgeführt hat, durch sie in seiner Entwicklung weiter­gekommen ist. Man könnte sagen: in der Mystik hat Luzifer die Neigung, fromm zu werden. - In dieser Mystik tritt uns nur die fromme Hingabe, das reine religiöse Empfinden entgegen.

Demgegenüber gibt es noch eine andere Mystik, nämlich die Fernseher-, die mediumistische Mystik, die entweder angeborene Veranlagung sein kann oder auch oft durch bestimmte Metho­den erlangt wird. Sie verwandelt sich bisweilen auch in mediales Schreiben und dergleichen. Hier sehen wir ausschließlich Ahri­man seine Impulse geltend machen. Er möchte wiederum alles vervielfältigen oder in der Schrift oder der Zeichnung festlegen. Auch in demjenigen Schreiben, das augenblicklich impulsiv, inspirierend auftritt, ohne medial zu sein, finden wir das ahrima-nische Prinzip wieder.

Wir müssen die richtige Harmonie bringen zwischen das In-Verzückung-Geraten durch Luzifer und das unmittelbare Niederschreiben

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unter ahrimanischem Einfluß. Dazu müssen wir im Anfang seines Auftretens das impulsive Aufschreiben unterdrük­ken, es gewissermaßen zurückstoßen, bis es sich in uns geklärt hat, dann erst werden wir die beiden Kräfte harmonisch mitein­ander verbinden können. In die große Sehergabe eines Sweden­borg mischten sich zum Beispiel im wesentlichen ahrimanische Impulse hinein (Vorausschauen auf dem physischen Plan, Vor­herverkündigen von physischen Ereignissen).

So machen sich auch in manchen visionären Erscheinungen, welche die esoterischen Schüler oft im Anfang als Erlebnisse der geistigen Welt haben, das luziferische und das ahrimanische Prinzip geltend. Was der Schüler an visionären Gebilden ge­schaut hat, an Gestalten, Köpfen, Augen, das sind wirkliche Tat­sachen, die da geschaut werden; sie kommen tief aus dem Unter­bewußtsein des Menschen herauf. Im Verborgenen ruhen ver­stohlene Triebe und Begierden des Menschen, von denen er in seinem Oberbewußtsein nichts weiß und deren er sich auch nicht immer zu schämen braucht, denn sie gehören in gewissem Sinne zu der menschlichen Natur dazu, und ohne diese Dinge wäre die Erdentwicklung nicht denkbar.

Solche Gefühle der verborgensten Triebe und Begierden tau­chen nun durch unsere esoterische Schulung auf als visionare Gestalten. Sie können sogar als die Köpfe von erhabensten Persönlichkeiten erscheinen, und dennoch sind sie in unserem Unterbewußtsein tief verborgen ruhende menschliche Begierden, die Luzifer uns symbolisch vorhält. Es wäre gut, solche Visio­nen ruhig an uns vorbeiziehen zu lassen und nicht viel darüber zu sprechen, höchstens zu denjenigen Personen, die dazu be­rufen sind, uns darüber aufzuklären. Noch weniger sollten wir sie als Lehrstoff gebrauchen.

Es könnte nun den esoterischen Schüler die Verzweiflung überkommen und er sich fragen: Wie werde ich mich jemals in der geistigen Welt zurechtfinden, wenn überall Luzifer und Ahriman lauern? Darüber kann man immer nur diesen Trost und diese Anweisung geben: Wenn man sich an dasjenige hält,

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was uns im Evangelium geboten wird, so wie im Johannes-Evangelium: «Im Urbeginne war das Wort» und so weiter, auch das 13. Kapitel des Johannes-Evangeliums, oder wenn man die Bergpredigt oder die Seligpreisungen auf sich wirken läßt, dann hat man darin eine gewisse Führung, die einen die Wahrheit von dem Irrtum unterscheiden läßt.

* * *

Aufzeichnung C

In der gestrigen Stunde haben wir erfahren können, daß die luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten und Kräfte in die Menschheit hineinwirken. Die Kräfte mischen sich, fließen in dem Menschen zusammen.

Die ahrimanischen Kräfte äußern sich nun in den Menschen in allem, was durch Gesten, durch Schreiben, durch Bewegun­gen zum Ausdruck kommt. Alle Schreibmedien schreiben unter dem Einfluß von Ahriman. Die luziferischen Einflüsse und Kräfte äußern sich beim Menschen als Visionen, als Bilder, über­haupt durch Gefühlswahrnehmungen. Die ganzen mittelalterli­chen Mystiker waren beeinflußt durch Luzifer. In Cusanus, Suso, Tauler, Meister Eckhart wollte sich Luzifer erlösen. Die Erlösung des Luzifer geschieht durch die Liebe, durch die höhe­re Liebe, welche frei von Egoismus ist. Die Erlösung des Ahri­man geschieht durch das Denken. - Als Mittel gegen zu starke ahrimanische Angriffe ist das Durchdenken des ersten Kapitels des Johannes-Evangeliums sehr zu empfehlen: «Im Anfang war das Wort . . . » und das achte Kapitel. Die schlimmsten und ver­führerischsten Bilder und Visionen sind diejenigen, welche in schönen und herrlichen Farbenerscheinungen auftreten. Da muß man ganz besonders wachsam sein. - Das Hofieren der Lehrer ist eine große Gefahr für den Lehrer. Man sollte dem Lehrer keine so große Verehrung entgegenbringen. Auch diejenigen, welche lehren, sollten sich bemühen, daß ihnen keine allzu große

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Verehrung entgegengebracht wird. Das sind geradezu Fallen, an denen der Lehrende Schaden nehmen kann. -

Das Ahrimanische ist das, was der Zukunft angehört, was aus dem Denken fließt, was durch das Wollen bewirkt wird.

Aufzeichnung D

Wir haben in diesen Tagen viel gesprochen von den luziferi­schen und ahrimanischen Mächten und müssen nach der wich­tigsten Regel der alten Mysterien ihr Wesen und Wirken erken­nen lernen; besonders ihr Wirken in der geistigen Welt, an deren Schwelle wir alle stehen. Man kann sich der geistigen Welt ge­fühlsmäßig nahen, dies ist Gefühlsmystik. Alle Mystik des Mittelalters von Meister Eckhart, Suso, Tauler etc. ist Gefühls­mystik; in dieser ist Luzifer, er hat in ihr versucht, fromm zu werden. In der Fernschau, aller Mystik des Swedenborg, haben wir ahrimanische Impulse; in allem, was willensmäßig, was sich bis in die Geste, in die Tat, in Eingebungen zum Niederschrei­ben drängt, ahrimanische Impulse. Von außen gesondert also Luzifer, durch den Menschen hindurchwirkend Ahriman. In dem natürlich Medialen Ahriman, in dem ausgebildeten Media­len Luzifer. Wenn wir also zu Schauungen oder Eingebungen kommen, mussen wir sie zuruckstoßen, sie nicht bis zur Betäti­gung kommen lassen, sie auf ihren Wert zu erkennen suchen; sie wohl beachten, aber nicht durch sie unser Tun im exoterischen Leben beeinflussen lassen.

Menschen, die aus sich anfangen, Übungen zu machen und diese dann nach einiger Zeit lassen, verfallen Luzifer. Das Medi­tieren sollte man niemals aus Bequemlichkeit unterlassen, es muß uns so notwendig werden wie das Atmen dem Leibe -dann ist es richtig. Wenn Spiritisten den Geist Goethes erschei­nen lassen und hierdurch die Unsterblichkeit der Seele beweisen wollen, da sie meinen, es ist die Seele, wie sie jetzt lebt, so ist

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das ein Irrtum. Es kann die Seele Goethes sein, wie sie rbei­spielsweise] im Jahr 1828 in seinem Leibe lebte, und Luzifer bewirkt, daß sie so erscheint, wie sie jetzt sein würde. Um sich zurecht zu finden in dem Chaos, das einen beim Eintritt in die geistige Welt umgibt, um das rechte Steuer für das Seelenschiff zu haben, muß man in der Seele wachrufen das erste Kapitel des Johannes-Evangeliums oder Kap. 8,2. Mit ihnen kann man nicht dem Irrtum verfallen.

Aufzeichnung F

Hinter allem Gefühlsmäßigen hält sich Luzifer verborgen und greift stets dabei ein. Hinter allem Willensmäßigen ist Ahriman versteckt.

In den allermeisten Seelen ist zu beobachten für den Hell­seher, daß der Mensch innerlich gefühlsmäßig nach dem Höch­sten strebt. Sogar bei den stärksten Materialisten findet man das.

Da, wo besonders gemütstiefes religiöses Empfinden vorhan­den ist, das durch Meditieren noch verstärkt wird, stellen sich oft Visionen, Erlebnisse ein, und da soll der wahre Esoteriker sein Beobachtungsvermögen einsetzen. Es ist natürlich alles wahr, was sich dem Menschen als Vision zeigt, er muß sie aber erst lesen lernen. Er muß unterscheiden, was von ihm subjektiv aus dem Untergrund seiner Seele mit hervorsteigt und sich mit den seelischen Bildern vermischt. Er muß genau wissen, wieviel davon luziferisch und wieviel von seiner eigenen Wesenheit dabei ist. Alle in den Untergründen der menschlichen Seele schlummernden Affekte, Begierden, Leidenschaften haben ge­rade das Bestreben, bei Visionen an die Oberfläche zu kommen und sich mit den geistigen Bildern zu vermischen und ihn irre­zuführen. Ganz besonders wichtig ist auch zu beobachten, wie sich dieses Subjektive immer wiederholt, zum Beispiel in Tierge­stalten und so weiter; da kann der Mensch dann ganz besonders

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acht auf sich geben lernen und seine Selbsterziehung in die Hand nehmen. Wachsamkeit. Alles, was durch Wort, Schreiben, Töne, Geste sich dem Menschen offenbart, ist ahrimanischer Natur. Alle Ferngesichte, Wahiträume und so weiter.

Also alles, was von außen sich produziert in Visionen und so weiter, ist luziferisch. Alles, was durch den Menschen hindurch­geht, wie Hören, Schreiben und so weiter, ist ahrimanisch.

Alles, was sich wie in der physischen Welt auf Beweise stüt­zen will in der geistigen Welt, ist ahrimanisch. Alles Durch-Rede-Glänzen, jemanden versuchen wollen, suggestiv zu über­zeugen für Geisteswissenschaft, ist luziferisch.

Hauptsache ist immer, bei seiner Meditation gewissenhaft und ehrlich zu bleiben. Johannes-Evangelium im Auge behalten und Geistes-Friedsamkeit in seiner Seele walten lassen.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Kristiania, 5. Oktober 1913

Aufzeichnung A

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Wenn wir als Esoteriker von Stufe zu Stufe immer höher rük­ken, so stellen sich in unserem Seelenleben mancherlei Verände­rungen ein. Ich will heute sprechen von einer Schwäche, die sich beim Esoteriker bemerkbar macht gegenüber dem Exoteriker; das heißt eine Schwäche vom Standpunkte des Exoterikers aus, für den Esoteriker wird es eher eine Stärke sein. Es ist, was ich nennen möchte: die Robustheit der Gedankenbildung. Ich will ein Beispiel geben.

William Crookes hat in seinem Leben viel nachgedacht. Er hat auf spiritistischem Gebiete vielleicht das Bedeutendste gelei­stet. Er hat nicht nur experimentiert, sondern auch sehr viel nachgedacht über Dinge, die sich im übersinnlichen Leben erge­ben. Eines seiner interessantesten Probleme ist wohl das vom mikroskopischen Menschen. Er stellt sich den Menschen vor, wie er immer kleiner wird, immer kleiner, eine Art Homunku­lus. Zuletzt ist er nur noch so groß wie ein Käfer, der auf einem Kohlblatt umherkriecht. Dieses Kohlblatt bedeutet für ihn die Welt, und die Ränder des Blattes sind für ihn wie hohe Berge. Sie erscheinen ihm höher als dem gewöhnlichen Menschen das Himalaja-Gebirge. Man hat sich auch einen Menschen vorge­stellt, der sehr schnell lebt, dessen Lebensdauer, die für den heu­tigen Menschen hochgegriffen achtzig Jahre beträgt, nur zwei Monate umfaßt. Selbstverständlich muß für einen solchen Men­schen das Weltbild ein ganz anderes sein, da sich ja alles das, was der gewöhnliche Mensch in einem ganzen Leben erfährt, auf zwei Monate zusammendrängt. Den Übergang von einer Jahres­zeit zur andern lernt er gar nicht kennen. Das Wachstum der Blumen erscheint ihm so, wie wenn heute jemand Forschungen anstellt über die geologische Entwicklung der Erde. Die Sonne scheint für ihn kaum von ihrem Platz zu rücken.

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Man hat sich auch einen Menschen vorgestellt, der ganz langsam lebt, dessen Lebensdauer achtzigtausend Jahre beträgt. Der Gang der Sonne, den wir genau am Himmel verfolgen kön­nen, würde einem solchen Menschen erscheinen wie ein feuri­ger Kreis, so etwa, wie wenn man ein Stück glühende Kohle schwingt und einen geschlossenen Kreis erblickt. Die Blumen sprießen für ihn aus der Erde, um gleich wieder zu vergehen; ein Pilz schießt hervor und verschwindet sogleich.

Für den Esoteriker sind solche Bilder insofern von Interesse, weil er daran sieht, wie weit das heutige exoterische Denken hinausschwärmen kann. Von den drei Seelenkräften ist es ja das Denken, das am meisten ausschweifen kann. Der Esoteriker kann da nicht mit; es fehlt ihm solchem Denken gegenüber die Robustheit.

Woher kommt das? Weil solche Bilder wie die vom mikro­skopischen und vom schnellebigen Menschen nicht in der Not­wendigkeit, der Gesetzmäßigkeit des Weltenseins liegen. Ganz gewiß sind die guten Götter mehr um des Menschen Leben be­sorgt gewesen als er selber; sie haben ihn aber nicht als mikro­skopischen, sondern als makrokosmischen Menschen geschaffen, weil sich der allein dem Weltensein, wie es die Götter veranlagt haben, einfügte. Nun wäre es ja möglich, daß Herr William Crookes, wenn er einmal hätte ein Gott werden können, einen solchen mikroskopischen Menschen geschaffen hätte - die guten Götter haben es nicht getan, sie sind zu schwach gewesen. Der heutige Exoteriker aber ist stark. Er malt sich ein solches Ge­dankenbild aus wie das vom mikroskopischen Menschen. Er ist stärker in seinem Denken als die nächsthöhere Hierarchie, die Engel oder Angeloi, von denen es in einer alten Urkunde heißt:

«Und sie verhüllten ihr Angesicht!»

Warum tun sie das? Und wovor? Vor den Irrtümern der Menschen! Der Mensch ist von den Göttern als ein denkendes Wesen geschaffen, und das ganze Weltall ist so eingerichtet, weil er eben ein denkendes Wesen sein sollte. Wenn der Mensch aber glaubt, daß das Denken für sich allein bestehen könne, wenn er

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es hinausschweifen läßt, so muß er in Irrtum verfallen und den Zusammenschluß mit dem universellen Denken, dem Urquell des Denkens verlieren. Dann verhüllen die Engel ihr Angesicht. So tief sind diese religiösen Urkunden gefaßt; man muß sie nur verstehen.

Wenn die heutige Theologie über die Bibel spricht, so hat das gegenüber der Wirklichkeit ebenso viel Bedeutung, als wenn europäische Gelehrte, die kein Chinesisch verstehen, ihr Urteil abgeben würden über heilige chinesische Handschriften nach dem, was sie der Handschrift äußerlich ansehen können. So wenig Wert das hat, so wenig Wert hat die moderne Bibel-forschung für die Menschheit.

Daher enthalten ja auch die Übungen, die Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, gegeben sind, solche Gedankenbilder, wie sie im großen Weltenplan enthalten sind. Und ein Esoteri­ker wird Vorstellungen wie die vom mikroskopischen und vom schnell oder langsam lebenden Menschen ablehnen. Sie verursa­chen ihm Schmerzen, er empfindet sie als etwas Ungesundes, als nicht in der Notwendigkeit des Weltenseins Liegendes. Gegen­über dem mikroskopischen Menschen wird er etwas empfinden wie ein Brennen; es wird ihm heiß, wie wenn alles in einen Punkt zusammenströmt. Dagegen bei allem, was sich weit aus­dehnen will ins Weltenall, wenn er sich zum Beispiel den Men­schen, der achtzigtausend Jahre alt wird, vorstellen will, da über­kommt ihn ein Kältegefühl, es friert ihn.

Ein solches Kältegefühl kann man auch haben gegenüber den verschiedenen Philosophen. Bei Anaxagoras, auch in geringerem Maße bei Empedokles, hat man ein eisiges Gefühl. Leibniz ge­genüber empfindet man ein Gefühl wohltuender Wärme; er ist -wenn der Ausdruck richtig verstanden wird - ein angenehmer Philosoph.

Ein Gefühl von Brennen, von Heiß-Sein hat man auch, wenn man über einen Punkt meditiert. Das ist zugleich ein guter Prüf­stein für die esoterische Entwicklung. Habe ich keine Mühe, mir einen Punkt vorzustellen, wie er den Schulkindern heute beigebracht

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wird, so ist es noch nicht das Richtige. Wenn der Esoteri­ker aber Mühe hat, wenn er ein heißes, brennendes Gefühl hat, so ist das ein Beweis, daß er in seiner Schulung fortgeschritten ist.

Ein solches Bild, wie es dem Weltengang entnommen ist, ist auch eine Schale, mit Öl gefüllt, in dem eine Flamme brennt und leuchtet. Die Schale steht fest, das Öl wird verzehrt. Wer sich in dieses Bild hineinversetzt, erhält dadurch ein wahres Bild von der menschlichen Wesenheit: die Schale ist der feste, physische Körper; das Öl, das sich verzehrt, der Ätherleib; die Flamme der Astralleib und das leuchtende Licht das Ich des Menschen.

Diese menschliche Wesenheit ist ja je nach Klima und Ort eine sehr verschiedene, und mehr, als man für gewöhnlich denkt, wächst der Mensch zusammen mit den Geheimnissen seiner Umgebung. Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch von Berlin nach Sizilien fährt oder nach hier (Kristiania). Man erlebt etwas anderes, wenn man nach Norden fährt. Da wird der Ätherleib immer größer, besonders im östlichen Norden, zum Beispiel Finnland. Im Süden ist dagegen der Ätherleib mehr zusammen-gepreßt. Wenn jemand von hier - Kristiania - nach Süden fährt, so muß sich sein Ätherleib zusammenziehen. Dadurch können starke Heilkräfte entfesselt werden. Selbstverständlich kommt es dabei darauf an, ob ihm von seiten des zu Heilenden [nicht] Widerstand entgegengesetzt wird, und auch auf das Karma beider kommt es an.

Aufzeichnung B

Es gibt für den Esoteriker Dinge, die er nicht kann, in denen er schwach ist gegenüber dem Exoteriker. Wir werden morgen von Dingen reden, die der Esoteriker sich anzueignen hat. - Der Esoteriker kann sein Denken nicht mehr herumschwärmen las­sen wie der Exoteriker. Als Beispiel, wie das gemeint ist, wird gesagt: Der Exoteriker denkt sich ein Menschlein aus, das

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Menschlein von Crookes, das wie ein Käferchen so klein ist, ein Mensch, der nur zwei Monate lebt, der aber in dieser Zeit Kind, Mann und Greis ist. Gegenüber solchem Ausgedachten sind die Götter schwach in ihrem Denken; sie können sich nur einen Menschen denken in der Größe und in der Art, wie er jetzt ist. Den mikrokosmischen Menschen, wie er da erdacht ist, statt den wirklichen makrokosmischen Menschen zu denken, das muß dem Esoteriker brennenden Schmerz machen. Das Kleine, das Gepreßte, das muß ihm Schmerz erzeugen; Feuer erzeugen da­gegen muß ihm das Große, das Makrokosmische.

All dieses unbestimmte Denken über das Weltenall wie das Fragen und Grübeln über das, was war vor dem Saturn, was war, ehe denn Gott da war etc., etc., das muß bei dem Esoteri­ker ungeheuere Kälte erzeugen. Sich den Punkt und den Kreis, oder einen Punkt oder einen Kreis zu denken, das fällt dem Esoteriker schwer, nicht so dem Exoteriker. Der Esoteriker erzieht eben auch seine Seele.

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Wir können auf diese Weise eine Ahnung bekommen, woher Irrtum und Böses in die Welt gekommen ist. Das Kennenlernen des Ätherleibes geschieht durch Aufmerksamkeit, durch Kon­zentration, das des Astralleibes geschieht durch Hingabe der Seele, durch Meditation, durch das Hinuntersteigen in seine See­le und das Resultat ist eine Erweiterung des Gedächtnisses.

Ein gutes Meditationsmittel ist, sich vorzustellen eine Schale mit Öl und eine Flamme, die leuchtet und das Öl verzehrt. Das ist ein Symbolum für eine Vorstellung, die einer natürlichen Möglichkeit entspricht. Die Schale ist der physische Leib; das Öl ist der Ätherleib; die Flamme, die brennt und verzehrt das Öl, das ist der Astralleib; das Leuchten der Flamme, das ist das Ich.

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ESOTERISCHE STUNDE

Kristiania, 6. Oktober 1913

Aufzeichnung A

#TX

Das, was wir alle erreichen wollen, ist, Eingang zu finden in die geistige Welt. Wir sehen alle vor uns - oder ahnen wenigstens -eine Pforte mit einer Schwelle; um sie zu erreichen, sind uns gewisse Übungen gegeben. Trotzdem ist der Weg schwer, voller Hindernisse. Durch ein Meer von Traurigkeiten führt er hin­durch, und viel Geduld ist nötig, um auf dem Wege nicht zu ermatten.

Wer schafft denn diese Hindernisse? Erstens unsere eigene Natur, und zweitens suchen uns Luzifer und Ahriman Hinder­nisse in den Weg zu legen.

Beide haben ihre Wirksamkeit auf Erden, eine Wirksamkeit, die zum Guten führen könnte, wenn sie sich darauf beschränk­ten, das zu tun, was sie tun sollen, nämlich in den Wirkungen der Sinneswelt zu leben. Aber sie begnügen sich nicht damit, in dem geistigen Reiche zu bleiben, dem sie angehören, und nur ihre Wirkungen herabzusenden auf den physischen Plan, son­dern sie wollen auch mit ihrem Ich-Bewußtsein auf der Erde herrschen. Wir wissen, daß der Mensch sein Ich-Bewußtsein auf der Erde erreicht, die Angeloi erlangen es in der Elementarwelt und die Archangeloi in der Astralwelt. In das Ich-Bewußtsein des Menschen möchten Luzifer und Ahriman also eindringen.

Ahriman ist der Herr des Todes, wie er durch die Natur des Menschen bedingt ist. Im Stein ist kein Leben, der gehört ihm an. Nun möchte Ahriman seine Macht aber auch ausdehnen auf das, was hinüberschreitet durch die Pforte des Todes, was der geistigen Welt angehört. Daher bringt er den heutigen Men­schen, den Materialisten und Monisten, die Lüge bei, es gäbe kein Ewiges, die Seele wäre in dem physischen Körper enthalten und höre mit ihm auf. Ahriman kann an die Menschen heran, weil sie Furcht haben. Ist es nur normale Furcht, zu deren

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Erkenntnis sich der Mensch leicht durchringt, so geht es noch an; aber schlimm wird es, wenn diese Furcht in den Gründen des Unterbewußtseins schlummert. Ein solcher Mensch verfällt Ahriman. Diese Furcht ist da bei allen Anhängern der materiali­stischen Wissenschaft - so wenig sie es glauben würden, wenn man es ihnen sagte -, überhaupt bei allen Menschen, die kein Verhältnis haben zur geistigen Welt.

Goethe läßt den Mephisto ganz richtig sagen:

«Den Teufel spürt das Völkchen nie,

und wenn er sie beim Kragen hätte.»

Man gehe nur in ein Laboratorium, in dem viele Menschen arbeiten; da wird man schon sehen, wie stark ihre Ätherleiber von Ahriman imprägniert sind. Der Hellseher sieht darin näm­lich genau dieselben Formen, die er auch in dem von Furcht er­füllten Ätherleib eines Menschen sieht. Wenn ein Mensch durch ein Zimmer geht, in dem sich ein Spiegel befindet, so sieht er sein Bild, das aber nur da sein kann, weil der Mensch selbst da ist. So ist auf der Erde auch nur sein Spiegelbild; Ahriman aber sucht ihm den Gedanken beizubringen, es sei Wirklichkeit.

Auf welche Weise kann man sich vor Ahriman schützen? Indem man zufrieden ist mit dem, was einem beschieden ist:

Erfreue dich dessen, was dir gewährt ist;

entbehre gern, was dir nicht beschert ist!

Dann kann Ahriman nicht an uns heran. Man soll nicht wunschlos sein, kein Asket, der die Welt flieht, aber auch nicht voller Freude [nur], sondern die Waage halten zwischen beiden; das gibt die rechte Stimmung für den Esoteriker.

Auch Luzifer könnte viel Gutes wirken, wenn er sich be­schränkte auf sein Gebiet, die Menschen zum Ich-Bewußtsein zu führen. Luzifer steht hinter aller Kunst, hinter der wahren freien Wissenschaft. Aber er verführt den Menschen zum über­triebenen Selbstbewußtsein, zur Selbstüberhebung.

Ich will ein Beispiel geben. Denken wir uns einen Künstler, der eine Statue schafft. Solange sie eine Nachbildung sein soll, ist alles in Ordnung. Wenn er aber selbst Schöpfer, selbst Gott

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sein will, wenn er zum Beispiel verlangen würde, die Statue solle gehen - er zerbricht sie und bildet sich wirklich ein, sie geht -, dann steht Luzifer dahinter.

In den naturalistisch-realistischen Dramen, die heute geschaf­fen werden, ist Luzifer wirksam. Luzifer schreitet über die Büh­nen. Noch vor hundert Jahren konnte Schiller seinem «Tell» Worte in den Mund legen, wie sie nie ein Mensch gesprochen hat. Für ihn war eben, wie er es oft ausgesprochen, die Kunst eine Himmelsgabe. Heute bekommt es ein Gerhard Hauptmann fertig, am «Tell» alles zu streichen, was sich mit seinen realisti­schen Anschauungen nicht verträgt.

Die einzige Gegenwirkung, die wir Luzifer gegenüber haben, ist tiefste Demut und Selbstbescheidenheit.

Wie viele sagen sich wohl abends, wenn sie zurückschauen auf ihr Tagewerk, daß die Götter es waren, die ihr Tun und Handeln geleitet haben! Die meisten glauben, stolz sein zu dür­fen auf das, was sie selbst vollbracht haben. Nähren wir in uns den Geist der Demut und Bescheidenheit, so schützen wir uns vor Luzifer. Entwickeln wir in uns Zufriedenheit, in unserem Innern, so kann Ahriman nicht an uns heran.

Aufzeichnung B

Ahriman sich ferne zu halten, wird dem gelingen, der da befolgt den Spruch: «Freue dich über das, was dir beschert ist; begehre nicht, was dir nicht gewährt wird.» -

Zu Luzifer sich richtig stellend, spricht der Esoteriker: «Übe Selbsterkenntnis, indem du auf deine Taten schaust und nicht den Gott in dir andichtest.» - Nur ein Spiegelbild von sich sieht der Mensch auf der Erde. Der Mensch ist ein geistiges Wesen; indem er sein Spiegelbild auf der Erde sieht, kommt er zu sei­nem Ich-Bewußtsein. Er hat sein Ich auf der Erde kennenzu­lernen. Luzifer und Ahriman machen den Fehler, daß sie ihr

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Ich, statt nur seine Wirkungen, auf den physischen Plan tragen. Man muß bei der Imagination nicht stehenbleiben, sondern sie lesen lernen.

Ahriman hat in der physischen Welt überall da Einfluß, wo man nur die physisch-sinnliche Welt anerkennt. Und der Zu­stand, in dem da der physische und der Ätherleib ist, zeigt sich genau dem Hellseher; es ist der Zustand, wie er sonst ist bei Menschen, die Furcht empfinden. Ahriman täuscht uns im Schauen, daher muß das Lesen zum Schauen kommen. Luzifer verführt uns, in uns den Gott zu suchen, sich für den Herrgott zu halten. Schützen können wir uns davor durch Demut und Bescheidenheit.

Zweierlei muß der Esoteriker lernen:

1. Die Meditation in Treue machen

2. Geduld haben.

In der elementarischen Welt ist auch Ahriman der Versucher. Die Schauungen der elementarischen Welt soll man deshalb nicht erzählen so: «Ich fühle mich in einer Welt von Wärme etc., nichts Festes ist da, Flüsse etc.»; nein, so soll man es nicht sagen; lesen lernen soll man dies, und sagen kann man dann, das ist die alte Saturnentwickelung.

Jedes Wesen hat seine Welt, in der es sein Ich erleben muß.

Der Engel verhüllt sein Antlitz vor der Menschwerdung. Die Engel erleben ihr Ich in der elementarischen Welt. Die Erzengel erleben ihr Ich in der astralischen Welt, aber ihre Wirkungen rei­chen auf die physische Welt herunter. Das Blut symbolisiert das Ich des Menschen. Wer nicht Blut sehen kann bei sich oder bei anderen, der kann sein Ich nicht ertragen; nicht einmal im Symbo­lum, im Ausdruck kann dieser Mensch sein Ich ertragen; der Be­treffende fällt in Ohnmacht, wenn er Blut sieht. Sein «Ich», kennt der Mensch es? Nein, überhaupt noch nicht ertragen kann der Mensch heute sein Ich. Der Mensch betäubt sich und will das nicht durchmachen. Er will sein Ich nicht kennenlernen.

Wenn wir das Rosenkreuz als Imagination erleben, so müssen wir das lesen lernen, dürfen bei dem Bilde, das schwarze Holz

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des Kreuzes, nicht stehen bleiben; es gehört das okkulte Wort dazu. Schauen wir das Blau, ausfüllend den Raum, so müssen wir uns sagen, hinter dem Blau steckt etwas. Wir dringen viel-leicht durch, und es erscheint uns ein Engel. Wir können auch sagen, hinter dem Blau verbirgt sich das Rot, dahinter die Lei­denschaft; wir müssen hindurchdringen, da erscheint der Teufel (Hinweis auf Luzifer in «Der Seelen Erwachen», Devachan­szene, Weltenmitternachtszene; nur noch wie ein rotes Band [?] bekleidet). Der Ätherleib des Menschen ist nicht in allen Län­dern gleich groß. Der Ätherleib wird immer größer, je mehr man von Berlin aus nach Norden kommt, und er wird kleiner, je mehr man nach Süden kommt, und immer kleiner, je mehr man nach Osten kommt.

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ESOTERISCHE STUNDE

Bergen, 11. Oktoher 1913

Aufzeichnung A

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Es ist immer wiederum von neuem notwendig, ein Bild zu ge­ben von demjenigen, was in der Meditation zu geschehen hat und wie man sich dabei zu benehmen hat.

Wenn man sich zum Meditieren hinsetzt, soll man dafür sor­gen, daß es um einen herum im Zimmer nicht zu warm und auch nicht zu kalt ist, damit man so wenig wie möglich Hinder­nisse von dem physischen Leibe her empfindet. Das erste, was auftreten wird, ist eine Art von innerer Unruhe, als ob es in unserem Blute stechen und krabbeln würde, so daß man sich dadurch abgelenkt fühlt; ja, es kann sogar bis zu einem Rau­schen des Blutes werden. Es werden nun vielleicht diejenigen, die solches nicht erlebt haben, meinen können, daß sie deshalb besser meditieren. Das ist aber nicht der Fall, denn dieses Stechen im Blute muß schließlich ein jeder mehr oder weniger erfahren, und es ist gerade ein Beweis dafür, daß man auf dem richtigen Wege ist, denn dadurch wird uns etwas zum Bewußt-sein gebracht, das man im gewöhnlichen Leben immer gerne übersieht. Durch das Stechen und Prickeln des Blutes kommt uns nämlich der Egoismus zum Bewußtsein, mit dem wir noch behaftet sind und der uns daran hindert, in die geistige Welt hineinzugelangen. Das wird uns zunächst verhindern, die nötige Ruhe zu erwerben, aber bei einem kräftigen Fortsetzen der Meditation wird man es so weit bringen, daß dieses Prickeln, während es vorhanden ist, uns nicht mehr stören kann.

Ein zweites Hindernis, das sich bei der Meditation auftut, ist eine Art von Atemnot. Während man vorher den Atem regel­mäßig verlaufend fühlte, kommt ein Moment, in dem man so fühlt, als ob der Atem stocken würde, als ob man im Halse eine Verdickung oder Beklemmung haben würde, die uns den Atem nimmt. Auch das ist etwas, was wohl ein jeder erleben wird, der

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zu meditieren versucht, und das uns hinweisen soll auf einen Mangel an Wahrheitssinn, auf die Lügenhaftigkeit, die noch in uns steckt.

Ein Drittes ist, daß man sich während der Meditation plötz­lich sehr schwach fühlen kann und der Schweiß einem ausbricht. Das ist das Hindernis, das der physische Leib dem Ätherleib in den Weg legt, so daß der Ätherleib sich nicht weiten kann, wie es bei der Meditation sein soll. Das kommt insbesondere bei solchen Menschen vor, die sich esoterisch entwickeln wollen und die zu viel Nahrung zu sich nehmen. Und wenn es dann wirklich gelingt, daß der Ätherleib sich vom physischen Leib lockert, dann hat er gleichsam wie eine dichte Mauer vor sich, durch die der Mensch nicht hindurchschauen kann, und die wei­teren Versuche, etwas von geistigem Licht oder geistige Wesen zu schauen, sind fruchtlos.

Ein Viertes, was geschehen kann, ist, daß man sich sehr ange­nehm und leicht fühlt und wie in einer Art Traumzustand sich befindet. Wenn das geschieht, so ist es, um uns darauf hinzu­weisen, daß es uns an der Neigung mangelt, uns sozial zu den Menschen zu stellen, und daß wir mehr dazu neigen, auf dem physischen Plan ein Traumleben zu führen.

Als Mittel gegen den Egoismus - der so stark auftreten kann, daß man eine große Beunruhigung dadurch erlebt - ist zu emp­fehlen das Lesen und In-uns-wirken-Lassen des Vaterunsers oder der Bergpredigt oder des Anfangs des Johannes-Evan­geliums. Das wird uns zeitweise Ruhe verschaffen. Auch dasje­nige, was in diesen Tagen als das «Fünfte Evangelium» gegeben wurde, ist dazu angetan, eine weitere Zunahme des Egoismus zu verhüten.

Je ernsthafter wir uns als Esoteriker entwickeln, desto mehr sollen wir eine Hingabe in uns pflegen, eine Devotion, die von unserer Seele den höheren Wesenheiten entgegengebracht wer­den soll, zum Beispiel den Engeln. Diese brauchen unser esoteri­sches Streben und das Studium der Theosophie als eine Nahrung für sich selber. Und nach dem Maße, wie Theosophie in uns

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hineindringt und wir sie zu einem Teile unseres eigenen Wesens inachen, in dem Maße können die Erzengel sie gebrauchen zur weiteren Entwicklung der einzelnen Völker und so zu ihrer eigenen Entwicklung.

* *

Aufzeichnung B

Was tut die Seele, wenn sie meditiert? Sie wird ganz eins mit dem Meditationsinhalt. Hindernisse, die dabei auftreten, sind die Gedanken und die Sorgen des Lebens, die die Seele nicht bannen kann. Dann tritt ferner auf:

1. ein Prickeln, Stechen oder Brausen im Blut während der Meditation. Das zeigt an den Egoismus, den wir in uns haben, und wir sollen uns daran prüfen, wo die Impulse des Egoismus bei uns liegen. Wer da sagen wollte: ich bin froh, bei mir tritt bei der Meditation kein Stechen, kein Prickeln, auch kein Brau­sen auf, - wer das sagt, der hat wohl überhaupt noch nicht tief meditiert.

2. Das Auftreten eines Würgens im Hals während der Medi­tation; das ist unsere Unwahrhaftigkeit, dieser Würgengel. Der Atem wird gespürt, geht bis zur Beklemmung.

3. Wir erleben während der Meditation außer unserem Leibe eine aus Träumen, aus Traumesstoff gewobene Form unseres physischen Leibes. Das ist das, was aufnimmt das, was zu dem physischen Leib dann wird, das, was nicht mit uns begraben wird, das Phantom.

Wenn sowohl das Blut als auch der Atem überwunden sind und wenn dann doch weitermeditiert wird, dann kann es ge­schehen, daß der Ätherleib bei der Meditation heraus will und, wegen der unreinen Kräfte in uns, unter starkem Schweiß wie herausgepreßt wird. Und dann sieht man den physischen Leib wie eine aus feiner Materie gewobene Form.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Kopenhagen, 15. Oktober 1913

Aufzeichnung A

#TX

Durch unsere Übungen dringen wir allmählich in die geistige Welt ein, aber das ist nicht möglich, ohne daß man zu gleicher Zeit in Berührung kommt mit Luzifer und Ahriman. In der Bi­bel finden wir die Erzählung von dem Sündenfall des Menschen, wodurch Luzifer und dann später Ahriman ihren Einfluß auf den Menschen erlangt haben. Sie wirken so in den Menschen hinein, daß es diesem, wenn er in die geistige Welt aufsteigt, schwer fällt, sein Ich zu ertragen. Gewisse Menschen können sogar in der physischen Welt nicht das äußere Zeichen des Ich ertragen, das heißt sie fallen in Ohnmacht, wenn sie Blut sehen.

Der Sündenfall hat uns die Selbsterkenntnis gegeben, aber mit einer Begrenzung, und jedesmal, wenn wir einen Schritt in der Selbsterkenntnis vorwärts machen, treten neue Versuchungen an uns heran, und zwar bis zu dem Grade, wie wir sie eben ertra­gen können. Ebenso wie der Mensch begrenzt ist in seinem phy­sischen Leibe, was das Maß des Schmerzertragens betrifft, eben­so sind die Kräfte begrenzt, mit denen wir die höheren Welten ertragen können,

Indem Luzifer und Ahriman uns bei dem Sündenfall aus dem Paradiese vertrieben haben, sind sie es auch wiederum, denen man begegnet, wenn man durch die Meditation in die geistige Welt hineinkommen will, und die uns unsere Begrenzungen fühlen lassen.

Ahriman steckt in all dem darinnen, was geistige Laute, Worte und so weiter sind, die man hören kann. Diesen gegenüber soll man immer mißtrauisch sein, denn in der menschlichen Sprache, die differenziert ist in die verschiedenen Völkersprachen, liegt Unwahrheit. Zwar nicht ganz und gar, sonst müßte ein jeder lügen, der seinen Mund zum Reden öffnet. Soviel Wahres in der Sprache ist, soviel Wahres kann in den «Stimmen» liegen. Würden

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die Stimmen immer die Wahrheit sprechen, dann hätte Luzifer bei der Versuchung nicht sagen sollen: «Ihr werdet sein wie die Götter», sondern er hätte sagen müssen: «Ich lüge».

Luzifer gibt die Visionen. Diese muß man durchbrechen, sonst zerbricht man nicht die Schale, die um jeden Menschen herum ist und die wahre geistige Welt verdeckt. Die Visionen und die Stimmen sind um uns herum wie die Schale um das Küken im Ei. Man kann in einer Vision vielleicht einen Engel schauen, und wenn man durch die Vision hindurchdringt, wird sich der Engel in eine Schlange verwandeln, das Zeichen Luzi­fers, denn dieser erschien ja bei der Versuchung auch in der Gestalt einer Schlange. Oder man wird vielleicht in seiner Medi­tation die Farbe Blau sehen - bricht man da hindurch, so kann das Blau verschwinden und zum Rot werden, und dann zeigt sich, daß wir unsere eigenen Leidenschaften geschaut haben.

Der Mensch hat infolge der Versuchung durch Luzifer nicht alles dasjenige erhalten, was die Götter haben; er hat zwar un­zeitgemäße Erkenntnis erhalten, aber nicht das Leben. Dadurch ist alles dasjenige, was wir erkennen und wahrnehmen, durch­drungen von Luzifer und Ahriman. So ist es im Grunde auch mit dem Inhalt unserer Übungen. Wenn man seine Übungen betrachtet, wird man finden, daß sie so gestaltet sind, daß sie niemals an den menschlichen Egoismus appellieren, was viele Menschen als sehr unangenehm empfinden. Wir meditieren nicht über «die Liebe» oder «die Wahrheit», denn all das würde nur den Egoismus fördern. Aber trotzdem sind solche Begriffe wie «Licht», «Wärme», die sich in unseren Übungen finden, Dinge der physischen Welt, die der Mensch zunächst nur kennt durch die physischen Sinne. Das alles sind noch Gaben des Luzifer. Daher sollen wir nach der Meditation den Inhalt fallen lassen, die Seele ganz leer machen auch von diesen Eindrücken; damit sagen wir allem ab, was von Luzifer und Ahriman herrührt, und bereiten uns auf die rein geistige Welt vor. Dann verschwindet für uns die Welt der Sinne, und die geistige Welt geht vor uns auf, die nichts mit der physischen Welt gemeinsam hat.

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Der gewöhnliche Mensch ist wie das Hühnchen, das seine Eierschale für die wirkliche Welt halten würde. Wenn das Hühn­chen innerhalb seiner Eierschale wahrnehmen könnte, dann wür­de es diese nicht klein, sondern sehr vergrößert sehen, ja so groß, wie wir unsere Welt schauen. Wie die ganze Welt würde es den Inhalt innerhalb der Schale ansehen. So sehen wir unsere Eier­schale, das heißt unsere Aura, ausgebreitet um uns herum als das blaue Himmelsgewölbe. Durchbrechen wir unsere Schale, dann werden Sonne und Mond verfinstert, die Sterne fallen auf die Erde

- an deren Stelle breitet sich die geistige Welt aus.

Die Menschen leben in ihrer Eierschale - ihrer Aura. Die Elohim haben uns unsere Aura gegeben, und durch den Sünden­fall ist diese wie eine Schale um uns herum geworden, und wir sind darinnen wie das Hühnchen im Ei. Der Himmel und die Sterne sind unsere Begrenzung, und sie mussen wir durch unse­re Seelenkraft durchbrechen, wie das Küken aus eigener Kraft die Schale durchbrechen muß. Dann gelangen wir in eine neue Welt, ebenso wiederum wie das Küken eine neue Welt vor sich hat, wenn es aus dem Ei gekrochen ist. Und da die Menschen eigentlich alle dieselbe Eierschale um sich haben, konnte auch eine Astronomie entstehen, wie wir sie haben, die die Himmels-körper sich am Himmelsgewölbe bewegen läßt.

Die Eierschale ist das: Ex Deo nascimur. Damit wir durch sie hindurchbrechen und auch etwas mitnehmen können in die gei­stige Welt hinein, mussen wir dasjenige mitbringen, was in un­sere Schale von der Außenwelt - das heißt also von der geistigen Welt - hineindringt, was das Gemeinsame ist; das ist der Chri­stus. Darum sprechen wir: In Christo morimur und hoffen, daß, wenn wir mit Christi Hilfe die Schalen durchbrochen ha­ben, wir wiederum auferweckt werden: Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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Aufzeichnung B

Als den Kampf mit Luzifer sollen wir empfinden das Unter­drücken der Meditation. * - Wir müssen uns Verständnis für den sogenannten Sündenfall erwerben. Ein Ähnliches erlebt man, wenn man Esoteriker wird. Was tut denn der Mensch, wenn er Esoteriker wird? Er nimmt etwas voraus, was die Menschheit erst später durchmachen muß. Und immer, wenn der Mensch eigentlich nicht ganz normal vorwärts will, tritt die Versuchung zuerst an ihn heran. Luzifer versucht uns, wenn wir Stimmen hören in uns, die zu uns in unserer Sprache sprechen. Drüben spricht man nicht diese Sprache, da spricht man eine andere Sprache; darum müssen wir sagen zu diesen Stimmen: «Ihr lügt alle!» - Ahriman versucht uns durch Bilderzeigen.

Beides, die Stimmen und die Bilder müssen wir durchdringen, um zum Wahren zu kommen. Als Beispiel dafür wird nun folgendes gegeben: Denken wir uns das Hühnchen, das im Ei ist, bevor es auskriecht. Es hat um sich die Eischale, das ist das, was das Hühnchen kennt und was es schaut, was es von innen schaut, genau so, wie wir, die wir als Eischale um uns haben und schauen den Himmel und alles, alles, was das Auge erblickt. Das ist alles das Ei von innen geschaut. Unsere eigene Aura, wir sehen sie auch von innen. Durchstoßen, durchbrechen müssen wir diese Eischale, wie das Hühnchen mit seinem Schnabel sie durchstößt, abwirft und in eine neue Welt tritt, dann erst be­treten wir die Welt der göttlich-geistigen Wesenheiten, der Hier­archien.

Um dazu zu gelangen, müssen wir in der Meditation alles fal­len lassen, alles ausschalten, was an anderen Gedanken und Ge­fühlen an uns herankommen will, außer dem Meditationsinhalt. Dann müssen wir aber auch diesen fallen lassen, ausschalten und doch bewußt bleiben, das ist das Bedeutungsvolle davon, das müssen wir fühlen.

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* Gemeint ist das Ausschalten des Meditationsinhaltes nach der Meditation. vgl. den letzten Absatz dieser Seite sowie Aufzeichnung A.

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Im Denken, auch im Denken in der Meditation, lebt Luzifer. Wir schließen darum einen Bund mit Luzifer in dem Denken der Meditation. Nun müssen wir das Denken in der Meditation fallen lassen, d.h. uns leer machen, den Inhalt der Meditation fallen lassen, loslösen die Denkkraft vom Denken. Durch will­kürliche Unterdrückung mit wachem Bewußtsein töten wir frei­willig, mit Bewußtsein, das, was von Luzifer kommt.

Es handelt sich um die Erzeugung einer konzentrierten Auf­merksamkeit, ohne einen Gegenstand. Aufmerksam zu sein auf einen Gegenstand, das ist der Beginn der Meditation, dann muß man die Aufmerksamkeit ablenken und den Göttern das Denken zurückgeben; das ist das Bedeutungsvolle. Und nun erst kommt man in die wahre, geistige Welt.

Nachdem der Mensch der Versuchung Luzifers erlegen ist, der da zum Menschen sprach: «Ihr werdet sein wie die Götter!»

- da sagt die Gottheit: «Nein!» - Und die Götter, sie nehmen dem, was Luzifer gegeben hat, das Leben weg, d.h. sie fügen ihm den Tod ein.

Betritt man die geistige Welt, so hat man das Erlebnis: Man erlebt die Kraft, die die menschliche Leiblichkeit plastisch bildet; man kommt hinter sich selbst. Urteilskraft, Unterscheidung von Gut und Böse heißt das, was da der Mensch durch Luzifer erkennen lernt.

Der Leib hat Grenzen der Ertragsamkeit des Schmerzes, wenn diese Grenze überschritten ist, erfolgt die Ohnmacht. Die Seele hat ebenso Grenzen, bei ihr tritt dann die Bewußtlosigkeit ein (auf).

Durch das Loslösen des Denkens vom Gehirn erlebt man sich außerhalb seines Gehirnes. Es ist, wie wenn man sein Gehirn in Strömungen umkreisen würde; so fühlt man sich. Man schleicht sich förmlich nachher um sein Gehirn herum. Wenn man fort­setzt das, was sonst das gewöhnliche Denken ist und sich ver­bunden fühlt mit den Prozessen, die sonst immer vorangehen, [sich verbunden fühlt] mit dem, wodurch der Denkprozeß ent­steht, dann lernt man ein Gefühl kennen, das man so ausdrükken

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kann: man habe förmlich Furcht, es bis zum Gedanken kommen zu lassen. Eine gewisse Überwindung gehört dazu, sol­che Wahrheiten und Tatsachen, diese spirituellen Vorstellungen, mitzuteilen, die man außerhalb des Gehirns erlebt hat, weil man jetzt kennenlernt, was eigentlich am Menschen arbeitet. Man schaut den Zerstörungsprozeß des gewöhnlichen Denkens. Der Geistesforscher bringt es eine Weile dazu, den Zerstörungspro­zeß nicht auszuüben. Er stellt sich neben sein Gehirn hin. Hin­gebung an das Weltenall ohne Regsamkeit, das gehört dazu zur Geistesforschung. Dann lernt der Geistesforscher alles das will­kürlich zu tun, was sonst vom Menschen unwillkürlich, im Schlaf, getan wird. Der Geistesforscher lernt alle die Funktionen des Leibes fühlen, die Atmung, die Drüsen etc. etc., und steht dem ganzen Menschen äußerlich gegenüber, fühlt ihn äußerlich. Durch Hingabe und Vertiefung der Seelenkräfte des Denkens und besonders des Fühlens kommt der Geistesforscher dazu.

Mit dem Herzen muß man bei einer solchen Meditation, bei einer solchen Vorstellung sein. Gefühlsmäßig sollen wir meditie­ren, dann werden wir nicht nur außerhalb unseres Gehirnes mit unserer Denkkraft sein, sondern wir umkreisen dann den ganzen Menschen. Dann dämmert uns auf das Bewußtsein: Du warst da vor der Empfängnis, stiegest herunter zu dieser Inkarnation! -Man blickt hinaus über das Erdenleben. Ein typisches okkultes Erlebnis hat man dabei: es ist, wie wenn der Blitz diesen Leib zerspaltet! Als Bild das Erlebnis geschildert: es ist wie wenn der Blitz durch das Haus zuckte, durch deinen Leib zuckte und ihn hinwegtrüge.

Das ist ein erschütterndes Erlebnis! Es ist das Erlebnis: Man kommt in die Nähe des Todes! - Nun weiß man und schaut, was der geistig-seelische Wesenskern des Menschen ist!

Dann muß man auch lernen, seinen Willen selbstlos zu kon­zentrieren von der äußerlichen, alltäglichen Betätigung auf dem Gebiete des Sprechens. So wie man die Denkkraft loslösen kann von dem Gehirn und den ganzen Menschen loslösen kann durch das Gefühl, so kann man die Sprachkraft von der Sprache selbst

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loslösen. Die Sprechbewegungen müssen schweigen, man darf es nicht zum Sprechen kommen lassen. Man muß dieses üben, in­nerlich, geistig-seelisch, man übt aber innerlich doch dieselbe Tätigkeit aus wie sonst beim Sprechen. Es muß so weit gebracht werden, daß wir lassen den Laut nicht einmal in die Nerven hereinkommen. Das, was sonst gebraucht wird zum Sprechen, das muß bleiben beim Gestus.

Mantrisches, Meditation ist nicht Begriff, sondern ist nur in­nerlich den Laut erleben. Wir hören uns selber zu, lassen es aber nicht bis zum Sprechen kommen. Dadurch werden wir unsere früheren Erdenleben kennenlernen; das ist wirkliche Erinnerung. Die Gemütskräfte lassen uns hineinblicken in das Leben über Geburt und Empfängnis hinaus; die Willenskräfte zeigen uns die früheren Erdenleben.

* *

Aufzeichnung C

Was ist Sündenfall? Da geschah etwas, was eigentlich die Ent­wicklung der Menschheit anders gestaltete, als sie nach dem Rat der Götter und insbesondere Jahves hätte sein sollen. Der Mensch hätte werden sollen ein Geschöpf, das den Instinkten der Götter hätte folgen sollen, wie das Tier seinen Instinkten folgt. Nun aber wurde ihm gegeben die eigene Unterscheidung zwischen Gut und Böse, die Erdenerkenntnis. Sie lehrte ihn eigenes Urteil - aber sie nahm ihm auch zunächst die Himmelserkenntnis* Und der Esote­riker unternimmt es, sich zur Erdenerkenntnis «die andere», die der spirituellen Welt dazu zu erobern. Da hat er es nicht so bequem mehr, wie die übrigen Menschen, die nur so dahinleben, da erstehen ihm ernste Pflichten und Verantwortlichkeiten z. B. der Wahrheit gegenüber. Da weiß er, daß er, wenn er in einer Inkarnation jemandem eine Unwahrheit gesagt hat, er dies wieder gut machen muß, indem er ihm die Wahrheit sagt. Das ist nicht immer leicht, das kann sogar furchtbar schwer sein, aber muß geschehen,

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denn Karma muß sich vollziehen. Da kann der Esoteri­ker z.B. fühlen, daß es ihn würgt im Halse, das ist der Geist der Wahrheit, der da will, daß die Unwahrheit ausgetilgt werde. - Das muß der Esoteriker hinnehmen als Mahnung zum Aussprechen der Wahrheit. Oder im andern Fall kann er empfinden ein Prik­keln im Blut. Das sind die versteckten Egoismen, die im Ich da sind; solange der Mensch sich vor ihnen versteckt, sie nicht sehen will, drückt sich das darin aus, daß der Mensch den Ausdruck des egoistischen Ich, das Blut, nicht sehen kann. Er wird ohnmächtig vor dem Anblick des Blutes, d.h. er versteckt sich vor den Egoismen, die darin prickeln.

Überall walten die luziferischen und ahrimanischen Kräfte, und der Esoteriker macht sehr genaue Bekanntschaft mit ihnen, er muß mit ihnen kämpfen, und er darf den Kampf nicht scheu­en. Die Erdenerkenntnis hat der Mensch durch die Schlange, durch Luzifer erhalten, sie muß geführt werden bis zum Tode, denn der Tod ist eine Folge der Erdenerkenntnis. Der Mensch muß lernen, innerlich tot die Erden[. . .]* zu fühlen, sein Denken muß er ersterben lassen können und muß dabei doch ein wa­cher, bewußter Mensch bleiben können. In Worten der mensch­lichen Sprache ist ihm sein Meditationsinhalt gegeben worden, die Sprache aber ist Luzifers Werk (Turmbau zu Babel>; sie [die Worte] haben verdeckt die eigentliche Menschensprache, die Ursprache. So mußte der Mensch ja einen luziferischen Inhalt selbst bis in seine Meditation hinein bekommen. Wenn nun die Menschen glauben, auf gewissen Stufen der seelischen Entwick­lung Stimmen zu vernehmen, und wenn die in irgendeiner Spra­che zu einem sprechen, so muß er schon daraus wissen: das ist Luzifer, das ist Lüge und durch starke innere Kraft muß er die Schale dieser Lügen durchbrechen, um zur Wahrheit zu kom­men, d.h. zur wahren geistigen Welt, die ihm durch diese Schale zugedeckt wird. Und wenn er glaubt, Bilder zu sehen, so ist da Ahriman am Werke zunächst. Da gleicht der Mensch einem

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* In der handschriftlichen Aufzeichnung unleserlich.

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Küchlein im Ei, das da glaubt, die Schale dieses Eies sei wie ein Spiegel und aus diesem abliest, was es selbst ist. Da muß der Mensch wieder die innere Kraft haben, wenn ihm da z.B. ein Engel erscheint, mit der inneren Erkenntnis-Kraft durch dieses Bild durchzudringen, und siehe da, es wird ein Teufel erscheinen aus der Umwandlung des Engels. Das Küchlein konnte glauben, seine Schale sei das Weltenall, eben dasselbe glauben die Men­schen auch. Sie stecken darin in ihrer Eischale und glauben, die­se blaue Schale des Welteneies, an der sie Sterne und Sonne und Mond sehen, sei die Welt. Das ist sie nicht. Sie tun da dasselbe was das Küchlein tut, aber wenn dies Küchlein durch seine Kraft die Schale zersprengt, so gleicht es da dem Menschen, der durch seine innere Kraft die Schale des Welteneies, das er für die Welt hält, zersprengt. Da sieht er dann, daß dasjenige, was die Astronomen über Sonne, Mond und Sterne sagen, Wischiwaschi ist, er sieht da die Welt der Hierarchien und ihr Walten und Wirken, die Sterne aber fallen für ihn herab und Sonne und Mond verlieren ihren physischen Schein. Da tritt er hinaus in die Welt des Vaters, der der Schöpfer ist des Welteneies, das ihm vorher seine Welt war. In diese Welt tritt der Mensch durch den Tod, aber auch durch die Initiation hinein. Der Christus gehört beiden Welten an, der Ursprungswelt, aber auch der Welt des Eies, denn er brachte das Opfer, sich in sie hinein zu begeben, und in ihr zu wirken, damit durch ihn die Menschen die innere Erkraftung finden könnten, die Schale zu zersprengen und hinaus zu gelangen in die Welt der Hierarchien: die Welt des heiligen Geistes. In Christo morimur heißt, seine Erdenerkennt­nis sterben zu lassen, damit die Himmelserkenntnis wiederum aufleuchten kann.

So wie der Körper an Grenzen der Ertragsfähigkeit kommt und dann nicht weiter kann, ohnmächtig wird durch das Über­maß von Schmerz, so hat auch die Seele Grenzen ihrer Fähigkeit des Ertragens. Dann kann sie nicht weiter und sie muß das tun, was der Geist der Wahrheit von ihr verlangt - den Knoten durchbrechen.

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Die Seele fühlt sich in sich selbst wie in eigner Kraft, die sie wie eine Schale umgibt. Diese Schale muß sie durchbrechen, und da sind Luzifer und Ahriman gleich zur Stelle.

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Aufzeichnung D

Der Sündenfall kann wieder erlebt werden auf dem esoterischen Wege; da bei jedem Vordringen der Menschen sich die Versu­chung in den Weg stellt.

Derjenige, der ein Esoteriker wird, muß sich klar darüber sein, daß er das Leben anders nehmen muß als der Exoteriker. Körperlich kann man Schmerzen betäuben, aber seelisch kann man sich nicht mehr betäuben. Man muß wissen, daß, wenn man die Unwahrheit spricht, man einmal in einem späteren Le­ben dieses berichtigen wird müssen, daß man die Wahrheit wird sprechen müssen, aber dann mit Schamgefühl. Der Körper kann nur ein gewisses Maß von Schmerzen aushalten, dann fällt er in Ohnmacht, man verliert die Herrschaft seines Ichs. Schwache Seelen können auch durch Angst oder Schrecken in Ohnmacht fallen. Wenn eine unreife Seele, die psychisch veranlagt ist, durch die Übungen rasch in die geistige Welt kommt, dann ver­fällt sie auch dort einer Betäubung, das sind die Stimmen, die in unseren Sprachen zu uns reden, die legt Luzifer vor die geistige Welt. Man muß dann eine große Seelenstärke wachrufen, um ihnen zuzurufen: Ihr lügt. - Dann hören sie auf. In der Imagina­tion stellt sich Ahriman uns entgegen. Mancher erblickt einen Engel; wenn er ihn scharf ins Auge faßt, geht er in Nebel auf und an der Stelle steht ein Teufel. Eine Erscheinung hat eine blaue Farbe, schaut man scharf hin, verwandelt sie sich in rot und zeigt an, daß noch eine Begierde in uns ist. Der Mensch sitzt in der Aura seiner Illusionen, auch was die physische Umwelt betrifft, wie ein Hühnchen in der Eischale. Wir müssen diese durchbrechen, um in die geistige Welt zu kommen. Die

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Sprache der geistigen Welt muß man dann erst verstehen lernen, dazu muß man sich erfüllen mit etwas, das uns von dort ge­kommen ist, zu uns in die Eierschale; das müssen wir mit hinausnehmen, das ist der Christus-Impuls. Hinter der Maja des Himmeisgewölbes finden wir dann die Hierarchien. In unseren Meditationen haben wir etwas (einen Teil>, was Luzifers Reich angehört, wir verbinden uns dann mit Luzifer. Wenn wir die Meditation dann ausschalten, alles Denken ausschalten, rufen wir unsre Seele auf zum Kampf mit Luzifer.

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ESOTERISCHE STUNDE

Nürnberg, 9. November 1913

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Es ist deswegen heute so schwer für den Esoteriker, Fortschritte zu machen, weil man sich die Erlebnisse, die man haben soll, viel zu tumultuarisch vorstellt. Es gilt aber vor allem, auf die subtilsten Vorgänge zu achten.

Man stelle sich vor, man ginge - etwa an einem stillen Abend

- in einen einsamen Wald. Da wird jedes kleinste Geräusch vernehmbar sein: das Fallen der Blätter, das Herannahen eines Schlittens und so weiter. Und nun stelle man sich dagegen die Großstadt vor; in dem Lärm der Straßen wird man nichts der­gleichen wahrnehmen, und doch sind alle diese stillen, feinen Geräusche auch dort vorhanden.

In der Meditation taucht aus dem Unterbewußtsein alles mögliche nicht bis zur Schwelle des Bewußtseins Gekommene herauf. So oft höre ich die Klagen: Es treten bei meinem Medi­tieren so viele Gedanken und Bilder in mir auf, deren ich nicht Herr werden kann, von denen ich mich nicht zu befreien ver­mag. - Dies kann man aber durchaus als Fortschritt in der Me­ditation ansehen. Denn indem sich beim Meditierenden Astral­leib und Ich aus ihrer Verbindung mit dem physischen und Ätherleib lockern, kommt der Esoteriker dazu, seinen anderen Menschen gleichsam zu objektivieren. Dies, sein Seelisch-Geisti­ges, das da webt und wirkt ohne sein Zutun, soll er aufmerksam in diesen Vorgängen betrachten.

Von innen her naht dem Esoteriker die Versuchung Luzifers, von außen her die von Ahriman.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, man wohnte selbst in einer ge­sitteten, ruhigen Familie, aber Wand an Wand lebten Menschen, die sich oft Räubergeschichten vorlesen und erzählen. Selbst dann, wenn man dies alles mit den physischen Ohren gar nicht hörte, prägt es sich doch dem Ätherleib ein und tritt dann wie­der hervor während der Meditation. - Ein anderes Beispiel: Man

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erlebt, wie ein Hund überfahren wird. Im eigenen Leib kann da Winseln und Bellen auftreten, sich auswirken nach dem Miterle­ben eines solchen Unfalles. Aus anderen Zusammenhängen her­aus kann ein ganzer Hexensabbat sich einstellen bei der Medita­tion. Dann soll der Meditierende nicht hierüber verzweifeln, sondern er soll sich freuen, da er ja den Zusammenhang ahnen kann und dadurch lernt, sich immer besser objektiv zu betrach­ten mit alledem, was auf ihn zuvor eingewirkt hat.

Es ist wie ein Abtasten seines ganzen Körpers während der Meditation. Hie und da werden Schmerzgefühle auftreten als Folge des Egoismus und anderes mehr. Bei diesem Abtasten fängt man oberhalb des Kopfes an und geht dann in kleinen Partien den ganzen Körper herunter.

Man wird auch lernen, von Krankheitserscheinungen aus­gehend, Rückschlüsse auf früher Erlebtes zu ziehen. So zum Beispiel kann eine Mittelohrentzündung schließen lassen auf die merkwürdigsten Eindrücke, die früher auf den Ätherleib statt­gefunden haben etwa dadurch, daß man in der Jugend Räuber-geschichten gehört hat ohne Vollbewußtsein, die dann aber doch auf das allerlebhafteste eingewirkt haben.

Wenn jemand einschläft bei theosophischen oder ähnlichen Betrachtungen, so wirkt das, was er hörte, nach in seinem Ätherleib, und dies besonders dann, wenn er aus diesem Einge­schlafensein sich hinterher «Gewissensbisse», Vorwürfe, macht; das wirkt im Unterbewußtsein oft sehr stark.

Bei Selbstvorwürfen: daß man noch immer so schlecht sei, weil immer wieder häßliche Bilder bei der Meditation und in­neren Sammlung aufsteigen, da soll uns trösten das Evangelien-Wort: Er nahm auf sich unsere Schuld.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Nürnberg, 10. November 1913

#TX

Wir wollen etwas besprechen, was von Wert sein kann für unser ganzes esoterisches Leben. Dies esoterische Leben zielt ja darauf hin, uns etwas zu geben, was wir als gewöhnliche Menschen noch nicht haben. Wir verhalten uns den geistigen Welten ge­genüber wie Kinder. Kinder läßt man nun, wenn man ein ver­nünftiger Erzieher, Lehrer ist, auch nicht nur das tun, was sie allein tun mögen. Das heißt, Eltern und Lehrer werden Kinder nicht so erziehen, daß sie sie in allem nach ihrem Willen gewäh­ren lassen. Man muß nicht das Seiende, sondern das Werdende im Kinde betrachten und danach alles bei der Erziehung einrich­ten. Auch zum Beispiel im Spiele; man gibt einem Kinde ein blindes Gewehr, denn mit einem andern würde es ja Schaden anrichten.

So auch mit den Menschen, wenn sie die übersinnlichen Wel­ten suchen. Gäbe man ihnen zu früh die Mittel an die Hand, um in sie einzudringen - sie würden sie nur zum Schaden verwen­den, nur Unheil anstiften, ehe sie nicht wirklich reif sind, sie zu betreten.

Als Werdende muß man die Kinder behandeln. In ihren Spielen drückt sich das auch aus. Ein Knabe spielt Krieg, ein Mädchen mit Puppen Mutter und Kind.

Als Werdender muß auch der Esoteriker von den geistigen Lehrern und Führern behandelt werden, und es muß ihm das gegeben werden, was er für später braucht. Unsere Erdenent­wicklung schreitet fort. Wenn wir in neue Inkarnationen eintre­ten, dann wird es sich erweisen, wie wichtig und nötig es war, in diesem Leben sich mit Theosophie beschäftigt zu haben. Die Menschen werden sich zurückerinnern wollen - jetzt tun sie es noch nicht - an ihre geistigen Erlebnisse. Wer keine Theosophie aufgenommen hat, der wird nichts finden, er wird sich zergrü­beln, er wird lechzen und schmachten nach etwas, was er doch

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in seiner Erinnerung nicht finden kann. Wichtig, ungeheuer wichtig ist es, sich dem esoterischen Leben hinzugeben, wenn man auch in diesem Leben noch nicht bewußt die geistigen Welten betritt. Wie eine nötige Vorbereitung sollen wir aber die geistige Arbeit ansehen. Alles andere sollen wir aus unseren Ge­danken und Gefühlen verbannen. Es kommt ja überhaupt beim Meditieren, bei der Konzentration so sehr auf die Grundstim­mung der Seele an.

Stellen wir uns einmal ein Küchlein vor, wie es die Schale des Eies sprengt und hinausschlüpft. Worin besteht der Unterschied zwischen dem Vorher und Nachher? Vorher war es in die Ei-schale ganz eingeschlossen, die war seine Welt. Alles, was das Küchlein erlebte, erlebte es als Bilder innerhalb der Eischale. Wo ist es nun, wenn es die Schale durchbricht? Dann steht es auf der anderen Seite der Schale. Dann dehnt sich sein Erleben, sein Wahrnehmen, so weit seine Sinne ausreichen, um sich herum aus, also in viel größerem Raume als vorher. Und kleinwinzig erscheint dagegen das Leben in der Eischale.

In genau demselben Fall ist der Mensch, der im gewöhnlichen Sinnesleben steht, wie das Küchlein in der Schale. Als Bild proji­ziert sich alles um ihn herum und erscheint ihm nur deswegen so groß, weil er drinnen eingeschlossen keinen anderen Maßstab hat.

Wir schauen zum blauen Himmelsraum hinauf und sehen die Sterne. Astronomen berechnen ihre Bahnen und was sie ihre Gesetze nennen. Und in Wahrheit sehen sie nichts weiter als die Eischale. In unserem Astralleib tragen wir alle solch eine Eischa­le mit uns herum - eine aurische Eischale, Hülle. Nur daß sie beim Küchlein bis zum Physischen verdichtet ist und bei uns nicht. Darum merken wir nichts davon. Die materialistische Wissenschaft zum Beispiel sieht in der Sonne nur eine Hohlku­gel oder läßt sie durchsetzt sein mit Stoffen ähnlich denen unse­rer Erde, nur in anderen Zuständen. In Wahrheit aber ist sie das Zentrum unseres Ich. Oder wenn wir den Abend- oder Morgen­stern betrachten, dann wissen wir als Theosophen, daß da die Kräfte draußen wirken, die unserem Ätherleib entsprechen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 17. November 1913

Aufzeichnung A

#TX

Ausgehend von dem schon oft Gesagten, daß das Mysterium von Golgatha in der Menschheitsentwicklung das wichtigste Ereignis ist und daß seitdem der Christus mit der Erdenaura verbunden ist, sagte Dr. Steiner, daß vielen von uns sich wohl im Laufe ihres Strebens die Frage aufgedrängt habe: Wo ist denn eigentlich jetzt der Christus? (In dem vorletzten Logenvortrag hatte er schon gesagt, daß die Menschen den Christus da such­ten, wo er nicht ist, wie die Frauen am Grabe, die ihn dort suchten, und die das Grab leer fanden; und wie ebenso wie diese Frauen die Kreuzfahrer im Mittelalter ihn da suchten, wo er nicht ist. Nur die Jünger suchten ihn, wo er war: im Geiste.)

Dann sprach Dr. Steiner von dem Zeitpunkt, bis zu dem sich jeder Mensch zurückerinnert, der liegt zwischen der Geburt und dem siebenten Jahre, und das ist der Zeitpunkt, wo das Selbstbe­wußtsein des Menschen erwacht. Er liegt zwischen der Geburt und dem Zahnwechsel, und in dieser Zeit wird im wesentlichen die individuelle Form im physischen Leibe ausgeprägt. Die er­sten Jahre lebt der Mensch in traumhaft dumpfen Bewußtseins-zuständen. Unser ganzes Seelenleben unseres jetzigen Mensch­heitszyklus verläuft so, wie es jetzt der Fall ist, weil eben in den ersten sieben Jahren der Mensch zu seinem Selbstbewußtsein erwacht.

Nehmen wir nun einmal an, das wäre anders. Hypothetisch wollen wir annehmen, daß der Mensch erst im zehnten Jahre zum Selbstbewußtsein erwachte; dann wäre auch unser ganzes Seelenleben ein anderes. Stellen wir uns vor, ein solcher Mensch, der in seinem zehnten Lebensjahre zum Selbstbewußtsein er­wacht wäre, gäbe den Auftrag, ihn am anderen Morgen zu wek­ken zu einer bestimmten Stunde. Er würde dann im Erwachen den Eindruck haben, als ob er sich selbst an seine Türe schlei­che,

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klopfe und sich aufwecke, oder er würde beim gewöhn­lichen Erwachen sich selbst hereinkommen sehen als eine Licht-gestalt, auf sich selbst zuschreitend, ihm die Augen öffnend und ihn so erweckend. Er würde dann wissen können: in dem Rei­che, aus dem seine eigene Lichtgestalt zu ihm kommt, da ist auch der Christus.

Trotzdem nun das menschliche Selbstbewußtsein jetzt schon im Laufe der ersten sieben Jahre eintritt, werden viele Menschen in der nächsten Zeit zu diesem Erlebnis kommen. Wir stehen an einem bedeutsamen Wendepunkt und es muß darauf hingewie­sen werden. Der Mensch wird dann erleben, wie die Lichtgestalt seines astralischen Leibes auf ihn zuschwebt, und dabei wird er erkennen, daß diese Lichtgestalt an seinem physischen Leibe zehrt, daß sie jedesmal, wenn sie ihn verläßt, gleichsam ein Stück mit hinwegnimmt. Und wenn die Gestalt morgens wieder vom physischen Leibe Besitz ergreift, so erkennt der Mensch, daß er lebt auf Kosten des Sterbens. Diese Erkenntnis kann die Menschen zur tiefsten Traurigkeit und Melancholie führen. Sie werden ihren Körper, ihren physischen Leib nicht mehr schät­zen. Und während durch die äußere Kultur und die Errungen­schaften der Technik, durch Flugzeuge und anderes, der Mut der Menschen ungeheuer gesteigert wird, wird gleichzeitig eine Geringachtung des Lebens eintreten, die Menschen werden in tiefen Ernst, in Traurigkeit, in Melancholie verfallen, und die Zahl der Selbstmorde wird ungeheuer werden. Während der äußere Mut wächst im äußeren sinnlichen Leben, wird auf der anderen Seite notwendigerweise der innere Mut immer mehr ab­nehmen und einer Feigheit Platz machen, einer verkappten Feig­heit. Die Menschen werden immer materialistischer und wollen nichts wissen vom Geistig-Seelischen. Dem liegt zugrunde eine Art von Feigheit. Die Angeloi sahen das voraus in der Mensch­heitsentwicklung und inspirierten Kant, daß er seine Lehre aufstellte von den Grenzen, die dem menschlichen Erkenntnis­vermögen gesetzt seien. Das war notwendig in der Menschheits-entwicklung.

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Die Menschen, die nicht zu dem Christus den Weg finden, die verfallen, wenn sie das «ich lebe auf Kosten des Sterbens» erleben, einer grenzenlosen Traurigkeit und einem tiefen Ernst, und sie sehen neben sich tatsächlich die Gestalt des Todes wan­deln. Aber wir wissen, daß der Christus lebt in der Erdenaura. Wir sind immer mit ihm verbunden. Und wenn wir das wissen und in uns lebendig erhalten, dann nimmt das Bild des Todes für uns die Züge des Christus an, der neben uns wandelt wie ein Mensch, wenn wir ihn auch nicht hellsichtig schauen. Das hellsichtige Schauen des Christus macht ihn uns noch nicht le­bendig; wir müssen es wissen, und darum muß das jetzt gesagt werden.

Wir können uns dem Geiste der Zeit nicht entziehen. Er wirkt eben überall, und wir stecken in unserer Zeit darinnen. Aber das Wissen, daß der Christus lebt, und daß wir zu ihm gelangen können, wird unsere Seelen bewahren vor der Ver­ödung, vor der tiefen Melancholie und der Verachtung des Lebens. Wir werden verstehen das Wort unseres Rosenkreuzer­spruches: In Christo morimur.

Wenn wir das alles recht lebendig in unsern Seelen werden lassen in unseren stillen Stunden, dann kann es uns eine große Hilfe werden.

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Aufzeichnung B

Es ist eine wichtige Sache, die wir heute betrachten wollen. Mit all den Mitteilungen, die Euch in den esoterischen Stunden gege­ben werden, verhält es sich so, daß Ihr sie für Euch innerlich seelisch verarbeiten müßt. Sie sollen Euch ganz erfüllen und in Euren Mußestunden Gegenstand Eurer inneren Betrachtung, Eures Nachdenkens sein. Da kann sich nun bei der Meditation oder als Folge derselben ergeben, daß jemand sich die Frage vorlegt: Wo ist denn eigentlich der Christus? Wo habe ich ihn zu suchen?

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Wir wissen, daß vor dem Mysterium von Golgatha der Christus eine kosmische Wesenheit war, die außerhalb der Er­densphäre lebte; wie dann in dem Ereignis, das bezeichnet wird als die Johannes-Taufe, der Christus sich hineinsenkte in die dazu bereitete Leiblichkeit des Jesus von Nazareth und drei Jahre lang darin wirkte; wie schließlich dann durch das Myste­rium von Golgatha die Christus-Wesenheit mit der Erdenaura zusammenfloß und der Christus seitdem in der Umgebung der Erde zu finden ist. Diejenigen, die vor dem Mysterium von Golgatha eingeweiht wurden, fanden ihn noch nicht dort. Sie mußten auf die Sonne entrückt werden, um ihn zu finden. Aber seit dem Mysterium von Golgatha ist der Christus in die Erdenaura ausgeflossen, und dort kann ihn jeder erleben. Denn, wie wir wissen, werden noch in diesem Jahrhundert viele Men­schen dazu kommen, den ätherischen Christus zu schauen. Freilich, ein Wissen von dem Christus zu haben, das ist noch etwas anderes.

Es ist schon öfter darauf hingewiesen worden, daß sich bis zum siebenten Jahre die Formen des physischen Körpers bilden. Er wächst dann noch weiter, aber die eigentlichen Formen sind gegeben. Wir wissen ferner, daß der heutige Mensch sich so ent­wickelt, daß zwischen die Geburt und das siebente Lebensjahr der Zeitpunkt fällt, der der erste ist, an den er sich erinnert. Vie­le meinen, man könne nur zurückdenken bis zum siebenten Jah­re, aber das ist nicht richtig; es hat nur so den Anschein, weil in unserer heutigen Zeit die Erinnerung vielfach zugedeckt ist von anderen Vorstellungen. Dieser Zeitpunkt zwischen der Geburt und dem siebenten Jahre, bis zu dem der Mensch sich zurück-erinnert, ist der Moment, wo sein Ich-Bewußtsein erwacht.

Es könnte nun die Frage auftauchen und dem Meditanten zu eingehender Meditation von dem Meister gestellt werden: Wie würde die Entwicklung vor sich gehen, welches würden die Fol­gen sein, wenn der Mensch dieses traumhafte Leben ohne Ich-Bewußtsein länger führte, als es bei dem heutigen Menschen der Fall ist, wenn sein Ich-Bewußtsein erst in der zweiten Periode

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seines Lebens, vielleicht im neunten oder zehnten Jahre, erwach­te? Ein Teil der Frage sei gleich beantwortet.

Nehmen wir hypothetisch an, jemand, dessen Ich sich erst in der zweiten Periode seines Lebens entwickelt hat, habe befohlen, ihn morgens zu einer bestimmten Zeit zu wecken. Dann wird er in einer Art Traum, der sich einstellt gegen die Zeit hin, wo er das Wecken angeordnet hat, die Empfindung haben, als ob er selbst - sein Ich - an die Türe klopfe, zu seinem Bette hingehe und seinen physischen Körper aufwecke. Er wird sich wie eins mit diesem Tun fühlen. Oder aber, falls er wartet, bis er von selbst aufwacht, was ja meist durch das beginnende Tageslicht geschieht, so wird er eine Lichtgestalt sehen, die auf ihn zu­kommt und ihn aufweckt. Wissen wird er dann, daß nicht das äußere Tageslicht ihn geweckt hat, sondern daß seine Seele, die in einem Lichtmeer war, als Lichtgestalt wieder in seinen Kör­per hineingleitet. Auch das ganze Seelenleben würde ein anderes sein. Es würde keine so scharfe Trennung geben zwischen dem Tagesbewußtsein und dem traumerfüllten Schlafbewußtsein, wie bei andern Menschen, sondern sie würden mehr ineinander übergehen. Das Wachbewußtsein würde von Träumen durchzo­gen sein, die fast unmerklich in die Nachtträume hinüberleiten. Da man sich aber mehr als Geistwesen empfinden würde, von dem man fühlt, daß es am physischen Leibe zehrt und allmäh­lich den Tod des ganzen Leibes herbeiführen muß, so würde man in seinen Träumen immer den Tod erleben. Das Bild des Todes würde man immer vor sich haben. So würde sich eine melancholische Stimmung über das ganze Leben verbreiten und zuletzt alle Schaffenskraft lähmen. Aber in dieser Welt des Todes ist der Christus zu finden, da ist er!

Dem heutigen Menschen fehlt vielfach der Mut, den Christus zu suchen und in die geistige Welt einzudringen. In dieser Be­ziehung ist der Mensch feige geworden. Wir müssen uns klar sein, daß eine Eigenschaft, die sich auf der einen Seite ausbildet, sich auf der andern Seite um so mehr abschwächt. Jemand, der Mut besitzt auf dem Gebiete der Technik, zum Beispiel der

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Luftschiffahrt, kann feige sein, wenn es sich darum handelt, in die geistige Welt zu kommen. - Kant ist von einem der Angeloi inspiriert worden, daß er in seinen Werken die Behauptung auf­stellte, daß der Vernunft Grenzen gesetzt und die Erkenntnis-kräfte auf das Physisch-Materielle beschränkt seien. - So ist das Streben nach dem Spirituellen sehr herabgedämpft in unserer Zeit, und es kommt dem Menschen gar nicht in den Sinn, wie feige er ist gegenüber den geistigen Welten, und wie seine Seele dabei immer mehr veröden muß. Wir alle sind abhängig von den Nuancen unserer heutigen Kultur, von der kommerziellen, indu­striellen Epoche, in der wir leben, und dürfen nie vergessen, daß wir in einer Zeit sind, in der der Materialismus seinen Höhe­punkt erreicht hat. Aber wie ein Gummiball sich nur bis zu einem bestimmten Punkte zusammendrücken läßt und dann wieder auseinanderschnellt, so werden auch die Seelen, die durch den Materialismus eingeengt waren, ihre Schwingen aufs neue entfalten. Je größer die Seelenverödung war, um so stärker wird die Reaktion sein.

Es wird immer gesagt, alle Entwicklung gehe gleichmäßig vor sich. Das ist nicht richtig. Überall in der Natur gibt es Sprünge. Und in der Entwicklung der Seele bereitet sich gerade jetzt ein Sprung vor in die Zukunft hinein. Der Materialismus war vor­gesehen in der göttlichen Weltenleitung. Der Mensch wurde so gut wie abgeschnitten von den geistigen Welten, damit sich die Kräfte der Seele dann um so stärker regen können; denn sie lassen sich auch nur bis zu einem gewissen Grade zusammen-drücken. Die physische Konstitution des Menschen wird in der Zukunft so bleiben, aber sein Seelenleben wird sich in der Art entwickeln, wie wenn sein Selbstbewußtsein erst in späteren Jahren erwachte.

Wir müssen klar erkennen, daß Todes- und Lebenskräfte in uns sind und daß es an uns ist, die Lebenskräfte zu ergreifen. Werden die Menschen nicht die Erkenntnis des Christus erlan­gen, werden sie den Christus-Impuls ablehnen, so werden sie einer grenzenlosen Seelenverödung entgegengehen und nur den

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Tod werden sie neben sich fühlen, nur Todeskräfte neben sich her gehen sehen und immer das Gefühl haben: ich sterbe in den Tod. Eine tiefe Melancholie wird solche Menschenseelen erfas­sen; sie wird Ekel und Lebensüberdruß erzeugen und Selbst­mordepidemien zur Folge haben.

Wenn wir uns aber mit dem Christus-Impuls durchdringen, so werden wir klar erkennen, daß zwar alles Leben auf Kosten des Todes geht, aber so, daß im Tode der Keim ist zu einem neuen Leben in den geistigen Welten. Der Tod selbst wird uns entgegentreten in der Gestalt des Christus. Und wir werden recht erfassen die Bedeutung des Wortes: In Christo morimur. In den drei Gliedern unseres aus zehn Worten bestehenden Ro­senkreuzerspruches haben wir alle Weisheit enthalten, die uns hinaufleiten kann in die geistigen Welten.

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Aufzeichnung C

Was uns so esoterisch geboten wird, sollen wir in unseren Mu­ßestunden wieder zum Bewußtsein erwecken, und so darüber meditierend wird es uns nicht bloß zum Begriffsinhalt werden, sondern zum Leben, mit dem wir uns ganz vereinigen können. So wird auch jetzt etwas gegeben werden, was für uns wichtig sein kann, es zu einer Meditation zu machen.

Wir haben schon viel gehört von dem Mysterium von Golga­tha, und für einzelne von uns ist das Um-uns-Herumsein des Christus zum Gefühlserlebnis, wenn auch noch nicht zum hell­sichtigen Erlebnis geworden. Aber wenn wir auch erst später zu diesem höheren Erlebnis kommen werden, so können wir uns doch durchdrungen fühlen von dem Christus. Aber indem wir so über den Christus meditieren, kann die Frage in uns aufstei­gen: Wo, in welcher Welt finden wir denn den Christus, der, wie wir wissen, zuerst eine außerirdische, kosmische Gottheit war und der sich durch das Mysterium von Golgatha mit unserer

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Erde verbunden hat? Wir wissen ja, daß der Christus nicht mehr in einem physischen Leibe auf der Erde erscheinen wird, aber wir können uns die Frage vorlegen: Wo in der Erdenatmo-sphäre ist der Christus zu finden?

Nun konnen wir, wenn wir uns tief in der Meditation befin­den, bisweilen fühlen, wie uns durch unseren Lehrer aus der geistigen Welt heraus Fragen gestellt werden, und indem wir versuchen, diese Fragen zu beantworten, können wir im medita­tiven Nachdenken weitergeführt werden. So ist eine Frage, die uns gestellt werden könnte, diese:

Wenn wir nun einmal so veranlagt wären, daß wir nicht zwi­schen dem dritten und dem siebenten Jahre, in der Zeit also, wo der physische Leib seine bestimmte Form erhält, die später nur mehr größer wird, unser Ich-Bewußtsein bekommen würden, sondern an Stelle dessen im zehnten Jahr, in der zweiten sieben-jährigen Lebensperiode, wie würde unser Bewußtsein sich dann gestalten?

Wenn unser Bewußtsein so wäre, daß wir bis zu unserem zehnten Jahre eine Art Traumleben führen würden, und dann unser Ich-Bewußtsein erwachen würde, würden wir ein ganz anderes Seelenleben haben. Wenn wir zum Beispiel morgens ge­weckt werden wollten, würden wir uns selbst außerhalb unseres Leibes schauen, wie wir an die Tür klopfen, und wir wurden wissen, daß wir selber in dem Ton darinnen wären, der uns er­wachen läßt. Oder auch, wir würden nicht, so wie sonst, auf­wachen und sehen, daß es hell geworden ist, sondern wir wür­den uns selber als Lichtgestalt, als eins mit dem Lichte schauen und empfinden, indem wir die Augen öffnen, wie wir als Licht in uns selber hineingleiten und unseren Leib mit Bewußtsein durchdringen.

Aber das Bewußtsein würde nicht so sein, daß eine scharfe Grenze wäre zwischen dem Wachleben am Tage und dem Traumleben in der Nacht, sondern diese beiden würden mehr ineinander fließen. Das ganze Tagesleben würde von einer Art Traumzustand durchzogen sein. Aber wir würden zu gleicher

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Zeit wissen, daß wir in der Gestalt, in der wir leibfrei sind, ein Geistwesen sind, das an dem Leibe zehrt und den Tod herbei­führt. Wir würden in unseren Träumen daher immer das Be­wußtsein des Todes mit uns herumtragen, immer das Bild des Todes neben uns schauen. Und das würde eine große Melan­cholie und Traurigkeit über das Leben verbreiten und uns alle Lebenskraft rauben.

Wenn es so wäre, dann könnte die heutige materialistische Kultur immer blühender und blühender werden, aber der Mensch würde in seinem Seelenleben veröden und keinen Lebensmut mehr entwickeln können. Der Mut nimmt ja ab unter den Men­schen; zwar wird eine Art physischen Mutes entwickelt, zum Beispiel in der Luftschiffahrt, aber es geht auf Kosten des Mutes an Geistigem, des Mutes, sich wirklich über das gewöhnliche materialistische Bewußtsein zu erheben. Daher mußten die guten Engel - so sonderbar das klingen mag - den Kant inspirieren zu seinen «Grenzen der Erkenntnis», denn mit der materialistischen Kultur, die da kommen sollte, gebrach es den Menschen an Mut, in die geistigen Welten einzudringen, und so blieben sie ganz in der physischen Welt stecken. Aber so wie ein Gummiball, der bis zum Äußersten zusammengedrückt ist, zurückspringt, so wird auch im Seelenleben gerade dieses eine Reaktion hervorrufen, und dann wird der Mut der Menschen sich wiederum der Eroberung der geistigen Welten zuwenden wollen.

Es ist ja nicht der normale Weg, daß der Mensch erst mit dem zehnten Jahre das Selbstbewußtsein erlangt, und es wird auch in der Zukunft nicht so sein. Wohl aber wird die Zukunft so sein, daß das Bewußtsein die geschilderten Umwandlungen durchma­chen wird, und diese Zeiten kommen rasch herbei. Der Esoteriker muß auch manches von diesen Dingen vorausnehmen, und eben deshalb haben wir unsere Theosophie und unsere esoterische Entwicklung, damit wir die Zukunft verstehen lernen.

In der Zukunft würden alle Menschen fortwährend den Tod neben sich schauen, den Tod in sich erleben; Melancholie müßte die Grundstimmung der Seelen sein, und Selbstmorde würden

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sich in erschreckender Art vermehren. Aber gerade dort, in jener Welt des Todes haben wir den Christus zu suchen! Wenn wir uns mit einem Verständnis von dem Mysterium von Golgatha durchdringen können, wird das Bild des Todes sich verwandeln in das Bild des Christus, und dann wissen wir, wo der Christus zu finden ist.

Ohne den Christus wurde der Mensch immer herumgehen müssen mit dem Gefühl: ich sterbe, ich sterbe in den Tod hin­ein. Aber dieses Gefühl kann Platz machen der Erkenntnis: in den Christus sterbe ich! Das sollte eine ganz besondere Medita­tion sein für einen solchen Menschen: In - morimur. Daraus wird die Kraft erwachsen können, um mit dem neuen Mensch­heitsbewußtsein trotzdem Lebenskraft und Seelenmut zu be­halten und uns immer vereinigt zu fühlen mit jener Welt, in der der Christus ist, in der er immer bei uns und um uns herum ist. «Wachet und betet» soll der Wahrspruch werden, um ein derartiges Bewußtsein zu erlangen.

Das alles kann für uns wirkliches Leben erhalten, wenn wir immer wieder ernsthaft meditieren unseren Spruch:

Ex Deo nascimur

In (Christo) morimur

Per Spiritum San ctum reviviscimus.

Aufzeichnung D

Heute werden wir eine Sache vorbringen, die Sie meditativ wei­ter in sich leben lassen müssen, um dadurch weiterzukommen. Es ist oft davon gesprochen worden, daß der Christus vor der Jordantaufe im Kosmos war und dort von den Hellsehern ge­schaut werden konnte. Durch die Jordantaufe ist der Christus dann in die Leiber des Jesus von Nazareth eingezogen und beim Mysterium auf Golgatha in die Erdenatmosphäre eingeflossen

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und dort geblieben. Es ist manchem die Frage aufgestiegen: wo ist der Christus jetzt, wo ist er zu suchen?

Die Rückerinnerung des Menschen geht bis vor das siebente Jahr, da war der Beginn des Ich-Bewußtseins; der physische Leib ist dann seiner Form nach fertig gestaltet, er wächst nur noch. In diese erste Periode fällt das Ich-Bewußtsein. Frage: Wie würde es sein, wenn die Rückerinnerung nur bis zum zehnten Jahre reichte, also in die zweite Periode fiele?

Nehmen wir an, es wäre so - dann würde alles anders sein. Der Mensch, der sich morgens wecken ließe, würde traumhaft erleben, als ob er selber es wäre, der an seine Tür schliche und klopfte, um seinen physischen Leib aufzuwecken; oder wenn er wie gewöhnlich durch die Tageshelle geweckt würde, so würde er das so erleben, als ob er selbst als Lichtgestalt an seinen phy­sischen Leib heranträte, sich die Augen öffnete und Licht hin­einstrahlen ließe. Er würde in seinen physischen Leib morgens zurückkehren, wissend, daß er ihn dadurch zerstört, ihn dem Tode entgegentreibt. Beim Aufwachen würde er den Tod neben sich stehen sehen und Melancholie würde sich über seine Seele ausbreiten. Der Schlaf würde bewußtes Traumerleben sein, sein Bewußtsein würde nicht aussetzen: dieses würde man so in dem jetzigen Zeitpunkt der Menschheitsentwicklung erleben.

Nun wird das Ich-Bewußtsein niemals erst im zehnten Jahr erwachen, aber die Menschheit schreitet voran, das Seelenerleben ändert sich, und der Mensch wird das eben Beschriebene in nächster Zukunft so erleben. Hätte das Mysterium von Golgatha nicht stattgefunden, der Mensch würde bei fortschreitender ma­terieller Kultur in tiefe Melancholie gehüllt sein, da die Gestalt des Todes ein steter Begleiter wäre. Durch das Mysterium von Golgatha wird sich die Gestalt des Todes für den, der den Chri­stus-Impuls in sich aufgenommen hat, verwandeln in die Gestalt des Christus: das, was eben beschrieben wurde, ist der Ort, wo der Christus zu suchen ist, und unsre Aufgabe ist es, den Zeit­punkt, da die Menschen das Aufwachen so erleben werden, vor­zubereiten. Wir sollen, diese okkulten Geheimnisse wissend,

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warten und schauen auf den Morgenstern, der für die Menschen aufgehen wird. Die materielle Kultur der Technik schafft Mut für das physische Leben, aber Feigheit für das spirituelle, für die Verstärkung der Seelenkräfte. Darum wird das Spirituelle abgeleugnet. Die Angeloi haben Kant deshalb inspiriert, daß er abspricht den Menschen eine Erkenntnismöglichkeit des Spriri­tuellen, damit die Menschenseelenkräfte, gleich dem Gummiball zusammengepreßt, einst emporschnellen und mit desto stärkeren Kräften die geistigen Erkenntnisse ergreifen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Stuttgart, 23. November 1913

Aufzeichnung A

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Woran liegt es, daß der Esoteriker, auch wenn er sich jahrelang in Konzentration und Meditation geübt hat, noch immer nicht zu einem Sehen in den höheren Welten gelangt ist? Um diese Frage deutlich zu beantworten, wollen wir uns einmal vorstel­len, was eigentlich meditieren ist. Wenn wir meditieren wollen, haben wir den Willen, uns von den äußeren Dingen abzuwen­den, wir wünschen, daß sie keinen Einfluß mehr auf unsere Ge­danken ausüben sollen, sie sollen uns nicht stören in unserer Hingabe an das Geistige. Doch fortwährend schieben sich die außeren Ereignisse und die Gedanken darüber vor unsere medi­tierende Seele, sie wollen uns von unserer Meditation abwenden, sie wehren sich gegen unsere Hingabe, so daß wir mit unserer äußersten Willenskraft dagegen kämpfen müssen. Wollen wir untersuchen, wer nun eigentlich gegen unseren besseren Willen sich wehrt, kann das folgende Beispiel uns vielleicht einige Klar­heit geben. Nehmen wir an, daß ein Fremder sich uns näherte und zu uns sagen würde: «Sie sind ein flatterhafter Mensch.» In neunundneunzig von hundert Fällen würden wir darüber sehr verstört sein, denn wir hatten bis jetzt gemeint, ein sehr guter Esoteriker zu sein, der sein eigenes Innere, was seine Fehler an­belangt, ernsthaft durchsucht hat, und nun kommt ein Fremder und behauptet das Gegenteil.

Genauso, wie der Fremde sich vor uns stellt, so tritt in all den Gedanken, die sich zwischen unsere Meditation schieben, auch etwas vor uns hin, von dem wir meinen, es nicht zu ken­nen und doch ist es unser eigenes Selbst, das sich in all die­sen Gedanken offenbart und das uns zeigt, wie flatterhaft wir eigentlich sind und wie wenig wir uns losmachen können von unseren täglichen Besorgnissen und Begierden. Denn was da immer in uns eindringt während unserer Meditation, wo wir

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doch den Wunsch haben, uns von den äußerlichen Dingen abzu­sondern und uns mit dem Geistigen zu verbinden, ist unser strömendes Begierdenleben. In den Bildern unseres täglichen Lebens strömt es unaufhörlich in unser Denken ein und wehrt sich, wenn wir uns mit dem geistigen Gebiet in Verbindung setzen wollen.

Daß dies der Fall ist, kann zu unserm Wohl sein, da wir uns in all diesen Bildern und Gedanken selbst kennenlernen in un­serm fortwährend einfließenden Begierdeleben; es muß uns zur Selbsterkenntnis bringen, die wir bis jetzt sehr flüchtig geübt haben. Aber meistens werden wir noch nach allerlei Entschuldi­gungen suchen, denn wir wollen uns selber nicht anklagen, und das ist der Grund, warum der Blick in die geistige Welt noch immer uns verschlossen bleibt; unser Begierden-Ich zieht einen Schleier davor. Würden wir unsere Aufmerksamkeit mehr von den Ereignissen und Erfahrungen unseres Begierdelebens ab­wenden, würden wir unser Ich zum Geistigen wenden und unsere ganze Andacht darauf richten, dann würden wir schon längst Erfolg gehabt haben. Würden wir, um ein triviales Bei­spiel zu verwenden, nur so viel Aufmerksamkeit auf unsere Me­ditation wenden, wie man sie für Gespräche allerlei Art, die man in Gesellschaften führt, oder auch für Neuigkeiten über seine lieben Mitmenschen verwendet, so würden wir schnell vorwärts gehen in unserer Kenntnis der höheren Welten, wir würden dann unser sich wehrendes Ich zurückstoßen.

Was sind unsere Gedanken anderes als Erinnerungen von frü­heren Ereignissen, und diese Ereignisse sind nichts anderes als unsere Begierden, die wir empfunden haben. Wären sie uns nicht zum Genuß geworden, dann würden wir sie nicht in unse­rer Erinnerung aufbewahrt haben. Man untersuche nur sein Ge­dächtnis, und man wird finden, daß alles, was man am meisten als Genuß empfunden hat, in ihm eingegraben ist. Alles, was uns gleichgültig geblieben ist, was uns nicht besonders interessiert hat, wovon wir sozusagen nichts genossen haben, ist aus un­serem Gedächtnis verschwunden, genauso, wie das zur Schule

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gehende Kind sich in späteren Jahren nicht mehr an die kleinen Besonderheiten seines Unterrichtsstoffes erinnert, weil wir uns in unsern Schuljahren meistens nicht so sehr für den Unter­richtsstoff interessieren, und darum drückt er sich nicht so tief in das Gedächtnis ein.

Was wir auch notwendig für unsere esoterische Entwicklung anwenden müssen, ist Hingabe. Nicht die Methode muß es sein, die wir in der Meditation anwenden, auch nicht der Wunsch soll uns leiten, nun recht viel zu meditieren, damit wir viele Erleb­nisse in der geistigen Welt haben werden; das alles soll uns nicht berühren, wir würden damit nur unsere eigenen Wünsche sehen, denn hier würde Luzifer die Herrschaft über uns erlangen. Wir kommen nicht so bequem von dieser Welt Luzifers und Ahri­mans ab. Wenn wir glauben, gründliche Selbsterkenntnis geübt zu haben, dabei aber noch nach Entschuldigungen suchen, dann ist das Ahriman, der neben uns steht. Ebensosehr ist es Ahri­man, wenn wir nach Entschuldigungen suchen, wenn jemand uns sagt: dies oder jenes hast du schlecht gemacht. Wir haben Ahriman und Luzifer zu lieb, sie begleiten uns durch unser gan­zes Leben, gerade weil wir sie so sehr lieb haben. Und warum haben wir sie so lieb?

An einem Beispiel soll versucht werden, dies deutlich zu ma­chen. Wodurch beruhigt eine Mutter ihr weinendes Kind? Da­durch, daß sie es liebkost und sein Gesichtchen streichelt, was auf jeden Fall ein angenehmes körperliches Gewahrwerden bei dem Kinde hervorruft. Nun müssen wir wissen, wodurch Ahri­man und Luzifer sich dem Menschen offenbaren und beliebt machen, nämlich weil sie uns mit den Dingen der Welt um uns herum in Berührung bringen, der Welt, in der wir unseren Ge­nuß suchen und dessen Befriedigung uns so angenehm ist. Durch die Lichtstrahlen, die sie auf die Objekte fallen lassen und die dann wiederum von den Dingen auf uns zurückstrahlen, durch diese Strahlberührung fühlen wir einen eben angenehmen Reiz, so wie das weinende Kind gefühlt hat bei der liebkosenden Berührung der Mutter. Luzifer und Ahriman streicheln uns

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durch das Zaubern der Lichtstrahlen über die Dinge der Welt und unsere Augen werden durch die Berührung mit den Strah­len die Dinge gewahr.

Vor allem bringen sich diese Mächte zur Geltung auch in der gegenwärtigen Wissenschaft und in der Philosophie, wie z. B. in einem Gespräch eines Schülers von Schopenhauer mit Nietzsche. Deussen behauptet gegenüber Nietzsche, daß die Willensvernei­nung das Leben bedingt, während Nietzsche sagte, daß Lebens-veredelung zum Leben führt. Wenn man nun den ersten Aus­spruch genau ins Auge fassen und darüber nachdenken würde, würde man sagen müssen, daß sie (die Willensverneinung) nicht zum Leben führt, sondern zum Tode, denn ein Säufer, ein Vaga­bund, der die Willensverneinung des Lebens auslebt in seinen Begierden und sie nicht im Zaum hält, der jeden Genuß bejaht, der ihm im Leben geboten wird, der wird das Leben nicht erlan­gen, sondern er wird einen vorzeitigen Tod finden, während der Mensch, der nach Willensveredlung strebt, die Kräfte eines ge­sundmachenden Keimes, mit dem sich seine Strahlen verbinden, ausstrahlt; er wird dem Leben zustimmen in Gesundheit. Mit diesem philosophischen Ausspruch von Deussen haben Gelehrte gemeint, durch eine scharfe Brille geschaut zu haben, während sie doch nur durch eine Brille mit hölzernen Gläsern gesehen haben. Wir sehen auch hier, daß sich Ahriman wieder vor den Menschen stellt, denn wir selber lassen ihn nicht los in allen Angelegenheiten des Lebens, so lieb haben wir ihn. Es ist nötig, uns dies alles deutlich zu machen, denn wir müssen mit offenen Augen Luzifer und Ahriman in all unserm Tun und Lassen er­kennen, und namentlich dort, wo diese beiden Mächte sich vor unsere Meditation stellen wollen, um uns den Blick in die geisti­ge Welt zu verwehren, denn der Augenblick ist angebrochen, daß wir danach streben müssen, uns zur geistigen Erkenntnis zu entwickeln durch das Formen von geistigen Organen des Hellsehens in uns, damit diese Organe nicht vertrocknen und sich verzehren. Langsam und allmählich müssen wir im Geisti­gen wachsen, aus dem wir geboren sind: Ex Deo nascimur.

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Im Beginne unseres Lebens, das seinen Ursprung in der Gott­heit hat, waren wir noch durchdrungen von den göttlich-geisti­gen Kräften; sie wirken noch am Kinde bis zum Zahnwechsel, in den Milchzähnen wirken sie noch. Mit dem siebenten Jahr ist der Zahnwechsel abgelaufen, und die neuen für dieses Leben bestimmten Zähne treten hervor. So erneuert sich alles beim Menschen, das Alte wird durch das Neue abgestoßen, die Haare fallen aus und neue kommen an ihre Stelle, die Nägel werden abgeschnitten, und sie wachsen wieder. Mit dem Ausfall der er­sten bzw. der Milchzähne beim Kind haben die geistigen Kräfte, die an dem Aufbau, an dem Wachstum des Kindes gewirkt ha­ben, ihr Ende erreicht und nun beginnen andere Kräfte oder Wesen an dem Aufbau für die gegenwärtige Inkarnation zu ar­beiten, aber mit dem Aufbau beginnt auch sofort der Zerfall, das Absterben der Organe. Sie gehen allmählich dem Tode entgegen, denn sogar jeder Gedanke, den der Mensch denkt, verursacht Vernichtung in den Gehirnzellen beziehungsweise das Stoffliche ist einem langsamen Absterben geweiht: In Christo morimur.

Langsam wachsen wir zum Geistigen hin. Unsere Haare wer­den weiß, all unsere Organe gehen langsam in das Geistige über, unser ganzer Körper strebt nach Vergeistigung, er wird im Gei­ste wieder erstehen: Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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Aufzeichnung B

Der Okkultist muß sich immer mehr klar darüber werden, daß die Welt kompliziert ist. Wenn der Mensch den physischen Plan betritt, so spielt sich in seinem ersten Lebensjahr etwas ab, das wir vergleichen können mit dem Kampf, den vor dem Saturn geführt haben Wesenheiten, damit der Saturn entstehen konnte, nämlich dem Kampf, den geführt haben die Geister der Persön­lichkeit, die von innen wirkten, mit den Geistern des Willens,

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die von außen wirkten. Im ersten Jahre seines Lebens auf dem physischen Plan muß der Mensch im Kampfe stehen und über­winden dasjenige, was er Vererbtes an sich hat, er muß also im Kampfe stehen mit den Geistern des Willens und mit seiner Persönlichkeit.

Dieser Kampf spielt sich um den Menschen herum ab in sei­nem ersten Lebensjahr. Betrachten wir das Kind, so wird es den Ahnen erst ähnlich in späterer Zeit, und zwar so viel ähnlich als Sieger wird das Vererbte, also dasjenige, was von den Geistern des Willens kommt, über das Individuelle, über das, was die Geister der Persönlichkeit repräsentieren.

Das Streicheln, das Sich-selbst-Genießen, das ist das, was wir lieben. Ahriman streichelt uns, wie wir ein Kind streicheln, das tut dem Kinde wohl. Ahriman ist es, der Entschuldigung hat für dasjenige, was wir tun, er flüstert: Das hast du eben nicht anders gekonnt, da kannst du nichts dafür usw.

Luzifer, er stärkt unseren Egoismus. Da ist ein Dritter, der zu uns tritt, der Unbekannte, der zu uns tritt und uns sagt: «Du bist ein flatterhafter Mensch», das ärgert uns. Das, was wir in der Meditation als störende Gedanken erleben, das ist eben der Unbekannte, der uns das sagt und zwar sind wir es selbst. Aber es ist uns unbequem, die Entdeckung, wie wir sind! - Die Men­schen gehen in die Kirchen und beten zu den Wesenheiten, die sie lieben. Wir tragen oftmals auf den Lippen den Namen des Christus, aber wir meinen Ahriman.

Die ersten Zähne und die zweiten Zähne: Nur durch die ersten Zähne sind wir unsterblich. Das Nachschieben, das Sich­Nachschieben dem göttlichen Menschen bringt die zweiten Zäh­ne. Alle Erinnerung ist flüssig gewordener Egoismus. Wir erin­nern uns an das, was unsere Begierde einst erregt hat. Je stärker die Begierde war, je besser ist die Erinnerung. In der Meditation erregt nichts unsere Begierde, darum revoltiert die Begierdenna­tur, die gestreichelt sein will und es in der Meditation nicht wird. Das Kind lernt in der Schule viel, was seine Begierde nicht erregt, darum vergißt es bald das Gelernte.

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Alles von den Geheimnissen unseres Daseins liegt in dem Rosenkreuzerspruch:

Aus dem Göttlichen sind wir geboren

In dem Christus sterben wir

In dem Heiligen Geiste werden wir auferstehen

E.D.N. veranlagt den göttlichen Menschen

I.C.M. damit das Göttliche geboren werden kann

P.S.S.R.: die Kraft, die es aufwärts trägt.

ESOTERISCHE STUNDE München, 9. Dezember 1913 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE218 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

München, 9. Dezember 1913

Aufzeichnung A

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Wir müssen, um in unserem esoterischen Leben weiterzukom­men, in der Beobachtung von Dingen aufmerksamer werden, die unserem alltäglichen Bewußtsein meist entgehen. Auch müssen wir uns andere Vorstellungen machen über das, was wir zu-nächst erleben werden. Wir beklagen uns zum Beispiel, daß in unsere Meditation Gedanken hineinstürmen, die uns belästigen und stören. Wenn wir es uns näher überlegen würden, müßten wir erkennen, daß es ein Fortschritt ist, daß wir sensitiver ge­worden sind, weil wir bemerken, daß diese Gedanken etwas sind, das stärker ist als wir. Sie veranlassen uns, mehr Kraft auf-zuwenden in unserer Meditation, denn es sind luziferische We­sen, die unsere eigenen Gedanken in uns heraufholen. Diese lu­ziferischen Wesen sind immer in uns, sie werden nur im Gewo­ge des Alltagslebens übertönt. Wenn wir des Nachts durch einen mäuschenstillen Wald gehen, so werden wir leises Blätterfallen, auf dem Boden hinhuschende Tiere, fernherkommende Schritte genau hören. Aber im Großstadttrubel werden so leise Geräu­sche ganz unwahrnehmbar sein. - So ist es mit unseren Medita­tionen. Die Stille, die wir schaffen, läßt uns bemerken, was im Alltagsgewoge unbemerkt untergeht. Alles mögliche kann uns ins Bewußtsein kommen, zum Beispiel auch Schmerzen des physischen Körpers, die wir sonst nicht empfinden. Wir können uns auf unseren Körper konzentrieren - das ist aber nur in ganz besonderen Fällen gut -, ihn so absuchen nach Schmerzen. Da fängt man etwas über dem Kopf an, mit Ausschaltung aller an­deren Gedanken, seine Aufmerksamkeit nur auf diesen einen Punkt zu konzentrieren; dann geht man weiter herunter, kon­zentriert sich auf einen Teil des Gehirns und so weiter. Da wird man merken, wie man in seinen verschiedenen Körperteilen Schmerzen haben kann. Und je egoistischer ein Mensch ist,

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desto mehr und deutlicher fühlt er Schmerzen da und dort. Aber wir dürfen darüber nicht Hypochonder werden und uns davon schrecken lassen, sondern wir müssen den Kopf oben behalten.

Das müssen wir aber auch in manchen anderen Dingen, denn es können uns eigentümliche Sachen geschehen, die uns verblüf­fen können, denen wir aber auf den Grund gehen müssen. Un­sere ganze Konstitution, das Verhältnis unserer Körper [Wesens­glieder] zueinander, verändert sich durch unsere Meditation. Wenn wir sie noch so schlecht machen, noch so ungeschickt, wir ziehen doch Ich und Astralleib und einen Teil des Ätherlei­bes heraus aus dem physischen Leib, und dadurch können wir in den Minuten nach der Meditation merkwürdige Erlebnisse in unserem Ätherleib haben. Dieser ist ja ein treuer Bewahrer alles dessen, was uns im Leben bewußt und unbewußt begegnet ist. Wir können zum Beispiel in unserer Kindheit erlebt haben, wie ein Hund von der Eisenbahn überfahren wurde. Die ganze schreckliche Szene haben wir im Laufe der Jahre überwunden. Der Ätherleib hat sie bewahrt, und wir können dreißig bis vier­zig Jahre später durch unsere Entwicklung aus uns heraus plötz­lich das Bellen und Winseln vernehmen, ja, es kann sogar so sein, daß der Betreffende selbst wirklich Laute wie Bellen her­vorbringt und dann natürlich sehr über sich erschrickt. Dies kommt daher, daß die im Ätherleib bewahrte Erinnerung da­durch, daß der Ätherleib in der Entwicklung gelockert wird, plötzlich mit besonders starker Kraft auftritt und auf den physi­schen Körper wirkt.

Ein zweites Beispiel: Es kann jemand als Esoteriker infolge einer Mittelohrentzündung Schmerzen haben, die zu Visionen einer schauervollen Szene führen, deren Ursprung er sich nicht erklären kann. Der Zusammenhang ist folgender. Die Schmerzen sitzen natürlich nicht im physischen Leib, sondern im Astralleib. Das wissen wir als Theosophen und verstehen daher auch, wie grundverkehrt es ist, wenn Maeterlinck in seinem letzten Buche behauptet, eine Seele, die keinen Körper mehr habe, könne keine Schmerzen haben. Wir wissen, daß die körperlose Seele - im

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Kamaloka zum Beispiel - große Schmerzen erleiden kann. Die Schmerzen im Astralleib nun spiegeln sich im Ätherleib. Der Esoteriker erlebt die dadurch im Ätherleib erzeugten Vibratio­rien, zugleich aber auch die Vibrationen ähnlicher Art, welche in seiner Kindheit durch seelische Schmerzen darin erzeugt wur­den, als er die schauervolle Szene erlebte. Diese hatte er längst vergessen, aber durch die esoterische Entwicklung und den äußeren Anlaß des Schmerzes tritt das Erlebnis aus dem Äther-leib hervor.

Etwas noch Eigentümlicheres ist möglich. Wir brauchen nur Wand an Wand mit einer Familie gehaust zu haben, die sich gern Räubergeschichten vorliest und erzählt. Unser physisches Ohr hat sie nicht vernommen, aber unser Ätherleib nahm sie au£ Und bei der geistigen Entwicklung kann es vorkommen, daß wir sie in unserem Ätherleib erleben. Solche Dinge können uns erschrecken, wenn wir sie nicht verstehen.

Nehmen wir an, daß einer in der esoterischen Stunde, oder sagen wir lieber bei einem öffentlichen Vortrage, aus Interesse-losigkeit einschläft. Sein Ich und sein Astralleib sind deshalb aber doch dabei. Wenn er dann aufwacht, so kann es dazu kom­men, daß der physische Leib sich dem nicht anpassen will, was der zurückkehrende Astralleib und das Ich aufgenommen haben. Das führt dann dazu, daß der Betreffende mit sich selbst zerfal­len ist, sich schwere Vorwürfe macht oder sogar physische Schmerzen empfindet. Oder es kann der Fall eintreten, daß jemand mit großer Aufmerksamkeit die esoterischen Lehren auf-nimmt und auch seine Übungen gut macht, daß er aber dann unter Menschen sein muß, die sich entweder stillschweigend ab­lehnend verhalten gegen Theosophie und Esoterik oder dies auch aussprechen. Dann wirkt dies auf den Esoteriker, und es kann ihm passieren, daß nach der Meditation Stimmen aus ihm heraus sagen: «Das ist alles Unsinn!» oder viel schrecklichere Dinge, die ihn sehr peinigen. Es sind aber eben die Gedanken seiner Umgebung, die er vielleicht mit dem physischen Ohr nicht gehört hat; er ist gleichsam wie besessen von ihnen. Durch

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das Herausheben des Ich nehmen wir alles, was gut in uns ist, unsere Artigkeiten, mit hinauf und verfeinern sie mehr und inehr; was an Unarten in uns ist, stoßen wir hinunter, und diese bekommen wie eine Art selbständiges Leben. So kann es uns geschehen, daß wir wie mechanisch anfangen, zu schimpfen, Ausdrücke zu gebrauchen, für die wir im gewöhnlichen Leben eigentlich zu gut erzogen sind. Das erfüllt uns dann mit Staunen und Grauen, und wir sagen uns vielleicht: So bin ich doch gar nicht; dazu bin ich doch ein zu anständiger Mensch. Aber wir sollen gerade etwas Derartigem gegenüber uns zugeben, daß wir doch so sind, denn solche Dinge verschwinden erst, wenn wir sie endgültig aus uns hinausgesetzt haben.

Und doch sind all diese Erlebnisse Fortschritte, und es kommt nur darauf an, daß wir ihre Bedeutung erkennen. Es ist vor allen Dingen nötig, daß wir einsehen, daß wir durch unsere Schuld so schwer in die geistigen Welten dringen. Aber wenn wir hinaufkommen, so begegnen wir dort dem, der unsere Schuld auf sich nahm durch das Mysterium von Golgatha. Er nahm unsere Schwachheit auf sich: das ist ein wahres Bibelwort, wie alles in der Bibel wahr ist. Und wer es ablehnt, seine Schuld durch den Christus getilgt zu bekommen, der ist eben nicht in die Tiefen dieser Wahrheit gedrungen, so wenig wie der, welcher als «guter Christ» daran glaubt, die Sache aber sehr einfach fin­det. Die Weltentwicklung ist sehr kompliziert und birgt Rätsel in jedem Atom, und jedes Atom kann zu einer Welt werden. Das kann uns das Beispiel von der Mittelohrentzündung lehren. Was da im Ätherleib erlebt wird, ist wie eine Welt aus einer Kleinigkeit entstanden.

Aus den höheren Welten können uns auch Inspirationen für die materielle Welt kommen. Eine Sache, die viel zu wenig be­achtet wird, über die so viele hinweglesen, wenn sie das Leben von Wallace, Freund des berühmten Naturforschers Darwin le­sen, ist die, daß er selber erzählt, daß ihm im Fiebertraum der Gedanke gekommen sei, welcher zu einer der wichtigsten Ent­deckungen in bezug auf die physische Vererbung führte. Daß

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ihm dieser Gedanke in einem Zustande gekommen ist, in dein sein physisches Gehirn zum Denken ungeeignet war, das sollte den Materialisten, die das Denken als Funktion des Gehirns be­trachten, sehr zu denken geben. - Auch Darwin ist viel in den Tropen gereist, und es ist wohl möglich, daß auch er manche Entdeckung in bezug auf physische Verhältnisse im Fieber ge­macht hat. - In unserer materialistischen Zeit wird man solche Dinge erst beachten, wenn in solchen abnormen Zuständen, wie durch Inspiration, Dinge gefunden werden, die sich materiell verwerten lassen, wenn zum Beispiel jemand auf diese Weise et­was erfindet, womit er reich werden kann. Bis dahin wird man alles solches für Ausgeburten einer krankhaften Phantasie halten.

Setzen wir unsere Meditation mit Fleiß, Ausdauer und Ener­gie fort, denn es wird uns immer die Hilfe dessen entgegenkom­men, der seinen Impuls in die Erdenentwicklung brachte. Diese Hilfe* ist immer da!

Aufzeichnung B

Störungen bei der Meditation sind eigentlich Zeichen des Fort­schrittes. Sie können mancherlei Gründe haben. Diese sind oft sehr kompliziert. Zum Beispiel kann eine frühere Mittelohr­entzündung später Bilder schmerzvoller Vorgänge im Ätherleib erwecken. Oder im Nachbarhause wurden Räubergeschichten gelesen. Man hat sie gar nicht physisch gehört, aber doch durch den Ätherleib aufgenommen. Das kann sich so ausleben, als ob man in sich solche Räubergeschichten im Meditationszustande erlebte.

Vergessene Erlebnisse tauchen aus dem Unterbewußten auf, zum Beispiel ein von der Eisenbahn überfahrener Hund bellt dann aus einem heraus, weil auch der Schock im Ätherleib haftet.

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* In einer anderen, sonst gleichlautenden Aufzeichnung heißt es hier «diese Im­pulse sind immer da!».

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und dann unterbewußt während der Meditation wieder herauf-kommt. Mag man auch schlafen beim Vortrag, das Gehörte dringt doch ein in den physischen und den Ätherleib, rumort dann even­tuell später beim Meditieren als unklare Vorstellung. So auch häß­liche oder Theosophie feindliche Gespräche in der Umgebung, auch wenn man sie gar nicht selber hört, sondern nur in der Atmosphäre dieser Gespräche lebt. Häßliches drängt nach unten in den gelockerten physischen und Ätherleib und wirkt da oft ganz automatisch, während die feineren Seelenregungen sich mehr in höheren seelisch-geistigen Gebieten ausleben.

Daher wirkt Theosophie oft unangenehm in anderer Um­gebung.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Köln, 18. Dezember 1913

#TX

Derjenige, der den esoterischen Weg einschlägt, muß immer das Ziel im Auge haben, entweder durch den Tod oder die Einwei­hung in die geistige Welt einzutreten. Dort liegen die Sachen gerade umgekehrt wie in der physischen Welt. Sobald wir eine esoterische Schulung beginnen, ändert sich auch die Seele, be­ginnt der Fortschritt. Der Astralleib und das Ich lösen sich, und der Zusammenhang mit den beiden untersten Gliedern ist nur noch ein loser. Daß bei der Meditation Gedanken exoterischer, ja oft abscheulicher Art auf einen einstürmen, ist ein Zeichen des Fortschrittes, denn die höheren Mächte stellen uns uns selbst so gegenüber, es ist unsere niedere Natur, es sind Remi­niszenzen, die man manchmal sogar als Stimmen und Geflüster um sich hat. Es ist die von Ahriman und Luzifer durchsetzte niedere Natur, die Luzifer und Ahriman so geliebt haben: dar­um sind sie in uns.

Auch die hochgradige Sensibilität gegenüber der Umgebung ist ein Zeichen des losen Zusammenhanges der vier Glieder. Der Ätherleib nimmt unbewußt die Gedanken und Gefühle der Umgebung auf und reproduziert sie dann (Beispiel: als Kind vor dem siebten Jahr erlebt, daß ein Hund oder eine Katze überfah­ren worden ist; in der esoterischen Schulung könnten die Schreie und Klagen des Tieres dann als von innen in uns erlebt werden als Erinnerung des Ätherleibs. Beispiel: Mittelohrentzündung, Schmerznuance im Zusammenhang mit irgendeiner Unmoralität; in der Reminiszenz dieses als Stimmen herauskommend, die oft Scheußlichkeiten zurufen). Allem diesem sich mutig entgegen­stellen und die Kräfte sich aneignen, um, wenn auch erst in der nächsten Inkarnation, dieses zu überwinden. Als Hauptsache stets die Wahrhaftigkeit üben, die gerade in unserer Zeit gänz­lich abhanden gekommen in der Urteilssuche. Wir werden im­mer wieder inkarniert, um die Wahrhaftigkeit und Moralität uns

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in der physischen Welt anzueignen und diese mitzunehmen in die geistige Welt. Ahri man hat Besitz ergriffen von der Welt, und wir müssen durch unser esoterisches Leben das Gegen­gewicht halten, uns vor Augen halten den Bibelspruch: Christus ist gekommen, unsere Schwachheit auf sich zu nehmen.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Leipzig, 30. Dezember 1913

Aufzeichnung A

#TX

Wenn die Auffassung richtig wäre, die die Seelen-Untersucher des Mittelalters hatten und die auch von den modernen Psycho­logen geteilt wird, so gäbe es keine Esoterik.

Damals wurde der Satz geprägt: Alles, was in der Seele vor­geht, ist intentionell, das heißt, allen Seelenvorgängen liegt eine bestimmte Absicht zugrunde; wenn ich denke, so hat mein Denken einen bestimmten Inhalt, ich muß etwas denken; wenn ich fühle, hoffe, vorstelle, will: so muß ich «etwas» fühlen, hof­fen, vorstellen, wollen. Die mittelalterlichen Seelen-Untersucher drückten das klar aus, viel schärfer und klarer als die heutigen Psychologen; denn unsere Zeit ist die Zeit der verschwommenen Begriffe. Wäre diese im Mittelalter vertretene Ansicht richtig, so ware ein esoterisches Denken nicht möglich, denn der Esoteri­ker will ja eben auch dieses «etwas» aus seiner Seele entfernen, sie ganz leer machen, damit dann in seine Seele einströmen kann das göttliche Denken. In gewissem Sinne wird das ja auch nicht hervorgerufen durch unsere Übungen, denn in ihnen konzen­trieren wir uns ja auf bestimmte Worte, Bilder etc., die uns vom okkulten Lehrer gegeben sind. Also doch auf ein «etwas» - was aber nicht der Sinneswelt entnommen ist. Und vorbereitet wird unsere Seele dadurch, wenn sie herangereift ist durch diese Übungen, zu empfangen das göttliche Dasein.

Welchen Zweck hat denn das konzentrierte Denken? Uns abzulenken von den materiellen Gedanken, die uns umschwir­ren, und uns hinzulenken, in einem bestimmten Gedankeninhalt zu ruhen. Nach und nach müssen wir dann dahin gelangen, in der Meditation von einem bestimmten Gegenstand unseres Den­kens abzusehen, uns ganz frei davon zu machen und uns die Kräfte selbst zu entwickeln, die zum Denken nötig sind.

Die mittelalterlichen Seelen-Untersucher wußten das auch

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sehr wohl, aber sie befolgten eine Regel, die noch heute von vie­len befolgt wird, ja, die ein Grundsatz aller Erkenntnistheorie geworden ist. Sie sagten: Das Denken, Fühlen, Wollen ohne

Intentionen zu erreichen, ist sehr schwierig; was schwierig ist, ist für den Menschen unmöglich. So kamen alle jene Ideen über das Begrenztsein des Erkenntnisvermögens in die Philosophie.

Natürlich ist es für den Esoteriker nicht leicht, bei der Medi­tation jeden Denk-, Gefühls-, Willensinhalt aus seiner Seele zu entfernen und nur die Kräfte selbst zu entwickeln. Nur durch stetige, angestrengte Meditation wird er dahin gelangen. Im Grunde befindet sich der Meditant ja in derselben Lage wie der schlafende Mensch, nur daß er sein Bewußtsein aufrecht erhält.

Was geschieht denn im Schlaf? Astralleib und Ich verlassen den Körper, und auf der Ruhestätte liegen bleiben der physische und ätherische Leib, das heißt, wie ich schon öfters erwähnt habe, es ist das nur bis zu einem gewissen Grade richtig. Wie die Sonne nur für einen Teil des Erdballs untergeht, um für die andere Hälfte neu zu erstehen, so ruht auch nur der eine Teil des physischen Leibes. In dem anderen Teile beginnt die Sonne des Astralleibes und des Ich ihre Tätigkeit zu entfalten.

Denn aus dem Nerven- und Blutsystem sind während des Schlafes Astralleib und Ich zwar herausgezogen, aber in das üb­rige physische System - Sinnes- und Drüsenorgane - beginnen sie mit ihren Kräften während des Schlafes hineinzuarbeiten. An einem Vergleich werden Sie das ersehen. Wer wäre nicht schon eingeschlafen in einem nicht genügend geheizten Zimmer und mangelhaft vorbereitet für den Schlaf und hätte dann beim Auf­wachen das unangenehme Gefühl gehabt, daß sein Körper abge­kühlt sei. Der Grund dafür ist, daß während des Schlafes Astral­leib und Ich nicht in ihm sind, wenigstens nicht im Blut- und Nervensystem. Dagegen durchziehen sie auch im Schlafe die Drüsen- und die Sinnesorgane. Denken wir zum Beispiel an ein Leckermaul. Bei ihm sind die Drüsenorgane natürlich anders ausgebildet, weil er die Gier nach guten Speisen noch nicht überwunden hat. Wir müssen bedenken, daß dadurch, daß bei

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der Meditation die Organe sich selbst überlassen sind, Astralleib und Ich herausgehen, wenn sie sich verselbständigen.

Nicht anders ist es bei den Sinnesorganen. Es wird paradox erscheinen, daß die Sinne am meisten wachen, wenn der Mensch schläft. Dennoch ist es so. Nehmen wir zum Beispiel das Auge. Während in der Nacht unsere Augen geschlossen sind, arbeiten die Kräfte des Ich und Astralleibes hinein. Dagegen wenn wir wachen am Tage, so schlafen eigentlich die Augen. Täten sie das nicht, so würde der Mensch sie nicht gebrauchen können. Es ist eben so, daß auf der Halbkugel des Sinnes- und Drüsensystems die Sonne des Astralleibes und des Ich in der Nacht aufgeht. Der, der im Schlafe bewußt aufwacht, kann erleben das Licht, das an den Augen arbeitet, das Aufbauen der Sinne, das am Tage aufhören muß, damit der Mensch sehen kann.

Ein solcher Mensch kann, wenn die Linse sich ausdehnt und wieder zusammenzieht, im Gesichtsfelde das Bild eines Engels haben, das auf ihn zuschwebt. Könnte er seinen Blick erweitern, so würde er, aus sich herausprojiziert, einen Engel sehen im Kampfe mit einem Dämon. Diese Imagination entsteht, weil im Schlafe das Blut beschäftigt ist, das Auge zu versorgen. Denn Götter, Erzengel haben durch Göttergenerationen hindurch an dem menschlichen Auge gearbeitet. Wenn man sich das klar-macht, so wird man auch empfinden, wie unheilig die moderne Physiologie die Sonde hineinsenkt in das, was in Jahrmillionen von Hierarchien göttlicher Wesenheiten geschaffen wurde.

Wenn sich der Meditant so von außen anschaut, kann er das Gefühl bekommen von einem Raum, der nur von Wärme erfüllt ist, wie eine Art Backofen. Was darin lebt, ist das, was lebt und webt im Menschenseelenleben als Eigenes. Wir wissen, daß es vier Arten von Äther gibt: den Wärme-, Licht-, chemischen und Lebensäther. Die Wärme, die nicht nur eine Bewegung der Mo­leküle ist, wie die Physiker meinen, sondern die erste der vier Ätherarten, die Wärme, die der Mensch hat als Eigenwärme, rührt nicht bloß von physikalischen und chemischen Prozessen her, sondern sie rührt - wenigstens beim Menschen ist es so,

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beim Tiere ist es anders - daher, daß ein Ich und Astralleib tätig sind. In der Meditation ist es möglich, diese Eigenwärme zu spüren in und auch weit außerhalb des Körpers als eine Wärme-sphäre, die die Stelle ausfüllt, wo sonst der Körper empfunden wird und darüber hinaus. Diesen Wärmeäther, der uns umhüllt, müssen wir fühlen. Viel Aufmerksamkeit ist dazu nötig. Natür­lich, wenn jemand sich uns näherte und uns stechen wollte, so wird man nur etwas merken, wenn wirklich die Haut berührt wird. Man kann sich nicht einbilden, gestochen zu werden, wenn nur der uns umgebende Äther getroffen ist. Angehende Esoteriker spüren nichts von diesem Äther, sie spüren etwas ganz anderes: Gedanken, die auf sie einstürmen; oft lange ver­gessene Bilder, Gefühle und Sorgen dringen auf sie ein. Sie kom­men dann wohl und klagen. Dann kann der mehr erfahrene Eso­teriker sagen: Ich gratuliere dir zu dem Fortschritt, daß du das jetzt merkst!

Darauf paßt das Wort aus dem Johannes-Evangelium: «Und das Licht scheinet in die Finsternis, aber die Finsternisse haben es nicht ergriffen!» Denn diese Wärme, die in uns ist, ist Fin­sternis. Von außen will das Licht eindringen, aber es kann nicht, weil in der Wärme selbst ein Kampf stattfindet, ein Kampf zwi­schen zwei Arten von Wärme. Es wird dem Menschen schwer fallen, einzusehen, daß es diese zwei Arten von Wärme gibt.

Um das etwas einsehen zu können, muß man zu den Bauern gehen, zu ihrer Bauern-Philosophie, wenigstens wie sie früher war; denn in den letzten Jahrzehnten sind die Bauern immer dümmer geworden. Aber das rührt nur daher, weil sie mehr mit den Städtern in Berührung gekommen sind. Die alten Bauern waren durchaus nicht dumm; sie wußten vieles in ihrer Bauern-Philosophie.

So hat mir einmal ein alter Hirte gesagt, als ein Gewitter be­gann heraufzuziehen: Das sind zwei Wetter, die gegeneinander aufziehen. - Die moderne Physik würde von positiver und nega­tiver Elektrizität sprechen; aber bei diesen abstrakten Begriffen hört dann auch ihr Verstehen auf. Der alte Hirte fühlte, wußte

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noch aus den Untergründen seiner Seele heraus, daß, wenn ein Gewitter heraufzieht, da zwei Mächte gegeneinander kämpfen, daß da ein Kampf stattfindet.

Der moderne Mensch hat dieses Bewußtsein von den zwei Wärmearten nicht mehr; daß es zwei Arten von Licht gibt, das kann er sich schon eher vorstellen: das innere Licht, das luziferi­sche, und das äußere, das göttliche Licht, das er auf sich zukom­men sieht in der Meditation. Aber außer der Eigenwärme des Menschen, die luziferisch ist, gibt es auch noch die Wärme, die ihn von außen bestrahlen kann, die er aber zuerst in der Medita­tion als Kälte empfinden wird. Es ist ein gutes Zeichen, in der Meditation angehaucht sich zu fühlen von der Kälte, die Wärme ist der geistigen Welten. An diese Kälte hingegeben, fühlen wir unsere Eigenwärme wie eine Sphäre um uns und in uns. Wir gehen wie durch einen feurigen Ofen, in dem alles verbrannt wird, was luziferisch an uns ist und doch wird dies Feuer des göttlichen Zornes - das eigentlich Liebe ist - als uns anhauchen­de Kälte empfunden. Hat man die Erkenntnis dieses Vorganges sich errungen, dann kommt man dazu, sich zu sagen: Gott sei Dank, daß ich gepeinigt, gequält werde, den göttlichen Zorn zu erfahren, der an mir verbrennt, was nicht mehr in mir sein soll!

Dann kommt zu uns die Wärme von außen, die zuerst als Kälte empfunden wird, und diese kommt mit Licht, das zwar auch von Luzifer ist, aber von der guten Seite des Luzifer. (Licht, das in den Menschen einströmt, gibt dem Menschen Er­kenntnis - Luzifer. Der Quell dieses Lichtes ist Jehova, der im kosmischen Weisheits-Wasser lebt.) Die Geister der guten Hier­archien bedienen sich dann Luzifers, um dieses Licht in uns hin­einzustrahlen. (Luzifer = Licht - Erkenntnis. Wärme - Christus, Liebe. Erst müssen wir erkennen - als Höchstes den Christus, dann ihn erleben, indem er selber in uns einstrahlt als Liebe-leben. Es ist Christus versus Luzifer.)

In dieser Weise können wir zu einem Seelenleben kommen, das nicht intentionell ist, zu einer geistigen Welt, die nicht bloß eine Fortsetzung ist von der physischen, sondern eine ganz andere

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Welt. Für alles das kann uns ein Symbol sein das Rosen-kreuz.

Oft sagen die Menschen: Das Rosenkreuz bleibt nur ein Sym­bol für mich! Das ist aber ihre eigene Schuld. In der «Geheim-wissenschaft» sind schon angegeben die Gefühle und Empfin­dungen, mit denen der Mensch sich durchdringen soll, damit ihm das Rosenkreuz nicht bloß Symbol, sondern lebendige Kraft wird. Das heute Gesagte können wir auch so in ein Ge­fühl umwandeln: Aus Gott sind wir geboren [Ex Deo nascimur]. Da sich aber Luzifer mit der Schöpfung vermischt hat, muß das Holz des Kreuzes verbrennen, verkohlen, schwarz werden:

In - morimur. Sind wir so in den Christus gestorben, dann können für uns von außen herankommen von den sieben Plane­ten her die Weltenkräfte, die Kräfte der sieben roten Himmels-Rosen, die als Licht und Wärme in uns einstrahlen.

Aufzeichnung B

Wenn die Auffassung der mittelalterlichen Psychologen, die auch diejenige der meisten heutigen Psychologen ist, richtig wäre, dann würde keine Esoterik möglich sein. Die mittelalter­lichen Seelenforscher drückten es scharf und klar aus, viel schär­fer und klarer als die heutigen; denn unsere Zeit ist diejenige der verschwommenen Begriffe. Sie sagten: Das ganze Seelenleben des Menschen ist intentionell. - Damit meinten sie, daß es im­mer einen Inhalt haben müsse. Man könne nicht bloß «nur» denken, sondern man müsse «etwas» denken. So könne man auch nicht bloß fühlen, wollen, hoffen, erwarten, vorstellen, ohne sich auf einen bestimmten Inhalt zu richten. In der Esote­rik muß es aber gerade umgekehrt sein. All unsere Übungen gehen darauf hinaus, uns das Denken zu lehren, ohne etwas zu denken und so weiter. Dasjenige, was wir üben, ist also nicht das Wesentliche, sondern das ist nur Vorbereitung für dasjenige,

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was wir dadurch erlangen sollen: das Denken und so weiter ohne Gegenstand, das gegenstandlose Denken.

Welchen Zweck hat das konzentrierte Denken? Den Zweck, uns von den äußeren, materiellen Gedanken, die uns umschwir­ren, wegzuführen und unser Denken auf einen bestimmten Ge­danken zu richten. Allmählich sollen wir dann dazu gelangen, auch von dem Gegenstand, auf den wir uns in der Meditation konzentrieren, abzusehen, uns ganz frei zu machen von ihm und nur die Kräfte selber, die zum Denken nötig sind, zu entwickeln.

Die mittelalterlichen Seelenforscher wußten das zwar auch sehr wohl, aber sie wendeten da eine Regel an, die auch jetzt noch von weitaus den meisten Menschen angewendet wird, ja, die ein Grundsatz aller Erkenntnistheorie geworden ist. Sie sag­ten: das Denken, das Fühlen und so weiter ohne Intentionen, das zu erreichen, ist sehr schwierig, und was sehr schwierig ist, das ist dem Menschen unmöglich. Davon rühren später alle die Ideen von der Begrenztheit unserer Erkenntnisfähigkeit her und so weiter.

Für den Esoteriker soll es dennoch möglich werden, ein ganz anderes Gedankenleben zu entwickeln als das gewöhnliche ist. Durch die Meditation soll der Meditierende in denselben Zu­stand geraten wie der schlafende Mensch, aber trotzdem ein Be­wußtsein haben. Wir wollen von konkreten Beispielen ausgehen.

Wenn der Mensch in einem nicht ordentlich geheizten Zim­mer geschlafen hat und er erwacht und fühlt sich kalt, dann ist es für ihn schwieriger, sich zu erwärmen, als wenn er in seinem Tagesleben bei seinen gewohnten Beschäftigungen ist. Woher kommt das? Es wird gesagt, daß im Schlafe der physische Leib und der Ätherleib auf der Ruhestätte zurückbleiben und der Astralleib und das Ich herausgehen. Das ist annähernd richtig; ebenso richtig, wie wenn man zum Beispiel sagt, daß die Sonne in der Nacht von der Erde verschwunden sei. Das gilt ja für die eine Erdhälfte, nicht aber für die andere. So sind im Schlafe der Astralleib und das Ich zwar aus dem Blut- und dem Nerven­system herausgezogen, aber sie durchsetzen dann gerade um so

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mehr das Sinnes- und das Drüsensystem. Es wird uns das viel­leicht sonderbar vorkommen, daß die Sinnesorgane gerade dann am meisten «wach» sind, wenn der Mensch schläft. Trotzdem ist es so. Wenn wir wachen, am Tage, sind die Augen und so weiter schlafend; wenn sie das nicht wären, würde der Mensch gar nicht sehen können. Also für die Erdhälfte der Sinnesorgane und des Drüsensystems geht die Sonne des Astralleibes und des Ich in der Nacht auf.

Wenn es einem gelingt, im Schlafe bewußt aufzuwachen, dann kann man das Licht erleben, das an den Augen tätig ist, das Auf­bauen der Sinnesorgane, das am Tage aufhören muß, damit der Mensch «sehen» kann. Dieses erlebt man dann in imaginativen Bildern. Man kann vielleicht in seinem Blickfelde das Bild eines Engels haben - aus einem selbst herausprojiziert -, der auf einen zuschwebt. Könnte man den Blick noch weiter ausdehnen, dann würde man einen Erzengel schauen, der im Kampfe ist mit einem Dämon. Das wäre dann das Bild dafür, daß das Blut damit beschäftigt ist, die Augen zu versorgen und daß dadurch entsteht ein sich Verkleinern und Vergrößern der Augenlinse. Das drückt sich dann in dem ersten oben geschilderten Bilde aus.

Der gewöhnliche Mensch könnte da kommen und sagen:

Dann wäre also das, was ich da wahrnehme, nur etwas, das ich aus mir selber heraus schaffe. Der Esoteriker aber wird anders sprechen. Er wird wissen, daß das Gesicht, das Sehen, nicht möglich wäre, wenn nicht die Erzengel immerfort bekämpfen und besiegen würden die Finsternis, und daß das dasjenige ist, was sich in dem Bilde ausdrückt. Die Erzengel haben Götterge­nerationen lang an dem Auge gearbeitet. Wenn man sich das klarmacht, dann wird man empfinden, in wie unheiliger Weise der moderne Physiologe die Sonde hineinsteckt in dasjenige Organ, das in Jahrmillionen durch Hierarchien von göttlich-geistigen Wesenheiten aufgebaut worden ist.

Wenn der Meditierende sich so von außen betrachtet, kann er ein Gefühl bekommen von einem Raum, der nur von Wärme erfüllt ist, wie eine Art von Backofen. Was darin lebt, ist dasjenige,

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was webt und lebt in dem menschlichen Seelenleben als seine eigene Natur. Jene Wärme - die ja nicht nur eine Bewe­gung ist, wie die Physik meint, sondern die erste der vier Äther-arten - die der Mensch hat als Eigenwärme, rührt nicht nur von physischen und chemischen Prozessen her - jedenfalls beim Menschen nicht, beim Tier ist es anders -, sondern rührt davon her, daß ein Ich und ein Astralleib in dem Menschen leben. In der Meditation ist es nun möglich, unsere Eigenwärme zu spü­ren innerhalb und sogar außerhalb des Leibes wie eine Wärme-sphäre, die den Platz ausfüllt, wo sonst der Leib gefühlt wird -und noch etwas darüber hinaus.

Es ist nicht leicht, das zu spüren, es braucht viel Aufmerk­samkeit dazu. Angehende Esoteriker werden zunächst etwas ganz anderes bemerken als diese Wärmesphäre, nämlich die auf sie einstürmenden Gedanken, bisweilen längst vergessene Ge­danken, Sorgen, Gefühle etc. Dazu kann der mehr erfahrene Esoteriker nur sagen: Ich beglückwünsche dich, o Mensch, zu deinem Fortschritt, daß du das jetzt bemerkst! Darauf ist das Wort des Johannes-Evangeliums anwendbar: «Und das Licht scheint in die Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begrif­fen.» Denn diese Wärme, die in uns ist, ist Finsternis. Von außen will das Licht eindringen, aber es kann nicht eindringen, weil in der Wärme selber ein Kampf stattfindet, ein Kampf zwischen zwei Arten von Wärme.

Es wird dem heutigen Menschen schwer fallen, einzusehen, daß es zwei verschiedene Wärmen geben könne. Um das ein­sehen zu können, muß man zu den Bauern gehen, die noch eine Bauernphilosophie haben - so wie diese waren jedenfalls. Denn in den letzten Jahrzehnten sind die Bauern immer dümmer ge­worden, aber das kommt nur daher, weil sie immer mehr mit den Städtern in Berührung kommen. Die früheren Bauern waren eben nicht dumm, und sie hatten eine «Bauernphilosophie». So sagte einmal ein alter Hirte, als ein Gewitter anfing heraufzu­kommen: Das sind eigentlich zwei Wetter, die gegeneinander ziehen. - Der heutige Naturwissenschafter wird von positiver

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und negativer Elektrizität sprechen und manches zu erzählen haben, aber das ist nur deswegen, weil das Verständnis bei ihm aufhört, sobald er das Wort «Elektrizität» ausspricht. Der alte Hirte fühlte, daß, wenn ein Gewitter heraufzieht, es zwei Mäch­te gibt, die gegeneinander kämpfen, daß da eben ein Kampf stattfindet. Der moderne Mensch hat dieses Bewußtsein von den zweierlei Arten von Wärme nicht mehr.

Daß es zweierlei Arten von Licht geben könne, das könnte man sich noch eher vorstellen: das innere Licht, das von Luzifer ist, und das äußere Licht, das man auf sich zukommen sieht in der Meditation. Aber außer der Eigenwärme des Menschen, die luziferisch ist, gibt es auch noch eine Wärme, die ihm von außen her zustrahlen kann, die er aber in der Meditation zuerst als Kälte empfinden wird. Das ist ein gutes Zeichen sogar, sich in der Meditation von der Kälte angehaucht zu fühlen, die aus den geistigen Welten strahlt. An diese Kälte uns hingebend, fühlen wir unsere Eigenwärme wie eine Sphäre in uns und um uns her­um. Wir gehen wie durch einen feurigen Ofen, in dem all das­jenige verbrannt wird, was luziferisch an uns ist, und der trotz­dem als Kälte gefühlt wird. Dann kommt der Mensch dazu zu sagen: Gott sei Dank, daß ich gepeinigt werde, daß ich reif be­funden werde, den göttlichen Zorn zu erleben, der an mir ver­brennt, was nicht in mir sein soll. Dann zieht in uns die Wärme von außen herein - die zuerst als Kälte empfunden wurde -, und diese kommt zusammen mit Licht, das zwar auch von Luzifer ist, aber von der guten Seite des Luzifer herrührt. Die Geister der guten Hierarchien bedienen sich des Luzifer, um das Licht in uns zu strahlen.

In solcher Art können wir zu einem Seelenleben gelangen, das nicht intentionell ist, zu einer geistigen Welt, die nicht bloß eine Fortsetzung ist der physischen Welt, sondern die eine ganz andere Welt ist.

Für all dieses kann uns ein Symbolum werden das Rosen­kreuz. Oft sagen die Schüler: Das Rosenkreuz bleibt nur ein Symbol für mich. - Da muß geantwortet werden: Das ist eure

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eigene Schuld! In der «Geheimwissenschaft» sind schon die Ge­fühle verzeichnet, womit man sich durchdringen soll, damit das Rosenkreuz nicht bloß ein Symbol bleibe.

Das heute Gesagte können wir so in ein Gefühl verwandeln:

Aus Gott sind wir geboren [Ex Deo nascimur], - aber da Luzi­fer sich mit der Schöpfung vermischt hat, muß das Holz des Kreuzes verbrennen, verkohlen, schwarz werden: In Christo morimur. Sind wir solcher Art in den Christus gestorben, dann können zu uns von außen hereinkommen die sieben Welten-kräfte, die Kräfte der sieben roten Rosen, die als Licht und Wärme in uns hineinstrahlen können: Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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Aufzeichnung C

Eine mittelalterliche Auffassung von der Seele besagte, daß alles Denken, Fühlen und Wollen intentional, inhaltlich sei. Wenn das wahr wäre, könnte es keine Esoterik geben, denn das Ziel der Esoterik ist ja gerade, das Seelenleben loszulösen vom In­halt, der aus der physischen Welt stammt. Wenn wir wirklich gut meditieren, muß aller Inhalt aus unserem Seelenleben ver­schwinden; dann erst werden wir reif, um von der anderen Seite, aus der geistigen Welt, etwas in uns einströmen zu fühlen. Wir können das an einem Beispiel klar machen.

Wenn wir schlafen, tun wir eigentlich etwas Ähnliches wie bei der richtigen Meditation, wir ziehen uns nämlich mit Ich und Astralleib aus dem Körper. Dadurch kann es geschehen, daß wir - wenn wir nicht aufpassen, daß das Zimmer gut er­wärmt ist - uns abgekühlt fühlen beim Erwachen, da Ich und Astralleib nicht wie sonst in unserem Blut- und Nervensystem wirken und uns erwärmen. Wenn wir schlafen, ziehen sie sich nicht ganz zurück, sondern arbeiten in den Sinnesorganen und

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im Drüsensystem. Sie arbeiten an den Kräften der Augen und anderen Sinnesorganen viel mehr als tagsüber, wenn wir die Augen gebrauchen, und vor allem arbeiten sie im Drüsensystem. Dadurch, daß mehr in den Drüsen- und Sinnesorganen gearbei­tet wird, offenbaren sich die ersten Visionen oft leiblich: Engel, der einen Teufel besiegt, Kräfte, die im Auge wirken.

Wenn wir nun vorwärtskommen in der Esoterik, können wir um uns her die Aura von Wärme fühlen, die unser Ich und Astralleib aus dem uns umringenden Wärmeäther an sich ziehen. Wir fühlen dieses für gewöhnlich nicht, weil Gedanken, Erinne­rungen, Sorgen etc. auftreten, die uns in unserer Meditation stö­ren wollen; aber wenn wir diese besiegen, fühlen wir um uns herum die Aura unserer Wärme. Wir können dann tief die Wahrheit der Worte empfinden: «Und das Licht scheint in die Finsternis, und die Finsternisse haben es nicht verstanden.» Denn was wir aus uns ausstrahlen, ist Finsternis, die das gött­liche Licht davon abhält, auf uns einzustrahlen. Das ist unser luziferisches Seelenleben, was als Finsternis (Wärme) nach außen dringt, und dadurch das göttlich-luziferische (Weisheits-)Licht daran hindert, aus den geistigen Welten (Geist der Wahrheit -Heiliger Geist) auf uns einzustrahlen (Bauernphilosophie von zwei Gewittern, die aufeinanderstoßen). Aber auch mit der Wär­me geschieht etwas Ähnliches. Auch der Wärme, die wir aus­strahlen, kommt von außen die Wärme von Gott entgegen, Wär­me aus der geistigen Welt, aber diese wird von uns umgekehrt gefühlt, nämlich als uns anhauchende Kälte. Das finden wir nicht angenehm, uns umspült zu fühlen von der göttlichen Wär­me, die wir als Kälte empfinden, aber das ist gerade der geistige Verbrennungsprozeß. Wir müssen durch den Feuerofen unseres eigenen luziferischen Seelenlebens, das wir aus uns heraussetzen; und dann fühlen wir uns umspült von der göttlichen Wärme, die wie Kälte ist, so daß der Verbrennungsprozeß wie ein Erfrie­rungsprozeß ist. So muß all unsere Finsternis und egoistische Wärme verbrannt werden, bevor das göttliche Licht auf uns ein-strahlen kann. Wir können an das Rosenkreuz denken, das verkohlte

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Holz, den Körper, und dann an die reinen Lichtrosen, die neu in uns einstrahlenden göttlichen Kräfte. Dann werden wir tief des Mysteriums von Golgatha bewußt werden und wie verbrennen müssen unsere Leidenschaften, auf daß wir auffan­gen können das reine Licht der geistigen Welt. EDN - ICM -PSSR.

Konzentration auf Formel oder imaginatives Bild -

Meditation - Seelenruhe. E[. . ]* einen des Göttlichen, sei es in seinen kosmischen Gedanken oder in Bildern oder Inspiration und Intuition.

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Aufzeichnung D

Wenn man den mittelalterlichen Lehren Glauben schenken woll­te, dann müßte man annehmen, daß ein esoterisches Leben über­haupt nicht möglich wäre. Damals war man Anhänger dessen, was man «intentionelles» Denken, Fühlen, Wollen nennen kann. «Etwas» denken, etwas fühlen, etwas wollen müsse man. Der Esoteriker soll aber gerade von diesem «etwas» loskommen.

In Ruhe und Gelassenheit muß ein Zusammenziehen der See­lenkräfte in der Meditation stattfinden. Der beginnende Esoteri­ker klagt fast immer: Dies und das mißlingt mir. Bilder, Vorstel­lungen und so weiter steigen auf, derer ich mich nicht erwehren kann; sie trüben meine Meditation. - Der erfahrene Esoteriker sollte ihm antworten: Ich gratuliere dir dazu, du hast den ersten Schritt getan!

«Annähernd» gesprochen, sind im Schlafe aus physischem und Ätherleib der astralische Leib und das Ich heraus. Aber nicht völlig entspricht dies der Wirklichkeit. So wenig entspricht es völlig, wie wenn man sagt: Die Sonne geht unter und so wei­ter. Ja, für die eine Seite der Erde geht sie wirklich unter, für die andere aber geht sie gleichzeitig auf. Ebenso ist es mit dem

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* Unleserlich, evtl. «Einströmen» oder «Einfließen».

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Astralleib und dem Ich, mit deren Kräften. Während des Schla­fes wachen tatsächlich Sinne und Drüsensystem, weil an ihnen gearbeitet wird. Während des wachen Tagesbewußtseins ist zum Beispiel das Auge gar nicht wach; sonst könnte es die Dinge im Raum nicht wahrnehmen, es könnte nicht sehen. Erst in der Nacht wacht das Geistige des Auges. Daher ist man hierdurch vielen Täuschungen unterworfen. Man nehme zum Beispiel -den guten Fall -: Jemand sieht einen Engel, wie er einen Teufel besiegt. Die Pupille zieht sich zusammen und weitet sich, das Bild bleibt aber nicht im Innern, sondern es wird nach außen hinausprojiziert. Die Erzengel haben in jahrmillionenlanger Arbeit an diesem Auge gearbeitet.

Den Zustand des Schlafes sollen wir nun bewußt nachahmen in der Meditation.

Vier Äthersubstanzen sind es, die wir zu unterscheiden haben:

Wärmeäther, Lichtäther, chemischer Äther [oder] Klangäther [und Lebensäther]. Wir sind zunächst eingebettet in den Wärme-äther. Das Gefühl des Erkaltens, sich nicht von selbst Erwärmen-Könnens, das wir so oft bemerken beim Aufwachen in einem nicht genügend erwärmten Raum, das tritt auch ein bei der Medi­tation. Es findet statt eine Einwirkung auf die Erwärmungskräfte, das Nervensystem, das Sinnes- und Drüsensystem. Besonders ge­wirkt wird dabei auf das Drüsensystem. Daher kommt bei der Meditation oft etwas von dem herauf, was im Innern verdeckt liegt. - Beispiel vom Leckermaul, geheime Begierden im Drüsen-system, die sich dann als Bilder, als Visionen aller Art kundgeben.

Im Wärmeäther müssen wir uns nicht begrenzt fühlen von unserer Haut, sondern über diese hinausragend, wie denn der Esoteriker sich überhaupt fühlen lernt weit größer, als die Haut ihn begrenzt. Voller Innenwärme wie ein Backofen fühlt sich der Mensch. In diese Substanz ergießen sich nun die ungeläuter­ten Gefühle, Begierden und so weiter und trüben die Medita­tion, indem sie das Licht, das hereindringen will (Lichtäther), verdunkeln. Man meditiere: Das Licht scheinet in die Finsternis, aber die Finsternis nimmt es nicht auf.

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Ein Mittel gibt es, um weiter fortzuschreiten; die Versenkung in die Vorstellung des Rosenkreuzes. Verbrennen im Schmelz­ofen - des Wärmeäthers - der Überwindung müssen unsere Be­gierden und Leidenschaften. Da aber im Geistigen alle Begriffe umgewandelt, umgekehrt werden müssen, so muß man sagen:

sie erstarren, sie erfrieren. Keinem Esoteriker ist es zunächst an­genehm, so von der Kälteregion umfangen zu sein. Da die Teile, welche das Rosenkreuz zusammenfügen, dem Physischen ent­nommen sind, so sagen wir: verbrennen. Daher das schwarze verkohlte Holzkreuz. Aus dem Geistigen blühen die leuchten­den Rosen auf. Der dreiteilige Mensch bringt als Opfer sein Denken, Fühlen, Wollen.

Im Lichtäther Luzifer. Wenn er von innen nach außen wirkt, wird er zur bösen Kraft. Wirkt er aber von außen nach innen, so ist er eine gute Kraft, weil sich die guten Götter dann seiner bedienen.

Ex Deo - wir waren den luziferischen Einflüssen unterworfen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Leipzig, 2. Januar 1914

Aufzeichnung A

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Das, was jedem Esoteriker am Herzen liegt, ist der Erfolg bei seinen meditativen Anstrengungen. Erfolg hat ein jeder, auch wenn er ihn nicht merkt. Der angehende Esoteriker beklagt sich oft über Schmerzen. Diese Schmerzen sind Unordnungen, die im Körper dadurch entstehen, daß der physische und ätherische Körper nicht in richtigem Kontakt miteinander sind. Diese Schmerzen waren auch schon früher da, nur hat sie der Mensch nicht empfunden, da er gröber, robuster war. Jetzt als Esoteri­ker, da er feiner, sensibler wird, empfindet er sie. Der Esoteriker muß solche Schmerzen ertragen lernen. Da muß man natürlich unterscheiden lernen, ob es sich um einen Krankheitsprozeß handelt, bei dem man eingreifen muß.

Woher kommt es denn, daß man seinen physischen Körper so wenig kennt? Weil man in ihm lebt und ihn nur empfin­dungsgemäß wahrnimmt. Man sieht mit dem Auge, daher kann man es nicht beobachten. Der Esoteriker muß dazu gelangen, sich mit seinem Geistig-Seelischen zurückzuziehen, frei zu ma­chen vom Physischen. Dann wird es ihm gelingen, seinen phy­sischen Körper zu beobachten. Es verhilft uns dazu, wenn wir unsere Gedanken möglichst auf einen Punkt zusammenziehen, konzentrieren und in diesen Punkt dann untertauchen, für eine Zeitlang darin leben. Durch solche Konzentration tritt eine Ver­stärkung der Denkkraft ein und durch sie kann man allmählich dahin gelangen, seinen physischen Körper zu beobachten.

Ferner müssen wir dahin gelangen, unseren Ätherkörper ken­nenzulernen. Das ist noch schwieriger, denn der ätherische Kör­per ist nicht von der Haut eingeschlossen wie der physische Leib, sondern er ist ein feines Gewebe, das seine Strömungen überall hinaussendet in die Außenwelt und auch von allem, was

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in der Außenwelt vorgeht, beeindruckt wird, oft dem Menschen ganz unbewußt.

Den Ätherleib lernt man erfühlen durch richtiges Betreiben der zweiten Nebenübung, der Übung des Willens. Gewöhnlich wird ja der Mensch durch äußere Eindrücke zu seinen Handlun­gen getrieben. Er sieht die Blume auf der Wiese, und da sie ihm gefällt, streckt er die Hand nach ihr aus, um sie zu pflücken. Nun, als Esoteriker, müssen wir dahin gelangen, ohne Anregung von außen, nur aus dem inneren Impulse heraus, den wir uns bewußt geben, dies oder jenes zu tun. Dann kommt man dazu [zu erkennen], es ist der Ätherleib, der die Hand zu der Be­wegung veranlaßt. So fühlt man seinen Ätherleib erwachen.

Durch diesen erwachenden Ätherleib lernt man nach und nach, sich zu erleben in einer ätherischen Welt. In Wirklichkeit geschieht bei jeder Bewegung, die wir machen, z. B. wenn ich einen Gegenstand angreife, mich daran stoße, ein Angriff auf die Außenwelt. Der Nicht-Esoteriker ahnt nichts davon, er ist be­hütet durch den Hüter der Schwelle vor diesem Wissen, aber der Esoteriker verselbständigt nach und nach seinen Ätherleib, der in der ätherischen Welt sich erlebt. Seine Organe werden feiner, er eignet sich immer mehr eine Empfindung an dafür, daß ein jeder Raum erfüllt ist nicht nur von physischen Gegenständen, sondern von einer zahllosen Menge von Elementarwesen, die sich durch Stechen, Stoßen, Brennen bemerkbar machen. Man muß sich in dieser elementarischen Ätherwelt überall Raum schaffen durch Willensimpulse wie Ausstrecken, Zurückziehen, Stoßen, Vorwärtsschreiten etc., und solche Bewegungen müssen mit dem vollen Bewußtsein, daß man es aus seinem eigensten Wesen heraus will, geschehen. Das ist das zweite: Initiative der Handlungen. Wer sich in der Ätherwelt ohne seinen Initiativ-Willen keinen Raum schaffen kann, der kann in dieser Welt ebensowenig etwas ausrichten, wie jemand, der in der phy­sischen Welt tanzen wollte auf einem Podium, das voller Stühle steht. Erst müssen die Stühle fortgeschafft werden. Das lernt man im Geistigen durch die zweite Übung.

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Um unseres Astralleibes bewußt zu werden, müssen wir ge­nau das Umgekehrte tun. Wir müssen da die im Astralleib wo­genden Begierden zurückhalten, da müssen wir diesen gegenüber Gelassenheit und Gleichmut entwickeln. Wir müssen absolute Windstille, absolute Ruhe in uns herstellen. Dann erst fühlen wir die äußere astrale Welt an unsere innere astrale Welt stoßen. Wie wir an die ätherische Welt stoßen dadurch, daß wir von uns aus in sie eingreifen in unserem Wollen, so fühlen wir die äußere astrale Welt dadurch, daß wir ruhig in uns selber bleiben, daß wir alle Begierden, Wünsche zur Ruhe bringen.

Bevor der Astralleib soweit ist, betäubt er sich durch den Schrei. Wir wissen ja, daß ein Schmerz entsteht, wenn der physi­sche Leib und der ätherische Leib nicht in richtigem Kontakt sind. Das empfindet der Astralleib als Schmerz. Das kleine Kind, wenn es Schmerz empfindet, schreit. Es sucht den Schmerz zu übertönen im Schreien. Der Erwachsene ruft vielleicht: au! Wenn es dem Menschen gelänge, seinen Schmerz völlig in den Vibra­tionen des Tons hinströmen zu lassen, so würden durch dessen Schwingungen in der Formation des Ätherleibes solche Verände­rungen entstehen, daß er nicht den Schmerz empfände, sondern daß er hinuntersänke ins Unterbewußtsein.

Aber die guten Götter haben den Menschen schwächer veran­lagt, und es ist gut so, denn sonst gäbe es kein Leid und auch keine artikulierte Sprache. Der Esoteriker muß dahin gelangen, alle Schmerzen, überhaupt alles, was durch das Äußere in ihm angeregt wird, in ihm vorgeht, ruhig, gelassen, gleichmütig zu ertragen. Dann wird er nicht Angriffe machen (durch seinen Astralleib) auf die Außenwelt, sondern die Angriffe wenden sich von außen an ihn. Aber da er völlige Gelassenheit entwickelt hat, so berühren sie nur seinen physischen und ätherischen Leib. Der Astralleib bleibt unberührt. Er wird sozusagen frei, und man kann ihn beobachten. Also durch die Übung in der Ge­lassenheit gelange ich dazu, meinen Astralleib kennenzulernen.

Schließlich muß ich auch noch dazu kommen, mein Ich ken­nenzulernen. Ich kann mein Ich nicht erfühlen, weil ich in ihm

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lebe. Daher müssen wir es in die Welt ausgießen. Mein Ich lerne ich kennen durch das, was wir bezeichnen als Positivität (Gleichnis vom Hunde).

Wenn wir es machen wie der Christus-Jesus, so sehen wir nicht das Häßliche, sondern tauchen soweit hinein in alles, daß wir an das Gute kommen. Auf diese Weise kommen wir los von unserm Ich und können es beobachten. Ich ist Liebe und Wille. Durch den entwickelten Willen lernen wir erkennen die Sub­stanz aller Dinge, die im Göttlichen urständet. Durch die Liebe lernen wir das Wesen der Dinge miterleben. So dringen wir durch Wille und Liebe vor zum Erkennen, das frei ist vom per­sönlichen Ich. Als geistiges Ich lernen wir untertauchen in Wesen und Substanz aller Dinge, die ja aus dem geistigen Vater-grund stammen, wie auch unser eigenes Ich. Unser Ich schaut uns aus allem Geschaffenen an («Schwan»). Der Schüler erreicht die Stufe des «Schwan», wenn er das erleben kann.

Auf der fünften Stufe entwickeln wir Manas oder Geistselbst. Da dürfen wir uns nicht festlegen auf dasjenige, was wir bisher gesehen, gelernt, gehört haben. Wir müssen lernen, von alle dem abzusehen, uns allem, was uns entgegentritt, ganz wie ausgeleert von dem Bisherigen zu erhalten. Manas kann nur entwickelt werden, wenn man lernt, alles, was wir uns durch Eigendenken erworben haben, doch nur zu empfinden als etwas Minderwer­tiges gegenüber dem, was wir uns erwerben können, indem wir uns den Gedanken öffnen, die aus dem gottgewobenen Kosmos einströmen. Aus diesen göttlichen Gedanken ist alles, was uns umgibt, entstanden. Wir haben sie nicht durch unser bisheriges Denken finden können. Da verbergen es uns die Dinge. Jetzt lernen wir hinter allem wie ein verborgenes Rätsel dies Göttliche zu erahnen. Immer mehr lernen wir in Bescheidenheit einsehen, wie wenig wir bisher von diesen Rätseln ergründet haben. Und wir lernen, daß wir eigentlich alles aus unserer Seele entfernen müssen, was wir bisher gelernt haben, daß wir ganz unbefangen, wie ein Kind, allem entgegentreten müssen - daß sich nur der Unbefangenheit der Seele darbieten die göttlichen Rätsel, die uns

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umgeben. Kindlich muß die Seele werden, um in die Reiche der Himmel eindringen zu können. Der kindlichen Seele strömt dann entgegen die verborgene Weisheit - Manas - wie ein Ge­schenk der Gnade aus der geistigen Welt.

Weiter zu gehen ist für den Menschen nicht nötig, da er durch diese fünf Stufen den Kontakt mit der geistigen Welt her­stellt. Es muß nun noch durch stete Wiederholung dieser fünf Übungen zwischen den verschiedenen Fähigkeiten, die durch sie erlangt werden sollen, die Harmonie des Zusammenwirkens hergestellt werden. Das bewirkt die sechste Übung.

Diese Übungen sind von allergrößter Wichtigkeit. Durch sie kann die Seele den Weg finden in die geistigen Welten. Überall, in allen Schriften, Zyklen, Vorträgen finden Sie Hinweise auf diese fünf Übungen. Und es brauchte keine esoterische Stunde stattzufinden, wenn jeder sie aufmerksam läse und die Kräfte dieser Übungen in seiner Seele zum Leben erweckte. Sie dienen den speziell gegebenen Übungen zur Unterstützung.

Der Esoteriker muß nur aufmerksam sein, auch auf das Kleinste. Er muß alles gewissenhaft beobachten, noch in ganz anderer Weise, als es im Physischen geschieht, sobald er sich den geistigen Welten nähert. Denn die Dinge im Geistigen sind ja soviel subtiler, feiner als im Physischen. Darum muß der Esote­riker diese Übungen beständig machen und sich immer wieder anfachen zu neuem Streben, zu neuen Beobachtungen, da es ihm sonst nicht möglich ist, Einblicke in die geistige Welt zu bekom­men. Und vor allem muß der Esoteriker Geduld üben. Die mei­sten denken, nachdem sie kurze Zeit geübt haben, sie könnten nun in die geistige Welt gelangen, alle Pforten zur geistigen Welt ständen ihnen offen.

Bedenken Sie doch, daß ein bedeutsamer Impuls, eine bedeu­tende Idee neunzehn Jahre braucht, um innerlich gut ergriffen und verstanden zu werden. Wenn der Esoteriker glaubt, nach einigem Üben nun ohne weiteres reif zu sein zum Eintritt in die geistigen Welten, so ist das gerade so, als wenn ein Kind, das eben sprechen gelernt hat, nun sagen wollte: Das dauert mir zu

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lange, Jahre hindurch zu warten, bis ich ein Mann bin. Ich will gleich Mann sein.

Ein Zweites, das man im esoterischen Leben lernen muß, ist die Wahrhaftigkeit. Wer sie im physischen Leben nicht schon gelernt hat, wird große Mühe haben bei seinem Aufstieg in die geistige Welt, da er ja auch sein logisches Denken und alles, was an den Verstand gebunden ist, zurücklassen muß und in der gei­stigen Welt nicht korrigiert wird durch die Tatsachen wie hier in der physischen Welt. Die guten Götter haben gerade dadurch den Menschen erziehen wollen zur Wahrhaftigkeit, daß sie ihn versetzt haben in die physische Welt, wo eine jede Unwahrheit -d. h. alles, was nicht den Tatsachen entspricht - korrigiert wird durch die Tatsachen. Die Neigung zur Wahrhaftigkeit kann nur in der physischen Welt erworben werden, nicht erst in der geistigen Welt.

Endlich muß der Esoteriker bestrebt sein, sich gewohnheits­mäßig ein gutes Gedächtnis anzuerziehen. Der Bewahrer des Ge­dächtnisses ist der Ätherleib, aber ohne den physischen Leib wur­de er schlecht bewahren können. Die Nerven werden beein­druckt, und es muß hineingeschrieben werden in den physischen Leib. Der ist sozusagen der Aufschreibeapparat für das, was der Mensch behalten will. Und wenn der Mensch sich erinnern will an etwas, so durchdringt er mit dem Ätherleib den physischen Leib bis zu der Stelle, wo das, was erinnert werden soll, einge­schrieben steht, und dann wird das Erinnerungsbild lebendig, und der Mensch liest es dann ab vom physischen Leib. Schüler machen es ja so, wenn sie etwas auswendig zu lernen haben, daß sie es sich solange wiederholen, bis es sich eingeschrieben hat. Aber da kann es vorkommen, daß, wenn sie z. B. lernen: «Es stand vor alten Zeiten ...», sie es sich gewaltsam einpressen in den physischen Leib dadurch, daß sie den Laut zu Hilfe nehmen.

Gewohnheitsmäßig muß ein solches Einschreiben und Ab­lesen werden dadurch, daß es uns zur inneren Gewohnheit wird, alle Verrichtungen mit Aufmerksamkeit und Nachdenken zu durchdringen.

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Für geistige Erlebnisse kann man den physischen Leib nicht brauchen als Erinnerungsorgan, an die Stelle muß das Gewohn­heitsmäßige treten. Wir müssen uns die dazu gehörende Empfin­dungsnuance vor die Seele rufen.

Der Inhalt dessen, was dem Meditanten zufließt, wenn er sich nach der Meditation leer macht - auch von dem Einwirken der Meditation - ist ja in gewissem Sinne Verdienst. Niemals wird eine Meditation einmal ebenso sein wie ein anderes Mal. Das, was uns zufließt, hängt ab von unserer Moralität, von unserer Wahrheitsliebe, davon, wie wir seit der letzten Meditation gelebt haben. Sind wir in irgendeiner Weise nicht ganz bei der Wahr­heit geblieben, oder haben wir Zorn, Ärger in uns aufkommen lassen, so kann nichts aus der geistigen Welt in uns einströmen. Es ist damit schon so, wie wir es verdienen. Bei aufmerksamem Nachspüren werden wir schon immer den Grund dafür, daß wir nicht mit dem Geistigen begnadet wurden, in irgendeiner Un­wahrheit, in irgendeiner Aufwallung von Zorn oder dergleichen finden.

Aufzeichnung B (Auszug)

[...] Ein Zweites, das man im esoterischen Leben üben muß, ist die Wahrhaftigkeit. Wer im physischen Leben nicht die Wahr­haftigkeit geübt hat, wird große Mühe haben bei seinem Auf­stieg in die geistigen Welten, da er ja auch sein logisches Denken und alles, was an den Verstand gebunden ist, zurücklassen muß und nicht korrigiert wird durch die physische Welt. Die guten Götter haben gerade den Menschen erziehen wollen zur Wahr­haftigkeit dadurch, daß sie ihn in die physische Welt versetzt haben. Die Neigung zur Wahrhaftigkeit kann nur in der phy­sischen Welt erworben werden, nicht erst in der geistigen Welt.

Endlich muß der Esoteriker bestrebt sein, sich gewohnheits­mäßig ein gutes Gedächtnis anzuerziehen (indem man alles mit starkem Bewußtsein tut, immer ganz bewußt bei allem ist). Wir

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kennen alle die Geschichte von jenem Manne, der wenig Sinn hatte für Raumverhältnisse und nie wußte, wo er etwas hinge-legt hatte. Um dem abzuhelfen, stellte er verschiedene Tische in seinem Zimmer auf und legte alles darauf. - Es gibt Gelehrte, die nur arbeiten können, wenn sie zwölf Tische um sich herum haben, auf denen die Nachschlagewerke aufgeschlagen da liegen, um die Zitate leicht bei der Hand zu haben, und die von einem Tisch zum andern gehn müssen.

Man lächelt darüber, aber in Wirklichkeit ist es im Unterbe­wußtsein bei uns allen ebenso. Der Bewahrer des Gedächtnisses ist der Ätherleib, aber ohne den physischen Leib würde er schlecht bewahren können. Die Nerven werden beeindruckt, und es muß hineingeschrieben werden in den physischen Leib; der ist sozusagen der Aufschreibe-Apparat für das, was ich be­halten will. Und wenn der Mensch sich erinnern will, so durch­dringt er mit dem Ätherleib den physischen Leib bis zu der Stelle, wo er eingeschrieben hat, und dann wird das Erinne­rungsbild lebendig, und er liest es dann vom physischen Leib ab.

Schüler machen es ja so, wenn sie etwas auswendig zu lernen haben, daß sie es sich so lange laut wiederholen, bis es sich ein­geschrieben hat. Aber da kann es dann kommen, daß, wenn sie zum Beispiel lernen: «Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr ...», sie dadurch, daß sie den Laut zu Hilfe nehmen, es gewaltsam einpressen in den physischen Leib.

Gewohnheitsmäßig muß ein solches Einschreiben und Ab­lesen werden dadurch, daß es uns zur inneren Gewohnheit wird, alle Verrichtungen mit Aufmerksamkeit und Nachdenken zu durchdringen.

Für geistige Erlebnisse kann man den physischen Leib nicht gebrauchen als Erinnerungsorgan; an die Stelle muß das Ge­wohnheitsmäßige treten. Wir müssen uns die dazugehörige Empfindungsnuance vor die Seele rufen.

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Aufzeichnung C

Vieles wird anders durch unser meditatives Leben, und wir müssen subtil auf alles achten, um uns dieses Anderswerdens bewußt zu werden. Im gewöhnlichen Leben sind wir uns ge­wöhnlich von etwas nicht bewußt als Außenwelt, was doch zur Außenwelt gehört, nämlich von unserem physischen Leib.

I. Durch konzentriertes Denken, durch unsere Konzentra­tionsübungen werden wir uns allmählich von unserem phy­sischen Leib als von etwas Äußerem bewußt, wir fühlen es als etwas, Was da ist und was gewissermaßen zu uns gehört.

II. Durch die Initiative des Handelns (Herrschaft über die Willensimpulse) werden wir uns unseres ätherischen Leibes be­wußt. Solange wir einfach etwas wollen oder begehren durch die auf uns eindringenden Stimuli der Außenwelt, fühlen wir nicht die Strömungen im Ätherleib, die in Bewegung kommen, wenn wir handeln. Wir müssen Raum um uns her schaffen, wenn wir etwas von uns selbst aus tun wollen, ebenso wie jemand, der tanzen will, Tische und Stühle zuerst hinwegräumen muß. Sobald wir von uns aus, nicht durch etwas Äußeres veranlaßt, etwas tun, machen wir uns von innen heraus stark, schicken unseren Willen von innen nach außen und fühlen dann die Strö­mungen und Bewegungen, die zu jeder Tat im Ätherleib vorge­hen müssen. Jede Bewegung ist ein Angriff auf die Außenwelt; wir werden uns mehr und mehr bewußt, daß jeder Raum erfüllt ist von einer Menge von Elementarwesen; wenn wir handeln von innen heraus, stoßen wir auf diese Elementarwesen und werden uns dadurch unseres Ätherleibes bewußt.

III. Um uns unseres Astralleibes bewußt zu werden, müssen wir gerade das Umgekehrte tun. Wir müssen die im Astralleibe wogenden Begierden zurückhalten, müssen, statt alles von uns ausgehen zu lassen, Gelassenheit und Gleichgewicht entwickeln. Dann, ruhig in uns selbst seiend, fühlen wir die äußere astra­lische Welt an uns stoßen. So, wie wir auf die ätherische Welt stoßen, indem wir von uns aus in sie eingreifen (Handeln vom

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Willenszentrum), fühlen wir die astralische Welt an uns stoßen, indem wir ruhig in uns selbst bleiben und alles Begehren und Wünschen und Aufwogen von Lust und Leid zur Ruhe bringen. Bevor der Mensch sich dazu erzogen hat, betäubt er sich über die in ihm waltenden Begierden durch Schreien, er läßt sie in Tönen ausgehen. Aber weil unser astralischer Leib durch die Götter abgeschwächt ist, wird dies später zur artikulierten Spra­che und Gesang.

IV. Unseres Ichs werden wir uns bewußt, indem wir Positivi­tät in uns entwickeln, Urteile von uns selbst aus entwickeln, die uns imstande machen, in allem, selbst im Häßlichsten, auch das Schöne zu sehen.

V. Und durch Unbefangenheit oder Vertrauen, durch das Von­uns-selbst-aus-in-andere-Gehen, um unbefangen sie in uns auf­zunehmen, lernen wir das Geistselbst kennen und fühlen usw.

Unter dem Einfluß dieser Übungen ändert sich unser Seelen-leben. Unsere Erinnerung wird nicht mehr etwas, was auch im physischen Leib eingeschrieben ist, sondern muß durch die in­nere Gewöhnung, alles selbständig nachzudenken, ersetzt wer­den. Dazu müssen wir aber alle Faulheit überwinden. (Geduld muß man haben. Ein bedeutsamer Impuls, eine bedeutsame Idee braucht neunzehn Jahre, um innerlich gut ergriffen und verstan­den zu werden.)

Und unsere Wahrhaftigkeit muß auch innere Gewöhnung werden, die uns dann den Sinn für das Richtige und Wahre gibt.

So sehen wir wieder, wie schon alles für das esoterische Le­ben auch in unserer Literatur gegeben ist. Der Esoteriker muß nur aufmerksam sein, auch auf das Kleinste, er muß alles gewis­senhaft beobachten und sich immer wieder anfeuern zu neuem Streben und zu erneuter Beobachtung und Geduld.

E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R.

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Aufzeichnung D

Schmerzgefühle treten häufig beim Esoteriker auf, die er früher nicht kannte. Sie waren früher auch schon da, aber sie machten sich nicht störend bemerkbar. Jetzt merkt man sie, und da gilt es, nicht wehleidig zu sein, wenn man auch im Gesundheitlichen nichts versäumen darf.

Wie kommt man zu einem Gefühl des physischen Leibes? Wir fühlen nicht den physischen Leib, wenn alles in ihm in Ordnung ist, das heißt, wenn auch die Ätherteile ihm im richti­gen Maße entsprechen. Entsprechen sich die beiden aber nicht, so entsteht Schmerz.

Durch Konzentration des Denkens müssen wir dahin kom­men, auf den physischen Körper Einwirkungen auszuüben oder ein wacheres Bewußtsein seiner zu entwickeln.

«Au»-Rufen bei Schmerzempfinden als Betäubungsmittel.

Durch Initiativ-Handlung Ätherkörper

durch Gleichgewichtsübung Astralleib

durch Positivität Ich

durch Unbefangenheit, Vorurteilslosigkeit Geistselbst

Das ist die höchste Stufe, zu der wir uns zunächst erheben. Andere Übungen reichen dann noch weiter hinauf.

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ESOTERISCHE STUNDE

Bremen, II. Januar 1914

#TX

Sowie man beginnt zu meditieren, zieht sich der Ätherleib zu­sammen. Dadurch entsteht eine innerliche Wärme, denn der Wärmeäther, der niederste Äther - über ihm kommt der Licht-äther, Tonäther, Lebensäther - ist es, der sich zusammenzieht. Wenn man darauf achtet, was man dann außer sich hat, so wird man wahrnehmen, daß das etwas ist wie hinfließend, [wie] eine Art religiöser Hingabe, wie moralische Wärme im Weltenäther. Und man wird gewahr, daß das, was man in sich hat, etwas an­deres ist: wie ein Sich-Schämen-Müssen dieser moralischen Wel­tenwärme gegenüber. Das will der Mensch nicht gern, er mag sich nicht schämen, er weicht dem aus. Und daher sagt er, er mache keine Fortschritte. Er verbirgt sich vor sich selber.

Nur durch Entfaltung seines Willenswesens kann er da weiter kommen. Und wenn er da sagt: ich kann nicht - so heißt das nur: ich will nicht! Ich will meinen Willen nicht entfalten.

Man soll oft in sich hineinschauen und hineinhorchen in sei­nen physischen Leib und suchen, das Raunen und Rauschen darin zu vernehmen in heiliger Stille. Alle Aufmerksamkeit von außen muß man da ablenken, d. h. aufmerksam trotzdem sein. Aber man muß die Kraft der Aufmerksamkeit ganz nach innen lenken, [denn] nur nicht aufmerksam sein auf dasjenige, was um uns herum vorgeht, ist schädigend bis in den physischen Leib hinein.

Bei der Nicht-Aufmerksamkeit, auf die es hier ankommt, ver­nimmt man wohl alles, alles macht Eindruck, aber das Bewußt­sein soll nicht dazu kommen, das muß ganz gerichtet sein auf die Meditation. In der physischen Welt aber muß das Bewußt­sein dazu kommen, sonst ist es nicht gut.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 24. Januar 1914

Aufzeichnung A

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Wir unterscheiden drei Glieder unseres Seelenlebens. Bewußt­seinsseele, Verstandesseele und Empfindungsseele. Diese drei Glieder dürfen nicht völlig gleichgestellt werden den Kräften des Denkens, Fühlens und Wollens; denn Denken, Fühlen und Wollen eignet jedem der drei Seelenglieder.

Es kommen nun zur Esoterik Menschen, die mehr Gefühls­naturen sind, und zwar besonders solche, die religiöse Naturen sind. Nicht alle Gefühlsmenschen sind zugleich religiöse Natu­ren, aber diejenigen Gefühlsmenschen, die zur esoterischen Ent­wicklung neigen, sind meist religiös veranlagt. Solche Naturen gelangen meist sehr leicht zu allgemeinen Vorstellungen über die geistige Welt und auch leicht zu Imaginationen. Das, was ande­ren Menschen das Aufsteigen in die geistigen Welten so sehr erschwert, wird ihnen größtenteils erspart; ihre Sorgen werden ihnen abgenommen von einem Engelwesen; sie werden durch ihren Engel über die Schwelle getragen. Solche Menschen kön­nen viel Schönes in der geistigen Welt erleben, und wenn sie davon zu erzählen haben, sollen wir gut zuhören, was sie uns zu sagen haben.

Dann gibt es Menschen, die aus dem Willensartigen heraus handeln, aus dem affektiven und emotionellen Leben zur eso­terischen Entwicklung kommen - was nicht auszuschließen braucht, daß sie auch Kritik und Spott äußern können. Solche Menschen haben es unendlich viel schwerer als die andern; sie werden, gerade wenn sie vor der Schwelle stehen, durch ihre Emotionen und Affekte gequält, so heftig, daß es bis zur physi­schen Qual gehen kann. In ihrer Meditation werden sie wie von Teufeln gequält und gehindert. Sie möchten in die geistige Welt eintreten, und sie haben ein Gefühl, als ob sie nicht eintreten können.

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Man kann ja nicht selber aussuchen, wie man sein will, ob man zu dem einen oder dem andern Wege gehören wird. Aber den dritten Weg kann man in hohem Maße selber wählen, das ist der Weg des Denkens. Trotzdem wird dieser Weg nur von sehr wenigen begangen. Da hört man die Menschen sagen: Das kann ich mir nicht vorstellen, zum Beispiel wie die Monden­entwicklung war. - Aber das liegt doch nur an uns selber! Ein Bauer würde sehr leicht jedenfalls zum Begreifen der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwicklung kommen können. Wenn man sagt: das kann ich nicht begreifen, - dann bedeutet das doch nur:

ich will es nicht anerkennen, weil ich es noch niemals gesehen habe. Wenn wir einen Menschen von dreißig Jahren sehen, dann wissen wir, daß er einmal ein Kind gewesen sein muß - nicht aus dem Grunde, weil wir immer gesehen haben, daß Erwachse­ne früher Kinder gewesen sind, sondern weil der Mensch nicht sein könnte, wie er ist, wenn nicht andere Entwicklungsstufen hinter ihm liegen würden. Auch wenn wir niemals ein Kind gesehen hätten, dann würden wir dennoch wissen, daß ein Erwachsener ein Kind gewesen sein muß.

In unserem Spruch: Ex Deo nascimur; In Christo morimur -ist die Rede von Gott-Vater, der seinen Sohn hat in Christus. Es ist ein tiefer Gedanke des Christentums gewesen, dieses Verhält­nis auszudrücken mit Hilfe des Verhältnisses von Vater und Sohn. Denn der Vater kann auch ohne Sohn bleiben. Es ist eine Gabe des Vaters, daß er den Sohn aus sich hat hervorgehen las­sen. Zu den mancherlei Erklärungen, die von unserem Rosen­kreuzerspruch gegeben worden sind, kann man auch über diese als über eine der tiefsten, die möglich sind, meditieren.

Aufzeichnung B

Menschen, die mehr aus ihrer Gefühlsnatur heraus Esoteriker werden, haben es eigentlich leichter als die anderen. Sie können durch ihr religiöses Gefühlsleben dazu veranlaßt werden, esoterisch

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zu streben, weil es nur die religiös veranlagten Gefühls­naturen sind, die wirklich Esoteriker werden. Sie können dann verhältnismäßig rasch dazu kommen, Visionen zu sehen und in die imaginative Welt einzutreten; es ist, als würden sie durch ihren Engel über die Schwelle getragen, und dies ist ihr Karma, es wirklich leichter zu haben als andere. Diese Naturen können den anderen oft viel helfen, indem sie Bilder geben von dem, was sie schauen, und solche Bilder müssen dann nicht eine Art Neid erwecken, sondern man muß erkennen, daß sie eine große Hilfe sein können.

Andere streben esoterisch mehr vom Willensartigen aus, was in unserer Zeit noch mehr mit den Affekten und Emotionen zusammenhängt. Sie können auch in die geistige Welt kommen, einige sogar leicht, aber sie haben es schwerer als die Gefühls­menschen. In ihrer Meditation werden sie oft wie durch Teufel getrieben, und wenn sie an die Schwelle kommen, werden sie im Physischen gequält durch ihre Affekte und das Bewußtsein von ihren Leidenschaften und ihrer Affekt-Natur.

Der dritte Weg ist der durch das Denken. Das ist der sicher­ste Weg und wird in der Zukunft auch mehr und mehr der Weg für alle Menschen werden, aber er wird jetzt eigentlich noch von verhältnismäßig wenigen begangen, weil es immer noch viele Menschen gibt, die am liebsten schnell in die geistige Welt kom­men würden, ohne sich die Mühe zu geben, alles gut zu verar­beiten, was durch das Denken aufgenommen werden kann. Die­ser Weg dauert länger als die anderen. Aber wenn der Mensch dann - sei es auch nach langer Zeit - an die Schwelle kommt, hat er durch das Begreifen der geistigen Gesetzmäßigkeiten ein so großes und weites Interesse gewonnen, daß er in Seelenruhe sein Karma auf sich nehmen kann, weil er sich in einem so ho­hen Grade Einsfühlen gelernt hat mit der Menschheit und weiß, daß sich sein persönliches Zu-kurz-Kommen in weiteren Leben ausgleichen wird. Er kann dann zu einem tieferen Begriff vom Verhältnis von Vater[-Gott] und Sohn kommen. Der Vater muß da sein, bevor der Sohn da sein kann, aber das ist der freie Wille

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des Vaters, den Sohn da sein zu lassen. Sich eins fühlend mit dem Sohn, der der Gott in der Menschenseele ist, kann er dann 1 zu einem tieferen Erkennen des Spruches E.D.N. - I.C.M. kom­men und wird dann später auch kommen zu einer Realisation des P.S.S.R.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Hannover, 7. Februar 1914

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Spruch des Tages: Sonnabend.

Jeder Esoteriker macht Fortschritte, wenn er seine Übungen nur mit der gehörigen Ausdauer und Intensität ausführt. Wenn er diese Fortschritte nicht macht, so liegt das daran, daß er nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt dem, was da kommt aus der geistigen Welt. Ganz intim und subtil nur ist diese. Ganz leben muß man in den zur Übung gegebenen Worten etc.; alles übrige muß nicht da sein für den Meditanten, wie entrückt muß er dem physischen Körper sein. Nur seines Ich muß er sich bewußt sein. Am Schluß der Meditation soll auch der Inhalt derselben ausgelöscht sein und das wache Ich mit dem leeren Inhalt nur da sein. Das sind die fruchtbarsten Momente, in denen die geistige Welt in den Meditanten einfließen kann. Oder auch während des Tages hat man plötzlich das Gefühl von etwas Vorüber­huschendem, so daß man weiß, da war eben etwas aus der gei­stigen Welt. Ein Gefühl tiefer Frömmigkeit ergreift einen dann.

Der Inhalt dessen, was dem Meditanten zufließt, wenn er sich nach der Meditation leer macht - auch von den Nachwirkungen der Meditation -,ist je nach Verdienst. Niemals wird es das eine Mal ebenso sein wie ein anderes Mal. Dieser Inhalt hängt ab von unserer Moralität, von unserer Wahrheitsliebe, davon, wie wir seit der letzten Meditation gelebt haben und gewesen sind. Sind wir in irgendwelcher Weise nicht ganz bei der Wahrheit geblie­ben, oder haben wir Zorn und Ärger in uns aufkommen lassen, so kann nichts aus der geistigen Welt in uns einströmen. Es ist damit schon so, wie wir es verdienen. Bei aufmerksamem Nach-Spüren werden wir schon immer den Grund dafür, daß wir nicht mit Geistigem begnadet werden, in irgendeiner Unwahrheit. in einer Aufwallung von Zorn oder dergleichen finden.

Wenn ein Exoteriker, der nichts von Theosophie weiß, ein Gebet spricht, zum Beispiel das Vaterunser, so hat er leicht

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gleich bei den ersten Worten das Gefühl der Wärme, von war­mer Frömmigkeit; das kommt aber aus einem persönlichen Ge­fühl heraus. Der Esoteriker wird bei seinem Gebet zuerst ein Gefühl der Kälte empfinden; nichts Persönliches darf er in sein Gebet hineintragen, nur den geistigen Inhalt desselben muß er wirken lassen. Die innere, wirkliche Wärme kommt dann aus dem Geistigen selbst heraus, nicht aus dem Persönlichen.

Wenn man bei der Konzentration, der ersten Nebenübung, sich ganz nur mit dem einen Gegenstand, den man dazu gewählt hat - je alltäglicher, desto besser -, beschäftigt, Gedanke nach Gedanke an ihn reiht und dann, wenn diese Übung zu Ende ist und man sich nicht sofort wieder in geschäftiges Treiben stürzt, wenigstens eine Viertelstunde verstreichen läßt, dann wird man

- auch nicht gleich, nicht nach einer Woche, einem Monat, aber nach einiger Zeit fortgesetzter ernster Übung - fühlen, wie wenn wellenförmig etwas in den Kopf, in das Gehirn hinein-käme, wie wenn wie in Wellenlinien der Ätherleib in das Gehirn zurückkäme.

Bei der zweiten Nebenübung, der Initiativübung, bei der man zu gewissen, bestimmten Zeiten den Willen anspannt zu irgendei­ner Tätigkeit, da wird man mit der Zeit fühlen, nach der Übung, wie wenn man in seinem Ätherleib tätig gewesen wäre; man hat das Gefühl: ich habe mich in meinem Ätherleib erfühlt. - Ein Gefühl tiefer Ehrfurcht und Frömmigkeit zieht in die Seele des Meditanten dann.

Bei der dritten Nebenübung, dem Ausgleich zwischen Freud und Leid, sollen wir uns ganz hineinfinden und hineinfügen in alles Geschehen. Dann wird sich allmählich unser Ätherleib aus­dehnen bis in die Himmelsweiten hinein. Wir werden uns dann nicht mehr in unserem Körper drinnen fühlen und die ganze Welt um uns herum, sondern wir fühlen unseren Körper in den ganzen Umkreis ausgebreitet; ausgeweitet und hineinergossen fühlen wir uns in die geistigen Welten. Man erfühlt, man «erweiß» sich in der geistigen Welt.

Wir erleben in diesen drei Nebenübungen die zwei ersten

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Sätze unseres Rosenkreuzerspruches: wie wir ganz eingebettet waren in die göttlich-geistigen Kräfte und daraus herniederge­kommen sind und wie wir uns in der dritten Übung in die gei­stige Welt, in den Christus ergießen. Denn der Christus ist jetzt in der Erdenaura, in der Erdenatmosphäre darinnen; wir müssen ihn in uns, sozusagen neben uns, in uns walten lassen.

Bei der vierten Nebenübung Positivität . . . [Textlücke] Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Wir werden dahin gelangen, daß wir ebenso, wie wenn wir über eine Wiese gehen, wo wir blaue und rote Blumen sehen und wissen, daß diese Blumen blau und rot sind, daß wir ebenso real erleben werden die Wahrheit unseres Rosenkreuzerspruches:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum San ctum reviviscimus.

Im Geiste lag der Keim meines Leibes . .

ESOTERISCHE STUNDE Stuttgart, 5. März 1914 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE260 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

Stuttgart, 5. März 1914

Aufzeichnung A

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Wir wissen, daß ein jeder, der nach einer esoterischen Entwick­lung strebt, sein ganzes Denken allmählich umwandeln muß, anders machen muß, als es im gewöhnlichen sinnlichen Leben ist, damit wir den Weg in die geistige Welt finden können. Wir müssen sozusagen umdenken lernen, und unser ganzes Wahr­nehmungs- und Empfindungsleben muß ebenso sich verwandeln und anders werden, als es bis jetzt geworden war. Was ist denn eigentlich unser Denken im gewöhnlichen Leben? Wir sind ge­wohnt zu denken, daß das Denken sich im physischen Leibe abspielt, aber dem ist nicht so; es ist der Ätherleib der wirkliche Verursacher unserer Gedanken. Unser physischer Leib hat nur insofern etwas damit zu tun, als er der Spiegel für unsere Ge­danken ist, der das Bild zurückwirft, so daß es uns dadurch zum Bewußtsein gelangen kann. An einem Beispiel können wir uns das klarmachen.

Wenn der Mensch in den Spiegel schaut, hat er sein Spiegel­bild vor sich; der Spiegel gibt ihm den äußeren Eindruck seiner physischen Gestalt wieder, also einen Schatten seiner außeren Persönlichkeit. Ebenso sind nun die Gedanken, die im Ätherleib ihren lebendigen Sitz haben, wenn wir sie denken, die zurückge­worfenen Schattenbilder unseres physischen Gehirnes. Wozu dienen denn die Konzentrationsübungen, die uns gegeben wer­den? Sie dienen dazu, uns allmählich von den Gedankenschatten loszulösen dadurch, daß wir uns konzentrieren, uns zusammen­ziehen in unserem Ätherleibe, damit wir zu dem wirklichen Ur­grund unserer Gedanken vordringen können, die im Ätherleib ihr Leben haben.

Es soll uns immer deutlicher werden, daß nicht nur unsere Gedanken Schatten sind, aber daß auch all unsere Wahrnehmun­gen eigentlich ein Nichts sind und daß nur die geistige Welt als

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Realität besteht. Der - im philosophischen Sinne gesprochen -«naive» Mensch sagt von demjenigen, was er wahrnimmt, daß es das «Sein» besitze. Was ist denn eigentlich «Sein»? Die Philoso­phen haben auf allerlei Art versucht, hinter das Sein zu kom­men. Der Geistesforscher weiß, daß das Wort «Sein» hergeleitet ist von «sehen»; es bedeutet das, was man gesehen hat, es ist eigentlich ein Partizipium von «sehen». Kein Mensch kann aber das Sein sehen in der physischen Welt, weil es ruht in der geisti­gen Welt; den Geist aber schaut man nur dann, wenn man die Materie nicht sieht. Die Materie ist eigentlich «nichts», ist um­geben durch den Geist, der das Reale ist. Man kann sich dieses durch folgendes Beispiel klarmachen.

Wenn man eine Flasche mit Selterswasser vor sich hat, dann sieht man durch das klare Wasser hindurch, man sieht das Was­ser eigentlich nicht, sondern man sieht die glänzenden Kügel­chen der Kohlensäure, die wie leuchtende Perlen aufsteigen. Und was sind diese funkelnden, leuchtenden Perlen anderes als leere Luftkügelchen, nur mit einer Substanz ausgefüllt, die viel dünner ist als diejenige des Wassers, die im Vergleich zum Was­ser ein «Nichts» ist! Was man also hier schaut, ist das Nichts; dagegen sieht man nicht das wirkliche Wasser, in dem sie ruhen.

So müssen wir zu der Erkenntnis kommen, daß der ganze Raum um uns herum angefüllt ist mit geistigen Realitäten und Wesenheiten und Tatsachen und daß da, wo wir die Dinge der physischen Welt wahrnehmen, nichts ist, nur ein Loch. Wenn wir unsern Arm ausstrecken, drängen wir ihn durch die geistige Welt hindurch; wir spüren diese nicht; erst wenn unsere Hand gegen das Nichts, die Materie stößt, spüren wir einen Wider­stand. In Wirklichkeit sehen wir nicht die Gegenstände im Raume, sondern die Konturen der geistigen Welt, die diese Gegenstände begrenzen.

Wenn wir so weit gekommen sind, daß wir alles Schatten­hafte sowohl unserer Gedanken wie unserer äußeren Umgebung haben fallengelassen, dann wachsen wir in die geistige Welt hin­ein. Damit wir uns aber in der richtigen Weise in die neue Welt

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hineinstellen können, müssen wir schon in der physischen Welt unser ganzes Denken durch die esoterische Entwicklung um­wandeln, damit wir die Dinge und Tatsachen der geistigen Welt richtig durchschauen und beurteilen können; denn es ist für uns eine ganz neue Welt, aber eine Welt von einer größeren Realitat als diejenige, die wir bis jetzt gekannt haben.

Wir betreten da eine Welt von wirklichen Dingen und Wesen­heiten, und wir verbinden uns damit, wir wachsen hinein in diese Welt. Sie durchdringt uns, wir verlieren unsere irdischen Gedan­ken an diese Welt; man könnte sagen: Wir verlieren unsern Kopf an jene Welt, indem die Wesen und Dinge jener Welt in uns hin­einziehen, wie wenn wir unsern Kopf in einen Ameisenhaufen gesteckt hätten. Dann geht uns das Bewußtsein für die elementa­rische Welt auf. Wenn unser Seelenleben immer mehr erstarkt durch die Konzentration unserer Gedanken, so daß unser inneres Selbst sich immer mehr von dem physischen Leibe abtrennen kann, dann werden die Dinge jener Welt in immer deutlicher wer­denden Imaginationen und Visionen uns vor das Seelenauge tre­ten; wir werden einsehen, daß alles, was wir auf Erden an Gedan­ken des Guten, Wohlwollenden, Edlen gehabt haben, sich umge­wandelt hat in unvergängliche Imaginationen, die im Weiterleben dem Weltall seinen Wert verleihen, und daß alles Schlechte, Böse, ja alle niederen egoistischen Gedanken als Abfallprodukte zu­rückbleiben. Das wird zu demjenigen, was an sich unfruchtbar ist, was aber zur Nahrung wird für dasjenige, was sich aus dem Keim des Guten heraus entwickeln soll. So wie hier auf dem physischen Plan der mineralische Boden die Nährstoffe liefert für die Pflan­zenwelt, so wird alles, was schlecht gedacht ist, der Bodensatz für die in der elementarischen Welt erkeimenden Gedanken des Guten, Wahren, Schönen. Deshalb kann ja der Okkultist sich das Schlechte, Falsche so schnell ausdenken und es sich in Gedanken vorstellen. Aber er läßt es nicht weiterkommen; er weiß, daß er nur [bis] zu dem Punkte gehen darf, wo es Gedanke bleibt; er läßt es nicht in die Tat, in die Wirklichkeit übergehen. Er läßt es nur den Boden zubereiten, aus dem der Keim des Guten wachsen kann.

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Und so ist es eigentlich in der Weltenordnung auch zugegan­gen; so ist auch das Mineralreich der Erde entstanden. Auf dem alten Mond haben die Elohim den Irrtum gedacht - das war dort am Platze -, und daraus ist die Materie, das mineralische Reich auf Erden entstanden, und aus diesem Erdenstoff - Er­denstaub - hat Jahve-Elohim den Menschen schaffen können und ihm seine physische Hülle gegeben.

Luzifer aber, der jetzt auf einer ähnlichen Stufe steht wie die Elohim auf dem alten Monde, will dasselbe noch immer weiter ausführen. Er kann sich dazu nur der Menschen bedienen, er kann den Irrtum nur im Innern der Menschen denken.

Zu einem Organ der geistigen Welt wollen wir uns entwik­keln, ebenso wie wir unsere physischen Organe auch zu Orga­nen für das Sonnenlicht entwickelt haben. Der Keim dazu lag in uns, und ebenso ist der Keim für jene geistige Entwicklung in uns vorhanden, die wir aber nur durch strenge Selbsterziehung entfalten können. In dem Buche «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» sind verschiedene Mittel angegeben, die uns durch Konzentration und so weiter dazu gelangen lassen, uns wirklich frei zu machen von dem physischen Leibe, so daß man durch diese Spaltung seines Wesens die Schwelle der gei­stigen Welt überschreiten und die reale geistige Wirklichkeit schauen kann.

Wie man sich zu der physischen und zu dieser neuen geisti­gen Welt zu stellen hat, das drücken die folgenden Verszeilen aus.* Sie können in beliebiger Weise meditiert werden von den­jenigen, die schon einen Spruch oder Vers für ihre Meditation erhalten haben; wer einen solchen nicht hat, kann den ersten Vers morgens meditieren, den zweiten abends. Der dritte Vers soll nur von Zeit zu Zeit meditiert werden, es ist ein Probieren gewissermaßen, inwieweit man dasjenige erreicht hat, wonach in den zwei ersten Strophen gestrebt wurde.

- - -

* Die Schreibweise des Spruches, die in den verschiedenen Hörer-Aufzeichnungen leicht voneinander abweicht, ist hier nach dem Original Rudolf Steiners (siehe

Faksimile S.269/270) wiedergegeben.

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I. Strophe:

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meznem Innern sich. -

«Das muß ich erreichen»: es ist ein Stellungnehmen zur neuen Außenwelt.

II. Strophe:

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben> bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend zn mir sei.

Das ist ein Fragen, das Erleben im neuen Sein, im Innern.

III. Strophe:

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele - man selbst -

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

In Erwartung der Wahrheit. Es ist ein Erraten, ein Erfühlen des neuen Selbstes. - Das ist das Erleben der Wahrheit, das Erleben in der geistigen Welt.

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Eine jede dieser Strophen enthält, ausgearbeitet, dasselbe, was nacheinander in unserm Rosenkreuzerspruch zusammengedrängt ist in die zehn Worte:

Ex Deo nascimur

In Christo morimur

Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Aufzeichnung B

Folgende Strophen will ich noch als Meditationen hinzufügen für diejenigen, die noch keinen Spruch zur Meditation haben be­kommen können. Die erste Strophe abends nach der Rückschau, die zweite Strophe morgens meditieren, die dritte ab und zu.

I. (E.D.N.)

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

II. (I.C.M.)

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

#SE266c-266

III. (P.S.S.R.)

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuscht.

Die letzte Strophe soll nur ab und zu überdacht werden als Prüfung des Erlebten in den beiden andern Meditationen, diese werden uns dann deutlich und klar werden.

Mit diesen Meditationen ist ausgearbeitet das gegeben, was in den zehn Worten des Rosenkreuzer-Gebetes zusammengedrängt ist: E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R.

Der Ätherleib ist der Urheber unserer Gedanken; unser phy­sischer Leib hat nur insofern etwas damit zu tun, als er der Spie­gel unserer Gedanken ist, der uns ihr Bild widerspiegelt, wo­durch uns die Gedanken erkenntlich gemacht werden. - Durch unsere Konzentrationen sollen wir dazu gelangen, daß wir uns von den Schattengedanken loslösen. Durch das Zusammenziehen unserer Seele, unseres Selbstes in den Ätherleib sollen wir gelan­gen zu dem reinen Denken, das im Ätherleib seinen Sitz hat. Es muß uns klar werden, daß auch alle unsere Wahrnehmungen ein Nichts sind und daß nur die geistige Welt als Realität besteht, daß sie das wahre Sein ist. Wenn wir das Wort Sein richtig ver­stehen, dann kommen wir zur Erkenntnis, daß der ganze Raum um uns angefüllt ist mit geistigen Dingen und Wesenheiten, die Realitäten sind, und daß dort, wo wir die physischen Dinge und Wesen sehen, ein Loch, ein Nichts ist. Wenn wir unseren Arm ausstrecken, so dringen wir hindurch durch die ganz angefüllte geistige Welt, - erst wenn unsere Hand an das Nichts, an die Materie stößt, fühlen wir Widerstand. In Wirklichkeit sehen wir nicht die physischen Gegenstände im Raum, sondern nur die Umrisse der geistigen Welt.

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Niemand kann das Sein sehen, weil es ruht im Geistigen, und den Geist sieht man nur dann, wenn man die Materie nicht sieht. - Haben wir uns dazu erzogen, daß wir das Schattenhafte unserer Gedanken und unserer Umgebung fallen lassen, dann wachsen wir hinein in die geistige Welt. Damit wir uns aber in die geistige Welt hineinfinden können, müssen wir schon hier in der physischen Welt unser ganzes Denken umformen. Die eso­terische Entwicklung hilft uns, die Dinge der geistigen Welt richtig zu durchschauen.

Aufzeichnung C

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensezn, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

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[Zur I. Strophe:]

Sinnensein, du täuschest mich - Bannungsgefühl an den phy­sischen Leib; zu harmonisieren

Offenbare meinem Innern sich - E.D.N. Erreichen dieses Glaubens

[Zur II. Strophe:]

1. Zeile: Bitte an das geistige Licht

2. Zeile: Eine Kraft der Seele: das wollende Fühlen und das fühlende Wollen in der geistigen Welt

4. Zeile: Bittende Frage, fragende Bitte!

6. Zeile: Wieder eine Bitte!

7. Zeile: Nur Bitte, um in einer fernen Zukunft das entfernte Gute und Böse zu erleben. Zwischen Tod und Geburt fernen sich unsere Taten. - I.C.M.

[Zur III. Strophe:]

Immer mehr und mehr sich heimisch fühlen in der hellsichtig zu erkennenden Welt. Selbstprüfung! Inwieweit kannst Du dieses real erleben, was da gegeben ist.

Was den Sinnen Dasein täuscht erlebt der Adept als Welten-leben. - Die drei letzten Zeilen ein ruhiges Konstatieren spiri­tuellen Geschehens.

Wenn wir diese drei Formeln richtig mit den Empfindungen meditieren, versprechen uns die höheren Hierarchien ihre Hilfe, wir dürfen dann sagen: «Wir kommen euch näher!», und sie strecken uns helfend ihre Hand entgegen, und sie halten ihr Versprechen. - P.S.S.R. als Wahrheit empfinden. «Sein», das kommt von Sehen.

#SE266c-269

#Bild s. 269

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#Bild s. 270

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 27. März 1914

Aufzeichnung A

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Erst wurde ausgesprochen, wie schwer es sei, daß er [Rudolf Steiner] nicht mehr diesen Winter mit uns zusammen sein kön­ne, daß man aber nur um so intensiver fühlen müsse, daß man im Geiste ja immer vereint sei. Dann wurde darauf eingegangen, daß, wenn man nur ernst und intensiv genug seine Übungen mache, man auch Fortschritte auf dem esoterischen Weg mache, auch wenn man es nicht merke. Man müsse nur aufmerksamer werden auf sich und immer mehr die Empfindung bekommen:

Nicht ich denke, sondern es denkt mich, so daß nicht der phy­sische Leib denkt, sondern der Ätherleib. Der physische Leib ist nur der Spiegel oder ein Echo. Wie man - indem man vor den Spiegel hintritt - nur achtet auf das Spiegelbild und vergißt die wirkliche Gestalt, so achtet man auch beim Echo nicht auf das, was man ruft, nur auf den Gegenruf. So bemerkt man nicht, daß das Denken im Ätherleib geschieht und sich nur am physischen Leib spiegelt. Je mehr wir unsern Ätherleib verseibständigen, erleben wir zweierlei, einmal, daß unser Ich sich ausdehnt in die Weiten, ein andermal, daß man sein Inneres erlebt in der Verein­samung, und in der Tiefe man sein anderes Selbst findet. Der Mensch in seiner Haut ist nur wie in einer Hülle, in welcher es stürmisch auf- und abwogt von geistigen Kräften; es ist, als ob unsere Gedanken wie Gestalten aus uns heraustreten und sich um uns stellen. Wir werden dann erleben unser Gutes und unser Böses: Unser Gutes so, daß es in die Zukunft weist und dort ein sprossendes pflanzenartiges Leben führt; unser Böses, das nicht bis zur Handlung kommen darf, sondern rein gedankenhaft bleibt, damit es in der Zukunft als Nahrung für das Gute diene. Die Nahrung für unsere drei Reiche ist nur dadurch entstanden, daß die Wesen, die auf dem alten Mond ihre Menschheitsstufe durchmachten, ihr Böses meditativ bewußt erlebten, ohne es zur

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Tat werden zu lassen. Das Böse ist entstanden auf der Erde da­durch, daß zurückgebliebene Mondenwesen, luziferische Wesen, ihr Böses nicht auf dem Mond, sondern jetzt auf der Erde medi­tieren und es dem Menschen einimpfen. Andrerseits müssen wir unser Ich immer mehr sich ausbreitend im Raume fühlen, nicht innerhalb unserer physischen Hülle. Die Umwelt der Sinneswelt im Verhältnis zum Geistigen erleben wie die Luftblasen im Was­ser, als kugelförmiges Nichts. Dies oft und immer wieder gedan­kenhaft in uns erleben. Dazu sollen uns die Hilfsmittel gegeben werden: drei Formeln, die wir morgens und abends und sonn­tags durchmeditieren, sie werden uns in dieser nächsten Zeit helfen, den Ätherleib zu verselbständigen.

Die erste Formel [Strophe] drückt aus, was in Ex Deo nasci­mur gesagt ist; die zweite Formel In Christo morimur; die dritte Formel Per Spiritum Sanctum reviviscimus:

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Jrrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Leuchtend Jch und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

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Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuscht.

Aufzeichnung B

Auch wenn wir physisch nicht viel beisammen sein können, können wir doch immer das Bewußtsein haben, geistig zusam­men zu sein. Wir sind nicht getrennt, denn in der Ätherwelt, in der unsere Gedanken einander berühren, besteht die Trennung nicht, die in der stofflichen Welt ist. Und mehr und mehr wer­den wir uns dessen bewußt werden, daß unser Ich gleichsam in unseren Gedanken sich ausdehnt und allumfassend wird. Das ist einer der Fortschritte, auf die der Esoteriker achten soll, denn das Selbständigwerden des Gedankenlebens ist ein Beweis dafür, daß wir Fortschritte machen durch unsere Übungen und Medi­tationen. Wir empfinden, als ob die Gedanken gleichsam selb­ständig in uns gedacht werden; nicht so wie früher, als ob wir selbst unsere Gedanken hervorbringen würden, sondern als ob wir das Gedankenleben in uns von einer sich immer weiter aus­dehnenden geistigen Atmosphäre umgeben fühlten, als ob wir einen Teil unseres Ich gleichsam wie hinausschicken in die Ge­danken und dadurch geistig vereinigt sind mit dem, wovon wir physisch getrennt sind. Wir weiten uns gleichsam in unsere gan­ze Umgebung aus. Und in diesem Geistig-sich-vereinigt-Fühlen mit den Dingen kann es uns auch allmählich klar werden, daß das wahre Sein der Dinge in dieser unsichtbaren, aber als real empfundenen Geistesatmosphäre liegt, während das, was die Dinge stofflich sind, uns mehr und mehr seinen Charakter der Irrealität enthüllen wird.

Um dieses immer mehr innerlich zu realisieren, können wir die Formel meditieren:

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Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

Aber dann gibt es auch Zeiten, in denen wir das gewisser­maßen Entgegengesetzte machen müssen. Wir müssen uns dann ganz in uns selbst fühlen, fühlen, wie wenn das zweite Selbst aus uns erstände, welches unser wahres Ich ist und welches mehr und mehr Kraft erhalten muß. (Diese zwei Zustände müssen [mit]einander abwechseln.) - Und dann, so in Einsamkeit uns selbst durchfühlend und Stärke in uns selbst gewinnend, werden wir allmählich fühlen, mächtiger als je zuvor, das Gute in uns selbst und auch das Böse in uns selbst. Das Gute in uns wird sich uns so offenbaren, daß wir es wie wachsend empfinden, wachsend in eine ferne Zukunft hinein, wo es Frucht tragen wird; und wir empfinden, wie das Böse, was noch in uns ist, was wir uns auch in Ideen klar vor den Geist stellen können, Nahrung werden muß für das wachsende Gute. Wir fühlen, wie das Böse etwas Absterbendes ist, während das Gute gerade et­was Wachsendes ist, jedoch wir empfinden auch, daß das kräfti­ge Wachstum des Guten abhängt von der Nahrung, die es erhal­ten kann durch das absterbende Böse. Beides müssen wir gleich­zeitig in uns fühlen können, das Gute und das Böse, und zu gleicher Zeit wissen, daß das Böse, was wir uns der Idee nach vorstellen können, niemals zur Handlung werden darf; daß wir wissen, aber nie tun sollen.

Daraus sehen wir wiederum, wie ernsthaft die esoterische Schulung ist. Denn wenn wir uns die Möglichkeiten des Bösen in uns deutlich bewußt machen, wird gleichzeitig die Ver­suchung an uns herankommen, es auch zu tun. Und wir sollen wissen, daß ebenso gewiß, wie wir die Möglichkeiten des Bösen

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in uns erkennen und zur Idee werden lassen müssen zum kräfti­geren Wachstum des Guten, wir wissen müssen, daß wir niemals auch nur im geringsten das Böse zur Tat werden lassen dürfen.

Was wir um uns herum sehen in den Naturreichen und was uns Menschen zur Nahrung dient, ist da, weil die Götter auf dem alten Mond das Böse wie auch das Gute gedacht haben, so wie wir es nun auch tun müssen. So wie der mineralische Boden die Nahrungsstoffe liefert für die Pflanzenwelt, so werden unse­re Vorstellungen vom Bösen in uns der Boden, woraus das Gute sich nährt. Das Mineralreich der Erde ist entstanden dadurch, daß die Elohim auf dem Mond das Böse, den Irrtum gedacht haben; daraus ist der Stoff, das Mineralreich der Erde entstan­den, und aus diesem Stoff hat Jahve den Menschen machen kön­nen, ihm seine stoffliche Umhüllung gegeben. -

Daß wir aber in unserer Erdentwicklung auch das Böse in dieser Gestalt haben, als böse Handlungen und alles, was schlecht ist, das kommt durch die luziferischen Götter, die nicht auf dem Mond das Böse dachten (wo es an seinem Platz gewe­sen sein wurde, zu Nahrung geworden wäre), sondern auf der Erde. Und so ist das «Das-Böse-Denken» der luziferischen Geister auf der Erde der Anlaß für die bösen Handlungen und Irrungen der Menschen.

Dieses starke Sich-in-sich-selbst-Bewußtwerden dieses leben­digen Ichs, das anfängt, sich webend, leuchtend, lebendig in sich selbst zu fühlen, mit deutlicher Einsicht in alles, was es als Zu­kunftsblüte des Guten in sich trägt, das aber auch in klaren Ideen seine Möglichkeiten des Bösen erfaßt, die niemals in Taten übergehen sollen, dieses Bewußtwerden wird ausgedrückt in der zweiten Formel:

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

#SE266c-276

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Und dann kann das sich seiner selbst bewußt gewordene Ich sich wieder nach außen wenden. Dann ist es jedoch wiederer­standen aus sich selbst und erkennt die Dinge in ihrer geistigen Bedeutung. Es vergegenwärtigt sich, daß da, wo die Sinne Ge­genstände sehen, eigentlich nichts ist, daß da Öffnungen sind in einem viel realeren und dichteren Sein rings umher. Wie runde Löcher, wie «Daseinsperlen» erlebt es nun die Sinneswelt; sich selbst fühlt es lebend und webend in der dichten Geisteswelt, die reales Leben geworden ist da, wo die Sinnesorgane nichts wahrnehmen. So kann man dann mit der dritten Formel, die man hierfür meditiert, sich selbst auf die Probe stellen. Wenn die beiden anderen Formeln beispielsweise morgens und abends jeden Tag meditiert werden, die erste Strophe morgens und die zweite Strophe abends, dann kann man sonntags außer diesen beiden in einer Zeit dazwischen die dritte Strophe nehmen, wie um zu probieren, inwieweit dies alles Wirklichkeit geworden ist. Dies ist dann wiederum eine Bekräftigung einer anderen Formel, die eigentlich in diesen drei enthalten ist: E.D.N. - I.C.M. -

P.S.S.R. In der ersten Formel können wir fühlen das, was als wahre schöpferische Mächte dem Sinnensein zugrundeliegt:

E.D.N. - In der zweiten gehen wir in die Einsamkeit, als stür­ben wir ab, um in uns zu finden dasjenige, was sich mit dem Christus vereinigt weiß: I.C.M. - Und in der dritten auferstehen wir aus uns selbst, werden wiedergeboren in den Geist und er­kennen das Geistessein: P.S.S.R. - Wir müssen uns als Ichwesen zu einem Organ der geistigen Welt entwickeln.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

#SE266c-277

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

Diese Formeln müssen jedoch meditiert werden, dann brin­gen sie sehr voran. Es ist nicht genug, den Inhalt davon zu wis­sen: Selbst der weitest fortgeschrittene Esoteriker, der das alles schon lange weiß, muß sie immer wieder wechselnd meditieren.

Aufzeichnung C*

Meine lieben Schwestern und Brüder.

Einem jeden von uns liegt am Herzen der Fortschritt in der eso­terischen Entwicklung und mancher Schüler fragt sich: Komme ich auch wirklich voran in meiner Entwicklung zum Geistigen? Ja, ein jeder Schüler, der wirklich gewissenhaft die Übungen, die er vom Lehrer empfangen hat, anwendet, schreitet vorwärts; und mancher, der seine Übungen pünktlich und gewissenhaft macht, kommt vielleicht mehr voran, als er glaubt. Er darf nur nicht glauben, daß irgend etwas Tumultuarisches auftreten würde in­nerhalb seiner Übungen, oder als Resultat derselben, denn leise und intim tritt die geistige Welt an uns heran.

Freilich, eines ist gewiß: daß ein jeder, der den Weg in die geistige Welt finden will, umdenken muß, sein ganzes Wahrneh­mungs- und Empfindungsleben muß ein ganz andres werden. Nur wird aber das «Anders-werden» so oft falsch verstanden. Die Menschen denken so gern, daß sie das, was sie sich an Kenntnissen angeeignet haben auf dem physischen Plan, auch übertragen können auf die geistigen Welten; mit denselben Mit­teln, mit denen er sich innerhalb der physischen Welt zu einem gescheiten Menschen gemacht hat, glaubt der Mensch auch wis­send in der geistigen Welt werden zu können. Der Esoteriker

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* Diese Aufzeichnung hat die Orts- und Datumsangabe «Ber1in und Wien,

27. März und 14. April 1914».

#SE266c-278

muß einsehen lernen, daß es ganz andere Mittel sind, durch die man auf dem physischen Plan weiterkommt, als die, die man anwenden muß, um in die geistige Welt einzudringen. Immer mehr muß der Schüler lernen, sich hineinzutasten in die geistige Welt durch seine hingebungsvollen Gefühle, er muß lernen, sich zu sagen, daß es beim Meditieren nicht so sehr auf den Inhalt der Gedanken ankommt, als auf die ganze Gesinnung, die Stim­mung der Seele, aus welcher heraus die Meditation gemacht wird. Die sind es, die die Seele umformen und nach und nach die Organe der Seele herausbilden. Eine solche hingebungsvolle, andächtige Stimmung der Seele arbeitet nicht nur hinein in den Astralleib, sondern der Esoteriker wird auch immer mehr dahin gelangen, seinen Ätherleib zu fühlen. Und das ist ein sehr wich­tiger Augenblick für die esoterische Entwicklung, wenn dieser Moment eintritt.

Macht Euch folgendes klar, meine lieben Schwestern und Brüder: Ich strecke meine Hand aus, ich stoße mich hier an der Tafel. Im Physisch-Sinnlichen würde man sagen, da ist ein Ge­genstand, an dem meine Hand einen Widerstand gefunden hat. So ist es richtig für die physische Anschauung. Im Geistigen ist da aber, wo ich anstoße an die Tafel, ein Nichts. Da ist in der geistigen Welt ein Loch, eine Lücke. Nichtse, Löcher sind für die geistige Welt da, wo im Physischen Gegenstände sind. Aber bevor meine Hand an dies «Nichts» herankommt, strecke ich sie hindurch durch eine geistige Welt, die wiederum für das physi­sche Anschauen leer, ein Nichts ist. Die ist aber geistig ganz mit Realitäten - mit geistigen Wesenheiten - angefüllt. Wenn wir das eben Angedeutete als Schüler der geistigen Wissenschaft durchdenken, so müssen wir lernen, uns zu sagen: Also sehe ich, wenn ich ein Physisches anschaue, in Wirklichkeit die Umrisse der geistigen Welt. Zu solcher Erkenntnis muß er [der Schüler] sich durchringen. Hinter allem muß er den Geist sehen, dann sieht er auch erst das Physische in der rechten Weise.

Schaut er hin auf eine Herbstlandschaft, was sieht er da? Ein Vergehendes, Absterbendes im Physischen - aber hinter ihm erahnt

#SE266c-279

er schon die neuen, lebendigen Keime, die sich aus dem Absterbenden losringen: das neue Leben, das sich dem Tod ent­ringt; das noch geistig ist, das sich aber im Frühling mit Materie umkleiden wird.

Ein ganz einfaches Beispiel kann uns übrigens zeigen, daß da, wo im physisch-sinnlich Wahrnehmbaren Gegenstände sind, im Geistigen lauter Nichtse sind: Nehmen Sie eine Flasche Selters­wasser. Sie sehen das Wasser nicht. Sie sehen es nicht vor den leuchtenden Kugeln der perlenden Kohlensäure. Die sind nur Luft: Nichtse. Das Wasser, das Physische, sehen Sie nicht vor diesen Perlen der Kohlensäure. So sieht man auch das Geistige nicht inmitten des Physischen. Die schillernden Dinge der Wahrnehmungswelt decken es uns zu.

Hat sich der Esoteriker eingelebt in diese fundamentale Wahr­heit, daß er im Physisch-Sinnlichen von lauter Nichtsen umgeben ist, so wird ihm auch bald eine zweite Wahrheit aufgehen, die Wahrheit: Es denkt mich, nicht: Ich denke. So lange hat er ge­glaubt, daß seine Gedanken in der Welt einen Wert haben, jetzt lernt er nach und nach, daß im Geistigen eine Weltenmacht da ist, die, indem sie denkt, erschafft. Und daß alles Menschendenken nur ein schattenhafter Abglanz ist dieses Weltendenkens, das er­zeugt wird von einer erhabenen Geistwesenheit, der das Denken in demselben Grade zu eigen ist, wie dem Menschen das sinnliche Anschauen. Er lernt, daß diese Menschengedanken nur Schatten sind, die sich am physischen Leibe spiegeln und nur den Wert von Schatten haben, die wohl für die physische Welt eine Notwendig­keit sind, die er aber umwandeln muß durch seine Meditation, so daß aus den Schattengebilden Realitäten werden.

Er lernt, auf sein stolzes Denken mit immer größer werden­der Bescheidenheit hinzuschauen. Er fragt sich: Wie wandle ich es um, so, daß ich mir durch die Umwandlung dieser Schatten-gedanken ein Werkzeug schaffen kann, um in eine geistige Welt nach und nach hineinzukommen!

Der Schüler, indem er so darauf hinstrebt, sich von diesen Schattengedanken loszulösen, wird allmählich dazu gelangen,

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sein Selbst im Ätherleib zu konzentrieren. Nicht mehr wird er sich nur in seinem physischen Leib als Menschenwesen erfühlen. Er wird den physischen Leib ebenfalls immer mehr als einen Schatten empfinden, in dem er sich hier auf dem physischen Plan erleben muß. Wenn der Mensch plötzlich vor einen Spiegel tritt - der gibt ihm den äußeren Eindruck seiner physischen Gestalt, aber das ist nicht der Mensch selber, es ist nur ein Re­flex des Menschen. Tritt er von dem Spiegel zurück, so ist auch das Bild - er selbst - nicht mehr. Aber er ist dennoch da, auch ohne den Spiegel. Der gibt nur ein Schattenbild seiner äußeren Gestalt.

Hat der Schüler sich dahin erzogen, das Schattenhafte unserer Gedanken in uns selbst zu erkennen - zu erkennen, wie diese Gedankenschatten in der äußern, physischen Welt, in der Wis­senschaft, im Sozialen da sind, wie wir selbst als physische Men­schen nur Schatten sind unserer eigenen inneren Wesenheit -, wenn er das als eine Grundstimmung seiner Seele anerzogen hat, dann wächst er hinein in eine geistige Welt.

Er blickt zurück in die Vergangenheit, aus der heraus er das geworden ist, was er in diesem Moment seiner seelischen Ent­wicklung in sich erfühlt. Und er schaut hinein in eine Zukunft, die vor der Menschheit liegt. Und er erkennt:

Aus Gedanken der erhabenen Geistwesenheit ist alles entstan­den. [Wie kann ich mich aus all dem schattenhaftem Denken um mich herum herauslösen?] Wie kann ich so denken lernen, daß ich als Mensch, indem ich mich dieser Wesenheit in Andacht nahe, von ihr angenommen werde! Er erkennt, daß alles, was wir auf Erden an Gedanken der Güte, des Wohlwollens, des Edlen, der Liebe er­zeugen, sich zu bleibenden, unvergänglichen Daseinswerten um­setzt, die nicht vergehen wie verwehende Schatten - die weiter bestehen werden. Wir sehen sie vor uns - in vielleicht noch weiter Ferne, in der Zukunft. Da leben sie, da sind sie wirksam zum Heile der Menschheit! Und wir sehen: Auch alles Böse, Schlechte, Lü­genhafte lebt weiter! Es vergeht nicht! Alle niederen, egoistischen Gedanken der Menschen, wir sehen sie in der Ferne, aber wir erkennen:

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das sind Abfallprodukte der Menschenentwicklung, sie sind unfruchtbar an sich. Aber sie haben doch ihre Aufgabe: diese Abfallprodukte dienen als Nahrung für das, was als das Gute sich entwickeln soll. Alles Böse, Schlechte wird zu dem, was sich als Nahrung für die Keime des Guten entwickeln soll.

Wie hier auf dem physischen Plan der mineralische Boden die Nahrung abgibt für die Pflanzenwelt, wie der «Dünger» der Steine die Pflanze möglich macht, wie sich das eine immer von dem andern ernährt, so wird alles Bös-Gedachte, alles Schlecht-Erkannte der Bodensatz sein für die in der elementaren Welt aufkeimenden Gedanken des Guten, Edlen, Wahren.

Durch ein solches Wissen kann der Okkultist sich das Schlechte, Irrtümliche, Böse, das er in der Welt sieht, so gut ausdeuten. Er sieht es um sich herum, er soll es sich in Gedan­ken vorstellen, aber er weiß, daß er nicht weiter gehen darf als bis zu diesem Punkt, wo es Gedanke ist. Er läßt es nicht in die Tat übergehen, die immer luziferisch-ahrimanisch ist. Er schaut sich in Gelassenheit an alles Schlechte und Böse, wissend, daß es einstmals den Boden abgeben wird, auf dem der Keim des Guten dereinst erwachsen soll.

So hat es sich eigentlich in der Evolution der Erde auch abge­spielt. Denn wie ist das Mineralreich der Erde entstanden? Als die Erde noch nicht da war, auf dem alten Monde, da haben die Hierarchien, von den Wesen, die damals Menschen waren, bis hinauf zu den Geistern der Form, sich zu dem, was im Erden-zustande uns als Weisheit umgibt, erst nach und nach hinauf-gearbeitet. Sie haben Irrtum über Irrtum gedacht. Das war da am Platze. Aber aus all diesen Irrtümern ist als Abfallprodukt das Stoffliche, das Mineralische auf der Erde entstanden.

Und aus diesem Erdenstoff hat Jahve-Elohim den Menschen bilden, ihm seine physische Hülle geben können. Luzifer aber, der ja auf ähnlicher Stufe ist wie die Elohim, will dasselbe noch immer ausführen. Aber er kann sich zu seinem Werk nur der Menschen bedienen, indem er den Irrtum, die Lüge, nur im Innern der Menschen denken lassen kann.

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Meine lieben Schwestern und Brüder, ich möchte Euch heute drei Meditationsformeln geben zu Eurer Weiterarbeit auf Eurem Wege in die geistigen Welten hinauf. Ihr könnt sie nach Belie­ben meditieren, zum Beispiel die erste am Morgen, die zweite am Abend, die dritte sonntags. Oder auch die erste und zweite donnerstags und montags und die dritte ab und zu als Prüfung für das an den ersten beiden Erlebte. Nach und nach wird Euch die ganze Tiefe dieser Meditationen klar werden.

I.

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

[Erste Zeile:] Zu den Dingen ... - wirklich soll sich die Seele wie mit einer inneren Geste zu den Dingen der Außenwelt wen­den. Die zweite Zeile: Wend ich mich ... soll die erste verstär­ken. Man soll das wirklich innerlich erfühlen, wie man sich mit einem inneren Ruck den Dingen der Außenwelt zuwendet, nicht nur flüchtig hinschauend, sondern sie in ihrem Wesen erkennen wollend. In der dritten Zeile wird der Sinnenschein selbst ange­redet. Die Seele soll lernen, für Momente sich intensiv frei zu machen von diesen Nichtsen der Sinneswelt, und indem sie im­mer mehr den Nichts-Charakter der Sinneswelt erkennt, wird sie ihre Stellung innerlich zum Physisch-Materiellen ganz ver­ändern. Sie wird lernen, das Materielle zwar als notwendig anzu­sehen für das Leben in der Sinneswelt, aber zugleich sich zu er­heben über dasselbe zu dem, was als schöpferisches Weltensein hinter ihnen [den Nichtsen] ist. Und sie wird allmählich lernen, sich so loszulösen von ihnen, daß sie sich wie mit Seelenschwin-gen weit ausbreitet in den Raum hinaus. Da wird sie schauen

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und empfinden: Alles Materielle ist vergänglich - aber das Gute, Wahre in mir ist nicht vergänglich. Das ist ewig! Ich darf mit-schaffen am Ewigen, mitbilden an dem Samen für ein Künftiges, indem meine Seele lebt in den Fluten des Göttlich-Wahren, Guten. In dem, was als Göttlich-Schöpferisches seit Urzeiten schafft und wirkt in der Welt. - E.D.N.

II.

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

,Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Haben wir uns in der ersten Strophe erhoben wie mit Seelen-schwingen über das bloß Irdische, läßt uns diese zweite Strophe den Weg finden in unser eigenes Selbst. Wir versenken uns tief hinein in die Einsamkeit der Seele. Immer enger zieht sich das Ich zusammen! Es erkennt immer mehr, was es an guten und edlen und auch an bösen und törichten Gedanken in seiner Seele trägt. Und es erkennt an, daß beides im Entwicklungsgang des Erdenmenschen notwendig ist. Es ergibt sich dem Meditanten die Mission des Bösen: daß es die künftige Nahrung ist für das Gute. Daß dies Gute sich ernähren wird wie ein sprossender Keim aus dem Bodensatz des Bösen, daß es alles Böse, Laster-hafte verzehrt und selbst ein ewiges Dasein begründet.

Und die Seele erkennt: Beides, das Böse und das Gute, wird von dem Christus entgegengenommen. Er wird es scheiden! Ihm müssen wir entgegentragen unser ganzes Seelendasein, damit es Früchte der Ewigkeit einst bringen kann; wir müssen lernen, es in den Christus hineintragen, hineinsterben zu lassen. - I. - M.

#SE266c-284

III.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

Man könnte es für einen Fehler halten, daß hier [Zeile 1] zwei Subjekte sind, trotzdem das Verbum [Zeile 2] im Singular steht. Ich muß gestehen, daß mir das zuerst nicht auffiel, als die Meditation mir aus der geistigen Welt gegeben wurde. Man nimmt das zuerst nur entgegen und wird sich erst später klar darüber. In der geistigen Welt gibt es aber nichts, das theo­retisch zu bewerten wäre. Da ist alles erlebt und empfunden.*

Ebensowenig liegt auch eine Absicht darin, daß jede dieser drei Meditationsstrophen aus sieben Zeilen besteht.

Diese letzte, dritte Strophe soll uns ein Prüfstein sein für die beiden ersten. Wenn wir sie meditieren, soll diese dritte Strophe uns zeigen, wie die beiden ersten sich fruchtbar erwiesen haben. Haben sie Früchte getragen, dann können wir erleben, wie unser ganzes Sein sich formt wie zu einem Kelch. Und wir erleben, daß unser Seelenkelch aufnimmt in sich, sich vereinigt mit dem das Universum durchwebenden und durchflutenden Weltengeist

- den Heiligen Geist; den Auferwecker nimmt die Seele in sich auf, in ihm erwacht sie zu einem neuen Dasein - P.S.S.R.

Wenn wir wirklich lernen, zu leben in diesen drei mantri­schen Sprüchen, so erleben wir zugleich in immer neuer Form den unerschöpflichen Inhalt unseres aus zehn Worten bestehen­den Rosenkreuzer-Spruches, der ja von so unendlich tiefer, mannigfacher Bedeutung ist.

- - -

* Siehe hierzu auch München, 31. März 1914.

#SE266c-285

Aufzeichnung D*

Einem jeden von uns liegt am Herzen der Fortschritt in der eso­terischen Entwicklung. Jeder, der gewissenhaft übt, schreitet vorwärts; mancher, der seine Übungen pünktlich und gewissen­haft macht, kommt vielleicht mehr voran, als er glaubt. Wir müssen nur fein beobachten; leise und intim tritt die geistige Welt an uns heran.

Freilich, das eine ist gewiß, daß jeder, der den Weg in die geistigen Welten finden will, umdenken muß. Sein ganzes Wahr-nehmungs- und Empfindungsleben muß ein anderes werden. Dies «Anders-werden» wird nur so oft falsch verstanden. Die Menschen denken, daß sie das, was sie sich an Kenntnissen angeeignet haben auf dem physischen Plan, auch übertragen können auf die geistigen Welten. Der Esoteriker muß einsehen lernen, daß es andere Mittel sind, durch die man auf dem physi­schen Plan weiterkommt als die, durch welche man in die geisti­gen Welten eindringt. Immer mehr muß er sich hineinfühlen in die geistige Welt, sich sagen, daß es beim Meditieren nicht so sehr auf den Inhalt, die Gedanken ankommt, als auf die Gesin­nung, die Stimmung der Seele, aus welcher heraus die Medita­tion ausgeführt wird. Sie sind es, die die Seele umformen und die Organe der Seele herausbilden. Wenn sich der Esoteriker in einer solchen richtigen Seelenverfassung befindet, so wird er auch immer mehr dahin gelangen, seinen Ätherleib zu fühlen.

Wenn ich die Hand ausstrecke und mich an der Tafel hier stoße, so würde man im Physisch-Sinnlichen sagen: Da ist ein Gegenstand, an dem meine Hand einen Widerstand gefunden hat - im Geistigen ist da gerade ein Nichts; es sind da Löcher, Lücken in der geistigen Welt, wo sinnlich wahrnehmbare Ge­genstände im Physischen sind. Aber bevor ich an diesen Wider­stand komme, dringe ich hindurch durch die geistige Welt, die

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* Die Aufzeichnung hat die Orts- und Datumangabe: «Berlin, 27. März 1914 (Wien, 11. April 1914)«.

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ganz mit Realitäten, mit geistigen Wesenheiten angefüllt ist. In Wahrheit sehen wir nicht die Gegenstände im Raum, sondern die Umrisse der geistigen Welt.

Zu solcher Erkenntnis muß sich der Esoteriker durchringen. Hinter allem muß er den Geist sehen. Steht er einer Herbstland-schaft gegenüber, so muß er in dem Vergehenden, Absterbenden schon die neuen lebendigen Keime erahnen, sie sich losringen sehen, die im Frühling sich opfern, indem sie sich mit Materie umkleiden werden.

Ein ganz einfaches Beispiel kann uns übrigens zeigen, daß da, wo im Physischen sinnlich wahrnehmbare Gegenstände, im Gei­stigen lauter Nichtse sind - man nehme eine Flasche Selterswas­ser: Wie man das Wasser, obgleich es doch dichter ist, nicht sieht vor den leuchtenden Kugeln der perlenden Kohlensäure, die doch nur Luft, ein «Nichts» sind -, so sieht man auch das Geistige nicht vor den schillernden Dingen der sinnlichen Wahr­nehmungswelt.

Hat sich der Esoteriker in diese Wahrheit, daß er im Phy­sisch-Sinnlichen von lauter Nichtsen umgeben ist, eingelebt, so wird ihm auch bald eine zweite Wahrheit aufgehen, die des Es denkt mich, nicht ich denke, nämlich daß alle unsere Gedanken nur schattenhaft sind. Wir sind gewohnt zu glauben, daß das Denken im physischen Leibe verläuft; dem ist aber nicht so. In Wahrheit ist der Ätherleib der Urheber unserer Gedanken. Der physische Leib hat nur insofern damit zu tun, als er der Spiegel ist, der die im Ätherleib erzeugten Gedanken zurückwirft.

Wenn der Mensch in einen Spiegel schaut, so hat er vor sich sein Spiegelbild: Der Spiegel gibt ihm den äußeren Eindruck sei­ner physischen Gestalt wieder; ohne ihn, seine Person, könnte auch kein Spiegelbild da sein; dieses ist also nur ein Schattenbild seiner äußeren Gestalt. - Ebenso sind die Gedanken, die im Ätherleib ihren lebendigen Sitz haben, wenn wir sie denken in unserem physischen Gehirn, nur Spiegelbilder-Schatten. Wir sol­len durch Meditation, Konzentration dahin gelangen, uns von diesen Schattengedanken loszulösen durch das Konzentrieren

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unserer Seele, unseres Seibstes im Ätherleib, damit wir so durch­dringen zu dem wahren, eigentlichen Urgrund unserer Gedan­ken, die im Ätherleib ihr Leben haben.

Haben wir uns dahin erzogen, das Schattenhafte unserer Ge­danken und unserer äußeren Umgebung zu erkennen und immer mehr fallen zu lassen, dann wachsen wir hinein in die geistige Welt. Dann werden wir auch erkennen, daß alles, was wir auf Erden an Gedanken der Güte, des Wohlwollens, des Edlen er­zeugen, sich zu bleibenden, unvergänglichen Daseinswerten um­setzt, die weiterbestehen werden. Wir sehen sie vor uns in der Ferne, in der Zukunft, da leben sie zum Heile der Menschheit.

Und auch alles Böse, Schlechte, Lügenhafte lebt, alle niederen egoistischen Gedanken - wir sehen sie vor uns wie in der Ferne, aber sie sind als Abfallprodukt zurückgeblieben, sie sind Nah­rung für das Gute. Alles Böse, Schlechte wird zu dem, was an sich unfruchtbar ist, was aber zur Nahrung wird für das, was sich aus dem Keime des Guten entwickeln soll.

Wie hier auf dem physischen Plan der mineralische Boden die Nahrung abgibt für die Pflanzen und sich das eine immer von dem andern ernährt, so wird alles bös Gedachte, alles schlecht Erkannte der Bodensatz für die in der elementaren Welt aufkei­menden Gedanken des Guten, Edlen, Wahren. Daher kann auch der Okkultist das Schlechte, Irrtümliche sich so gut ausdeuten; er soll es sich in Gedanken vorstellen, aber er weiß, daß er nicht weiter gehen darf als bis zu diesem Punkt, wo es Gedanke ist; er läßt es nicht in die Tat, die Wirklichkeit übergehen, die immer luziferisch und ahrimanisch ist; er weiß, daß es den Boden abgibt, auf dem der Keim des Guten dereinst erwachsen soll.

So ist es eigentlich in der Evolution der Erde auch geschehen so ist das Mineralreich der Erde entstanden.

Auf dem alten Monde haben die Hierarchien vom Menschen aufwärts bis zu den Geistern der Form den Irrtum gedacht. Das war da am Platz und daraus ist das Stoffliche, Mineralische auf der Erde entstanden. Und aus diesem Erdenstoff hat Jahve­Elohim den Menschen bilden, ihm seine physische Hülle geben

#SE266c-288

können. Luzifer aber, der ja auf ähnlicher Stufe ist, wie die Elo­him auf dem Monde waren, will dasselbe noch immer ausführen. Er kann sich dazu aber nur des Menschen bedienen, er kann den Irrtum nur im Innern des Menschen denken lassen.

Da es mir momentan nicht möglich ist, mit einzelnen zu sprechen, so möchte ich hier drei Formeln geben, die nach Belieben meditiert werden können. Zum Beispiel die erste am Morgen, die zweite am Abend, die dritte sonntags, oder auch die erste und zweite montags und donnerstags und die dritte nur ab und an als Prüfung des in den zwei anderen Meditationen Erleb­ten; sie werden uns dann ganz klar werden.

I.

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinn ensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

Zu den Dingen ... - wirklich soll sich die Seele wie mit einer inneren Geste zu den Dingen wenden. Die zweite Zeile: Wend ich mich ... - verstärkt die erste; ich soll das wirklich innerlich fühlen. In der dritten Zeile rede ich das Sinnensein an. Die Seele soll sich frei machen vom Physischen, von dem Nichts der Sin-nenwelt. Sie soll sich vom Physisch-Materiellen erheben zu dem, was hinter den Dingen ist. Sie soll sich weit ausbreiten in den Raum hinaus und empfinden: Das Gute in mir ist ewig; es ist der Same für Künftiges - Ex Deo Nasdmur

II.

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

#SE266c-289

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Bei dieser Strophe sollen wir uns in uns selbst versenken, in die Einsamkeit der Seele. Das Ich zieht sich aufs engste zusam­men; es erkennt, was es an guten und edlen, an bösen und tö­richten Gedanken in seiner Seele trägt; aber es empfindet: Böses und Gutes, beides ist notwendig; das Böse ist die künftige Nah­rung für das Gute, denn das Gute wird sich ernähren wie ein sprossender Keim, der das Böse, das Lasterhafte verzehrt und selbst ewig bleibt. Beides wird vom Christus aufgenommen und in die Zukunft hineingetragen. Soll das Gute, das wir erzeugt haben, da Früchte bringen, so müssen wir es in den Christus hineintragen - In - morimur!

III.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

Man könnte es für einen Fehler halten, daß hier zwei Subjek­te sind und trotzdem das Verb im Singular steht. Ich muß geste­hen, daß mir das zuerst nicht auffiel, als die Mantrams mir aus der geistigen Welt gegeben wurden. Man nimmt das so hin und wird sich erst später klar darüber. In der geistigen Welt gibt es so wenig Theoretisches, alles ist erlebt gefunden. Ebensowenig liegt auch Absicht dabei vor, daß jede der drei Strophen aus sieben Zeilen besteht.

#SE266c-290

Die dritte Strophe soll ein Prüfstein sein für die zwei an­deren. Prüfen sollen wir uns, wie weit das Meditieren über die zwei anderen fruchtbar gewirkt hat. Dann werden wir einen Kelch erblicken; wie in geistiger Kommunion wird sich unsere Seele vereinigen mit dem das Universum durchwebenden und durchflutenden Weltengeist. Auferweckt sollen wir werden durch den Heiligen Geist - Per Spiritum Sanaum reviviscimus.

Wenn wir wirklich in diesen drei Mantrams leben, so erleben wir zugleich, was in den drei Gliedern unseres aus zehn Worten bestehenden Rosenkreuzerspruchs gesagt ist, der ja von so un­endlich tiefer und mannigfaltiger Bedeutung ist.

#SE266c-291

#TI

ESOTERISCHE STUNDE

München, 31. März 1914

#TX

Es ist schon oft betont worden, daß man wohl unterscheiden muß zwischen dem Vorwärtskommen in der esoterischen Ent­wicklung einerseits und andererseits dem Bemerken des Fort­schrittes. Jeder Esoteriker kommt vorwärts, wenn er seine eso­terischen Übungen treulich und regelmäßig macht, auch wenn er mit dem Gelingen derselben unzufrieden ist. Auf das redliche Streben kommt es an.

Durch diese Übungen werden wir tatsächlich andere Men­schen. Das geschieht unbedingt, auch wenn wir es nicht bemer­ken. Denn in allen diesen Übungen, seien sie nun in Büchern oder mündlich gegeben, liegen die Kräfte, welche den Ätherleib lockern und aus dem physischen Leibe ziehen. Etwas anderes aber ist es, nun auch auf diese Veränderungen aufmerksam zu werden. Es kann ja tatsächlich die Seele schon Organe haben, aber es ist eben ein Unterschied, ob sie in ihrer geistigen Umge­bung schläft oder wacht. Um aufzuwachen und bewußt zu wer­den, braucht sie starke Kraft und Vorbereitung. Deshalb werden in diesen Vorträgen Beschreibungen von dem gegeben, was die Seele beim Aufwachen in der geistigen Welt erlebt.

Viele erschweren sich das Bewußtwerden, weil sie sich die geistige Welt doch immer wieder wie eine zweite physische Welt, nur feiner, durchdringlicher vorstellen. Das ist ein großes Hemmnis, denn sie bemerken dann nicht die feinen Symptome des Erwachens. Solche Vorurteile müssen abgestreift werden. Wer sie noch hat, gleicht einem Menschen, der im Luftballon aufsteigt und glaubt, er könne jederzeit da oben aussteigen und auf einer Bergspitze ausruhen. Wer aber die esoterischen Erläu­terungen richtig aufnimmt, der kann zunächst begreifen, wie die geistige Welt beim Erwachen der Seele erlebt wird.

Um dazu zu gelangen, muß man sich einmal die Frage vor­legen: Was ist das Denken eigentlich? Was denkt in mir? Der

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Materialist, der die übersinnliche Welt leugnet, sagt: Der Körper, das Gehirn denkt. Ihm sollte man die Frage vorlegen: Hast du je das Denken mit den Sinnen wahrgenommen? Natürlich hat er das nicht. Nie hat man das Denken gehört, gesehen, als Wärme gefühlt oder dergleichen. Folglich ist es nicht körperlich. Denn was zum Körper gehört, ist sinnlich wahrnehmbar. Also ist das Denken übersinnlich. Und der Materialist müßte entweder die übersinnliche Welt zugeben, oder er sollte das Denken als ein Unding aufgeben - was vielleicht gut wäre.

Wir sind also mit unserem Denken immer darin in der über­sinnlichen Welt, aber so, daß wir sie nicht selbst erleben. Wie wenn jemand ins Meer hinausführe, sich selbst und sein Boot aber nicht sähe, so ist es etwa mit dem Denken des Menschen. Wir erleben es nicht unmittelbar, denn das, was wir davon er­leben, die Gedanken, sind die Spiegelungen des Denkens am Leibe. Wie jemand, der vor einem Spiegel steht, sein Spiegelbild sieht, so sieht die denkende Seele das Spiegelbild ihres Denkens. Das Gehirn ist der Spiegel. - Durch die esoterische Schulung soll nun der Mensch dazu kommen, das Denken selbst zu erle­ben, nicht bloß die Gedanken. Wie der vor dem Spiegel Stehen­de, wenn er zur Seite tritt, dann die Spiegelfläche des Spiegels sieht, so muß die Seele dazu kommen, den Leib von außerhalb als spiegelnden Apparat anzusehen. Dann weiß der Mensch, wie die Gedanken zustande kommen, und er erlebt sich in der Welt, aus welcher das Denken in die Sinnenwelt als Gedanke hinein-ragt.

Dies alles ist von jedem gesunden Verstande zu begreifen. Und es ist wichtig für den Theosophen, es sich ganz klar zu machen, um gewappnet zu sein gegenüber dem Einwand, Theo-sophie beruhe auf Glauben, die Existenz der übersinnlichen Welt müsse man glauben. Das ist nicht wahr. Jeder kann diese Existenz begreifen, wenn er sein Denken richtig anwendet. Wer sie nicht begreifen kann, ist töricht, und wäre er auch ein Philo­soph. - Vom Begreifen dieser Möglichkeit, das Denken und die übersinnliche Welt zu erleben, ist aber noch ein großer Schritt

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bis zu diesem Erkennen selbst. Das kann nur durch langes Arbeiten der Seele an sich selbst erreicht werden; aber es wird erreicht.

Das erste Zeichen des Erwachens in der geistigen Welt ist ein Gefühl des Größerwerdens, als ob man sich ausbreitete, ausflös­se. In der Sinnenwelt bin ich hier, der Gegenstand ist dort, von ihm geht ein Eindruck auf mich. Das Bewußtsein kommt da­durch zustande, daß wir auf die Gegenstände stoßen durch die Organe des Tastens, Hörens, Sehens. In der geistigen Welt hört das In-sich-abgeschlossen-Sein auf. Man fühlt sich wie aus­gebreitet in andere Wesen. In der physischen Welt erleben wir alles innerhalb der Haut, zum Beispiel auch den Schmerz eines Nadelstiches. Anders in der geistigen Welt. Da fließt Denken und Fühlen aus. Man erlebt Lust und Schmerz in anderen. Trifft man zum Beispiel einen Verstorbenen, der im Schmerz ist, so muß man den Schmerz in ihm miterleben, solange man in geisti­ger Verbindung mit ihm ist.

Durch diese Veränderung wird auch das Verhältnis zur Sinnenwelt ganz anders. Die Art, wie wir die physische Welt ge­wöhnlich erleben, ist dadurch bedingt, daß unser Körper, durch den wir erleben, auch sinnlich ist. Stoßen wir mit dem Kopf an einen harten Gegenstand, so fühlen wir das, weil der Kopf nicht nachgibt, das heißt, weil er hart, gleichgeartet ist mit dem Ge­genstande. Steht man aber der Sinnenwelt mit übersinnlichem Erleben gegenüber, so wird kein Eindruck hervorgebracht. Die geistigen Organe sind sozusagen zu weich und nachgiebig. Da­her erscheinen alle physischen Dinge wie leere Räume. Ein Ver­gleich kann eine Anschauung davon geben. Das Wasser in einem Glase ist an sich unsichtbar. Im Sodawasser sind die Gasperlen sichtbar, und doch sind die Bläschen viel dünner als das Wasser; sie sind im Vergleich zur schwereren Flüssigkeit ein Nichts. Da ist also das Nichts sichtbar, das Etwas unsichtbar. So ist es in Wahrheit mit der physischen Welt für den geistigen Blick. Alle Atome - die für die Wissenschaft bis vor kurzem die Grundlage aller Materialität bildeten - sind, wie die Perlen im Wasser,

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Löcher oder leere Bläschen im Geistigen. Alle physischen Dinge sind zusammengesetzt aus Unsummen solcher Löcher. Wir sto­ßen an diese Löcher, dieses Nichts, wenn wir tasten. So ist es auch mit der menschlichen Gestalt. Das Gehirn zum Beispiel ist, geistig angeschaut, eine geistige Form. Darin ist eine Unzahl von Löchern oder leeren Perlen; die machen das aus, was der Mann der Wissenschaft mit seinen Instrumenten untersucht.

Als weiteres ergibt sich, daß der Mensch alles Gute, Richtige, Wahre, was er denkt, von sich ausströmen fühlt. Er empfindet es wie hineinwachsend in die Zukunft, als keimbildend für die Zu­kunft. Aber auch das Unrichtige, Schlechte, Unschöne, das er denkt und fühlt, wächst so hinaus. Ganz real fühlt er das sich entströmen, und er weiß, daß die ihm entströmenden schlechten Gedanken in Zukunft den guten zur Nahrung dienen werden. Sie sind also auch notwendig. Daher lernt er verstehen, warum ihn in der Meditation so viele schlechte, verkehrte, unschöne Gedanken und Gefühle bestürmen. Wenn er weiß, daß sie not­wendige Kräfte, Nahrung für die Zukunft sind, so wird er sie auch richtig beurteilen. Er wird sich nicht über sie zu beklagen brauchen, wenn er stark genug ist, sie nicht in sein Wollen und Handeln hereinfließen zu lassen. Darin liegt ein großes Geheim­nis. Dieselben Kräfte, welche unseren bösen Gedanken zugrunde liegen, wurden auf dem alten Mond ausgestrahlt von den Wesen der Hierarchien, von den Engeln bis hinauf zu den Geistern der Form. Sie brachten dadurch das Mondendasein hervor. Luzifer und Ahriman aber blieben zurück und strahlen diese Kräfte erst jetzt aus. Jetzt aber wirken sie bis in das unterdessen weiter ver­dichtete Physische, bis in das physische Blut des Menschen, und dadurch entsteht das Böse. An sich sind sie nicht böse. Der Eso­teriker muß sie auf sich wirken lassen, sie aber nicht bis zur physischen Verdichtung kommen lassen. Dann bleiben sie wert­voll für die guten Gedanken der Zukunft.

Um das Erleben dieser ersten Schritte in der geistigen Welt zu fördern, werden die folgenden Formeln gegeben. Sie sollen von Anfängern in der Esoterik so gebraucht werden, daß die

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erste morgens, die zweite abends nach der Tagesrückschau vor­genommen wird, die dritte einmal in mehreren Tagen. Ältere Esoteriker sollen ihre Übungen nicht dadurch stören, sondern diese neuen Formeln gelegentlich vornehmen, die erste und zweite direkt nacheinander, die dritte kann alle Woche einmal, zum Beispiel sonntags, vorgenommen werden.

Daß jede dieser Formeln sieben Zeilen hat, ist nicht beabsich­tigt oder gemacht. So etwas ergibt sich ganz von selbst. Das geistige Material offenbart sich so, daß es von selbst in diese siebenzeilige Form drängt.

I.

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

II.

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

III.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

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Lebt im Meer des Göttlich- Wahren

Was den Sinnen Dasein täuschL

Zeile eins und zwei der dritten Formel gaben viel zu denken. Sie waren so geoffenbart - aber es schien eine grammatikalische Unrichtigkeit -, daß es schwebet statt «schweben» heißt. Später wurde es klar, daß dies Absicht ist. Leuchtend Ich und Leuchte-Seele sollen als ein einziges Wesen gedacht werden. Ebenso ist auch in der nächsten Zeile Das Erdachte, das Erkannte eins und als einziges behandelt. In der physischen Welt sind Erdenken und Erkennen nicht eins; im Geistigen fließen sie zusammen. Ein Erdachtes ist entweder falsch, dann vernichtet es sich selbst, oder richtig - dann ist es auch ein Geoffenbartes: Erkenntnis.

Solche Formeln, ebenso wie alle, die zum Beispiel in der «Geheimwissenschaft» gegeben sind, werden nicht erdacht oder fabriziert. Der Verstand ist dabei zunächst ganz unbeteiligt. Der Seher erhält die Dinge offenbart. Sie stehen da. Dann erst muß er sich daranmachen, sie - ebenso wie der, dem er sie übermit­telt - mit dem Verstande zu verarbeiten.

Die erste Formel bezeichnet das Erlebnis, bei dem die physi­schen Dinge, wie die Perlen im Wasser, aus Nichts bestehend erscheinen. Die Seele erkennt das gewöhnliche Sinnensein als Täuschung und strebt nach Erkenntnis des wirklich Realen.

Die zweite Formel umschreibt das Erlebnis des Ausstrahlens der guten und bösen Gedanken.

Die dritte Formel ist gleichsam als Probe für den Fortschritt zu gebrauchen. Wenn man darüber meditiert, muß man die Worte innerlich so aussprechen, daß alles sinnvoll tönt. Man versuche an diesen Zeilen zu erkennen, wie weit man ist; ob man zum Beispiel wirklich schon etwas erlebt bei den Worten:

Das Erdachte, das Erkannte 1 Wird jetzt dichtes Geistessein. -Natürlich muß das unverdrossen und in Geduld Woche für Woche fortgesetzt werden.

Man kann diese Formeln auch als eine Umschreibung dessen ansehen, was immer den Abschluß dieser Betrachtungen bildet.

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Die erste bezeichnet, wie beim Hineinwachsen in die geistige Welt das Sinnliche wesenlos wird und die geistige Realität als das erkannt wird, dem wir entstammen: Ex Deo nascimur. - Die zweite Formel bezeichnet das Erleben der guten und bösen Gedanken als in die Zukunft wirkende Kräfte. Das ist aber nur möglich, wenn die Seele von dem geistigen Licht - Christus -umfangen und erleuchtet wird, nachdem sie sich dem Phy­sischen enthoben hat: In Christo morimur. - Und die dritte For­mel stellt dar, wie sich der im Geiste erwachenden Seele wahre Erkenntnisse offenbaren: Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

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#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 25. April 1914

Aufzeichnung A

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Wir haben in unserer letzten esoterischen Betrachtung davon gesprochen, wie die Seele sich immer mehr ausbreiten soll und ergießen in den Raum; wie sie sich dann zusammenziehen soll in sich selbst, um zu sehen, was in ihrer eigenen Seele webt und west. Dazu sind Euch, liebe Schwestern und Brüder, Formeln gegeben, die von Euch beliebig benutzt, auch an andere weiter­gegeben werden können, die diese esoterische Stunde nicht mit-angehört haben.

Heute soll eine andere Betrachtung vor Eure Seele gestellt werden, etwas Konkretes, eine Stimmung, die Euch helfen kann, hineinzukommen in die geistige Welt.

Vergegenwärtigen wir uns einmal, was im Schlaf geschieht. Der Ätherleib und physische Leib bleiben im Bett, während Astralleib und Ich draußen sind in der geistigen Welt. Woher kommt es denn, daß der Mensch während des Schlafes nicht bewußt die Welt, in der er sich befindet, erlebt, so wie er im Tagesbewußtsein die physische Welt erlebt?

Weil in der Zeit, in der der Mensch heraußen ist aus seinem Leibe, in ihm eine Sehnsucht ist, ein starker Drang, zurückzu­kehren in seinen physischen Leib. Dieser Drang wirkt wie eine Verfinsterung gegenüber der Helle der geistigen Welt, so daß der Mensch nichts davon wahrnimmt. Die astralen Kräfte, die da tätig sind in ihm, wirken so stark, daß er seinen physischen Leib überhaupt nicht verlassen würde, wenn dieser nicht durch das Leben in der Sinnenwelt so ermüdet, so abgenutzt wäre, daß er der Stärkung, der Auffrischung durch den Schlaf dringend be­dürfte. Dieser Trieb, diese Sehnsucht nach seinem physischen Leib ist es, die den Menschen verhindert, bewußt während des Schlafes die geistigen Weiten zu erleben. Wäre er hellsehend, so würde er sehen, wie von seinem Astralleib und Ich helle Strahlen

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hingingen zu seinem physischen und Ätherleib; in ihnen ist diese Sehnsucht nach Wiedervereinigung ausgedrückt.

Nehmen wir an, jemand würde plötzlich im Schlafe hell­sehend; wie wird er sich da erblicken? Wenn wir hier auf dem physischen Plan jemandem begegnen, so tritt uns seine phy­sische Form entgegen, in der ein Ich lebt. So ist es nicht in der Geisteswelt; wir müssen nicht denken, daß wir da den Menschen in derselben Gestalt sehen wie auf dem physischen Plan. Hier in der physischen Welt sehen wir die einzelnen Dinge voneinander abgegrenzt mit scharfen Konturen; anders in der geistigen Welt. Was da webt und west, sind bewegliche Bilder, und diese be­weglichen Bilder erkennen wir als Wesen, als die Geister der höheren Hierarchien, die ihre Boten, ihre Helfer aussenden, um der menschlichen Form den rechten Ausdruck zu geben. Diese Abgesandten, diese Boten der Geister der Form sind noch sozu­sagen auf der Kindheitsstufe; aber sie werden sich weiter empor-arbeiten in dem Maße, wie sie das Menschen-Ich pflegen. Und eine andere Schar von Elementarwesen, die Hüter des Ich-Wesens, umschweben das Menschenhaupt. Sie arbeiten an sei­nem Denken und sind ausgesandt von den Geistern der Form und der Bewegung. Und wieder andere Elementarwesen, Abge­sandte der Geister der Weisheit, wirken auf des Menschen Herz und bringen den Blutkreislauf zustande.

Ferner gibt es Elementarwesen, die wirken auf den Wärme-sinn des Menschen. Wir dürfen uns das nicht physisch vor­stellen, wo die Wärme aus einer bestimmten Quelle kommt, sondern im Geistigen entsteht die Wärme aus der Beziehung zwischen zwei Wesen.

Wieder andere Elementarwesen arbeiten an dem Wortsinn, das heißt nicht an dem gesprochenen Wort, wie einer es von anderen hören kann, sondern diese Wesen stehen hinter den ein­zelnen Konsonanten und Vokalen, die ein Wort bilden; sie arbeiten an der Zusammensetzung der Buchstaben und Silben. Derjenige, der aus seinem Körper heraus ist, kann nicht die Worte verstehen, die gesprochen werden; dazu fehlt ihm das

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physische Organ; wohl aber verfolgt er die Elementarwesen bei ihrer Arbeit, wie sie die einzelnen Buchstaben zusammentragen, um ein Wort zu bilden.

Zwölf Sinne hat der Mensch, nicht bloß fünf, wie die äußere Wissenschaft glauben machen will: Der Lichtsinn [Gesichtssinn], Denksinn, Wärmesinn, Gleichgewichtssinn, Wortsinn, Lebens­sinn, Geruch, Geschmack, Gehör, Gefühl, Bewegungssinn, Ich-sinn.

Und hinter diesen zwölf Sinnen stehen elementarische We­senheiten, die Diener und Helfer der Geister der Form, der Be­wegung und der Weisheit. Jetzt befinden sich diese Elementar-wesen noch gewissermaßen im Kindheitsstadium, aber in dem Maße, wie der Mensch fortschreitet und sich zum Jupiter em­porentwickelt, werden sich auch diese elementaren Wesenheiten, die Boten der höheren Hierarchien entwickeln; sie werden der­einst den Zodiakus des Jupiters bilden, die Tierkreisbilder des Jupiters werden sie sein, nachdem die Erde ihre sieben Runden durchgemacht haben wird, aus dem Pralaya alles wieder in neuer Konfiguration auftauchen wird im Jupiterzustande. Geradeso wie das, was früher auf dem Monde an uns gearbeitet hat und jetzt hinter unseren Sinnen steht, der Zodiakus der Erde gewor­den ist.

Auch eine Sonne wird der Jupiter haben; hinter ihr werden die Wesenheiten stehen, die heute in unser Blutsystem hinein-wirken.

Nur mit höchster Scheu und Bewunderung können wir dar­auf hinschauen, wie ganze Scharen von Elementarwesen tätig sind, an dem wunderbaren Tempel des menschlichen Leibes zu arbeiten.

Versetzt Euch, meine lieben Schwestern und Brüder, in ernst­hafter Meditation hinein in diese Stimmung, wie unzählige Ele­mentarwesen den herrlichen Tempel aufbauen, der die Wohn-stätte des Menschen-Ich bilden soll!

Fragen wir uns nun noch: Wie kommt es denn, daß wir nicht sehen, wie diese Elementarwesen an der Arbeit sind? Weil in

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dem Augenblick, wo wir aus dem Schlaf aufwachen, der Hüter der Schwelle uns die geistigen Welten verbirgt. Aufwachen heißt nichts anderes, als diese elementaren Wesenheiten von ihrem Arbeitsfelde verscheuchen. Und sobald wir dann im Tages-bewußtsein sind, sorgt Ahriman dafür, daß uns die geistige Welt zugedeckt wird. Er malt das Gemälde der Sinnenwelt, und in­dem wir uns ihr, der großen Täuscherin, der Maja, hingeben, werden unsichtbar für unseren Blick die Seelen, Wesenheiten, die an der geistigen Organisation des Menschen arbeiten.

Das, was wir als physischen Leib erkennen, ist alles Produkt Ahrimans; dagegen müssen wir in dem, was wir als Seelenleben bloß im physischen Leibe erleben, das Werk Luzifers erkennen. Er erfüllt unser Seelisches so mit Hochmut und Verblendung, daß es falsche Vorstellungen und Empfindungen erhält gegen­über der geistigen Welt.

Ex Deo nascimur

In - morimur

Per Spiritum Sanctum reviviscimus.

Aufzeichnung B

Die letzte esoterische Stunde hat behandelt die Anstrengungen, die wir machen müssen, um esoterisch vorwärts zu kommen, und hat ausgeklungen in dem dreifachen Meditationsstoff. Heute wollen wir mehr esoterisch Tatsächliches besprechen und da ein Thema behandeln, was wir alle schon kennen: den Schlaf. War­um sind wir nicht bewußt im Schlaf? Weil es uns die astrali­schen Kräfte nicht gestatten, weil sie so stark sind, daß sie uns betäuben; denn astralische Kräfte drücken sich aus in dem, was im Schlaf uns ganz erfüllt, nämlich der brennende Wunsch, in unserem Leibe zu sein, und dieser Wunsch ist es, der uns unser Bewußtsein verdunkelt.

Könnten wir im Schlaf bewußt sein, so könnten wir schauen

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auf den Wunderbau unseres physischen Leibes und Ätherleibes und bemerken, wie in diesem physischen Leibe Legionen von geistigen Wesenheiten, Elementarwesen arbeiten, die die Diener sind und die Boten, teils der Geister der Form, teils der Geister der Bewegung.

Wenn wir die geistige Welt wirklich richtig betrachten wol­len, so müssen wir uns aus der geistigen Welt alles in der phy-sischen Welt wegdenken und den Raum noch dazu. In der geistigen Welt gibt es nicht Dinge und Tatsachen wie in der physischen Welt, sondern dort gibt es nur Wesenheiten und Be­ziehungen der Wesenheiten zueinander, Taten der Wesenheiten. Fühlt man zum Beispiel Wärme in der geistigen Welt, so geht diese nicht von einem Ding aus, sondern sie strahlt aus von einem Wesen, und sie bedeutet eine Beziehung eines geistigen Wesens zu einem anderen geistigen Wesen; ebenso ist es bei einer Lichtströmung. Warum nehmen wir diesen physischen und Ätherleib nicht wirklich wahr, warum haben wir kein Bewußt­sein von dem Weben und Schaffen und Leben unzähliger Ele­mentarwesenheiten an uns? Weil der Wunsch, ein Ich zu sein, zu leben in unserem physischen Leibe, uns so leidenschaftlich im Schlafe erfüllt (durch Luzifer), daß wir gar nichts anderes wahrnehmen, sonst würden wir den physischen und den Äther-leib sehen als ein Wunderwerk, an dem Legionen elementari­scher Geister schaffen. Woran arbeiten sie denn? An unseren Sinnen; und zwölf Gruppen von Elementarwesen können wir unterscheiden, die da arbeiten an unseren zwölf Sinnen. Denn zwölf Sinne hat der Mensch: den Ichsinn, den Lebenssinn, den Eigenbewegungssinn, den Gleichgewichtssinn, den Gesichtssinn, Gehorsinn, Gefühlssinn (Tastsinn), Geruchsinn, den Ge­schmacksinn, den Sprachsinn, den Denksinn, den Warmesinn. Um nun in seinem Ich zu leben, verdrängt der Mensch jeden Morgen, wenn er aufwacht, also in seinen Leib zurückkehrt, die Wesenheiten, die in der Nacht an ihm arbeiten. Um uns in unse­rem Ich ganz zu erfühlen, verdrängen wir die Hierarchien aus unserem physischen und Ätherleib.

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Wer bist du, o Mensch, daß Legionen von Geistern an dei­nem physischen und Ätherleib arbeiten? Unser Haupt um-schweben die Boten und Diener teils der Geister der Bewegung, teils der Geister der Form; sie sind die Heger und Pfleger un­seres Ich. In unserem Gehirn arbeiten die Elementarwesen, die dem Menschen das Denken ermöglichen. Wieder eine andere Gruppe Elementargeister schafft an den Organen, die uns er­möglichen, die Sprache zu verstehen, wohlgemerkt, nicht spre­chen zu können. Es sind die Elementarwesen, die als geistige Wesenheiten hinter den Lauten stehen, hinter den einzelnen Vokalen und Konsonanten. So arbeiten diese zwölf Gruppen von Dienern der Hierarchien die Formen aus, in denen das Ich wohnen kann.

Schauen wir uns nun in der geistigen Welt diese arbeitenden Wesenheiten selbst an, so haben wir den Eindruck, es sind sozu­sagen junge Geister, die in ihrem Kindheitsalter die Aufgabe haben, Pfleger des menschlichen Ich zu sein. Sie sind später, wenn sie selbst in ihrer Entwickelung weiter vorgeschritten sein werden, zu anderer Evolutionsarbeit bestimmt. Sie werden auf dem Jupiter die Diener der Tierkreiskräfte und Wesenheiten des Jupiter sein. Vom Zodiakus des Jupiter werden sie einstens her­unterwirken. Die Wesenheiten, die, wie jetzt auf der Erde die zwölf Gruppen der Elementargeister unsere Sinne bilden, auf dem alten Monde unsere Sinne gebildet haben, sind heute die Wesenheiten unseres Tierkreises. Wie unserer Erde eine Sonne strahlt, so wird, so wahr wir als Menschen uns zum Jupiter­dasein entwickeln werden, diesem Jupiter glänzen eine Sonne; und die Wesen, die dann ausleben werden ihre Kräfte in dieser Sonne, das sind die Wesenheiten, die jetzt Diener der Geister der Weisheit sind und in unserer Blutzirkulation leben. Den Sonnenumlauf des Jupiter werden einst regulieren die geistigen Wesenheiten, die heute unseren Blutumlauf regeln!

Wir sind aber auch im Wachen bei Tag in der geistigen Welt, aber wir wissen es nicht, denn wir sehen nicht das Wunderwerk unseres Leibes, die Welt der geistigen Wesenheiten, die webend

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und wesend den Raum erfüllen. Warum sehen wir wachend nicht bei Tag diese geistige Welt um uns? - Weil Ahriman das Gemälde der Sinnenwelt davor schiebt. 0, er ist ein großer Künstler, denn schön ist diese Welt und groß und herrlich, aber sie ist nicht die wahre Welt. Ahriman selber sehen wir nicht in der physischen Welt, ihn sehen wir erst in der geistigen Welt; wir sehen hier nur sein Werk, seine Tat.

Luzifer ist derjenige, der uns bei Nacht nicht zum Bewußt-sein der geistigen Welt kommen läßt. Er stumpft ab das Gefühl für die geistige Welt, indem er das Gefühl für die physische Welt zu erzeugen sich bemüht. So kommt es, daß wir statt der Arbeit der Wesenheiten an unseren Sinnen den physischen Leib sehen; das ist Luzifers Tat. Sinnenerlebnis ist Luzifers Tat, Welt-erlebnis ist Ahrimans Tat. Bei Tag sind wir ganz in unseren Sinnen, füllen sie ganz aus, bei Nacht arbeiten daran und sind darinnen die Diener der Hierarchien, die göttlich-geistigen Ele­mentarwesen. Eine weise Weltenlenkung hat die Eingriffe Luzi­fers und Ahrimans gestattet, damit wir unser Ziel als Menschen richtig erreichen können. Eine wirksame Meditation ist wirksam besonders für richtiges, allmähliches esoterisches Empfinden, wenn man vor dem Einschlafen sich durchdringt mit dem Ge­fühl: Du trittst nun ein in eine geistige Welt, in eine wunderbare Götterwelt, in der leben und weben die göttlich-geistigen We­senheiten der höheren Hierarchien, und sie pflegen und hegen dich und senden ihre Kräfte aus und tragen dich auf ihren Schwingen, und du bist durch sie eine Kraft der geistigen Welt, und sie pflegen dich als Seele. E.D.N.

Wenn wir im Schlaf außerhalb unseres physischen und Äther­leibes den Wunsch, im Leibe zu sein, für Momente zurückdrän-gen können, so daß er uns nicht ganz erfüllt, so daß nicht wir, sondern der Christus in uns ist, der Christus, der die Kraft aller Hierarchien ist, - wenn er in unserem Leibe ist und nicht nur wir hinein wollen und vertreiben die Diener der Hierarchien, die da arbeiten an unseren Sinnesorganen, dann bekommen wir eine Ahnung von dem I.C.M.

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Werden die beiden Gefühle richtig erlebt, dann kommt von selbst das dritte Gefühl: P.S.S.R.; denn auf dem Wege der beiden ersten wird geboren der Geist, der der Heilige Geist genannt wird. So können wir immer tiefer in unsere Rosenkreuzerformel hineindringen, die uns der Meister der Weisheit und des Zusam­menklanges der Empfindungen erklärt, indem er zu uns spricht:

Im Geiste lag der Keim meines Leibes ...

Aufzeichnung C

Meine lieben Schwestern und Brüder,

man kann sehr viel wissen in der Anthroposophie, kann alle möglichen Fragen prompt und schnell in Worten beantworten und kann sich doch sagen müssen: Eigentlich, wenn ich ehrlich sein will, muß ich mir sagen: In meinen Meditationen komme ich nicht recht vorwärts! Was soll ich tun, um besser voran­zukommen?

Sehr oft ist der Grund, daß der Schüler sich so etwas sagen muß, der, daß er es mangeln läßt daran, seine Seele ganz einzu­tauchen in das Element hingebungsvoller Frömmigkeit den gei­stigen Wesenheiten gegenüber. Tiefste Ehrfurcht muß walten in seiner Seele, wenn sie sich erheben will zu ihnen, kein Gedanke, kein Gefühl des Alltags darf mehr in ihr sein, sie muß ganz stille in sich selber sein!

In einer solchen Stimmung wollen wir heute betrachten von einer gewissen Seite aus den Schlaf des Menschen. Wir wissen ja:

Während der Mensch schläft, gehen sein Astralleib und sein Ich heraus aus physischem Leib und Ätherleib. Aber das Ich weiß nichts davon, es bleibt unbewußt. Das Bewußtsein von Ich und Astralleib ist nur wach auf dem physischen Plan. Woran liegt das? Daran, daß Ich und Astralleib, sobald sie draußen sind, eine brennende Sehnsucht haben nach der Wiedervereinigung mit physischem Leib und Ätherleib.

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Das ist der Grund, warum das Bewußtsein nicht in der geisti-gen Welt erwacht. Sobald das Ich wiederum im physischen Lei­be ist, erwacht es an den Dingen, die sich den Sinnen darbieten. Wenn der Mensch in der geistigen Welt diese brennende Sehn­sucht nicht hätte, so würde er sofort bewußt werden in der gei­stigen Welt. Und dann würde er eine Welt um sich sehen, voller Leben, aber ganz und gar anders, als es die physische ist. Eine Welt von geistigen Wesenheiten und Kräften würde er dann wahrnehmen. Und er würde schauen, daß alle diese Wesenheiten und Kräfte ihre Kraftwirkungen auf einen einzigen Mittelpunkt hintendieren, und als diesen Mittelpunkt würde der Mensch erkennen seinen eigenen physischen und Ätherleib.

Wenn der Mensch weiterschreiten würde, Beobachtungen machen könnte außerhalb seines Leibes in der geistigen Welt, wenn er sein Ich oder auch ein anderes Ich dann beobachten könnte, dann würde er sehen, wie auch das Ich des Menschen Ziel ist für die Arbeit von geistigen Wesenheiten. Und er würde diese Wesen erkennen als Boten und Diener der Geister der Form und zum Teil der Geister der Bewegung. Und er würde wissen, daß diese am Ich des Menschen arbeitenden Wesen in einem Fortschritt, in einer eigenen Entwicklung begriffen sind, daß sie, indem sie das Ich eines Menschen pflegen, sich zugleich selber entwickeln. Hinter jedem Menschen würde der hellsich­tige Mensch erblicken eine Schar solcher, das Menschen-Ich pflegender Wesenheiten. Und wenn der hellsichtige Mensch hinschauen würde auf den physischen Leib und Ätherleib, da würde er wiederum Scharen von Elementarwesen sehen, die er erkennen würde als Diener der Geister der Bewegung und der Weisheit und der Geister der Form.

Lind der Mensch würde erkennen in Ehrfurcht und Andacht:

Alle diese Elementarwesenheiten arbeiten an dem Tempel des physischen und des Ätherleibes, während der Mensch außerhalb seines Leibestempels ist. Und Aufwachen heißt nichts anderes, als diese Wesenheiten verdrängen von ihrem Arbeitsfelde und wie­derum mit seinem egoistischen Erden-Ich ihren Platz einnehmen.

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Zwölf Kategorien solcher Wesenheiten gibt es. Denn zwölf Sinne hat der Mensch, und an ihnen arbeiten sie.

Der Mensch hat den Wärmesinn, den Ichsinn, den Denksinn, den Gleichgewichtssinn, den Wortsinn, den Lebenssinn, den Geruchs-, Geschmacks-, Gesichts-, Gehör-, Tastsinn und den Bewegungssinn. Der Wortsinn arbeitet zum Beispiel so, daß man beim Zuhoren eines andern Menschen nicht das Wort hört, sondern die einzelnen Vokale und Konsonanten, die das Wort zusammensetzen.

Der Mensch erkennt, wie diese Wesenheiten arbeiten an dem, was man erkennt als den von der Gottheit dem Menschen-Ich geschenkten Menschheitstempel, und man erkennt, daß das Ich des Menschen diesen Tempel immer von neuem zerstört, indem der Mensch sich von Ahriman und Luzifer verführen läßt. Allerdings wird es dem hellsichtigen Menschen klar, daß das, was wir als physischen Leib betrachten, was wir betasten, anfas­sen können, daß das nicht der Tempel ist, von dem gesprochen wird, sondern er erkennt diesen Tempel als die geistige Organi­sation, die hinter dem physischen Leibe steht. Und an dieser geistigen Organisation arbeiten diese Wesenheiten.

Dasjenige, was wir unseren physischen Leib nennen, das, was als solcher in die physische Umwelt hineingestellt ist, das ist al­les Produkt Ahrimans. Seine Produkte treten uns in allem Phy-sischen entgegen. Und wir erkennen auch, wenn wir dazu kom­men, uns bewußt außerhalb des physischen und ätherischen Lei­bes zu erleben, daß unser ganzes Seelenleben, das wir bloß durch das Mittel des physischen Leibes in uns tragen, all unser Denken, Fühlen und Wollen, das nur angeregt wird durch die Emotionen, die uns die Sinneswelt bereitet, daß darin Luzifer waltet. Der hellsichtige Mensch erkennt, daß diese Elementarwe­senheiten sich bestreben, die Wirkungen Ahrimans und Luzifers fortzuschaffen, Wirkungen, die sich sowohl physisch als Krank­heiten und psychisch als Seelenleiden, Furcht, Angst, seelische und Geisteskrankheiten ausleben, vom Menschen fortzuschaffen, heilend zu wirken. Sie sind Diener der hohen Geistwesen, die

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von den Tierkreiskräften jetzt auf unsere Erde und auf die Men­schenwelt herunterstrahlen. Sie sind die Geistesboten unserer Tierkreiskräfte, und aus diesem Umkreis wirken sie alle hinein in den Mittelpunkt: unsere Erde.

Und ein jeder Mensch darf sich fühlen als ein Zentrum der Wirksamkeit dieser Elementarwesen und der an seinem Ich arbeitenden Geistwesen. Unsere Erde geht, wenn sie die ihr be­stimmten sieben Entwicklungsstufen durchgemacht hat, in einen geistigen Zustand über: in das Pralaya. Dann taucht sie wieder auf in einer neuen Konfiguration: als Jupiter. Und die Elemen­tarwesen, die jetzt Boten des Tierkreises sind, werden dann der Zodiakus des Jupiter, das ist ihre Entwicklung. Jetzt arbeiten sie an dem, was hinter unseren Sinnen geistig steht.

Aufzeichnung D

Das letzte Mal behandelte unsere esoterische Betrachtung das Sich-Ausbreiten in der Ätheratmosphäre und ist ausgeklungen in den gegebenen drei Formeln; dieses Mal werden wir ausgehen vom Schlafleben. Wenn wir schlafen, sind unser Ich und Astral­leib in der geistigen Welt, und doch können wir darin nicht wahrnehmen. Und das kann uns beinahe zu einer ängstlichen Frage werden, wie das dann ist, ob das vielleicht nach dem Tode nicht auch so sein wird, daß wir zwar in der geistigen Welt sind, aber nicht wahrnehmen können. Der Geistesforscher aber weiß, daß in jedem Menschen ein Trieb, ein Wunsch ist, der ihm selbst nicht bewußt ist, aber sich geltend macht, sobald wir aus dem Körper sind, nämlich der Wunsch, wieder in den Körper herunterzusteigen und uns darin zu erleben. Wenn wir schlafend hellsehend wären, würden wir merken, wie wir auf unseren Körper zurückschauen und den Körper dann sehen als eine wunderbar schöne Welt. Je mehr wir Menschen sind, die ein offenes Auge haben für all das Schöne in der Natur, desto mehr

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können wir dann die Schönheit der Körperwelt bewundern, in der göttliche Wesen arbeiten und die ein Tempel für diese gött­lichen Wesen ist.

Und wir würden sehen, wie zwölf verschiedene Klassen von Elementarwesen wirken an den zwölf Sinnen des physischen Körpers als Diener der Elohim, die uns unsere Form auf Erden gegeben haben. Diese Geister sind jetzt noch sozusagen in ihren Kinderjahren; aber ihr Werk an unseren zwölf Körpersinnen wird sie so entwickeln, daß im Ablauf der Erdentwickelung die­se Wesen die Tierkreiskräfte für den Jupiter werden können, als direkte Vermittler der Tierkreisgötter für den Jupiter-Zustand. * Und es wird auch eine Sonne geben, und die Wesen, die da in den Sonnenkräften wirken werden, sind die Elementarwesen, die jetzt in unserem Blutumlauf wirken. Das kann uns ein Gefühl geben für die Heiligkeit unseres Körpertempels, und es ist gut, uns so im Wissen von den kosmischen Kräften, die darin wirk­sam sind, zu fühlen. Aber jetzt kommt sogleich, wenn wir das hellsehend gewahr werden, der Wunsch in uns auf, mit unserem eigenen Ich da hinein zu dringen, die Elementarwesen zu ver­drängen und selbst hinein zu gehn. Und wenn wir dann auf Er­den stehn in unserem gewöhnlichen Bewußtsein - wie kommt es dann, daß alles anders ist und wir ganz etwas anderes zu sein scheinen als dieser göttliche, leuchtende Tempel? Das ist Ahri­man, der uns den Schleier der Sinnesanschauung über die Augen wirft und uns so unseren Blick für die im Physischen webende Gotteswelt verschleiert. Und was uns in dieser dann unser ge­wöhnliches Ich-Bewußtsein erleben läßt, ist Luzifer, der uns das Gefühl vom persönlichen Ich bringt. Dann gibt es da nur eines, was wir tun können, nämlich meditieren; und so uns ... [hier bricht die Aufzeichnung ab].

- - -

* In der Vorlage steht statt Jupiter »vierten« Zustand. Dies ist gewiß ein Verse­hen. Vermutlich hat der Aufzeichnet für das Wort «Jupiter» das Jupiter-Zeichen 4 festgehalten, das dann als »vier» gelesen wurde.

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Aufzeichnung E

Die letzte esoterische Betrachtung war gewidmet der Schilde­rung der Vorgänge des Ätherleibes, der sich immer mehr und mehr in der Meditation ausbreitet, und auf der anderen Seite dem Innerlich-sich-Konzentrieren des Ich in sich selber. Die heutige Betrachtung soll mehr tatsächlichen Dingen gewidmet sein. Beim schlafenden Menschen sehen wir Astralleib und Ich herausgehoben aus dem physischen und Ätherleib und lebend in der geistigen Welt. Warum kann der Mensch nicht dort bewußt erkennen? Weil Ich und Astralleib sich immerfort zurücksehnen nach dem physischen Leib und die Vereinigung anstreben. Nach dem Tode ist es auch so. - Wenn der Mensch plötzlich während des Schlafes hellsichtig würde, so würde er erkennen, wie geisti­ge Wesenheiten an seinem physischen Leibe arbeiten. Es sind Elementargeister, Diener der Hierarchien. Gewisse geistige We­senheiten arbeiten an einem bestimmten Sinne des Menschen, andere an einem anderen Sinne. Der Mensch hat zwölf Sinne, und so arbeiten auch zwölf verschiedene Gruppen von Elemen­tarwesen, die Diener sind der höheren Hierarchien, daran.

Wenn die Erde später zum Jupiterdasein weiterschreitet, so ist nicht der Himmel wie heute über ihr ausgebreitet mit den Sternen, dem Monde und der Sonne. Es gibt dann zwar eine Sonne, die aber tönend sein wird. Die Kräfte, die jetzt aus den Elementargeistern an unsern Sinnen arbeiten, werden dann den Zodiakus des Jupiter bilden, so wie früher beim Mondendasein die Kräfte von Wesenheiten an unseren Sinnen arbeiteten, die in unserem jetzigen Erdendasein aus den zwölf Tierkreisbildern hinunter auf die Erde wirken.

Mit Dankbarkeit sollen wir zu den Göttern aufblicken, die sich das Wunderwerk unseres Leibes als Ziel setzen.

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Aufzeichnung F

Zwölf Arten von Elementargeistern hegen und pflegen den Menschen, arbeiten an seinen zwölf Sinnen, schärfen sie von neuem in unserem Schlaf. Sie dienen den Geistern der Form und den Geistern der Bewegung. Während des Jupiterdaseins werden diese sein die Geister der zwölf Tierkreiszeichen. Die Geister der zwölf Tierkreiszeichen der Erde haben so am Mikrokosmos gearbeitet auf dem alten Monde.

Sonnengeister des Jupiter arbeiten heute als abgeordnete Ele­mentargeister der Geister der Weisheit am menschlichen Blut-kreislauf. Der Mensch nimmt während des Schlafes die geistige Welt nicht wahr, weil Astralkräfte ihm die Sehnsucht geben nach dem physischen Leib. Sobald dieser das Ich und den Astralleib wieder hineinläßt, gehen sie hinaus.

Ahriman malt das Gemälde der Sinnenwelt als Schleier vor die geistige Welt.

Luzifer verdunkelt die geistige Welt selbst vor dem Men­schen.

ESOTERISCHE STUNDE Kassel, 9. Mai 1914 Aufzeichnung A

#G266c-1998-SE312 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ESOTERISCHE STUNDE

Kassel, 9. Mai 1914

Aufzeichnung A

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Tagesspruch für Sonnabend.

Meine lieben Schwestern und Brüder!

Im gewöhnlichen Tagesbewußtsein wissen wir nichts von dem, was hinter dem ist, was wir empfinden, vorstellen, erdenken, erfühlen, erwollen. In dem, was der Hintergrund unseres Tages-bewußtseins ist, in diesem Lebenden, Webenden sind wir in un­serem Traumleben. In den chaotischen Bildern unseres Traumes erstreckt sich ein Teil dieser Welt in unser Leben, von der wir sonst nichts wahrnehmen können. Wenn wir das machen könn­ten, daß wir nur halb aufwachten aus dem Traum, dann würden wir eine flutende Welle um uns erleben, in der unsere Seele von Anfang des Schlafes an gelebt hat. Und wenn wir dann ganz aufwachten, dann würden wir ein Bewußtsein, eine Erinnerung mitbringen in unser Tagesbewußtsein von dem lebenden, we­benden Traumerleben während unseres Schlafes. Physisch un­möglich ist es, wie beschrieben, halb aufzuwachen; wir müssen gleich ganz in das Bewußtsein der Sinne hinein. Daher wissen wir nichts von jener anderen Welt. - Aber eigentlich träumen wir immer. Immer ist diese lebende, webende Traumwelt um uns und wir in ihr; wir wissen es nur nicht. Es ist eine Eigen­tümlichkeit des Traumes, daß man ihn sehr leicht vergißt, daß wir uns selten an denselben erinnern. Und diese Erinnerung ver­gessen wir viel leichter als die an irgend etwas im Tagesbewußt­sein Erlebtes; wir können sie nicht wieder hervorholen.

Daß der Mensch träumt von etwas, das nur mit seinem äuße­ren Tagesbewußtsein zusammenhängt, kommt daher, daß er ja eigentlich nichts denkt, was über dieses Tagesleben hinausgeht. Erst wenn man seine Gedanken erfüllt mit Ideen, Empfindungen etc., die über das tägliche Leben hinüberreichen, kann man auch von anderem träumen, von etwas, das im Geistigen seinen Ursprung

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hat Von diesem Geistigen, von dem, was hinter all sei­nem Denken, Fühlen und Wollen im physischen Leben ist, weiß der Mensch in seinem Tagesbewußtsein nichts.

Noch von einer anderen Seite können wir dazu gelangen, ein Bewußtsein von diesem Geistigen zu erhalten.

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Bei der Geburt oder Empfängnis ergießt sich der geistige Strom in das Physische, baut auf, durchströmt und durchpulst allmählich den ganzen Organismus. Darinnen bildet sich im

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Laufe des Lebens der neue Seelenkern, der Keim für das nächste Leben, das, was über den Tod hinaus dauert. Aber weder von dem ursprünglichen Geistigen, das aus dem früheren Leben strömt und mit Geburt oder Empfängnis ins physische Dasein hineinströmt, noch von dem sich dann bildenden Seelenkern, der den Keim für das nächste Leben bildet, wissen wir etwas. Ja, wovon wissen wir dann etwas? - Unser Leben zerfällt in zwei Teile, in einen, der von der Geburt bis zu dem Augenblick reicht, an den wir uns als frühesten erinnern können, und den zweiten von diesem Augenblick an bis zum Tode.

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Wenn man im dreißigsten Jahr steht und sich zurückennnert bis zu diesem eben bezeichneten Zeitpunkt, dann kommt man dort an eine Grenze, an die Grenze des da einströmenden Gei­stigen.

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Und diese Grenze nimmt man wahr; durch das Anstoßen an diese Grenze wird man sich derselben bewußt. Solche Anstöße im Laufe des Lebens bleiben in unserem Gedächtnis und bilden unsere Erinnerungen.

Da sammeln sich unsere Erinnerungen. Und das ist unser Bewußtsein im physischen Leben.

Wie in der Pflanze der Kern zur neuen Pflanze sich entwik­kelt, so arbeiten wir an den Kräften, die unser neues Leben spä­terhin gestalten. Wohl dem, der gute und schöne Erinnerungen aufgespeichert hat! Das Geistige aus dem früheren Leben, das den neuen Körper von der Geburt an durchströmt und durch­zieht, vergeht allmählich während des Lebens.

Es ist oft die Rede davon gewesen, daß nach dem Tode zuerst das große Erinnerungstableau auftritt. Beim Verlassen des physi­schen Leibes gelangt man zuerst an diese Grenze, wo all die Erinnerungen aufbewahrt liegen;

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die sehen wir dann als großes Tableau vor uns. Die Erinnerung von irgendeinem Erlebnis kann ein Leben lang vergessen gewe­sen sein, bis sie plötzlich wieder ins Bewußtsein heraufgeholt wird. Da war sie immer. Es ist, wie wenn man Salz in Wasser tut, und das fällt zu Boden, gleichsam Bodensatz. Das kann her-aufgeholt werden durch Umrühren. So sind unsere Erinnerungen

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gleichsam «Bodensatz», den wir wieder heraufholen können. Wenn wir Selterswasser in ein Glas gießen, dann sehen wir klei­ne Perlen aufsteigen. Das Wasser, das eigentlich Reale, sehen wir nicht, sondern nur das, wo nichts ist, die Kohlensäureperlen. Das sehen wir, das erscheint uns als Realität. Da, wo «Nichts» an «Etwas» stößt, da nehmen wir dies «Nichts» als «Etwas» wahr.

So werden wir uns also nur bewußt der Grenze zwischen neuem Seelenkern und dem alten Geistigen. Da, wo sie aneinan­der stoßen, werden wir etwas gewahr. Und das macht unser Tagesbewußtsein aus. Das Bewußtsein entsteht durch Berührung zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Nun können wir noch von einer dritten Seite daran heran­kommen, uns dieses Geistigen bewußt zu werden. Nicht nur die Menschen denken, und deren Gedanken und Erinnerungen blei­ben als Bodensatz bestehen, sondern auch die geistigen Wesen­heiten haben gedacht und denken noch. Das, was die hohen Hierarchien in lang vergangenen Zeiten gedacht haben, die Erin­nerungen, die von diesen Gedanken zurückgeblieben sind, sind dasjenige, was wir hier als Berge, Wolken, Ströme, kurz als die Natur um uns herum wahrnehmen. Die physische Sonne ist die nachgebliebene Erinnerung des Sonnenführers, des Christus, des später bei dem Ereignis von Golgatha in die Erde eingezogenen Erdgeistes. Und was die hohen Wesenheiten auf dem Monde gedacht haben, die Erinnerungen daran, sind die Pflanzen, Tiere, auch der physische Leib des Menschen. Die geistigen Wesenhei­ten haben dort den Irrtum gedacht - das war dort am Platz -, aber sie haben ihn nicht getan. Wenn wir Menschen Gutes, Edles denken, so bleibt das bestehen; wir sehen es in der Ferne, in der Zukunft als unvergängliche Daseinswerte. Aber auch das, was wir an Lügenhaftem, Irrtümlichem, Lasterhaftem denken, bleibt bestehen, und wir sehen es in der Ferne vor uns stehen als Abfallprodukt, das dazu dient, Nahrung zu sein für die Keime, die aus dem Gutgedachten hervorgehen - wie wir uns jetzt er-nahren von den Irrtumsgedanken der Geister der Mondenzeit.

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An sich ist dies Abfallprodukt unfruchtbar, es dient aber zur Nahrung für die aus dem Guten sich entwickelnden Keime, wie das Mineralreich jetzt den Boden abgibt für die Pflanzen und wie immer eins sich vom andern ernährt. Das Gute ernährt sich von dem Bösen wie ein sprossender Keim, der das Lasterhafte verzehrt und selbst ewig bleibt.

Aber nur denken dürfen wir hier das Schlechte, das Böse, [dürfen] es nicht zur Tat, zur Wirklichkeit kommen lassen, denn dieses ist immer luziferisch und ahrimanisch.

Luzifer, der auf ähnlicher Stufe steht wie die Elohim auf dem Monde, will jetzt noch ebenso das Irrtumsdenken ausführen, wie es damals jene Wesenheiten taten, wie es damals am Platz war, jetzt aber verkehrt ist. Er kann den Irrtum aber nur im Menschen denken lassen. Daher hier Irrtum und Täuschung; dessen sollen wir uns immer mehr bewußt werden.

Da, wo «Erinnerungen» jener hohen Hierarchien sind, da werden wir etwas gewahr. Dadurch, daß wir mit unserer Hand, die ja auch aufgebaut ist aus dem, was «Erinnerung» der Götter ist, gegen eine Wand, die ebenfalls «Erinnerung» ist, stoßen, prallen die Grenzen dieser Realitäten aneinander, und dadurch werden wir uns dieses Gegenstandes bewußt. Also da, wo dieses Reale aufhört und nichts da ist, da empfinden wir Wirklichkeit, Realität, Materie im Tagesbewußtsein, und das andere als Nichts. Weder unsere Hand noch die Wand erfühlen wir, son­dern nur das, was dazwischen ist, die Grenze. Der Tisch ist nicht Wirklichkeit, sondern ein Loch in der geistigen Welt, das ausgefüllt ist mit Holz. Nur wir in unserem gewöhnlichen Bewußtsein nehmen den Tisch als Wirklichkeit.

Wenn wir durch Meditation uns so stark machen könnten, dieses Tagesbewußtsein so herabzudämpfen, der Nichtigkeit der Umwelt uns vollständig bewußt zu werden, dann würden wir uns mit unseren Seelen immer in der geistigen Welt erleben. Zu dieser Erkraftung unserer Seele wurden uns drei Meditationsver­se gegeben. Es kommt darauf an, daß wir sie in der richtigen Weise meditieren, nicht einfach nur gleichsam die Worte sagen,

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sondern den Ausdruck hören, der hineingelegt werden muß, wenn sie in der rechten Weise auf unsere Seele wirken sollen.

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

Beim ersten Vers sind die zwei ersten Zeilen beschreibend, dann - Abwehr. Dann wieder beschreibend und zum Schluß -Bitte. Anfänger können diesen Vers abends nach der Rückschau meditieren; diejenigen, die schon Übung haben, können ihn in jeder Mußestunde vornehmen. -

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

Beim zweiten Vers ist besonderes Gewicht zu legen auf die Frage in der vierten Zeile. Am Schluß ist ein Erflehen. - Für Anfänger morgens; für die andern zu jeder Mußestunde.

Noch ein dritter Vers ist uns gegeben, gleichsam zum Probie­ren, ein Rat von Zeit zu Zeit, um sich zu fragen, ob man die geistige Welt schon als Wahrheit und Realität empfindet.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

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Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuscht.

(Als der Doktor diese Worte erhalten hatte, fiel ihm auf, daß das Prädikat in der zweiten Reihe des dritten Verses eigentlich doch in der Mehrzahl stehen müßte. Dann erkannte er, daß Leuchtend Ich und Leuchte-Seele ein und dasselbe seien, daß es also schon richtig sei, daß das Wort schwebet in der Einzahl steht. Wenn man so etwas bekommen hat, dann muß man oft an demselben lernen, erst daran zu erkennen, was gemeint ist.)

In drei Siebenzeilenstrophen sind diese Verse gegeben wor­den; das ist nicht Zufall oder vom Doktor so zurecht gemacht. Sondern alles, was inspiriert wird aus der geistigen Welt, offen­bart sich in Zahlen. Die Worte sind bloß Mittel und Gelegen­heit, durch die die Geister sich aussprechen. Die Wesenheit, die diese Verse einfließen ließ, hat hierdurch das Versprechen gege­ben, zu helfen beim Erkennen des Unterschiedes vom Realen und Unrealen. Dadurch, daß wir wieder und wiederum diese Verse durch unsere Seele ziehen lassen, geben wir der Wesen­heit, die diese Verse gab, Gelegenheit, zu unserer Seele zu spre­chen; sie hilft uns dann, die rechte Wirkung der Verse in uns zu erzeugen - in jedem!

Kurz ausgedrückt sind diese Verse in dem Rosenkreuzer­spruch:

I. - Ex Deo nascimur

II. - In Christo morimur

III. - Per Spiritum San ctum revivisdmus

Auch ist alles dieses enthalten in den Worten, mit denen wir unsere esoterischen Betrachtungen beschließen:

Im Geiste lag der Keim meines Leibes ...

In meinem Leibe liegt des Geistes Keim. - -

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Aufreichnftng B

E.D.N.

Zu den Dingen wend ich mich

Wend ich mich mit meinen Sinnen; -

Sinnensein, du täuschest mich! -

Was als nichts das Dasein flieht:

Dir ist's Sein und Wesenheit;

Was dir nichtig scheinen muß,

Offenbare meinem Innern sich. -

I.C.M.

Geisteslicht erwarme mich

Lass in dir mich wollend fühlen.

Gutgedachtes, Wahr Erkanntes

Wie erlebt dich leuchtend Ich

Irrtumsweben, bös erdachtes

Zeige dich der Leuchte-Seele

Dass ich webend in mir sei.

P.S.S.R.

Leuchtend Ich und Leuchte-Seele

Schwebet über wahrem Werdewesen

Das Erdachte, das Erkannte

Wird jetzt dichtes Geistessein.

Und wie leichte Daseinsperlen

Lebt im Meer des Göttlich-Wahren

Was den Sinnen Dasein täuscht

Die Natur ist das Sinnen, das Gedächtnis der göttlichen Wesen von Sonne und Mond. Unser Denken, Fühlen, Empfinden sind anders, als sie scheinen. Unser Leben zwischen Geburt und Tod wechselt ab zwischen Schlafen und Wachen und Träumen.

Zur I. Strophe: Eigentlich träumen wir immer, daher ver­gessen wir so leicht, was wir geträumt haben. Sinneseindrücke

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behalten wir so leicht; warum nicht den Traum? Weil wir immer träumen, nie aus dem Träumen herauskönnen.

Zur II. Strophe: Was wir wachend wahrnehmen, ist eigentlich gar nicht da. - Was von den vorigen Inkarnationen kommt, geht in den physischen Leib; aber was wir jetzt in unser Leben auf­nehmen, wird unsern Leib in der folgenden Inkarnation formen. Was wir äußerlich wahrnehmen, ist nicht das eine noch das an­dere, es ist nur der Zusammenstoß beider, wo sie aneinander kommen.

Zur III. Strophe: In einer Flasche Selterswasser sehen wir die Kohlensäure, die Gasbläschen, nicht das Wasser; so wie diese Bläschen ist das, was wir äußerlich wahrnehmen. - Die Realität, die das Eigentliche ist, das bleibt uns verborgen.

Wenn Haß da ist, stößt man in der geistigen Welt gegen etwas.

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ESOTERISCHE STUNDE

Basel, 3. Juni1914

Aufzeichnung A

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Unsere Übungen sind dazu veranlagt, uns in die geistige Welt zu bringen. In der geistigen Welt sind wir auch des Nachts, sind dann aber nicht in ihr bewußt. Weshalb nicht? Weil wir die Gewohnheit, die kosmische Gewohnheit haben, durch physische Sinne wahrzunehmen, und zu schwach sind, ohne diese ein Be­wußtsein entwickeln zu können. Was sind eigentlich diese sinn­lichen Wahrnehmungen? Sie enthalten in sich auch dasjenige, was wir mit dem höheren Bewußtsein erlangen können: Die Imaginationen, die Bilder der höheren Realität; die Inspira­tionen, wodurch geistige Wesen sich uns offenbaren; die Intui­tionen, wodurch wir eins werden mit den göttlichen Wesen. Das alles ist in der Wahrnehmung enthalten, aber es kommt nicht in uns herein, und wenn wir verfolgen, warum das so ist, dann fin­den wir, daß es Luzifer ist, der es verbrennt mit dem Feuer der Leidenschaften, Triebe und Begierden. In dem Herzen hat Luzi­fer seinen Sitz aufgeschlagen, und da vollzieht sich das Verbren­nen der Imaginationen, Inspirationen, Intuitionen, die all dem Sinnlichen zugrunde liegen, denn mit jedem Atemzug, mit jeder Wahrnehmung dringen die Bilder der geistigen Wesen in uns hinein. Im Anfang der lemurischen Zeit, als sich dasjenige ab­spielte, was die Bibel schildert als den Kampf zwischen den Elohim und Luzifer, hat dieser sich mit seinem Feuer in das Herz der Menschen hineingemischt.

Das Herz war aber vorbestimmt, etwas ganz anderes zu sein; es war von den Elohim dazu geschaffen worden, um ihr Wohn­ort zu sein. Etwas kann klein sein in der physischen Welt und ein Großes in der geistigen Welt, und auch umgekehrt. So ist das Herz physisch nur ein kleines Ding und der Anatom glaubt, daß es noch dasselbe Ding wäre, wenn es aus dem Körper her­ausgenommen wird, aber in Wirklichkeit ist das Herz etwas sehr

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Großes in der geistigen Welt und war bestimmt, die Wohnstätte der Elohim zu sein. Als Luzifer in das menschliche Herz einzog, haben die Elohim aber eine Stelle für sich bewahrt, dort können sie immer noch wohnen, und das äußert sich im Menschenleben als die Stimme des Gewissens. Wo diese spricht, da spricht etwas, was nicht zu Luzifer mit seinem verzehrenden Feuer gehört, in ihr gelangt noch eine unmittelbare Götterinspiration zum Menschen. Und wir sehen, daß in wichtigen Zeitpunkten der Menschheitsgeschichte diese Stimme des Gewissens objektiv für Menschen geworden ist und vor ihnen gestanden hat. So war es mit Moses, auf dessen Seele das Schicksal seines ganzen Vol­kes drückte. Er bestieg den Berg Sinai. In dem brennenden Dornbusch (d. h. in dem Feuer, das Luzifer entzündet hat) ver­nahm er die Stimme seines Gottes, der ihm später auf Sinai die Gebote gab, die zur Grundlage aller späteren menschlichen Gesetze geworden sind.

Nachdem Luzifer sich in dieser Weise des menschlichen Her­zens bemächtigt hatte, mußten die Elohim ein Gegengewicht auf die andere Schale der kosmischen Weltenordnung legen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Das geschah in der atlanti­schen Zeit, als durch die Elohim Ahriman mit aller Munition verschanzt wurde im menschlichen Gehirn, um dort seine küh­lende Wirkung gegen das luziferische Feuer zu bringen. Und dasjenige, was Ahriman abkühlt von dem Feuer, das die Imagi­nationen, Inspirationen, Intuitionen der Wahrnehmungen ver­brennt, das wird im Menschen zu Gedanken, zu Vorstellungen. (Eines gibt es, das ganz besonders Brennmaterial für den Luzifer ist, und das ist Lieblosigkeit.)

Diese Erkenntnis, daß Luzifer mit seinem Feuer in unserem Herzen thront, und Ahriman dieses Feuer abkühlt in dem Haupte, haben die alten Eingeweihten immer gehabt, und einen letzten Rest findet man bei Aristoteles (der selber nicht mehr hellsehend war), der sagte, daß von dem Herzen Wärme ausgehe nach dem Kopfe und dort abgekühlt werde.

Nun könnte man einwenden: Es ist doch sonderbar, was gesagt

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wird: daß Luzifer und die Gottheit beide in unserem Her­zen wohnen! Es klingt so, als ob es nur ein Herz in der Welt gäbe, und dabei gibt es doch so viele Herzen wie es Menschen gibt: Ja, da geraten wir auf ein Rätsel, das nur eines der kleine­ren Rätsel ist, denen der Okkultist begegnet, das Rätsel: Wie ist das Eine viel geworden? Es liegt nicht in der Absicht, hier die Lösung dieses Rätsels zu geben; man kann aber versuchen, durch meditierendes Nachdenken immer weiter in dasselbe ein­zudringen.

(Es folgen die drei siebenzeiligen Verse als Meditations­formel.)

Aufzeichnung B

Man muß nicht glauben, daß alles in der geistigen Welt ebenso ist wie in der physischen Welt. Was in der physischen Welt groß ist, kann in der geistigen Welt klein sein, und was in der geisti­gen Welt groß ist, ist oft in der sinnlichen Welt klein. Wir haben ein Organ in uns, das ist physisch gesehen klein: das Herz; gei­stig gesehen ist es unendlich groß, denn es ist das Haus der Götter. Die Elohim haben es sich als Wohnsitz ausersehen, aber in der lemurischen Zeit hat Luzifer davon Besitz ergriffen. Die Elohim lassen in ihn einströmen die Imaginationen, die Inspira­tionen und die Intuitionen, Luzifer aber verbrennt diese in sei­nem Verbrennungsofen der Leidenschaften und macht aus ihnen die Sinneswahrnehmungen. Damit nicht alles ganz verbrennt, haben die Elohim dem ein Gegengewicht geschaffen, indem sie im menschlichen Gehirn die ahrimanischen Wesenheiten einsetz­ten; diese kühlen die luziferische Hitze ab in dem verstandes-mäßigen Denken, in den Vorstellungen. Die Elohim aber haben einen kleinen Teil des Herzens als Wohnplatz behalten, und darin haben sie als Gegengewicht gegen Ahriman-Luzifer das Gewissen eingepflanzt. Ein tiefes Rätsel ist es: Die Elohim haben sich das menschliche Herz als Wohnplatz erwählt, und

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Luzifer hat sich darin eingenistet. Wie kommt es nun, daß statt des einen es nun viele Herzen gibt, statt des einen die Vielheit. -Die Lieblosigkeit ist das große Hemmnis für unsere Entwick­lung. - Dann folgten die drei Formeln.

Aufzeichnung c

Das Herz ist ein großes kosmisches Gebilde, worin sich die Elo­him betätigen. Wirkung Luzifers, daß die Imaginationen, Inspi­rationen und Intuitionen wie verbrannt werden und erscheinen dann als die Sinneswahrnehmungen. Diese sind verbrannte Imaginationen etc. Gegenwirkung der guten Götter, daß sie ahrimanische Mächte gesandt haben, die im Gehirn arbeiten, wie abkühlend. -

Die Wirkung der Elohim erschien dem Moses in dem bren­nenden Dornbusch Er erhielt dann die Gesetzestafeln.-

Wenn wir bei In Christo morimur das mittlere Wort aus­lassen, konnen wir da eine Welt erleben. -

Das Herz ist die Wohnung der Götter.

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ESOTERISCHE STUNDE

Norrköping, 14. Juli 1914

Aufzeichnung A

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Was man wohl möchte, meine lieben Schwestern und Brüder, ist, daß alle, die an einer esoterischen Stunde teilnehmen, von der Bedeutung derselben so recht durchdrungen wären. Bewußt sollen wir da heraustreten aus dem Alltagsleben; es muß uns sein, wie wenn hinweggezogen würde der Schleier, der uns von der geistigen Welt trennt, so daß wir uns ganz in sie hineinver­setzen können. Dasselbe geschieht ja auch bei der Meditation. (Bei einer richtigen Meditation) sollen wir leibfrei werden, ver­lassen alles, was mit dem Körperlichen zusammenhängt, auslöschen alle Interessen des Alltagslebens und nur hingegeben sein an den Gegenstand unserer Meditation. Ganz heraustreten ollen wir aus unserem Leibe, ihn ganz zurücklassen, genau wie bseim Schlafe, nur daß es bei der Meditation bewußt geschieht. Eines ist es aber doch, das wir mitnehmen: den Atem, die Wir­kung von Lunge und Herz, den Lebensodem, den Jahve-Elohim einst dem Erdenmenschen eingeblasen hat.

Wenn wir so ganz unserer Meditation hingegeben sind, so werden wir das Gefühl haben, als ob unser Gehirn nur Äther-gehirn wäre. (Wir müssen uns klarmachen:) Wenn der Mensch denkt, so hat dies ja nichts mit seinem Gehirn zu tun. Wenn er glaubt (empfindet), fühlt, so hat das nichts mit dem Organ des Herzens zu tun. Geradeso wie, wenn ein Wagen über den Weg fährt und die Räder tiefe Spuren hinterlassen, dies mit dem Wa­gen als solchem nichts zu tun hat, sondern von der Beschaffen­heit des Weges abhängt - so darf man auch die Organe nicht beurteilen nach dem, was man äußerlich sieht, wie es die Phy­siologie und Anatomie machen. Die Organe sind es nicht, die da denken, fühlen, sondern die geistigen Wesenheiten und Kräfte,

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* Einfügungen in runden Klammern aus einer ansonsten gleichlautenden Auf­zeichnung.

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die hineinwirken. Wie die Buchstaben nur Zeichen sind für den Inhalt eines Wortes, so sind auch die Organe nur Zeichen, durch die höhere Wesenheiten im Menschen sich ausdrücken.

Drei Entwicklungszustände unseres Erdenplaneten über­schauen wir: den jetzigen, die Erde, den vorhergehenden, den Mond, und den zukünftigen, den Jupiter. Die meisten von Ihnen werden wissen, daß der Mensch außer dem Großhirn, dem In­strument, durch das er denkt, noch ein Kleinhirn hat, das mehr unterhalb im Nacken sitzt. Jeder Physiologe und Anatom kennt es, aber sie wissen nicht, daß es ein Rest der alten Mondenzeit ist, Als ein Dokument der alten Mondenzeit steht es da, als ein Zeichen der Kämpfe, die für uns gekämpft haben die Götter. Was dort auf dem Monde gedacht worden ist, daraus ist das Kleinhirn geworden. Aber Irrtum war damals nicht in unseren Gedanken, denn göttliche Mächte waren es, die für uns gedacht und unsere Gedanken geleitet haben. Damals hatte der Mensch noch keine Freiheit; göttliche Wesen lenkten und leiteten ihn. Auf der Erde hat er nun aber die Freiheit, die Selbständigkeit erlangt und muß selbst die Verantwortung übernehmen für das, was er denkt.

Auch im Großhirn finden sich Überbleibsel der Mondenzeit:

die Zirbeldrüse und die Schleimdrüse; sie waren auf dem Monde das, was heute im Menschen Lunge und Herz sind.

Und durch unser Leben hier auf der Erde leben wir uns hin­auf zum Jupiter. (Wir bereiten diesen zukünftigen Zustand der Erde, den Jupiter, jetzt schon vor.) Das, was der Mensch jetzt ist in seinen Handlungen, seinen Taten, seinem ganzen Wesen, das wird auf dem Jupiter bilden das Großhirn. Und das, was er jetzt denkt in seinem Großhirn, wird dereinst auf dem Jupiter bilden sein Kleinhirn. Nicht mehr sind es die Götter, die sein Denken überwachen; frei geworden ist der Mensch auf der Erde. Die Folgen seines Denkens muß er selbst tragen, und warnend wie ein Richter sitzt ihm im Nacken das Kleinhirn, denn es wird die Wirkung alles dessen, was er gedacht hat auf der Erde, hin-übernehmen auf den Jupiter.

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Und nun frage ich Sie, (wenn wir diese Tatsache in ihrer gan­zen Größe und Verantwortung auf uns wirken lassen): Brauchen wir da noch ein Gericht? Ist dies Gericht nicht viel packender, gewaltiger, als es selbst ein Michelangelo hat darstellen können in seinem «Jüngsten Gericht»? Ermessen Sie die Tragik, die darin liegt, daß der Mensch die Folgen seiner Taten, seines Fühlens und Denkens nun selber tragen muß!

Aber einen Trost, eine Stütze haben wir (inmitten dieser Tra­gik): Der Christus ist eingetreten in die Erdenevolution; wenn wir uns ihm anvertrauen, so wird er unsere Taten, unsere Ge­fühle und Gedanken hinübertragen auf den Jupiter. Darum ist es ja so wichtig, daß die Geisteswissenschaft (Christuswissenschaft, die Erkenntnis von Christus) gerade in unsere Zeit (in der Zeit der Bewußtseinsseelenentwicklung) eintritt, damit das Verständ­nis für den wahren Christus wieder lebendig werde.

Schon die Blavatsky in ihrer «Secret Doctrine» hat von Jahve als Mondgott gesprochen. Dadurch aber, daß sie ihre eigenen Gefühle hineingemischt hat, ist (manches Unrichtige darin und) vieles von dem schlimmen Karma (ist dadurch) entstanden, das auf der Theosophischen Gesellschaft lastet. Und da Jahve so wenig verstanden wurde, so war es ja kein Wunder, daß man jetzt auch die Christus-Wesenheit so wenig versteht. Um dies richtigzustellen, mußte gleich im Anfang unserer Bewegung von Luzifer und Ahriman gesprochen werden; denn nur durch (eine Erkenntnis ihres Wesens und Wirkens) kann man Jahve richtig einschätzen. Und nur dann führt man die Menschen richtig in die geistigen Welten, wenn man sie hindurchführt, durch Luzifer und Ahriman, daß sie dort zum Christus kommen. Stellt man nicht den Christus in den Mittelpunkt (jeglichen esoterischen Strebens), so führt man sie zu Luzifer.

Man nennt nur nicht gern die Dinge beim richtigen Namen, man täuscht sich über ihre wahre Natur. Aber was man (in ge­wissen Kreisen) so wissenschaftlich nennt, ist eigentlich ahrima­nischer Natur. So wurde in der führenden Zeitschrift der Theo­sophischen Gesellschaft gesagt, die «Geheimwissenschaft» sei

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psychisch-mystisch, dagegen wären die Schriften von Annie Besant und Leadbeater wissenschaftlich und okkult. Das aber ist ahrimanisch; und was man psychisch und mystisch nennt, das sollte «christlich» heißen. Denn die ganze «Geheimwissenschaft» und unsere ganze Arbeit wurde von Anfang an gegründet auf Erkenntnis des Christus; und sie ist inspiriert worden von der Christus-Wesenheit selber. Das wollen wir immer vor Augen haben, meine lieben Schwestern und Brüder.

Vom Monde sind wir herübergekommen, wo wir noch waren im Schoße der Götter: Ex Deo nascimur Mit dem Christus sol­len wir uns vereinigen auf der Erde, in ihn hineinsterben: In - -

- morimur. So wird uns der Heilige Geist hinüberleiten in die neue Erdenverkörperung, den Jupiter: Per Spiritum Sanctum revzviscimus.

Aufzeichnung B

Alle, die durch Meditation und Konzentration als wirklich ernst strebende Esoteriker weiter kommen wollen, sie wollen im Grunde nichts anderes als bessere, andere Menschen werden. Im gewöhnlichen Leben denken wir durch das Instrument unseres Gehirns, also mittels unseres physischen Körpers. In der Medi­tation ist das anders. Gibt der Esoteriker sich voll Hingabe sei­ner Meditation hin, so gleicht der Zustand, in den er kommt, dem Schlafzustand, jedoch unter Aufrechterhalten des Bewußt­seins. Was an den physischen Körper gebunden ist, das schalten wir aus; nur der Atmungsprozeß, der bleibt; er ist dem Men­schen als Odem von Jahve eingeblasen. In der Meditation den­ken wir mit unserem Ätherleib; Lunge und Herz erweitern sich und werden zum Gehirn, aber zum ätherischen Gehirn, und wie unser Kopf sich verhält zu dem übrigen physischen Leib, so verhält sich dieses ätherische Gehirn zu dem Himmelsleib. Man kann den Menschen nicht erkennen mit den Methoden der äußeren Wissenschaft, durch Physiologie, Anatomie, Chemie

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etc. Es ist das so, als wenn man etwas auf ein Papier mit Schrift­zeichen Geschriebenes erkennen wollte, indem man Papier und Tinte untersucht; dadurch aber erkennt man nicht, was ausge­drückt ist in den Zeichen. Die Organe des Menschen sind solche Zeichen, durch welche die göttlich-geistigen Wesen sprechen:

Unser Kehlkopf, unser Herz, unsere Lunge, unser Hirn sind solche Zeichen. Das Denken arbeitet, indem es die Substanz ver­dichtet, erst das Hirn aus, und das Fühlen bildet das Herzorgan. Der Mensch war nicht immer so, wie er jetzt ist. Auf dem alten Monde atmete der Mensch Wärme ein; wir haben in unserem Haupte etwas, was wir herübergebracht haben von der alten Mondenentwicklung, als ein Überbleibsel, als ein Denkmal der Mondenzeit; es ist das blätterartige Kleinhirn in unserm Hinter-haupt. Damals war es nicht klein; es ist zusammengeschrumpft; und was dem alten Mondenmenschen Lunge und Herz war, das tragen wir als Zirbeldrüse und Schleimdrüse in unserem Haupte. Lunge und Herz des Mondenmenschen bildeten sich um und wurden zum Gehirn für den Erdenmenschen. Ebenso werden Lunge und Herz des Erdenmenschen sich umbilden und Gehirn werden für den Jupitermenschen. Durch unsere esoterischen Übungen wird das vorbereitet.

Durch das Kleinhirn, das zur Mondenzeit ein großes Hirn war, sprach die Gottheit zu dem Menschen; es ist die Gottheit, die Jahve genannt wird und die sich mit der Mondenentwick­lung verbunden hatte. Jetzt darf dies ausgesprochen werden; ein­mal ist es schon ausgesprochen worden, von Blavatsky in der «Secret Doctrine», wo sie Jahve eine Mondengottheit nennt. Aber es kommt nicht darauf an, Tatsachen bloß auszusprechen, sondern darauf, wie man sie ausspricht. Ein großer Teil des schlimmen Karmas der Theosophischen Gesellschaft ist darauf zurückzuführen, daß Blavatsky in abfälliger Weise darüber ge­sprochen hat. Es mußte aus diesem Grunde die Lehre von Ahri­man und Luzifer gebracht werden, die mußten an die richtige Stelle gestellt werden. Wie Jahve durch das Mondengehirn auf den Menschen wirkte und ihn leitete, so soll der Erdenmensch

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in Freiheit, aber indem er den Christus in sich aufnimmt, seine Handlungen und Taten vollbringen. Freiheit gab es für den Mondenmenschen noch nicht; die brachte erst Luzifer den Men­schen. Wie der Mensch im Nacken sitzen fühlt den Jahve als seinen Richter, so wird sich als Folgen seiner Taten auf Erden vor den Jupitermenschen hinstellen das, was Böse und Gut ist. Er wird es anschauen. Ein furchtbares Gericht wird das sein, furchtbarer als Michelangelo es dargestellt hat an der Wand der Sixtinischen Kapelle. Der Mensch wird dann nicht mehr geführt, wie Jahve ihn führte, durch sein Wirken auf das Kleinhirn.

Aufzeichnung C

Wenn wir uns zu einer solchen Stunde zusammenfinden, so möchten wir wohl, daß sie allen Menschen zuteil werden könn­te, auf daß die Schleier zerreißen möchten, die uns von der gei­stigen Welt trennen, und solche Gebetsstimmung ist die richtige Stimmung, in der wir die Mitteilungen entgegennehmen sollen, die uns in esoterischen Stunden gegeben werden.

Im Alltagsleben leben wir in unserem physischen Leibe, bedienen uns unserer Sinne und unseres Verstandes. Wenn wir meditieren, leben wir in unserem Ätherleibe. Ganz leibfrei wer­den muß man in der Meditation. Wenn wir meditieren, leben wir in dem Himmelsleib, in dem Christus. Was tun wir denn, wenn wir meditieren? Wir bilden etwas Neues, wir schaffen et­was Neues in den Kosmos hinein, einen neuen Ätherleib prägen wir dem Kosmos ein. Wenn wir das bedenken, dann wird uns auch die große Verantwortung dessen, was wir so als Mensch, indem wir Meditant werden, tun, allmählich aufgehen.

Wir wissen: Die vorhergehende Verkörperung unserer Erde war der alte Mond. Nun fragen wir uns: Ist denn alles vergan­gen, was auf dem Monde unser Leib gewesen ist? Ist davon physisch nichts mehr vorhanden? - Nein, keineswegs ist es vergangen;

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wir tragen es noch in uns. Sie tragen heute noch in sich den ganzen Mondenmenschen. In Ihrem Kleinhirn, da tragen Sie in sich, was einstens Gehirn des Mondenmenschen gewesen ist. Und in Ihrem Großhirn von heute, da tragen Sie in sich, sogar in horizontaler Lage, in zwei Organen, die heute nicht mehr tä­tig sind, die gleichsam verkümmert, vertrocknet sind, das Übrige des alten Mondenmenschen: Geschrumpft tragen sie ihn in sich in der Zirbeldrüse und der Schleimdrüse. Aus der Lunge des alten Mondenmenschen ist die heutige Zirbeldrüse geworden, sein Herz tragen wir als Schleimdrüse ebenfalls heute im Ge­hirn. Und der jetzige Mensch wird Gehirn des Jupiter-Menschen werden, und schlecht werden Sie auf dem Jupiter denken kön­nen, wenn Sie hier auf der Erde schlecht gehandelt haben. Und was heute Gehirn ist vom Menschen auf der Erde, wird kleines Gehirn des Jupitermenschen sein.

Heute stehen hinter uns, uns noch unbewußt, die göttlich-geistigen Wesenheiten, die an uns gearbeitet haben auf dem Monde und die uns durch die vorhergehenden Entwickelungs­stufen hindurch geschaffen haben, und sie sagen uns: Du sollst der Wahrheit folgen und dich nicht dem Irrtum ergeben. - Sie sind unsere Richter und sie mahnen uns, würdig zu werden alles dessen, was an Kraft, an Arbeit, an Opfer der Hierarchien für die Menschheit zu ihrem Werden aufgewendet worden ist. Es sind die Wesenheiten der Elohim, Jahve, die auf dem Monde in uns gewirkt haben. Uns unbewußt stehen sie heute auf der Erde hinter uns als die Mahner, als die Richter.

Auf dem Jupiter aber wird dem Menschen, dann bewußt, eine Wesenheit im Nacken sitzen, die ihm sagen wird: Das ist gut und das ist böse! - Derjenige, der uns da im Nacken sitzen wird als der Richter, das wird der Christus sein (Hinweis auf Michel­angelos Gemälde «Jüngstes Gericht» in der Sixtinischen Kapelle in Rom). Noch etwas ganz anderes, als Menschen es haben er­sinnen und erahnen können, wird in Wahrheit dasjenige sein, was als das Gericht auf dem Jupiter die Menschheit erleben wird.

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In Unfreiheit auf dem Monde haben an Ihnen gearbeitet die Wesenheiten, die Sie nun hinter sich haben auf der Erde als die mahnenden Götter. Durch die Freiheit der Erde werden Sie wis­sen auf dem Jupiter, wer Ihnen als Richter im Nacken sitzt.

Die endgültige Entscheidung für die Menschheit, mitzuschrei­ten mit dem Christus in der Evolution oder zurückzubleiben, wird erst auf der Venus erfolgen, aber das Gericht wird auf dem Jupiter sich vollziehen. -

Den Schluß der Stunde bildete noch der Hinweis auf das Unerschöpfliche unseres Rosenkreuzer-Spruches: E.D.N. - I.C.M. - P.S.S.R., der auseinandergelegt in den drei Medita­tionen: Zu den Dingen wend ich mich ...; Geisteslicht erwarme mich ...; Leuchtend Ich und Leuchte-Seele ... gegeben wird, die uns helfen sollen, rascher in die geistige Welt hinaufzukommen.

ANHANG

#G266c-1998-SE333 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ANHANG

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Die hier folgenden Notizen gehören chronologisch eigentlich in den ersten Band der dreibändigen Sammlung von Gedächtnis­aufzeichnungen aus esoterischen Stunden, sind aber erst nach dessen Erscheinen dem Rudolf Steiner Archiv zugekommen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin. 21. Dezember 1904

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1. Ich bekenne mich zu mir oder Ich bin.

2. Ich bekenne mich zur Menschheit oder der Mensch ist.

3. Ich bekenne mich zur Gottheit oder Gott ist. *

1. Sich für jeden Gedanken, jedes Gefühl und jede Handlung verantwortlich halten. Jeder Augenblick, den wir so erleben, bringt uns etwas vorwarts.

2. Was wäre ich ohne die andern Menschen? Hilflos. Straßen sind von anderen gepflastert ... Beim Aufstehen haben schon Leute für mich gearbeitet.

Mein Karma ist mit dem der andern Menschen verknüpft ... ich habe den mitgemordet, weil ich den Betreffenden vielleicht in einem früheren Leben nicht gebessert habe. Jeden Groschen, den ich mehr habe, hat ein anderer weniger. Erziehung verdanke ich anderen. Vom ersten Augenblick meines Lebens hat man sich um mich bemüht. Habe auch Teil an den guten Taten der (ganzen) Menschheit. -

3. Alle Seelen sind in der lemurischen Rasse aus einer Einheit der Gottheit geflossen. Die Menschheit hat gewissermaßen einen Namen von der Gottheit bekommen, den sie nach Verschwin­den des Sonderseins (Mitte der sechsten Wurzelrasse), möglichst voll zurückbringen soll.

Griff, das Zeichen und das Wort.

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* Hier handelt es sich offenbar um eine Erläuterung der Formel AUM; siehe nebenstehende Wiedergabe.

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#Bild s. 335

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 28. Dezember 1904

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Marie Strauch, Mitglied unserer esoterischen Schule, ist heute gestorben. Wir stehen zu ihr in einem besonderen Verhältnis, das mit dem Tode nicht aufhört. Für uns ist der Tod der Über­gang zu einem anderen Leben. Der Schmerz, welchen manche Leute beim Tode einer geliebten Person haben, ist häufig ego­istischer Art, weil ihnen der Verlust der Person nahe geht. Diese Gefühle helfen aber der abgeschiedenen Persönlichkeit nicht auf­wärts. Im Gegenteil, sie nehmen ihr von den Federn des Kleides, welches die Seele nach oben tragen muß, gerade so viel weg. Wenn wir der Persönlichkeit Gefühle uneigennütziger Liebe nachsenden, so weben wir damit Federn in das Kleid ein. Wir müssen also beim Tode einer Persönlichkeit die Gefühle des Schmerzes wegen des Verlustes unterdrücken. Marie Strauch hat die Lehren der Theosophie gut aufgenommen, und ihre Seele hatte an Schwere zugenommen.

Diese Schwere zieht nach oben, weil sie Ewigkeitswert ent­hält. Die Schwere des Materiellen dagegen zieht nach unten. -Durch das richtige Aussprechen der seelischen Silbe setzen wir uns zu den drei Welten in die richtige Beziehung.

Im Physischen nehmen wir die Wirklichkeit durch die fünf Sinne wahr. Denken wir uns aus dem physischen Körper ge­hoben, ohne die fünf Sinne, den Weltenraum ganz dunkel, dann leuchten unsere Seelen. Denken wir uns, die Gefühle (gingen) von uns weg, dann haben wir auch die astrale Welt hinter uns gelassen, und wir klingen in der geistigen Welt in einem Tone voll und unbehindert nach allen Seiten aus. Im Physischen sind wir durch unser Karma, unseren Charakter, unsere Verhältnisse behindert. Im Geistigen können wir uns nicht anders geben, als wir sind, wir klingen, wie wir sind. Die geistige Welt klingt in Sphären[tönen]. Jeder von uns hat in der geistigen Welt einen Namen, den wir im Laufe der Entwicklung erfahren werden, es

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ist nicht unser irdischer Name. Durch Intuition offenbart sich uns die geistige Welt.

Die Welt leuchtet mir. - Ich leuchte der Welt. - Ich bin.

i. vors tellend [wie] das Licht von außen an mich kommt und durch alle Poren meiner Haut aufgenommen wird und zu meinem Herzen, dem Sitz des Lebens, strömt.

2. meine Seele leuchtet wieder von innen durch [dasjenige], was ich an Ewigkeitswert in mich aufgenommen habe.

3. Ich bin sagen mit aller Kraft und dem Hintergedanken, daß Gott in mir ist und in mir wirkt und mich wieder zum Gott macht.

Den ganzen Körper durchrieseln lassen.

Die alten jüdischen Esoteriker sprachen das Wort Ich bin in der richtigen Weise aus, und nur vorbereitete Würdige durften es aussprechen.

Wir müssen auch nach dem Tode arbeiten und zwar in der Seelenwelt und im Devachan. Wir können um so wirksamer ar­beiten, je mehr wir hier an Ewigkeitsgedanken in uns aufgenom­men haben. Die beiden Welten haben jetzt einen anderen Inhalt als früher und der Mensch nimmt an der Gestaltung der beiden Welten selbst immer größeren Anteil.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 24. Februar 1905

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Meister haben Verzeihen ausgebildet. Hätten verziehen, wenn es zum Besten der Betreffenden gewesen wäre. Theosophie bringt gewisse Eigenschaften der Menschen schneller zur Entwicke­lung, daher trägt auch die Theosophie einen Teil der Schuld. -Mensch denkt, fühlt und will.

Erleuchtet sei dein Gedanke.

Milde sei dein GefühL

Fest sei dein Wille.

Verantwortlichkeit. Mit dem Willen, der am göttlichsten ist, greifen wir schöpferisch ein und beeinflussen unsere Mitmen­schen am meisten dadurch.

Der Meister verbindet bei seiner Meister-Meditation das Gefühl des Denkens mit den Strahlen der Sonne über die ganze Menschheit.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 3. März 1905

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«Ich will dich zu einer Säule in meinem Tempel machen und du sollst nimmer daraus gehen» (0ff. 3,12). Meister gibt für esoteri­sche Stunde jeden Gedankengang an, sonst nur die allgemeine Richtung. Höhere Wesenheiten haben den menschlichen Körper aufgebaut, während der Mensch unbewußt war. Sonst wäre er nicht so harmonisch geworden. Etwas hat der Mensch doch Einfluß ausgeübt, deshalb gibt es Krankheiten. Herz größtes

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Kunstwerk, was man sich denken kann. Naturgesetze sind die Gedanken höherer Wesenheiten. Der Mensch ist jetzt bewußt und soll bewußt an seinem Astralkörper arbeiten, daß er so har­monisch wie der physische wird. Ein Stück eines Knochens grö­ßeres Kunstwerk als der Simplontunnel. Der Knochen besteht aus kleinen Teilchen, die alle in bestimmter Richtung liegen müssen. Alles in der Welt ist nötig. Kein Kohlenstoff da - die Pflanzen haben ihn nötig. Wären keine Pflanzen da - Pflanzen atmen Sauerstoff aus - den hat der Mensch nötig. Kein Kohlen­stoff, keine Pflanzen, keine Menschen. So ist es mit jedem Stoff.

Warum Säulen genannt? Die ganze Welt ist ein Tempel. Wir sollen richtige Bestandteile der esoterischen Welt werden. Wir werden dann kontinuierliches Bewußtsein haben. Das sagt die [oben angeführte] Stelle aus der Offenbarung Johannes. Die eso­terische Stunde hat Einfluß auf den Astralkörper, Wenn wir es auch nicht merken. Der Astralkörper wird geändert. Wir gehen mit einem andern Astralkörper weg, als wir kamen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 15. Oktober 1905

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Hinweis auf die Meister. Meister Morya weist auf den Spruch hin: Mensch bedenke, daß alles, was um dich herum da ist. um deinetwillen da ist und daß du für die Götter da bist.

Der Spruch kann auch so gefaßt werden: Alles um meinet­willen und ich um Gottes willen.

Die heilige Silbe enthält auch den Sinn von meiner Indivi­dualität [im Verhältnis] zu der der Meister - und von da zu der-jenigen der Sonnenpitris, welche an der Spitze unserer Schule stehen.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 20. Oktober 1905

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In die Schule dürfen die Wellen der äußeren Bewegung nicht kommen. Wir müssen aber die Beweggründe und Triebkräfte verstehen. Die theosophische Bewegung erfordert Opfer. Wir müssen den Betreffenden lieben. Es gibt verschiedene okkulte Strömungen. Zu einer Zeit wird ein Meister der Manu einer Anzahl ausgesonderter Menschen sein, welche den Kern der sechsten Wurzelrasse bilden werden.

Eine okkulte Strömung versucht den Meister in ihre Gewalt zu bekommen, um den Eintritt dieser Ereignisse zu beschleuni­gen. Sie will nicht alle Rassen als gleichberechtigt ansehen. An-nie Besant als Haupt der Schule mußte in den verschiedenen Weltanschauungen gelebt haben, um sie alle besser verstehen zu können. Sie kann um so mehr wirken, je mehr Liebe ihr entge­gengebracht wird. Die Sonne wirft Schatten, weil Gegenstände in ihr Licht treten. Der Schatten ist also da, weil die Gegenstän­de da sind, nicht weil das Licht da ist. Wir mussen eine Batterie der Liebe bilden.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 24. Oktober 1905

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Auslegung der Formel: Strahlender als die Sonne ... [siehe GA 266/1]. Der Geist, welcher in uns ist und der uns die Gegenstän­de erklärt, der ist strahlender als die Sonne. Alles ist an sich rein. Kohle ist rein und Wasser [ist] rein. Jedoch (durch) die Verbindung von etwas Unpassendem entsteht das Unreine. Der Schneekristall hat den Schmutz ausgesondert und ist ganz rein. So müssen unsere Gefühle werden.

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 6. November 1905

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Selling wird eingeführt. Wir sollen möglichst bei allem in Bil­dern denken, das wirkt auf den Ätherleib. Bei der Formel [«Strahlender als die Sonne ... », GA 266/1] sollen wir uns bei dem Strahlen etwas vorstellen. Ebenso etwas, was reiner ist als der Schnee und feiner als der Äther. - Bei der Rückschau sollen wir uns wie einer fremden Person objektiv gegenüber stehen und die Vorgänge noch einmal als Bilder auf uns wirken lassen und uns fragen, ob wir eventuell noch einmal so handeln wür­den. - Meditation ist bei der heutigen Kultur der einzige Weg, um in die höheren Welten zu gelangen. Wir müssen alle irdi­schen Gedanken ausschalten und uns ganz in uns versenken, dann kann der Meister auf uns wirken. Es ist ein Gebot des Meisters K. H. [Kuthumi], mit den höheren Individualitäten in Berührung zu kommen. Das ist nur durch Meditation möglich, wenn wir alle Gedanken von der Außenwelt abschließen. Wenn wir Hilfe von den Meistern haben wollen, müssen wir uns die betreffende Frage ganz klar machen und bei dem devotionellen Teil der Meditation den Meister um Hilfe bitten, ohne daß wir selbst etwas zur Beantwortung der Frage beitragen. -

A in der heiligen Silbe bedeutet unsere niedere Individualität; U die Individualität der Meister; M die Kraft, durch welche wir uns zu ihm hinauf entwickeln wollen.

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ESOTERISCHE STUNDEN

Berlin, 27. Februar und 15. März 1906

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Rosenkreuzerei. Stein der Weisen. Alchemie. Menschen atmen Kohlensäure aus und Sauerstoff ein, Pflanzen umgekehrt, Sauer­stoff aus und Kohlensäure ein. Wir sind daher auf die Pflanzen angewiesen und sollen gegen niedere Reiche bescheiden sein. Rechte und linke Seite des Menschen sind verschieden. In der rechten Herzkammer ist das blaue Blut, welches in die Lungen geht, in der linken das rote, welches in den Körper getrieben wird. Die rechte Seite ist älter als die linke und muß abfallen. Der Mensch wird wieder Pflanze werden. Die rechte Seite des Gehirns hängt mit Hoffart und Stolz zusammen; ein hervorste­hendes Kinn deutet auf Geiz. Lunge, schnelles Atmen hängt mit Neid, die Leber mit Zorn zusammen. - Unser Denken können wir am leichtesten verändern, schwerer unsere Gefühle, am schwersten den Willen. Letzterer hängt mit unserem äußeren Karma, unserem Tun in früheren Inkarnationen zusammen, das Gefühl mit unserem Innen-Karma, unserem früheren Gefühls­leben. Das Denken liegt zwischen Geburt und Tod. Ein Mensch kann in diesem Leben mit seinem Verstand die ganze Welt be­greifen, nach dem Tod wird er alles vergessen haben. Wir müs­sen mit den Gedanken in das Gefühl arbeiten. Wenn wir dieses ändern, arbeiten wir für unsere Individualität, die durch die In­karnationen geht. Die Persönlichkeit liegt zwischen Geburt und Tod. Durch Gedanken ist alles, die ganze Welt aufgebaut, unser Gefühl entspricht der Bewegung in der Natur, unser Wille der Kraft in der Bewegung. Z. B. die Kraft, welche einen losgelasse­nen Stein zur Erde zieht, ist auch in meinem Willen, mit wel­chem ich etwas ausführe. Der Blitz und Donner sind in der Natur das, was im Menschen der Zorn ist. Wenn wir unser Ge­fühl und unseren Willen ändern, ändern wir dadurch die Erde. Unser äußeres Karma bestimmt, in welches Volk, in welche Familie wir geboren werden. Wir haben diesen Menschen etwas

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abzutragen, was wir ihnen schuldig sind, und es ist daher gut, daß wir unser äußeres Karma nicht so leicht ändern können. Durch unser Innenleben sind wir niemandem etwas schuldig geworden, wir dürfen daher unser Innenkarma, unser Gefühls­leben leichter ändern. Unsere Gedanken-Welt formen wir meh­rere Male um. Sie war eine andere als Kind, ehe wir zur Schule kamen. Durch diese wurde sie geändert. Dann durch das Leben, dann durch die Theosophie. Wir ändern unsere Gefühle da­durch, daß wir unsere Gedanken bis zum Gefühl durcharbeiten. Dies geschieht durch Meditation. Wir müssen die Sätze lieb ge­winnen, sie müssen uns zur Gewohnheit werden. Durch Kon­zentration wirken wir auf unseren Körper, unseren Blutkreislauf ein. Dadurch ändern wir die Welt. -

Dreiklang: Gedanke, Gefühl, Wille.

#SE266c-344

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 18. März 1906

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Aufnahme.

Der große Initiator, der große Unbekannte, ist der erste. Dann Kette bis zum Neuaufgenommenen. Meditieren heißt, die Seele dem Meister öffnen, daß er ihr nachts Impulse geben kann. Der Astralkörper erhält anfangs unbewußt Unterricht, dieser wird nach und nach immer bewußter werden. Zuerst Einfälle im Tagesbewußtsein, die man sich nicht erklären kann, später Tagesbewußtsein und höheres Bewußtsein gleichzeitig. - St. G. [Saint-Germain] vermittelt die Theosophie so, daß sie den An­sprüchen des gebildeten Europäers genügt. Ist jetzt der wichtig­ste Meister. A. B. [Annie Besant] hat die Schulen des Ostens unter sich. Der Meister wird beinahe mit denselben Zügen wie­dergeboren. Er bearbeitet den betreffenden Menschenkeim. -Auf dem Wege gibt es keine anderen Schwierigkeiten als die, welche sich der Schüler selbst macht. Und es gibt keine Schwie­rigkeiten, welche der göttliche Teil in ihm nicht überwinden könnte.

#SE266c-345

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ESOTERISCHE STUNDE

Berlin, 13. April 1906*

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Wir müssen in Erinnerungsbildern leben. Das, was wir selbst erlebt haben, verknüpft uns anders mit dem Ereignis, als wenn wir von letzterem nur hören. Erzählung von einer Schlacht kann lebhaftes Empfinden hervorrufen. Wenn man aber selbst dabei war, ist es doch etwas anderes. Die Rückschau am Abend, wo wir nur die Bilder von den Ereignissen vor unsere Seele stellen, ist deshalb wichtig. - Wir sollen selber in uns Gefühle hervorru­fen von Freuden und Leiden durch Vorstellen, daß anderen Per­sonen Freud und Leid widerfährt. Mitfühlen mit fremdem Leid und fremder Freude. Theater. Dadurch lernen wir die Geister kennen, welche diese verursachen. Modernes Stadtleben und Zeitungslesen von stets wechselnden Ereignissen und Sensatio­nen tötet den inneren Menschen. Einsames Leben auf dem Lan­de wirkt fördernd. Landleute sehen daher Geister oder reden noch von Geistern. - Atem wird durch Förderung der Selbst-losigkeit besser. Durch Meditation wird dies bewirkt. - Von dem Einen und in dem Einen sind alle Dinge. Ihm sei die Ehre.

- - -

* Vgl. hierzu auch die Aufzeichnungen zu dieser Stunde in GA 266/1, S.131.

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ESOTERISCHE STUNDE

Hannover, 24. September 1907

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Christus ist ein Sonnengeist, ein Feuergeist. Sein Geist ist es, der sich uns im Sonnenlicht offenbart. Sein Lebensodem ist es, der in der Luft die Erde umspült und der mit jedem Atemzug in uns eindringt. Sein Leib ist die Erde, auf der wir wohnen.

Tatsächlich nährt Er uns mit Seinem Fleisch und Blut, denn was wir auch aufnehmen an Speise, es ist von der Erde, aus Seinem Leibe genommen.

Wir atmen Seinen Lebenshauch, den Er uns durch die Pflan­zendecke der Erde zuströmt.

Wir schauen in Seinem Lichte, denn das Licht der Sonne ist Sein Geistes-Strahlen.

Wir leben in Seiner Liebe, auch physisch; denn was wir an Wärme von der Sonne empfangen, ist Seine geistige Liebeskraft, die wir als Wärme empfinden.

Und unser Geist wird von Seinem Geiste angezogen, wie unser Leib gefesselt ist an Seinen Leib.

Darum muß unser Leib geheiligt werden, weil wir auf Seinem Leibe wandeln. Die Erde ist Sein heiliger Leib, den wir mit den Füßen berühren. Und die Sonne ist die Kundgebung Seines hei­ligen Geistes, zu der wir aufschauen dürfen. Und die Luft ist die Kundgebung Seines heiligen Lebens, das wir in uns aufnehmen dürfen.

Damit wir uns unseres Selbst, unseres Geistes bewußt wür­den, damit wir selbst Geistwesen würden, opferte sich dieser hohe Sonnengeist, verließ Seine königliche Wohnung, stieg herab aus der Sonne und nahm physische Gewandung an in der Erde. So ist Er physisch in der Erde gekreuzigt.

Er aber umspannt geistig die Erde mit Seinem Licht und Sei­ner Liebeskraft, und alles, was darauf lebt, ist Sein Eigentum. Er wartet nur darauf, daß wir Sein Eigen sein wollen. Geben wir uns Ihm ganz zu eigen, so gibt Er uns nicht nur Sein physisches

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Leben, nein, auch Sein höheres, geistiges Sonnenleben. Dann durchströmt Er uns mit Seinem göttlichen Lichtgeist, mit Seinen wärmenden Liebesstrahlen und mit Seinem schöpferischen Gotteswillen.

Wir können nur sein, was Er uns gibt, wozu Er uns macht. Alles, was an uns dem göttlichen Plan entspricht, ist Sein Werk. Was können wir dazu tun? Nichts, als Ihn in uns wirken lassen. Nur, wenn wir Seiner Liebe widerstreben, kann Er nicht in uns wirken.

Wie könnten wir aber dieser Liebe widerstreben? Dem, der da spricht: «Ich habe Dich je und je geliebt und habe Dich zu mir gezogen aus lauter Güte.»

Er hat uns geliebt von der Erde Urbeginn an. Wir müssen Seine Liebe in uns zum Wesen werden lassen.

Nur das bedeutet wirkliches Leben; nur da ist wahrer Geist, wahre Seligkeit möglich, wo uns dies Leben ein wesentliches Leben wird, das Christus-Leben in uns.

Nicht von uns aus können wir selbst rein und heilig werden, sondern nur von diesem Christus-Leben aus. All unser Streben und Ringen ist vergebens, solange uns nicht dies höhere Leben erfüllt. Das allein kann wie ein lauterer, reiner Strom alles hin­wegspülen aus unserem Wesen, was noch ungeläutert ist.

Es ist der Seelengrund, aus dem dies reinigende Lichtleben aufsteigen kann.

Dort müssen wir unsere Wohnung suchen, zu Seinen Füßen und der Hingabe an Ihn.

Dann wird Er uns selbst umwandeln und uns selbst mit Sei­nem göttlichen Liebesleben durchströmen, bis wir licht und rein werden wie Er; Ihm ähnlich. Bis Er sein göttliches Bewußtsein mit uns teilen kann.

Durch Sein Licht muß die Seele rein, d. h. weise werden; so kann sie mit Seinem Leben sich vereinigen. Dann ist das die Vereinigung von Christus und Sophia, die Vereinigung des Christus-Lebens mit der durch Sein Licht geläuterten Men­schenseele.

ZWEITER TEIL Aus den Inhalten der Esoterische Stunden der Jahre 1920 bis zur Neubegründung der esoterischen Schule als «Freie Hochschule für Geisteswissenschaft» am Goetheanum 1923/24

#G266c-1998-SE351 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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ZWEITER TEIL

Aus den Inhalten der Esoterische Stunden

der Jahre 1920 bis zur Neubegründung

der esoterischen Schule als

«Freie Hochschule für Geisteswissenschaft»

am Goetheanum 1923/24

VORBEMERKUNGEN ZUM ZWEITEN TEIL

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Der im August 1914 ausgebrochene Erste Weltkrieg hatte Ru 0 Steiner dazu bestimmt, die Esoterische Schule einzustellen. Wäh­rend des Krieges gab es somit keine esoterischen Veranstaltungen. Er äußerte dazu später (Vortrag Dornach, 22. August 1915, in GA 253, S. 159): «Es ist mit diesen unseren ES-Stunden seit dem Kriegsausbruch eine Pause gemacht worden ... aus dem einfachen Grund ..., weil es notwendig ist, den Sinn unserer Gesellschaft auf­recht zu erhalten ... . Und dann muß man selbstverständlich - ganz gleich, ob in einem Land, das einem anderen feindlich gegenüber­steht oder in einem Land, das neutral ist - keine Versammlungen abhalten, die nicht öffentlich sind.»

Eine Ausnahme bildete eine Stunde, die jedoch ganz privaten Charakters war. Auf einer Österreich-Reise im Sommer 1918 be­suchten Rudolf und Marie Steiner die Familie Polzer-Hoditz auf deren Gut Tannbach bei Gutau. Bei dieser Gelegenheit kam es, wie Ludwig Polzer-Hoditz in seinen Erinnerungen' berichtet, zu einer esoterischen Handlung: «Der 9. Juni (1918) war ein Sonntag. Herr und Frau Doktor gingen mit uns nach Gutau in die Messe. Als wir von dort zurückkamen, hielt Rudolf Steiner in unserem Hause eine Handlung unter dem Zeichen des Rosenkreuzes. Sprach davon, wie die mitteleuropäische Menschheit zur Aufnahme eines spirituellen Impulses im Anfange des 17. Jahrhunderts empfänglich gewesen wäre, wie die geistige Welt an die Menschenseelen heranwollte, der Dreißigjährige Krieg aber verhinderte, daß eine größere Gruppe von Menschen von diesem Impulse ergriffen werden konnte. Daran schloß er eine Betrachtung über die Chymische Hochzeit des Chri­stian Rosenkreutz, wie Valentin Andreae in seiner frühen Jugend diese unter einer Inspiration niederschreiben konnte und in vorge­rücktem Alter ein braver, philiströser Pastor wurde, der selbst mit seinem bedeutenden Jugendwerk nichts anfangen konnte. Zum

1 Aus «Erinnerungen an den großen Lehrer Dr. Rudolf Steiner. Lehensrjiekschau eines Österreiehers», von Ludwig Graf Polzer-Hoditz, Manuskriptdruck Prag 1937, neu in «Erinnerungen an Rudolf Steiner», Dornach 1985.

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Schluß verglich er den sich zur Menschheit niedersenkenden Geist mit dem Schnee, der im Winter mit seiner Reinheit sich über die kahle Erddecke legt.»

Nachdem Ende des Jahres 1918 der Krieg zu Ende gegangen war, wurde Rudolf Steiner von Angehörigen der vor dem Krieg bestehenden Esoterischen Schule verschiedentlich darum gebeten, doch wieder die früheren esoterischen Stunden aufzunehmen. Zu Beginn des Jahres 1920 - nach einer fünfeinhalbjährigen Pause -begann er damit, dieser Bitte entgegenzukommen. In Dornach gab er dies im Anschluß an seinen Abendvortrag vom 7. Februar 1920 -nach den Aufzeichnungen der Stenographin Helene Finckh - wie folgt bekannt:

«Gestatten Sie, daß ich noch folgendes hier bekannt mache: Die­jenigen der verehrten Mitglieder, deren Namen ich verlesen werde, möchte ich bitten, eventuell, wenn sie wollen, nicht nur morgen, sondern auch am Montag um 8 Uhr hier zu erscheinen. Es werden zum großen Teil Leute sein, die schon sehr lange da sind in der Gesellschaft und die sonst irgendwie an Dingen beteiligt sind. Ich habe aus diesem Grunde diese Liste zeichnen lassen. Ich bemerke ausdrücklich, daß selbstverständlich derjenige, der nicht kommen will, nicht zu kommen braucht.

(Namenliste wird verlesen) [Nicht vorliegend]

Also diejenigen, die ich verlesen habe (wie gesagt, es braucht nicht Folge geleistet zu werden, wenn man nicht will), diejenigen, die ich verlesen habe, würde ich bitten, morgen und am Montag Abend um 8 Uhr zu erscheinen.»

Helene Finckh bemerkt dazu: «(NB. Es wurde dann aber i Tag später erst begonnen, da allerhand Menschen auch noch dazu kom­men wollten, die nicht mit verlesen worden waren.)»

Und so wurden am nächsten Abend, nach dem Vortrag voni 8. Februar, noch weitere Namen bekanntgegeben:

«Die Namen, die ich gestern noch vergessen habe, darf ich noch nachholen» (es wurde noch eine Anzahl verlesen) [Namen nicht notiert] - und Helene Finckh bemerkt dazu noch: «aber scheinbar durchaus nicht alle, die darauf gerechnet hatten; es gab manche Trä­nen, und als man zur ersten Stunde zusammenkam, standen einige vor der Schreinerei (dem damaligen Vortrags- und Veranstaltungs­Ort); besonders Frau X, die ganz in Tränen gebadet war, weil nur

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ihr Mann, aber nicht sie damals aufgefordert war. Es war ein Ver­such, der wohl durch die verschiedenen Umstände dann nicht über eine zweite Stunde hinauskam damals. Dr. Steiner war immer wie­der von alten Mitgliedern gebeten worden, doch wieder intimere Stunden zuhalten; er hat das einigemale angedeutet, hat aber immer gesagt, es wäre noch nicht die Zeit dazu angetan.»

Diese Dornacher Stunden wurden damals nicht fortgesetzt. Auch als im Lehrerkollegium der Freien Waldorfschule in Stuttgart, in der Konferenz vom 16. November 1921 (GA 300 II) die Frage nach esoterischen Stunden gestellt worden war, wurde von Rudolf Stei­ner sehr zurückhaltend geantwortet und betont, daß erst der ent­sprechende Modus dafür gefunden werden müßte. Gleichwohl fand bald darauf, am 4. Dezember 1921, in Norwegen (Kristiania/Oslo) eine esoterische Stunde statt. Aufzeichnungen hiervon liegen aller­dings nicht vor, doch soll sie - nach Helene Finckh, die daran teil­genommen hat - inhaltlich ähnlich gewesen sein wie die Dornacher Stunde. Weitere solche Stunden erfolgten dann noch zu Ostern sowie im November 1922 in England (London); am 18. Mai 1923 nochmals in Norwegen (Kristiania); am 30. September 1923 in Wien.

Außerdem kam es durch die Initiative einiger Mitglieder, die be­sonders interessiert waren an den Inhalten der früheren erkenntnis­kultischen Arbeit, zu einigen esoterischen Stunden. Rudolf Steiner bezeichnete diesen Kreis nach den Hauptsprechern «Wachsmuth­Lerchenfeld-Gruppe». Dreimal kam diese Gruppe von etwa 15 Persönlichkeiten in Rudolf Steiners Dornacher Wohnung «Haus Hansi» zusammen: zweimal vor und einmal nach der Weihnachtsta­gung: Dornach, 27. Mai und 23. Oktober 1923 und 3. Januar 1924. (Die davon vorliegenden Notizen finden sich in GA 265). Nament­lich bekannte Teilnehmer (jedoch nicht vollständig) waren: Maria Röschl, Marie Steiner, Harriet von Vacano, Elisabeth Vreede, Ita Wegman, Margarita Woloschin, Jürgen von Grone, Kurt Piper, Otto von Lerchenfeld, Albert Steffen, Günther Wachsmuth, Wolf­gang Wachsmuth und Frau. Zwischen der ersten und zweiten Stun­de war noch eine angesetzt gewesen, die im Juli 1923 in Stuttgart hätte stattfinden sollen (wahrscheinlich am Sonntag, den 15. Juli), zu der auch Friedrich Rittelmeyer eingeladen war. Diese Stunde wurde von Rudolf Steiner jedoch abgesagt, weil er die Veröffent­lichung

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der Rittelmeyer-Lempp-Diskussion in der Zeitschrift «An­throposophie» für einen gravierenden Fehler halten mußte (Näheres siehe in GA 259). Ebenso wie diese drei Stunden lehnte sich auch die Stunde, die am 30. September 1923 in Wien gehalten worden ist, inhaltlich mehr an die erkenntniskultische Abteilung der früheren Esoterischen Schule an.

Die Teilnehmer an allen diesen Stunden der Nachkriegszeit waren entweder Angehörige der früheren Esoterischen Schule oder solche, die von Rudolf Steiner bereits persönliche Meditationen erhalten hatten.

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ESOTERISCHE STUNDE

Dornach, 9. Februar 1920

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Ich möchte eine Einleitung vorangehen lassen. Durch diesen Aufruf (zur Teilnahme an dem in Aussicht gestellten esoteri­schen Unterricht) hat sich wieder bestätigt, wie wenig ernst die­se Bewegung sogar von alten Mitgliedern genommen wird. Gleich nach dem Aufruf gab es wieder Diskussionen aller Art, und was dabei herausgekommen ist, ist etwas, was nicht hätte geschehen dürfen. Solange die Mitglieder mit ihrer Kritik fort­fahren, die sich auf jede Handlung, die von höherer Stelle ge­schieht, bezieht, solange es Mitglieder gibt, die immer wieder ganz fremde Persönlichkeiten einführen, nicht aus Interesse für die Bewegung, aber aus irgendeinem persönlichen Interesse, ist es nicht möglich, die großen geistigen Wahrheiten hinzustellen, die jetzt gesagt werden müssen. Wenn man sieben Jahre in der Bewegung gestanden und die Lehren aufgenommen hat, dann sollten große Änderungen in unserer Lebensauffassung eingetre­ten sein, wobei man nicht mehr dieselbe Kritik anwendet wie früher, wo ganz andere Handlungen herauskommen sollen. Viele unserer Mitglieder sind schon mehr als sieben Jahre dabei, und man spürt nichts von einer Änderung in ihren Urteilen. In jedem Gebaren, in jeder Handlung sollte diese Wandlung zum Ausdruck kommen. Statt daß dieses eintritt, bleibt alles beim Alten. Würde mehr Kritik geübt an der Geisteswissenschaft und mehr Vertrauen entgegengebracht den Persönlichkeiten, die hin-gestellt wurden, um diese oder jene Arbeit zu verrichten, dann stünde es besser um die Bewegung. Statt dessen erlebt man Autoritätsglauben in Fülle. Man denke nur an die vielen, die ab­gefallen sind, wie sie vorher angebetet und verehrt wurden! Gesunde Kritik wäre besser am Platze gewesen in diesen Fällen. Abfall von der Bewegung sollte eigentlich unmöglich sein, und er ist der kräftigste Beweis für den Mangel an Ernst, der immer noch unter uns herrscht. Und dieser Ernst kann nicht tief genug

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empfunden werden, wenn wir auf die katastrophalen Zeitereig­nisse blicken.

Schon in den exoterischen Vorträgen ist wiederholt gesagt worden, daß unser Kopf dem Verfall, dem Tode geweiht ist und daß aus dem übrigen Menschen der lebendige Strom herauf-strömt, der das Tote wieder erwecken kann. Dazu aber müssen die Menschen nicht abweisen, was aus der geistigen Welt sich heruntersenkt und was sich mit dem lebendigen Strom vereinen kann. Sonst muß dieser lebendige Strom wieder abwärts gehen, und der Kopf mit dem Gehirn bleibt ein toter Organismus.

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Die Menschheit als Ganzes ist etwas anderes als der indivi­duelle Mensch. Die Menschheit gehört zum Erdenorganismus und macht das Karma der Erde mit; der einzelne Mensch hat sein eigenes Karma. Das soll man richtig unterscheiden. Die Menschheit als solche erlebt heute die Begegnung mit dem Hü­ter der Schwelle, und das Überschreiten der Schwelle hat schon in den letzten Jahren seinen Anfang genommen. Das ist auch der Anfang der Spaltung der Menschheit, und das bedeutet eben der kritische Zeitpunkt, an dem wir jetzt angelangt sind. Die Kräfte, die früher aus den geistigen Wesen in die Menschheit strömten, sind jetzt verbraucht; wir sind auf uns selbst gestellt und müssen diese Kräfte jetzt aus unserem Unterbewußtsein heraufholen. Das Mysterium von Golgatha wäre umsonst geschehen, wenn die Menschen diese inneren Kräfte nicht anwenden, sondern sie

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abweisen würden. Das würde die ganze Zerstörung der Erden­entwicklung nach sich ziehen. Die Seelen würden zwar noch in die Leiber herabsteigen, aber sie würden sie nach dem dreiund­dreißigsten Jahre verlassen, wenn sie nicht in früheren Jahren durch ihre Leiber den Strom des Geistigen aufgenommen haben. Solche Dreiunddreißigjährigen - die den Strom aufgenommen haben - sollen die Jüngeren unterrichten, damit in der Jugend schon der Keim für das Begreifen des Mysteriums von Golgatha gelegt werde. Und was diejenigen betrifft, die vor dem dreiund­dreißigsten Jahre sterben werden, für diese wird auch gesorgt werden.

Wenn dieses sich nicht erfüllen sollte, dann würden auf der Erde seelenlose Leiber herumgehen, die nur mit einem automati­schen Verstande arbeiten können. Während der Kriegskatastro­phe haben sich schon seelenlose Menschen gezeigt, und es wer­den immer mehr kommen, wenn nicht der Geist aufgenommen wird, der jetzt herunterdrängt. Diese seelenlosen Menschen sind eine willkommene Beute für dämonische Wesen, die diesen automatisch wirkenden Verstand für ihre Ziele anwenden wer­den. - Wenn nicht eine kleine Anzahl Menschen sich durchdrin­gen läßt von der Bedeutung des Furchtbaren, das jetzt gesagt worden ist, wenn nicht der nötige Ernst aufgebracht werden kann, dann ist die weitere Entwicklung der Menschheit unmög­lich.

Ich werde Ihnen eine Wegzehrung geben, die Ihnen, medi­tierend, eine große Hilfe wird sein können, um die vielen Geheimnisse, die in dem Gesagten liegen, zu Ihrem Bewußtsein zu bringen [Es wurde an die Tafel geschrieben und konnte ab­geschrieben werden:]

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Wenn man sich ganz durchdringt mit diesen Worten, kommt man zu höherem Wissen.

Das Fühlen ist eine Widerspiegelung des Träumens, und auch das Träumen spiegelt sich im Fühlen.

Zu dem gegebenen Spruch: Bewußt: nur Denken, deshalb Imaginieren links geschrieben. Die anderen noch unbewußt wirkend (Schlafen, Träumen in Wollen und Fühlen).

Zuerst wurden die drei mittleren Mantren Ich denke . . . Ich fühle . . . Ich will . . . an die Tafel geschrieben; dann (neben Ich fühle... ) Ich träume... (neben Ich will ...) Ich schlafe . . .

Dr. Steiner sagte: Im Fühlen träumt man noch; im Wollen schläft man überhaupt noch; es sei einzig und allein im Denken bis jetzt nur etwas möglich (Imaginieren), er habe es deshalb links geschrieben neben Ich denke . . . .

Zu Beginn und Schluß wurde von Rudolf Steiner gesprochen:

O Mensch, erkenne dich selbst . . .

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* Siehe Seite 499f.

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ESOTERISCHE STUNDE

Dornach, 17. Februar 1920

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Es ist notwendig, daß wir wissen, daß wir in drei Gebieten, in drei Strömungen leben, nämlich in der physischen Welt, wo wir wahrnehmen und die Wahrnehmungen mit unserem an das Ge­hirn gebundenen Verstand verarbeiten; dann die Welt an der Schwelle, wo der Verstand schon nicht mehr ausreicht, die Erfahrungen (Erlebnisse) zu erklären; und schließlich die Welt jenseits der Schwelle, wo man in Beziehung tritt zu geistigen Wesen. Die Menschheit als solche steht an der Schwelle.

Alles, was an Natur und Außenwelt um uns herum ist, ist diesseits der Schwelle, aber wir können fragen, wo wir die Er­lebnisse der Schwelle geoffenbart finden können. Diese findet man nämlich in den religiösen Bekenntnissen der verschieden­sten Art. Diese erzählen in ihren Kulten, Gebräuchen und so weiter von demjenigen, was nicht mit dem Verstande erfaßt werden kann.

Die Erlebnisse an der Schwelle haben etwas Verwirrendes; das ist aber so, weil all dasjenige, was aus der Sinneswelt mitgebracht wird, dort seinen Sinn verliert. Die modernen Religions-bekenntnisse haben aber keine wirklichen religiösen Impulse; daher wollen sie alles mit der Intelligenz durchdringen, die dort aber versagen muß. Daher können sie den Christus als außer-irdisches Wesen und besonders die Auferstehung nicht verstehen. Wenn der Theologe von Jesus spricht, so wie es heute üblich ist, dann leugnet er eigentlich, daß der Christus auferstanden ist, und nur wenn man das Geschehen in Palästina auffaßt als etwas, was nicht mit dem Verstande begriffen wird, was man nur über-sinnlich verstehen kann, kommt man jenseits der Schwelle.

Die Verwirrung, die dadurch entsteht, daß alles von der Sinneswelt Hergebrachte seinen Sinn verliert, hört erst auf, wenn das Licht von jenseits der Schwelle in diese Verwirrung hinein-fällt; das ist aber nicht möglich ohne den Christus. Wenn wir

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uns nicht mit dem Christus so verbinden, daß wir sagen können:

«Nicht ich, der Christus in mir», dann können wir in der Zukunft nicht einmal als Menschen weiterleben.

Die Gottheit, die wir den Vatergott nennen, hat der Mensch­heit die Kräfte gegeben, daß wir uns als ein Ich fühlen, ein kon­tinuierliches Ich durch die Inkarnationen; aber diese Kraft ist verbraucht, und die Götter haben bestimmt, daß der Mensch nun aus sich selbst, aus eigenem freien Willen sein Ich weiter-führt, damit er sich für die weiteren Inkarnationen auch als Ich fühlen kann. Sonst gerät man in die Gefahr, von der das vorige Mal gesprochen wurde, daß die Menschen seelenlos werden, daß der Faden des Ich abreißt. Daß das in der Menschheit nicht stattfinden werde, dafür ist der Christus aus der geistigen Welt hernieder gekommen, durch den Tod gegangen und auferstan­den. Dazu wird uns die Meditation gegeben.*

Ein Ich gab mir das Göttliche

Die Menschheit weist mir Christus,

- der Christus macht mich zum Menschen -

die Seele wird mir der Geist beleben.

Von solchen Wahrheiten wissen viele Geheimgesellschaften, aber sie wollen sie eben für sich behalten. Daher wollen solche Geheimgesellschaften diese Wahrheiten nicht so sehr ableugnen, als für sich gewinnen, sie von ihrem Strom ablenken und als von ihnen selbst herrührend in der Welt vertreten. Es wäre nichts leichter, als die Geisteswissenschaft populär zu machen. Ich (Dr. Steiner) brauchte mich nur zurückzuziehen und verbreiten zu lassen, ich sei gestorben, dann würden die Geheimgesellschaften den Wahrheiten der Geisteswissenschaft bald zu einer Populari­tät verhelfen, die ihre Macht stärken würde. Man soll daher zum Beispiel mit Jesuiten, von denen jetzt so gegen die Geisteswis­senschaft angekämpft wird, nicht streiten, wie man mit anderen

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* Die Meditation wurde an die Tafel geschrieben und konnte abgeschrieben werden.

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Gegnern einen sachlichen Kampf aufnehmen könnte. Es kann sich um die Bekehrung des Jesuiten - daß er durch Argumente überzeugt werden könnte - gar nicht handeln, und die Widerle­gungen, die man bringt, sind ihm im Grunde genommen sehr wertvoll, denn das sind für ihn die Waffen, die er selber einmal gebrauchen will, wenn er die übersinnlichen Wahrheiten von sich aus vertreten wird. Es kann sich höchstens darum handeln, daß man versucht, andere Menschen über die Art des jesuiti­schen Angreifens aufzuklären, aber nicht um eine Widerlegung des jesuitischen Angriffs selber.

Ergänzung von Helene Finckh:

Das Ich sei eigentlich nur noch Hülle; und es wird immer dün­ner und dünner werden; aber Christus tritt ein dafür; Christus aber ist nur in der Menschheit zu finden, nicht beim einzelnen Menschen.

Zu Beginn und Schluß der Stunde: 0 Mensch, erkenne dich selbst . . . *

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* Siehe Seite 499f.

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ESOTERISCHE STUNDE

London, 16. April 1922

#TX

In London gab es im April 1922 Sonntag vormittag 16. April 1922 eine esoterische Stunde, von Dr. Steiner gehalten. (Zugang hatten alle diejenigen, die von Rudolf Steiner persönliche Medi­tationen erhalten hatten.) Die Stunde fand in dem Zweigraum der von Mr. Heywood-Smith gegründeten und durch viele Jahre von Mrs. Drury-Lavin geführten Zarathustra-Group in 47 Rad­eliffe Square, London SW statt. Im gleichen Raum hatte Rudolf Steiner (1. und 2. Mai 1913) die Vorträge über Michael und das neue Christus-Ereignis gehalten.

In dieser esoterischen Stunde sprach Rudolf Steiner u. a. sehr ernst über die Schule von Gondhischapur und den damit ver­bundenen, in unsere Zeit hereinwirkenden starken ahrimani­schen Einschlag. Die Stunde gipfelte in der ersten und dritten der «drei Tafeln» [siehe S. 499-505], die in manchen der letzten Klassenstunden (bis Anfang August 1924) in Dornach gespro­chen wurden (0 Mensch, erkenne dich selbst und die Antwort, die der Mensch selbst spricht. In diese Antwort war das E.D.N., I.C.M., P.S.S.R. hineinverflochten). Die Anwesenden durften nachher die Meditationssprüche abschreiben und behalten.*

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* Erinnerungsbericht von George Adams in einem Brief vom 8. Oktober 1954.

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#Bild s. 370-381

#SE266c-382

#TI

ESOTERISCHE STUNDE

London, 12. November 1922

#TX

Wir haben außer dem, daß wir Naturerkenntnis haben, mora-lische Verpflichtungen und ein religiöses Bewußtsein, d. h. wir fühlen, daß wir mit unserm ganzen Wesen in einer geistigen Welt ruhen. Dies religiöse Bewußtsein hat der Mensch im Wa­chen nur dadurch, daß er in seinem physischen Leibe ist. Da ist er zusammen in seinem physischen Leibe mit Geistern höherer Weltordnungen. Und er lebt in seinem ätherischen Leibe zusam­men mit demjenigen, was diese Geister mit dem Moralischen meinen. Religiöses Leben ist abhängig vom physischen Leben -moralisches Leben vom Ätherleibe.

Der Weltenäther, aus dem unser Ätherleib genommen ist, hat zwei Glieder. Das eine Glied dieses Weltenäthers ist Wärme-, Licht-, chemischer Äther und Lebensäther. All dem liegt zu­grunde (als zweites Glied) ein moralisches Wesen des Welten-äthers. Dies moralische Wesen des Weltenäthers ist aber nur vorhanden in der Nähe der Gestirne und Planeten. Also, wenn Sie auf Erden leben, dann sind Sie, obwohl Sie es bei Tag nicht wissen, auch in dem Weltenäther als moralische Essenz darinnen (also in beiden Gliedern). Zwischen den Gestirnen aber wird das Moralische aus dem Äther durch das Sonnenlicht herausgetrie­ben; das Sonnenlicht selber hat in sich geradezu für uns Men­schen den Urquell des moralischen Äthers. Aber indem die Son­ne scheint, vertreibt sie durch ihr Licht die moralische Essenz des Athers. Und so, wenn wir durch unser Auge in die Welt hinausschauen, sehen wir Blumen, Quellen etc., ohne daß wir es mit Moralischem durchziehen, weil uns das Sonnenlicht das Moralische heraustötet.

Wenn wir aus physischem und Ätherleibe herausgehen, lassen wir zurück das Religiöse und Moralische. Und dadurch, daß die moralische Weltordnung aus dem Äther heraus ist, hat Zugang zu diesem Äther die ahrimanische Wesenheit. Die spricht zu

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dem Menschen während des Schlafes, und dieser Lügengeist stellt dem Menschen das Gute als bös und das Böse als gut dar. - Bei einem guten Menschen, der ein gutes Gewissen hat, der ein inniger Mensch ist, ein tief moralisch empfindender Mensch, geht das moralische Empfinden so tief, daß er es in den Schlaf hineinnimmt. Ahriman flüstert ihm ein, das Gute sei bös, und er schläft schlecht, weil er glaubt, viel Böses getan zu haben, wäh­rend der böse Mensch gerade oft einen so guten Schlaf hat, da er so zufrieden ist durch die ahrimanischen Einflüsterungen.

#SE266c-384

#TI

ESOTERISCHE STUNDE

Wien, 30. September 1923

#TX

Auf die Bitte von Ludwig Polzer-Hoditz hielt Rudolf Steiner während der Vorträge, die im September/Oktober 1923 in Wien gehalten wurden, für einen kleinen Kreis auch eine esoterische Stunde. Gemäß der Aufzeichnung in einem im Rudolf Steiner Archiv vorliegenden Spruchbüchlein von Polzer-Hoditz fand die Stunde am Sonntag, den 30. September statt. Als Sprüche sind verzeichnet das indische Mantram: Satyam gnanam . . . und die deutsche Fassung: Ewiges Sein, unendliche Gnade . . . sowie das dreiteilige Mantram: «0 Mensch, erkenne dich selbst ...» [siehe Seite 499f.].

Nach dem ebenfalls vorliegenden Bericht von Hans Erhard Lauer, der an der Stunde hatte teilnehmen können, waren un­gefähr 20 Menschen anwesend: «Rudolf Steiner sprach zuerst ein indisches Mantram und schloß mit dem Klassen-Mantram 0 Mensch erkenne dich selbst . . . und der Tempellegende.»*

Nach brieflicher Mitteilung Polzers vom 27. Februar 1930 an den Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft habe ihm Rudolf Steiner im Herbst 1923 erlaubt, «als er auf meine Bitten in Wien eine esoterische Stunde hielt, dieses wei­terzuführen und den esoterischen Kreis zu erweitern». Nach dem Bericht von Hans Erhard Lauer habe Rudolf Steiner zu Polzer gesagt, er könne das von Zeit zu Zeit wiederholen. Das habe Polzer auch getan, aber nur ein- oder zweimal, denn kurze Zeit darauf kam in Dornach die Weihnachtstagung und die Einrichtung der Ersten Klasse.

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* Vgl. die Stunden für die Wachsmuth-Lerchenfeld-Gruppe, GA 265, Seite 455ff.

#SE266c-385

#Bild s. 385

DRITTER TEIL ZWEI ESOTERISCHE STUNDEN FÜR DEN «ESOTERISCHEN JUGENDKREIS» MIT AUFZEICHNUNGEN ZU SEINER ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

#G266c-1998-SE387 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

#TI

DRITTER TEIL

ZWEI ESOTERISCHE STUNDEN FÜR DEN

«ESOTERISCHEN JUGENDKREIS»

MIT AUFZEICHNUNGEN ZU SEINER

ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

#SE266c-389

ZUR ENTSTEHUNGSGESCHICHTE

DES ESOTERISCHEN JUGENDKREISES

Vorbemerkungen der Herausgeber

#TX

Für das Verständnis der Entstehungsgeschichte des esoterischen Ju­gendkreises muß ausgegangen werden von der allgemeinen anthro­posophischen Jugendbewegung, da die Idee des «Kreises» mit dieser engstens verbunden ist.

Die Weltkriegskatastrophe von 1914 bis 1918 hatte erwiesen, daß die alten sozialen Zusammenhänge überholt waren und einer völli­gen Neugestaltung bedurften. So war im Frühjahr 1919 aus Rudolf Steiners Anthroposophie heraus die Bewegung für eine Dreigliede­rung des sozialen Organismus entstanden. Anstelle des alten Ein­heitsstaates erstrebte sie die volle Selbstverwaltung von Geistes-, Rechts- und Wirtschaftsleben. Das große Echo, das diese Bestre­bungen in der Öffentlichkeit hervorriefen, bestand auch darin, daß sich mehr und mehr Jugend zur Anthroposophie fand. An den Uni­versitäten und anderen Hochschulen in Deutschland, auch in der Schweiz und Österreich, entstanden anthroposophische Studenten-gruppen, die im Sommer 1920 den «Bund für anthroposophische Hochschularbeit» begründeten. Mit Hochschulkursen am Goethe­anum in Dornach und in anderen Städten wollte man den Keim zu einem freien Hochschulwesen legen. Diesen Intentionen stand man in der Anthroposophischen Gesellschaft offenbar zum Teil skep­tisch gegenüber, was Rudolf Steiner veranlaßte, in der ersten Mit­gliederversammlung der Gesellschaft nach 1914, die am 4. Septem­ber 1921 in Stuttgart stattfand,' auf das Votum eines Studenten der Tübinger Universität2 mit den Worten zu reagieren: «Hier hat ein Vertreter der Jugendbewegung gesprochen! Hier sitzen eine ganze Anzahl von Vertretern der Studentenschaft! Meine lieben Freunde:

Daß die Angehörigen solcher Bewegungen oder solcher Körper­schaften zu unserer Anthroposophischen Gesellschaft gekommen

1 Protokoll noch unveröffentlicht.

2 Alfred Heidenreich (1898-1969); siehe auch seine Schrift «Jugendbewegung und Anthroposophie», Stuttgart 1922.

#SE266c-390

sind, das ist etwas, was wir als epochemachend innerhalb der Ge­schichte unserer anthroposophischen Bewegung betrachten müssen. Wir müssen alles tun, was von solcher Seite her mit Recht von der Anthroposophischen Gesellschaft erwartet werden kann.» Schon vordem hatte er die mit Beginn des 20. Jahrhunderts entstandene Jugend-Bewegung (Wandervogel) als eine «aus elementaren Kräften heraus international in die Höhe geschossene Bewegung» charakte­risiert, in der etwas aufgeleuchtet habe von dem «ungeheuer bedeut­samen Wendepunkt vom Ende des 19. Jahrhunderts», dem Ende des Kali Yuga.3

Von solchen elementaren Kräften befeuert, fühlten sich die an der Anthroposophie interessierten Jugendlichen, die teils noch in enger Verbindung zur Wandervogel-Jugendbewegung standen, in der Anthroposophischen Gesellschaft tief unbefriedigt. Und so suchten sie nach Möglichkeiten, auch anthroposophisch-gesell­schaftlich sich selbst zu organisieren. Unter dem Datum 17. März 1920 erging von Stuttgart aus ein erstes Rundschreiben «An die Ju­gend der anthroposophischen Bewegung»4 mit dem Aufruf, sich aufgrund einer Anregung Rudolf Steiners zur Gründung eines allge­meinen Jugendzweiges zusammenzuschließen. Kurz darauf wurde einem der Jugendlichen, Otto Palmer jun., Gelegenheit gegeben, über diese Bestrebungen am 25. April 1920 in Dornach bei der 7. ordentlichen Generalversammlung des Vereins des Goetheanum, der freien Hochschule für Geisteswissenschaft, zu berichten. Laut Protokoll5 sagte er Folgendes:

«Wenn man über die anthroposophische Jugendbewegung be­richten soll, was dort Positives zustandegekommen ist, so ist das nur möglich, wenn man ganz kurz zurückgreift auf den Ursprung dieser Bewegung und ihre Entwicklung.

Wenn man diese Bewegung recht verstehen will, so muß man sie vor allen Dingen als einen Protest betrachten, der innerhalb der Ju­gend lebendig geworden ist gegen das alte Zweigleben, wie es bisher in der Anthroposophischen Gesellschaft üblich war. Es lebt wohl in der Jugend tatsächlich etwas, was das Bedürfnis fühlt, Anthroposophie

3 Ansprache an die Jugend in Stuttgart, 20. März 1921, in GA 217a.

4 Siehe Seite 401.

5 Noch unveröffentlicht.

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nicht bloß als einen Sonntagnachmittags-Festschmuck anzu­stecken, sondern all das, was in der Anthroposophie gegeben ist, ins Leben überzuführen und in Praxis umzusetzen. Daß da und dort aus diesem Protest heraus zuerst der Fehler gemacht wurde, pro­grammatisch an die Sache heranzugehen, lag zum Teil vielleicht dar­an, daß man dieses Bedürfnis so stark fühlte und nun gleich nach allen Seiten hin Fühlung nehmen wollte, anstatt an einem einzelnen Punkt mit der Arbeit anzufangen und an diese positive Arbeit das weitere sich ankristallisieren zu lassen. Das gab Anlaß zu prinzipiel­len Kontroversen, indem von der einen Seite besonders Gewicht darauf gelegt wurde, es müsse ein Jugendzweig begründet werden -dem von der anderen Seite das Mißtrauen entgegengebracht wurde, es komme dadurch gerade das hinein, was man nicht hinein haben möchte. Dieser wirklich rein nominelle Meinungsunterschied führte dann zu einer Lösung in der Art, daß wir dort in Stuttgart nun eine Reihe von Gruppen haben, die aus dem Bedürfnis dieser Jugend­bewegung herausgewachsen sind in dem Sinne, daß dort bei der Ar­beit anstelle, ich möchte sagen, eines vom Podium herunter Vortra­genden und einem mehr oder weniger zuhörenden Publikum, sich da nun Leute zusammengeschlossen haben, die wirklich gemeinsam ein Thema bearbeiten wollen, sei es, daß der Mittelpunkt dieser Arbeit ein Buch ist, sei es, daß gemeinsam eine Diskussionsarbeit gemacht wird, sei es, daß ein bestimmtes Thema mit einem fach­lichen Inhalt in gemeinsamer seminaristischer Arbeit durchgenom­men wird. In dieser Weise zu arbeiten, schafft dann von selbst den Boden für ein Vortragswesen, in dem nun die Veranstaltungen die­ser Gruppen, die einzeln arbeiten, zusammengefaßt werden können zu einer Vortragsreihe, wo dann wirklich ein lebendiger Zusammen­hang zwischen Vortragendem und Publikum hergestellt wird und wo das Publikum durch die Vorarbeit, die geleistet worden ist, die­se Vorträge als einen zusammenfassenden Höhepunkt der eigenen Arbeit empfindet.

Diese Lösung, die in einer gewissen Art dem Gedanken der Frei­heit des Geisteslebens nahekommen will, das unmöglich im Engen eingeschlossen sein kann, erstrebt - da die alte Art des Zweiges als ein Zwang empfunden wurde -, daß an die Stelle dieser Art von Zwang ein Schaffen und Gestalten aus dem wirklich Lebendigen heraus geschehen soll, das sich auch nicht zum vornherein in einem

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bestimmten Programm aussprechen kann. Es handelt sich wirklich darum, den Versuch zu machen, die Freiheit des Geisteslebens, soweit dies in diesem kleinen Rahmen möglich ist, durchzuführen. Es gilt, eine gewisse Angst zu überwinden, die doch noch davor herrscht, daß ein solches freies Geistesleben Gegenkräfte wachruft, die Schwierigkeiten machen könnten und auch machen werden. Man kann eine solche Aufgabe nur unternehmen, wenn man in sich etwas Lebendiges zu haben glaubt, aus dem die Kräfte kommen, die imstande sind, die Gegenkräfte zu überwinden.»

Entsprechend dieser Darstellung heißt es in dem auf den Aufruf vom 17. März 1920 folgenden Rundschreiben von Ehrenfried Pfeif­fer vom 16. April 1920, «Entwurf über Grundzüge der Arbeit im

Jugendzweig»6: «Die Arbeit im Jugendzweig soll vor allem unter dem Gesichtspunkte geschehen, daß die Jugend einmal der Träger der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft sein kann. (...) Wenn wir selbst zu unserem Wollen das Können hinzufügen, dann kann der Kampf gegen das alte Denken überall aufgenommen werden. Geschieht die Arbeit des Jugendzweiges in diesem Sinne, so ergibt sich die äußere Form von selber.»

Solch äußere Form ergab sich dann aber erst zu Beginn des Jah­res 1923 durch die Hilfe Rudolf Steiners. Er ermöglichte es, daß sich neben der offiziellen Anthroposophischen Gesellschaft eine eigene, die «Freie Anthroposophische Gesellschaft» für die Jugend bilden konnte.7

Vorangegangen waren dem folgende Etappen: Es waren allerorts Jugendgruppen entstanden. Ein anthroposophischer Hochschulbund war begründet worden. Anthroposophische Hochschulkurse und große Kongresse wurden veranstaltet. Aber weder die Jungen noch die Alten waren mit dieser Entwicklung wirklich zufrieden, und der Generationenkonflikt wurde immer tiefer. Das führte dazu, daß während des Ost-West-Kongresses in Wien im Juni 1922 sich meh­rere gleichgesinnte Jugendliche zusammenfanden, die den Plan faß­ten, um ihrer Probleme willen ein Treffen der Jugend mit Rudolf Steiner anzustreben. Bereits im Juli konnten drei - die beiden

6 Siehe Seite 408.

7 Für das Memorandum zu der Bildung dieser Gesellschaft siehe S. 415. Näheres dazu findet man in «Das Schicksalsjahr 1923», GA 259.

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Freunde Ernst Lehrs und Fritz Kübler sowie René Maikowski, der Geschäftsführer des Hochschulbundes - mit Rudolf Steiner in Dornach darüber sprechen. Sie erhielten eine Zusage für ein solches Treffen für Anfang Oktober in Stuttgart. Daraufhin reiste Ernst Lehrs durch Nord-, Fritz Kübler durch Süddeutschland, um an­throposophisch orientierte Jugendliche zu diesem Treffen aufzuru­fen. Ernst Lehrs berichtete über seine Erfahrungen in einem Brief an Rudolf Steiner wie folgt:8

«Jena, 18. September 1922 Sehr verehrter Herr Doktor Steiner!

Es liegt mir daran, bevor wir in Stuttgart mit Ihnen zusammen sein werden, Ihnen meine Erfahrungen mitzuteilen, die ich inzwischen bei meiner Anwesenheit bei den Freunden in Bremen, Berlin und Dresden und durch schriftlichen Meinungsaustausch gemacht habe. Zu meiner großen Freude fand ich nämlich überall einen neuen Zug aus ganz den gleichen Impulsen, aus denen heraus Kübler und ich bei Ihnen in Dorn­ach waren: allgemein ist die Erkenntnis aufgegangen, daß jeder Versuch zur Zusammenarbeit im Zeitalter der Bewußtseinsseele auch in unserem Kreise verurteilt war, zu einem Nebeneinander-Arbeiten zu werden, und daß es höchste Zeit ist, zumal im Hinblick auf den nicht mehr aufhaltba­ren Zusammenbruch des äußeren Gefüges, sich durch die Nebeneinan­der-Arbeit so bewußt zu einer Brüderlichkeit zu erziehen, daß jene zu einer Zusammenarbeit werde, die vorbildlich wirken kann. So wäre es zu eng gefaßt, wollte man davon sprechen, daß in Stuttgart eine Anzahl von werdenden «Pädagogen» zusammenkommen, die sich von Ihnen für ihre «Berufs»-ausbildung gerne etwas sagen lassen möchten. Es kommen viel­mehr solche wissenschaftlich, künstlerisch und pädagogisch gerichtete Menschen zusammen, die zum größten Teil bereits an einer Gemein­schaftsbildung im obigen Sinne arbeiten. Ihnen allen ist gemeinsam der Trieb zum Menschenerzieher, denn auf allen drei Gebieten genügt uns heute nicht mehr ein Lernen sondern ein Selbsterziehen, nicht mehr ein Lehren sondern ein Erziehen! Und zu ihnen allen, soweit sie Anthropo­sophen sind, ist im Laufe dieses Jahres etwas wie ein «Gottesfreund» aus der geistigen Welt gekommen, gleichsam wie der Laie, der zu Tauler kam!

8 Lehrs bringt diesen Brief fast wörtlich auf S. 137 in seinen Memoiren «Gelebte Erwartung», Stuttgart 1979, ohne daß ihm das Original vorgelegen hätte, das sich als Handschrift im Rudolf-Steiner-Archiv befindet. Als Datum hat er dort irrtümlicherweise den 3. statt den 18. September.

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Werden also die in Stuttgart Anwesenden auch zum größten Teile künf­tige «Schullehrer» sein, so gibt es eine nicht unbeträchtliche Anzahl an­derer - so z. B. Abgesandte eines Dresdener Kreises von Bildhauern und Architekten, die dabei sind eine Arbeitsgemeinschaft zu bilden, in der sie sich und andere auf dem Boden der Geisteswissenschaft zu «Bau-Meistern» erziehen wollen. Alle diese aber wünschen sich, so in Stuttgart zusammen zu sein, daß bei ihrem Auseinandergehen etwas in der geisti­gen Welt gewissermaßen zusammenbleibt, damit sie in einer ernsthaften, herzlichen Gegenseitigkeit von Gruppe zu Gruppe, von Ort zu Ort, von Beruf zu Beruf sich so einander helfen und fördern, daß sie als ein namen­loser, aber lebendiger Bund durch ihr vorbildliches Sein und Wirken ih­ren Mitmenschen Mut und Vertrauen geben können zu einer endlichen Befreiung des Geisteslebens.

Es grüßt Sie Ihr dankbar ergebener Ernst Lehrs. Es wäre angebracht, am 1. Oktober noch keine Veranstaltung anzusetzen, damit die Teilnehmer Zeit haben, einander etwas kennenzulernen.»

Der Brief macht deutlich, daß für die meisten dieser Jugendlichen im Vordergrund das Interesse für ihren künftigen pädagogischen Beruf stand, hingegen bei einigen anderen mehr die Intention, zu einem berufsunabhängigen «namenlosen, aber lebendigen Bund» zu kommen.

Die Andeutung eines derartigen Bundes führt zurück auf das Zu­sammentreffen von Ernst Lehrs mit Wilhelm Rath und dessen Ar­beitsgruppe in Berlin im August 1922, also kurz vor der Abfassung des Briefes an Rudolf Steiner. Wilhelm Rath hatte sich während der Arbeit mit einer Berliner Jugendgruppe an Rudolf Steiners Schrift «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung» (1901, GA 7) für die darin geschilderte mittelalterliche Gestalt des Gottesfreundes vom Oberland und dessen Kreis von zwölf Gottesfreunden begeistert. Daran entzündete sich ihm das Ideal, für die anthroposophische Ju­gendarbeit zur Bildung einer ähnlich gearteten, nur den Forderun­gen der Gegenwart angemessenen Bruderschaft zu kommen. Noch bestärkt darin wurden diese Berliner Jugendlichen durch einen Mit­te Juli 1922 in der Zeitschrift «Anthroposophie, Wochenschrift für freies Geistesleben» erschienenen Aufruf,9 sich dem neu begründeten

9 Dieser Aufruf ist auf Seite 411 wiedergegeben.

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«Bund für freies Geistesleben» anzuschließen. Sie waren sofort der Meinung, daß man so, wie es in diesem Aufruf geschehen ist, nicht vorgehen könne. Und als kurz darauf Ernst Lehrs auf seiner Organisationsreise für das Jugendtreffen mit Wilhelm Rath und des­sen Arbeitsgruppe in Berlin zusammentraf, begeisterte auch er sich für deren Ideal von einem den Gottesfreunden ähnlichen Bund. Damals sprach Wilhelm Rath zu Ernst Lehrs auch schon von sei­nem Gedanken, daß man Dr. Steiner um eine gemeinsame Medita­tion bitten solle, durch die sich alle Jugendlichen im Geiste täglich miteinander verbinden könnten. Und kurz vor der Abreise nach Stuttgart schrieb Rath an Lehrs noch, wie er glaube, daß dieser Gedanke beim Jugendtreffen vorgebracht werden könnte: «Noch einen Vorschlag hätte ich, den man aber vielleicht erst im Laufe der Veranstaltung im persönlichen Gespräch wird zur Sprache bringen können, um ihn dann gegebenenfalls Dr. Steiner als Bitte zu unter­breiten: daß er uns, die wir ja für alle Zukunft zu einem intensiven lebendigen Zusammenarbeiten kommen wollen, die Möglichkeit gibt, daß wir, auch wenn uns der Raum trennt, uns doch im Geiste zu bestimmter Zeit meditativ vereinigen können in rhythmischer Folge, daß uns der Doktor also eine uns vereinigende gemeinsame Meditation gibt, in deren Inhalt man sich des Morgens oder des Abends versenkt. - Der Gedanke scheint mir wichig. Ob und wie er sich verwirklicht, wird sich schon herausstellen - die mit der Verwirklichung verbundenen Gefahren müßte man besonders be­denken.» Mit diesem Brief - so Wilhelm Rath in seinem Bericht «Mein Weg zum Kreis» - «war das Ergebnis eines langen, intensi­ven Ringens um die von uns an Dr. Steiner zu stellende Frage zu etner bestimmten Formulierung gelangt».

Dazu beigetragen hatte offenbar auch das Vertrauensverhältnis, das Wilhelm Rath zu einigen Berliner Vertretern der älteren Gene­ration gewonnen hatte. Mit ihnen - die ihm einiges über die Esote­rtsche Schule der Vorkriegszeit berichteten - habe er ebenfalls über seinen Gedanken zur Bildung eines esoterischen Gemeinschaftsstre­bens sprechen können. Es waren dies Wilhelm Selling und seine Frau Karin Selling sowie sein Schwager Kurt Walther, der bis zum Herbst 1921 dem Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft angehört hatte. Die drei wurden zu einer Art Protektoren der Rath'schen Bestrebung, kamen auch im Oktober 1922 mit nach

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Stuttgart und gehörten dann zu den Gründungsmitgliedern des esoterischen Jugendkreises.

Als sich am 1. Oktober gegen 80 junge Menschen von 18 bis 25 Jahren (denen sich auch einige ältere anschlossen) im Stuttgarter Gesellschaftshaus zu dem Treffen der Jugend mit Rudolf Steiner einfanden, machte sich sogleich der Gegensatz «ältere - jüngere Generation» bemerkbar. Denn die offiziellen Gesellschaftsvertreter waren brüskiert, daß sie in die Veranstaltung nicht einbezogen wor­den waren. Sie fragten deshalb bei Rudolf Steiner an, worauf er geantwortet habe: Er selber wisse auch nicht, was die jungen Leute von ihm wollten. Einige von ihnen seien bei ihm gewesen und hät­ten über alles mögliche mit ihm gesprochen, und er habe ihnen auf ihre Bitten diesen Kursus zugesagt. Aber, was sie wirklich wollten, hätten sie ihm nicht gesagt. Als man dies den Initianten des Jugend­treffens mitteilte, waren sie darüber sehr erschrocken und ließen ihrerseits Rudolf Steiner durch einen Freund um eine Erklärung bitten. Seine Antwort habe gelautet: Sie hätten zum Ausdruck gebracht, daß sie starre Programme als etwas Überlebtes ansähen. Er sei darin ganz mit ihnen einig. So sollten sie auf Grund der unter ihnen inzwischen geleisteten Arbeit ihm sagen, worüber er im Kur­sus zu ihnen sprechen solle. Ihm sei nahegelegt worden (mit dem Brief von Ernst Lehrs), nicht gleich am ersten Tage zu erscheinen, um den Versammelten Zeit zu lassen, sich untereinander gehörig zusammenzufinden. Er schlage vor, daß man diese Zeit benutze, um sich über ein bestimmtes, ihm zu stellendes Thema für seinen ersten Vortrag klar zu werden. Nach Anhören desselben hätten sie dann Material, sich darüber klar zu werden, worüber sie von ihm in sei­nem zweiten Vortrag hören wollten. Auf diese Weise solle, ganz wie sie es sich wünschen, der Kurs'1 ohne Programm ganz lebendig entstehen. (Nach dem Bericht «Entstehungsgeschichte des Jugend-kreises» von Ernst Lehrs.)

Bei den daraufhin erfolgten Gesprächen im Organisationsgre­mium bildeten sich zwei sehr gegensätzliche Auffassungen heraus. Während die Rath-Lehrs-Gruppe ihre Frage nach einer berufsunabhängigen

10 Auf Rudolf Steiners Veranlassung hin wurden dann aber sowohl der Gesell­schaftsvorstand wie auch das Lehrerkollegium der Freien Waldorfscbule zu seinen Vorträgen eingeladen.

11 Pädagogischer Jugendkurs, Stuttgart 3. - 15. Oktober 1922, GA 217.

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esoterischen Gemeinschaftsbildung vorbringen wollte, lehnte die andere Gruppe dies kategorisch ab und forderte, daß nur das Pädagogische betreffende Fragen gestellt werden sollen. Zuletzt einigte man sich auf eine neutral formulierte Frage. Als diese dann Rudolf Steiner nach seiner Ankunft am 3. Oktober vorgelegt wurde und er davon enttäuscht zu sein schien, fühlte sich Wilhelm Rath gedrängt, doch auch auszusprechen, daß einigen noch besonders am Herzen liege die Frage nach einer esoterischen Gemeinschaftsbil­dung. Rudolf Steiner sei sofort bereitwillig darauf eingegangen, habe aber vorgeschlagen, das zunächst doch unter allen Kursteilnehmern zu besprechen; diejenigen, denen das sympathisch sei, würden sich dann schon dazu finden. Er werde dann selber dazu kommen, und man werde so sprechen, daß dann beim nächsten Zusammensein nur noch die dabei sein würden, die das wirklich wollen.

Einige Male kamen zunächst auf diese Weise alle Kursteilnehmer mit Rudolf Steiner zusammen. Außerdem gab es noch Besprechun­gen der Teilnehmer nur unter sich. Nach zum Teil sehr heftigen Auseinandersetzungen trennte sich die Mehrzahl von der Rath­Lehrs-Gruppe und die weiteren Besprechungen fanden im kleineren Kreis, ohne die Opponenten statt. Wann genau diese Zusammen­künfte stattfanden und was Rudolf Steiner bei welcher Zusammen­kunft sprach, läßt sich wegen der Widersprüche in den Unterlagen nicht mehr erschließen. Bekannt ist nur das Datum der letzten vor­bereitenden Besprechung, die am 12. Oktober stattfand. Am Tage darauf waren nur noch diejenigen anwesend, die sich zur Kreisbil­dung entschlossen hatten. Es waren zwölf, denen Rudolf Steiner die erbetene Meditation gab und drei Tage später, am 16. Oktober 1922, die Gelöbnisformel.12 Dieser 16. Oktober 1922 gilt als der «Stiftungstag» des esoterischen Jugendkreises. Rudolf Steiner kam von der ersten Zusammenkunft an zusammen mit Frau Marie Steiner, die bis 1924 an allem teilnahm.

Das nächste Zusammentreffen von Kreisfreunden mit Rudolf Steiner erfolgte in Dornach, wenige Tage nach der Katastrophe des

12 Wie aus dem Rundschreiben auf Seite 404 zu ersehen ist, spielten ein Gelöbnis und die Zahl Zwölf schon von Anfang an in der Jugendbewegung eine Rolle. Offenbar wurde deshalb auch von den Initianten des esoterischen Jugendkreises ein Gelöbnis für wünschenswert gehalten. Darauf dürfte sich die Bemerkung Rudolf Stciners am Schluß der Zusammenkunft vom 13.10.1922 beziehen.

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Goetheanumbau-Brandes in der Silvesternacht 1922. Ernst Lehrs berichtet darüber: «Seine nach verschiedenen Seiten hin unverblümt geäußerte Kritik an der Gesellschaft und verschiedenen Betätigungen in ihr in den Wochen, die jener schicksaltragenden Weihnachts-und Neujahrszeit vorangegangen waren, ließ einem deutlich werden, daß es deren Versagen zuzuschreiben war, daß dem Bau der nötige geistige Schutz gefehlt hatte. War aus einem Erleben dieses Ver­sagens heraus doch auch schon der Impuls zum Jugendkurs entstan­den sowie dasjenige, was zum Zustandekommen unserer besonderen Sache geführt hat. So kam unter uns der Gedanke auf, wir sollten Rudolf Steiner fragen, ob und wie wir dazu beitragen könnten, daß die Gesellschaft - wie es einer unter uns formulierte - wieder würde.» In diesem Sinne baten sie ihn, mit ihm sprechen zu dürfen. Als sie ihm dann am 3. Januar 1923 im Glashaus ihre Frage nach einem möglichen Beitrag ihrerseits zur Konsolidierung der Gesellschaft vorbringen konnten, habe er «in ruhigem Ton mit nachdrücklichem Ernst» erwidert: «Halten Sie sich nur selber kon­solidiert, und die Gesellschaft wird konsolidiert sein.» Dann habe er noch den Rat gegeben, daß sie sich regelmäßig zusammensetzen sollten, um sich in «symposiumartigen Gesprächen» immer wieder auf die Grundimpulse ihrer Gemeinschaft zu besinnen.13

Die nächste Zusammenkunft mit Rudolf Steiner erfolgte in Stutt­gart am 13. Juli 1923. Die Kreisfreunde hatten darum gebeten, um Fragen vorbringen zu können. Rudolf Steiner sei darauf jedoch gar nicht eingegangen, sondern habe ihnen eine esoterische Stunde gehalten. Eine zweite folgte in Dornach während der Weihnachts­tagungszeit, am 30. Dezember 1923. Zu dieser brachte er außer Frau Marie Steiner auch Frau Dr. Ita Wegman mit.

Nach einer Aufzeichnung von Ernst Lehrs «Definition des Kreises» aus dem Jahre 1963 habe Rudolf Steiner weiterhin «den Betreffenden mit seinem Rat zur Verfügung gestanden, bis zu seiner Erkrankung mündlich, danach bis kurz vor seinem Tode schrift­lich». Darüber liegen jedoch im Rudolf Steiner-Archiv keine Unter­lagen vor.

Für die Nachkriegszeit bis zur Neu-Begründung der früheren esoterischen Schule als «Freie Hochschule für Geisteswissenschaft

13 Aui einem Rundbrief von Ernit Lehrs «Aus der Anfangszeit unierei Kreises».

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am Goetheanum» an Weihnachten 1923 gilt ganz allgemein - und für den esoterischen Jugendkreis im besonderen -, daß die Initia­tiven für esoterische Zusammenschlüsse, so wie auch für die Grün­dung der «Christengemeinschaft», nicht von Rudolf Steiner ausgin­gen. Vielmehr war es so, daß er den an ihn herangetragenen Fragen und Bitten wo immer möglich zu entsprechen suchte.

Einige Angaben zu den zwölf Gründungsmitgliedern:

Daniel van Bemmelen, 1899-1982, geboren in Niederländisch Ost-Indien, Mitglied seit 1921, Lehrer in der von ihm 1923 mitbegründeten ersten holländischen Waldorfschule in Den Haag.

Georg Groot, 1899-1967, Dr. med., geboren in Ronneburg im Baltikum, Mai 1920 Mitglied in Berlin, lernte als Student 1919 durch die Dreiglie­derung die Anthroposophie kennen und arbeitete dann in der Berliner Gruppe des Hochschulbundes mit, zu der auch Wilhelm Rath gehörte. Nach dem Brand des Goetheanums gehörte er jahrelang zu den Wäch­tern, die für die Sicherheit des Baues und der Person Rudolf Steiners verantwortlich waren.

Herbert Hahn, 1890-1970, geboren in PernaulEstland, März 1912 Mit­glied in Berlin. Von Rudolf Steiner 1919 als Lehrer an die Freie Waldorf­schule in Stuttgart berufen.

Ernst Lehrs, 1894-1979, geboren in Berlin, Mitglied seit August 1921, damals Student der Physik in Jena, später Lehrer an der Waldorfschule in Stuttgart und im Kommitee der 1923 für die Jugend begründeten «Freien Anthroposophischen Gesellschaft». Später Lehrer in Den Haag, London, Aberdeen und nach dem Krieg mit seiner Frau Maria Röschl am Rudolf Steiner Seminar in Eckwälden.

René Maikowski, 1900-1992, geboren in Berlin, Mitglied seit 1921, Studium der Geschichte und Sozialwissenschaften, ab 10. März 1922 Geschäftsführer des «Bundes für anthroposophische Hochschularbeit», später Lehrer an verschiedenen Waldorfschulen.

Wilhelm Rath, 1897-1973, geboren in Berlin, Juni 1920 Mitglied in Berlin, Buchhändler, Literat und später Landwirt in Farrach in Kärnten. Mit Lehrs und Maikowski im Kommitee der «Freien Anthroposophischen Gesellschaft» .

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Wilhelm Selling, 1869-1960, geboren in Steinau an der Oder, April 1905 Mitglied in Berlin, Maschinenbautechniker, lange Jahre als Kolonialbeam­ter in Afrika. Aus Gesundheitsgründen frühzeitig pensioniert, stellte er sich in Berlin ganz für die anthroposophische Arbeit zur Verfügung. So betreute er die Theosophische Bibliothek in der Motzstraße und galt als der Mentor der Jugendarbeit in Berlin. 1931 bis 1939 in Stockholm.

Karin Selling, geb. Flack, 1880-1958, Schwedin, Lehrerin, Mitglied schon in der Skandinavischen Sektion der Theosophischen Gesellschaft, heirate­te 1920 Wilhelm Selling und kam nach Berlin, später Lehrerin an der Waldorfschule in Stockholm.

Emma Smit, 1896-1986, Holländerin, Lehrerin, mit ihrem späteren Mann D. van Bemmelen gehörte sie zu den Initianten der «Frije School» in Den Haag.

Maria Spira, 1895-1972, April 1921 Mitglied in Wien, kam aus der zio­nistischen Jugendbewegung, heiratete später Wilhelm Rath und lebte mit ihm ab 1935 in Farrach in Kärnten.

Albrecht Strohschein, 1899-1962, geboren in Hamburg-Harburg, März 1920 Mitglied in Bremen, erst als gelernter Kaufmann Mitarbeiter im «Kommenden Tag» in Stuttgart, dann Student der Psychologie in Jena, 1924 Mitbegründer der heilpädagogischen Bewegung.

Kurt Walther, 1874-1940, geboren in Frankfurt/Oder, Postrat, Juni/Juli 1904 Mitglied in Hamburg, 1908 nach Fürstenwalde bei Berlin versetzt.

1910 heiratete er Wilhelm Sellings Schwester Clara, die seit 1905 zum Haushalt Rudolf Steiners gehörte. Nachdem er 1913 nach Berlin versetzt wurde, kehrten sie in die Motzstraße zurück. Kurt Walther war Vor­tragender und Leiter vieler Kurse, 1916 bis 1921 als Nachfolger von Marie Steiner im Zentralvorstand der Anthroposophischen Gesellschaft.

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Anhang

Einige Dokumente zur Geschichte der anthroposophischen

Jugendbewegung

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1. Aufruf zur Bildung eines «Jugend-Zweiges»

Der erste Aufruf zur Bildung einer anthroposophischen Jugendbewegung, vom 17. März 1920, wurde Rudolf Steiner mit folgendem Begleitbrief14 von Robert Wolfgang Wallach übermittelt:

Stuttgart am 18. März 1920

Sehr verehrter Herr Dr. Steiner!

Nach nochmaliger Überarbeitung haben wir nun den beigelegten Aufruf fertiggestellt und an die jugendlichen Brüder und Schwestern unserer Be­wegung gesandt. Wir hoffen recht sehr, daß wir damit voll und ganz in Ihrem Sinne gehandelt haben. Über die Form und die Arbeit des «Jugend­Zweiges» haben wir weiter beratschlagt und sind zu einigen Punkten ge­kommen, die ich Ihnen gern auch noch unterbreiten möchte. Wir wählen aus dem Kreise der älteren anerkannten Mitglieder der Gesellschaft uns «Patrone», die uns geistig leiten, denen wir unser Tun und Unternehmen unterbreiten, und die für uns bei der Gesellschaft bürgen. Einen «Vor­stand» oder dergleichen gibt es nicht. Wir wählen an jedem Ort, wo eine Arbeitsgruppe entsteht, uns jemanden aus unsrer Mitte, der eine Art Ar­beitssekretariat verwaltet. Es werden bei ihm die Wünsche über einen abzuhaltenden Arbeitskreis eingereicht, und er sucht hierfür aus den äl­teren Mitgliedern einen gerade für dieses Gebiet geeigneten Lehrer und bittet denselben zur Übernahme des Lehramtes. Dann soll von diesem Sekretariat aus die Arbeit in die Kreise der Jugendbewegungen und Hochschulen geleitet werden, in freier, nur dem hohen Ziel entsprechen­den Art. Wir denken ferner an Rundschreiben und später zur Zeitschrift auszubauende Rundbriefe unter den einzelnen Arbeitsgruppen, und hof­fen, daß wir damit ganz in Ihrem Einverständnisse handeln werden. -Indem ich gerade berufen bin, sehr verehrter Herr Dr. Steiner, Ihnen von unserem jungen Wollen die Mitteilung [zu] machen, drängt es mich Ihnen

zu sagen, welche Unendlichkeit, die mich für mein ganzes Leben Ihnen verpflichtet, ich in der doch noch kurzen Zeit meines mich zu Ihnen

14 Original im Rudolf-Steiner-Archiv.

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Gefunden-Habens verdanke und noch zu verdanken haben werde, und was mich Sie bitten läßt meine ganze Dankbarkeit und tiefste Ergebenheit anzunehmen. Ihr Robert Wolfgang Wallach.

Stuttgart, den 17. März 1920.

An die Jugend der anthroposophischen Bewegung!

Schon lange und immer lebhafter haben wir in uns das Bedürfnis und beim Hinblick auf manche, besonders in der jüngeren Generation leben­den, geistigen Bestrebungen der Gegenwart die Notwendigkeit empfun­den, die anthroposophische Weltanschauung, wie sie Rudolf Steiner als Lehrer vertritt, uns zu erarbeiten, auszusprechen und darzuleben in der Art, die unserem in die innere und äußere Not der Zeit hineingeborenen Leben entspricht. Dieses nach Gestaltung drängende Bedürfnis hat nun­mehr die Anregung, die uns Rudolf Steiner selbst zur Gründung eines allgemeinen

JUGEND-ZWEI GES

gegeben hat, zu folgendem Entschlusse reifen lassen:

Wir rufen alle Jugendlichen, die sich der anthroposophischen Bewe­gung angehörig fühlen, gleichgültig, ob sie Mitglieder der Anthroposo­phischen Gesellschaft sind oder nicht, auf, sich mit uns zu einem solchen Jugendzweige zusammenzuschließen.

In diesem wollen wir unter uns und mit selbstgewählten Lehrern in solcher Art arbeiten, wie es unsere Jugend in der Morgendämmerung einer neuen Zeit uns zum Recht zugleich und zur heiligen Pflicht macht. Im einzelnen soll sich die Arbeit völlig frei individuell und den jeweiligen örtlichen Verhältnissen angepaßt gestalten.

Nach außen wollen wir besonders in alle Kreise derjugend, die bisher nicht erreicht wurden, hineinwirken in der Überzeugung, daß gerade sie für die Zukunft Lebensmöglichkeiten in sich tragen; mitberufen, die

anthroposophische Bewegung zu ihrer zukünftigen Weltaufgabe empor­zuheben, bedürfen sie eines eigenen, aus ihrem Wesen sich ergebenden Weges zu ihr hin. Einzige Aufnahmebedingung in diesen Jugendzweig soll das Gelöbnis sein, sich mit ganzer Kraft und Hingebung in den Dienst der Bewegung zu stellen.

Walter Scheidegger, Rudolf Geering, Basel;

Ehrenfried Pfeiffer, Dornach; Anton Burg, Karlsruhe;

Hans Erhard Lauer, Heidelberg; Luise Kieser, Heilbronn;

Else Koch, Leipzig; Otto Senn, München;

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Elisabeth Baumann-Dollfus, Paul Baumann, Freie Waldorfschule Stuttgart;

Robert Wolfang Wallach, Angestellter am «Bund für Dreigliederung», Stuttgart.

Die Mitglieder des «Jugendzweiges» werden als solche der Geschäfts­stelle der Anthroposophischen Gesellschaft in Berlin gemeldet.

Wir bitten den Zusammenschluß an den verschiedenen Orten im Sinne des Aufrufes bald zu bewirken und Mitteilung, Namenslisten und Einzel-anmeldungen hierher gelangen zu lassen, unter der Anschrift: Dr. R. W. Wallach, Stuttgart, Dobelstr. 4/11.

Ein Rundschreiben mit Vorschlägen über die Art der Zusammenarbeit wird in Kürze folgen.

Für Stuttgart ist der Zusammenschluß am 13. März 1920 erfolgt.

Jugendzweig: Gruppe Stuttgart.

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2. Undatiertes Rundschreiben, März/April 1920:

Nr.11

Rundschreiben über

die Form des anthroposophischen Jugendzweiges

Der Jugendzweig ist eine Arbeits-Gemeinschaft. Sein Stammort ist Stutt­gart. Er hat keine Vorsitzenden, sondern in Stuttgart einen Geschäfts­führer und an den einzelnen Orten Arbeitsleiter, die alle jährlich neu bestimmt werden können.

Aus den Reihen der älteren Anthroposophen wählt sich der Jugend-zweig seine Patrone, zu denen die Jugendlichen vollstes Vertrauen haben. Ihnen werden alle Unternehmungen des Jugend-Zweiges zur Begutach­tung vorgelegt. Das Patronat läuft jährlich. Auf 12 Jungleute soll nicht mehr als ein Patron kommen.

Die Mitglieder des Jugendzweiges werden als solche der Geschäftsstel­le der Anthroposophischen Gesellschaft Berlin Motzstrasse gemeldet. Die Mitgliedskarten des Jugend-Zweiges werden von Stuttgart ausgestellt. Mitglied des Jugend-Zweiges kann jeder werden, der bereit ist, das Ge­löbnis abzulegen: Sich mit ganzer Kraft und Hingebung in den Dienst der anthroposophischen Bewegung zu stellen. Eine Altersgrenze gibt es nicht, doch soll Mitglied nur der werden, der bereit ist, dem Lern- und Lebens­willen der jeweils Jüngsten im ganzen Umfange sein Recht werden zu lassen. Die Ableistung des Gelöbnisses soll nach einer Probezeit von 6 Wochen erfolgen - außer wenn der Aufzunehmende schon Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft ist. Bei der Aufnahme und der Zusam­menarbeit sind alle Sympathien und Antipathien vor der Sache selbst zurückzustellen. Der Ausschluß eines Mitgliedes, soweit es nicht selbst sein Gelöbnis zurückzieht, kann nur nach Beantragung der ganzen Grup­pe und nach Gutheißung aller Patrone durch die Geschäftsstelle erfolgen.

In den Ortsgruppen-Besprechungen, die monatlich einmal erfolgen sollen, und beim Antrag auch nur eines Gruppenmitgliedes stattfinden mussen, haben die Mitglieder unter 30 Jahren doppelte Stimme.

Vor der Persönlichkeit Rudolf Steiners als Lehrer sind die Mitglieder des Jugend-Zweiges denen der Gesellschaft gleich berechtigt.

Die Initiative zur Arbeit soll vor allem von den Lernenwollenden durch Anträge beim Arbeitsleiter gegeben werden. Er vermittelt die Zu­sammenarbeit, d. h. er sucht die passenden Lehrer. Als Lehrer sollen möglichst ältere Anthroposophen herangezogen werden. Doch soll den

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Jüngeren auch die Möglichkeit, sich zu Lehrern heranzubilden, gegeben sein. Die Arbeit, bei der letzte Wahrhaftigkeit - wirkliche Beschlagenheit bei den Lehrenden, Aufnahmefähigkeit bei den Lernenden - Grundsatz sein soll, geschieht in freien Arbeitskreisen nach gegenseitiger Verein­barung. Im Einzelnen soll sich die Arbeit den örtlichen Verhältnissen individuell anpassen.

Nach außen gilt es, in alle Kreise der Jugend hineinzuwirken. Man muß versuchen, in freideutschen Verbänden, Hochschulen, Jugendverei­nen Eingang zu finden, Vorträge und Einführungskurse zu halten, und auch eine lebhafte Einzelheranziehung durch persönliches Nähertreten zu bewerkstelligen versuchen. Schriftenaustausch. Aufsätze in jungdeutschen Zeitschriften. Auflegen unserer Zeitschriften in Lesesälen.

Die Verbindung der Ortsgruppen soll [durch] nach Bedürfnis heraus­zugebenden Rundbriefen erfolgen, in denen Erkenntnisse und Erfahrun­gen niedergelegt werden sollen. Außerdem sollen, wenn möglich, Zusam­menkünfte des ganzen Zweiges veranstaltet werden.

Die Ortsgruppen werden einen von ihnen selber noch zu bestimmen­den Mitgliedsbeitrag erheben müssen, von dem wir bitten, einen Teil zur Deckung der Kosten der Geschäftsstelle an dieselbe zu überweisen.

Wir bitten, in den Ortsgruppen dieses Rundschreiben durchzuspre­chen und uns Wünsche auf Änderung seines Textes oder Einverständnis mit ihm an die Stammstelle Stuttgart Dobelstrasse 4 II mitzuteilen, damit wir es in größerer Anzahl zur Verbreitung bringen können.

Die Geschäftsstelle des Anthroposophischen Jugend-Zweiges,

i.A. Otto Benn

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3. Ein Rundschreiben von Paul Baumann, April 1920

Paul Baumann, Lehrer der Stuttgarter Waldorfschule und Mitunterzeichner des Aufrufes vom 17. März 1920 zur Bildung eines Jugendzweiges, distan-zierte sich von einem Rundschreiben15 in Sachen Jugendzweig mit folgendem Schreiben an die Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft. Es ist zwar nicht datiert, muß aber vor dem 16. April 1920 verschickt worden sein, wie aus dem anschließend wiedergegebenen Rundschreiben von Ehrenfried Pfeiffer vom 16. April 1920 hervorgeht.

Anthroposophische Jugendbewegung. Eine Berichtigung.

Es spukt hier seit kurzer Zeit ein verworrenes Treiben unter der Flagge des obigen Titels, das durch einen groben Vertrauensbruch und Miß­brauch meiner Unterschrift mit meinem Namen enger verknüpft er­scheint, als es der Wirklichkeit entspricht.

Sein Programm einer Organisation steht dem, was ich vertreten kann, in jeder Beziehung entgegen. Ich habe nicht die Absicht, die positive Arbeit der Anthroposophischen Gesellschaft dadurch zu stören, daß ich verantwortungslosen Elementen, die nur ihre Jugend an Jahreii als we­sentliches aufführen können, die Gelegenheit gebe, im Namen der Gesell­schaft ihr Unwesen zu treiben und ihn zu ihren persönlichen Zwecken zu mißbrauchen. Ebensowenig will ich eine sinnlose Jugendbewegung grün­den, die nur an Phrasen sich berauscht; finden sich aber junge und für die Jugend interessierte Menschen, die den festen Willen besitzen zur Arbeit in anthroposophischer Richtung, wollen sie ihr Streben in einer beson­deren Gruppe zum Ausdruck bringen, dann hat es einen Sinn, sie zu­sammenzuschließen.

Zwei Gesichtspunkte kommen dabei in Betracht: Eine umfangreiche Arbeit nach außen in alle, besonders in jugendliche Kreise hinein, wissen­schaftliche, künstlerische, propagandistische Tätigkeit kann auch ohne jede Organisation vom Einzelnen geleistet werden; Gruppen werden erst auf Grund von Leistungen entstehen und können dann in Fühlung treten,

15 Es ist nicht klar, von welchem Rundschreiben P. Baumann sich distanzierte: in­haltlich und auch durch die Bezeichnung «2. Rundschreiben» könnte es sich um das vorstehende handeln, dazu aber passt der Passus «Ansichten, die man mir unterstellen könnte auf Grund eines (2.) Rundschreibens, das meinen Namen als Adresse der Geschäftsstelle trägt» nicht. Entweder hat er sich unklar ausge­drückt und meinte die Anwesenheit seines Namens auf dem ersten Rundschrei­ben, oder es gab eine andere Fassung des 2. Rundschreibens, oder es handelte sich um ein drittes Rundschreiben, das im Archiv nicht vorliegt.

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um sich zu befruchten und gemeinsame Stoßkraft zu entwickeln. Sind heute schon freie Gruppen vorhanden, so muß ihr Zusammenschluß zu einer «Anthroposophischen Jugendbewegung« den Sinn der Verstärkung haben: großzügige Unternehmungen sollen durch sie ermöglicht werden. Der andere Gesichtspunkt ist der eines «anthroposophischen Jugend­zweiges» im Rahmen der Gesellschaft. Als Vertrauensmann, der vom Vorstand anerkannt ist, bilde ich einen solchen Zweig in dem Augenblick, da eine Anzahl von Menschen sich mit mir zusammentut unter den Vor­aussetzungen, die die Gründung berechtigen. Dieser Jugendzweig würde allerdings an seine Mitglieder andere Anforderungen stellen, als ein blo­ßes «Gelöbnis» junger Menschen; er würde umfassen die vorher erwähnte Außentätigkeit und Leistungen in noch höherem Grade verlangen. Die besondere Heranbildung der aus der Schule Entlassenen zur Geisteswis­senschaft im persönlichen Verkehr ist seine spezielle Aufgabe. Die Erzie­hungsarbeit der Freien Waldorfschule weiterzuführen, die geisteswissen­schaftlichen akademischen Bestrebungen zu unterstützen, Menschen zu finden und anzuleiten, denen man Vertrauen schenken kann für die Pra­xis, das sind Ziele eines solchen Jugendzweiges. Er wird auch im günstig­sten Falle zunächst nur eine kleine Anzahl von Mitgliedern aufweisen können, der «Lebenswille der jeweils Jüngsten» wird wohl meistens aufs Lernen beschränkt sein; die Regelung ihres Gedankenlaufes, die Klärung ihres Gefühlslebens können ihre Kraft voll beanspruchen und sind heute dringend nötig; von einem Stimmrecht kann erst die Rede sein, wenn sie vertrauenswürdig sind; die Verantwortung ein Urteil darüber abzugeben, ist dem Vertrauensmann auferlegt. Auf dieser Grundlage können an ver­schiedenen Orten Jugendzweige entstehen und sich dann zusammen­schließen.

Nicht programmatische Ausführungen wollte ich hier geben, sondern nur kurze Hinweise auf Grundlagen, die vorhanden sein müssen für eine fruchtbare Jugendbewegung, vor allem aber eine Berichtigung der An­sichten, die man mir unterstellen könnte auf Grund eines (2.) Rundschrei­bens, das meinen Namen als Adresse der Geschäftsstelle trägt, ohne daß ich irgendwie daran beteiligt oder damit einverstanden war. Es wurde in meiner Abwesenheit verfaßt und verschickt. Meine Tätigkeit hier in Stutt­gart steht schon im Dienste einer umfassenden anthroposophischen Jugendbewegung, die geistig vorhanden ist; findet diese die Möglichkeit, auch äußere organisatorische Formen anzunehmen, so tut die Jugend damit einen großen Schritt vorwärts.

Paul Baumann, Lehrer der Freien Waldorfschule

Stuttgart, Landhausstr. 107 II

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4. Ein Rundschreiben von Ehrenfried Pfeiffer

Dornach, den 16. April 1920

An alle jugendlich empfindenden Menschen, welche die wirkliche

Erneuerung des Geisteslebens erstreben!

Beinahe zu viel schon ist über den Jugendzweig geschrieben worden. Doch erscheint es mir als einem Mitbegründer desselben nötig, gegen zwei Rundschreiben Stellung zu nehmen, um die eigentliche Aufgabe des Jugendzweiges wieder in den Vordergrund zu rücken. Das eine, als Rund­schreiben Nr.2 von der Geschäftsstelle des Jugendzweiges Stuttgart ver­breitet, hätte niemals herausgegeben werden können, wenn man sich klar bewußt gewesen wäre, daß der Jugendzweig vor allem eine Stätte ernste­ster Arbeit und Lernens nach innen und Wirkens nach außen sein soll, daß aber nicht eine Organisation geschaffen sein soll, die als starre Schale den guten Kern, den sie umgibt, ersticken muß. Das andere Schreiben geht von Paul Baumann, Stuttgart, aus und scheint gerade aus einem Geiste hervorgegangen zu sein, der sich auch schon in einer senilen «Jugend» bemerkbar macht, den zu überwinden aber gerade die Aufgabe des Jugendzweiges sein soll.

Statt dessen scheint es mir notig, einen Zusammenschluß zu schaffen, der sich aus einem inneren Bedürfnis heraus von selbst ergeben muß ohne «Patrone» oder «vom Vorstand anerkannte Vertrauensleute», die eben doch auch einmal durch senilen Charakter eine lebendige Fortentwick­lung hemmen könnten. Es soll damit keine Kritik geübt werden an diesen

beiden Rundschreiben. Es soll nur gezeigt werden, daß in ihnen nicht der Geist ist, der die Jugend zur Durchführung ihrer Mission tragen kann:

Dereinst Träger der Anthroposophischen Bewegung zu sein und jetzt schon die Erneuerung des Geisteslebens aus jugendlichem Empfinden heraus der Jugend zu bringen. Wie kann aber die Jugend ihre Mission erfüllen, wenn sie organisiert wird (2. Rundschreiben) oder wenn man sie unter Kuratell stellt, wie es Paul Baumann anstrebt, trotz aller guten Gedanken und schönen Worte, die in seinem Rundschreiben enthalten sind?

Zu der Arbeit, die diese Mission ermöglicht soll folgender Entwurf eine Anregung bilden:

Entwurf über Grundzüge der Arbeit im Jugendzweig!

Die Arbeit im Jugendzweig soll vor allem unter dem Gesichtspunkte ge­schehen, daß die Jugend einmal der Träger der anthroposophisch orientierten

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Geisteswissenschaft sein kann. Um die Mitglieder des Jugendzwei­ges hierzu zu befähigen, soll in regelmäßigen, den örtlichen Verhältnissen angepaßten Zusammenkünften durch geeignete Referate und Vorträge und die Mitarbeit der Zuhörer eine Erziehung der Teilnehmer in geistes-wissenschaftlichem Sinne erfolgen, besonders eine Stärkung des Willens und eine Schärfung und Verselbständigung des Denkens und der Urteils-fähigkeit.

Ehe der Jugendzweig irgendwie nach außen auftreten kann, muß er in seinem Inneren einen tatkräftigen, beschlagenen Stamm von Persönlich­keiten haben, die im Stande sind einerseits einer sogenannten exakten Wissenschaft gegenüber den geisteswissenschaftlichen Standpunkt in zu-sammenfassender überzeugender Weise zu vertreten, die andererseits auch fähig sind, den Menschen, die ein richtiges Gefühl für die Geistes-wissenschaft zwar haben, dieses Gefühl aber nicht in logischer, sachgemä­ßer Weise objektiv zum Ausdruck zu bringen vermögen, den Weg zu zeigen zu einer klaren intellektuellen Betätigung, zum tätigen Verstand.

Jeder muß sich bewußt sein: Auf mir ruht die Zukunft der anthropo­sophischen Bewegung. Ich will meine Fähigkeiten so ausbilden, daß ich in der Lage bin mit meiner ganzen Persönlichkeit für die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft einzutreten. Erst wenn ein herangebilde­ter, von solchem Bewußtsein durchdrungener Stamm von Persönlichkei­ten geschaffen ist, wird es mit Erfolg möglich sein an die noch nicht in der anthroposophischen Bewegung stehenden Jugendkreise heranzutreten und sie für unsere Sache zu gewinnen. Wenn wir selbst zu unserem Wollen das Können hinzufügen, dann kann der Kampf gegen das alte Denken überall aufgenommen werden.

Geschieht die Arbeit des Jugendzweiges in diesem Sinne, so ergibt sich die äußere Form von selber. Wer gewillt ist an solcher Arbeit teilzuneh­men, wird sich mit den Gleichgesinnten zusammenfinden. Es werden auch

schon in den Kreisen dieser Jugend solche sein, die fähig sind aus anthro­posophisch orientierter Geisteswissenschaft heraus Vorträge und Anre­gungen zu geben. Sollte die Jugend mit ihrem eigenen Können nicht weiter finden, so wird sich aus den Kreisen der Älteren sicher mancher finden, der bereit ist über ein Thema im Jugendzweig zu sprechen oder in einem vom Jugendzweig bestimmten Gebiet lehrend zu wirken.

Vorsitzende und dergleichen hat eine Ortsgruppe nicht nötig, lediglich einen Geschäftsführer, der den rein geschäftlichen Teil der Ortsgruppe besorgt. Er wird von mindestens sieben Mitgliedern gewählt und kann sich dann der Hauptgeschäftsstelle anschließen. Er bleibt solange Ge­schäftsführer, als er das Vertrauen von mindestens sieben Mitgliedern

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genießt. Die Hauptgeschäftsstelle besorgt den Zusammenschluß und die Verbindung der einzelnen Ortsgruppen. Der Hauptgeschäftsführer wird von der geistigen Zentrale - Dr. Steiner - bestimmt. Den einzelnen Ge­schäftsstellen obliegt das Arrangement von Vorträgen, Kursen, Mieten von Lokalen, die Kostendeckung, Anmeldung der Mitglieder an den Vorstand der Anthroposophischen Gesellschaft Berlin und an den Hauptgeschäftsführer, usw.

Finden sich solche, die noch [nicht] Mitglied der Anthroposophischen

Gesellschaft sind, aber den festen Willen zeigen im oben angegebenen Sinne zu wirken, so können sie auf ihren Antrag hin in den Jugendzweig

aufgenommen werden. Die Arbeit der Ortsgruppe bürge dann dafür, daß der Neuaufgenommene in richtigem Sinne für unsere Sache eintrete.

Je nach den Auslagen der Ortsgruppen kann ein Beitrag erhoben werden, von dem ein Teil zur Unterstützung der Hauptgeschäftsstelle abgeführt werden soll.

Praktische Winke zu erfolgreicher Arbeit werden dadurch gegeben werden können, daß jede Ortsgruppe durch ihren Geschäftsführer die Art ihrer individuellen Arbeit durch Vermittlung der Hauptgeschäftsstel­le den anderen Ortsgruppen zukommen läßt. Durch diese stetige Füh­lungnahme kann gegenseitig an den Erfolgen und Mißerfolgen gelernt werden, was not tut und welche Arbeit besonders wirksam ist.

Es soll dieser Entwurf nur die Anregung geben zu arbeiten. Was in ihm als Organisation betrachtet werden könnte, ist nicht als solche ge­dacht, sondern soll nur der Ariadnefaden sein, der ein gemeinsames, ziel-bewußtes Einen der Kräfte vermittelt.

Wer gewillt ist von diesem Gesichtspunkte aus positiv zu arbeiten, der möge seine Zustimmung an untenstehende Adresse senden. Es ist zu hoffen, daß sich doch noch Jugend findet, die nicht von Senilismus durch­setzt ist, die gewillt ist zu arbeiten in zielbewußtem Streben nach Erneue­rung des Geisteslebens.

Ehrenfried Pfeiffer Dornach bei Basel, Haus Wendhof.

5. Aufruf des «Bundes für freies Geistesleben» Überleitung des «Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus» in den «Bund für freies Geistesleben»

#G266c-1998-SE411 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

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5. Aufruf des «Bundes für freies Geistesleben»

Überleitung des «Bundes für Dreigliederung

des sozialen Organismus» in den «Bund für freies Geistesleben»16

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In Nr.50 der Dreigliederungs-Zeitung ist die Titeländerung dieser Wo­chenschrift17 in «Anthroposophie, Wochenschrift für freies Geistesleben» angezeigt und deren Notwendigkeit des näheren begründet worden. Es war dieses der erste Schritt zu einer zeitgemäßen und in den Verhältnissen liegenden Umgestaltung dessen, was der Dreigliederungsbewegung zu-grunde liegt. Ein weiterer sich als notwendig erweisender Schritt ist die Überleitung des «Bundes für Dreigliederung des sozialen Organismus» in einen «Bund für freies Geistesleben».

Die Dreigliederungsbewegung war unter der Voraussetzung eingeleitet worden, daß sie ein starkes Echo finden werde, weil sie diejenigen Impul­se erfaßte, welche in dem Wollen der Zeit, der neueren Menschheit im Gesamten liegen. Sie hat dieses Echo nicht gefunden. Infolgedessen wird sich für die Zukunft ihr Wirken auf dasjenige Gebiet erstrecken, das als Vorbereitendes für ein neues Kulturelement in Frage kommt und dieses ist ein freies Geistesleben.

Die Dreigliederungsbewegung ist dadurch entstanden, daß einige Stuttgarter Persönlichkeiten, welche Angehörige der anthroposophischen Bewegung waren, sich im Frühjahr 1919 an Dr. Steiner wandten mit der Bitte um einen Ratschlag für den Wiederaufbau des sozialen Lebens, nach welchem überall damals gesucht wurde. Dr. Steiner verfaßte dann den bekannten Aufruf «An das deutsche Volk und an die Kulturwelt! » hinter den sich mehrere hundert Persönlichkeiten aus allen Kreisen stellten, und der in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbreitet wurde. Im Anschluß daran entstand die Dreigliederungsbewegung. Sie baute sich auf diejenigen Gedanken auf, welche Dr. Steiner bereits in einer Anzahl Vorträge vertreten hatte und die er niederlegte in der Schrift: «Die Kern­punkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft».

Der Dreigliederungsimpuls kann, wenn er richtig verstanden wird, in keiner Weise mit irgendwelchen anderen sozialen Ideenrichtungen iden­tifiziert oder verwechselt werden. Was damit gewollt wird, liegt in den

16 Aus «Anthroposophie, Wochenschrift für freies Geistesleben», 4. Jg., Nr.2,

13. Juli 1922.

17 Vormais «Dreigliederung des sozialen Organismus».

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Tendenzen der neueren Menschheitsentwicklung. Es sollte damit nur klar ausgesprochen werden, was sich ganz allgemein aus den geschichtlichen Notwendigkeiten heraufarbeiten will. Dieser Impuls wird sich unter al­len, aber vielleicht noch schwierigeren Umständen, als sie es gegenwärtig sind, emporarbeiten, weil er in den unbewußten Untergründen des heu­tigen Menschheitsbewußtseins tatsächlich lebt. Man wird dies sehen, denn manche Erscheinungen in der Gegenwart legen bereits Zeugnis dafür ab.

Die Dreigliederungsbewegung war niemals gegen den Staat gerichtet. Sie wollte ihm vielmehr dadurch eine sichere Grundlage geben, daß sie das Geistesleben und das Wirtschaftsleben in ein richtigeres Verhältnis zu ihm zu setzen wünscht, als es zu seinem eigenen Nachteil als Ergebnis der neueren Entwicklung der Fall geworden ist.

Innerhalb der anthroposophischen Bewegung ist versucht worden, ein Geistesleben zu pflegen, welches geeignet ist, dem Geistesleben der Ge­genwart diejenigen Impulse zu geben, welche es für seine Fortentwick­lung braucht. Die Dreigliederungsbewegung hat kein genügendes Echo gefunden, dagegen ist für Anthroposophie in allen Kreisen, auch in sol­chen des Proletariats ein weitgehendes Verständnis vorhanden. Aus die­sen Gründen erfolgt der Rückzug auf dasjenige Gebiet des freien Geistes­lebens, welches immer vertreten worden ist und zu der kulturellen Auf­gabe der Dreigliederungsbewegung gehört. Auf diesem Gebiete ist für die in der Gegenwart so wichtige Frage der Erziehung durch die Begründung der «Freien Waldorfschule» in Stuttgart, und für den allgemeinen Kultur-fortschritt als solchen mit dem «Goetheanum, der freien Hochschule für Geisteswissenschaft» ein praktischer Anfang gemacht worden.

Es ist bei zahlreichen Menschen in der Gegenwart aus der heutigen Weltlage heraus ein tiefgehendes Bedürfnis nach einer neuen geistgemä­ßen und seelentragenden Weltanschauung vorhanden. Die Anthroposo­phie glaubt diesem Bedürfnis in einer wahrhaft zeitgemäßen Weise ent­gegenzukommen. Sie ist als Weltanschauung wissenschaftlich fundiert. Sie erweist sich auf allen Gebieten künstlerisch fruchtbar. Sie führt in religiö­ser Hinsicht zur Vertiefung und sie ist in sozialer Hinsicht wirksam. Sie verfügt über eine umfassende Literatur. Die zahlreichen Schriften Dr. Rudolf Steiners haben Auflageziffern von einer Höhe erreicht, welche erweisen, daß in breitesten Kreisen Interesse für Anthroposophie vorhan­den ist.

Eine solche Weltanschauungsbewegung erfordert, wenn sie sich für den Fortschritt der Menschheit fruchtbar erweisen soll, daß sie sich ins volle öffentliche Leben hineinstellt. Es muß die Möglichkeit gegeben sein, daß über sie in breitestem Maße und in sachgemäßer Weise diskutiert

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werden kann. Der Bund für freies Geistesleben will ein solches Podium schaffen. Er will einen Boden abgeben, auf den sich in freiester Weise neue Mitarbeiter aus allen Lebensgebieten stellen können. Die periodi­schen Publikationen wie die Wochenschrift «Anthroposophie» und die Monatsschrift «Die Drei» stellen sich für die Aufgaben des Bundes zur Verfügung. Eine Weltanschauungsbewegung wie die anthroposophische wird sich um so lebensfähiger erweisen können, je mehr sie sich einem freien, unbefangenen neutralen Urteil gegenübergestellt sieht und je mehr sie selbst die Hand bietet, daß möglichst viele Menschen, denen eine Neugestaltung des Geisteslebens am Herzen liegt, aus ihrer Lebenslage, ihren Erfahrungen und ihren Fähigkeiten in ein freies Verhältnis zu ihr treten können. Ein dogmatisches und unproduktives Anhängertum kann ihr in ihren Aufgaben nur hinderlich sein. Sie braucht auch nicht vor Kampf zurückzuscheuen, aber es sollte der Kampf mit geistigen, nicht mit vergifteten Waffen, mit ehrlichen Mitteln, nicht mit dem Gegenteil ge­führt werden.

Der Bund für freies Geistesleben, will hierfür einen Rahmen abgeben. Er wird die heute vorhandenen Anfänge einer Bewegung für freie Schulen weiterführen und alle diejenigen Bestrebungen auf wissenschaftlichem, künstlerischem und sozialem Gebiet fördern, welche in der Richtung eines freien Geisteslebens liegen. Hierzu bedarf es der Mitwirkung wei­terer Kreise in geistiger wie in finanzieller Beziehung.

Die Mitgliedschaft des Bundes wird erworben durch Anmeldung an die unterzeichnete Bundesleitung oder an eine der entstehenden Orts-gruppen, die in dieser Wochenschrift bekannt gegeben werden. Der Mit­gliedsbeitrag beträgt 25 Mark für das Jahr. Die Ortsgruppen erheben hier­zu die für ihre eigenen Bedürfnisse notwendigen Zuschläge.

Die Unterzeichneten sprechen die Erwartung aus, daß der Bund für freies Geistesleben, der einem weitgehenden Bedürfnisse unserer Zeit ent­gegenkommt, in weiten Kreisen ein Echo finden möge, damit ein freies Geistesleben als ein zeitgemäßes, von der Weltlage gefordertes Kultur-element sich erweisen kann.

Ernst Uehli, als Leiter des Bundes für freies Geistesleben, Stuttgart, Champignystraße 17.

Rektor Moritz Bartsch, Breslau, Gottschallstraße 8.

Michael Bauer, Breitbrunn am Ammersee.

Prof. Dr. phil. et jur. Hermann Beckh, Nürnberg, Marientorgraben 1.

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Dr. phil. Herbert Hahn, Lehrer an der Freien Waldorfschule, Stuttgart, Kanonenweg 44.

Dr. med. Eugen Kolisko, Lehrer an der Freien Waldorfschule, Stuttgart, Kanonenweg 44.

Generaldirektor Emil Leinhas, Stuttgart, Champignystr. 17.

Kommerzienrat Emil Molt, Stuttgart, Spittelerstr. 8.

Rudolf Meyer, Berlin SO 36, Kottbuser Ufer 25.

Ludwig Polzer-Hoditz, Wien VI, Köstlergasse 6/8.

Lic. theol. Dr. phil. Rittelmeyer, Berlin W 8, Kronenstraße 70.

Dr. phil. Walter Johannes Stein, Lehrer an der Freien Waldorfschule, Stuttgart, Kanonenweg 44.

E.A.K. Stockmeyer, Lehrer an der Freien Waldorfschule, Stuttgart, Kanonenweg 44.

Dr. ing. Carl Unger, Stuttgart, Werastraße 13.

Ludwig Werbeck, Hamburg, Holzdamm 34.

Prof. Dr. phil. H. Wohlbold, München, Adalberstraße 55.

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6. Memorandum für das

Komitee der Freien Anthroposophischen Gesellschaft Zu dessen Orientierang 18

Rudolf Steiner, März 1923

1. In bezug auf die äußere Konstitution der Freien Anthroposophi­schen Gesellschaft wäre darauf hinzuarbeiten, daß diese Gesellschaft dem «Entwurf der Satzungen»19 entspricht. Dadurch ist es möglich, Menschen zu einer Gesellschaft zu einigen, die sich darin individuell ganz frei emp­finden, ohne daß der Gesellschaft fortwährend die Auflösung droht. Wer den «Entwurf» im rechten Sinne lebendig versteht, wird das alles in demselben erfüllt finden müssen.

2. Zunächst ist notwendig, alle diejenigen Persönlichkeiten zusammen­zufassen, die bereits Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft sind und von denen das gebildete Komitee der Meinung ist, daß sie von denjenigen Gesichtspunkten ausgingen, die in berechtigter Art die Tren­nung in zwei Gruppen der Gesamtgesellschaft bewirken mußten. Bloße Unzufriedenheit mit der alten Leitung kann nicht genügen, sondern nur die positive Orientierung auf ein anthroposophisches Ziel, von dem an­genommen werden muß, daß es von der alten Leitung nicht erreicht werden kann.

3. Zunächst aus diesem so gebildeten Kreise der Freien Anthroposo­phischen Gesellschaft sind Vertrauenspersönlichkeiten zu ernennen, die von dem Komitee anerkannt werden. Man sollte zu Vertrauenspersön­lichkeiten nur solche ernennen, die ein Interesse haben, der gegenwärti­gen Zivilisation Anthroposophie zu geben. Es werden dann zu den schon in der Anthroposophischen Gesellschaft befindlichen Persönlichkeiten solche kommen, die erst aufgenommen werden. Aber gerade bei diesen ist darauf zu achten, daß sie das Positive des Anthroposophischen zu der Grundrichtung ihres eigenen Lebens gemacht haben. Menschen, die nur ein allgemeines gesellschaftliches Interesse haben, ohne intensiven anthro­posophischen Einschlag, sollte man nicht zu Vertrauenspersönlichkeiten ernennen, wenn sie auch in die Gesellschaft mit der Idee etwa aufgenom­men werden, daß sie zu wirklichen Anthroposophen heranwachsen.

4. Für die Aufnahme selbst sollte ein Darinnenstehen in der anthropo­sophischen Weltanschauung bis zu einem gewissen Grade maßgebend

18 Aus GA 217a, S. 205; auch in GA 259, S. 123.

19 Gemeint sind die damals allein bestehenden Satzungen der alten Anthroposo­phischen Gesellschaft; siehe GA 259, S. 890.

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sein. Es muß aber zunächst für die Aufnahme in die allgemeine Freie Anthroposophische Gesellschaft Weitherzigkeit herrschen. Strenge sollte erst bei der Bildung der engeren Gemeinschaften eintreten.

S. Die Freie Anthroposophische Gesellschaft sollte ein Werkzeug wer­den zur Verbreitung der Anthroposophie in der Welt. Aus ihrem Schoße müßte die Vortrags- und sonstige Verbreitungsarbeit hervorgehen, auch Institute und sonstiges müßte aus ihr gebildet werden.

6. Ein anderes ist die allgemeine Freie Anthroposophische Gesell­schaft, ein anderes die in ihr zu bildenden Lebensgemeinschaften. In die­sen - ob exoterisch oder esoterisch - müßten sich zusammenfinden die Menschen, die sich innerlich zusammengehörig fühlen, die den Geist ge­meinsam erleben wollen. Neben solchen Lebensgemeinschaften ist es durchaus möglich, daß sich das Zweigleben im Sinne des «Entwurfes» herausbildet. Die Zweige wären dann eben Gruppen der Freien Anthro­posophischen Gesellschaft im allgemeinen. Es könnte aber durchaus sein, daß die Mitglieder der Freien Anthroposophischen Gesellschaft in die Zweige der Anthroposophischen Gesellschaft eintreten und darinnen mit den Mitgliedern dieser gemeinsame Arbeit tun.

7. Die Arbeit in den Lebensgemeinschaften wird eine solche sein, die sich innerhalb derselben abschließt. Sie ist auf die geistige Vervollkomm­nung der Vereinigten gerichtet. Was ein Mitglied einer solchen Lebens­gemeinschaft nach außen unternimmt, tut es als Vertreter der allgemeinen Freien Anthroposophischen Gesellschaft. Selbstverständlich kann dabei doch eine solche Lebensgemeinschaft zu einer bestimmten äußeren Wirk­samkeit treten; allein, es bleibt wünschenswert, daß dann ihre einzelnen Mitglieder eben als Repräsentanten der allgemeinen Freien Anthroposo­phischen Gesellschaft auftreten. Das braucht natürlich nicht eine büro­kratische Verwaltung einer Vereinstätigkeit zu begründen, sondern kann durchaus eine freie Bewußtseinstatsache der einzelnen sein.

8. Aus den beiden Komitees, dem der Anthroposophischen Gesell­schaft und dem der Freien Anthroposophischen Gesellschaft, wäre je ein Vertrauenskomitee zu begründen. Diesen beiden obliegt die Erledigung der gemeinsamen Angelegenheiten der Gesamt-Anthroposophischen Gesellschaft.

9. Es sollten alle Institutionen der Gesamt-Anthroposophischen Ge­sellschaft in den Interessenkreis der Anthroposophischen und der Freien Anthroposophischen Gesellschaft fallen. Das kann ganz gut sein, wenn eine Zentral-Verwaltungsstelle geschaffen wird, die die Angelegenheiten der Gesamtgesellschaft im Auftrage der beiden Komitees (vermittelt durch ihre Vertrauens-Komitees> verwaltet. Es sollte die Gliederung in

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zwei Gruppen der Gesellschaft durchaus nicht dazu führen, daß etwa eine anthroposophische Institution - insbesondere eine solche, die schon be­steht - nur als eine Angelegenheit der einen Gruppe angesehen werde.

Es sollten in die Zentralkasse Quoten - die von den Komitees zu bestimmen wären - von den Mitgliederbeiträgen fallen, so daß die An­gelegenheiten der Gesamtgesellschaft entsprechend versorgt werden können.

10. Es sollte die Meinung verstanden werden, daß die beiden Gruppen nur entstanden sind auf Grundlage dessen, daß es unter den Mitgliedern eben schon zwei scharf unterschiedene Abteilungen gibt, die zwar beide dieselbe Anthroposophie wollen, die sie aber auf verschiedene Weise er­leben wollen. Wird das richtig verstanden, so kann die relative Trennung nicht zu einer Spaltung, sondern zu einer Harmonie führen, die ohne Trennung nicht möglich wäre.

ii. Von der Freien Anthroposophischen Gesellschaft sollte in keiner Art versucht werden, die historischen Entwickelungskräfte der Anthropo­sophischen Gesellschaft zu zerstören. Wer für sich die Freiheit haben will, sollte die Freiheit des anderen ganz unangetastet lassen. Daß es Un­vollkommenheiten in der alten Anthroposophischen Gesellschaft gibt, sollte nicht weiter zur Befehdung dieser, sondern dazu führen, eine nach der Meinung der maßgebenden Persönlichkeiten entsprechende Freie Anthroposophische Gesellschaft zu bilden, welche diese Unvollkommen­heiten vermeidet.

12. Es sind durch die Trennung alle Vorbedingungen vorhanden, daß sich insbesondere die Jugend in der Freien Anthroposophischen Gesell­schaft wohl befindet. Denn die Lebensgemeinschaften werden freie Grup­pen sich verstehender Menschen sein können; und das wird die Grund­lage bilden können, daß sich auch in der allgemeinen Freien Anthropo­sophischen Gesellschaft niemand in seiner Freiheit beengt fühlt.

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BERICHTE VON KREISGRÜNDUNGSMITGLIEDERN

ÜBER AUSFÜHRUNGEN RUDOLF STEINERS

FÜR DEN ESOTERISCHEN JUGENDKREIS

Vorbemerkungen der Herausgeber:

Zu den Textunterlagen und deren Authentizität

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Die Erstellung eines zuverlässigen Textes dessen, was Rudolf Steiner bei den zur Begründung des Kreises führenden Versammlungen gesagt hat, ist noch schwieriger als bei den anderen in diesem Band dargestellten Berichten. Sie wird durch folgende drei Umstände erschwert:

Erstens war auch bei diesen Versammlungen nicht - wie sonst bei den Vorträgen - ein beauftragter Stenograph anwesend. Manches wurde oft viel später nachträglich aus der Erinnerung rekonstruiert. Es wurde nur wenig mitgeschrieben, und diese - sehr unvollständigen - Original-Mit-schriften sind wohl nicht mehr existent. Man muß also immer in Betracht ziehen, daß das Mitgeteilte meistens nicht wirklich wörtlich ist, daß Haltung und Erwartung der Zuhörer das Gehörte veränderten, und daß dadurch auch Mißverständnisse in gutem Glauben überliefert wurden.

Zweitens wurden die Berichte und Zugehöriges damals, als die Erin­nerung noch frisch war, nicht regulär veröffentlicht, sondern sie wurden als private Vervielfältigungen, zum Teil undatiert, nur an relativ wenige Personen innerhalb des esoterischen Jugendkreises weitergegeben, bei denen die Mitglieder sie lesen oder für kurze Zeit leihen konnten. Was heute vorliegt, sind oft nur Photokopien von Abschriften, deren Authen­tizität nicht so ohne Weiteres festzustellen ist.

Drittens hat die so geschaffene Lage es ermöglicht, einen Text in Zir­kulation zu bringen, der - aus privaten Antipathien gegen den Kreis und gegen die Christengemeinschaft - manipuliert wurde, offenbar um be­stimmte Thesen in die Welt zu setzen. Er enthält fehlerhafte Angaben bzw. Interpretationen, die nicht von Kreisgründungsmitgliedern stammen können.27 Da der Lehrs-Bericht erwähnt wird, muß der Text später als dieser entstanden sein, und doch nennt der Verfasser seinen Namen nicht und gibt keinen Aufschluß über das Zustandekommen. Der Grund dafür ist, daß der Text nachweislich aus einer Quelle kommt, die auch sonst für ihren unlauteren Umgang mit Texten Rudolf Steiners bekannt ist. Er wurde erst etwa 1985, Jahre nach dem Tode der meisten Gründungsmit-glieder des Kreises, verbreitet. Ein nicht kleiner Teil der innerhalb und

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insbesondere auch außerhalb des esoterischen Jugendkreises zirkulieren­den Texte stammt entweder direkt aus dieser Quelle oder ist von ihr infiziert. (Dieser Text liegt auch der durch den Cagliostro-Verlag erfolg­ten Veröffentlichung «Der Esoterische Jugendkreis - Dr. Rudolf Steiner», Rotterdam o. J. [1986] zugrunde.) In dem Text wird einfach ohne jede Begründung die Authentizität des Berichtes von Ernst Lehrs bestritten und die eigene Wort-wörtlichkeit implizit behauptet. In Wirklichkeit je­doch handelt es sich lediglich um vergröbernde Auszüge aus dem Bericht von Lehrs, aber erweitert um Rudolf Steiner unterschobene Ausführun­gen. Wenn man diesen Text mit dem Lehrs'schen Original im Detail vergleicht, so sieht man, wie primitiv das Ganze gemacht ist. Tatsache ist:

was in diesem Text steht und nicht von Lehrs geliehen ist, stammt aus der erwähnten Quelle und nicht von einem Augenzeugen. Insbesondere gilt dies für einen zwei Seiten langen Passus über das Priestertum (mit der Behauptung, jeder tätige Anthroposoph wäre ein Priester), der das Hauptmotiv für die Manipulation sein dürfte.

Für die vorliegende Publikation wurden, außer den von Rudolf Steiners Hand stammenden Schriftstücken, folgende im Archiv befindliche und als authentisch zu wertende Unterlagen berücksichtigt und zum Teil wieder­geben:

1.) Der Bericht von Ernst Lehrs «Entstehungsgeschichte des Jugend-kreises». Private Vervielfältigung.

Zu diesem Bericht gibt die von Lehrs im Jahre 1974 verfaßte «Beilage zum Entstehungsbericht des Kreises» über die Entstehung Auskunft:

«Die ursprüngliche Niederschrift des Kreisberichtes erfolgte im Jahre 1933 [...]. Die ursprüngliche Fassung des Berichtes entstand auf die Weise, daß Ernst Lehrs seine Erinnerungen an Maria Röschl ins Stenogramm

20 Zum Beispiel wird die Übergabe der «Angelobe-Formel» auf den 12. Oktober verlegt und dort in einen ganz unlogischen Kontext gestellt. Alle Gründungs­mitglieder wußten natürlich, daß die Formel am 16. Oktober gegeben wurde. -Ferner wird die Frage von Hedwig Hauck, der Handarbeitslehrerin der Wal­dorfichule, vom 16.11.1921 nach esoterischen Stunden (GA 300b, S. 57) in Zu­sammenhang mit dem Esoterischen Jugendkreis gebracht. Dies ist jedoch eine völlig willkürliche Konstruktion, da die Idee eines esoterischen Jugendkreises damals überhaupt noch nicht geboren war. - Schließlich werden in die Ausfüh­rungen Rudolf Stciners vom 16. Oktober über die Christengemeinschaft Dinge hineingebracht, von denen sich in den Berichten von Lehrs und Rath keine Spur findet. Wenn Rudolf Steiner wirklich das gesagt hätte, was dort behauptet wird, so wäre es ganz undenkbar, daß Rath und Lehrs dies nicht aufgegriffen hätten.

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und sie ihm dieses zurück in die Schreibmaschine diktierte. In der Folge­zeit konnte diesem Text durch einige stilistische Änderungen und eine andere Anordnung einzelner Abschnitte eine verbesserte Form gegeben werden. Zugleich konnte einbezogen werden, was Teilnehmer an der Be­gründung des Kreises aus ihrer Erinnerung ergänzend beizutragen ver­mochten. Auf diese Weise ist die heutige Fassung des Berichtes zustande gekommen. - Seither [1933] sind vier weitere Jahrzehnte ins Land gegan­gen, und da ist in jüngster Zeit das Bedürfnis entstanden, einem bestimm­ten Teil des Berichtes eine andere Fassung zu geben. Es betrifft das den Abschnitt, der bisher die Überschrift trägt . [...] Ich bitte, die Neufassung des Abschnittes [mit dem Titel Die ursprüngliche Fassung von 1933 liegt im Archiv nicht vor; sie ist wahrscheinlich kaum verbreitet worden und existiert wohl nicht mehr. Die erste vervielfältigte Fassung stammt vermutlich aus den frühen fünf­ziger Jahren; auch Papierqualität und Art der Vervielfältigung sprechen für diese Annahme. Die spätere, endgültige Fassung von 1974 ist so zu­stande gekommen, daß in einem Exemplar der früheren kleine Tippfehler von Hand korrigiert wurden, und daß der Abschnitt über die Christen­gemeinschaft durch (mit einer anderen Schreibmaschine) neu getippten Text ersetzt wurde. Das Resultat wurde dann durch Photokopieren ver­vielfältigt. Daher ist der Zeilen- und Seitenumbruch in den beiden Fas­sungen identisch. Die Echtheit der Exemplare im Archiv wird zusätzlich bestätigt durch ein Rundschreiben von Fritz Götte «Nach 50 Jahren» mit dem Datum Ostern 1975, das mit Seitenangaben 15 Zitate aus dem Be­richt bringt, die exakt übereinstimmen. Lehrs hat dieses Rundschreiben gelesen, denn in einem handschriftlich signierten Brief bedankt er sich dafür bei Götte.

2.) Zwei kleinere Rundschreiben von Lehrs:

a) «Aus der Anfangszeit unseres Kreises» berichtet über das Zu­standekommen der zwei esoterischen Stunden für den Jugendkreis von 1923, und ist damit in gewisser Weise eine Fortsetzung des Lehrs-Berich­tes, der beim 16. Oktober 1922 aufhört. Dies Rundschreiben ist ebenfalls undatiert, aber eine Bemerkung darinnen zeigt, daß es 1952 oder etwas

später entstanden ist.

b) Das bereits zitierte Rundschreiben «Beilage zum Entstehungs­bericht des Kreises», datiert 1974.

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3.) Eine kurze Notiz von Lehrs zur Orientierung über den Kreis. Ein Exemplar trägt die handschriftliche Überschrift «Definition des Kreises». Gemäß der Tradition stammt dies von 1963.

4.) Der Bericht von Wilhelm Rath «Mein Weg zum Kreis». Privatc Vervielfältigung.

Zu diesem Bericht: Nach den einleitenden Bemerkungen hat Wilhelm Rath seinen Bericht 1964 oder kurz danach verfaßt. Er enthält hauptsäch­lich persönliche Erinnerungen, aber nicht wie der Lehrs-Bericht geschlos­sene Wiedergaben von den Ausführungen Rudolf Steiners bei den ver­schiedenen Zusammenkünften. Rath verweist auf den Lehrs-Bericht, aber nicht im Detail.

5.) Zwei Sammlungen von Ausführungen Rudolf Steiners bei den ver­schiedenen Zusammenkünften. Die Schreiber sind nicht namentlich be­kannt. Sehr wahrscheinlich handelt es sich um Mitschriften bei und um Niederschriften gleich nach den Besprechungen. Diese Notizen müssen Lehrs und Rath vorgelegen haben, denn sie haben sie nahezu wörtlich in ihre Berichte aufgenommen. Dadurch ist ihre Echtheit in gewissem Sinne von den Augenzeugen bestätigt. (An einer Stelle in seinem Bericht bezieht sich Rath sogar explizit darauf, siehe S. 453.)

6.) Der Bericht von Herbert Hahn «Notizen aus der Erinnerung (Zum

16. Oktober 1922)». Sein Inhalt wurde C. Brumberg Hansen in Kopen­hagen erzählt und von diesem zugleich aufgeschrieben. Das der Photo­kopie zugrunde liegende Original wurde von Herbert Hahn signiert und handschriftlich mit dem Datum 12.-14. August 1963 versehen.

7.) Für die zwei esoterischen Stunden: Stuttgart, 13. Juli 1923 und Dornach, 30. Dezember 1923:

Die Aufzeichnungen von der zweiten Stunde sind nach einer von Maria Röschl-Lehrs signierten Vorlage wörtlich wiedergegeben. Nach ihrem Vermerk wurde der Text aus ihren «gleich hernach gemachten Notizen und denen mehrerer Freunde zusammengestellt, wobei der Auf­bau ganz besonders erinnert wurde».

Für die Aufzeichnungen von der ersten Stunde liegt eine solche per­sönliche Namenszeichnung zwar nicht vor, sie dürften jedoch auf eine ähnliche Weise zustandegekommen sein.

Geringfügige Textabweichungen in den kursierenden Abschriften für diese beiden Stunden sind sicherlich auf häufiges Abschreiben zurück­zuführen.

8.) Ein Notizbuch von Lili Kolisko, in dem sie sich verschiedene Sprü­che und Meditationen aufgeschrieben hat, darunter auch diejenigen für den Jugendkreis.

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Da der Bericht von Ernst Lehrs die übersichtlichste Darstellung gibt, ist ein Auszug davon hier an den Anfang gestellt, auch wenn er nicht das älteste erhaltene Dokument ist.

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1. Ausführungen Rudolf Steiners zur Begründung

des esoterischen Jugendkreises

Auszug aus dem Bericht von Ernst Lehrs

«Entstehungsgeschichte des

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Es ist hier nur der auf Rudolf Steiner direkt bezügliche Teil des Berichtes ausgezogen. Die Zwischentitel sind von Lehrs. Sperrungen und Unterstrei­chungen, die den Sinn nicht verändern, sind nicht übernommen worden. Ohne Markierung ausgelassen sind einige von Lehrs selber in Klammern gesetzte Kommentare. Andere für das Ganze unwichtige Auslassungen sind mit drei Punkten markiert. Alle Eingriffe der Herausgeber sind in eckige Klammern eingeschlossen, so auch die Seitenzahlen im Original, deren Angabe für Querverweise dient.

Es sei noch einmal darauf hingewiesen, daß diese Aufzeichnungen aus einer mehr oder weniger entfernten Erinnerung geschrieben wurden und nicht in allen Details stimmen können; an den wenigen überprüfbaren Stellen kann man das sehen.

Worte Rudolf Steiners aus den verschiedenen,

die Kreis grün dung vorbereitenden Besprechungen

[S. 15:] Der Darstellung der weiteren zur eigentlichen Begründung der Gemeinschaft führenden Ereignisse sei hier eine Zusammenstel­lung von Äußerungen Dr. Steiners zu der ihm vorgelegten Frage [nach einer esoterischen Gemeinschaftsbildung] vorangeschickt, be­ginnend mit der ersten dieser Frage gewidmeten Zusammenkunft, auf der sie, gemäß seiner Anweisung, erstmals vor allen Kursteil­nehmern ausgesprochen wurde. In der Form, in der diese Äußerun­gen hier wiedergegeben werden, entsprechen sie Aufzeichnungen des einen oder anderen Freundes, die entweder während Dr. Steiner sprach oder nachträglich aus der Erinnerung heraus gemacht wor­den sind. Entbehren sie somit auch der Vollständigkeit und Wört­lichkeit, so enthalten sie doch alles Wesentliche und geben ein deut­liches Bild von der Art, wie er uns durch diese Vorbereitungsarbeit geführt hat. Diese [S.16] Führung bestand darin, daß er uns dazu verhelfen wollte, daß wir uns in aktivem Denken so klar wie mög­lich wurden über das von uns Erstrebte und dabei auch mancherlei

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in uns bestehende Illusionen über die kommende Zeit und die von uns zu leistenden Aufgaben abstreiften. Es waren Tage der Sorgen und Schmerzen - auch nach der Beilegung der Auseinandersetzun­gen mit den anderen - aber auch Tage der Freude und des Glückes des Beschenktwerdens, die wir auf diese Weise durchlebten.

Bei der ersten Zusammenkunft, die gemäß seiner Anweisung mit sämtlichen Kursteilnehmern stattfand, sprach Dr. Steiner selber nur wenig. Nachdem einige von uns versucht hatten darzustellen, was sie als Wesen und Aufgabe einer Gemeinschaft wie der von uns erstrebten erblickten, sagte er:

«Ich möchte vorausschicken, daß ich gerne von den verschieden­sten Seiten hören würde, wie Sie sich vorstellen, daß ihre Gemein­schaft, die da werden soll, zusammengehalten werden soll, wie sie arbeiten soll, und was der Zusammenhalt für Sie eigentlich bedeuten soll. Mißverstehen Sie mich nicht. Natürlich wird aus dem, was hier beabsichtigt ist, nur dasjenige herauskommen können, was in der Sache begründet ist. Aber es wird sich darum handeln, daß zuerst wirklich von den verschiedensten Seiten gesagt wird, was man sich vorstellt, daß da herauskommen soll, damit wir sehen, inwieweit wirklich, nicht bloß vermeintlich, ein freies, ein ganz freies persön­liches Wollen vorliegt. Sie können natürlich auf die verschiedenste Weise mitarbeiten im Sinne der allgemeinen Ziele, die hier während unserer gemeinsamen Kampagne besprochen werden. Aber einige von Ihnen haben noch speziellere Ziele, oder, ich will sagen, sie haben vor, die gemeinsamen Ziele auf eine speziellere Art zu errei­chen. Und da müßte ich unbedingt von den verschiedensten Seiten hören, was eigentlich gewünscht wird, bevor es möglich ist, diese Sache in einen objektiven Rahmen zu fassen, was Sie selber als Vor­stellungen haben über das, was Sie wollen.

Man kann einer solchen Sache nur als ganz freier Mensch beitre­ten. Deshalb möchte ich Sie bitten, diese Stunde zu benutzen, um sich frank und frei, unbeirrt um alles andere auszusprechen, zu glei­cher Zeit aber auch alles zu berücksichtigen, was für Sie zu einem freien Entscheid in Betracht kommt. Das andere werde ich dann sagen, - wenn von den verschiedensten Seiten her die Aussprache erfolgt ist.»

Als bei der zweiten Versammlung die Aussprache ins Stocken kam, weil ja ein beträchtlicher Teil der Versammlung sich in ausgesprochener

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Opposition befand oder zumindest gar nicht verstand, worum es sich handelte, sagte Dr. Steiner:

«Eine Anzahl von Ihnen wissen mit aller Energie, was sie wollen. Ein anderer Teil weiß das noch nicht. Ein Kreis soll formiert werden. Der Umfang des Kreises ist noch nicht bestimmt. Diejenigen, die et­was in einem bestimmten Sinne tun wollen - das lag in der Auseinan­dersetzung des Herrn Rath [am Abend des 3. Oktober vor Rudolf Steiners erstem Vortrag] - wollen einen Kreis bilden, der eine geistig­wesenhafte Substanz in sich birgt, der sich zum Träger eines Geistig­Wesenhaften macht. Das gibt dem Kreis einen esoterischen Charakter

- obwohl ich Sie bitten möchte, dieses Wort nicht zu mißbrauchen. Unter einem stellen sich die Leute allerlei vor. Ich meine nicht Sie, aber andere. Es handelt sich um das, was man will. Auf die Namengebung kommt nicht viel an. - Wenn ich selber etwas eingehen soll auf das, was ich unter verstehe, so lassen Sie mich sagen: Wenn Sie das Esoterische ernst nehmen wollen, so müs­sen Sie sich sagen, daß es ein Handeln ist nach konkreten Impulsen aus der geistigen Welt heraus. Dem kann man nur zustreben. Dazu ist Anthroposophie ein Weg. Eine solche Gemeinschaft zu bilden, wäre dann der Entschluß, diesen Weg zu betreten. Das würde dann zu ver­schiedenen Maßnahmen führen, die geeignet sind, zu diesem Ziele hinzuführen. Wenn Sie von Inhalt sprechen, so müssen Sie sich klar sein, daß es sich da um ein Lebendiges handelt. Das Geistige ist ein Lebendiges, und ein solcher Kreis kann daher auch nicht etwas Totes sein. Mit anderen Worten, er muß ein Kraftkreis sein. Der hat dann die Eigenschaft [S.17] eines Lebendigen. Da kommt dann aller­lei heraus, was eine gewisse Analogie mit einem Organismus hat. Nehmen Sie den menschlichen Organismus. Da ist die Gesundheit je­des Teiles die Gesundheit des Ganzen. Und so auch die Krankheit. Da leidet der kleine Finger mit, wenn etwas in der kleinen Zehe nicht in Ordnung ist. Wenn Sie eine wirkliche Gemeinschaft wollen, so müs­sen Sie wollen, daß das Ganze ebenso durch den Einzelnen wie der Einzelne durch das Ganze beeinflußt ist. Es ist ein gegenseitiges Auf­nehmen von Karma, das in einem solchen Gemeinschaftsorganismus geschaffen wird. Da gibt es dann gemeinsame Leiden zu durchleben, aber auch (mit starker Betonung und warmer Stimme) gemeinsame Freuden.

So etwas setzt dann voraus, daß man es nicht so macht, wie man

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es gewöhnlich heutzutage in Gesellschaften macht, daß man sagt:

Paragraph 1, Paragraph 2 des Programms, und dann sind die ver­schiedenen Mitglieder unter einem Programm vereinigt. Die Men­schen müssen sich als Menschen nehmen, nicht als Glieder einer Programmgemeinschaft, als Menschen, als Mitmenschen mit allen Unvollkommenheiten. Daher ist es eine grundlegende Aufgabe, daß sich die Menschen finden, die sich unter den Gesichtspunkten ver­einigen wollen, die Herr Rath, Herr Lehrs und Herr Maikowski an-geführt haben. Haben Sie einen solchen Kreis zusammengefunden, so kann er dann auch seinen Weg esoterisch gehen. Das wird sich finden, wenn der Kreis erst einmal da ist. Man muß erst den Kreis haben, um sagen zu können, ob er einen esoterischen Weg gehen kann. Einen solchen haben wir noch nicht. Er präsentiert sich aber wohl noch. - Deshalb sagte ich, es gibt Persönlichkeiten, die ener­gisch wissen, was Sie wollen, wie zum Beispiel Herr Lehrs, der mir das in einem Briefe an mich zum Ausdruck gebracht hat [siehe Seite 393]. Es haben aber noch nicht alle dies getan. Diese Klarheit müs­sen Sie erst schaffen, darauf müssen Sie hinarbeiten.»

Zur Charakterisierung des Wesens einer wirklichen Gemeinschaft erinnerte Dr. Steiner bei einer dieser anfänglichen Besprechung dar­an, wie Herman Grimm einmal von der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller gesprochen hat. Wolle man diese in einer ma­thematischen Formel ausdrücken, so dürfe man nicht sagen: «G + 5», sondern «G + 5 + 5 + G». Eine wahre Gemeinschaft sei stets mehr als die bloße Summe ihrer Mitglieder. Zu dem, was zwei in solcher Art sich findende Menschen darstellten, komme stets noch ein neues Drittes hinzu.21

Mit zu den ersten grundlegenden Worten über das wirkliche Wesen dessen, was wir da suchten, gehören die folgenden:

«Ich werde schon dafür sorgen, daß Sie für das, was Sie wollen, ei­nen Inhalt bekommen. Wir werden da schon zur Bildung einer sol­chen Gemeinschaft kommen. Lassen Sie mich Ihnen heute nur noch

21 Herman Grimm, «Goethe» Vorlesungen an der Kgl. Universität zu Berlin«, Ber­lin 1877, 21. Vorlesung: «Wenn zwei Männer von hervorragenden Mitteln sich zu gemeinsamer Activität vereinigen, so verdoppelt sich nicht ihre Kraft, son­dern vervierfacht sich. Jeder von beiden hat den Andern unsichtbar neben sich. Die Formel würde nicht lauten G + S, sondern (G + S) + (S + G). Jedem wächst die Kraft des Andern zu.«

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das Folgende wie einen Ratschlag sagen: Das, [S.18] worum es sich handelt, wird sein, daß Menschen der allerverschiedensten Lebens­wege sich zusammenfinden werden. Der eine wird den, der andere je­nen Weg im Leben gehen. Das wird einfach das Leben bringen. Dieses Leben wird in der allernächsten Zeit sehr, sehr kompliziert werden. Da werden wir schon den Rahmen für diese Gemeinschaft so stellen müssen, daß die verschiedensten Berufe und Lebensweisen darin sein können. Es handelt sich aber darum, daß jeder einzelne den Geist, den man durch die Gemeinschaft sucht, so konkret wie möglich nimmt. Das aber heißt, daß Sie folgendes verstehen.

Was Sie suchen, das ist, einen Freund zu finden in der geistigen Welt. Einen solchen zu finden, ist nicht einmal schwer. Worauf es aber ankommt, das ist, wenn er einmal gefunden ist, ihm die seeli­sche Treue zu halten. (Dies wurde mit unendlicher Wärme in der Stimme gesagt.>

Daher ist die erste Bedingung, von der ich Ihnen sprechen muß (und es sind immer Bedingungen, von denen ich Ihnen Mitteilung mache> diese, daß Sie ganz präzise lernen, was seelische Treue ist. Sie müssen imstande sein, sich selbst etwas zu versprechen und sich selber treu zu bleiben. Sie werden allerlei Ratschläge von mir be­kommen können. Aber das wird immer nur die eine Hälfte sein können für das, was Sie suchen. Es wird schon dasjenige sein, was Sie zur Grundlage brauchen. Aber die andere Hälfte müssen Sie selber dazubringen. Für alles, was man im Geiste erreichen will, ist nötig die Treue zu dem, was man sich im Geiste gesetzt hat. Was sind die Schäden der heutigen Zeit? Die Menschen haben kein Verlangen, dem, was sie sich selber versprechen, getreu zu bleiben. Diese Treue gegenüber dem sich und anderen einmal gegebenen Versprechen ist der feste Stab im Leben.

Das, was als Geist lebensvoll in der Anthroposophie ist, das ist kei­ne . Es ist vielmehr ein Tatsächliches, ein reales Wesen, das ei­nen durchs Leben geleitet. Was Sie wollen, ist, eine Gemeinschaft be­gründen, die etwas von einem solchen freundschaftlichen Leiten durch das Leben hat. Solche Dinge erfährt man dann, wenn man das konkrete Geistige als ausgedehnt nimmt über das ganze Leben.

Ihre Gemeinschaft wird etwas in sich haben von dem, was das Urgeheimnis ist aller menschlichen Gesellschaft, daß dasjenige, was wir selber innerhalb der Gesellschaft tun, nicht Früchte trägt für

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uns selber, sondern für die anderen> und daß alle Früchte für uns selbst von den anderen kommen.»

Einmal, bei Gelegenheit dieser ja noch unter allen stattfindenden Besprechungen, gab er uns ein Beispiel dafür, was er - im Sinne des ihm von uns genannten Zieles unseres Strebens - unter «konkret aus dem Geistigen heraus sprechen» verstand, worauf er in einem der Vorträge auch bereits allgemein eingegangen war. Ein junger, als Landwirt tätiger Freund hatte in einer vorangegangenen Bespre­chung versucht, etwas über Christus zu sagen. Es war ein ziemlich unbeholfenes Stammeln gewesen, doch in unserem Bemühen,

. Beides hatten wir jedoch nicht laut werden lassen. Am fol­genden Tage aber, als wieder einige von uns bei Dr. Steiner waren, um den Fortgang der Zusammenkünfte zu besprechen, sagte er plötzlich: «Das, was der junge Mann da gestern über den Christus gesagt hat, war ja reichlich unbedeutend. Aber was er über den Mist gesagt hat, war ausgezeichnet. Dazu möchte ich in der heutigen Zu­sammenkunft gerne selber noch etwas sagen.» - Das Folgende ist ein Versuch, wiederzugeben, wie er das tat. Es muß dabei bemerkt werden, daß damals der landwirtschaftliche Kurs22 noch nicht gehal­ten war. Dr. Steiner sagte:

«Es war interessant, was Sie gestern als Landwirt gesagt haben. Ich habe nicht Zeit, noch lange hier zu bleiben, und will daher wenigstens kurz dieses sagen.

Auch in der Landwirtschaft sucht man das Geistige. Auch dort glaubt man, daß neue Methoden gefunden werden müssen bis in die Behandlung des Materiellen hinein. Wenn Sie zu der heutigen mate­rialistischen Wissenschaft gehen, so finden [S.19] Sie nicht viel Liebe für die Landwirtschaft. Die heutige Wissenschaft meint, daß, wenn man so und so viel Stickstoff im Acker braucht, man ihn in dieser Menge in den Acker hineinbringen muß. Da weiß man nicht, daß man nur um den Acker herum systematisch die Esparsette anzupflanzen braucht, um durch Strahlung die nötige Menge Stickstoff in den Acker

22 Koberwitz, 7. bis 16. Juni 1924, GA 327.

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hineinzubekommen. Dazu genügt schon, daß man die Esparsette in einer einzigen Reihe um den Acker herum anpflanzt.»

Ein Mutiger unter uns, der nicht wußte, welche Pflanze das sei, fragte darum. Dr. Steiner antwortete sogleich und zwar so, daß man erlebte, er sprach nicht diese Pflanze noch überhaupt von ihr als etwas Abwesendem, sondern so, daß durch das Intime seines Tonfalles, die Besinnlichkeit seiner Haltung, die Bewegung seiner Hände die unmittelbare geistige Gegenwart dessen, wovon er sprach, tief eindrucksvoll erlebbar wurde. Die Esparsette gleichsam unter seinen Worten und Gesten. Das muß versucht wer­den, zwischen den hier folgenden Worten zu empfinden.

«Esparsetten - das sind Pflanzen - die haben Blütenstände -Schmetterlingsblüten - die sind lilafarbig - sie haben gefiederte Blätter -.» Und nun fortfahrend die also gegenwärtig ge­machte Pflanze zu sprechen: «Diese Pflanze hat die merkwürdige Kraft in sich, den Boden auf weite Strecken mit dem zu durchdrin­gen, was die Menschen auf eine möglichst künstliche Weise in ihn hineinbringen wollen. - Glauben Sie, das ist Unsinn? Nein! Das sind allerdings Dinge, die man durchschaut, wenn man mit der Geisterkenntnis konkret bis ins Materielle vorzudringen vermag.»

Das Folgende sind Aufzeichnungen aus den Besprechungen der Zu­sammenkünfte nach der Trennung von den Opponenten, zunächst noch im weiteren Rahmen, dann in dem engeren der an der eigent­lichen Begründung Beteiligten. Diese Besprechungen wurden von Dr. Steiner in gewissem Sinne seminarartig gestaltet, indem er uns Fragen stellte, die wir gleich oder am nächsten Tage beantworten sollten. Eine erste solche Frage war, was wir uns als Aufgabe einer künftigen Jugendbewegung vorstellten. Dabei wurde unter anderem von einer Freundin, die eine Zeitlang der zionistischen Jugendbewe­gung in Österreich angehört hatte, von ihren Erlebnissen und Er­fahrungen in dieser berichtet. Dr. Steiner hörte sichtlich interessiert zu, sagte dann aber:

«Es wäre gut, wenn Sie in Ihre Rede einfließen ließen etwas von der positiven Aufgabe, die Sie sich setzen wollen. Es fließt in die Jugendbewegung etwas ein von einer gewissen Unbestimmtheit. Es ist das Eigentümliche, daß die meisten, die aus der Jugendbewegung

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sprechen, nicht bestimmt sprechen, sondern aus einem gewissen Fühlen heraus. Aber auch aus dem Gefühle kann man manche Din­ge bestimmt bezeichnen, und es wäre in diesem Augenblicke gut, wenn solche konkreten, positiven Empfindungen zum Ausdruck kämen. Sie haben die zwei Bewegungen, durch die Sie gegangen sind (Zionismus und ) gut charakterisiert. In der zio­nistischen Bewegung herrscht ja eine bestimmte Sehnsucht nach Regeneration des Judentums. Aber es wurde, damit wir nicht auch mit dieser Gemeinschaft hier in ein Unbestimmtes, sondern in ein Bestimmtes hineinkommen, gut sein, wenn Sie versuchen wurden, etwas zu umreißen dasjenige, was Sie sich selber vorgestellt haben. Also zum Beispiel, wenn Sie eingehen würden auf die Frage, was Sie in der Jugendbewegung ursprünglich gesucht haben. Nicht als ob ich mich informieren wollte, sondern damit Sie selber sich sagen müssen: ich habe dieses und jenes Bestimmte gesucht in der Jugend­bewegung. Solche Dinge wachsen zwar aus dem Unbestimmten heraus, aber man kann doch versuchen, einiges von dem genauer zu charakterisieren, was man da angestrebt hat.»

Daraufhin wurde etwas gesagt über den Gegensatz zwischen der älteren und jüngeren Generation, wie man sie zu erleben meinte, und dabei auch die Bedeutung von Nietzsche und Spitteler für die Opposition der Jüngeren erwähnt. Dr. Steiner ergriff wieder das Wort und sagte:

[S.20] «Sehen Sie, sagt uns nicht dasjenige doch etwas, was sei­ner eigenen Natur nach ja nur ein Übergang sein kann? Denn, nicht wahr, vermeiden kann man es ja nicht, älter zu werden. Daher fragt es sich, ob man dabei stehen bleiben darf, eine in der Zeit abge­schlossene Sache anzustreben, während wir doch weitergehen. Wenn Sie die Charakteristik nehmen, die Sie soeben gegeben haben, so ist die in der Zeit abgeschlossen. Der Einwand, daß es die näch­ste Generation leichter haben wird, ist nicht gültig. Sie wird es zum Teil leichter haben, wenn diejenigen die älter werden, dann auf ihre eigene Jugend zurückschauen und sich zu ihren Kindern nicht mehr so verhalten werden, wie sich die frühere Generation verhalten hat. Aber Sie dürfen andererseits nicht vergessen: den Enthusiasmus, die große Begeisterung, die Sie gehabt haben, verdanken Sie der Oppo­sition. Diese saß als Feuer in Ihnen. Dieses Feuer wird die nachfol­gende Generation gerade dann nicht haben können, wenn Sie es ihr

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leichter machen. Daher werden in den nächsten Zeiten schon Schwierigkeiten auftreten, die aufgewogen werden müssen durch etwas, was Sie sich noch aus den Kräften der Opposition haben holen können.

Das Leben geht ja weiter und schafft immer neue Bedingungen. Wer beobachten kann im Leben, der darf sagen: Es ist immerhin gut, daß sich einmal eine Generation, nämlich die vom Anfange die­ses Jahrhunderts, etwas erkämpft hat, das seinen Charakter durch einen rein inneren Grund gehabt hat. Es ist schon so, daß mit dem Ende des 19. Jahrhunderts ganz neue Bedingungen aufgetaucht sind. Die Kinder, die 1897, 98, 99 geboren worden sind, die sind unter kosmisch ganz anderen Bedingungen geboren worden als die frü­heren. Von daher schreibt sich die neuere Oppositionsstimmung eigentlich. Den Gegensatz zwischen jüngerer und älterer Generation hat es ja immer gegeben, aber nicht diese besonderen Oppositions­geister. Gerade dies führt dazu, für die kommenden Generationen große Schwierigkeiten zu sehen. Die stehen vor der großen Gefahr, haltlos zu werden, keinen Kern zu haben. Und da möchte ich denn gerne wissen, was für Gedanken Sie sich darüber machen, wie die nächste Generation einen Kern bekommen kann. Die nächste Gene­ration wird von Nietzsche nichts mehr wissen wollen, auch von Spitteler nichts. Wenn Sie zurückdenken, wie Sie bei der Jugend­bewegung waren und etwas gefunden haben in der Mystik des Baal Schem,23 so werden Sie sich sagen müssen: eine nächste Generation wird nicht in der Art begeistert sein können, wie Sie es waren. Das ist die Schwierigkeit, die jetzt vor uns steht.

Was für ein Bild können wir uns machen für die nächste Genera­tion? Wir müssen doch für den Fortgang der Menschheit arbeiten. Deshalb möchte ich, daß Sie etwas vom Positiven sagen. Dazu ist nicht nötig, daß man umfassende Worte macht und umfassende Ideale ausdenkt, sondern das hängt oftmals von scheinbaren Kleinigkeiten ab, die aber in Wirklichkeit Großigkeiten sind.»

(Das gleiche Thema wurde dann von Dr. Steiner im Kursus sel­ber im sechsten Vortrag24 besprochen, wo es am Ende heißt, daß die

23 Dies bezieht sich entweder auf die kabbalistische Mystik des hebräischen Gottesnamens oder auf den Rabbi, der um 1740 in der Ukraine die ostjüdische Sekte der Chassiden begründete.

24 Stuttgart, s. Oktober 1922, GA 217.

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Jugendbewegung einen Januskopf haben muß, indem sie nicht nur hinschaut auf die Forderungen, die man gegenüber den Älteren hat, sondern auch auf die noch unbestimmten Forderungen, «die mit Riesengewalt an uns heranstürmen, die die kommende Jugend an uns stellen wird.»)

Als man in diesem Sinne auf das Erziehungsproblem zu sprechen kam, sagte Dr. Steiner:

«Unter den vielen Kritiken, die gegen die Waldorfschule erhoben worden sind, ist eine, daß bei uns die Kinder zum Teil mit neun Jahren noch nicht perfekt lesen und schreiben können. Es ist nichts dagegen zu sagen: sie können es wirklich nicht. Aber wir selber sind auch gar nicht der Ansicht, daß Kinder mit acht, neun Jahren fertig lesen und schreiben können sollen, weil für den, der die Na­tur des Menschen völlig kennt, die Fertigkeit, die durch die heutige Volksschule entwickelt wird, den Menschen zum halben Denkauto­maten macht. Statt den Kindern Buchstaben zum Abschreiben zu geben, lassen wir sie mit Farben herumwirtschaften. Dadurch, daß sie dabei etwas empfinden lernen, erhalten sie sich das Leben ihrer Seele, während dieses sonst erstirbt.»

[S.21] Durch solche Aufgabenstellungen wie die, über die künf­tigen Aufgaben einer Jugendbewegung zu sprechen, wurde uns erst bewußt, wie schwer es war, zu wirklichen Begriffen zu kommen über das, was man selber wollte. Gegenüber der auch bei uns wal­tenden, damals stark herrschenden Jugendtendenz, beim bloßen Fühlen stehen zu bleiben, sprach Dr. Steiner die immer scheinbar so unjugendliche Forderung aus: «Formulieren Sie noch genauer, was Sie wollen!»

Im Sinne dieser Forderung hatte er einmal von einer Bespre­chung zur anderen einem von uns die Aufgabe gestellt, sich konkre­te Gedanken zu machen über Ziele des anthroposophischen Jugend­strebens hinsichtlich einer Veränderung der gegenwärtig herrschen­den Verhältnissen unter den Menschen im äußeren sozialen Leben. In großer Sorge rang dieser Freund um die am nächsten Tage zu gebende Antwort, vergeblich bei uns anderen Hilfe suchend. So sah er ziemlich verzagt der nächsten Zusammenkunft entgegen. Da schien sich ihm ein erlösender Fingerzeig zu geben durch die im Vergleich zu anderen heutigen Büros bemerkenswerte freundliche Art des Empfanges in den Büros der damals bestehenden anthroposophischen

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Wirtschaftsunternehmung . Und so wurde denn dies am nächsten Tag vorgebracht mit der Bemer­kung, wir sollten es uns als soziales Ziel setzen, daß in allen Büros der Welt solch freundliche Gesichter zu finden wären. - Dr. Steiner hörte sich das mit unverhohlenem Schmunzeln an und sagte lächelnd: «No25 - abgesehen davon, ob das Beispiel wirklich ganz stimmt» (wer mit dem inneren Leben des bekannt war, wußte, welch große menschliche Schwierigkeiten da zu bewältigen waren) - dann plötzlich sehr ernst werdend - «es kommt wirklich auch auf etwas ganz anderes an. Das bisherige so­ziale Leben gleicht einem Mechanismus, und da ist denn nicht da­mit etwas geschehen, daß die Hebel und Kurbeln des bestehenden Mechanismus mit etwas lächelnderen Gesichtern betätigt werden. Sondern es kommt darauf an, daß dieser Mechanismus ersetzt wer­de durch einen Organismus.» - Und mit eindringlichem Tone fort­fahrend: «Und da müssen Sie sich klar darüber sein, daß dasjenige, was Sie wollen, zunächst nichts anderes sein kann als das Ziehen eines zarten Pflänzchens. Denken Sie sich das Tote des heutigen sozialen Lebens als große Steine und das Pflänzchen zwischen die­sen Steinen. Was tot ist, hat gewissermaßen ein viel zäheres Leben als das Lebendige, denn es kann nicht sterben. Es kann höchstens zerrieben werden. (Mit Nachdruck) - Und die Steine werden zerrie­ben werden. Aber da gilt es für Sie, darauf zu achten, daß das zarte Pflänzchen nicht zwischen diesen Steinen mit zerrieben wird.»

Mitten zwischen den immer wiederholten Zeichen seiner Un­befriedigtheit konnte er sich sofort angeregt und bejahend zeigen, wenn dazu Veranlassung war. So einmal, als einer von uns im Hin­blick auf die von Dr. Steiner im Kurs geschilderte Gefahr der Halt-losigkeit der künftigen Jugend aus mangelnder Gelegenheit zur Op­position meinte, es müßten geistige Inhalte an die Seelen der jungen Menschen gebracht werden, denn dadurch entstünden immer neue Rätsel, an denen sich immer wieder Impuls und Kraft entzünden können zum geistigen Weiterdringen. - Besonders erfreut zeigte er sich, als ausgesprochen wurde: Ebenso wie im Physischen das sozia­le Leben aus gemeinsam verbrachten Taten besteht, so streben wir nach gemeinsamen Taten im Geiste, also eigentlich nach einem

25 No = österreichisch für »Nun».

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sozialen Wirken im Übersinnlichen. Sogleich wollte er wissen, was man sich unter Taten, und besonders gemeinsamen, im Geiste vor­zustellen habe. Als ganz zaghaft geantwortet wurde, daß solches doch wohl durch das Meditieren eines gemeinsamen Geistinhaltes zustande käme, zeigte er sich offensichtlich befriedigt.

Auf diese Weise fanden wir uns wie später noch mehrmals in unserer Auffassung der Meditation bestätigt, die wir nicht nur als Mittel der privaten Selbstvervollkommnung ansehen wollten, son­dern als ein in eine objektive Geistsphäre hineinwirkendes Tun.

[S.22] Das Folgende sind Aussprüche Dr. Steiners nach Aufzeich­nungen einzelner Freunde, deren Zusammenhang mit den verschie­denen Besprechungen sich in der Erinnerung nicht mehr hat fest­stellen lassen.

«Die Seelen der heutigen Menschen kommen als Folge der all­gemeinen Entwickelung des menschlichen Wesens an die Grenze zwischen der Intellektualität und dem Geiste. Da geht es ihnen wie dem Fisch. Wenn der Fisch an die Oberfläche des Wassers gerät und beim Hinausschnappen das fremde Element der Luft spürt, so reagiert er darauf mit dem Impuls, besonders tief ins Wasser zu-rückzutauchen. So werden Sie sehen, daß in der kommenden Zeit die Menschen den Drang haben werden, wenn sie unversehens an die Grenze der Intellektualität geraten, ganz tief unter das Intellek­tuelle hinunterzutauchen. Demgegenüber wird es Ihre Aufgabe sein, durch die Intellektualität vorzudringen zur Überintellektualität, durch die Klarheit zur Überklarheit.»

«Auf dem Wege, den Sie sich vorgenommen haben, wird man empfindlicher, als man vorher gewesen ist für die ahrimanischen Wirkungen in der Welt. So werden Sie darunter mehr zu leiden haben als andere Menschen. Und da werden Sie darauf zu achten haben, daß Sie nicht der Versuchung verfallen, mit den gleichen Mitteln diesem Erleben zu entfliehen, mit dem Sie sich zuerst diese Empfindlichkeit erworben haben.» (Wir glaubten zu verstehen, daß wir uns nicht in ein vornehmlich meditatives Leben wie in einen schützenden Hafen zurückziehen dürften.)

Auf die Frage eines von uns, wo sich heute die ahrimanischen Kräfte am stärksten geltend machten, antwortete Dr. Steiner: «Soweit

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ich habe beobachten können, ist das im Kino und bei der Schreibmaschine der Fall. Nicht daß es nicht andere Maschinen gäbe, die ihrer Konstruktion nach ahrimanischer sind. Aber was die Wirkung auf den Menschen betrifft, ist es so, wie ich Ihnen gesagt habe.»

Bei einer Gelegenheit sagte er zu uns mit großer Eindringlich­keit: «Werdet Menschensucher!» (Dieses Wort empfanden wir wie esne zeitgemäße Metamorphose des Wortes Christi an die Jünger:

«Werdet Menschenfischer.» Im Zeitalter der Freiheit des Individu­ums wird das «Fischen» zum «Suchen».)

Das menschheitlich Umfassende des von uns Erstrebten kam zum Ausdruck in dem Worte in Anknüpfung der Besprechung über die zionistische Jugendbewegung: «Sie wollen ja nicht etwas so Kleines begründen, wie es der Zionismus ist.»

Stark wurden wir an die Bestrebungen der Gottesfreunde erin­nert durch die folgende Erklärung: «Es gibt zwei parallel verlaufen­de Geschichtsströme,26 einen offenbaren und einen unoffenbaren. Allgemein bekannt wird den Menschen nur der erstere. Aber hinter ihm verläuft im Verborgenen der andere Strom. Dieser, der der eigentlich bewirkende ist, darf niemals versiegen. Und zu diesem Zwecke müssen sich von Zeit zu Zeit Menschengruppen zusammen­finden, die in ihm weiterwirken und ihn weitergestalten. In diesen Strom wollen Sie sich durch Ihre Gemeinschaft hineinstellen.»

«Wenn Menschen kommen und den Geistesforscher um einen gemeinsamen Meditationsstoff bitten» - (später erfuhren wir, daß dies in der von uns getanen Weise zum ersten Male in der Ge­schichte des Okkultismus geschehen war) - «und wenn Sie ein wirklich ernsthafter Wille dazu führt, dann kann eine größere Kraft entstehen, um etwas in der Welt anzurichten, als ein noch so mäch­tiger Staatsmann erreichen könnte.»

«Es scheint in der Gegenwart vieles glatt zu gehen, weil es ma­schinell geht. Aber der Lauf der Maschine läuft über der Menschen Köpfe hinweg. Das wird immer mehr eine Riesenkraft, die von sel­ber wirkt, und die die Menschen mit ihren vorhandenen Kräften nicht mehr aufhalten können. Gegen diese Kraft kann man nur gewachsen

­26 Darauf hat Rudolf Steiner des öfteren hingewiesen, z.B. im Vortrag Dornach,

14.12.1918, «Die soziale Grundforderung unserer Zeit - In geänderter Zeit-lage«, GA 186.

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sein durch ein Streben, das sich bemüht, bis in die äußer­sten Konsequenzen seiner [S.23] Handlungen Geist hineinzutragen Das allein wird es möglich machen standzuhalten gegenüber der Überrumpelung durch die Kulturmaschine, daß man Geist und Liebe in seinen Willen hineinbringt. Zu wenig Menschen entwickeln gegenwärtig wirkliche Initiative. Es ist viel Wunsch da, aber wenig Wille.»

«Man muß unterscheiden zwischen Gebet und Meditation. Das gewöhnliche Gebet dient heute zumeist einer Befriedigung des eige­nen Selbstes. Die wahre Meditation aber ist ein Vollziehen des gei­stigen Willens, der den Zeitgeist in sich trägt. Wo solche Meditation geübt wird, da vermag eine geistige Kraft in das irdische Geschehen hineinzuwirken. Geistige Welten wollen heute in das irdische Ge­schehen hineinwirken, aber sie können dieses nur, wenn durch menschliche Meditation Raum dafür geschaffen wird. Es geschieht dadurch etwas wie eine Aussparung im physischen Felde, in die sich geistige Wesen mit ihren Wirkungen hineinbegeben können.»

«Wenn auch physisch viel vernichtet werden wird; wenn auch im Äußeren scheinbar wenig erreicht werden wird: was auf solche Wei­se geistig geschaffen wird, das bleibt, das behält seinen Wert für die Zukunft.»

«Jetzt ist eine Zeit gekommen, wo der Materialismus die Leiber so verhärtet hat, daß die Individualität sich nicht genügend inkar­nieren kann. Viele Menschen gehen daher gegenwärtig so herum, daß sie einen Teil ihres Wesens wie einen Begleiter neben sich haben, der nicht in dem Leibe wohnen kann. Der bleibt hinter der Sinneswelt verborgen. Zu ihm gilt es durchzudringen. Dazu ist die Meditation ein Mittel.»

* * *

Die letzte Phase der Vorbereitung

Nach einigen wenigen Zusammenkünften der engeren Gruppe kam ein Tag - es war Mittwoch, der 11. Oktober -, an dem Dr. Steiner uns wissen ließ, daß er keine Zeit für eine Besprechung mit uns habe. Äußerlich gesehen, ließ sich das mit seiner außerordentlich vielseitigen Inanspruchnahme begründen. Wir selber fanden aber, daß wir darin einen geistigen Wink zu sehen hätten, daß von uns

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etwas Entscheidendes erwartet wurde, worauf wir wieder einmal ganz durch uns selber zu kommen hätten.

[...]

Bei dem Rückblick auf das Zustandekommen des Kursus und das allmähliche Entstehen der neuen Gemeinschaftsidee, den wir jetzt anstellten, mußten unsere Gedanken allerdings an Einem halt­machen. Das war die von uns erstrebte Verankerung unserer Ge­meinschaft in der geistigen Welt: unser Streben, dadurch dem len­kenden Geiste unserer Zeit, Michael, zu dienen.

In unserer Not wandten wir uns nach dem Ende einer Sprach­gestaltungsstunde27 an Frau Dr. Steiner, indem wir ihr unsere Lage kurz schilderten, ohne dabei jedoch ins Konkrete des uns vorschwe­benden Namens zu gehen. Ohne Zögern antwortete sie, indem sie mit der Hand eine entsprechende Bewegung über ihrem Kopfe machte: «Ja, ja, der Doktor will schon auch von dem da etwas von Ihnen hören.» Wir hatten den unmittelbaren Eindruck, daß sie durch Dr. Steiner selber informiert war wohl in der Vorausschau unseres Ringens und der Erwartung, daß wir uns an sie wenden würden.

Sogleich kamen wir wieder unter uns zusammen und berieten in großer innerer Erregung, auf welche Art ein jeder von uns, wenn Dr. Steiner uns wieder zusammenriefe, versuchen würde, der von ihm gehegten Erwartung zu genügen. Es war nun klar, daß einer von uns von unserem Wollen zu Michael hin zu sprechen haben würde. Da Wilhelm Rath es gewesen war, der in der Zeit der Vor­bereitung des Kursus zuerst diesen Namen im Sinne der Orien­tierung unseres geistigen Strebens ausgesprochen hatte, so waren wir anderen uns einig, daß er es auch sein solle, der für uns alle dieses Dr. Steiner gegenüber ausspräche. In tiefem Ernste nahm Rath dies an.

Als wir den Raum verließen, in dem wir dieses besprochen hat­ten, kam Dr. Steiner an uns vorbei. Zagend fragten wir ihn nach der Möglichkeit einer nächsten Zusammenkunft. Ohne Zögern beraum­te er sie für den folgenden Tag an.

27 Rudolf Steiner hatte veranlaßt, daß von Marie Steiner für die Teilnehmer des Jugendkurses auch ein Sprachgestaltungkurs gegeben wird,

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Donnerstag, der 12. Oktober 1922

Dr. Steiner begann sofort mit der Frage: «Nun, was haben Sie mir noch zu sagen?» Was da ein jeder von uns gesagt hat, war ein Ver­such, etwas von der geistig-wesenhaften Seite unserer Zielbildungen zu sagen, wobei zum Schluß Rath den Namen Michaels aussprach. Im Folgenden sei einiges von dem wiedergegeben, was bei dieser Gelegenheit ausgetauscht worden ist.

Einer sagte, er meine, unser Ziel solle sein, daß wir lernen, selbst über Tische und Stühle so geistig zu sprechen, wie man sonst nur über die Hierarchien spräche. Jeder von uns war überzeugt, daß da einmal etwas gesagt war, das Dr. Steiners Zustimmung finden würde. Anstelle dessen schüttelte er lächelnd den Kopf und sagte:

«Nein, vielmehr sollen Sie sich die Aufgabe stellen, über die Hier­archien so natürlich zu sprechen, wie man sonst nur über Tische und Stühle spricht.» Er gab sogleich ein alle zuhöchst überraschen-des Beispiel. Er sagte, man müsse fähig werden, zu erkennen und aus solcher Erkenntnis heraus davon sprechen zu können, daß Ibsen gedichtet habe aus einer Inspiration des luziferisch gewordenen Erzengels Gabriel. Dabei fügte er hinzu, daß das nicht so verstan­den werden dürfe, als ob Gabriel an sich ein luziferisches Wesen sei. Aber er sei von dem Impuls erfaßt worden, seinen Einfluß über die ihm zur Verfügung stehende Zeit hinauszudehnen. An sich sei sein Zeitalter im Jahre 1879 abgelaufen gewesen, aber er habe da von seiner Kulturherrschaft nicht abtreten wollen. So sei ein solches Drama wie Ibsens , das ganz auf der Vererbungsidee aufbaue, zustandegekommen. [S. 25] In solcher Art Vergangenes über seine ihm zustehende Zeit hinaus wirksam zu erhalten, sei stets etwas Luziferisches. Da sei also Gabriel von einem luziferischen Impuls erfaßt worden. Und er fügte hinzu: «Aus dem unrechtmäßi­gen Fortwirken Gabriels entstehen Kulturauswüchse, die bewirken, daß auf eine mystische Art Wünsche von doch nur intellektueller Natur ihren Weg ins Übersinnliche suchen.»

Der Freund, der, wie früher in diesem Bericht angedeutet, an einem der Priesterkurse teilgenommen hatte, knüpfte an das an, was Dr. Steiner dort über das Wesen Anthroposophie gesagt hatte. Er meinte, damit dieses Wesen auf Erden wirksam werden könne, müs­se ihm ein Leib bereitet worden. Dürften wir denken, daß die von

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uns erbetene Gemeinschaft ein Organ in diesem Leibe werden solle?

- Dem stimmte Dr. Steiner grundsätzlich zu, sagte aber, daß es sich nicht um eine Inkarnation, sondern eine Inkorporisation dieses Wesens handele. «Im Erdendasein kann dieses Wesen nur bis zur Inkorporisation schreiten. Eine Inkarnation wird erst unter anderen als den Erdenverhältnissen möglich sein.»

[Hier wurde eine Stelle ausgelassen über das Zusammenleben der europäischen Völker, die in ihrer überlieferten Form sicher nicht authentisch ist.]

Auf die Bemerkung eines der Freunde hin, daß wir nach einer uns allen gemeinsamen Führung strebten, sagte er: «Ja, Sie wollen eine bewußte Gruppenseele werden.»

Nachdem auf diese Weise von jedem von uns etwas von der Art gesagt worden war, von der wir meinten, daß er es von uns hören wollte, kam die Reihe an Rath, der mit fast bebenden Lippen das entscheidende Wort aussprach, indem er sagte, wir wollten uns mit dieser Gemeinschaft unter die Führung Michaels stellen. - Alles, was hierauf von Dr. Steiners Seite erfolgte, war, daß er auf seine Uhr schaute und sagte:

«Heute muß ich Sie leider verlassen, weil ich noch eine andere Verabredung habe. Aber morgen werden wir uns am Abend wieder treffen, und dann werden Sie von mir bekommen, wonach Sie mich gefragt haben.»

Freitag, der 13. Oktober 1922

Wir versammelten uns zur angegebenen Stunde in dem uns dafür zugewiesenen Raum und erwarteten Dr. Steiner in feierlich-erwar­tungsvoller Stimmung. Er betrat den Raum zusammen mit Frau Dr. Steiner in bemerklich ernster Haltung. In der Hand hatte er ein in violettes Leder [Leinen] gebundenes Büchlein, aus dem er später die Meditationen vorlas und abschreiben ließ. Beim Betreten des Rau­mes blieb er einen Augenblick in der Türe stehen und zählte uns ab, indem er mit dem Finger auf jeden [S. 26] von uns der Reihe nach deutete. Dabei wurden wir selber uns zuerst bewußt, daß wir in der Zahl Zwölf beieinander waren.

Danach begab er sich zu dem für ihn vorbereiteten Platz am Ti­sche und setzte sich nieder, indem er uns aufforderte, uns ebenfalls

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zu setzen. Sodann öffnete er das Buch und sagte mit tiefer, sehr ruhevoller Stimme: «Ich habe den Auftrag, Ihnen das Folgende zu übermitteln.» - Darauf las er uns die Worte vor und wies einen von uns an, sie abzuschreiben.28 Danach gab er verschiedene Anweisun­gen zur Praxis des Übens im allgemeinen, sowie zu bestimmten Stellen der uns überlieferten Meditationen. Diese sind in einem be­sonderen, diesem Berichte beigefügten Teil wiedergegeben.29 Zuletzt gab er noch verschiedene Hinweise auf das Wesen und die Bedeu­tung einer solchen Gemeinschaft.

Da sagte er über die Wirkung, die ein Meditieren solcher ge­meinsamer Übungen hätte: «Nehmen Sie an, Sie seien insgesamt zehn, und ein jeder von Ihnen bringe beim Üben die Kraft auf. Dann ist die Gesamtwirkung nicht 2 x 10, sondern 210. Mit an­deren Worten: die Vermehrung der Kraft geschieht nicht nach dem Gesetz der Multiplikation, sondern der Potenzierung.»

Unser persönliches Verhalten zueinander als Angehörige des Kreises betreffend sagte er: «Die einzelnen von Ihnen werden ja in sehr verschiedenen Kulturaufgaben zu stehen kommen. Nicht alle von Ihnen werden in gleichem Maße nach außen zu wirken haben. Einige werden weiter vorne, andere mehr im Hintergrund stehen, je nach Schicksal und Begabung. Da müssen die einen sich freuen über die Erfolge der anderen. Jedes Empfinden von Rivalität muß Ihnen fern bleiben, indem im Bewußtsein aller lebt, daß, was der eine leistet, er durch die Kräfte aller anderen leistet.»

«Sich durch ein gegenseitiges Versprechen zum Streben nach einem gemeinsamen geistigen Ziel verbinden und sich dabei im Handeln und Urteilen im Leben gegenseitig ganz frei lassen - eine auf solches gegründete Gemeinschaft ist etwas ganz Neues in der Entwicklung der Menschheit und etwas, das heute als ein Allernot­wendigstes gebraucht wird.»

«Für jemanden, der auf dem esoterischen Wege zü bestimmten Ergebnissen kommt, besteht immer die Gefahr des Größenwahns. Dagegen kann eine solche Gemeinschaft wie die Ihre ein Schutz

28 Siehe Seite 488.

29 Dieser Teil ist hier nicht aufgenommen, da die allgemeinen Anweisungen gegen­über den in dieser Reihe bereits enthaltenen nicht8 Neues bringen; die speziellen Angaben zur Jugendkreis-Meditation findet man auf Seite 491 in der Form, wie sie Lili Kolisko notiert hat.

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sein. Denn in ihr streben Sie ja gemeinsam zum Überschreiten der Schwelle der geistigen Welt hin. Und da hat sich denn jeder zu sagen, daß er das persönlich Erreichte den Anstrengungen aller an­deren mitverdankt.»

Im Zusammenhang hiermit führte Dr. Steiner einen entsprechen­den Fall in der katholischen Kirche an. Dort sei einmal in einem Kreise von Geistlichen der Gedanke aufgetaucht, daß doch der ein­zelne Priester durch sein Wort den Christus in das Tabernakel zitie­re, somit also Christus dem Worte des Priesters gehorche. Darauf habe der Bischof der betreffenden Diözese, als er bemerkte, daß dieser Gedanke Verwirrung anzurichten begann, einen Hirtenbrief30 erlassen, wörin er klarlegte, daß der einzelne Priester diese Gewalt doch nur habe als Angehöriger des gesamten Klerus der Kirche. Der Geist der Kirche aber sei der Christus, und dieser damit der Geist des gesamten Klerus. In Wahrheit zitiere sich also in der heiligen Handlung der Christus nur selber durch den einzelnen Priester.

Betreffend die Einordnung des übenden Lebens in das äußere Leben des Tages sagte er: «Nun müssen Sie Ihr Leben zwieteilen! (Dieses Wort war mit scharfem Nachdruck ausgesprochen.) Der eine Teil spielt sich in Ihren Übungen ab, der andere verläuft im äußeren Leben. In jenem saugen Sie den Geist ein, dann wird er in dem anderen schon von selber in das Leben ausströmen. Dazu aber ist nötig, daß Sie sich ganz in dieses äußere Leben hineinstellen.»

[S. 27] Als Letztes auf dieser Zusammenkunft kam er nochmals auf das Durchhalten der einmal übernommenen Übungen zu spre­chen. Er beschrieb die Bedeutung der Taten, die wir durch ein sol­ches Tun auszuüben vermöchten. «Im physischen Felde ist heute die ahrimanische Macht so stark, daß kein einzelnes menschliches

30 Diese Erinnerung von Lehrs trügt: Die Verwirrung wurde nicht geklärt, son­dern gestiftet durch den Hirtenbrief «Die dem katholischen Priester gebührende Ehre« vom 2. Februar 1905 des Erzbischofs von Salzburg, J. B. Katschthaler, abgedruckt in Carl Mirbt, «Quellen zur Geschichte des Papsttums und des rö­mischen Katholizismus«, 4. Auflage, Tübingen 1924, und in den Hinweisen zu GA 197. - Rudolf Steiner zitierte diesen Hirtenbrief öfters (9.3.1920, GA 197; 17.7.1920, GA 198; 1.10.1921, GA 343) als Illustration für die Absurditäten, die entstehen, «wenn aus dem modernen Bewußtsein heraus dasjenige ergriffen wird, was in einer ganz anderen Stimmung erfaßt werden muß«, ohne dort aber die Auflösung des so entstandenen Problems zu geben.

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Ich ihr gewachsen ist. Daher kann heute kein menschliches Ich da­für garantieren, daß es einen Entschluß, sofern er eine physische Tat betrifft, auch wirklich ausführen kann. Das Feld aber, auf dem Sie sich nun vorgenommen haben, Taten zu tun, ist eines, zu dem die ahrimanische Macht keinen Zutritt hat. Daher ist die Durchführung dessen, was Sie sich hier vorgenommen haben, allein von Ihnen sel­ber abhängig. Daher haben Sie hier die erste Gelegenheit, Taten in Freiheit zu tun, und somit die erste Gelegenheit, Treue zu üben.»

Wieder war, wie in der allerersten Zusammenkunft mit ihm, das Wort von der Treue mit besonderer Wärme gesprochen. Damit war gewissermaßen der Bogen zurückgeschlagen zu jenem anderen Wort von der nötigen Treue zu dem einmal in der geistigen Welt gefun­denen Freund.

Hier ist nachzutragen, daß Dr. Steiner, bevor er die Übungen vorlas, einige einleitende Worte gesprochen hat, an die sich aber niemand der Anwesenden im Einzelnen erinnern kann. Nur ein Freund meint sich deutlich zu erinnern, daß Dr. Steiner während dieses seines Sprechens in einigen Abständen die drei Rosenkreuzer­sprüche hätte hereintönen lassen.

Zum Abschluß sagte Dr. Steiner, er wolle uns in den nächsten Tagen noch etwas geben, wodurch wir in der Lage sein würden, den Kreis in Zukunft zu erweitern. «Da werden wir Ihre Gemein­schaft formen in einer Weise, die nach Ihrem Herzen sein wird.» Er entließ uns für dieses Mal, indem er jedem von uns herzlich die Hand gab, und ebenso auch Frau Dr. Steiner, mit der zusammen er den Raum verließ. In den letzten Worten erlebten wir die Antwort auf eine von uns im Laufe der Vorbesprechungen gemachte Bemer­kung, daß wir uns dächten, die Bedeutung der von uns gesuchten Gemeinschaft müsse durch den Akt ihrer Gründung und die Form des Beitrittes zum Ausdruck kommen.

Zu diesem Akt wurden wir dann auf Montag, den 16., in aller Frühe vor Dr. Steiners Abreise nach Dornach bestellt.

Bevor dieses Ereignis geschildert wird, muß von einem Vorfall in den Zwischentagen berichtet werden, weil dieser zum Anlaß wurde, daß Dr. Steiner das Beisammensein in einer bestimmten Weise begann und uns auf eine uns obliegende Aufgabe im Gesamten der Anthroposophischen Bewegung hinwies.

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Begegnung mit der jungen Bewegung für religiöse Erneuerung

[S. 27/28: Es wird hier berichtet, daß einige Kreisgründer im Einverständ­nis mit Dr. Rittelmeyer und Dr. Steiner die Absicht hatten, am Sonntag, den 15. Oktober, an der ersten Menschenweihehandlung der Christenge­meinschaft teilzunehmen, bei der auch andere als nur die Priester anwe­send sein konnten. Es war dies im Rahmen der Vorbereitung im inneren Kreis, bevor die Menschenweihehandlung am ersten Advent in den Ge­meinden zum ersten Mal öffentlich zelebriert werden sollte. In der vor­ausgehenden Besprechung, in der Einzelheiten der Handlung bekannt gemacht wurden, verlangte Lic. Emil Bock, daß alle Teilnehmenden sich durch ihre Teilnahme verpflichteten, sich für den Aufbau der Christen­gemeinschaft einzusetzen. Daraufhin zogen sich die Kreisgründer von ihrem Vorhaben zurück.]

Die Stiftung des Kreises am Montag, den 16. Oktober 1922

[S. 28] Wegen der frühen Abreise Dr. Steiners fand die Zusammen­kunft um 7 Uhr morgens statt. Wir erwarteten ihn außerhalb des Raumes, zu dem wir bestellt waren, auf dem Absatz der Haustrep­pe. Auf dieser kam er uns entgegen und fragte uns noch vor Betre­ten des Raumes mit dem Ausdruck interessierter Erwartung, ob wir an der Menschenweihehandlung am Tage vorher teilgenommen hät­ten. Wir verneinten dies unter Hinweis auf eine seitens der Priester-schaft entstandene Schwierigkeit. Darauf sagte er mehrmals mit Nachdruck, daß von ihm aus dem nichts im Wege gestanden hätte. «Kommen Sie nur herein; das wollen wir gleich besprechen. Da müssen Sie mir berichten, was sich Ihnen da in den Weg gestellt hat!»

So begann die Zusammenkunft, die der feierlichen Stiftung des Kreises gewidmet war, mit einem Bericht von uns über das an je­nem Abend Erlebte und den uns dadurch aufgenötigten Entschluß sowie mit einer grundsätzlichen Darlegung Dr. Steiners über sein Verhältnis zur Christengemeinschaft und im Unterschiede dazu sei­ner Stellung in der anthroposophischen Bewegung. Er machte uns deutlich, daß er über die Bedingung zur Teilnahme an dem Kultus durchaus ein anderes Urteil habe, als es uns dort entgegengebracht worden sei. Aber die Christengemeinschaft sei in solcher Weise begründet

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worden, daß darin nicht seine, sondern der Priester Ürteile maßgebend seien und er dafür, was für Urteile sich im Leben dieser Bewegung geltend machten, selber nicht verantwortlich sei. Die Christengemeinschaft habe er selber weder begründet, noch sei er ihr verantwortlicher Leiter. Um sein Verhältnis zu ihr richtig zu sehen, bedürfe es subtiler Begriffsunterschiede. So habe er den Kul­tus den Priestern nur demonstriert, ihn aber niemals selber zele­briert. Zum ersten Male zelebriert worden sei er durch Dr. Rittel­meyer. Anders sei sein Verhältnis zur Anthroposophischen Bewe­gung. Da sei er dafür verantwortlich, daß richtige Urteilsbildungen in ihr herrschen. «Da aber ist es oft so: Alles in dieser [S. 29] Bewe­gung ist von klaren Impulsen ausgegangen. Oftmals sind diese aber später - und manchmal gerade aus gutem Willen der Mitglieder her­aus - in die Unklarheit gebracht worden. Und da sollte es sich schon ein Kreis wie der Ihre zur Aufgabe stellen, dazu zu helfen, daß die Ausgangsimpulse in ihrer Klarheit erhalten bleiben, oder, wo sie in die Unklarheit geraten sind, wieder in die Klarheit zu­rückgeführt werden.»

Dann ging er zu anderem über. Wir erinnern uns, daß er Gele­genheit nahm, von H.P. Blavatsky zu sprechen, wohl im Zusam­menhange mit einer Darstellung der der Anthroposophie vorausge­gangenen okkulten Bewegungen der neueren Zeit. Doch kann sich da niemand an Einzelheiten erinnern als nur, daß Dr. Steiner von dieser Persönlichkeit als von einem ge­sprochen hat.

Als Nächstes erklärte er uns einiges über unser Darinnenstehen in der Welt als Angehörige unserer Gemeinschaft. Von nun an wur­de es für jede Menschengruppe in der äußeren Welt - also etwa Stu­denten an einem Lehrerseminar, an dem einer von uns studiere -von karmischer Bedeutung sein, daß unter ihnen sich einmal ein Mitglied dieses Kreises befunden hat. Ebenso würden Schicksals-wirkungen auftreten zwischen mit uns «physisch oder physisch-seelisch» verbundenen Menschen - er wiederholte - von guter oder schlechter Art, je nachdem wir gut oder schlecht in unserer Sache darinnenstünden. Doch warnte er, daß man dies nicht ohne weiteres richtig beurteilen könne. Dazu bedürfe es einer Fähigkeit, die man besser in der englischen Sprache ausdrücken könne: occult discrimi­nation.

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«Betrachten Sie sich selbst als die Wurzel des Kreises», sagte er im Hinblick auf das künftige Wachsen desselben.

Zur Handhabung künftiger Aufnahmen sagte er nur, daß wir niemanden unter 21 Jahren aufnehmen sollten. Denn da hat der Mensch noch keine juristische Verfügbarkeit über sich selber, und so könnte man da in Konflikt mit den Eltern und dadurch mit der öffentlichen Rechtsprechung kommen. Das aber müsse unter allen Umständen vermieden werden, daß der Kreis in irgendeine Berüh­rung mit den Instanzen des öffentlichen Lebens gerät. - Ferner riet er uns, möglichst keine verheiratete Frau aufzunehmen, deren Mann nicht dabei sei, beziehungsweise bei dem man damit rechnen müsse, daß er selber keinen Zugang dazu finden wird.

Dr. Steiner schloß diesen Teil der Besprechung damit ab, daß er unter merklicher Änderung seiner Haltung sagte, er wolle uns nun eine Formel geben - er nannte sie - durch deren Verlesung in Gegenwart anderer der Eintritt in die Gemeinschaft vollzogen würde. So sollten wir uns zunächst gegenseitig aufneh­men, indem jeder den anderen die Formel vorliest. Künftighin solle sie uns dann dazu dienen, den Kreis in eigener Verantwortung zu erweitern. Er ersuchte, daß jemand Schreibzeug und Papier vorneh­me, und diktierte die Formel31 dann frei, indem er sie Wort für Wort im Sprechen selbst gleichwie aus dem Geistigen herunterholte, wobei er den Blick sinnend vor sich gerichtet hielt. Sodann machte er eine kurze Pause, legte Arme und Hände still vor sich zusammen und sagte mit tiefem Ernste und einer Stimme, in der Weltenfestig­keit mit demütiger Stille gepaart schienen: «Und nun betrachten Sie Ihre Gemeinschaft als von der geistigen Welt selbst gestiftet.» Dar­auf erhob er sich und wir mit ihm. Sodann ging er zu jedem einzel­nen von uns hin, stellte sich ruhig vor denselben, nahm dessen rech­te Hand in seine beiden Hände und blickte ihm eine kurze Zeit in

31 Eine Originalniederschrift von Rudolf Steiner liegt dafür nicht vor. Lili Kolisko hat sich diese Formel am ii. November 1924 in ihrem Notizbuch so notiert:

«Ich verspreche hiermit, daß ich in diese Gemeinschaft, soweit mir bewußt ist, mit reinem Denken und reinem Willen eintrete und daß ich anerkenne, daß die Beurteilung meines Wesens durch die Aufnahme in die Gemeinschaft geistigen Wesen anheimgestellt ist. - Ich will mir zum Bewußtsein bringen, daß ich durch jede Verfehlung gegen dieses Versprechen wider die Absichten der geistigen Wesen handle, in deren Dienst sich diese Gemeinschaft stellt. - Meine Seele würde den Folgen einer solchen Verfehlung verfallen sein.»

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die Augen mit einem Blick, den man in Worten nicht beschreiben kann - vielleicht darf man, einer Schilderung von ihm in einem der später Uanuar 1924) gehaltenen Rosenkreuzer-Vorträge32 geden­kend, sagen: mit einem Sternenblick. Hier durfte man in Augen blicken, von denen kein persönlicher Blick ausging, sondern durch die hindurch Geisteswelten schauten und erstrahlten.

[S. 30] Vor seinem Fortgehen ersuchte er uns dann noch, ihn davon zu unterrichten, falls jemand sich doch noch entschlossen haben sollte, dem Kreise nicht beizutreten. Dies überraschte uns, da uns nach all dem Vorangegangenen so etwas gar nicht denkbar schien. Später ließen uns auftretende Schwierigkeiten im Rückblick seine Vorsorge verstehen. Einen Gebrauch von dieser noch einmal zur Verfügung gestellten Freiheitssituation hat damals aber niemand gemacht. Immerhin sagte es uns für unser eigenes künftiges Verhal­ten, daß dem Zutritt Ersuchenden noch nach dem Bekanntwerden mit den Inhalten eine letzte Überprüfung seines Entschlusses ge­währt werden solle.

Uns selber war es wichtig gewesen, daß wir uns in dem Gedan­ken einer solchen Gemeinschaft von Anfang an gefunden hatten ohne Rücksicht auf gegenseitige seelische Sympathie. So meinten wir auch für die Zukunft, in diesem Teil unseres Wesens keine Nä­herung aneinander erstreben zu sollen. Wie überrascht waren wir daher, als Dr. Steiner im Fortgehen sich nochmals freundlich zu uns zurückwandte und warmherzig sagte: «Und nun lernen Sie einander gut kennen!» Zunächst gab uns dies den Gedanken ein, bei unserer gegenseitigen Aufnahme am gleichen Abend einander unser Leben zu erzählen, was dann zum bleibenden Usus bei Aufnahmen gewor­den ist.

In der ihm vor seiner Abfahrt verbleibenden Zeit erlaubte uns Dr. Steiner, ihm alle möglichen Fragen mehr oder weniger persön­licher Art zu stellen. Da fragte einer um Rat für seine Studien und bekam das Thema für eine Doktordissertation. Ein anderer bekam wichtige Hinweise für seine geschichtlichen Forschungen. Wieder ein anderer bekam genaue medizinische Anweisungen für ein ihn plagendes Leiden. Unter diesen Fragen war auch eine, die hier,

32 Siehe «Mysterienstätten des Mittelalters. Rosenkreuzertum und modernes Ein­weihungsprinzip ...», GA 233a.

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wegen des allgemein bedeutenden Charakters der von Dr. Steiner gegebenen Antwort, mitgeteilt sei.

Die Frage ging nach Dr. Steiners Stellung zu dem, was bis zum Jahre 1914 als eine Art esoterischer Sektion33 innerhalb der dama­ligen Gesellschaft bestanden hatte, und dem, was sich jetzt neu ge­bildet habe. Hierzu sagte er:

«Als ich anfing zu lehren, mußte ich versuchen, an die Ausläufer der alten Tradition anzuknüpfen. Das so Entstandene mußte in einem Moment äußerer Geschehnisse abgebrochen werden. Was jetzt geschehen ist, das ist ein Erstmaliges in der nachchristlichen Zeit, daß Menschen sich in Freiheit vor der geistigen Welt aus sich heraus entschlossen haben, sich esoterisch zusammenzuschließen.»

Hierzu sei aus später von uns Erfahrenem Folgendes hinzuge­fügt. Als nach dem Ende des ersten Weltkrieges einige ältere esote­rische Mitglieder Dr. Steiner nach der Möglichkeit einer Wiederauf­nahme des bei Kriegsbeginn Abgebrochenen fragten, habe er diesen zur Antwort gegeben, daß das Alte nicht wieder aufgenommen wer­den könne, daß es aber wohl zu neuen esoterischen Gestaltungen innerhalb der Gesellschaft kommen könne. Das sei aber davon ab­hängig, daß erst einmal Menschen aus Freiheit zu ihm kämen und um eine gemeinsame Esoterik anfragten. Solches könne aber nur in Mitteleuropa und von Angehörigen der jüngeren Generation ge­schehen. Darauf müsse er warten.34 So verstanden wir denn auch sein so überraschend positives Verhalten, als Rath in jener Komitee-besprechung vor dem ersten Vortrag des Kursus unsere Frage aus­sprach.

Als Rudolf Steiner schließlich den Raum verließ, um mit dem schon bereitstehenden Wagen nach Dornach zu fahren, wandte er sich an der Türe mehrmals um und winkte herzlich mit beiden Händen.

[Ende des Berichtes von Ernst Lehrs]

33 Siehe den Band «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904-1914«, GA 264.

34 Dies kann von Rudolf Steiner in dieser Form nicht gemeint gewesen sein, wie durch die esoterischen Stunden von 1920 bis 1923/24 #SE266c-448

2. Notizen von Ausführungen Rudolf Steiners bei

zwei Zusammenkünften mit allen Teilnehmern

des pädagogischen Jugendkurses

Nach einer im Archiv vorliegenden Photokopie. Das der Kopie zugrunde liegende, mit Schreibmaschine geschriebene Original trägt den Stempel «An­throposophische Vereeniging, Archief» und rechts oben den Namenszug von Daniel van Bemmelen, wohl als Eigentümer, nicht als Autor. Kleine Korrekturen im Text sind wahrscheinlich auch von der Hand van Bemme­lens.

Wahrscheinlich handelt es sich um eine redigierte Abschrift von Notizen, die sich einzelne Teilnehmer während oder gleich nach den Besprechungen gemacht haben. Diese Texte müssen Ernst Lehrs und Wilhelm Rath bei der Abfassung ihrer Berichte vorgelegen haben; sie sind fast wörtlich übernom­men worden. Die angefügten Seitenzahlen geben an, wo sich die einzelnen Stellen in diesen Berichten wiederfinden. Beim Abschreiben entstandene Sinnlosigkeiten sind nach Lehrs korrigiert und auch mit eckigen Klammer gekennzeichnet.

Besprechung vom 6.10.22

Pädagogischer Kurs 2. - 15. OkL 22

Dr. Steiner: «Ich möchte nun doch vorausschicken, daß ich gern von den verschiedensten Seiten hören möchte, wie Sie sich vorstel­len, daß Ihre Gemeinschaft, die da werden soll, zusammengehalten werden soll, wie sie arbeiten soll und was der Zusammenhalt für sie eigentlich bedeuten soll. Mißverstehen Sie mich nicht. Natürlich wird zuletzt aus dem, was hier beabsichtigt ist, nur dasjenige her­auskommen können, was in der Sache begründet ist. Aber es wird sich darum handeln, daß zuerst wirklich von den verschiedensten Seiten gesagt wird, was man sich vorstellt, das da herauskommen soll, damit wir sehen, inwieweit wirklich, nicht bloß vermeintlich, ein freies, ein ganz freies persönliches Wollen vorliegt. Sie können natürlich auf die verschiedenste Weise mitarbeiten im Sinne der Zie­le, die jetzt während unserer gemeinsamen Campagne hier bespro­chen werden. Aber Sie haben außerdem noch speziellere Ziele, oder, ich will sagen, Sie haben vor, auf eine speziellere Weise diese Ziele zu erreichen, und da müßte ich unbedingt von den verschiedensten

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Seiten hören, was eigentlich gewünscht wird, bevor es möglich ist, diese Sache in einen objektiven Rahmen zu fassen. Was Sie als Vor­stellungen haben über das, was Sie wollen, ist es nicht. Man kann in eine solche Sache nur als ganz freier Mensch eintreten und deshalb möchte ich Sie bitten, diese Stunde zu benutzen, sich frank und frei auszusprechen, unbeirrt um alles andere; zu gleicher Zeit aber auch alles berücksichtigen, was für Sie zu einem freien Entscheid in Be­tracht kommt. Das andere werde ich sagen, wenn von den verschie­densten Seiten her die Aussprache erfolgt ist.» [Lehrs S. 16].

Dr. Steiner: «Es wäre gut, wenn Sie in Ihre Reden einfließen lie­ßen etwas von der positiven Aufgabe, die Sie sich setzen wollen. Es fließt in die Jugendbewegung etwas ein von einer gewissen Un­bestimmtheit. Es ist das Eigentümliche, daß die meisten, die von Jugendbewegung sprechen, nicht bestimmt sprechen, sondern aus einem gewissen Gefühle heraus. Aber auch aus dem Gefühle heraus kann man gewisse Dinge bezeichnen, und es wäre in diesem Augen­blicke gut, wenn solche konkreten, positiven Empfindungen zum Ausdruck kommen würden. Sie haben die zwei Bewegungen [Zio­nismus und Wandervogel], die Sie durchgegangen sind, gut charak­terisiert. In der [zionistischen] Jugendbewegung ist ja eine gewisse Art von Sehnsucht nach einer Regeneration des Judentums. Aber es würde, damit wir nicht auch mit dieser Gemeinschaft [hier] in Un­bestimmtes, sondern in Bestimmtes hineinkommen, gut sein, wenn Sie auch wirklich versuchen würden, etwas zu umschreiben dasjeni­ge, was Sie sich vorstellen. Also zum Beispiel, wenn Sie eingehen würden auf die Frage, was Sie in der Jugendbewegung eigentlich ursprünglich gesucht haben. Nicht als ob ich mich informieren wollte, sondern, daß Sie sich selber sagen müssen: ich habe dieses oder jenes gesucht durch die Jugendbewegung. Solche Dinge wach­sen aus Unbestimmtem heraus, aber man kann versuchen, einiges zu charakterisieren von dem, was man angestrebt hat.» [Lehrs S. 19].

Frl. Spira: [ohne Text]

Dr. Steiner: «Sehen Sie, sagt uns nicht dasjenige doch etwas, was seiner Natur nach im Grunde genommen nur ein Übergang sein kann. Denn, nicht wahr, vermeiden kann man es nicht, älter zu werden. Nun frägt es sich, ob man stehenbleiben darf dabei - es soll

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als Frage gestellt sein -, eine in der Zeit abgeschlossene Sache anzu­streben, während wir doch selber, einfach durch den natürlichen Gang der Dinge, in der Zeit weitergehen. Wenn Sie diese Charakte­ristik nehmen, die Sie eben gegeben haben, so ist sie in der Zeit abgeschlossen. Der Einwand ist nicht ganz gültig, daß es die nächste Generation leichter haben wird. Sie wird zum Teil es leichter haben, wenn diejenigen, die älter werden, dann auf ihre [eigene Jugend zu­rückschauen und sich zu ihren Kindern] nicht mehr so verhalten werden, wie sich die früheren Alten verhalten haben. Aber Sie dür­fen doch nicht vergessen: Den Enthusiasmus, die große Begeiste­rung, die Sie gehabt haben, verdanken Sie der Opposition, und diese saß als Feuer in Ihnen. Dieses Feuer wird die nachfolgende Genera­tion nicht haben können, gerade dann nicht haben können, wenn Sie es ihr leichter machen, so daß für die nächsten Jahre neue Schwierigkeiten auftreten müssen, die [aufgewogen werden müssen durch etwas, was Sie sich noch aus den Kräften der Opposition haben holen können]. [Lehrs S. 20].

Das Leben aber geht weiter und schafft neue Bedingungen und wer beobachten kann im Leben, der muß dennoch sagen: es ist ganz gut, daß sich einmal eine Generation, die vom Anfange dieses Jahr­hunderts, etwas erkämpft hat. Ich kann Ihnen aber auch ganz ehr­lich sagen, was sie sich erkämpft hat. Das hat den richtigen Charak­ter durch einen inneren Grund gehabt. Es ist so, daß mit dem Ende des 19. Jahrhunderts im Inneren der menschlichen Seelenentwick­lung neue Bedingungen aufgetaucht sind. Die Kinder, die 1897/98/ 99 geboren wurden, sind unter kosmisch anderen Bedingungen ge­boren. Daher ist diese Oppositionsstimmung erst gekommen. Den Gegensatz zwischen jüngerer und älterer Generation hat es immer gegeben, aber nicht diese besonderen Oppositionsgeister. Das führte dazu, gerade große Schwierigkeiten zu sehen in der nächsten Zeit und bei der nächsten Generation. Die nächste Generation steht vor der großen Gefahr, trotz allem haltlos zu werden, keinen Kern zu bekommen. Und da möchte ich gern wissen, ob Sie sich Gedanken machen darüber, wie die nächste Generation einen Kern bekommt. Sie hatten noch einen Kern, denn ohne ihn hätten Sie nie zur Op­positionsstimmung kommen können. Die nächste Generation wird von Nietzsche nichts mehr wissen, auch von Spitteler35 nicht. Und wenn Sie zurückdenken, wie Sie bei der Jugendbewegung waren

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und etwas gefunden haben in der Mystik des Baal Schem,36 so wer­den Sie sich doch sagen müssen: Eine nächste Generation wird nicht so begeistert sein können, wie Sie waren. So daß diese Schwierigkeit jetzt da steht: Was für ein Bild können wir uns machen für die nächste Generation? [Lehrs S. 20].

Wir müssen doch für den Fortgang der Menschheit arbeiten, und deshalb möchte ich, daß Sie etwas von Positivem sagen. Das aber hängt nicht davon ab, daß man umfassende Worte macht und um­fassende Ideale bildet, sondern das hängt oftmals von Kleinigkeiten ab, die aber Großigkeiten sind. Unter den vielen Kritiken, die gegen die Waldorfschule abgegeben wurden, ist eine solche, die sich dar­über wundert, daß bei uns die Kinder mit neun Jahren noch nicht lesen und schreiben können. Es ist nichts einzuwenden dagegen. Sie können . » [Lehrs S. 20].

[wenigstens eine Seite fehlt hier]

[Bei der Überschrift für die zweite Zusammenkunft ist ein Fehler unter­laufen, den wahrscheinlich van Bemmelen von Hand korrigierte:J

8. X. 22 [8. Oktober 1922]

«Eine Anzahl von Persönlichkeiten weiß mit aller Energie, was sie wollen. Ein anderer Teil weiß das noch nicht. Ein Kreis soll for­miert werden. Der Umfang des Kreises ist aber noch nicht be­stimmt. Die einzelnen Persönlichkeiten, die etwas energisch wollen in einem gewissen Sinne - das lag in der Auseinandersetzung des Herrn Rath -, wollen einen Kreis bilden, der eine geistig-wesenhaf­te Substanz in sich birgt, der sich zum Träger eines Geistig-Wesen-haften macht. Das gibt dem Kreis einen esoterischen Charakter, ob­wohl ich Sie bitten möchte, diese Dinge nicht gar zu sehr zu miß-brauchen - als Wort. Unter einem esoterischen Kreis stellen sich heute die Leute allerlei Dinge vor. Ich meine nicht Sie, aber andere. Es handelt sich um das, was man will. Auf die Namengebung kommt nicht sehr viel an. Wenn ich selber auf das Esoterische etwas eingehen will oder soll, so muß ich sagen, daß es sich darum

35 Carl Spitteler, 1845-1924, Schweizer Dichter, Nobelpreisträger 1919.

36 Siehe Seite 431.

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handelt [, das Esoterische ernst zu nehmen]. Denn wenn das Esote­rische ernst genommen wird, ist es ein Handeln nach konkreten Impulsen aus der geistigen Welt heraus. Dem kann man nur zustre­ben. Dazu ist die Anthroposophie ein Weg. Eine solche Gemein­schaft zu bilden, wäre dann der Entschluß, diesen Weg zu betreten. Das würde zu verschiedenen Maßnahmen führen, die geeignet sind, zu diesem Ziele hinzuführen. Wenn Sie von geistigem Inhalt spre­chen, müssen Sie sich klar sein, daß es sich da um Lebendiges han­delt. Das Geistige muß ein Lebendiges sein, und der Kreis kann auch nichts Totes sein. Er muß etwas Lebendiges sein, das heißt mit anderen Worten: ein Kraftkreis. Der hat dann die Eigenschaft eines Lebendigen. Man kann alles dasjenige voraussetzen, was von den verschiedenen Persönlichkeiten und mir selber schon gesagt worden ist. Aber man muß sich auch klar sein, daß aus dem gemeinsamen Leib gemeinsame Schmerzen, gemeinsame Schicksalszusammenhän­ge herauskommen. Allerlei von dem kommt heraus, was in einem gewissen Sinne die Analogie von einem Organismus hat, wo, wenn die Finger leiden, auch das Gehirn etwas davon verspürt. Das setzt voraus, daß man es nicht so macht, wie es bei anderen Gesellschaf­ten gemacht zu werden pflegt, daß man sagt: § 1, ~ 2 etc. des Pro­gramms - und dann sind die verschiedenen unter dem Programm vereinigt. Die Menschen müssen sich als Menschen nehmen, nicht als Glieder einer Programmgemeinschaft, als Mensch, als Mitmensch mit allen Unvollkommenheiten und deshalb ist es eine ganz grund­legende Aufgabe für Sie, den Kreis zu formieren, d. h. sich darüber klar zu sein, wie Sie dazu kommen, daß Sie die Menschen, die sich unter dem Gesichtspunkte vereinen, den Herr Rath, Herr Lehrs und Herr Maikowski ausgeführt haben, zusammenfinden. Dieser Kreis kann dann seinen Weg auch esoterisch gehen. Das wird sich finden, wenn der Kreis gebildet ist. Man muß erst den Kreis haben, um sagen zu können, ob er einen esoterischen Weg gehen kann. Den haben Sie noch nicht. Er präsentiert sich aber wohl noch. Des­halb meine ich, es gibt Persönlichkeiten, die energisch wissen, was sie wollen, die aber noch nicht alle dies zum Ausdrucke gebracht haben. Diese Klarheit müßten Sie schaffen, bevor Sie zu Ende sind mit diesen Vorarbeiten. Sie müssen darauf hinarbeiten, vielleicht kommt man am allerersten zu solchen Dingen, wenn man an den Ausgangspunkt anknüpft.» [Lehrs S. 16f].

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[In dem Bericht von Wilhelm Rath heißt es auf s. 31: . und Dr. Steiner wendete sich dann an mich mit der Aufforderung, ich solle doch, um eine noch bessere Klarheit zu schaffen, an den Ausgangspunkt anknüpfen. Diese Worte wurden damals aufgeschrieben:]

«Es ist vielleicht ganz leicht, an einen Ausgangspunkt anzuknüp­fen, den Sie berührt haben. Sie wiesen hin auf das Bekanntwerden des Bundes für freies Geistesleben37 und haben gesagt, so kann das­jenige, wovon Sie wünschen, daß es geschehen soll, nicht geschehen. Es ist ganz sicher wahr, daß der Bund für freies Geistesleben auch aus der Voraussetzung heraus gegründet worden ist, etwas Ähnli­ches zu verwirklichen [wie Sie es wünschen], wenn auch in anderer Weise. Und nun, ohne daß ich irgend etwas urteile über den Bund für freies Geistesleben, würde es vielleicht schon gerade auf dem Wege des inneren [Klarheit-]Schaffens etwas bedeuten, wenn Sie zum Beispiel das weiter ausführen würden. Es wäre interessant zu hören, was Sie gleich zurückgestoßen hat. Dann würde man sehen, was sich als Wollen herauskristallisierte. Es würde ganz gewiß etwas sein, was für alle interessant und anregend sein würde. An der Art [Ihrer Darstellung] würde man vielleicht sehr viel erkennen können. Sie brauchen nicht zu denken, daß Sie den Bund für freies Geistes­leben zu schonen brauchen, weil ich da bin.» [Rath, S. 31].

[Danach heißt es in dem Bericht weiter: «Ich schilderte nun, wie uns jungen Leuten damals in Berlin der Stil dieses Aufrufs befremdet habe. Wir fanden ihn «reklamehaft». So könne doch Anthroposophie nicht in der Welt verbreitet werden. Wir vermißten eine geistige Substanz. Ein wahrhaft freies Geistesleben müsse doch im Geiste selbst gegründet sein und ein , der es der Welt verkünden wolle, müsse selbst in brüderlicher Gesinnung zu­sammenstehen, und nicht nur durch ein organisatorisches, sondern ein gei­stiges Band verbunden sein. Dies habe in uns nun den Gedanken eines leben­digen geistverbundenen Bundes geweckt, wie wir ihn vorbildlich in den Schriften des Gottesfreundes vom Oberland dargestellt fanden, nur daß ein solcher Bund heute den Forderungen der Gegenwart entsprechend gestaltet sein müsse. Dieser geistige Hintergrund aber sei nicht in klarer Weise aus dem Aufruf zu erkennen gewesen. Darauf führte nun Dr. Steiner das Folgen­de aus:»]

37 Rath bemerkt hierzu in seinem Bericht: «Ich hatte bei meiner ersten Darstellung der Idee des Kreises davon gesprochen, daß die Beschäftigung mit dem »Aufruf» dieses Bundes uns in Berlin den ersten Anstoß gegeben habe.» Dieser Aufruf ist hier auf S. 411 abgedruckt.

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«Das ist eben dasjenige, was von allem Anfange an festgelegt werden muß: eine gewisse Klarheit über die Sache. Vielleicht darf ich dieses eine herausheben, was Sie sagten, etwas, was Sie über die Verbreitung sagten. Dem lag etwas ganz anderes zu Grunde, als es den Eindruck auf Sie gemacht hat. Was da zugrunde lag, ist das Folgende. Nehmen wir die Tatsachen ganz objektiv. Nehmen Sie meine , ein Buch, das nicht gerade eine Unterhaltungslektüre ist. Das Buch ist in einer so kurzen Zeit an so viele Seelen herangekommen, daß man sich eines Tages hätte sagen müssen, es gibt heute ungeheuer viele Menschen, die den In­halt dieses Buches kennen. Das Buch hatte dazumal die 12. Auflage erlebt, also 12 000 Exemplare.38 Das bedeutet vier- bis fünfmal so­viel mehr Leser, an die es herangekommen ist. Nach den Erfahrun­gen, die man machen kann, sind es aber wahrscheinlich viel mehr. Da müßte man sich sagen: Es ist die Zahl der Menschen eine sehr große, die eine Sehnsucht haben nach dem, was sie da erfahren kön­nen durch die Anthroposophie. Weite Seelenkreise verlangen also nach dem, so daß das passive Sich-Sehnen nach Anthroposophie einem die Pflicht auferlegt, etwas zu tun, damit Anthroposophie etwas sein kann, was auf der Erde wirksam ist. Und das aktive Ein­treten für die Anthroposophie ist ein solches, das noch nie, auch wiederum noch nie für eine Sache, nach der sich so viele Leute seh­nen, so gering war als bei der Anthroposophie. Wenn Sie sehen auf irgendwelche in der Menschheit auftretende Impulse, so werden Sie in der Regel finden, das sind kleine Kreise, die die Sache haben und die eine Sehnsucht haben, sie zu verbreiten, die also von sich aus die Sache an die Menschen heranbringen wollen. Bei der Anthropo­sophie ist das so, daß sie tatsächlich in vielen Seelen darinnen sitzt, die aber eigentlich erst dann das haben könnten, was sie selber ent­hält, wenn es auch aktive Beteiliger, d. h. arbeitende Menschen in genügender Zahl gäbe, die entsprechen würden dieser menschlichen Sehnsucht. Das würde schon begründen, daß man sagt, es muß eigentlich so etwas da sein, wie es dazumal angestrebt worden ist mit dem Bunde für freies Geistesleben, daß Aktivität zwischen das Passive kommt. Das werden Sie nicht mehr so reklamehaft finden.

38 Die damals vorliegende Ausgabe war 1920 mit der Bezeichnung 7.-15. Auflage erschienen.

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Aber Sie werden auch sehen, wie ungeheuer schwierig es ist, sich klar auszusprechen. Das, was sie gesagt haben, hat einfach durch die Art des Aussprechens die Gestalt bekommen, die Sie charakterisiert haben. Dasjenige, was der Anthroposophie so große Hemmnisse geschaffen hat, besteht darin, daß die Klarheit in ihrer Vertretung, ganz gleich, ob es intim vertreten ist oder mehr nach außen hin, in hohem Grade gemangelt hat. Ein klares Auftreten ist erforderlich. Von vornherein müßten Sie eine solche Klarheit also schaffen. Sie verstehen, was ich meine. Nur bin ich noch nicht in der Lage zu sagen, was notwendig wäre.» [Rath, S. 31f].

«Sie sollen nicht den Glauben haben, daß ich das tadeln will, was Sie vom Bund für freies Geistesleben gesagt haben. Ich wollte näm­lich nur sagen, auf welche Weise das zustande kam. Dadurch, daß diese Klarheit nicht da war bei dem Aufrufe des Bundes für freies Geistesleben. Ein gutes Wollen lag schon zugrunde. Vielleicht hät­ten Sie hinzufügen können, daß, wie der Erfolg es eben zeigt, es nicht richtig gemacht war. Der Aufruf hat keine Wirkung gehabt.» [Rath, S. 33].

«Das eine möchte ich zu bedenken geben, ob Sie eine Anzahl von Persönlichkeiten, die von dieser Tagung in Stuttgart [pädagogi­scher Jugendkurs] mancherlei erwartet haben und die vielleicht heu­te noch der Meinung sind, daß das, was sie erwartet haben, realisiert werden sollte, dadurch, daß Sie gewissermaßen über ihre Intentio­nen einfach zur Tagesordnung übergehen und sie morgen draußen lassen, Sie sich vielleicht dadurch zunächst den Vorwurf zuziehen:

Ja, man hat uns bestellt, man hat uns eingeladen, und nun läßt man uns stehen; man beschäftigt sich nicht weiter mit uns, weil wir das, was gewollt wurde, auf eine andere Art wollen. Es ist ganz sicher:

Es wird sich ein Kreis herausbilden aus denjenigen, die heute hier sind, die so arbeiten, wie sie sich das vorgesetzt haben.»

3. Weitere Notizen von Ausführungen Rudolf Steiners in den die Begründung des Jugendkreises vorbereitenden Gesprächen

#G266c-1998-SE456 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

#TI

3. Weitere Notizen von Ausführungen Rudolf Steiners

in den die Begründung des Jugendkreises vorbereitenden

Gesprächen

#TX

Folgendes ist wahrscheinlich ebenfalls eine sehr alte Kompilation von Äuße­rungen Rudolf Steiners, die häufig abgeschrieben wurde. Lehrs hat sie alle ziemlich wörtlich in seinen Bericht aufgenommen. - Die als Vorlage dienen­de Abschrift im Archiv ist mit Schreibmaschine geschrieben; der beim Ab­schreiben hinzugefügte letzte Absatz zeigt, daß dieses Exemplar aus der Zeit nach 1950 stammt.

Über Wesen und Wirkung unserer Gemeinschaft

(Ausführungen Rudolf Steiners in den die Begründung vorbereitenden Gesprächen, aus der Erinnerung jeweils gleich hernach niedergeschrieben)

«Eine wahre Gemeinschaft ist stets mehr als die bloße Summe ihrer Mitglieder. So hat Herman Grimm von der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller gesagt: Will man sie in Gestalt einer mathema­tischen Formel ausdrücken, so genügt es nicht zu sagen, sondern da muß es heißen . Da kommt zu dem, was zwei sich in solcher Art findende Menschen darstellen, stets noch ein Drittes hinzu.»39 [Lehrs S. 17].

«Bei dem, was Sie bilden wollen, handelt es sich darum, daß Men­schen der allerverschiedensten Lebenswege sich zusammenfinden. Der eine wird den, der andere jenen Weg im Leben gehen. Das wird einfach das Leben bringen. Dieses Leben wird in der aller­nächsten Zeit sehr, sehr kompliziert werden. Da wird es nötig sein, daß jeder einzelne den Geist, den man durch die Gemeinschaft sucht, so konkret wie möglich nimmt. Das aber heißt, daß Sie fol­gendes verstehen: Was Sie suchen, das ist einen Freund zu finden in der geistigen Welt. Einen solchen zu finden, ist nicht einmal schwer. Worauf es aber ankommt, das ist, wenn er einmal gefunden ist, ihm die seelische Treue zu halten. Sie müssen imstande sein, sich selbst etwas zu versprechen und dem Versprochenen treu zu bleiben. Was

39 Siehe S.426

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ich Ihnen werde geben können, das wird immer nur die eine Hälfte sein können. Das wird dasjenige sein, was Sie zur Grundlage brau­chen. Die andere Hälfte müssen Sie selber dazubringen. - Die Treue gegenüber dem sich und anderen einmal gegebenen Versprechen ist der feste Stab im Leben.» [Lehrs S. 18].

«Das, was als Geist lebensvoll in der Anthroposophie ist, das ist keine . Es ist vielmehr ein Tatsächliches, ein reales Wesen, das einen durchs Leben geleitet. Was Sie wollen, das ist, eine Ge­meinschaft begründen, die etwas von einem solchen freundschaft­lichen Leiten durch das Leben hat. Solche Dinge erfährt man, wenn man das konkrete Geistige als ausgedehnt nimmt über das ganze Leben.» [Lehrs S. 18].

«Ihre Gemeinschaft wird etwas in sich haben von dem, was das Ur­geheimnis ist aller menschlichen Gemeinschaft, daß dasjenige, was wir selber innerhalb der Gesellschaft tun, nicht die Früchte trägt für uns selber, sondern für die anderen, und daß alle Früchte für uns selber von den anderen kommen.» [Lehrs S. 18].

Auf Rudolf Steiners Frage an uns, was wir uns konkret als Ziel anthroposophischen Jugendstrebens vorstellten, antwortete eine Freundin, daß man in allen Büros der Welt so freundliche Gesichter findet, wie sie ihr beim Besuche eines damals in Stuttgart bestehen­den Unternehmens - - begegnet seien. Hier­auf Rudolf Steiner: «Darauf kommt es nicht an, sondern auf etwas anderes. Das bisherige soziale Leben gleicht einem Mechanismus, und da ist nicht die Aufgabe, dahin zu wirken, daß die Hebel und Kurbeln des bestehenden Mechanismus mit etwas lächelnderen Ge­sichtern betätigt werden. Sondern das Ziel muß sein, daß dieser Mechanismus ersetzt werde durch einen Organismus. Und da kann dasjenige, was Sie wollen, zunächst nichts anderes sein als das Zie­hen eines zarten Pflänzchens. Denken Sie sich das Tote des heutigen sozialen Lebens als große Steine und das Pflänzchen zwischen die­sen Steinen. Was tot ist, hat gewissermaßen ein viel zäheres Leben als das Lebendige, denn es kann ja nicht sterben. Es kann höchstens zerrieben werden. Und die Steine werden zerrieben werden! Und da müssen Sie dann darauf achten, daß das Pflänzchen nicht zwischen diesen Steinen mit zerrieben wird.» [Lehrs S. 21].

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«Die Seelen der heutigen Menschen kommen als Folge der allgemei­nen Entwicklung an die Grenze zwischen der Intellektualität und dem Geiste. Da geht es ihnen wie dem Fisch. Wenn der Fisch an die Oberfläche des Wassers gerät und beim Hinausschnappen das Element der Luft spürt, so reagiert er hierauf mit dem Impuls, be­sonders tief ins Wasser zurückzutauchen. So werden in der kom­menden Zeit die Menschen den Drang haben, wenn sie unversehens an die Grenze der Intellektualität geraten, ganz tief unter das Intel­lektuelle hinunterzutauchen. Demgegenüber wird es Ihre Aufgabe sein, durch die Intellektualität vorzudringen zur Überintellektuali­tät, durch die Klarheit zur Überklarheit.» [Lehrs S. 22].

Zur Frage, die Möglichkeit künftiger Erweiterung der Gemeinschaft betreffend, sagte er: «Werdet Menschensucher!» (Dieses Wort emp­fanden wir als eine zeitgemäße Metamorphose des Wortes Christi an die Jünger: «Werdet Menschenfischer!» - Im Zeitalter der sich entwickelnden persönlichen Freiheit tritt an die Stelle des «Fi­schens» das «Suchen».) [Lehrs S. 22].

Im Hinblick auf die frühere Zugehörigkeit einer der Beteiligten zur zionistischen Jugendbewegung, für deren Bericht über ihre Erfah­rungen er sich sichtlich interessierte, sagte er zu uns allen gewandt:

«Sie wollen ja nicht so etwas Kleines begründen, wie es der Zionis­mus ist.» [Lehrs S. 22].

«Es gibt zwei parallel laufende Geschichtsströme: einen offenbaren und einen unoffenbaren. Allgemein bekannt wird den Menschen nur der erstere. Aber hinter ihm läuft im Verborgenen der andere. Dieser, der eigentlich bewirkende, darf niemals versiegen. Zu diesem Zwecke müssen sich von Zeit zu Zeit Menschengruppen zusammen­finden, die in ihm weiterwirken. In diesen Strom wollen Sie sich durch Ihre Gemeinschaft hineinstellen.» [Lehrs S. 22].

«Wenn Menschen kommen und den Geistesforscher um einen ge­meinsamen Meditationsstoff bitten, und wenn sie ein wirklich ernst­hafter Wille dazu führt, dann kann eine größere Kraft entstehen, um etwas in der Welt auszurichten, als ein noch so großer Staats­mann erreichen könnte.» [Lehrs S. 22].

«Es scheint in der Gegenwart vieles so glatt zu gehen, weil es maschinell

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geht. Aber der Lauf der Maschine läuft über der Menschen Köpfe hinweg. Das wird immer mehr eine Riesenkraft, die von sel­ber wirkt, und die die Menschen mit ihren vorhandenen Kräften nicht mehr aufhalten können. Gegen diese Kraft kann man nur ge­wachsen sein durch ein Streben, das sich bemüht, bis in die äußer­sten Konsequenzen der Handlungen hinein Geist zu tragen. Das al­lein wird es möglich machen, standzuhalten gegenüber der Über­rumpelung durch die Kulturmaschine, daß man Geist und Liebe in seinen Willen hineinbringt. Zu wenige Menschen entwickeln gegen­wärtig wirkliche Initiative. Es ist viel Wunsch da, aber wenig Wille.» [Lehrs S. 22].

«Man muß unterscheiden zwischen Gebet und Meditation. Das ge­wöhnliche Gebet dient heute zumeist einer Befriedigung des eige­nen Selbstes. Die wahre Meditation aber ist ein Vollziehen des gei­stigen Willens, der den Zeitgeist in sich trägt. Wo solche Meditation geübt wird, da vermag eine geistige Kraft in das irdische Geschehen hineinzuwirken. Geistige Welten wollen heute in das irdische Geschehen hineinwirken, aber sie können dies nur, wenn durch menschliche Meditation Raum dafür geschaffen wird. Es geschieht dadurch etwas wie eine Aussparung im physischen Felde, in die geistige Wesen mit ihren Wirkungen sich hineinbegeben können. -Wenn auch physisch viel vernichtet werden wird, wenn auch im Äußeren scheinbar wenig erreicht werden wird: was auf solche Weise geistig geschaffen wird, das bleibt, das behält seinen Wert für die Zukunft.» [Lehrs S. 23].

«Jetzt ist eine Zeit gekommen, wo der Materialismus die Leiber so verhärtet, daß die Individualität sich nicht genügend inkarnieren kann. Viele Menschen gehen daher gegenwärtig so herum, daß sie einen Teil ihres Wesens wie einen Begleiter neben sich haben, der nicht in dem Leibe wohnen kann. Der bleibt hinter der Sinneswelt verborgen. Zu ihm gilt es durchzudringen. Dazu ist die Meditation ein Mittel.» [Lehrs S. 23].

Auf die von einem Freunde geäußerte Meinung, unser Ziel solle sein, selbst über Tische und Stühle so geistig sprechen zu können, wie man sonst nur über die Hierarchien spräche: «Nein, vielmehr sollen Sie sich zur Aufgabe stellen, zu lernen, über die Hierarchien

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so natürlich zu sprechen, wie man sonst über Tische und Stühle spricht.» [Lehrs S. 24].

Auf die Frage eines Freundes, ob unsere Gemeinschaft gemeint sei, ein Organ an dem Leibe zu bilden, der dem Wesen Anthroposophie bereitet werden müsse, um auf Erden wirksam werden zu können:

«Gewiss, aber nicht für eine Inkarnation, sondern für eine Inkorpo­risation. Im Erdendasein kann dieses Wesen nur bis zu einer sol­chen schreiten. Eine Inkarnation wird erst unter anderen als den Erdenverhältnissen möglich werden.» [Lehrs S. 25].

Auf die Frage nach der Gemeinsamkeit des Erlebens unter den An­gehörigen der Gemeinschaft: «Ja, Sie wollen eine bewußte Gruppen-seele werden.» [Lehrs S. 25].

Hinsichtlich der Wirkung solcher gemeinsamer Übungen: «Nehmen Sie an, Sie seien insgesamt zehn und ein jeder bringe die Kraft auf; dann ist die Gesamtwirkung nicht 2 x 10 sondern 2 10. Mit anderen Worten: Die Vermehrung der Kraft vollzieht sich nicht nach dem Gesetz der Multiplikation, sondern der Potenzierung.» [Lehrs S. 26].

Über die notwendige Art unseres gegenseitigen Verhaltens: «Die einzelnen von Ihnen werden in sehr verschiedenen Kulturaufgaben zu stehen kommen. Nicht alle von Ihnen werden im gleichen Maße nach außen zu wirken haben. Einige werden weiter vorne, andere mehr im Hintergrund stehen, je nach Schicksal und Begabung. Da müssen die einen sich freuen über die Erfolge der anderen. Jedes Empfinden von Rivalität muß Ihnen fern bleiben, indem im Be­wußtsein aller lebt, daß, was der eine leistet, er durch die Kräfte aller anderen leistet.» [Lehrs S. 26].

«Sich durch ein gegenseitiges Versprechen zum Streben nach einem gemeinsamen geistigen Ziel verbinden und sich dabei im Handeln und Urteilen gegenseitig ganz frei lassen - eine auf solches gegrün­dete Gemeinschaft ist etwas ganz Neues in der Entwicklung der Menschheit und etwas, das heute als ein Allernotwendigstes ge­braucht wird.» [Lehrs S. 26].

«Für jemanden, der auf dem esoterischen Wege zu bestimmten Ergebnissen

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kommt, besteht leicht die Gefahr des Größenwahns. Da­gegen kann eine Gemeinschaft wie die Ihre ein Schutz sein. Denn in ihr streben Sie ja gemeinsam zum Überschreiten der Schwelle der geistigen Welt hin. Und da hat sich ein jeder zu sagen, daß er das persönlich Erreichte den Anstrengungen aller anderen verdankt.» [Lehrs S. 26].

Nach der Übergabe der Texte der Übungen: «Nun müssen Sie Ihr Leben zwieteilen. Der eine Teil spielt sich in Ihren Übungen ab, der andere verläuft im äußeren Leben. In jenem saugen Sie den Geist ein, dann wird er in dem anderen schon von selber in das Leben hinausströmen. Dazu ist es nötig, daß Sie sich ganz in dieses äußere Leben hineinstellen.» [Lehrs S. 26].

«Auf dem Wege, den Sie sich vorgenommen haben, wird man emp­findlicher, als man vorher gewesen ist, für die ahrimanischen Wir­kungen in der Welt. So werden Sie darunter mehr zu leiden haben als andere Menschen. Und da werden Sie darauf zu achten haben, daß Sie nicht der Versuchung verfallen, mit den gleichen Mitteln diesem Erleben zu entfliehen, mit denen Sie sich zuerst diese Emp­findlichkeit erworben haben.» (Dieses meinten wir so verstehen zu sollen, daß wir uns davor hüten, uns in die Meditation als einen schützenden Hafen zurückzuziehen.) [Lehrs S. 22].

«Im physischen Felde ist heute die ahrimanische Macht so stark, daß kein einzelnes menschliches Ich ihr gewachsen ist. Daher kann heute kein menschliches Ich dafür garantieren, daß es einen Ent­schluß, sofern er eine physische Tat betrifft, auch wirklich ausfüh­ren kann. Das Feld aber, auf dem Sie sich vorgenommen haben, Taten zu tun, ist eines, zu dem die ahrimanische Macht keinen Zu­tritt hat. Daher ist die Durchführung dessen, was Sie sich vorge­nommen haben, allein von Ihnen selber abhängig. Daher haben Sie hier die erste Gelegenheit, Taten in Freiheit zu tun, daher die erste Gelegenheit, Treue zu üben.» [Lehrs S. 27].

Hier sei noch ein Wort hinzugefügt, das wir bei einer Zusammen­kunft mit ihm wenige Tage nach dem Brand, um die wir gebeten hatten, von ihm gesagt bekamen. (Näheres über dieses Beisammensein

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findet sich in dem gesonderten Bericht «Aus der Anfangszeit des Kreises».40} Da sagte Rudolf Steiner im Zusammenhang [mit) seiner Aufforderung, uns immer wieder auf die Urimpulse des Krei­ses zu besinnen: «Sie müssen verstehen, daß Sie beschlossen haben, Freiheit zu opfern um einer höheren Freiheit willen. »

40 Dieser von Lehrs wurde in den fünfziger Jahren verfaßt, siehe S. 420.

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4. Erinnerungsnotizen von Herbert Hahn

Nach der Photokopie eines durch H. Hahn handschriftlich datierten und signierten Memorandums von 1963.

[Briefkopf:] C. Brumberg Hansen

[in unbekannter Handschrift:] Von Herbert Hahn diesem Freunde erzählt und von diesem zugleich geschrieben.

Notizen aus der Erinnerung

(Zum 16. Oktober 1922)

Rudolf Steiner sprach unter anderem vom Jungsein und Altwerden. Er sagte etwa: «Das ist ja unvermeidlich, daß Sie einmal hier ein graues Haar, dort eine Runzel bekommen werden, denn der physi­sche Leib soll und muß ja alt werden. Doch achten Sie auf das eine:

es ist gar kein Anlaß da, daß dann die Seele mit alt wird. Ja, sie darf eigentlich nicht mit alt werden. Für jedes graue Haar, das da plötz­lich sich auftut, und für jede Runzel, die sich einschreibt, kann die Seele sich ein frisches, junges Etwas zulegen. Nur dann geht das Altern erst so vor sich, wie es vom Geist gewollt ist.»

Wohl im Zusammenhang damit sprach er davon, daß wir die Impulse, die uns jetzt zur Gründung einer Gemeinschaft führen, immer wieder lebendig machen sollten wie am ersten Tag. «Sehen Sie» - sagte er - «in der alltäglichen Welt gilt ja das Wort: Neue Besen kehren gut. Man will damit sagen, daß die Borsten am Besen sich doch allmählich abnutzen, sie mögen im Anfang noch so gut gewesen sein. Das darf nicht gelten für Sie! Ihr Besen muß täglich neue Borsten bekommen.»

* * *

Ein andermal sprach er von der Begeisterung und führte aus, daß die wahre Begeisterung so selten sei. Denn die echte Begeisterung bestehe nicht darin, daß wir in uns selbst und für uns selbst ent­flammt sind. Erst dann sei die Begeisterung echt und stark genug, wenn die Flamme in uns so stark brennt, daß andere sich an ihr ein Feuer anstecken können. Dieses war es, was er - meiner Erinnerung

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nach - mit den Worten meinte: «Entwickeln Sie den Grips». Wir verstanden dieses Wort erst im trivialen Sinne der Gescheitheit oder Pfiffigkeit. Daraufhin gab er die vorangehende Erläuterung.

* * *

Im Zusammenhang mit der intellektualistischen Kultur der Gegen­wart führte er aus, daß die Einseitigkeiten und die Gefahren dieser Kultur heute schon von gar nicht wenigen Menschen eingesehen werden. Doch entstehe die Neigung, den Kopf gleichsam abzuta­keln, um in die wohltuend irrationalen Regionen des Gefühles und der dunklen Willenstiefen zu versinken. Um sich voliwertig als Mensch zu erleben, wähle man also den Weg vom Kopf nach unten. Wir sollten - so sagte er - uns der Gefahren und Täuschungen be­wußt werden, die mit diesem abwärts verlaufenden Wege verbunden sind. Denn dieser Weg ist ein Abweg, der völlig dem widerspricht, was der Zeitgeist will.

Der Kopf - so betonte Rudolf Steiner - hat sich nicht umsonst bei aller Einseitigkeit Klarheit erworben. Diese Klarheit darf nicht verloren gehen, sondern muß auf dem vom Zeitgeist gewollten Gei­steswege mitgenommen werden. Und zwar muß sie mitgenommen werden auf dem Wege: Vom Kopf nach oben über den Kopf hin­aus. Auf diesem Wege wird das Irrationale durch Über-Klarheit ge­wonnen. Dies ist der Weg, der von einem michaelischen Denken eingeschlagen werden will.

* * *

Über die Meditation und das Meditieren sagte Rudolf Steiner unter anderem das Folgende: Die Meditationen sind für bestimmte Tages-situationen beziehungsweise Tageszeiten angegeben und sollten, wann und wo die Umstände es nur immer erlauben, zu bestimmten Zeiten gemacht werden. Doch irgendeiner von der werdenden Ge­meinschaft wird immer der erste sein, der zum Beispiel die Morgen­meditation macht, ein anderer der letzte. Aber beide Meditationen, überhaupt alle Morgen-Meditationen der Gemeinschaft, gehen auf­einander zu. Das vollzieht sich so, daß sich die Meditation, die zu­erst gemacht wurde, in den Ather eingeschrieben hat. Alle anderen, die dann folgen, kristallisieren sich um diese erste. In gewissem Sin­ne gilt für die Meditationen also eine «virtuelle Zeit», die sich aus

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der Situation ergibt und die auch die letzte dieser Morgenmeditatio­nen, die durch unvorhergesehene Umstände vielleicht spät gemacht wurde, doch noch «Morgenmeditation» sein läßt.

Etwas sehr Entscheidendes und Aufrufend-Verpflichtendes sagte Rudolf Steiner über Aufgabe und Wirkung der Meditationen. Wäh­rend sie einerseits für den einzelnen und für die Gemeinschaft ein Organ der höheren geistigen Entwicklung sind, dienen sie anderer­seits der ganzen Erde. Die moralischen Kräfte der Erde - so führte er aus - sind in unserem Zeitalter so sehr vom Verfall bedroht, daß diese meditative Tätigkeit eine ungemein bedeutungsvolle, die Erde heilende Wirkung hat. Besonders, wenn sich, wie es in einer spiri­tuellen Gemeinschaft geschieht, die meditativen Kräfte in ihrer Wirkung potenzieren.

In diesem Zusammenhang erwähnte Rudolf Steiner auch die ins Leben tretende Christengemeinschaft. Sie sei eine mit Dank zu be­grüßende Helferin in diesem Dienst für die Erhaltung der morali­schen Kräfte der Erde. Dieser Hinweis auf die objektive Bedeutung der Christengemeinschaft wird dadurch um so bedeutungsvoller, daß Rudolf Steiner an anderer Stelle sehr betont darauf hinwies, daß die Christengemeinschaft eine unabhängige Bewegung sei, bei deren Begründung er nur eine vermittelnde Rolle gespielt habe. Über die Wirkung der Meditation in der werdenden Gemeinschaft selbst sag­te er dann unter anderem auch dieses: «Es wird sich bei geistgemä­ßer Einstellung ein eigenartiges Verhältnis ergeben in bezug auf die durch die Meditationen gebildete geistige Substanz, ein Verhältnis jedes Einzelnen zum Ganzen. Dieses Verhältnis wird sich so gestal­ten können: Zu gegebenen Zeiten und für bestimmte Aufgaben wird sich alles, was durch die Gemeinschaft erarbeitet wird, auf einen Einzelnen konzentrieren. Er wird dann für seine Aufgaben gewis­sermaßen mit der ganzen spirituellen Substanz der Gemeinschaft begnadet.

Wenn die anderen, die zur Gemeinschaft gehören, nun richtig verstehen, was geschieht, werden sie neidlos, ja mit einer berechtig­ten Mitfreude darauf hinschauen, wie dem Einen in diesem Augen­blick alles gegeben ist. Dieser Eine wird umgekehrt nicht nur seinen eigenen Tugenden oder Talenten zuschreiben können, wenn ihm jetzt viel gelingt. Er wird das Bewußtsein haben, daß er in wesent­lichen Teilen mit aus dem heraus arbeitet und wirkt, was ihm die

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anderen gegeben haben. Und das wird ihn zur Bescheidenheit und Dankbarkeit aufrufen.»

Als sich die Gespräche zur Begründung der Gemeinschaft noch mehr verdichtet hatten, sagte Rudolf Steiner eines Tages weiter, wir sollten sehen, wie die meditative Tätigkeit im Sinne der neuen, jetzt entstehenden Esoterik einen bestimmten Zusammenhang habe mit einem nur dem Eingeweihten bekannten Zeitphänomen. Und er charakterisierte dieses Zeitphänomen wie folgt. Es gibt - so sagte er

- heute nur wenige wirklich gut inkarnierte Menschen, deren Ich wirklich in ihren Leib eingezogen ist. Die Leiber der Menschen sind mehr und mehr so geworden, daß eine volle Inkarnation immer schwieriger wird. Wenn wir nun - so fuhr er fort - diese Gemein­schafts-Meditationen machen werden, dann wird sich durch sie erst eine tiefere Verbindung unseres Wesenskernes mit dessen Hüllen vollziehen. Das aber kann, weil es ein Geburtsvorgang ist, mit einem Leid- oder Schmerzgefühl verbunden sein. «Es kann sich» -so etwa sagte er wörtlich - «des einen oder des anderen von Ihnen zeitweise eine unerklärliche Melancholie bemächtigen.» Vor dieser Melancholie - so betonte Rudolf Steiner weiter - sollten wir nicht erschrecken. Wir sollten sie durchschauen und erkennen als das, was sie ist, als den Schatten eines nachgeholten Inkarnationsvorgan­ges. Für den, der diese Seelenverdüsterung nicht als das erkennt, was sie wirklich ist, kann sonst eine Gefahr auftreten. Sie wird sich zeigen in einer plötzlich auftretenden Neigung, sich betäuben zu wollen. Und es wird sich dann nicht nur um Betäubungen im trivia­len Sinne handeln, sondern um raffiniertere Betäubungen, wie etwa durch übertriebene Geschäftigkeit und Ähnliches.

Alles dies sagte Rudolf Steiner mit einem besonders großen Ernst. Man hatte den Eindruck, als schaue er auf große Gefahren hin, die aus der in Einseitigkeiten fortschreitenden Zeit auf uns zu­kommen. Als er uns in der anschließend zu beschreibenden unver­geßlichen Geistes-Stimmung die Meditationen übergeben hatte und zu uns über sie sprach, sagte er etwas tief Impulsierendes. Diese Meditationen könnten bei richtigem Gebrauch zu so etwas werden wie zu Fenstern in die geistige Welt. Die gegebenen Worte und Bil­der stellen aber nur die Hälfte dessen dar, was uns anvertraut wer­de. Die «andere Hälfte» sollten wir selber durch spirituelle Aktivität finden.

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In dem soeben angedeuteten Augenblick, in dem die Meditatio­nen übergeben wurden, vollzog sich aber das Folgende. Rudolf Stei­ner sagte, während er das violette Taschenbuch, in welchem die Meditationen stehen, entweder in der Hand hielt oder vor sich liegen hatte: «Sie können das so betrachten, daß ich gleichsam be­auftragt wurde, Ihnen dieses zu überbringen.»

Für den Schreiber dieser Zeilen war dieses einer der höchsten Eindrücke, die er je im Leben von der Persönlichkeit Rudolf Stei­ners empfangen hat. Mehr und mehr hatte er erleben dürfen, wie sich im Wirken und Auftreten Rudolf Steiners selbst, als einer hohen geistigen Individualität, die übersinnliche Welt in ihrer Voll­macht offenbarte. In diesem Augenblick aber wurde wie von einem Blitz ein nur zu ahnender geistiger Hintergrund hinter dem Träger der neuzeitlichen Initiation aufgerissen. In diesem Erlebnis war ein unbeschreibliches Geistes-Aroma, das sich für immer mit diesen Meditationen verbindet.

* * *

Unter den mancherlei Ausführungen, die Rudolf Steiner über unser Darinnenstehen in der heutigen Kultur und Zivilisationswelt mach­te, hebt sich mir in der Erinnerung ein sehr ernster Appell beson­ders hervor. Rudolf Steiner warnte uns davor, unsere Initiativen, unsere Tätigkeiten, dort, wo sie auf große Ziele gerichtet sind, auf die in der Außenwelt bestehenden, von der Routine geschaffenen Formen aufzubauen. Diese Formen - sagte er - sind alt und brüchig geworden, sie gehen rettungslos ihrem Untergang entgegen. Wir müssen überall darauf sehen, uns einen neuen Grund und Boden zu erarbeiten, auf dem wir uns geistgetragen bewegen können.

Diese Äußerung war wie alle anderen, die er im Zusammenhang mit der Gemeinschafts-Gründung machte, in eine sehr große Per­spektive gerückt. Wohl die allergrößte tat sich auf, als er im Hin­blick auf die Zukunft der werdenden Gemeinschaft sagte: «Wenn diese Gemeinschaft gegründet werden wird, dann dürfen Sie daran denken, daß sie zu einem weitreichenden Wirken bestimmt ist. Es könnte zum Beispiel der Fall eintreten, daß keines der Mitglieder der Gemeinschaft zu einer gegebenen Zeit mehr auf Erden weilt, so daß sie im alltäglichen Sinne als ausgestorben gelten würde. Sie wird dann doch nicht ausgelöscht sein. Mit dem ersten Angehörigen der

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Gemeinschaft, der sich wieder inkarniert, würde sie auf die Erde zurückkehren.»

Die zuletzt angeführte Äußerung beantwortet in restlos befriedi­gender Weise eine Frage, die öfters von später dazugetretenen Mit­gliedern der Gemeinschaft gestellt wurde. Es war die Frage: Ob nicht durch die Weihnachtstagung auch dieser esoterische Jugend-kreis als aufgelöst zu betrachten sei.

Abgesehen davon, daß Rudolf Steiner die Gemeinschaft durch eine neue wesentliche Begegnung während der Weihnachtstagung nochmals bestätigt und aufgerufen hat, wird jeglicher Zweifel durch das soeben Hervorgehobene beseitigt. Der Hinweis auf das Hin­durchtragen des Gemeinschafts-Impulses durch die Inkarnationen spricht durch sich selbst. Viel näherliegend ist wohl der Gedanke, daß die Gründung der jungen esoterischen Gemeinschaft vom Ok­tober 1922 als einer der vorbereitenden Schritte auf die Weihnachts-tagung 1923 betrachtet werden darf. Und noch zweifelloser ist gewiß, daß dieser Gemeinschaft für das Durchtragen der großen Impulse der Weihnachtstagung eine innere Verpflichtung von be­sonderer Art gegeben ist.

Herbert Hahn, Kopenhagen-Charlottenlund,

12. - 14. Aug. 1963

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DIE ZWEI ESOTERISCHEN STUNDEN

FUR DEN JUGENDKREIS

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Zu diesen zwei Stunden gibt es im Rudolf-Steiner-Archiv sieben Vorlagen, sechs sind mit Schreibmaschine geschrieben, Vorlage C ist von Hand geschrieben. Zwei Vorlagen enthal­ten beide Stunden, die fünf anderen jeweils nur eine. Nur eine, die Vorlage A von der zweiten Stunde, ist signiert, und zwar von Maria Röschl, die anderen tragen keinen Namen.

Die Abweichungen im eigentlichen Text sind minimal, nur in den eingeschobenen Kommentaren gibt es größere Unter­schiede in der Formulierung, nicht aber im Inhalt. Diese Kommentare der Aufzeichner stehen in den Vorlagen in runden Klammern.

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ERSTE ESOTERISCHE STUNDE

Stuttgart, 13. Juli1923

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[Dieser Text folgt der Vorlage B, sofern nichts anderes vermerkt ist.]

(Vorlage E: Rudolf Steiner kam etwas früher als erwartet, gegen 8 Uhr abends, während wir in der Bibliothek der Landhausstraße auf ihn war­teten. Aus akuten Unstimmigkeiten heraus und bedrückt durch die Nach­richt vom unseres Freundes [Name unbekannt] hatten wir Ru­dolf Steiner um eine Zusammenkunft gebeten. Während unseres Wartens waren wir wiederum in Diskussion über unsere Schwierigkeiten geraten. Da kam unerwartet Rudolf Steiner herein. Wir waren darauf eingestellt, ihm unsere Nöte zu schildern und ihn um seinen Rat fragen zu dürfen. Statt dessen begann er unverzüglich, nachdem er selber und Frau Marie Steiner Platz genommen hatten, von sich aus zu uns zu sprechen, indem er uns anredete mit den Worten:)

Meine lieben Schwestern und Brüder!

Für lange Zeiten noch sind die Meditationen gültig als das Gut, das Ihr für Eure innere Arbeit empfangen habt. Heute soll etwas gegeben werden, das dazu beitragen kann, die Stimmung beim Üben unendlich zu vertiefen.

(Er bezeichnete, was wir bekommen würden, als eine Art zu unseren täglichen Übungen. Dann begann er erklärend: )

Die Meditation besteht aus Worten, in die man sich erst ein-leben muß. Man schläft aber heute dem Worte gegenüber. Man meint zum Beispiel das Wort käme von , wäh­rend es in Wirklichkeit von kommt - wie es ja im Dialekt mancher Gegenden heute noch für heißt. Was erlebt denn heute eigentlich jemand von dem, was da liegt in einem solchen Ausdruck wie: ?

(Der sanft eindringliche Ton, in dem dieser Satz und besonders sein letz­tes Wort gesprochen wurde. drang stark in das Gemüt der ihn Hörenden ein.)

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(Vorlage E: Man muß sich vorstellen, wie das Petschaft eingedrückt wird in das Wachs, so hat die Rede sich in meine Seele eingedrückt.)

Man muß ein ganz anderes Verhältnis zum Wort bekommen. Da sind zum Beispiel die Worte und . Diese be­deuten noch etwas ganz anderes, als was man gewöhnlich dar­unter versteht. Der Schlafende und der Wachende befinden sich in der gleichen äußeren Umgebung, nur weiß der Wachende von dieser Welt, während der Schlafende von ihr nichts weiß. Ent­sprechend geht es dem Anthroposophen gegenüber dem Nicht­Anthroposophen: Der Anthroposoph weiß von einer Welt, der geistigen Welt, in der der andere auch lebt, ohne aber von ihr etwas zu wissen. Dieser Unterschied gilt in noch stärkerem Maße für den Meditanten. Deshalb muß dieser bescheiden wer­den im Gebrauch der Worte.

(Dieser letzte Satz konnte nicht anders als einen besonders ernsten Widerhall in unseren Seelen finden im Nachklang der eben vorher unter uns stattgefundenen Auseinandersetzung.)

(Vorlage E: Der Unterschied der ernst-verhaltenen Stimmung, in der Ru­dolf Steiner sprach, gegenüber derjenigen, in der wir selber gekommen waren, war ein sehr großer.)

Ein weiteres solches Wort ist das Wort . Dieses Wort nimmt ja unter allen Worten der menschlichen Sprache eine be­sondere Stellung ein. Ungefähr im dritten Lebensjahr lernt der Mensch dieses Wort gebrauchen. Das ist aber ein Alter, in wel­chem noch kein eigentliches Ich-Bewußtsein vorhanden ist. Da­her lernt man dieses Wort zunächst nur automatisch sprechen. Erst im 21. Lebensjahr findet die Geburt des Ich statt. Was da zum Vorschein kommt, ist dann aber immer noch das ganze Leben hindurch nicht das wahre Ich. Ihm begegnet man als ge­wöhnlicher Mensch erst wieder nach dem Tode. So gebraucht jeder Mensch bis zu seinem Tode das Wort doch immer nur provisorisch. Dieses provisorischen Gebrauches des Wortes muß sich der Meditant ganz besonders bewußt werden. Er muß lernen, daß er erst allmählich den Weg zu dem wahren Ich

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finden muß, indem er zunächst lernt, es durch alle seine drei Hüllen hindurch zu erleben.

(Rudolf Steiner begann nun der Reihe nach drei Hüllen zu bespre­chen, indem er mit dem physischen Leib begann.)

Der physische Leib ist der Schwere unterworfen gle h wie das Mineral. Ihr entgegengesetzt ist die Kraft des Lichtes. Her­zen wirken beide gegeneinander: die Schwere zieht nach u ten, das Licht nach oben. Um sich mit dem Erlebnis der Schwere recht zu verbinden, nehme man einen Kristall in die Hand, be­trachte ihn aber nicht auf seine Durchsichtigkeit, das heißt seine Lichtheit hin, sondern lasse seine Schwere auf sich wirken.

(Schon gleich waren die Worte und so gesprochen worden, daß wirkliche Schwere und Lichtheit in ihnen zu erleben waren. Jetzt schien Rudolf Steiner einen Kristall in seiner Hand zu wägen, so daß man dessen Schwere an der Bewegung seiner Hand erlebte. Von nun an wurde seine Hingabe an Laut und Geste immer stärker und ausdrucks-voller.)

Gleich wie gegenüber einem solchen äußeren Körper muß man auch lernen, seinem eigenen physischen Leib gegenüber zu erle­ben. Es muß einem ganz gleich werden, ob man einen Sandhau­fen von einer Seite zur anderen schaufelt (und sogleich führte er die Bewegung des Schaufeins mit aller Hingabe aus) oder ob man seinen eigenen Leib durch den Raum bewegt. So muß der Meditant jenes Erlebnis wiedergewinnen, das dem Orientalen ein ganz natürliches ist, und das dieser mit den Worten bezeich­net: .

Die einzelnen schweren Dinge der Erde haben aber nicht Schwere, weil die Erde jedes derselben einzeln anzieht, sondern weil sie dem einheitlichen Schwere-Wesen der Erde gemeinsam unterliegen. Unsere Aufgabe besteht darin, uns in dieses Schwe­re-Wesen der Erde bewußt einzuleben. Zur Vertiefung in dieses Erleben diene der Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Erden-Schwere.

(Vorlage E: In seiner Sprache nahm Rudolf Steiner eine immer stärkere

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Lautgeste an. So waltete wirklich Schwere in den einzelnen Worten, mit denen er die Erdenschwere charakterisierte. In größtem Gegensatz standen dann die weiteren Worte, mit denen er des Lichtes Leichtigkeit beschrieb:)

Nur wenn man sich ganz versenkt in das Element der Schwere, dringt man vor zu dem Erleben der Leichtigkeit. Im Flugtraum dringt dieses Element in das menschliche Erleben hinein. Ganz falsch deutet diesen Traum die heutige Psychologie, indem sie ihn als einen Angsttraum auffaßt. Denn Angst hängt zusammen mit Eng-Werden. Im Flugtraum träumt man aber gerade das Weitwerden, die Leichtigkeit.

Die Kraft der Leichtigkeit ist verknüpft mit der Sonne. Es ist diejenige Kraft, die bewirkt, daß das Wasser von der Erde auf­steigt und verdunstet. Dieses verdunstete Wasser verdichtet sich dann wieder zu den Wolken und kehrt als Regen zu der Erde zurück. Aber es ist nicht richtig zu meinen, daß die Kraft der Leichtigkeit das Wasser nur bis zu dieser Sphäre hebt. In Wahr­heit wird die Substanz des Wassers noch viel weiter geführt. Denn es wird durch die Leichtigkeit völlig entmaterialisiert. Wenn die Wolken aufsteigen und verschwinden, so hört das Wasser auf, materiell zu sein. Die Kraft der Sonne, die dieses bewirkt, kann aber so stark wirken, daß zuviel an Erden-Wasser hinaufätherisiert wird. Dann sammelt sich zuviel fremder Äther in der Erdumgebung an. Da bricht dann der also gestaute Äther plötzlich wieder in die materielle Erdsphäre zurück. Dies er­leben wir als die Erscheinung des Blitzes. In ihm leuchtet die Äthersubstanz auf, um sich im Regen zur wäßrigen oder gar im Hagel zur festen Form zu verdichten. Im Blitz zerreißt der Himmel und der gestaute Äther bricht herunter. Allein, was auf diese Weise im Gewitter schlagartig und dadurch vernehmbar sich vollzieht, das geht auch sonst in stiller Weise ständig rhyth­misch vor sich: im verdunstenden Wasser und den sich ballen-den Wolken.

Um sich in dieses Element der Leichtigkeit hineinzuleben, ist es eine Hilfe, sich ein kosmisches Bild vor die Seele zu stellen:

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zum Beispiel einen finsteren, lastenden Berg oder dunklen,Wald, davor hängende Wolken, die zum Lichte empor en und, all­mählich sich auflösend, verschwinden. Zur Vertiefung in dieses Element diene der Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der LichtesleichtigkeiL

Die Pflanze ist eingespannt zwischen Erde und Sonne. Von un­ten her wirkt die Schwere auf sie, von oben her das Licht. Die­ses Licht strömt vom Weltall auf die Erde hernieder, wird von der Erde aufgenommen und in ihr bewahrt. Zugleich mit dem Licht zieht die Wärme in die Erde hinein. Dieses Einströmen findet während des Sommers und Herbstes statt. Während des Winters ruhen dann Licht und Wärme in der Erde. Im Frühling befreit sich das Licht und pulsiert elastisch zum Weltall zurück. Dabei bewirkt es das Wachstum der Pflanzen. Von der während des Winters in der Erde bewahrten Wärme weiß der Mensch heute nicht viel. Nur der Landmann benutzt sie, zum Beispiel wenn er seine Kartoffeln einmietet. - So strömt das Licht elastisch hinauf - hinunter, hinauf - hinunter.

(Wieder wurde dies mit eindrucksvollen Gesten begleitet.)

In diesem Pulsieren lebt die Pflanze darinnen. Daher kann sie sich wohl in der Vertikalen bewegen: sie kann wachsen und schrumpfen. Aber sie kann sich nicht von ihrem Orte fort in der Horizontalen bewegen. Tier und Mensch sind dagegen frei beweglich in der Horizontalen. Diese Befreiung vom Erdenorte gibt ihnen das Atmen. Der Atem ermöglicht ihnen, sich über das Erdenrund hin zu bewegen. So auch breitet sich die Atmo­sphäre selber horizontal, die ganze Erde umfangend, aus. Nur diejenigen Wesen, welche frei atmen können, können auch frei schreiten. Indem man dieses bedenkt, muß einem jeder Schritt zu einem Mysterium des Gehens werden. Zur Vertiefung in dieses Element diene der Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Atemstärke.

(Ein zweites Mal wurden nun alle drei Hüllen und die kosmischen Kräfte, die mit ihnen verwoben sind, durchgegangen, wobei noch tiefer in diese

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Verbindung hineingeleuchtet wurde und dieses dann bis zum Erfassen des Ich hingeführt wurde. )

Wenn man das Wesen der Schwere verstehen will, wie sie im menschlichen Leibe wirkt, so muß man auf die Embryonalent­wickelung hinschauen. Während derselben hat die Schwere noch keinen Anteil am Menschenleibe. Er schwimmt im Fruchtwas­ser. Erst durch die physische Geburt kommt der Mensch in die Schwere hinein. Ganz das Gleiche gilt auch für den Leib der Erde. Auch mit diesem hat sich das Schwere-Wesen erst im Lau­fe der Zeit [Vorlage E: ] verbun­den. Wenn man sich geistig in die Schwere versenkt, so wird man zurückgeführt zur kosmischen Vergangenheit der Erde und damit zum Erleben jenes Augenblickes, in welchem die Erde aus den göttlichen Vater-Kräften heraus geboren worden ist. So wird man auf diesem Wege zur Begegnung mit diesen göttlichen Vater-Kräften selber geführt. Daher führt der Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Erdenschwere

zu dem Erleben des:

Ex Deo nasdmur

Jedesmal, wenn man einschläft, kommt man in diejenige Welt hinein, in der des Lichtes Leichtigkeit herrscht. [Vorlage E:

] Es ist die selbe Welt, die man auch durch die Pforte des Todes betritt. Es ist das Reich, in welchem heute der Chri­stus lebt. Zu ihm gelangt man durch das Sterben aus dem Physi­schen heraus. Daher führt der Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit des Lichtes Leichtigkeit

zu dem Erleben des:

In Christo morimur

Finsternis und Licht, Schwere und Leichtigkeit, sie wirken ent­gegengesetzt an der Pflanze. Beide werden miteinander verbun­den durch das Element der Luft. Dieses erlebt man am deutlich­sten in der Erscheinung der Morgen- und Abendröte. Doch was

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da der gewöhnliche Blick in Ost und West gewahr wird, das bemerkt der feinere geistige Blick auch in Nord und Süd und überhaupt ringsherum in der Horizontalen in allen Himmels­richtungen. Das Element der Luft umfängt die ganze Erde. So wird der Mensch in dieser Sphäre auch ein Angehöriger der gan­zen Erde. Der Spruch: verbindet einen mit dem Physischen der Welt. In der Lichtesleichtigkeit lebt die Kraft des Ätherischen. Durch den Atem verbinden wir uns mit dem Astralischen, das uns die freie Beweglichkeit der Gliedmaßen, die Willensstärke schenkt. Mit dem Einatmen ist verbunden das Geborenwerden, das Er­wachen; mit dem Ausatmen das Sterben, das Einschlafen. Wir atmen lebendige Luft ein und tote Luft aus. In die ausgeatmete Luft formen wir die Sprache. Das ist ein geistiger Willensakt, durch den die tote Luft wieder belebt wird. Daher führt die Vertiefung in den Spruch:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Atemstärke

zu dem Erleben des:

Per Spiritum Sanctum revivzsczmus

Das Ich des Menschen ist von drei Hüllen umgeben. Dieses Ich selber ist nicht egoistisch. Egoistisch sind nur die Hüllen. Ist das Ich einmal von seinen Hüllen befreit, so will es sich alsbald in den ganzen Kosmos ausdehnen. Aber es ist eingeschlossen in seine drei Hüllen. Für dieses Eingeschlossensein hat der Orien­tale das Bild der Lotosblume. Auch in dieser ist der innerste Kern von drei Kreisen von Blütenblättern umgeben.

(Indem Rudolf Steiner dies sprach, formte er, die Ellbogen auf den Tisch stützend, mit seinen beiden Händen vor sich die Gestalt einer Blüten-knospe. Geste und Stimme waren jetzt von besonderer Zartheit und Hin-gegebenheit Worlage G: Zartheit und Innigkeit]. Dann sagte er:)

Dies drückte der Inder mit den Worten aus:

Aoum mani padme aoum*

Mein Ich ist beschlossen in der Lotusblüte

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Wenn man zum wahren Ich hinkommen will, muß man alle drei Hüllen durchschreiten. Das ergibt drei Stufen, die zum Ich hin­führen.

(Das Folgende wurde mit kultischer Intonation gesprochen. Jedesmal ließ er seine Arme nach rechts und links schwer auf den Tisch fallen, und bewegte sie dann wieder zurück zur nochmaligen Bildung der Blüten-form.)

Man betritt die erste Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Erdenschwere

Ex Deo nasdmur

Die erste Hülle fällt.

Man betritt die zweite Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Lichtesleichtigkeit

In Christo morimur

Die zweite Hülle fällt.

Man betritt die dritte Stufe und erlebt:

Mein Eigenwesen ist verwoben mit der Atemstärke**

Per Spiritum Sanctum reviviscimus

Die dritte Hülle fällt.

(Vorlage C: Jedesmal wenn Rudolf Steiner das Fallen der Hüllen erwähn­te, ließ er seine Unterarme und Hände schwer auf den Tisch niederfallen. In der Art wie er das Wort sprach, malte er wieder lautlich das Abfallen der betreffenden Hülle. - Er schloß die Stunde, indem er noch

- - -

* Hier dürfte ein Verständnis- oder auch Gedäehtnisfehler vorliegen. Die indische Formel lautet und wurde von Rudolf Steiner in ande­rem Zusammenhang in gleichem Sinne übersetzt mit: ** In anderen Vorlagen finden sich folgende Abweichungen:

Mein Eigenwesen ist verwoben in die Erden-Schwere

Mein Eigenwesen ist verwoben mit des Lichtes Leichtigkeit

Mein Eigenwesen ist verwoben in die Atemstärke

Eine Aufzeichnung dieser Sätze von Rudolf Steiners Hand gibt es nicht.

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einmal das indische Mantram sprach, von dem er sagte, daß man es üben könne entweder in seiner ursprünglichen Form oder in deutscher Über­setzung.)

Aoum mani padme aoum [hum]

(Es war inzwischen dunkel geworden. In dem letzten Licht war schließ­lich nur noch das zarte Weiß von Rudolf Steiners Antlitz und seiner Hände sichtbar. - Nachdem er ein Zeichen gegeben hatte, daß dies der Schluß der Stunde sei, wurde das Licht eingeschaltet, und er stand auf und verabschiedete sich von uns, indem er jedem von uns und auch Frau Marie Steiner die Hand gab.)

(Anmerkung [der Aufzeichner]: Von den Sanskritworten sagte Rudolf Steiner, man könne sie in ihrer ursprünglichen Form oder auch in der Übertragung in die eigene Sprache meditieren.

Zur Erklärung: Von der Silbe sagte er in einem anderen Zusam­menhang, so habe sie ursprünglich geklungen, soweit wir das heute nach­machen können. Dabei sei A der Laut des Staunens, 0 der Laut der Verehrung, der Bewunderung, U der Laut der Furcht. Alle drei zusam­men als ein Laut erlebt ergeben den Laut der Ehrfurcht.

ist der lautliche Ausdruck für das Reinste, Innerste, Wesentliche, und so im Mineraireich der reine Kristall, insbesondere der Bergkristall; in der Pflanze, insbesondere dem Lotos, das Innerste der Blüte, wo der Duft entsteht; im Menschen das Ich. heißt .)

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#TI

ZWEITE ESOTERISCHE STUNDE

Dornach, 30. Dezember 1923, 8 Uhr 30 morgens im Glashaus

#TX

[In allen Details exakt nach der Vorlage A, die von Maria Röschl signiert ist und den Namensstempel von Fritz Götte trägt.]

Unter dem Eindruck der esoterischen Neugestaltung der Gesellschaft durch die Weihnachtstagung waren wir an Dr. Steiner herangetreten mit der Frage, ob er uns in dieser Zeit etwas Besonderes unsere Arbeit Betref­fendes zu sagen habe. Er bejahte dies und gab uns nach einigen Tagen Ort und Stunde der Zusammenkunft an. Diesmal versammelten wir uns in einer Stimmung, die zu entsprechen versuchte der Verantwortlichkeit des Augenblickes, der unser wartete.

Wir versammelten uns im mittleren Raum des Glashauses. Wir saßen auf Bänken, die im Halbkreis gestellt waren, so daß wir nicht hinterein­ander saßen, sondern im weiten Bogen. Vor uns war ein Tisch, an dessen Längsseite Dr. Steiner Platz nahm. Rechts und links an den Schmalseiten kamen Frau Dr. Steiner und Dr. Ita Wegman zu sitzen. Rudolf Steiner befand sich vor dem Bogen der Ostwand des Raumes.

Dr. Steiner betrat den Raum in Begleitung der beiden Gäste. Er be­grüßte uns mit besonderer Feierlichkeit und erklärte uns, daß die beiden Damen als Gäste anwesend sein würden: «Frau Dr. Steiner, weil sie ja überall dabei ist. Frau Dr. Wegman, weil es auch andere derartige Kreise wie den Ihrigen gibt zur Pflege des inneren Lebens. Diese müssen nun in das allgemeine esoterische Leben eingegliedert werden, selbstverständlich nach streng esoterischen Gesetzen. Dazu muß es Persönlichkeiten geben, die dieses alles verbinden. Darum ist Frau Dr. Wegman hier.» Er bezeich­nete die beiden Damen als «Hospitanten».

Vom ersten Augenblick an erlebte man, daß Dr. Steiner in ganz beson­ders ernster, feierlicher Haltung war. Er erhob sich von seinem Platz und sprach dann die ganze Zeit stehend, sehr getragen, ganz zu uns hinge­wandt, und dabei doch mit einer Geste und Kraft der Sprache, als schrie­be seine Stimme die Worte in weite umfassende Fernen, nicht für die Gegenwart allein.

Lasset uns, meine lieben Schwestern und Brüder, stehend an­hören die Worte der Selbsterkenntnis, die dem Menschen ent­gegentönen aus Fels und Berg, aus Wald und Wolken, aus allen

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Formen der Welt, die ihn umgeben, und die zu allen Zeiten, da es ein geistiges Streben gegeben hat, als Worte der Selbst­erkenntnis ertönt haben:

0 Mensch> erkenne dich selbst ... *

Nun ließ er uns mit einer Bewegung seiner Hand Platz nehmen. während er selber stehen blieb.

Des Denkens Kraft verliert der Mensch. - An die Jugend in Euch wende ich mich heute, die Ihr Euch als esoterische Jugend hier zusammengefunden habt. Denn Ihr seid ja nun einmal der esoterische Jugendkreis. - Des Denkens Kraft verliert der Mensch. Aber es ist die Zeit gekommen, da die Menschheit diese Kraft wieder erobern muß. Das habt Ihr Euch als Aufgabe ge­stellt, als Ihr Euch als Jugend esoterisch verbunden habt. Und darnach muß Euer Streben gehen. Die Jugend soll nicht mehr wissen wollen als die übrigen Mitglieder der anthroposophischen Gesellschaft. Nicht anderes> sondern dasselbe anders zu wissen, soll sie bestrebt sein.

Zu einer andern Art des Wissens aber wird man geführt, wenn man die Erde als Stern zu erleben trachtet - als Stern unter Sternen. Für Denken, Fühlen und Wollen muß die Erde neu erobert werden.

Wodurch ist etwas ein Stern?

Dadurch, daß es strahlt, daß es glänzt, dadurch daß es Form hat und Schwere in sich hat, die den Körper zusammenhält.

Was aber ist es, das da strahlt vom Sterne? Es ist das Wollen der Wesen, die den Stern bewohnen. Ihr wollt - und die Erde strahlt hinaus in den Weltenraum.

Es ist das Fühlen der Wesen, die einen Stern bewohnen, das ihn erglänzen macht. Ihr fühlt, und es erglänzt die Erde als Stern in den Weltenraum hinein.

Es ist das Denken, das lichtvoll den Stern umhüllt. Ihr denkt, und Euer Denken läßt die Erde in Lichtfluten erschimmern.

- - -

* Siehe Seite 497.

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Im Wahrnehmen und Tasten der Wesen, die den Stern be­wohnen, erbildet sich der Stern in seiner Dichte. Durch Euer Tasten gewinnt die Erde Gestalt.

(Vorlage B: , so sagte Rudolf Steiner, stünde hier für alles Wahr­nehmen.)

Nur müßt Ihr das Bewußtsein ausbilden, daß Euer Denken, Fühlen und Wollen nicht für Euch ist, sondern für den Kosmos, daß es hinausstrahlt, glänzt und leuchtet in die Weltenweiten. Für die Wesen draußen auf den anderen Sternen wird die Erde sichtbar durch Euer Denken, Fühlen und Wollen. Aber auch das Böse, das Menschen denken, fühlen und wollen, strahlt hinaus in den Kosmos. Noch nach Jahrmillionen ist es sichtbar im Ster­nenraum.

Ein Stern strahlt, ein Stern glänzt, ein Stern leuchtet, ein Stern hat Dichte:

In dem Strahle lebt ...

[,Handschriftlich von F. Götte:]

In dem Strahle lebt mein Wollen

denn Güte strahlt vom Sterne*

Ja, liebe Schwestern und Brüder, kosmische Verantwortung soll in Euren Seelen erwachen. Liebe glänzt vom Sterne, und Wahr­heit formt am Sterne. Davon sprach schon die uralt-heilige Weisheit der Inder. Und für die heutige Jugend ist es wieder an der Zeit, ältestes Weisheitsgut der Menschheit wieder gegen­wärtig zu machen.

Yasmaj jatam ...

Von dem die ganze Welt stammt ... *

Das Kali Yuga ist abgelaufen, ein Zeitraum von 5000 Jahren, und an jene lichte Zeit, die vor 5000 Jahren abgelaufen ist, muß heute wieder angeknüpft werden in unserem ganzen Erleben. In

- - -

* Vielleicht hat Rudolf Steiner zunächst nur jeweils eine Doppelzeile, und erst heim dritten Male alle vier Doppelzeilen des Mantrams gesprochen; für dessen Text siehe S. 493.

** Siehe S. 493.

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diesem neuen Zeitabschnitt muß die Menschheit dazu kommen, die Erde ganz neu zu erleben. Die Menschheit wird jetzt dazu geführt, die Schwelle zu überschreiten. Das bedeutet, daß der Mensch zwischen seinem 30. und 40. Jahr dem Hüter der Schwelle begegnet. Viele Menschen erleben ihn unbewußt, und das ist etwas Furchtbares. Denn dann werden Folgen für den Menschen eintreten von solcher Art: Es werden sich ihm Ele­mentargeister bemerkbar machen. Dann umkribbelt ihn alles das, was aus den Reichen der Natur lebendig wird als das Gei­stige. Aus allem Festen, besonders aus dem Horn- und Hufarti-gen der Tiere wird es dann frei und greift in furchtbar dämoni­scher Art hinein in die Menschenseele, die dann in ihrem ganzen Nervenleben zerrüttet wird. Deshalb ist es an der Wende des Kali Yuga nötig, bewußt die Schwelle zu überschreiten. Ihr sollt Euch geneigt machen, bewußt den Hüter zu erleben:

Erkenne erst den ernsten Hüter ...

Es ist das Schicksal der Menschheit, um die Wende des Kali Yuga vor dem Hüter zu stehen.

Nähert man sich vom Weltenraum aus der Erde, so erlebt man sie eingeschlossen in eine Atmosphäre von Menschenkarma, die sie umgibt wie ein Wärme-Liebe-Mantel, aus dem einen das eigene Karma weltenkräftig anspricht. Wenn Ihr es lernt, dem Hüter zu begegnen, so werdet Ihr erfahren, wie Euch Euer Kar­ma wie mit einem Wärme-Mantel umhüllt, wie es Euch liebevoll anfächelt.

In dem Sterne lebt ...

FHandschriftlich von F. Götte:]

In dem Glanze lebt mein Fühlen

denn Liebe glänzt am Sterne

Hineinstrahlen, hineinleuchten soll unser Denken in den Weltenraum. Wenn aber die Menschen nicht spirituell denken, fühlen und wollen, wenn sie es zurückweisen, bewußt vor den Hüter zu treten, dann leuchtet kein menschliches Erleben in den Weltenraum hinein. Im 19. Jahrhundert, als die Menschen aufgehört

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hatten, spirituell zu denken, da genügte das menschliche Denken nicht, um die Erde erstrahlen zu lassen. Aber ein Stern muß strahlen. Deshalb mußten im letzten Drittel des 19. Jahr­hunderts die höheren Tiergruppenseelen dafür eintreten und ihr Licht hinaussenden. Damals begann die kosmische Schande der Menschheit in den Kosmos hinauszustrahlen.

Darum mussen sich jetzt in der Menschheit Seelen finden, deren spirituelle Erkenntnis die Erde als Stern hinausleuchten läßt in den Weltraum für die Bewohner anderer Sterne.

In dem Strahle lebt....

Das lichte Zeitalter ist angebrochen, und ganz anders ist es geworden im Verhalten der geistigen Welt zur physischen:

Wenn ich zu Tische sitze mit den Geistern des 19. Jahrhun­derts, und es ertönen zum Beispiel die Worte eines Herman Grimm, so klingt das sehr feingeistig. Wenn ich aber zu Tische sitze mit den Geistern, die die Geister Eurer Seelen werden wollen, so nehmen sich jene feingeistigen Worte aus wie leeres Wortgeklingel. Denn in jetziger Zeit strömt ein ungeheurer Reichtum hernieder aus der geistigen Welt. Wie ein reiches Geistgestöber kann man es erleben, niederrieselnd auf die Seelen der Menschen.

Die Jugend muß sich finden in dem, was sie zu spirituellen Taten befeuert. Die Jugend hat bisher manches von uns über ihr Jungsein erfahren. Das genügte ihr. Jetzt muß sie lernen, dieses Jungsein selber zu erleben. So gilt es, die Erde neu zu gewinnen für das Denken, Fühlen und Wollen. Sich selbst gilt es zu finden im Werdestrom der Welt.

Da aber werdet Ihr zu dem Erlebnis kommen, daß Euch das Erdenwesen entschwindet. Es wird die Stunde kommen, da Euch der Boden weggezogen wird unter den Füßen. Und wenn dann der Augenblick kommt in Eurem Leben, da alles Phy­sische in den Abgrund stürzt, da der Abgrund sich auftut, der feste Boden unter den Füßen schwindet, dann wird das Geistes-licht, das im Werdestrom der Welt leuchtet, immer schwächer

#SE266c-484

und schwächer werden. Es wird werden wie ein dünner Faden, und Ihr werdet erleben, daß dieser Faden brennt. Dann aber müßt Ihr den Mut haben, diesen Faden zu ergreifen, auch wenn er brennt - Euch fest zu halten an diesem glimmenden, brennen­den Faden des Geistigen, und Ihr müßt Euch sagen: Einen neuen Boden wollen wir uns schaffen unter unseren Füßen!

So müßt Ihr lernen, seelischen Mut zu haben!

Es gab in der Menschheit ein uralt-heiliges Wissen. Ihr müßt den Mut haben, wieder daran anzuknüpfen. Einst hat dieses Wissen noch gelebt in Aristoteles. Es schwand dahin, man ver­stand den Aristoteles nicht mehr. Nur in gewissen katholischen Orden, da wußte man es noch im 19. Jahrhundert, daß die Weisheit des Aristoteles in Wahrheit ein Meditationsweg ist. Da verstand man noch, seine Bücher auf diese Weise zu lesen. Vincenz Knauer gehörte zu denen, die das noch wußten.

Nur blutenden Herzens entschloß ich mich, in den Abend-vorträgen so etwas zu sagen, wie ich dort sagte. Oft war das uralt-heilige Wissen gerade nicht bei den Gelehrten, sondern bei den armen, ja geistesarmen Menschen. Es war eines der tiefst-erschütternden Ereignisse meines Lebens, als ich zusammentraf mit einem solchen Menschen, mit dem Kräutersammler, der in überaus zu Herzen gehenden Worten gesprochen hat von Pflan­zen, von Steinen, von Tieren, Sternen, von Sonne und Mond. In ihm lebte noch der lebendige Strom jenes alten Wissens. Und es ist ein besonderes Schicksal, daß ich begegnen konnte diesen beiden Gestalten, Vincenz Knauer und dem Kräutersammler, daß ich im letzten Menschheitsaugenblicke anknüpfen konnte an diese beiden Ströme, in denen das alte Wissen versiegend noch hereinträufelte in das 19. Jahrhundert.

Ja, die Jugend muß hineingreifen lernen in jenen feurigen Faden, wenn er auch brennt. Wenn alles in den Abgrund ver­sinkt, wir müssen lernen, uns im Werdestrom der Welt zu fin­den. Wenn früher in alten Zeiten dem Menschen aus Fels und Quell, aus Baum und Blume entgegentönte jene Aufforderung:

«Mensch, erkenne dich selbst!», dann war in jenen alten Zeiten

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seine Antwort das heilige AOUM. Da ging der Mensch ein in das heilige Schweigen, um das Wort der Götter zu empfangen. Jetzt aber, da die Welt in das Zeitalter eingetreten ist, da des Menschen Taten im Weltall erwartet werden, wo er zu eigener Aktivität aufgerufen ist, da ist es nicht mehr das heilige AOUM, das als unsre Antwort ertönen soll. Da soll zu den Geistern, die die Geister Eurer Seelen werden wollen, als Antwort hinauf-tönen:

Ja, da bin ich für Euere Welten-Taten.

Das muß die Jugend wahrmachen.

Dr. Steiner schloß die Stunde, indem er noch einmal sprach die Worte des Hüters:

Erkenne erst den ernsten Hüter ... *

Und die Antwort der Menschenseele darauf:

Ich trat in diese Sinneswelt ... *

Zum Abschluß machte Dr. Steiner dieselben Zeichen** vor sich in den Raum, die er später zum Beschluß der Weihnachtstagung gemacht hat, dabei die Worte sprechend:

«Ja, so sei es!»

(Die hier wiedergegebenen Aufzeichnungen stammen nicht aus einer unmittelbaren stenographischen Nachschrift. Sie sind aus meinen gleich hernach gemachten Notizen und denen mehrerer Freunde zusammenge­stellt, wobei der Aufbau ganz besonders erinnert wurde. - Aus sonstigen Bemerkungen Dr. Steiners ging hervor, daß hier mit natürlich nicht das physische Alter, sondern die Eigenart der Nach-Kaliyuga­Seelen gemeint und angesprochen wurde. Dr.M.R. [das charakteri­stische Signet von Maria Röschl])

- - -

* Siehe Seite 497.

** Nach anderen Vorlagen wi*rde das von Rudolf Steiner oft gebrauchte Zeichen für das Rosenkreuz gemacht:

#TI

DIE JUGENDKREIS-MEDITATIONEN

#TX

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#Bild s. 488

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#Bild s. 489

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Anmerkung der Herausgeber zu Seite 488/489:

Das Wort «Erhellung» auf der linken Seite unten ist mit Bleistift von der Hand Marie Steiners geschrieben. Zwei weitere, zusammengehörende Be­merkungen auf der rechten Seite des Originals sind im Druck nicht sicht­bar, weil die Rückseite des Blattes durchscheint und die Druckvorlage daher gesäubert werden mußte. Diese ebenfalls mit Bleistift geschriebenen Bemerkungen lauten rechts oben: «diese Seite nicht abtippen bitte M. St.» und rechts unten: «nicht abgeschrieben J.M.» Letztere ist in der Hand­schrift von Johanna Mücke. Dies bezieht sich darauf, daß Marie Steiner in den ersten Jahren nach Rudolf Steiners Tod aus seinen Notizbüchern Sprüche und andere Aufzeichnungen abschreiben ließ, um sie für Publi­kationsvorhaben zur Hand zu haben.

Gemäß der handschriftlichen Eintragung von Lili Kolisko in ihrem Notizbuch wurden ihr die Sprüche am ii. November 1924 wie folgt uberliefert, für den ersten Teil:

Abends (Sonne mild strahlend am Himmel.)

Es wärme

Morgens (Sonne und Mond am Himmel.)

Es wärme uns gemeinsames Fühlen.

Mittags (Gestirnter Himmel. Mond unter den Sternen.

Sonne die Erde durchleuchtend.)

Es wärme uns gemeinsames Fühlen zu Menschen-Taten.

und für den zweiten Teil:

Waches Erwarten (blauer Himmel)

Ich bin.

Aufhellung

Ich im Welten-Sein.

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Transkription zu Seiten 488/489

Sonne Mond Sterne

Es wärme | uns gemeinsames Fühlen | zu Menschentaten

die Sonnenseele | befeuere uns mit heiligem Feuer | in allen Lebensiagen

In meinem Haupt | lebe auch euer Denken | und trage geistige Wesen

Es leuchte | uns gemeinsames Licht | für Menschenziele

der Sonnengeist | erhelle uns mit reinem Licht | in allem Lebensstreben

In meinem Herzen | lebe auch euer Wollen | und wirke göttliches Wollen

So bin Ich | mit Euch, Ihr mit mir | und Christi Kraft im Erdensein

blauer Himmel

Ich bin

Seele lebt

Geist wirkt

Ich im Weltensein

Seele im Geisteswollen Erhellung. -

Geist im Gottesthun

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Die in der esoterischen Stunde Dornach, 30. Dezember 1923 ge gebenen Meditationssprüche:

Yasmajj atam jagat sarvam yasminneva praliyate

Yenedam dharyate chaiva tasmai guanatmane namah. *

Von dem die ganze Welt stammt, zu dem sie wieder

zurückkehrt, durch den sie sicher gestützt ist

Ihm dem Selbst, welches weiss I sei alle Ehre. -

In dem Strahle lebt mein Wollen - denn Güte

strahlt vom Sterne

In dem Glanze lebt mein Fühlen - denn Liebe

glänzt am Sterne

In der Hülle lebt mein Denken - denn Licht

wirkt in dem Sterne

In der Schwere lebt mein Tasten - denn Dichte

bildet den Stern.

- - -

* Den Sanskrit Wortlaut entnahm Rudolf Steiner aus der 1896 erschienenen Über­setzung von G.R.S. Mead und Jagadisha Chandra Chattopadhyaya »The Upa­nishads, translated into English with a preamble and arguments», Band I Die Autoren beschließen ihr Vorwort mit: »For those who approach the study of the Upanishads with minds of devotion three mantras are here appended» und geben dieses und zwei weitere Mantren ohne Quellenangabe.

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DAS DREITEILIGE MANTRAM

O MENSCH, ERKENNE DICH SELBST ...

ERKENNE ERST DEN ERNSTEN HÜTER ...

ICH TRAT IN DIESE SINNESWELT ...

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Alle esoterischen Stunden, die in den Nachkriegsjahren bis zur Neubegründung der esoterischen Schule als «Freie Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum» (,ahreswende 1923/24) gehalten worden sind, wurden von Rudolf Steiner zumeist mit dem ersten dieser drei Sprüche eröffnet und geschlossen, so wie dies in der Vorkriegszeit mit anderen Meditationssprüchen geschehen war (siehe GA 266/1). Auch in der neuen esoterischen Schule wurde dies weitergeführt. Jedoch alle drei Sprüche zusammen wurden nur selten gesprochen. In London, 16. April 1922, und in Wien, 30. September 1923, wurden in den dritten Spruch noch die drei Rosenkreuzersprüche einverwoben (siehe Seite 504).

Die ursprüngliche Niederschrift, mit vielen Korrekturen, findet sich in Rudolf Steiners Notizbuch Archiv-Nr. 98 aus dem Jahre 1920; als Faksimile ist hier anschließend die Reinschrift aus dem Notizbuch Archiv-Nr. 281 aus dem Jahre 1923 wiedergegeben, sowie die Aufzeichnung von Ludwig Polzer für die Stunde in Wien, 30. September 1923.

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I.

0 Mensch erkenne dich selbst

So tönt das Weltenwort

Du hörst es seelenkräftig

Du fühlst es geistgewaltig

Wer spricht so weltenmächtig?

Wer spricht so herzinniglich?

Wirkt es durch des Raumes Weitenstrahlung

In deines Sinnes Seinserleben?

Tönt es durch der Zeiten Wellenweben

In deines Lebens Werdestrom?

Bist du es selbst, der sich

Im Raumesfühlen, im Zeiterleben

Das Wort erschafft, dich fremd

Erfühlend in Raumes Seelenleere

Weil du des Denkens Kraft

Verlierst im Zeitvernichtungsstrome.

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II.

Erkenne erst den ernsten Hüter

Der vor des Geisterlandes Pforten steht

Den Einlass deiner Sinnenkraft

Und deines Verstandes Macht verwehrend

Weil du im Sinnesweben

Und im Gedankenbilden

Aus Raumeswesenlosigkeit

Aus Zeiten Truggewalten

Des eignen Wesens Wahrheit

Dir kraftvoll erst erobern musst.

III.

Ich trat in diese Sinnes-Welt

Des Denkens Erbe mit mir führend

Eines Gottes Kraft hat mich hereingeführt

Der Tod, er steht an des Weges Ende -

Ich will des Christus Wesen fühlen -

Es weckt in Stoffes-Sterben Geistgeburt

Im Geiste find ich so die Welt

Und erkenne mich im Weltenwerden.

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#Bild s. 504

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#Bild s. 505

ZU DIESER AUSGABE

#G266c-1998-SE507 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

#TI

ZU DIESER AUSGABE

#TX

Der Titel des Bandes sowie die Inhaltsangaben und die Hinweise stammen von den Herausgebern.

Zu den Textunterlagen: Hier folgen die Nachweise für Teil I und Teil II; für Teil III vgl. S. 418-422.

Der größere Teil der Gedächtnisaufzeichnungen ist in schreibmaschi­nengeschriebener, der andere in handschriftlicher Form überliefert. In bei­den Kategorien finden sich Namen von Aufzeichnern genannt. Es mußte jedoch festgestellt werden, daß es zweifelhaft ist, ob die Aufzeichnungen auch immer von den Genannten wirklich gemacht wurden, da ganz offen­sichtlich unter den Teilnehmern ein reger Austausch gepflegt worden war. Deshalb liegen von ein und derselben Stunde mehrfach identische Auf­zeichnungen in verschiedenen Handschriften vor. Es kann somit ein hand­schriftlicher oder maschinenschriftlicher Text, der namentlich gezeichnet oder zu bestimmen ist, durchaus von den Aufzeichnungen eines anderen Teilnehmers abgeschrieben worden sein. Dies trifft nachweislich sogar auf in der Handschrift von Mathilde Scholl vorliegende Texte zu. Z.B. liegt für die Stunde vom 26. Februar 1908 in Berlin eine Handschrift von Mathilde Scholl vor, aber auch eine damit identische von Lilla Harris, die jedoch den Vermerk trägt: «Notizen nicht von Mathilde Scholl». Es findet sich dies auch durch Mathilde Scholl insofern selber bestätigt, als sie am 6. Januar 1928 in einem Brief an Marie Steiner schreibt: «Heute sende ich Dir ein paar E.S. und eine F.M. [Freimaurerei, vgl. hierzu «Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 2651 Nachschrift respektive Aufzeichnungen, die ich von Frau Behrendts abschrieb.» Gleichwohl werden unter den in ihrer Hand­schrift vorliegenden Aufzeichnungen doch viele von ihr selbst niederge­schrieben worden sein. Wenn in den Hinweisen am Anfang zu jeder Stunde angegeben ist, welche Vorlage verwendet wurde, so muß doch offen bleiben, ob der Text auch wirklich auf den Genannten zurückgeht. Ausgenommen davon sind die handschriftlich vorliegenden Notizen von Louise Clason und Alice Kinkel sowie die Aufzeichnungen, die Günther Wagner, dessen Tocher Ida Knoch-Wagner, Wilhelm Hübbe-Schleiden und dessen Adoptivtochter Paula Stryczek zugeschrieben sind, von denen jedoch keine Handschriften vorliegen.

Aus dem Vorgang des vielfachen Voneinander-Abschreibens erklärt sich auch, warum im wesentlichen identische Vorlagen von einer Stunde manch­mal doch kleine Textabweichungen aufweisen können.

Zur Textgestaltung: Von vielen Stunden gibt es mehrere Aufzeichnungen. Manche unterscheiden sich erheblich, manche sind um einige Sätze oder

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Absätze gegenüber anderen erweitert, manche unterscheiden sich nur gering durch andere Wort- oder Satzstellungen. Es wurde versucht, diese abwei­chenden Nuancen aufzunehmen, und zwar in folgender Art:

1. Sind bedeutende Differenzen in verschiedenen Aufzeichnungen zur sel­ben Stunde vorhanden, wurden diese verschiedenen Aufzeichnungen komplett aufgenommen.

2. Sind die Abweichungen in den verschiedenen Aufzeichnungen gering (einzelne Worte oder Sätze), aber bedeutungsvoll, werden sie in Fußno­ten nachgewiesen.

3. Die relativ beste Aufzeichnung jeder Stunde wurde an den Anfang gestellt. Zeigen andere Notizen dieser gegenüber Erweiterungen, Ergänzungen, andere Nuancen, sind aber sonst im wesentlichen mit der ersten identisch, so finden sich die abweichenden Abschnitte als Auszug bzw. Auszüge an die erste Aufzeichnung angeschlossen. Da die Urheber­schaft fast aller Texte eine so unsichere ist, werden die verschiedenen Varianten jeweils nur mit Aufzeichnung A, B, C usw. bezeichnet. Jedoch wird in den Hinweisen zum Text für jede Stunde nachgewiesen, welche Aufzeichnungen respektive Handschriften zur Vorlage dienten.

Zu den Zeichnungen: Rudolf Steiner hat in den esoterischen Stunden -ebenso wie in den allgemeinen Vorträgen - oft an die Tafel gezeichnet. Davon ist jedoch nichts Originales erhalten geblieben. Die Zeichnungen in den Texten sind darum so wiedergegeben, wie sie von den einzelnen Auf­zeichnern festgehalten worden sind, soweit als möglich faksimiliert.

Von den in diesem Band versammelten Stunden waren bisher lediglich die Aufzeichnungen der Stunden vom 2. und 4. Januar 1913 in Köln in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 264, veröffentlicht.

Hinweise zu den Stunden

Einige Hinweise zu immer wieder vorkommenden Angaben:

Meine lieben Schwestern und Brüder:

Wie überliefert und auch aus einigen Aufzeichnungen ersichtlich ist, wurden die Teilnehmer von Rudolf Steiner immer so angesprochen.

Rasse ... Unterrasse ... Wurzeirasse, Hauptrasse ...

Diese Bezeichnungen waren in der theosQphischen Literatur vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts üblich für verschiedene Phasen der großen Menschheitsentwicklung. Sie wurden auch von Rudolf Steiner in den ersten Jahren seiner Tätigkeit innerhalb der Theosophischen Gesellschaft verwendet. Allmählich ersetzte er die Bezeichnung «Unterrasse» durch

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«Kulturepoche» oder « Kulturperiode», die Bezeichung «Wurzel-» oder «Hauptrasse» durch «Hauptzeitalter». Vgl. hierzu die Vorträge «Die Apoka­lypse des Johannes» (GA 104) aus dem Jahre 1908 und die um die Jahres-wende 1909/10 erschienene Schrift «Die Geheimwissenschaft im Umriß», GA 13.

okkulte Schulung ... Übungen ... Meditationen ... Nebenübungen:

Zu den verschiedenen Übungen, die von Rudolf Steiner seinen esoterischen Schülern gegeben worden sind, vgl. man den Band «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 264, sowie die Bände «Seelenübungen I», GA 267, und «Seelenübungen II», GA 268 (in Vorbereitung). Eine Auswahl findet sich in dem Bändchen «Anweisungen für eine esoterische Schulung» (6. Aufl. Dornach 1993).- Zu den Nebenübungen siehe Rudolf Steiners grundlegende Darstellungen im Kapitel «Über einige Wirkungen der Einweihung» in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904/05), GA 10, und im Kapitel «Die Erkenntnis der höheren Welten (Von der Einweihung oder Initiation)» in «Die Geheimwissenschaft im Umriß» (1910), GA 13.

Meister... Meister der Weisheit und des Zusammenklan ges der Empfindungen:

Damit weist Rudolf Steiner auf hochentwickelte Individualitäten hin, welche für die Evolution der Menschheit von größter Bedeutung sind: «Diese erhabenen Wesenheiten haben den Weg bereits zurückgelegt, den die übrige Menschheit noch zu gehen hat. Sie wirken nun als die großen .» (aus einem Brief vom 2. Januar 1905, abgedruckt in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 264).

Zu den Zeitgeister - Erzengelepochen:

In Rudolf Steiners Vortragswerk treten - zeitlich zum erstenmal in esoteri­schen Stunden - immer wieder Hinweise auf die sieben Erzengel und ihre Regierungsepochen auf. Die Namen der sieben Erzengel und ihre Verbin­dung mit jeweils einem der sieben Planeten sowie die Zeiten ihrer Regie­rungsepochen gehen zurück auf Johannes Trithemius. Er veröffentlichte 1508 eine mystische Chronologie in der Abhandlung «Von den syben Geysten oder Engel», welche nach Gott die Welt regieren sollten. In der Dedikationsepistel an den Kaiser Karl Maximilian heißt es, «daß es der Glaube alter Weisen sei, daß die Welt nach Anordnung Gottes von unterge­ordneten Geistern regiert werde. Den sieben Planeten seien von der Welt-schöpfung sieben Geister vorgesetzt worden, von denen jeder die Welt 354 Jahre und 4 Monate (in der Vorrede zum sechsten Buche der Polygraphie werden noch vier Tage und vier Stunden hinzugefügt) viermal in seiner Reihenfolge regiere. Es ist diese Anschauung aus dem Buche des alten Philosophen Menastor genommen, von welchem Trithemius im dritten Buch

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seiner Steganographie Erwähnung macht.» (Zitiert nach Isidor Silbernagel, »Johannes Trithemius», Regensburg I 885).

Zu den Bezeichnungen « Theosophie» I «theosophisch»:

Da Rudolf Steiner von 1902 bis 1912/13 als Generalsekretär der deutschen

Sektion der Theosophischen Gesellschaft wirkte, gebrauchte er die in jener

Zeit üblichen Termini, aber immer in dem Sinn, wie er es in der Einleitung

seiner 1904 veröffentlichten Schrift «Theosophie» charakterisierte:

«Das Höchste, zu dem der Mensch aufzublicken vermag, bezeichnet er als das . Und er muß seine höchste Bestimmung in irgendeiner Art mit diesem Göttlichen in Zusammenhang denken. Deshalb mag wohl auch die über das Sinnliche hinausgehende Weisheit, welche ihm sein Wesen und damit seine Bestimmung offenbart, oder Theosophie genannt werden. Der Betrachtung der geistigen Vorgänge im Menschenleben und im Weltall kann man die Bezeichnung Geisteswissenschafr geben. Hebt man aus dieser, wie in diesem Buche geschehen ist, im besonderen diejenigen Ergebnisse heraus, welche auf den geistigen Wesenskern des Menschen sich beziehen, so kann für dieses Gebiet der Ausdruck gebraucht werden, weil er durch Jahrhunderte hindurch in einer solchen Richtung angewendet worden ist.»

Nach der Trennung von der Theosophischen Gesellschaft (1912/13) griff Rudolf Steiner auf seine ursprünglich schon im Beginn des Jahrhunderts gebrauchten Bezeichnungen «Anthroposophie» oder «anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft» zurück.

«Nicht ich, sondern der Christus in mir»:

Dieses Paulus-Zitat aus dem Brief an die Galater (Gal. 2,20: «Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern der Christus lebt in mir») wird in den esoteri­schen Stunden sehr oft erwähnt, weshalb der Nachweis hier in den allgemei­nen Hinweisen zu finden ist.

Hinweise zu den Stunden der Jahre 1913 und 1914

(Teil 1)

Da viele Hinweise für mehrere Aufzeichnungen der gleichen Stunde gelten, wurde hier auf Seitenverweise für jeden einzelnen Hinweis verzichtet. Statt­dessen werden die Seitenzahlen für die Stunden angegeben.

25 Köln, 2. Januar 1913

A - Handschrift von Alice Kinkel; B - Handschrift von Mathilde Scholl;

C - Aufzeichnung von Margareta Morgenstern; D - Aufzeichnung von

Helene Röchling

daß wir uns vollständig zu scheiden haben in unserer esoterischen Strömung von jenem anderen ... was von Frau Besant vertreten wird: Dies bezieht sich auf die

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Agitation des «Sterns im Osten» für das angebliche Erscheinen eines Weltenleh­rers in der Person von Krishnamurti. Näheres hierzu siehe in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA264, Teil II.

Es werden die Worte von Frau Besant von 1906 verlesen: »Judge has fallen on this perilous path of occultism; Leadbeater has fallen on it; very likely I too ihall fall; but we shall all come back and work again. If the day of my fall should come, I ask those who love me not to shrink from condemning my fault, not to attenuate it, or say that black is white; hut rather let them lighten my heavy karma as I am trying to ligliten that of my friend and brother, by saying that black is black, by proelaiming the unshaken purity of the ideal, and by declaring that the fall of an individual leaves unshattered their trust in the Masters of Purity and Compassion. On that rock we rest.» (E.S. Rundschreiben von A. Besant aus Simla, Indien, datiert 9. Juni 1906). Rudolf Steiner hat sich auf einem Notizblatt (Archiv-Nr.6961) eine Übersetzung wie folgt notiert: »Judge ist gefallen auf dem gefähr­lichen Wege des Occultismus; Leadbeater ist ebenso darauf gefallen; ebenso kann ich zu Falle kommen; aber wir werden alle wieder an unser Werk kommen dür­fen. Wenn der Tag meines Falles kommen sollte, fordere ich auf diejenigen, wel­che mich lieben, nicht vor dem Verdammen meines Fehlers zurückzuschrecken, ihn nicht zu verbergen, oder zu sagen, daß schwarz weiß sei, - sondern lasset ihn erleichtern mein schweres Karma, wie ich versuche zu erleichtern dasjenige mei­ner Freunde und Brüder, indem ich schwarz schwarz nenne, und so mich einsetze für die unerschütterliche Reinheit des Ideals, und erkläre, daß der Fall einer In­dividualität unerschütterlich dessen Wahrheit läßt bei den Meistern der Reinheit und des Mitgefühles. Auf diesem Felsen laßt uns ruhen.» Vgl. zu diesem Thema auch das Kapitel «Mrs. Besants Verfahren. Der Konvent von 1912» in Eugéne Lévys Buch «Mrs. Annie Besant und die Krisis in der Theosophischen Gesell­schaft», Berlin 1913; sowie GA 264, S. 271.

«Wachet und betet mit mir»: Mat. 26,41 und Mk. 14,38.

Essäerorden: Die Essäer oder Essener bildeten in Israel eigene zurückgezogene Gemeinden, in denen sie asketisch - oft in Armut und Zölibat - lebten. Sie hatten eine nur für die Eingeweihten bestimmte Geheimlehre. Das wesentliche Wissen über sie überlieferte Philo von Alexandrien (20 v.Chr. - 30 n.Chr.), der in seinem Werk «Vom beschaulichen Leben» auch über die beiden hier erwähnten Regeln spricht; vgl. hierzu die Übersetzung Emil Bocks in «Urehristentum 1., Cäsaren und Apostel», Stuttgart 1937, besonders S. 268. Über die Essäer vgl. auch Rudolf Steiners Ausführungen in «Das Matthäus-Evangelium», GA 123.

dem einen Jesusknaben: Bezüglich der zwei Jesusknaben siehe Rudolf Steiners grundsätzliche Darstellung in seiner Schrift «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit», GA 15, dritter Vortrag, sowie die Vortragszyklen «Das Lukas-Evangelium», GA 114, und «Das Matthäus-Evangelium», GA 123.

Lieber ein Bettler in der Oberwelt ...: In der Übersetzung von J. H. Voß der «Odyssee» Homers klagt der Schatten des Achilleus im 11. Gesang (V. 489-49l):

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«Lieber möcht' ich fürwahr dem unbegüterten Meier,

Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun,

Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.»

für die Anhänger dieser esoterischen Richtung geschlossen bleiben muß: Am S. De­zember 1912 wurde vom Vorstand der deutschen Sektion beschlossen, die Mit-glieder des «Sterns im Osten» aufzufordern, aus der Theosophischen Gesellschaft auszutreten, andernfalls sie aus der Sektion ausgeschlossen würden. (Vgl. Scholl­Mitteilungen XV, Januar 1913, S. 20).

denn wo eine okkulte Bewegung entsteht: Bezieht sich wahrscheinlich auf die vor wenigen Tagen erfolgte Begründung der Anthroposophischen Gesellschaft.

«Die Weisheit allein in der Wahrheit«: Nach J. W. Goethe: «Die Weisheit ist nur in der Wahrheit«. Aus: «Maximen und Reflexionen» («Kunst und Alterthum», 3. Bd., i. Heft: «Eigenes und Angeeignetes in Sprüchen»). Von Rudolf Steiner als Motto dem der damals begründeten Anthroposophischen Gesellschaft von ihm gegebenen «Entwurf der Grundsätze einer Anthroposophischen Gesellschaft» vorangestellt. Gedruckt in «Anthroposophische Gemeinschaftsbildung», GA 257.

William Quan Judge, 1851-1896. Mitbegründer und Vizepräsident der Theoso­phischen Gesellschaft, Generalsekretär der amerikanischen Sektion. Als er 1894 von Adyar aus angegriffen wurde, sagte sich 1895 fast die gesamte amerikanische Sektion von der Zentralleitung los und konstituierte sich autonom als die «Theosophical Society in Amerca».

Charles Webster Leadbeater, 1847-1934. Ehemals Priester der englischen Hoch-kirche, wurde Leadbeater 1883 Mitglied der Theosophischen Gesellschaft und begleitete Blavatsky 1884 nach Indien. Nach seiner Rückkehr arbeitete er mit Sinnett in London zusammen. 1906 zog er sich von der Gesellschaft zurück, nachdem es aufgrund verschiedener Vorwürfe zum «Fall Leadbeater» gekommen war. Aber schon 1909 rief Besant ihn wieder zurück, und er wurde zum Entdek­ker des Knaben Krishnamurti. So wurde er zum eigentlichen Inspirator für die Gründung des Ordens «Stern des Ostens». 1913 ging er nach Australien und war 1916 an der Gründung der Liberal Catholic Church beteiligt, in der er das Amt eines Bischofs bekleidete. Dies verminderte aber nicht seinen Einfluß in der T. G.

Judge ist gefallen, Leadbeater ist gefallen: Worte Annie Besants von 1906, siehe den entsprechenden obenstehenden Hinweis zu dieser Stunde. Der auf Judge bezügliche Teil des Satzes ist eine der Behauptungen A. Besants, die nicht durch ihre Wahrheit, sondern durch die Wiederholungen wirkten. Siehe Kap. VII in:

Hella Wiesberger, «Rudolf Steiners esoterische Lehrtätigkeit», Dornach 1997.

39 Köln, 4. Januar 1913

A - Handschrift von Mathilde Scholl; B - Aufzeichnung von Hendrika

Hollenbach C - Handschrift von Alice Kinkel; D - Handschrift von Louise

Clason

daß dasjenige, was Mrs. Besant im Jahre 1909 gesagt hat, in völligem Widerspruch steht mit dem, was sie 1912 behauptet hat: Dies bezieht sich auf die widersprüchlichen

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Briefe, die Annie Besant in bezug auf Dr. Hugo Vollrath geschrieben hatte. Vollrath (*1877) war theosophischer Buchhändler und Verleger (Theosophisches Verlagshaus Leipzig). Da Vollrath die deutsche Sektion für seine persönlichen Zwecke benutzen wollte, wurde die Zusammenarbeit rnit ihm sehr schwierig. Hauptsächlich auf Drängen des Leipziger Zweiges wurde er laut Beschluß der VII. Generalversammlung der deutschen Sektion im Oktober 1908 aus der deut­schen Sektion ausgeschlossen.

Rudolf Steiner verständigte sich in dieser Sache mit Annie Besant (vgl. seinen Brief aus dem Jahre 1909, abgedruckt in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 264, S. 419f.). Trotzdem ernannte sie im Sommer I 911 Vollrath zum Sekretär des Repräsen­tanten des «Sterns des Osten», W. Hübbe-Schleiden.

Im Mai 1912 schrieb Annie Besant an die «Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft» (hrsg. von Mathilde Scholl) einen Brief, in dem sie Dinge leugnete die sie 1908 bzw 1909 geschrieben hatte Rudolf Steiner verfaßte daraufhin eine Erwiderung (Scholl Mitteilungen No XIV, Cöln, Dezember 1912 5 3f) aus der um die Widerspruchlichkeit A. Besants zu dokumentieren hier beispielhaft zitiert werden soll

«Es obliegt mir, die verehrten Mitglieder uber diesen Brief Mrs Besants auf zuklären. Ich will es ganz objektiv an der Hand der wahren Tatsachen tun

Mrs. Besant schreibt im Mai 1912. ,Dr. Vollrath tat keinen Appell an mich daher hatte ich keine Pflicht, zu beachten Recht oder Unrecht in dieser Sache, und bis heute kenne ich sie nicht.> Genau das Gegenteil davon ist die objektive Wahrheit!

- Die Tatsachen sind die folgenden: Dr. Vollrath richtete schon am i. Dezember 1908 einen Appell in Form eines fünf Quartseiten langen Briefes über seinen im Oktober 1908 erfolgten Ausschluß an Mrs. Besant. Diesen Brief Dr. Vollraths schickte mir Mrs. Besant, eingeschlossen in einem Briefe, den sie am 7. Januar 1909 an mich richtete, und in dem sich die Worte Mrs. Besants finden: [es folgt der englische Originalwortlaut]. Dies heißt in deutscher Übertragung: - Auf diesen Brief von Mrs. Besant und auf den von Dr. Vollrath an Mrs. Besant gerichteten Appell, der schon 1909 Dinge ent­hielt von der ganz gleichen Art, wie sie Dr. Vollrath 1911 in seinem Pamphlet wieder schrieb, antwortete ich Mrs. Besant ausführlich und stellte ihr den Fall vor, schrieb ihr auch von den Gründen, die damals nicht mich, sondern den Vorstand der Sektion zu dem Schritte geführt haben. - Daraufhin antwortete mir Mrs. Besant am 18. März 1909: [es folgt der englische Originalwortlaut]. Das ist in deutscher Übertragung: #SE266c-514

unterstrichen, Dr. St.) stimme ich, als Präsident, der Handlung der deutschen Sektion zu und schließe eine Note ein, zu der Verwendung, die Sie nach Ihrem Gutdünken in Ihrem offiziellen Organ von derselben machen wollen. Ich schrei­be auch mit gleicher Post an Dr. Vollrath, ihn von diesem zu unterrichten.' - Die oben erwähnte Note, welche diesem Briefe beigeschlos sen war, lautet: [es folgt der englische Originalwortlaut] (Das ist in deutscher Ubersetzung: An Dr. Ru­dolf Steiner, General-Sekretär der deutschen Theosophischen Gesellschaft. Mein lieber Kollege. Im Sinne der Regel 36 der General Constitution der Theosophi­schen Gesellschaft, welche dem Präsidenten allein die Macht zugesteht, Charters und Diplome auszustellen oder als ungültig zu erklären; und berücksichtigend die Regel 37, welche den nationalen Gesellschaften das Recht giebt, sich ihre eigenen Regeln zu bilden: entscheide ich, als Präsident, nachdem Dr. Vollrath aus Leipzig an mich appelliert hat, (Diese Worte sind von mir unterstrichen, Dr. St.) wegen seines Ausschlusses aus der deutschen Theosophischen Gesellschaft, und nach­dem ich alle Einzelheiten der Sache gehört habe, (Diese Worte von mir unterstri­chen, Dr. St.) daß sein Ausschluß aus der deutschen Theosophischen Gesellschaft begründet ist, und daß Dr. Vollrath aufgehört hat, ein Mitglied dieser Körper­schaft zu sein.>. - Diesen Tatsachen gegenüber will ich nur zusammenfassend noch sagen: Am 18. März 1909 schreibt Mrs. Besant:

daß ein Generalsekretär (der englische) schreibt, Mrs. Besant müsse den Brief von 1909 eben vergessen haben: Darüber berichtet Rudolf Steiner in einem Brief an die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft (*Mitteilungen für die Mitglieder der Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft», No. XV, Cöln, Januar 1913, S. 3): ,ins and outs> of the Vollrath case. She has a mass of correspondance from all over the world, and much public non-Theosophical work in England and India, so that forgetfulness is readily pardonable.» J. I. Wedgwood an Rudolf Steiner, Brief London, I7th December 1912]. Nun, mir scheint, ein System, das ein solches Urteil möglich mache, müßte unmöglich in der Theosophischen Gesellschaft sein. Der betreffende Herr mußte wissen, daß Mrs. Besant nicht nur - vergessen haben könne, was 1909 geschehen ist, sondern daß sie 1912 nicht nur in Abrede stellt, was 1909 geschehen ist, sondern, daß sie in diesem In-Abredestellen einen Generalsekretär der unwahren Darstellung einer Angelegenheit beschuldigt.»

H. P. Blavatsky ... noch eine richtige Vorstellung von dem, was ein Avatar ist:

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Vgl. «Die Geheimlehre», 3. Bd., Abtl. XLI: Die Lehre von den Avataras (S.361 der deutschen Ausgabe, Leipzig o.J.).

«In deinem Denken leben Weltgedanken»; «In deinem Fühlen weben Weltenkräf­te»; «In deinem Willen wirken Weltenwesen»: Siehe «Die Prüfung der Seele» (1911; in «Vier Mysteriendramen», GA 14), erstes Bild, und «Der Hüter der Schwelle» (1912; ebenda), sechstes Bild.

daß der Mensch das Resultat sei des Zusammenwirkens aller Götter: Felix Balde bzw. Capesius im fünften Bild der «Prüfung der Seele».

Paulus spricht von dem ersten Adam: 1. Kor. 15,45-49 und Röm. 5,14.

«Sage Gott ab und stirb»: Buch Hiob, 2,9.

«Wo zwei oder drei in meinem Namen ...»: Mat. 18,20.

50 Berlin, 6. Januar 1913

A - Handschrift von Lilla Harris; B - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach

die mit Meister Eckhart sprechen möchten: Was nützt mir, daß ich ein König bin, wenn ich es nicht weiß!: Wörtlich lautet das Zitat: «Denn wäre ich ein König, wüßte es aber selbst nicht, so wäre ich kein König.« (Predigt 36 über «Scitote, quia prope est regnum dei» in «Deutsche Predigten und Traktate», hrsg. von Josef Quint, München 1963)

Lieber ein Bettler auf der Oberwelt: Vgl. den entsprechenden Hinweis zur Stunde vom 2. Januar 1913.

57 Berlin, g. Februar 1913

A - Aufzeichnung von Günther Wagner; B - Aufzeichnung aus der Samm­lung von Elisabeth Vreede; C - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach; D - Aufzeichnung von Mathilde Scholl

dargestellt oder angedeutet im dritten Mysterienspiel mit den zwei Bildern von Raffael und Lionardo: Nach mündlichen Mitteilungen von H. Collison (übermit­telt durch Michael Blume, Dornach) waren in der ersten Inszenierung des dritten Mysteriendramas «Der Hüter der Schwelle» im dritten Bild («Im Reiche des Lucifer») folgende Gemälde im Hintergrund projiziert: In der Mitte oben das «Abendmahl» Leonardo da Vincis, links oben Raffaels «Schule von Athen», rechts oben Raffaels «Disputa». Unten waren Skulpturen projiziert. Von links nach rechts: einer der «Sklaven» Michelangelos, in der Mitte die Laokoon-Gruppe und schließlich die Venus von Milo.

67 Stuttgart, [zwischen 17.-20.] Februar 1913

A - Aufzeichnung von Ida Knoch; B - Aufzeichnung vQn Unbekannt; C - Handschrift von Camilla Wandrey

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Lieber ein Bettler in der Oberwelt ...: Vgl. den entsprechenden Hinweis zur Stunde vom 2. Januar 1913.

73 München, 12. März 1913

A - Handschriften von Mathilde Scholl und Barbara Wolf; B - Handschrift von Alice Kinkel

80 Berlin, 16. März 1913

A - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach; B - Aufzeichnung aus der

Sammlung von Elisabeth Vreede; C - Handschrift von Camilla Wandrey;

D - Aufzeichnung von Günther Wagner; E - Handschrift von Nelly v.

Lichtenberg.

Oda Waller, * um 1880 - S. März 1913, Schwester von Mieta Waller. Vgl. über sie auch Rudolf Steiners Vorträge vom 18. Januar und 9. Mai 1914 in «Unsere Toten», GA 261.

89 Den Haag, 21. März 1913

A - Handschriften von Lilla Harris und Nelly v. Lichtenberg; Aufzeichnun­gen von Mathilde Scholl und Günther Wagner

93 Den Haag, 21. und 25. März 1913

Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach

95 Den Haag, 25. März 1913

Handschriften von Lilla Harris und Nelly v. Lichtenberg; Aufzeichnungen von Mathilde Scholl und Günther Wagner

100 Berlin, ii. April 1913

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede; B - Handschrift von Unbekannt; C - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach; D - Hand­schrift von Louise Clason

Julius Bittmann, (t 1913); vgl. über ihn auch Rudolf Steiners Vortrag vom 18. Januar 1914 in *Unsere Toten», GA 261.

110 Straßburg, 14. Mai 1913

A - Aufzeichnung von Emma Klein; B - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt

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Plato sagte schon: «Gott ist das Gute»: Vgl. Platos «Staat» (Band III der «Sämt­lichen Werke» in der Übersetzung von Friedrich Schleiermacher, Hamburg 1958, S. 220f., 508e nach Steph.-Num.) sowie «Theaitetos», (Band IV, 176a).

«Niemand ist gut denn Gott allein»: Mk. 10,18 und Lk. 18,19.

«Ihr werdet sein wie die Götter»: Nach i. Mos. 3,5.

«Ihr seid Götter»: Joh. 10,34.

«Natur ist Sünde, Geist ist Teufel»: Zitat aus Goethes «Faust», II. Teil, Erster Akt, Kaiserliche Pfalz, V. 4900 (Kanzler).

116 Stuttgart, 18. Mai 1913

A - Handschrift von Mathilde Scholl; B - Handschrift von Barbara Wolf;

C - Aufzeichnung von Ida Knoch; D - Aufzeichnung aus der Sammlung

von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; E - Handschrift

von Camilla Wandrey; F - Aufzeichnung von Unbekannt

was gestern im öffentlichen Vortrag: Vortrag vom 17. Mai 1913 in Stuttgart «Er­gebnisse der Geistesforschung für Lebensfragen und das Todesrätsel» (noch nicht in der Gesamtausgabe enthalten).

Merkur (heutige Venus): Rudolf Steiner spricht mehrmals davon, daß in alten Zeiten die Planetennamen von Merkur und Venus vertauscht wurden. Siehe z.B. die Vorträge vom 20. Juni 1908 in «Die Apokalypse des Johannes», GA 104, vom S. September 1908 in »Ägyptische Mythen und Mysterien», GA 106, und vom IS April 1909 in »Geistige Hierarchien und ihr Widerspiegelung in der physi­schen Welt», GA 110 (ausführlicher Hinweis zu diesem Problem S. 194f.). Ein ausführliches Verzeichnis der betreffenden Stellen im Werk Rudolf Steiners findet sich in einem Artikel von Paul Regenstreif über dieses Problem («Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland», Nr.37, 1956).

dritte Sonne: Uber das dreifache Sonnenmysterium vgl. Rudolf Steiners Vorträge vom 24. August 1918 in »Die Wissenschaft vom Werden des Menschen», GA 183, und vom 24. April 1922 in »Das Sonnenmysterium und das Mysterium von Tod und Auferstehung», GA 211.

«Nicht ich, sondern ...»: Gal. 2, 20.

Julian Apostata, 331-363, Julianus Flavius Claudius, römischer Kaiser. Obwohl christlich erzogen, wandte er sich wieder den alten Mysterienkulten zu, weshalb ihm die christlichen Autoren den Beinamen Apostata (der Abtrünnige) zulegten. 32jährig wurde er auf einem Feldzug in Asien ermordet. Vgl. die eingehenden Ausführungen Rudolf Steiners in den Vorträgen vom 30. Dezember 1910 in »Okkulte Geschichte», GA 126; vom 19. April 1917 in «Bausteine zu einer Er­kenntnis des Mysteriums von Golgatha», GA 175; und vom 16.Sept.1924 in «Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge. Vierter Band», GA 238.

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142 Helsingfors, i. Juni 1913

Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach

drei Sonnenkraftwirkun gen: Vgl. den entspr. Hinweis zur vorigen Stunde.

«Nicht ich, sondern ...»: Gal. 2,20.

Julian der Apostat: Vgl. den entsprechenden Hinweis zur vorigen Stunde.

144 Helsingfors, S. Juni 1913

Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach

Adyar- Geschehnisse ... unnützes Geschreibe: Am Jahresende 1912 wurde in Adyar der Ausschluß der deutschen Sektion aus der Theosophischen Gesellschaft be­schlossen und im März 1913 perfekt gemacht. Dazu verfaßte Wilhelm Hübbe-Schleiden eine «Denkschrift über die Abtrennung der Anthroposophischen Gesellschaft von der Theosophischen Gesellschaft» voller Unwahrheiten, so daß Rudolf Steiner sich gezwungen sah, eine Richtigstellung zu veröffentlichen. Dies geschah in der Juli-Nummer der Scholl-Mitteilungen, Nr.III, 1913.

145 Stockholm, 8. Juni1913

Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt

149 München, 3. September 1913

A - Aufzeichnung von Paula Hübbe-Schleiden; B - Aufzeichnung von

Unbekannt; C - Handschrift von Barbara Wolf; D - Handschrift von Louise

Clason

in all diesen Tagen: Vom 19. bis 23. August 1913 fanden in München Aufführun­gen der beiden Mysteriendramen «Der Hüter der Schwelle» sowie «Der Seelen Erwachen« statt. Daran schloß sich vom 24. bis 31. August Rudolf Steiners Vor­tragszyklus «Die Geheimnisse der Schwelle», GA 147.

Cottfried Wilhelm Leibniz, 1646-1716, deutscher Mathematiker und Philosoph; mit seinen Werken «Monadologie« und «Theodizee», in denen er Universal-mathematik und theologische Philosophie zu einem Weltsystem zu vereinen sucht, einer der Vorreiter der Aufklärung in Deutschland. Leibniz begreift die Welt als ein System ursprünglicher Kräfte, die er Monaden nennt; diese jeweils für sich abgeschlossenen Monaden haben verschiedene Grade der Bewußtheit. Vgl. Rudolf Steiners «Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dar­gestellt«, GA 18, Kap. «Die Weltanschauungen des jüngsten Zeitalters der Gedan­kenentwickelung«, S. 115ff.

Ernst Haeckel, 1834-1919, Arzt und Naturforscher, Professor für Zoologie in Jena. Haeckel vertrat mit Vehemenz den monistischen Ansatz, wonach alles Seiende

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sich aus ein- und demselben Prinzip ableitet. Über Haeckel siehe auch den Aufsatz Rudolf Steiners «Haeckel und seine Gegner» in «Methodische Grundla­gen der Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze zur Philosophie, Naturwissen­schaft, Ästhetik und Seelenkunde 1884-1901», GA 30, und den Vortrag vom S. Oktober 1905 in «Die Welträtsel und die Anthroposophie», GA 54.

Baruch Spinoza, 1632-1677, führender niederländischer Philosoph des Ra­tionalismus, Mathematiker und Optiker. Spinoza lehrte - ausgehend vom Neu­platonismus und von Descartes - eine pantheistische Notwendigkeitsphilosophie. Nach ihm gibt es nur eine einzige Substanz, aus sich seiend und durch nichts begründbar: Gott. Rudolf Steiner in «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Ge­schichte als Umriß dargestellt«, GA 18, Kap. «Die Weltanschauungen des jüng­sten Zeitalters der Gedankenentwickelung«, S. 113f.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770-1831, Philosoph des deutschen Idealismus. Für Hegel ist das Absolute (Idee, Gott) Grund und Prinzip der ganzen Welt. -Vgl. Rudolf Steiners Ausführungen über ihn im Kapitel «Reaktionäre Weltan­schauungen», S. 276-285, in «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt» (1914), GA 18, und «Der deutsche Idealismus als Gedanken-anschauung: Hegel« in «Vom Menschenrätsel« (1916), GA 20, S. 46-57.

Und da kam eines Tages eine Persönlichkeit zu mir: Näheres nicht bekannt.

«Der Seelen Erwachen» (1913) in «Vier Mysteriendramen», GA 14.

« Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestim­mung» (1904), GA 9.

In diesem Vortragszyklus: «Die Geheimnisse der Schwelle», München 24.-3 i. August 1913, GA 147.

160 München, 4. September 1913

A - Handschrift von Nelly v. Lichtenberg; B - Aufzeichnung aus der

Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; C -

Aufzeichnung von Clara Motzkus und Anna Riebensahm; D - Handschrift

von Louise Clason; E - Aufzeichnung aus der Sammlung von Fred Poeppig

Meister Eckhart, 1260-1327, Dominikaner und Mystiker, lehrte in Paris, Straß­burg und Köln; als Ketzer angeklagt. Berühmt sind seine «Deutsche Predigten und Traktate» (hrsg. und übersetzt von Josef Quint, München 1963 und Zürich 1979). Vgl. dazu auch das Kapitel «Meister Eckhart» in Rudolf Steiners Schrift «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung« (1901), GA 7.

Johannes Ruyshroek Jan van R.), 1294-1381, Mystiker, Vikar und Priester in Brüssel, zog sich 1354 in das Augustinerklosten Groenendal (bei Waterloo) zu-ruck, als dessen Prior er starb. Die Art seiner Mystik trug ihm den Namen «Doctor ecstaticus« ein. Vgl. dazu auch das Kapitel «Gottesfreundschaft« in Rudolf Steiners Schrift «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung« (1901), GA 7.

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Johannes Tauler, 1300-1361, Mystiker, Prediger in Straßburg; Schüler des «Un­bekannten aus dem Oberland». Vgl. dazu auch das Kapitel «Gottesfreundschaft» in Rudolf Steiners Schrift «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geistesle­bens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung» (1901), GA 7.

Heinrich Suso, 1295-1366, Dominikaner in Konstanz und Schüler Eckharts. Vgl. dazu auch das Kapitel «Gottesfreundschaft» in Rudolf Steiners Schrift «Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung» (1901), GA 7.

Emanuel Swedenborg' 1688-1772, schwedischer Wissenschaftler und Mystiker; Werke: «Vom Himmel», 1784, «Der Verkehr zwischen Seele und Leib»; «Himmel und Hölle». Vgl. Rudolf Steiners Vortrag vom 23. September 1923 «Jakob Böh­me, Paracelsus, Swedenborg» in «Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kultur­phänomene», GA 225.

was Kant aus Swedenborgschen Schriften entnahm: Immanuel Kant, (1742-1804). «Träume eines Geistersehers», Königsberg 1766. Vgl. auch seinen Brief an Fräu­lein Charlotte von Knobloch über Swedenborg vom 10. August 1763 in «Kants Briefe», Leipzig 1911.

Maurice Maeterlinck' 1862-1949, belgischer Dichter

In den exoterischen Vorträgen ist schon einmal von Maeterlinck die Rede gewe­sen, wie er Beweise für das geistige Leben haben wollte: Vgl. den Vortrag vom 27. August 1913 in «Die Geheimnisse der Schwelle», GA 147, in dem Rudolf Steiner über Maeterlincks Schrift »Vom Tode» Jena 1913) spricht.

*Der« Seelen Erwachen*: (1913) in «Vier Mysteriendramen», GA 14.

13. Kapitel des Johannes-Evangeliums: Die Fußwaschung.

die Bergpredigt oder die Seligpreisun gen: Matt. 5-7; Luk. 6,20-49.

Cusanus: Nikolaus von Kues, vgl. den entsprechenden Hinweis zur Stunde vom i. September 1912.

171 Kr«istiania [Oslo], S. Oktober 1913

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; B - Handschrift von Alice Kinkel

William Cr«ookes' I 832-1909, englischer Physiker und Chemiker (Entdecker des Thalliums); Mitglied der Theosophischen Gesellschaft. Er veranstaltete zahlreiche Experimente mit Medien. «Spiritualismus und Wissenschaft», Leipzig 1871; «Ma­terialisationsversuche», Leipzig 1923.

Engel oder« Angeloi, von denen es in einer alten Urkunde heißt: « Und sie verbüll­ten ihr Angesicht»: Um welche alte Urkunde es sich handelt, konnte bisher nicht wirklich festgestellt werden. - Die Aussage in dieser Aufzeichnung ist unvollstän­dig festgehalten worden, vgl. die Aufzeichnung B der Stunde vom 6. Oktober 1913. Siehe auch den Vortrag Berlin, 24. März 1908, in «Das Hereinwirken gei­stiger Wesenheiten in den Menschen», GA 102.

#SE266c-521

Anaxagoras, um 500-428 v. Chr., aus Klazomenä, Kleinasien; vorsokratischer

Naturphilosoph; wurde aufgrund der Behauptung, die Sonne sei eine glühende

Steinmasse, aus Athen verbannt. Seine Lehre beruht auf der Annahme ewiger

«Urstoffe» (Homoiomerien). Vgl. dazu Rudolf Steiners «Rätsel der Philosophie»,

GA 18, Kap. «Die Weltanschauung der griechischen Denker», S. 59f.

Empedokles, 483-424 v. Chr., geb. in Agrigent; griechischer Naturphilosoph und Staatsmann; er soll den Tod durch Sturz in den Ätna gefunden haben. Seine Philosophie geht von den vier Elementen aus, die durch die Kräfte der Liebe und des Hasses die Dinge bilden. Vgl. dazu Rudolf Steiners kurzen Abriß seiner Philosophie in «Die Rätsel der Philosophie», GA 18, Kap. «Die Weltanschauung der griechischen Denker», S. 60f.

Gottfr«ied Wilhelm Leibniz, vgl. den entsprechenden Hinweis zur Stunde vom 3. September 1913.

Bild, wie es dem Welten gang entnommen ... eine Schale mt Öl gefüllt: Siehe hierzu die beiden esoterischen Übungen in «Seelenübungen mit Wort- und Sinn­bildmeditationen», GA 267, S. 375-377.

176 Kristiania [Oslo], 6. Oktober 1913

A - Aufzeichnung von Paula Hübbe-Schleiden und Handschrift von Un­bekannt; B - Handschrift von Alice Kinkel

«Den Teufel spürt das Völkcben nie ...»: Zitat aus Goethes «Faust», I. Teil, Auerbachs Keller, V. 2181f. (Mephisto).

E'fr«eue dich dessen, was dir gewährt ist: Wohl frei nach Christian Fürchtegott

Gellerts (1715-1769) «Zufriedenheit mit seinem Zustande»: «Genieße, was dir

Gott beschieden, I Entbehre gern, was du nicht hast.»

Friedrich Schiller, 1759-1805, «Wilhelm Tell« (1804).

Gerbart Hauptmann, 1862-1946, Hauptvertreter des deutschen naturalistischen

Dramas; «Die Weber» (1892); «Der Biberpelz» (1893). Vgl. dazu auch Rudolf

Steiners Aufsätze und Rezensionen in «Gesammelte Aufsätze zur Dramaturgie>,

GA29.

181 Bergen, 11. Oktober« 1913

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; B - Handschrift von Alice Kinkel

in diesen Tagen als das «fünfte Evangelium» gegeben wurde: Vgl. Rudolf Steiners Vorträge «Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium», GA 148, ins­besondere die Vorträge vom 1., 2., 3., 5., und 6. Oktober in Kristiania (Oslo).

Hindernisse [beim Meditieren] vom physischen Leib her: Vgl. hierzu auch die esoterischen Stunden vom 2. Januar, 27. und 30. Oktober, 19. November 1911

#SE266c-522

sowie vom i. und 16. Januar 1912 in «Aus den Inhalten der esoterischen Stun-den», Band II, GA 266/II.

Phantom: Vgl. dazu die Vorträge vom 10. bis 14. Oktober 1911 in «Von Jesus zu Christus», GA 131

184 Kopenhagen, 15. Oktober 1913

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; B - Handschrift von Alice Kinkel; C - Handschrift von Camilla Wandrey D - Handschrift von Louise Clason

Der« Sündenfall: I. Mos. 3.

«Ihr werdet sein wie die Götter»: Nach I. Mos. 3,5.

bei der Versuchung auch in der Gestalt einer Schlange: 1. Mos. 3,4f.

Begriffe wie , , die sich in unseren Übungen finden: Siehe dazu den

Band «Seelenübungen mit Wort- und Sinnbildmeditationen», GA 267. Turmbau zu Babel: i. Mos. 11,1-9.

195 Nürnberg, 9. November 1913

Aufzeichnung von Margareta Morgenstern

197 Nürnberg, 10. November 1913

Aufzeichnung von Margareta Morgenstern

199 Berlin, 17. November 1913

A - Handschrift von Mathilde Scholl nach einer Aufzeichnung von Frau Behrendts; B - Aufzeichnung von Mathilde Scholl; C - Aufzeichnungen von Hendrika Hollenbach und aus der Sammlung von Elisabeth Vreede; Hand­schrift von Unbekannt; D - Handschrift von Louise Clason

In dem vor«/etzten Logenvortrag: 21. Oktober 1913 in Berlin, abgedruckt im Band »Aus der Akasha-Forschung. Das Fünfte Evangelium», GA 148.

daß zwischen die Geburt und das siebente Lebensjahr der Zeitpunkt fällt, der der erste ist, an den er sich erinnert: Vgl. hierzu Rudolf Steiners Schrift «Die Erzie­hung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft» (1907; enthalten im Band «Lucifer-Gnosis», GA 34; auch Einzelausgaben) und den Vortrag vom 16. April 1912 in «Erfahrungen des Übersinnlichen. Die drei Wege der Seele zu Christus», GA 143.

Immanuel Kant, 1742-1804. Die wichtigsten Werke des Königsberger Philoso­phen, in denen er seine Lehre von den Erkenntnisgrenzen aufstellt sind «Kritik

#SE266c-523

der reinen Vernunft« (1781/1786); «Kritik der praktischen Vernunft» (1788); «Kritik der Urteilskraft».

wie die Frauen am Grabe ... das Grab leer fanden: Luk. 24,1-3.

211 Stuttgart, 23. November 1913

A - Handschrift von Unbekannt; B - Handschrift von Alice Kinkel

Deussen behauptet gegenüber Nietzsche: Konnte nicht nachgewiesen werden.

Arthur Schopenhauer, 1788-1860, Philosoph. - Siehe auch die Biographie, die Rudolf Steiner als Einleitung für die Cottasche Ausgabe von «Arthur Schopen­hauers sämtlichen Werken» geschrieben hat, enthalten in «Biographien und bio­graphische Skizzen», GA 33, und das Kap. «Reaktionäre Weltanschauungen» in «Die Rätsel der Philosophie», GA 18, sowie den Vortrag vom 4. Dezember 1920 in «Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Men­schen», GA 202.

Friedrich Nietzsche, 1844-1900; vgl. dazu Rudolf Steiners Schrift «Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit» (1895), GA 5.

Paul Deussen, 1845-1919, Sanskritist, Professor in Kiel; Freund Nietzsches.

218 München, 9. Dezember 1913

A - Handschriften von Mathilde Scholl und Barbara Wolf; B - Aufzeich­nung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Un­bekannt

Maeterlinck in seinem letzten Buch: «Vom Tode» (Jena 1913). Ausführlicher be­spricht Rudolf Steiner es im Vortrag vom 27. August 1913 in «Die Geheimnisse der Schwelle», GA 147. Vgl. auch die Stunde vom 4. September 1913.

Alfred Russel Wallace' 1823-1913, britischer Naturforscher, Mitarbeiter und Freund Darwins. Anhänger des Spiritismus.

224 Köln, 18. Dezember 1913

Handschrift von Louise Clason

226 Leipzig, 30. Dezember 1913

A - Handschriften von Camilla Wandrey und von Unbekannt; B - Auf­zeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; C - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach; D - Aufzeich­nung von Unbekannt (Margareta Morgenstern?)

Bei dieser Stunde war Christian Morgenstern anwesend.

#SE266c-524

241 Leipzig, 2 Januar 1914

A - Handschrift von Camilla Wandrey; B - Aufzeichnung von Paula

Hübbe-Schleiden, Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede

und Handschrift von Unbekannt; C - Aufzeichnung von Hendrika

Hollenbach; D - Aufzeichnung von Unbekannt

Gleichnis vom Hunde: Eine Legende, die Rudolf Steiner öfters anführt, um zu verdeutlichen, was er unter Positivität versteht. In der «Die Geheimwissenschaft im Umriß» (1910), GA 13, schildert er sie folgendermaßen: «Es gibt eine schöne Legende, die besagt von dem Christus Jesus, daß er mit einigen andern Personen an einem toten Hund vorübergeht. Die andern wenden sich ab von dem häßlichen Anblick. Der Christus Jesus spricht bewundernd von den schönen Zähnen des Tieres.» Die Legende stammt aus einem Gedicht des persischen Dichters Nisami (Nezamii, 1141-1209). In deutscher Übersetzung «Herr Jesus, der die Welt durchwandert'...» u. a. mitgeteilt in Goethes «Noten und Abhandlungen zu bes­serem Verständnis des West-östlichen Divans», Abschnitt «Allgemeines».

die Stufe des «Schwan»: Im Vortrag vom 28. März 1905 spricht Rudolf Steiner folgendermaßen darüber: »Die dritte Stufe ist die, wo der Mensch - wie er im gewöhnlichen Leben zu sich sagt - nun zu allen Wesenheiten der Welt >Ich> sagen kann, wo er erhoben wird zur Umfassung des Alls. Auf dieser dritten Stufe bezeichnet man in der Mystik den Schüler als Schwan, er wird zum Vermittler zwischen dem Lehrer und den Menschen.» (gedruckt im Nachrichtenblatt »Was in der Anthroposophischen Gesellschaft vorgeht», Nr. 44/1936). Vgl. hierzu außerdem die Vorträge vom 8. Juni 1906 in »Kosmogonie», GA 94, und vom 29. März 1906 »Parzival und Lohengrin» in «Die Welträtsel und die Anthropo­sophie», GA 54.

Hinweise auf diese fünf Übungen: Vgl. dazu auch den Hinweis zu »Okkulte Schulung ... Übungen ... » unter «Einige Hinweise zu immer wieder vorkommen­den Angaben», S. 501.

Es stand in alten Zeiten ...: Erste Zeile des Gedichtes «Das Schloß am Meer» von Ludwig Uhland.

252 Br«emen, ii. Januar 1914

Handschrift von Camilla Wandrey

253 Berlin, 24. Januar 1914

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift von Unbekannt; B - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach

257 Hannover, 7. Februar 1914

Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede

#SE266c-525

260 Stuttgart, S. März 1914

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und Handschrift

von Unbekannt; B - Handschrift von Nanna Thorne; C - Aufzeichnung von

Unbekannt in der Handschrift von Günther Schubert - Aus Rudolf Steiners

Notizbuch Archiv-Nr. 499: «Zu den Dingen wend' ich mich ... »

«Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904/05), GA 10.

271 Berlin, 27. März (und Wien, 14. April) 1914

A - Handschrift von Louise Glason; B - Aufzeichnungen aus der Sammlung von Elisabeth Vreede und von Hendrika Hollenbach; C - Handschrift von Camilla Wandrey; D - Aufzeichnung von Günther Wagner

Die Notizen zu diesen beiden Stunden sind in allen Aufzeichnungen zusammengefaßt, weshalb sie auch hier gemeinsam aufgenommen wurden. Die Stunde am 14. April 1914 in Wien figuriert teilweise auch fälschlich unter dem Datum ii. April 1914.

wie schwer es sei, daß er [Rudolf Steiner«] nicht mehr diesen Winter mit uns zu­sammen sein könne: Diese Bemerkung bezog sich wahrscheinlich auf eine Ankün­digung Rudolf Steiners, daß er in Zukunft mehr und mehr seine Tätigkeit nach Dornach verlagern müßte, wo am Bau des Goetheanums gearbeitet wurde.

291 München, 31. März 1914

Handschrift von Barbara Wolf und Aufzeichnung von Mathilde Scholl

«Die Geheimwissenschaft im Umriß» (1910), GA 13.

298 Berlin, 25. April 1914

A - Aufzeichnung von Günther Wagner und Handschrift von Unbekannt;

B - Handschrift von Alice Kinkel; C - Handschrift von Camilla Wandrey;

D - Aufzeichnung von Hendrika Hollenbach; E - Aufzeichnung von Mat­hilde Scholl nach Notizen von Frau Behrendts; F - Handschrift von Emil

Leinhas

Zwölf Sinne hat der Mensch: Über die Sinneslehre siehe insbesondere Kap. IV, 5 «Über die wirkliche Grundlage der intentionalen Beziehung« in der Schrift «Von Seelenritseln», GA 21; die Schrift «Anthroposophie. Ein Fragment aus dem Jahre 1910», GA 45; den Vortragszyklus «Anthroposophie, Psychosophie, Pneuma­tosophie«, GA 115; den Vortrag vom 20. Juni1916 in «Weltwesen und Ichheit», GA 169; die Vorträge vom 12. August und 2. September 1916 in «Das Rätsel des Menschen. Die geistigen Hintergründe der menschlichen Geschichte», GA 170; den Vortrag vom 25. August 1918 in »Die Wissenschaft vom Werden des Menschen,

526

GA 183; und den Vortrag vom 22. Juli1921 in «Menschenwerden, Welten-seele und Weltengeist. Zweiter Teil», GA 206; außerdem die Hefte 14, 34 und 58/59 der Schriftenreihe «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe«.

312 Kassel, 9. Mai 1914

A - Aufzeichnung aus der Sammlung von Elisabeth Vreede; B - Handschrift von Unbekannt

321 Basel 3. Juni 1914

A - Aufzeichnung von Günther Wagner und Handschrift von Unbekannt; B - Handschrift von Louise Clason; C - Aufzeichnung von Mathilde Scholl

325 Norrköping' 14. Juli 1914

A - Aufzeichnung von Paula Hübbe-Schleiden und Handschriften von

Camilla Wandrey und von Unbekannt; B - Aufzeichnung von Mathilde

Scholl nach Notizen von Frau Behrendts; C - Aufzeichnung von Unbekannt

in der Handschrift von Günther Schubert

Schon die Blavatsky in ihrer« *Secr«et Doctrine» hat von Jahve als Mondgott ge­sprochen: Z. B. heißt es in Band I der deutschen Ausgabe (Leipzig o. J.): «Jehova, der in hervorragendem Maße ein lunarer Gott ist.»

in der führenden Zeitschrift der« T G. gesagt, die « Geheimwissenschaft» sei psychisch-mystisch: Vermutlich ist damit «The Theosophist» gemeint. Die Aus­sage konnte jedoch bisher noch nicht nachgewiesen werden.


Zu den Stunden des Anhangs von Teil I

334 Berlin, 21. Dezember 1904

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Griff, das Zeichen und das Wort: Siehe dazu die ausführlichen Erläuterungen

Rudolf Steiners in der Fragenbeantwortung zum Vortrag vom 4. Juni 1924 in

«Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker»,

GA 353; auch in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen

Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914». GA 265, S. 272ff.

336 Berlin, 28. Dezember 1904

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Maria Strauch-Spettini, vgl. dazu die Gedenkworte für sie, die Rudolf Steiner am 10. Mai 1914 gesprochen hat (in «Unsere Toten», GA 261).

#SE266c-527

338 Berlin, 24. Februar 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Meister: Vgl. die Ausführungen in dem Kap. «Aus dem Lehrgut über die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen» in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis

1914», GA 264.

338 Berlin, 3. März 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

«Ich will dich zu einer Säule in meinem Tempel machen ... «: «Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und soll nicht mehr hinausgehen.» (0ff. 3,12>.

339 Berlin, 15. Oktober 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Morya: Inspirator der slawischen Kultur, vgl. «Aus dem Lehrgut über die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen« in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914«, GA 264, und die esoterischen Stunden vom 26. Juni und 22. Oktober 1906 in GA 266/I.

Sonnenpitris: Pitris = Stammväter des irdischen Menschen.

340 Berlin, 20. Oktober 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Manu: hier: spiritueller Führer. Der Name kommt von der Sanskritwurzel man = denken.

Annie Besant als Haupt der Schule mußte in den verschiedenen Weltanschauun­gen geleht haben: In ihrer vortheosophischen Zeit studierte sie die christlichen Religionen; später wurde sie Freidenkerin und betätigte sich in der englischen Arbeiterbewegung.

340 Berlin, 24. Oktober 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Siehe zu dieser Stunde auch die Niederschrift, die Rudolf Steiner für Anna Wag­ner anfertigte und in der Handschrift von Günther Wagner erhalten ist (in «Aus den Inhalten der esoterischen Stunden», Band I, GA 266/1, S. 58).

Strahlender als die Sonne: Vgl. die Faksimilewiedergabe und die Auslegungen zu diesem Spruch in GA 266/I.

#SE266c-528

341 Berlin, 6. November 1905

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Wilhelm Selling, 1g69-1960, seit 1903 Mitglied der deutschen Sektion der Theo­sophischen Gesellschaft; leitete jahrelang deren Bibliothek.

Kuthumi: Inspirator des Übergangs von Ägypten zur griechischen Zeit; vgl. «Aus dem Lehrgut über die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Emp­findungen» in »Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 264.

AUM: Vgl. hierzu auch die Stunden vom 4. Oktober und 15./16. Dezember 1905, vom 13. April, 22. Oktober, 6. und 14. November, 13. Dezember 1906 und vom 20. und 29. Januar und 11./18. Februar 1907 in «Aus den Inhalten der esoteri­schen Stunden», Band I, GA 266/I.

342 Berlin, 27. Februar und 15. März 1906

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Stein der Weisen: Vgl. hierzu auch die Stunden vom 6. Mai 1906 in «Aus den

Inhalten der esoterischen Stunden», Band I, GA 266/I.

344 Berlin, 18. März 1906

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

SL G. Der Graf von Saint-Germain. Vgl. hierzu «Die Tempellegende und die Goldene Legende», GA 93, ferner das Kap. «Aus dem Lehrgut über die Meister der Weisheit und des Zusammenklanges der Empfindungen« in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der ersten Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis

1914*, GA 264.

345 Berlin, 13. Apni 1906

Aufzeichnung von Friedrich Kiem

Vgl. hierzu auch die Aufzeichnungen zu dieser Stunde in GA 266/1, S. 131.

346 Hannover, 24. September 1907

Handschrift von Mathilde Scholl

#SE266c-529

#TI

Hinweise zu den Stunden der Jahre 1920 bis 1924

(Teil II)

Tannbach, 9. Juni 1918

#TX

Siehe hierzu unter «Vorbemerkungen zum zweiten Teil»

355 Dornach, 9. Februar 1920

Aufzeichnung von Helene Finckh

Faksimile des Mantrams von Rudolf Steiner, Notizblatt Archiv-Nr. 33 I 6

361 Dornach, 17. Februar 1920

Aufzeichnung von Helene Finckh

Aus Rudolf Steiners Notizbuch Archiv-Nr. 82

«Nicht ich, sondern der Christus in mir»: Gal. 2,20.

Kristiania (Oslo), 4. Dezember 1921 Siehe hierzu unter «Vorbemerkungen zum zweiten Teil»

369 London, 16. April 1922

Erinnerungsbericht von George Adams in einem Brief vom 8. Oktober 1954 Aus Rudolf Steiners Notizbuch Archiv-Nr. 304

George Adams-Kaufmann, 1894-1963, Mitglied der Anthroposophischen Gesell­schaft in der Emerson-Gruppe in London, übersetzte Vorträge, die Rudolf Stein­er in England hielt, sowie auch einige seiner Schriften ins Englische.

H. f Heywood-Smith' t 1951, Mitglied der englischen Anthroposophischen Ge­sellschaft, Übersetzer der Vorträge Rudolf Steiners ins Englische. Siehe auch den Nachruf im »Nachrichtenblatt» der Zeitschrift «Das Goetheanum», Jg. 28, Nr. 35/1951.

Mrs. Ada Drur«y-Lavin, 1858-1931, eines der ältesten Mitglieder der Anthroposo­phischen Gesellschaft in England und Leiterin der , Lon­don. Siehe auch den Nachruf im «Nachrchtenblatt» der Zeitschrift »Das Goethe­anum», Jg. 8, Nr.45/1931.

Vorträge über Michael und das neue Christus-Ereignis: Vorträge vom I. und 2. Mai 1913, in «Vorstufen zum Mysterium von Golgatha», GA 152.

die Schule von Gondbi Schapur: Vgl. dazu die Vorträge vom 12. und 16. Oktober 1918 in «Die Polarität von Dauer und Entwickelung im Menschenleben», GA 184, vom i. Mai und S. Juni 1921 in «Perspektiven der Menschheitsentwikkelung»,

#SE266c-530

GA 204, und vom 12. September 1924 in «Vorträge und Kurse über christlich religiöses Wirken V. Apokalypse und Priesterwirken», GA 346.

die : Siehe hierzu Seite 497-505.

382 London, 12. November 1922

Handschrift von Camilla Wandrey

Kristiania (Oslo), 18. Mai 1923

Von dieser Stunde liegen keine Aufzeichnungen vor, doch finden sich unter diesem Datum in Marie Steiners Notizbuch Archiv-Nr. i die sogenannten «drei Tafeln» (vgl. S. 497-505). Offenbar wurden in dieser esoterischen Stunde auch diese drei Mantren vermittelt.

Dornach, 27. Mai 1923

Die Aufzeichnungen der esoterischen Stunden für die Wachsmuth-Lerchen­feld-Gruppe von Maria Röschl-Lehrs finden sich in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 265, S. 455ff.

470 Stuttgart, 13. Juli 1923

Zu dieser ersten esoterischen Stunde für den Jugendkreis siehe Seite 421.

384 Wien, 30. September 1923

Überlieferung von Ludwig von Polzer-Hoditz und (im persönlichen Ge­spräch mit H. Wiesberger am 28. Januar 1973) Hans Erhard Lauer, dem zeitweiligen Sekretär von Ludwig Polzer-Hoditz.

Dor«nach, 23. Oktober 1923

Die Aufzeichnungen der esoterischen Stunden für die Wachsmuth-Lerchen­feld-Gruppe von Maria Röschl-Lehrs finden sich in «Zur Geschichte und aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA265, S. 455ff.

479 Dornach, 30. Dezember 1924

Zweite esoterische Stunde des Jugendkreises: Zu den Textunterlagen vgl.

S. 421.

Dor«nach, 3. Januar 1924

Die Aufzeichnungen der esoterischen Stunden für die Wachsmuth-Lerchen­feld-Gruppe von Maria Röschl-Lehrs finden sich in «Zur Geschichte und

#SE266c-531

aus den Inhalten der erkenntniskultischen Abteilung der Esoterischen Schule 1904 bis 1914», GA 265, S. 455ff.

Kober'witz, iS Juni 1924

Unter diesem Datum findet sich in «Zwölf Tage um Rudolf Steiner. Aus den Tagebuchblättern während des landwirtschaftlichen Kurses für meine Fami­lie niedergeschrieben von Gräfin Johanne Keyserlingk, geb. Skene of Skene» auf S. 42 folgende Eintragung: «Heute, am Sonntag Morgen, fand auf Anregung von Herrn Stegemann eine esoterische Stunde statt im Hinblick auf die landwirtschaftlichen Vorträge. Nur wenige nahmen daran teil, nur die älteren Mitglieder der Klassenstunden.» Ansonsten sind von dieser Stunde keine Unterlagen vorhanden.

Hinweise zu den beiden Stunden für den esoterischen Jugendkreis

(Teil III)

470 Stuttgart, 13. Juli 1923

Zu den Textunterlagen siehe Seite 421.

Von der Silbe AOUM sagte er« in einem anderen Zusammenhang: Siehe beispiels­weise den Vortrag vom I. April 1922 in »Das Sonnenmysterium und das Myste­rium von Tod und Auferstehung», GA 211.

479 Dornach, 30. Dezember 1923

Zu den Textunterlagen siehe Seite 421.

Weihnachtstagung: Siehe >

Glashaus: Gebäude auf dem Goetheanum-Gelände, so genannt, weil es für die Herstellung der farbigen Glasfenster des ersten Goetheanum-Baues errichtet worden war.

Von dem die ganze Welt stammt ...: Etwas andere Übersetzung des indischen

Spruches als 1906 (siehe z. B. die Stunde vom 18. April 1906 in GA 266/1, S. 136)

oder 1923 (Stunde vom 27. Mai 1923, siehe GA 265)

Her«man Grimm, 1828-1901, Literatur- und Kunsthistoriker, Sohn des Sprachfor­schers und Märchensammlers Wilhelm Grimm, Professor in Berlin. - Uber Herman Grimm siehe auch Rudolf Steiners Erinnerungen in «Mein Lebensgang» (1923-1925), GA 28, und seine Aufsätze in «Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze aus der Wochenschrift «Das Goetheanum» 1921-1925», GA 36, und in «Methodische Grundlagen der

#SE266c-532

Anthroposophie», GA 30, sowie den Vortrag über Herman Grimm vom 16. Ja­nuar 1913 in «Ergebnisse der Geistesforschung», GA 62.

Vincenz Knauer, 1828-1894, Philosoph, Privatdozent in Wien.

Nur blutenden Herzens entschloß ich mich, in den Abendvorträgen: Siehe den

Vortrag vom 9. Dezember 1923 in «Die Weltgeschichte in anthroposophischer

Beleuchtung», GA 233.

als ich zusammentraf mit ... dem Kräutersammler: Felix Koguzki, 1833-1909. In seinem erhalten gebliebenen Tagebuch findet sich die Eintragung: «Herr Steiner jun., Studiosus, in Inzersdorf wohnhaft, besuchte mich Sonntag, den 21. August

a. D. 1881; leider war ich nicht Zuhause. - H. St. war zum zweiten Mahl auf Besuch bei mir Freitag, d. 26. d. M. u. 3.» (Emil Bock: «Rudolf Steiner. Studien zu seinem Lebensgang und Lebenswerk», Stuttgart 3. Aufl. 1990). Im dritten Kapitel von Rudolf Steiners Autobiographie «Mein Lebensgang» findet sich eine ausführliche Schilderung dieser Begegnung.

daß ich im letzten Menschheitsaugenblicke anknüpfen konnte an diese beiden Ströme: Vgl. den obigen Hinweis zu «Nur blutenden Herzens ...».

NAMENREGISTER

#G266c-1998-SE533 - Aus den Inhalten der esoterischen Stunden, III 1913 1914

#TI

NAMENREGISTER

#TX

* - ohne Namensnennung im Text

Adam 42, 44, 48

Ahriman 75, 76, 79, 81-85, 91, 96,f,

146, 148f, 150, 153-159, 161-170,

176-179, 184f, 187, 191, 193, 195,

213f 216, 224f, 281, 294, 301, 304,

307,309, 311, 316, 322, 323, 327, 329,

383

Anaxagoras 173 Aristoteles 322

Besant, Annie 25, 30, 33, 39, 46, 328, 344

Bittmann, Julius 104

Blavatsky, Helena Petrowna 39, 327, 329

Crookes, William 171f, 175 Cusanus, Nikolaus 167

Darwin, Charles 221f

Deussen, Paul 214

Drury-Lavin, Mrs. Ada 369

Empedokles 173

Goethe, Johann Wolfgang von 114, 163, 169, 177

Haeckel, Ernst 149, 156-158,

Hauptmann, Gerhard 178

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 149, 157f

Heywood-Smith, H. J. 369

Hiob, Weib des 42

Hiob 42

Homer 28*, 32», 37*, 52*, 69*, 71*

Jahveljehova 263, 281, 287, 325, 327, 328, 329, 330, 331

Jesus von Nazareth 25, 34f, 51, 202, 208

Johannes der Täufer 202

Judge, William Quan 33f

Julian Apostata 123, 127, 137, 140

Kant, Immanuel 162, 200, 204, 207, 210

Lauer, Hans Erhard 384

Leadbeater, Charles Webster 30-34, 46, 327

Leibniz, Gottfried Wilhelm 149, 156, 157, 173

Lionardo da Vinci 58, 61, 64

Luzifer 74f, 79-82, 84, 87, 91, 94,-96,

99, 110,-112, 114f, 147-165, 176-180,

184f, 187f, 191, 193-95, 213,f, 216,

218, 224, 230, 231,235,237, 240, 263,

272, 275, 281, 288, 294, 301, 302, 304,

307, 309, 311, 316, 321, 322, 323, 324,

327, 329, 330

Manu 340

Materlinck, Maurice 163, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 219,

Meister 34, 45, 338, 339, 340, 341, 344

- der Weisheit und des Zusammenklan­ges der Empfindungen 29, 86, 97

- Eckhart 50, 160, 167f

- Kuthumi 341

- Morya 339

Michelangelo Buonarroti 327, 330, 331

Moses 322, 324

Nietzsche, Friedrich 214

Paulus, Apostel 42, 123, 127

Plato 112, 114

Polzer-Hoditz, Ludwig 384

Pythagoras 122, 126, 136, 139

Raffael 58, 61, 64

Ruysbroek, Johannes 160, 165

Saint-Germain, Graf von 344

Schiller, Friedrich 178

Schopenhauer, Arthur 214

Spinoza, Baruch 149, 157f

#SE266c-534

Steiner, Rudolf: Werke

- Theosophie (GA 9) 153, 158f,

- Wie erlangt man ... (GA 10) 263

- Die Geheimwissenschaft im Umriß

(GA 13) 231, 236, 296, 327, 328

- Der Hüter der Schwelle (in GA 14) 61, 64

- Der Seelen Erwachen (in GA 14) isif, 163, 180

- Die Prüfung der Seele (in GA 14) 40*, 41

- Das Fünfte Evangelium (GA 148) 182

Strauch-Spettini, Maria von 336

Suso, Heinrich 160, 167f

Swedenborg' Emanuel 162, 166, 168

Tauler, Johannes 160, 165, 167f Uhland, Ludwig 246*, 248*

Wallace, Alfred Russel 221

Waller, Oda 80, 83

Wedgwood, J. I. 39*

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.