GA 232

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Mysteriengestaltungen

Vierzehn Vorträge, gehalten in Dornach
vom 23. November bis 23. Dezember 1923

GA 232

1998


Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Dornach, 23. November 1923

Wir wollen nun, meine lieben Freunde, die Zeit, die uns hier für Vortrage innerhalb dieses Goetheanums bleibt vor den Weihnachtswo­chen, so gestalten, daß nun diejenigen, die hier in Dornach in der Erwartung leben können, daß die Weihnachtswoche kommt, möglichst viel in sich tragen können, was die anthroposophische Bewegung in die Herzen der Menschen hineinbringen kann. So daß auch wirklich gerade diejenigen, die nunmehr hier sitzen werden bis Weihnachten, in ihren Gedanken etwas zu sagen haben werden gerade über dasjenige, was jetzt, ich möchte sagen in letzter Stunde noch geschehen kann. Nicht daß ich etwa über die Internationale Anthroposophische Gesell­schaft werde sprechen, das wird in ein paar Stunden in der Versammlung selber erledigt werden können, aber ich werde nun doch versuchen, diese Betrachtungen so anzulegen, daß sie auch für die Stim­mung, die dann sein soll, etwas werden abgeben können. Und so werde ich, meine lieben Freunde, dasjenige, was ich schon in den letzten Wo­chen hier ausgeführt habe, von einem anderen Ausgangspunkte aus zu erreichen suchen, werde heute einmal damit beginnen, vom Seelenleben des Menschen selber aus zu einem Durchschauen der Weltengeheimrisse vor Ihnen zu gelangen.

Gehen wir zunächst heute von etwas möglichst Einfachem aus. Be­trachten wir das Seelenleben des Menschen, wie es sich darstellt, wenn der Mensch etwas weiter die innere Selbstbesinnung treibt, als bis zu dem Punkte, den ich vorzugsweise im Auge hatte, als ich die Artikel im « Goetheanum» über «Das Seelenleben» geschrieben habe. Wollen wir also jetzt in den Betrachtungen etwas weiter nach dem Seelenleben nach innen gehen, als das im «Goetheanum» der Fall war. Dafür ist eben das, was im « Goetheanum» steht in diesen vier Artikeln über das Seelenleben, eine Art Introduktion, eine Vorbereitung zu dem, was wir nun betrachten wollen.

Wenn wir Selbstbesinnung in einer zunächst großen, umfassenden Weise üben, so kommen wir ja darauf, wie in einer gewissen Weise

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dieses Seelenleben sich steigern kann. Es beginnt ja damit, daß wir die äußere Welt auf uns wirken lassen - wir tun das von Kindheit auf -, und daß wir dann das haben, was die innere Welt in uns wirkt, die Ge­danke ist. Dadurch sind wir ja eigentlich Menschen, daß wir das, was die äußere Welt in uns wirkt, in unseren Gedanken weiterleben lassen, in unseren Gedanken uns innerlich vergegenwärtigen, eine Welt der Vorstellungen schaffend, die in einer gewissen Weise spiegelt dasjenige, was von außen auf uns Eindruck macht. Wir tun vielleicht dem Seelen-leben nichts besonders Gutes, wenn wir gerade darüber uns viele Ge­danken machen, wie die Außenwelt sich in unserer Seele spiegelt. Da kommen wir ja doch zu nichts anderem, als, ich möchte sagen, zu ei­nem abgeschatteten Bilde der Vorstellungswelt in unserm Innern sel­ber. Wir üben doch bessere Selbstbesinnung, wenn wir mehr, ich möchte sagen, auf das Kraftmoment sehen, so daß wir versuchen, auch einmal uns selbst auszuleben im Gedankenelemente, ohne daß wir auf die Außenwelt schauen; daß wir weiter verfolgen in Gedanken dasje­nige, was als Eindrücke der Außenwelt vor uns gewesen ist. Der eine Mensch kommt dabei, je nachdem er veranlagt ist, mehr in abstrakte Gedanken hinein. Er bildet Weltensysteme aus oder auch nicht, er macht sich Schemata über alles mögliche in der Welt und dergleichen. Der andere Mensch folgt dabei, indem er über die Dinge, die auf ihn Eindruck gemacht haben, nachgedacht hat und dann die Gedanken weiter ausspinnt, er folgt mehr vielleicht irgendwelchen Phantasievor-stellungen. Wir wollen darauf, wie nach dem Temperament, nach dem Charakter, nach der sonstigen Veranlagung des Menschen dieses Den­ken im Innern ohne äußere Eindrücke verläuft, nicht weiter eingehen, aber wir wollen uns bewußt machen, daß es doch für uns etwas Beson­deres ist, wenn wir uns in bezug auf unsere Sinne zurückziehen von der Außenwelt und in unseren Gedanken, in unseren Vorstellungen einmal leben, sie weiter ausspinnend, vielleicht auch manchmal nur nach der Richtung der Möglichkeiten.

Manche Menschen halten das ja für unnötig, nach der Richtung der Möglichkeiten zum Beispiel das Dasein im Gedanken weiter auszubil­den. Es wird ja auch heute noch in dieser schweren Zeit einem öfter begegnen, daß man die Leute sieht, die sich den ganzen Tag damit beschäftigt

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haben, in ihrem Geschäft zu sein, da allerlei, was selbstver­ständlich für die Welt notwendig ist, zu verrichten, daß solche Leute dann sich zusammensetzen in kleinen Gruppen bei Kartenspiel, Do­minospiel oder was es halt an ähnlichen Dingen gibt, um, wie man ja sehr häufig sagt, die Zeit zu vertreiben. Es wird aber nicht sehr häufig vorkommen, daß sich Leute in ähnlichen Gruppen zusammensetzen und zum Beispiel ihre Gedanken darüber austauschen, was alles aus denselben Dingen, die bei Tag geschehen sind, in denen man drinnen gesteckt hat, hätte herauskommen können, wenn das oder jenes etwas anders gewesen wäre. Dabei würden sich die Menschen nicht so amü­sieren, wie beim Kartenspiel; aber es wäre ein Fortspinnen in Gedan­ken. Und wenn man sich dabei nur gesunden Sinn genug für die Wirk­lichkeit bewahrt, dann braucht ein solches Fortspinnen in Gedanken eben durchaus nichts Phantastisches zu werden.

Dieses Leben in Gedanken, das führt ja zuletzt zu dem, was Ihnen entgegentritt, wenn Sie in der richtigen Weise die « Philosophie der Freiheit»lesen wollen. Wenn Sie in der richtigen Weise die « Philoso­phie der Freiheit»lesen wollen, so müssen Sie dieses Gefühl eben ken­nen: in Gedanken zu leben. Die « Philosophie der Freiheit » ist ganz etwas, was aus der Wirklichkeit heraus erlebt ist; aber zu gleicher Zeit ist sie etwas, was ganz und gar eben aus dem wirklichen Denken her­vorgegangen ist. Und daher sehen Sie eine Grundempfindung gerade in dieser «Philosophie der Freiheit». Diese «Philosophie der Frei­heit», ich habe sie konzipiert in den achtziger Jahren, niedergeschrie­ben in dem Beginne der neunziger Jahre, und ich darf wohl sagen: bei denjenigen Menschen, die dazumal eigentlich sogar die Aufgabe ge­habt hätten, den Grundnerv dieser « Philosophie der Freiheit»irgend­wie wenigstens ins Auge zu fassen, fand ich mit dieser « Philosophie der Freiheit» überall Unverständnis. Und das liegt an einem bestimm­ten Punkte. Das liegt an folgendem: Die Menschen, auch die soge­nannten denkenden Menschen der Gegenwart, kommen mit ihrem Denken eigentlich nur dazu, in ihm ein Abbild der sinnlichen Außen­welt zu erleben. Und dann sagen sie: vielleicht könnte einem in dem Denken auch etwas kommen von einer überphysischen Welt; aber es müßte dann das auch so sein, daß geradeso, wie der Stuhl, wie der

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Tisch draußen ist, und von dem Denken vorausgesetzt wird, daß es drinnen ist, so müßte nun dieses Denken, das da drinnen ist, auch auf irgendeine Weise erleben können ein außerhalb des Menschen zu erfas­sendes Übersinnliches, wie der Tisch und der Stuhl außerhalb sind. - So ungefähr dachte sich Eduard von Hartmann die Aufgabe des Denkens.

Nun trat ihm gegenüber dieses Buch, die «Philosophie der Frei­heit». Da ist das Denken so erlebt, daß innerhalb des Denk-Erlebnis­ses man dazu kommt, gar nicht anders vorstellen zu können, als: Wenn du im Denken richtig drinnen lebst, lebst du, wenn auch zunächst auf eine unbestimmte Weise, im Weltenall. Dieses Verbundensein im in­nersten Denk-Erlebnis mit den Weltgeheimnissen, das ist ja der Grund-nerv der « Philosophie der Freiheit». Und deshalb steht in dieser «Phi­losophie der Freiheit» der Satz: In dem Denken ergreift man das Welt-geheimnis an einem Zipfel.

Es ist vielleicht einfach ausgedrückt, aber es ist so gemeint, daß man gar nicht anders kann, wenn man das Denken wirklich erlebt, daß man sich fühlt nicht mehr außer dem Weltgeheimnis, sondern im Weltge­heimnis drinnen, daß man sich fühlt nicht mehr außerhalb des Gött­lichen, sondern im Göttlichen. Erfaßt man das Denken in sich, so er­faßt man das Göttliche in sich.

Diesen Punkt konnte man nicht erfassen. Denn erfaßt man ihn wirk­lich, hat man sich Mühe gegeben, das Denk-Erlebnis zu haben, dann steht man eben nicht mehr in der Welt drinnen, in der man vorher drinnen gestanden hat, sondern man steht in der ätherischen Welt drin­nen. Man steht in einer Welt drinnen, von der man weiß: sie ist nicht von da und dort im physischen Erdenraum bedingt, sondern sie ist bedingt von der ganzen Weltensphäre. Man steht in der ätherischen Weltensphäre drinnen. Man kann nicht mehr zweifeln an der Gesetz-mäßigkeit der Weltenäthersphäre, wenn man das Denken so erfaßt hat, wie es in der « Philosophie der Freiheit» erfaßt ist. So daß da erreicht ist dasjenige, was man ätherisches Erleben nennen kann. Daher wird es einem so, wenn man in dieses Erleben hineinkommt, daß man einen eigentümlichen Schritt in seinem ganzen Leben macht.

Ich möchte diesen Schritt so charakterisieren: Wenn man im ge­wöhnlichen Bewußtsein denkt, denkt man, wenn man hier in diesem

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Raume ist, Tische, Stühle, selbstverständlich Menschen und so weiter; man denkt vielleicht auch noch etwas anderes, aber man denkt die Dinge, die außerhalb sind. Also sagen wir - es sind da verschiedene Dinge außerhalb -, man umfaßt gewissermaßen mit seinem Denken von dem Mittelpunkt seines Wesens aus diese Dinge. Dessen ist sich ja jeder Mensch bewußt: er will mit seinem Denken die Dinge der Welt umfassen.

Kommt man aber dazu, dieses eben charakterisierte Denk-Erlebnis zu haben, dann ergreift man nicht die Welt; man hockt auch, möchte ich sagen, nicht in seinem Ichpunkte bloß drinnen, sondern es passiert etwas ganz anderes. Man bekommt das Gefühl, das ganz richtige Ge­fühlserlebnis, daß man mit seinem Denken, das eigentlich nicht an irgendeinem Orte ist, nach dem Innern alles erfaßt. Man fühlt: man tastet den inneren Menschen ab. So wie man mit dem gewöhnlichen Denken, ich möchte sagen, geistige Fühlfäden nach außen streckt, so streckt man mit seinem Denken, mit diesem Denken, das in sich selbst sich erlebt, fortwährend sich in sich selber hinein. Man wird Objekt, man wird sich Gegenstand.

Das ist eben ein sehr wichtiges Erlebnis, das man haben kann, daß man weiß: du hast früher immer die Welt erfaßt; jetzt mußt du, indem du das Denk-Erlebnis hast, dich selbst erfassen. Da ergibt sich im Laufe dieses recht starken Sich-selbst-Erfassens, daß man die Haut

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sprengt. Und ebenso, wie man sich innerlich erfaßt, so erfaßt man von innen aus eben den ganzen Weltenäther, nicht in seinen Einzelheiten selbstverständlich, aber man kommt zur Gewißheit: dieser Äther ist ausgebreitet über die Weltensphäre, in der man drinnen ist, in der man zugleich drinnen ist mit Sternen, Sonne und Mond und so weiter.

Nun, ein zweites, was der Mensch dann in seinem inneren Seelen-leben entwickeln kann, das ist, wenn er nicht in den Gedanken, die von außen angeregt sind, zunächst so fortspinnt und fortwebt, sondern wenn er sich seinen Erinnerungen überläßt. Wenn der Mensch sich sei­nen Erinnerungen überläßt und das wirklich innerlich macht, so ergibt das wiederum ein ganz bestimmtes Erlebnis. Das Denk-Erlebnis, das ich eben geschildert habe, das führt einen eigentlich zunächst auf sich selbst; man erfaßt sich selbst. Und man hat eine gewisse Befriedigung in diesem Sich-selbst-Erfassen. Wenn man übergeht zu dem Erleben in der Erinnerung, dann wird es zuletzt, wenn man recht innerlich dabei vorgeht, doch so, daß einem das wichtigste Gefühlserlebnis nicht das ist, an sich heranzukommen. Das ist es einem beim Denken; deshalb findet man im Verlaufe dieses Denkens die Freiheit, die ganz von dem Persönlichen des Menschen abhängt. Und deshalb muß eine Freiheits-philosophie ausgehen von dem Denk-Erlebnis, denn durch das Denk-Erlebnis kommt der Mensch an sich selber heran, findet sich als freie Persönlichkeit. So ist es nicht mit dem Erinnerungserlebnis. Mit dem Erinnerungserlebnis ist es so, daß man zuletzt, wenn man es ganz ernst zu nehmen vermag,wenn man sich ganz hineinzuversetzen vermag, dazu kommt, das Gefühl zu haben: sich eigentlich loszuwerden, wegzukom­men von sich. Deshalb sind diejenigen Erinnerungen, die einen dieGe­genwart vergessen lassen, die allerbefriedigendsten. Ich will nicht sa­gen, daß sie immer die besten sind, aber sie sind in vielen Fällen die befriedigendsten.

Man bekommt so recht einen Begriff von dem Werte des Erinnerns, wenn man auch Erinnerungen haben kann, die einen in die Welt tra­gen, trotzdem man mit der Gegenwart voll und ganz unzufrieden sein könnte, aus der Gegenwart eigentlich heraus will. Wenn man solche Erinnerungen entwickeln kann, daß man sich gesteigert in seinem Le­bensgefühl empfindet, indem man sich seinen Erinnerungen hingibt,

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so gibt das, ich möchte sagen, als Gefühl eine Vorbereitung zu dem, was die Erinnerung werden kann, wenn sie noch viel realer wird.

Sehen Sie, die Erinnerung kann realer werden dadurch, daß Sie mit möglichster Realität etwas an sich heranbringen, was Sie vor Jahren oder Jahrzehnten tatsächlich erlebt haben. Ich will es nur, wie es ist, ausdrücken. Nehmen Sie einmal an, Sie gehen an Ihre alten Habselig­keiten und versuchen, sagen wir, Briefe, die Sie in irgendeiner Ange­legenheit zusammenhängend geschrieben haben, hervorzusuchen. Sie legen diese Briefe vor sich hin und leben sich an Hand dieser Briefe in die Vergangenheit hinein. Oder viel besser noch ist es, Sie nehmen nicht Briefe, die Sie selber geschrieben haben oder die Ihnen andere geschrieben haben, denn da kommt immer noch zu viel Subjektives hinein; noch besser wäre es, wenn Sie imstande wären, zum Beispiel Ihre alten Schulbücher zu nehmen und in diese alten Schulbücher so hineinzugucken, wie Sie dazumal hineingeguckt haben, als Sie eben noch wirklich als Pennäler über diesen Schulbüchern saßen; wenn Sie also tatsächlich in Ihr Leben etwas heraufbringen, was einmal war. Das ist nämlich ganz merkwürdig: wenn Sie so etwas ausführen, so ändern Sie Ihre ganze Seelenstimmung, wie diese Seelenstimmung in der Gegenwart ist. Es ist sehr merkwürdig. Und sehen Sie, Sie müssen nur in dieser Beziehung ein klein wenig erfinderisch sein; es kann alles dazu dienen. Vielleicht findet eine Dame irgendwo in einer Ecke ir­gendein Kleid, das sie vor zwanzig Jahren getragen hat, oder irgend etwas Ähnliches, und sie zieht sich das an und versetzt sich dadurch ganz in die Lage, in der sie dazumal war; also irgend etwas, was die Vergangenheit in möglichster Realität hereinbringt in die Gegenwart. Dadurch kommen Sie dazu, das gegenwärtige Erleben stark von sich abzusondern.

Wenn man mit dem gewöhnlichen Bewußtsein erlebt, so steht man sich ja eigentlich in dem Erleben zu nahe, um es zu etwas zu bringen, möchte ich sagen. Man muß sich ferner stehen können. Nun, der Mensch steht sich ferner, wenn er schläft, als wenn er wacht; denn da ist er mit seinem Ich und mit seinem astralischen Leib aus dem physi­schen Leib und aus dem Ätherleib heraußen. Diesem astralischen Leib, der außerhalb des physischen Leibes im Schlafe ist, dem kommen Sie

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nahe, wenn Sie so real, wie ich es geschildert habe, vergangene Erleb­nisse in die Gegenwart heraufrufen. Nun werden Sie das zunächst ja nicht glauben, weil Sie einer so unbedeutenden Sache, wie dem Rege-machen von vergangenen Erlebnissen, meinetwillen mit einem alten Kleide, eine solche starke Wirkung nicht zuschreiben. Aber es handelt sich wirklich darum, daß raan in diesen Dingen einmal eine Probe macht. Und wenn Sie die Probe machen, und Sie wirklich Alt erlebtes in die Gegenwart heraufzaubern, so daß Sie darinnen leben und die Gegenwart ganz vergessen können, so werden Sie sehen, daß Sie Ih­rem Astralleibe, Ihrem schlafenden Astralleibe nahe kommen.

Wenn Sie aber das in der Weise erwarten, daß Sie nun nur so hinzu-schauen brauchen, nach rechts oder links, und da eine Nebelgestalt als Ihren astralischen Leib sehen, dann werden Sie sich täuschen; so gehen die Sachen nicht vor sich. Aber Sie müssen achtgeben auf das, was wirklich eintritt. Etwas, was wirklich eintritt in einem solchen Falle, das wird zum Beispiel sein, daß Sie nach und nach durch solche Erleb­nisse die Morgenröte ganz anders sehen, als Sie sie vorher gesehen ha­ben, daß Sie einen Sonnenaufgang ganz anders empfinden, als Sie ihn vorher empfunden haben. Sie werden nach und nach auf diesem Wege dazu kommen, die Wärme der Morgenröte als etwas zu empfinden, was ankündigend ist, was gewissermaßen eine prophetische, eine natur­haft prophetische Kraft in sich hat. Sie werden beginnen, die Morgen­röte als etwas geistig Kraftvolles zu empfinden, und Sie werden einen innerlichen Sinn mit diesem prophetisch Kraftvollen verbinden kön­nen, indem Sie, was Sie zuerst ja für eine Illusion ansehen mögen, die Empfindung bekommen: die Morgenröte hat etwas mit Ihnen selbst Verwandtes. Sie werden sich gerade durch solche Erlebnisse, wie ich sie geschildert habe, in den Stand versetzen können, zu empfinden, wenn Sie die Morgenröte schauen: ja, diese Morgenröte läßt mich ja nicht allein. Sie ist nicht bloß dort, und ich bin nicht bloß da. Ich bin innig verbunden mit dieser Morgenröte. Sie ist eine Gemütseigen­schaft von mir; ich bin in diesem Momente selber Morgenröte. - Und wenn Sie sich somit der Morgenröte verbunden haben, daß Sie gewis­sermaßen selber das farbige Aufstrahlen und Aufglänzen, das Sicnher­ausentwickeln der Sonne aus dem farbigen Aufstrahlen und Aufglänzen

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so erleben, daß in Ihrem Herzen eine Sonne aus Morgenröte in lebendiger Empfindung hervorgeht, dann bekommen Sie auch die Vorstellung, daß Sie mit der Sonne über das Himmelsgewölbe ziehen, daß die Sonne Sie nicht allein läßt, daß die Sonne nicht dort ist und Sie da, sondern daß sich Ihr Dasein in einer gewissen Weise bis zum Son­nendasein hin erstreckt; daß Sie mit dem Lichte den Tag hindurch wandeln.

Wenn Sie aber diese Empfindung entwickeln, die man - wie gesagt, nicht aus dem Denken, da kommt man an den Menschen heran -, die man aber aus der Erinnerung heraus auf die angedeutete Weise entwik­keln kann, wenn Sie diese Erlebnisse aus der Erinnerung heraus, bes­ser gesagt aus der Kraft der Erinnerung heraus entwickeln, dann be­ginnen die Dinge, die Sie sonst mit Ihren physischen Sinnen wahrge­nommen haben, ein anderes Antlitz zu haben: die Dinge beginnen gei­stig-seelisch durchsichtig zu werden. Es ist so, wenn man nur einmal die Empfindung erlangt hat, mit der Sonne zu gehen, in der Morgen­röte die Kraft gewonnen hat, um mit der Sonne zu gehen, daß man dann alle Blumen auf der Wiese anders sieht. Die Blüten bleiben nicht dabei stehen, einem ihre gelben oder roten Farben zu zeigen, die an ihrer Oberfläche sind, sondern die Blüten beginnen zu sprechen, auf geistige Art zu unserem Seelischen zu sprechen. Die Blüte wird durch­sichtig. Innerlich regt sich ein Geistiges der Pflanze, und das Blühen wird etwas wie ein Sprechen. Und man verbindet in dieser Weise tat­sächlich seine Seele dann auch mit dem äußeren Naturdasein. Man be­kommt auf diese Weise den Eindruck, daß hinter diesem Naturdasein etwas ist, daß das Licht, mit dem man sich verbunden hat, von geisti­gen Wesenheiten getragen ist. Und man erkennt in diesen geistigen Wesenheiten nach und nach die Züge dessen, was geschildert wird von Anthroposophie.

Nehmen wir jetzt die zwei Etappen von Empfindungen zusammen, die ich eben jetzt geschildert habe. Nehmen wir die erste Empfindung, die man durch das Denken als inneres Erlebnis haben kann, dann wird es durch dieses Erlebnis weit; es hört ganz auf das Gefühl, im engen Raume dazustehen. Das Erleben des Menschen wird weit; man fühlt ganz bestimmt: in unserem Innern ist ein Punkt, der in die ganze Welt

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hinausgeht, der von derselben Substanz ist, wie die ganze Welt. Man fühlt sich eins mit der ganzen Welt, mit dem Ätherischen der Welt. Aber man fühlt auch, wenn man hier auf der Erde steht, da wird einem der Fuß, das Bein von der Schwerkraft der Erde hinuntergezogen; man fühlt, man ist mit seinem ganzen Menschen an diese Erde gebun­den. In dem Momente, wo man dieses Denk-Erlebnis hat, fühlt man nicht mehr das Verbundensein mit der Erde, sondern man fühlt sich abhängig von den Weiten der Weltensphäre. Alles kommt von den Weiten herein (Zeichnung: Pfeile); nicht von unten herauf, gewisser­maßen vom Mittelpunkt der Erde nach aufwärts, alles kommt von den Weiten herein. Und man fühlt schon am Menschen: es muß, gerade wenn man den Menschen verstehen will, auch dieses Gefühl des Von­den-Weiten-Hereinkommens da sein. (Siehe Zeichnung Seite 20.>

Das erstreckt sich eben bis in die Erfassung der Menschengestalt. Wenn ich bildhauerisch oder malerisch die Menschengestalt erfassen will, so kann ich eigentlich nur diesen unteren Teil des Kopfes der Menschengestalt so erfassen, daß ich ihn mir gebildet denke hervor-gehend aus dem Räumlich-Inneren, aus dem Körperhaft-Inneren des Menschen. Ich werde nicht den rechten Geist in die Sache hineinbrin­gen, wenn ich nun nicht in der Lage bin, den oberen Teil so zu ma­chen, daß ich ihn mir von außen herangetragen denke. Das alles ist von innen nach außen (siehe Pfeile); das aber (oberer Kopfteil) ist von außen nach innen gebildet.

Unsere Stirne, unser Oberkopf ist eigentlich immer daraufgesetzt. Wer mit künstlerischem Verständnis die Malereien in der kleinen Kuppel

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gesehen hat in dem zugrunde gegangenen Goetheanum, der wird im­mer gesehen haben, wie dies überall durchgeführt war: das untere Ant­litz gewissermaßen als etwas vom Menschen Herausgewachsenes, das Obere des Kopfes etwas von dem Kosmos ihm Gegebenes. In Zeiten, in denen man solche Dinge empfunden hat, war das besonders rege. Sie werden niemals eine wirkliche griechische plastische Kopfform verste­hen, ohne daß Sie diese Empfindung in sie hineinzulegen verstehen, denn die Griechen haben aus solchen Empfindungen heraus geschaffen.

Und so fühlt man sich eben wie verbunden mit dem Umkreis im Denk-Erlebnis.

Und nun könnte man glauben, das setzte sich einfach so fort, man käme eben noch weiter hinaus, wenn man nun weitergeht vom Den­ken, vom Denk-Erlebnis bis zum Erinnerungserlebnis. Das ist aber nicht so, sondern es ist anders. Wenn Sie dieses Denk-Erlebnis wirk­lich in sich entwickeln, haben Sie ja durch das Denk-Erlebnis zuletzt den Eindruck der dritten Hierarchie: Angeloi, Archangeloi, Archai. So wie Sie sich in der Schwere, in der Verarbeitung der Nahrungsmittel durch die Verdauung und so weiter das menschliche körperliche Erleb­nis hier auf Erden vorstellen können, so können Sie sich die Bedingun­gen, unter denen die Wesen der dritten Hierarchie leben, vorstellen, wenn Sie durch dieses Denk-Erlebnis, statt daß Sie auf der Erde her-umgehen, sich fühlen als getragen von Kräften, die da aus dem Wel­tenende an Sie herankommen.

Denk-Erlebnis: Dritte Hierarchie

Nun, wenn man aber vom Denk-Erlebnis zum Erinnerungserlebnis übergeht, so ist es nicht so, daß man nun etwa, wenn das hier das Wel­tensphären-Ende wäre (siehe Zeichnung, oberer Kreisbogen), bis zu dem hin erleben kann. Man kann ein solches Weltenende, wenn man in die Wirklichkeit dieses Denk-Erlebnisses eintritt, erreichen; dann kommt man nicht noch weiter hinaus, sondern dann stellt sich die Sache anders dar. Dann ist zum Beispiel hier irgendein Gegenstand:

ein Kristall, eine Blume, ein Tier. Geht man vom Denk-Erlebnis zu dem über, was einem das Erinnerungserlebnis alles bringen kann, dann schaut man in dieses Ding hinein.

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Der Blick, der bis zu den Weltenweiten gegangen ist, wenn er sich fortsetzt durch das Erinnerungserlebnis, sieht in die Dinge hinein. Also nicht, daß Sie noch weiter hinausdringen in unbestimmte abstrakte Weiten, sondern der fortgesetzte Blick, der sieht in die Dinge hinein; er sieht das Geistige in allen Dingen. Er sieht zum Beispiel im Lichte die wirkenden geistigen Wesenheiten des Lichtes und so weitet; er sieht in der Finsternis die in der Finsternis wirksamen geistigen We­senheiten. So daß wir sagen können: das Erinnerungserlebnis, das führt in die zweite Hierarchie hinein.

Erinnerungserlebnis: Zweite Hierarchie

Und nun gibt es ja allerdings etwas im menschlichen Seelenleben, was über die Erinnerung hinausgeht. Machen wir uns das einmal klar, was über die Erinnerungen hinausgeht. Sehen Sie, die Erinnerung gibt unse­rer Seele die Färbung. Man kann ganz genau wissen, wenn man an ei­nen Menschen kommt, der alles abfällig beurteilt, der über alles, was man zu ihm spricht, seine saure Atmosphäre gießt, der, wenn man ihm etwas recht Schönes erzählt, daneben etwas recht Häßliches selber er­zählt, und so weiter - man kann ganz genau wissen: bei ihm ist das zu­sammenhängend mit seiner Erinnerung. Die Erinnerung gibt der Seele die Färbung.

Aber, sehen Sie: es gibt noch etwas anderes als diese seelische Fär­bung. Wir treten dem einen Menschen entgegen. Er bietet uns immer nur ironisch herabgezogene Mundwinkel dar, besonders wenn wir zu

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ihm etwas sagen, oder er zieht die Stirne in krause Falten, oder er macht ein tragisches Gesicht. Oder aber er blickt uns freundlich an, so daß wir Erhebung haben in dem, was er nicht bloß uns sagt, sondern uns blickt. Ja, sehen Sie, es ist interessant, einmal mit einem einzigen Blick bei irgendeiner wichtigen Darstellung im Verlaufe eines Vortra­ges alle Gesichter zu sehen: die Mundwinkel zu sehen bei irgend et­was, die Stirnen sich anzuschauen, die Starrheit manches Gesichtes, die Beweglichkeit manches Gesichtes und so weiter. Da drückt sich nicht bloß dasjenige aus, was Erinnerung in der Seele geblieben ist und der Seele eine bestimmte Farbennuance gegeben hat, sondern da drückt sich aus, was von der Erinnerung aus in Physiognomie, in Gesten­usancen, in die ganze Attitude des Menschen übergegangen ist. Nun ja, es ist auch so, wenn bei einem Menschen nichts übergeht, wenn er ein Gesicht zeigt, das gar nichts aufgenommen hat von dem, was an Leiden und Schmerzen und Freuden durch sein Leben gegangen ist:

das ist auch charakteristisch. Wenn sein Gesicht aalglatt geblieben ist, ist es ebenso charakteristisch, wie wenn sein Gesicht in den tiefen Furchen die Tragik des Lebens, den Ernst des Lebens, oder auch wohl manche Befriedigungen des Lebens ausdrückt. Da geht das, was sonst seelisch-geistig bleibt als Ergebnis der Erinnerungskraft, in die Gestaltung des Physischen über. Und es geht so stark über, daß der Mensch ja später tatsächlich dadurch nach außen hin seine Geste, seine Physiognomie hat, nach innen hin sein Temperament. Denn wir haben nicht immer im Alter dasselbe Temperament, wie wir es als Klnd hat­ten. Das Temperament des Alters ist vielfach ein Ergebnis dessen, was wir im Leben durchgemacht haben und was innerlich seelisch Er­innerung geworden ist.

Was da soin den Menschen innerlich hineingeht, das kann nun wie­derum, obwohl dies jetzt schwieriger ist, in die Realität herübergetra­gen werden. Es ist noch verhälmismäßig leicht, irgend etwas vor unse­ren Seelenblick zu bringen, was wir in der Klndheit oder sonst vor Jahren durchgemacht haben, um gewissermaßen die Erinnerung zu realisieren. Es ist aber schwerer schon, sich in das Temperament seiner Kindheit zum Beispiel hineinzuversetzen oder überhaupt in sein frü­heres Temperament. Aber die Realisierung gerade einer solchen Übung

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kann ungeheuer Bedeutsames für den Menschen bringen. Und da ist eigentlich mehr erreicht, wenn wir das innerlich in der Seele vertieft machen können, als wenn wir es äußerlich machen.

Es wird ja schon etwas im Menschen erreicht, wenn er, sagen wir vierzig-, fünfzigjährig - natürlich in solchen Grenzen, wie es eben bei diesen Dingen notwendig ist - äußerlich seine Kinderspiele treibt; springt, wie er als Kind gesprungen ist und so weiter, wenn er versucht, wiederum solch ein Gesicht zu machen, wie es war, wenn ihm die Tante ein Bonbon gegeben hat, als er achtjährig war und dergleichen. Dieses bis in die Geste, bis in die Attitude hinein Sich-Zurückverset­zen, das bringt wiederum etwas in unser Leben hinein, was nun ganz und gar uns zu der Empfindung bringt: die Außenwelt ist die Innen-weit, und die Innenwelt ist die Außenwelt.

Wir kommen dann zum Beispiel mit unserem ganzen Sein in die Blume hinein und haben dann dasjenige, was ich nun zu dem Denk-Er­lebnis und Erinnerungserlebnis hinzu das Gestenerlebnis im besten Sin­ne des Wortes nennen möchte. Und durch dieses kommen wir zu einer Vorstellung, wie Geistiges unmittelbar überall im Physischen wirkt.

Sie können nicht innerlich mit vollem Bewußtsein ergreifen, wie Sie meinetwillen vor zwanzig Jahren sich verhalten haben in der Geste bei irgendeinem äußeren Anlasse, ohne daß Sie, wenn Sie die Sache wirk­lich innerlich tief und ernst und energisch nehmen, auch dazu kom­men, nun die Gemeinschaft des Geistigen und Physischen in allen Din­gen aufzufassen. Dann sind Sie aber bei dem Erleben der ersten Hier­archie angekommen.

Gestenerlebuis: Erste Hierarchie

Das Erinnerungserlebnis, es läßt uns selbst Morgenröte werden, wenn wir der Morgenröte gegenüberstehen. Es läßt uns alle Wärme der Morgenröte fühlen, innerlich erleben. Wenn man aber aufsteigt zu dem Gestenerlebnis, dann wird dasjenige, was in der Morgenröte uns entgegentritt, sich vereinigen mit allem, was überhaupt Farbiges, Tö­nendes im Objektiven uns erleben läßt.

Wenn wir die Gegenstände, die beleuchtet sind durch die Sonne, und die um uns herum sind, einfach ansehen, sehen wir sie eben so, wie

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sie sich darstellen können im Lichte. So sehen wir nicht die Morgen­röte, namentlich wenn wir nach und nach vom Erinnerungserlebnis zum Gestenerlebnis übergehen: da löst sich von allem materiellen Sein dasjenige, was das Farbenerlebnis ist. Das Farbenerlebnis wird leben­dig, wird seelisch, wird geistig, verläßt den Raum, in dem die äußere physische Morgenröte uns erscheint, und es beginnt die Morgenröte uns zu sprechen von dem Geheimnis des Zusammenhanges der Sonne mit der Erde. Und wir erfahren, wie die Wesen der ersten Hierarchie wirken.

Wir lernen erkennen, wenn wir noch den Blick hinrichten auf die Morgenröte, wenn sie uns noch fast so erscheint, wie vorher bei dem bloßen Erinnerungserlebnis, wir erfahren, wie die Throne sind. Und dann löst sich die Morgenröte auf. Das Farbige wird Wesen, wird lebendig, wird seelisch, wird geistig, wird Wesen, spricht uns davon, wie das Verhältnis der Sonne zur Erde ist, wie es einstmals in der alten Sonnenzeit gewesen ist, spricht uns so, daß wir erfahren, was Cheru­bime sind. Und dann, wenn wir enthusiasmiert und ehrfurchtsvoll hin­gerissen von dieser zweifachen Offenbarung der Morgenröte, von der Thronen-Offenbarung und der Cherubim-Offenbarung, in der Seele weiterleben, dann dringt uns in unser eigenes Inneres herein aus dieser lebendig wesenhaft gewordenen Morgenröte dasjenige, was das We­sen der Seraphime ausmacht.


Denk-Erlebnis: Dritte Hierarchie

Erinnerungserlebnis: Zweite Hierarchie

Gestenerlebnis: Erste Hierarchie.

Nun, alles das, was ich Ihnen heute geschildert habe, habe ich Ihnen geschildert, um Ihnen damit anzudeuten, wie durch das einfache Ver­folgen des Seelischen, vom Denken bis zur gedankenvollen, seelen­durchdrungenen Geste, der Mensch in sich auch Empfindungen - es sind zunächst nur Empfindungen - über die geistigen Untergründe der Welt erwerben kann bis hinauf zu der Sphäre der Seraphime.

Das wollte ich heute nur als eine Art von Einleitung vorausschicken den Betrachtungen, die uns dann vom Seelenleben in die Weiten des geistigen Kosmos hinausführen sollen.

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ZWEITER VORTRAG Dornach, 24. November 1923

Wenn man von dem Seelischen; dem wir uns gestern In der Betrach­tung ein wenig widmeten, den Übergang sucht zum Schaffen des See­lischen am physischen Menschen, und gerade zum Schaffen des See­lischen am physischen Menschen in bezug auf diejenigen Dinge, die auch gestern besprochen worden sind, so wird man nach zwei Rich­tungen hin geführt. Erinnerung weist ja zunächst die Seele zurück in früheres Erleben; Denken weist die Seele, wie ich gestern gezeigt habe, in das ätherische Dasein. Dasjenige, was dann den Menschen noch stärker ergreift als Erinnerung, was ihn so stark ergreift, daß die inne­ren Impulse in seine Körperlichkeit übergehen, das habe ich dann ge­stern genannt Geste, Gestenhaftes. Und indem wir das Gestenhafte betrachten, sind wir damit ja schon vorgerückt bis zu dem Offenbaren des Seelisch-Geistigen im Physischen.

Nun ist ja das ganze Hereintreten des Menschen in das physische Erdenleben ein Ergreifen des Physischen durch das Geistig-Seelische. Und wenn wir uns zunächst an die Erinnerung halten, so besteht sie ja darin, daß früher im irdischen Dasein Erlebtes herübergetragen wird in ein späteres Lebensalter.

Es frägt sich nun, können wir vom menschlichen Leben aus - so, wie die Erinnerung zurückweist nur auf Dinge im Laufe des Erdenlebens -, können wir vom menschlichen Leben aus weiter zurückwei­sen? Können wir zurückweisen auf dasjenige, was vor dem Eintritte des Menschen in das Erdenleben liegt?

Nun kommen wir da zu zwei Dingen: einmal zu dem, was der Mensch geistig-seelisch im vorirdischen Dasein durchgemacht hat. Überlassen wir das zunächst einer späteren Betrachtung. Aber es ist ja noch etwas anderes da, etwas mit der physischen Körperlichkeit Zu­sammenhängendes, das der Mensch als individuelles Wesen herein in die physische Körperlichkeit trägt. Es ist alles das, was wir aus ge­wohnten naturwissenschaftlichen Vorstellungen heraus als Vererbung bezeichnen. Der Mensch trägt in sich bis in seine Temperamentsanlagen

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hinein, die aiso schon stark ins Seelische heraufspielen, Eigentüm­lichkeiten, Impulse, die sich anschließen an dasjenige, was seinen phy­sischen Vorfahren eigen war.

Allerdings, die heutige Menschheit geht mit solchen Dingen etwas oberflächlich, man könnte sogar sagen, etwas gedankenlos um. Ich habe gerade heute morgen ein Buch gelesen auf einer Fahrt, das über einen Herrscher aus einem bekannten, jetzt vergangenen Herrscher-hause handelte, und das sich mit der Frage der Vererbung in diesem Herrscherhause befaßt. Da werden bis ins siebente Jahrhundert zurück Eigenschaften angegeben, die sich immer wiederum vererbten. Nur findet sich in diesem Buch dann bezüglich dieser Vererbung ein eigen­tümlicher Satz. Der lautet etwa folgendermaßen: In diesem Herrscher-hause sind Leute, die auffällig zeigen, daß sie neigen zu Extravagan­zen, daß sie neigen zu Paradoxien des Lebens, zu Ausschweifungen und so weiter, aber es gibt auch noch Mitglieder dieses Herrscherhau­ses, die all das nicht haben. Sie sehen: eine eigentümliche Art, zu den­ken! Denn man sollte eigentlich voraussetzen, daß jemand, der so et­was bemerkt, sich sagen müßte: aus solchen Voraussetzungen kann man überhaupt nichts schließen. Wenn Sie aber durchgehen vieles von dem, was in der Gegenwart zu sogenannten sicheren Ansichten führt, da werden Sie vieles dergleichen finden.

Aber wenn auch die Anschauungen, die heute über die Vererbung herrschen, sich ziemlich oberflächlich ausnehmen, so muß man doch sagen: der Mensch trägt einmal die vererbten Merkmale in sich. Das ist die eine Seite. Der Mensch hat ja oftmals auch zu kämpfen mit die­sen vererbten Merkmalen. Er muß sich herausschälen gewissermaßen aus diesen vererbten Merkmalen, um zu demjenigen zu kommen, wozu er veranlagt ist durch sein Leben, bevor er das irdische Dasein betreten hat.

Das zweite, worauf wir verwiesen werden, das ist dasjenige, was der Mensch sich aneignet durch Erziehung, durch den Umgang mit seinen Mitmenschen, aber auch durch den Umgang mit der äußeren Natur. Aus den Gewohnheiten der Betrachtung untergeordneter Naturreiche heraus nennt man dieses die Anpassung des Menschen an die umlie­genden Verhältnisse. Und Sie wissen ja, daß eine moderne Naturwissenschaft

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überhaupt für ein Lebewesen diese zwei Impulse, Vererbung und Anpassung, als das Allerwichtigste betrachtet.

Aber gerade wenn man in diese Dinge hineinkommt, dann fühlt man, wenn man unbefangen sich den Dingen hingibt, daß man ohne den Weg in die geistige Welt hinein über solche Dinge überhaupt kei­nen Aufschluß gewinnen kann. Und so wollen wir denn heute gerade diese Dinge, die einem im Leben auf Schritt und Tritt entgegentreten, im Lichte der Geist-Erkenntnis einmal erfassen.

Da müssen wir zurückgreifen auf etwas, was uns in den vergangenen Betrachtungen wiederholt beschäftigt hat. Wir haben ja hinweisen müssen, auch wiederum in diesen Betrachtungen, auf den Austritt des Mondes aus dem Erdenplaneten. Man kann hinweisen darauf, daß der Mond einmal mit dem Erdenplaneten verbunden war und in einer be­stimmten Zeit aus diesem Erdenplaneten herausgetreten ist, um diesen Erdenplaneten von der Ferne aus zu beeinflussen. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, welch ein Geistiges hinter diesem Mondausgang liegt. Ich habe darauf hingewiesen, wie einmal auf der Erde geradezu übermenschliche Wesenheiten lebten, die die ersten großen Lehrer der Menschheit waren, und von denen dasjenige herrührt, was auf dem Grunde unseres menschlichen Denkens auf Erden als die Urweisheit bezeichnet werden kann, was sich überall als ein ursprünglicher Ein­schlag findet, tief bedeutsam ist, Ehrfurcht erregt, selbst in den Trüm­mern, in denen es vorhanden ist, Ehrfurcht erregt, was einstmais den Inhalt eben der Lehre übermenschlicher großer Lehrer am Ausgangs­punkte der irdischen Menschheitsentwickelung bildete.

Diese Wesenheiten haben ihren Weg gefunden hinauf in das Mon­dendasein, und sie sind nun heute mit dem Mondendasein verbunden. Sie gehören gewissermaßen zu der Bevölkerung des Mondes. Nun han­delt es sich darum, daß der Mensch, wenn er durch die Pforte des To­des durchgegangen ist, ja etappenweise dasjenige durchmacht, was ge­bunden ist an die planetarische Welt, die zu unserer Erde gehört. Wir haben ja auch das schon betrachtet, daß der Mensch zunächst, wenn er durch das irdische Dasein durchgegangen ist, in den Bereich der Mon­denwirkungen kommt, dann weiter in den Bereich der Venus-, Mer­kur-, Sonnenwirkungen und so fort. Heute mag uns zunächst interessieren,

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wie der Mensch da in den Bereich der Mondenwirkungen kommt.

Ich habe schon darauf hingedeutet auch von diesem Orte aus, daß ja mit imaginativer Anschauung verfolgt werden kann das Leben des Menschen über die Todespforte hinaus, und daß tatsächlich dasjenige, was vom Menschen da ist, im Geistigen erscheint, nachdem er den physischen Leib abgelegt hat, den Elementen der Erde übergeben hat. Nachdem er seinen Ätherleib aufgenommen gesehen hat von der Äthersphäre, die mit unserer Erde verbunden ist, bleibt vom Men­schen übrig das Geistig-Seelische, Ich, astralischer Leib, dasjenige, was sich an Ich und astralischen Leib dann angliedert. Aber wenn man mit imaginativer Anschauung dieses durch des Todes Pforte Gegangene betrachtet, stellt es sich immer noch in einer Gestalt dar. Es ist die Ge­stalt, die die physische Materie, die der Mensch in sich trägt, zur ei­gentlichen Form bringt. Diese Form bleibt der robusten physischen Körperlichkeit gegenüber wie ein Schattenbild, dem seelischen Emp­finden und Wahrnehmen gegenüber aber von kräftigem, intensi­vem Eindruck. Verblaßt ist das Haupt des Menschen an dieser Gestait für den seelischen Eindruck; stark ist das Übrige, das nach und nach dann beim Durchgang durch das Leben zwischen Tod und neuer Ge­burt sich verwandelt in das Haupt der nächsten Inkarnation. Aber et­was ist zu sagen über diese Gestalt, die da von der imaginativen An­schauung erblickt werden kann, nachdem der Mensch durch die Pforte des Todes gegangen ist: sie trägt einen gewissen physiognomischen Ausdruck. Sie ist ein getreues Abbild gewissermaßen der Art und Weise, wie der Mensch hier im physischen Erdenleben gut oder böse war. Hier im physischen Erdenleben kann der Mensch verbergen, ob in seiner Seele das Böse oder das Gute wirkt. Nach dem Tode kann er das nicht verbergen. Schaut man auf die Geistgestait, die geblieben ist nach dem Tode, so trägt diese den physiognomischen Ausdruck des-j enigen, was der Mensch auf der Erde war.

Derjenige, der durch des Todes Pforte ein moralisch Böses mit der Seele verbunden trägt, der trägt einen physiognomischen Ausdruck, durch den er äußerlich, wenn ich so sagen darf, ähnlich wird den ahri­manischen Gestalten. Und es ist für die erste Zeit nach dem Tode

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durchaus so, daß alles Empfinden und Wahrnehmen des Menschen ge­bunden ist an dasjenige, was der Mensch in sich nachbilden kann. Wenn der Mensch nun an sich selber die Physiognomie Ahrimans trägt dadurch, daß er das moralisch Böse in seiner Seele durch des Todes Pforte geführt hat, dann kann er auch nur dasjenige, was Ahriman ähn­lich ist, nachbilden, das heißt wahrnehmen, und er ist gewissermaßen seelisch blind gegen diejenigen Menschenseelen, die mit guter Stim­mung, mit guter moralischer Stimmung durch des Todes Pforte hin­durchgegangen sind. Das gehört sogar zu dem schärfsten Gericht, in das der Mensch eingeführt wird, nachdem er den Durchgang gefunden hat durch des Todes Pforte, daß er, insofern er böse ist, nur seines­gleichen sehen kann, weil er nur das in sich nachbilden kann, was die Physiognomie von auch bösen Menschen ist.

Nun kommt der Mensch, indem er durch des Todes Pforte getreten ist, in den Bereich des Mondes. Da gerät derjenige, der Böses durch des Todes Pforte trägt, in die Gegenwart von übersinnlichen, überphysi­schen Wesenheiten, aber immer auch solchen, die ihm physiognomisch ähnlich sind, also in die Nähe von ahrimanischen Gestalten. Dieses Durchgehen durch eine ahrimanische Welt bei gewissen Menschen hat eine ganz bestimmte Bedeutung im ganzen Zusammenhange des Weltgeschehens. Und wir werden begreifen, was da eigentlich ge­schieht, wenn wir nun den eigentlichen Sinn der Hinauswanderung der urweisen Lehrer nach der Mondenkolonie des Kosmos ins Auge fassen.

Sehen Sie, mit der ganzen Weltentwickelung sind ja außer den We­senheiten der höheren Hierarchien, die wir gewöhnlich mit den Na­men Angeloi, Archangeloi und so weiter bezeichnen, durchaus auch diejenigen Wesenheiten verbunden, die in das ahrimanische und in das luziferische Reich gehören; diese Wesenheiten wirken im ganzen Wel­tenzusammenhange so, wie die normal sich entfaltenden. Die luziferi­schen Wesenheiten wirken fortwährend, indem sie dasjenige, was die Tendenz in sich trägt, zur physischen Materialität vorzuschreiten, ab­bringen wollen von dem Vordringen zur physischen Materialität. Im Bereiche des Menschen wirken die luziferischen Wesenheiten so, daß sie jede Gelegenheit benützen, um den Menschen hinwegzuheben von

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seiner physischen Körperlichkeit. Die luziferischen Wesenheiten ha­ben das Bestreben, aus dem Menschen ein rein geistig-seelisch-ätheri­sches Wesen zu machen. Die ahrimanischen Gestalten haben das Be­streben, alles dasjenige von dem Menschen auszusondern, was ihn nach dem Seelisch-Geistigen, wie es nun einmal im Menschenreiche sich entwickeln muß, hinträgt. Sie möchten das Untermenschliche, das­jenige, was in den Trieben, Instinkten und so weiter liegt, was sich in der Körperlichkeit ausdrückt, ins Geistige verwandeln. Ins Geistige den Menschen verwandeln, das ist der Trieb sowohl der luziferischen wie der ahrimanischen Wesenheiten. Nur daß die luziferischen das Gei­stig-Seelische aus dem Menschen herausziehen wollen, so daß sich der Mensch nicht mehr kümmern würde um seine irdischen Verkörperun­gen, sondern als geistig-seelisches Wesen leben wollte. Die ahrimani­schen Wesenheiten möchten sich am liebsten gar nicht um das Geistig-Seelische des Menschen kümmern, sondern dasjenige, was ihm als Hülle, als Kleid, als Werkzeug im Physischen und Ätherischen gege­ben ist, das möchten sie loslösen und in ihre Welt hineinbringen.

So steht der Mensch auf der einen Seite gegenüber den Wesenheiten der normal sich entfaltenden Hierarchien, aber er steht, weil er einver­woben ist in das ganze, in das totale Dasein, auch gegenüber den luzi­ferischen und ahrimanischen Gestalten.

Und nun handelt es sich darum, daß ja jedesmal, wenn die luziferi­schen Gestalten Anstrengungen machen, an den Menschen heranzu­kommen, dies damit verbunden ist, daß der Mensch eigentlich erden-fremd und erdeufern gemacht werden soll; dagegen, wenn die ahrima­nischen Gestalten Anstrengungen machen, sich des Menschen zu be­mächtigen, so möchten sie ihn immer irdischer und irdischer machen, obwohl sie die Erde in dichter geistiger Substanz und mit dichten gei­stigen Kräften eben auch vergeistigen wollen.

Man muß, wenn man geistige Angelegenheiten bespricht, sich nun gewissermaßen solcher Ausdrücke bedienen, die vielleicht grotesk er­scheinen gegenüber diesen geistigen Angelegenheiten. Aber wir müs­sen ja uns zunächst der Menschensprache bedienen. Daher gestatten Sie schon, meine lieben Freunde, daß ich für etwas, was sich im rein Geistigen vollzieht, eben gewöhnliche Menschenworte gebrauche. Sie

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werden mich ja verstehen. Sie werden hinaufheben das, was ich in die­ser Weise ausdrücke, in das Geistige.

Gerade diejenigen Wesenheiten, die dem Menschen einstmals im Beginne des Erdendaseins als die großen Lehrer die Urweisheit ge­bracht haben, die haben sich nach dem Monde aus dem Grunde zu­rückgezogen, um, so weit es in ihrem Bereiche möglich ist, das Luzife­rische und das Ahrimanische in das richtige Verhältnis zum Menschen­leben zu bringen. Warum war das notwendig? Warum mußte von sol­chen erhabenen Wesenheiten, wie diese Urlehrer waren, die Tat ge­wählt werden, aus dem Irdischen, in dessen Bereich sie eine Zeitlang gewirkt hatten, herauszugehen, nach dem außerirdischen Monde hin­zugehen, um das Luziferische und das Ahrimanische in das rechte Ver­hältnis zum Menschen der Möglichkeit nach zubringen?

Sehen Sie, wenn der Mensch aus dem vorirdischen Dasein als see­lisch-geistige Wesenheit heruntersteigt ins Irdische, so macht er ja je­nen Weg durch, den ich in dem Kursus über « Kosmologie, Religion und Philosophie» beschrieben habe. Er hat ein bestimmtes geistig-see­lisches Dasein; das verbindet er mit dem, was ihm in der reinen Verer­bungslinie durch Vater und Mutter gegeben wird, mit dem physisch­embryonalen Dasein. Die beiden, das Physisch-Embryonale und das Geistige, dringen ineinander, vereinigen sich miteinander, und der Mensch kommt auf diese Weise in das Erdendasein herein. Aber in dem, was nun in der Vererbungslinie liegt, in dem, was von den Vor­fahren übergeht an Vererbungsmerkmalen auf die Nachkommen, in dem ist dasjenige enthalten, was den ahrimanischen Wesenheiten ge­rade die Angriffspunkte auf die menschliche Natur gibt. In den Verer­bungskräften liegen die ahrimanischen Kräfte. Und indem der Mensch in sich viel von diesen Vererbungsimpulsen trägt, hat er eine Körper­lichkeit, an die das Ich nicht gut herankann. Das ist sogar das Geheim­nis mancher menschlichen Wesenheiten, daß sie zu viel der Verer­bungsimpulse in sich tragen. Man nennt das heute «erblich belastet sein». Das hat dann zur Folge, daß das Ich nicht voll in die Körperlich­keit hineindringen kann, daß das Ich nicht voll ausfüllen kann alle die einzelnen Organe der Körperlichkeit, und der Körper gewissermaßen eine Eigenwirkung entfaltet neben der Impulsivität des Ich, die eigentlich

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hineingehört in diese Körperlichkeit. So daß es den ahrimanischen Mächten, indem sie ihre Anstrengungen machen, möglichst viel in die Vererbung hineinzulegen, gelingt, das Ich nur lose sitzen zu machen in der menschlichen Wesenheit. Das ist das eine.

Aber der Mensch unterliegt ja auch der Anpassung an die äußeren Verhältnisse. Denken Sie nur, wie stark der Mensch der Anpassung an die äußeren Verhältnisse unterliegt, indem Sie betrachten, was für Ein­flüsse Klima und andere geographische Verhältnisse auf den Menschen haben. Dieser Einfluß der reinen Naturumgebung ist ja von außeror­dentlicher Bedeutung für den Menschen. Es gab sogar Zeiten, in de­nen dieser Einfluß der Naturumgebung in besonderer Weise durch die Leitung der weisen Führer der Menschheit benutzt worden ist.

Wenn wir zum Beispiel hinschauen auf etwas ganz Merkwürdiges im alten Griechentum, auf den Unterschied der Spartaner und Athener, so müssen wir sagen: dieser Unterschied der Spartaner und Athener, der eigentlich in unseren gebräuchlichen Geschichtshandbüchern in einer recht äußerlichen Weise geschildert wird, er beruht auf etwas, das zurückgeht auf Maßnahmen alter Mysterien, die Verschiedenes wirkten für die Spartaner und die Athener.

In Griechenland gab man ja sehr viel auf Gymnastik. Die Gymnastik war das Hauptsächlichste in der Erziehung des Kindes, weil man auf dem Umwege durch die Körperlichkeit, indem man diese Körperlich­keit in einer bestimmten Weise lenkte und leitete, gerade in der grie­chischen Art auch auf das Geistig-Seelische wirkte. Aber in verschie­dener Art geschah das bei den Spartanern, in verschiedener Art bei den Athenern. Bei den Spartanern war es so, daß es vor allen Dingen dar­auf ankam, die Knaben so sich entwickeln zu lassen, daß sie durch ihre gymnastischen Übungen möglichst dasjenige, was der Körper inner­lich arbeitet, auch voll nur durch den Körper sich erarbeiteten. Daher wurde der spartanische Knabe angehalten, unbesehen der Witterung seine gymnastischen Übungen zu machen.

Anders war das bei den Athenern. Die Athener sahen viel darauf, daß die gymnastischen Übungen angepaßt wurden den Witterungsver­hältnissen; sie sahen viel darauf, daß der Knabe, der seine gymnasti­schen Übungen machte, dem Sonnenlichte in entsprechender Weise

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ausgesetzt wurde. Den Spartanern war es gleichgültig, ob bei Regen oder Sonnenschein die Übungen durchgeführt wurden. Die Athener forderten, daß auf den Menschen Anregendes wirkte, insbesondere das Anregende der Sonnenwirkungen.

Der spartanische Knabe wurde so behandelt, daß seine Haut gera­dezu dicht gemacht wurde, damit alles, was er an sich entwickelte, vom inneren Körperlichen kam. Der athenische Knabe wurde nicht nur mit Sand und Öl bearbeitet in bezug auf seine Haut, sondern er wurde aus­gesetzt der Sonnenwirkung.

Dadurch ist übergegangen in den athenischen Knaben dasjenige, was von außen, von den Sonnenwirkungen in den Menschen herein­kommen kann. Der athenische Knabe wurde angeregt, gesprächig zu werden, der athenische Knabe wurde angeregt, sich in schönen Wor­ten auszudrücken. Der spartanische Knabe wurde geradezu abgeschlos­sen durch aile möglichen Öleinreibungen, ja sogar durch Bearbeitung der Haut mit Sand und Öl, alles in sich zu entwickeln, es zu entwickeln unabhängig von der äußeren Natur. Dadurch wurde der spartanische Knabe dazu veranlaßt, alles, was an Kräften die menschliche Natur entwickeln kann, in das Innere zu treiben, nicht es herauszubringen.

Dadurch wurde er nicht gesprächig, wie der athenische Knabe; da-durch wurde er gerade dazu gebracht, mit Worten zu kargen, wenig auszusprechen, still zu sein. Und wenn er etwas aussprach, dann mußte es bedeutsam sein, dann mußte es Inhalt haben. Spartanische Redens­arten - nur wenige wurden ausgesprochen - waren bekannt durch ihr Inhaitsvolles, athenische Redensarten durch das Schöne der Sprach-formungen. Das hing zusammen mit der Anpassung des Menschen an die Umgebung durch das entsprechende Erziehungssystem.

Sie können das auch sonst sehen in dem Verhältnis, das sich herstellt zwischen dem Menschen und seiner Umgebung. Menschen des Südens, an die überhaupt herantritt, was äußere Sonnenwirkung ist, sie wer­den gebärdenreich, sie werden auch gesprächig; es entwickelt sich bei ihnen eine Sprache, die Wohiklang hat, weil sie in ihrer Wärme-Ent­wickelung mit der äußeren Wärme-Entwickelung zusammenhängen.

Menschen des Nordens, sie entwickeln sich so, daß sie nicht gesprä­chig werden, weil sie im Innern die Körperwärme als Impulse bei sich

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behalten müssen. Sehen Sie sich Menschen des Nordens an. Sie sind bekannt durch ihr Schweigen; sie sitzen ganze Abende miteinander zu­sammen, ohne daß sie sich gedrängt fühlen, viele Worte zu machen. Der eine frägt; der andere antwortet ihm mit einem Nein oder Ja nach zwei Stunden oder erst am nächsten Abend. Das hängt durchaus damit zusammen, daß diese Menschen des Nordens genötigt sind, stärkere innere Impulse für die Erzeugung des Wärmehaften in sich zu haben, weil das Wärmehafte nicht von außen an sie herandringt.

Da haben wir dasjenige, was man Anpassung des Menschen an die äußeren Verhältnisse schon im Naturhaften nennen kann. Sehen Sie dann, wie das alles in der Erziehung, im sonstigen geistig-seelischen Le­ben wirkt. Gerade wie auf dasjenige, was in der Vererbung liegt, die ahrimanischen Wesenheiten ihren wesentlichen Einfluß haben, so ha­ben auf dasj enige,was Anpassung ist, die luziferischenWesenheiten ihren wesentlichen Einfluß. Da können sie an den Menschen heran, wenn der Mensch seine Beziehungen zur Außenwelt herstellt. Sie verstricken das menschliche Ich in die Außenwelt. Dadurch aber bringen sie dieses Ich oftmais in eine Verwirrung gegenüber dem Karma hinein.

Während also die ahrimanischen Wesenheiten den Menschen in eine Verwirrung hineinbringen in bezug auf sein Ich gegenüber seinen phy­sischen Impulsen, bringen ihn die luziferischen Wesenheiten in eine Verwirrung hinein gegenüber seinem Karma. Denn dasjenige, was da von der Außenwelt kommt, liegt durchaus nicht immer im Karma, son­dern muß erst ins Karma durch mancherlei Fäden und Verbindungen hineingefügt werden, damit es in der Zukunft einmal im Karma lie­gen kann.

So hängt mit dem menschlichen Leben das Ahrimanische, das Luzi­ferische intim zusammen. Das muß geregelt werden; es muß geregelt werden in der Gesamtentwickelung des Menschen. Daher war es not­wendig geworden, daß diese urweisen Lehrer der Menschheit von der Erde, auf der sie diese Regelung nicht hätten vornehmen können, weil sie nicht während des menschlichen Erdenlebens vorgenommen wer­den kann, und der Mensch außerhalb des Erdenlebens eben nicht auf der Erde ist - deshalb war es notwendig, daß diese urweisen Lehrer der Menschheit von der Erde weggehen mußten, auf dem Monde ihr

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Dasein weiterfanden. Denn jetzt, nachdem sie nach dem Monde gezo­gen waren - und hier komme ich dazu, eben die Menschensprache ge­brauchen zu müssen für etwas, was man eigentlich in andere Worthil­der kleiden möchte, - kamen diese Wesenheiten, also diese urweisen Lehrer, dazu, während ihres Mondendaseins Verträge zu suchen mit den ahrimanischen und mit den luziferischen Mächten. Und dem Men­schen wäre besonders schädlich das Auftreten der ahrimanischen Mächte in seinem Dasein nach dem Tode; wenn diese ahrimanischen Wesenheiten da wirklich auf ihn einen Einfluß nehmen könnten. Denn sehen Sie, wenn da der Mensch durch des Todes Pforte geht und ir­gend etwas Böses in den Nachwirkungen in seiner Seele trägt, so be­findet er sich ja, wie ich Ihnen gesagt habe, ganz in ahrimanischer Um­gebung, ja sogar in ahrimanischen Anschauungen. Er selber hat eine ahrimanische Physiognomie. Er hat nur eine Wahrnehmung für dieje­nigen menschlichen Wesenheiten, die auch eine ahrimanische Physio­gnomie an sich tragen. Das muß so bleiben, daß es bloß seelisches Erle­ben des Menschen ist. Könnte Ahriman jetzt eingreifen, könnte er den astralischen Leib beeinflussen, dann würde dies eine Kraft werden, die da Ahriman in den Menschen hineinimpulsieren könnte, die nicht nur nach und nach karmisch sich ausgleichen wurde, sondern die den Men­schen ganz nahe verwandt der Erde machen würde, die den Menschen in zu starken Zusammenhang mit dem Irdischen bringen würde. Das streben auch die ahrimanischen Mächte an. Sie möchten bei denjenigen menschlichen Wesen, bei denen es anginge, durch das, was sie an bö­sen Impulsen durch die Pforte des Todes tragen, nach dem Tode ein­setzen, wo der Mensch noch in seiner Geistgestalt ähnlich ist der irdi­schen Gestalt. Da möchten sie diese Geistgestalt mit Kräften durch­dringen, möglichst viele solche Wesenheiten nahe ans Erdendasein heranziehen und sozusagen eine ahrimanische Erdenmenschheit be­gründen.

Deshalb haben die urweisen Lehrer der Menschheit, die jetzigen Be­wohner des Mondes, einen Vertrag geschlossen mit den ahrimanischen Mächten, der von den ahrimanischen Mächten eingegangen werden mußte aus Gründen, die ich noch später auseinandersetzen werde, einen Vertrag, daß sie in vollem Sinne des Wortes, so weit es nur möglich

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ist, den ahrimanischen Mächten einen Einfluß auf das menschliche Le­ben überlassen, bevor der Mensch zum irdischen Dasein herunter­steigt. Wenn der Mensch also im Heruntersteigen zum irdischen Da­sein wiederum die Mondensphäre passiert, dann dürfen nach den Ab­machungen zwischen den urweisen Lehrern der Menschheit und den ahrimanischen Mächten diese Mächte auf den Menschen einen be­stimmten Einfluß haben. Und dieser Einfluß äußert sich eben darin, daß die Vererbung möglich geworden ist. Dagegen mußten, nachdem ihnen dieses Vererbungsgebiet gewissermaßen durch die Bemühungen der urweisen Lehrer der Menschheit zugewiesen worden war, die ahri­manischen Wesenheiten verzichten auf dasjenige, was in der mensch­lichen Entwickelung nach dem Tode lebt.

Umgekehrt wiederum ist ein Vertrag zustande gekommen mit den luziferischen Wesenheiten, daß diese luziferischen Wesenheiten nur einen Einfluß haben dürfen auf den Menschen, wenn er durch des To­des Pforte gegangen ist, und nicht, bevor er heruntersteigt zum irdi­schen Dasein.

Dadurch kam eine Regelung in die außerirdischen Einflüsse des Ahri­manischen und des Luziferischen gerade durch die großen urweisen Lehrer der Menschheit zustande. Aber wir haben ja schon gesehen und brauchen uns die Sache nur zu überlegen, so tritt es gleich zutage: da wird der Mensch an die Natur herangeführt. Dadurch, daß die ahrima­nischen Wesenheiten auf ihn wirken können vor dem Heruntersteigen auf die Erde, wird der Mensch ausgesetzt den Einwirkungen der Ver­erbungsimpulse. Dadurch, daß die luziferischen Wesenheiten auf ihn wirken können, wird der Mensch ausgesetzt denjenigen Impulsen, die in der physischen Umgebung liegen, im Klima und dergleichen, auch in der geistig-seelisch-sozialen Umgebung durch Erziehung, Leben und so weiter. Der Mensch kommt also mit seiner Naturumgebung in ein Verhältnis, und in diese Naturumgebung kann hineinwirken das Ahrimanische und das Luziferische.

Nun möchte ich von einer ganz anderen Seite her über das Dasein die­ser ahrimanischen und luziferischen Wesenheiten gerade auch in der Naturumgebung sprechen. Ich habe bei der Besprechung des Michael­problemes schon auf die Dinge hingewiesen. Jetzt will ich es noch genauer

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machen. Stellen Sie sich einmal vor jenen Wechsel in der uns umgebenden Natur, der dadurch eintritt, daß wir vor aufsteigenden Nebeln stehen können. Die wäßrigen Dünste der Erde steigen auf. Wir leben vielleicht sogar innerhalb der Atmosphäre, die erfüllt ist von diesem Aufsteigen der wäßrigen Dünste der Erde. In diesem Aufstei­gen der wäßrigen Dünste der Erde entdeckt derjenige, der es zum gei­stigen Schauen gebracht hat, daß in dieser Naturerscheinung etwas le­ben kann, was Irdisches in zentrifugaler Richtung nach aufwärts trägt, hinaufträgt.

Sehen Sie, nicht umsonst werden Menschen leicht melancholisch, wenn sie im Nebel leben, denn es ist etwas im Erleben des Nebeligen, was unseren Willen belastet. Wir erfahren Belastung des Willens im Nebeligen.

Nun kann man unter anderen Übungen seine Imaginationen so her­stellen, daß man von sich aus seinen Willen belastet. Man kann das durch Übungen machen, die darin bestehen, daß man durch innerliche Konzentration auf bestimmte körperliche Organe, Muskeln nament­lich, eine Art inneren Muskelgefühls, Muskelspürens hervorruft. Wenn man so den Willen belastet, indem man dieses innerliche Muskelspüren hervorruft - es ist etwas anderes, wenn man geht und man spürt den Muskel, als wenn man durch Konzentration beim Stehen die Muskeln spannt -, wenn das eine ständige Übung wird, wenn es so gemacht wird, wie andere Übungen, die ich in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» beschrieben habe, dann belastet man den Willen durch seine eigene Tätigkeit. Und dann wird man ansichtig desjenigen, was im aufsteigenden Nebel vorhanden ist, was im aufsteigenden Ne­bel einen moros und melancholisch machen kann, dann wird man an­sichtig, geistig-seelisch ansichtig, wie im aufsteigenden Nebel gewisse ahrimanische Geister leben. So daß man mit Geist-Erkenntnis sagen muß: im aufsteigenden Nebel erheben sich von der Erde in den Wel­tenraum hinaus ahrimanische Geister, die da auf diese Art ihr Dasein weiten in bezug auf das Irdische.

Wieder etwas anderes ist es, wenn man - wozu man ja gerade hier am Goetheanum so viel schöne Gelegenheit hat - den Blick des Abends oder des Morgens wendet in die Weiten und sieht in den Weiten die

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#Bild s. 37

Wolken, aber lagernd über diesen Wolken das Sonnenlicht. Vor einigen Tagen konnten Sie hier sehen, so in den späteren Nachmittagsstunden, wie geradezu eine Art roten Sonnengoldes in Wolken sich verkörperte und die verschiedensten Gestaltungen in einer ganz wunderbaren Art hervorrief. Es war derselbe Abend, an dem dann der Mond von einer besonderen Intensität seines Scheinens war. Aber auch sonst können Sie sehen, wie die Wolken dastehen und über den Wolken sich lagert, man möchte sagen, das Leuchten in einem wunderbar erglänzenden Farbenspiel. Natürlich kann man es überall sehen, aber ich weise eben auf das hin, was gerade hier gesehen werden kann.

In dem, was in der Atmosphäre sich an flutendem Lichte über die Wolken hinlagert, da leben nun ebenso die luziferischen Geister, wie im

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aufsteigenden Nebel die ahrimanischen Geister. Und im Grunde ge­nommen ist es für denjenigen, der nun in der richtigen Weise bewußt mit Imagination so etwas anschauen kann, so, daß er, wenn es Ihm ge­lingt, das gewöhnliche Denken mitgehen zu lassen mit den die Gestal­ten und Farben verwandeinden Wolken, wenn er sozusagen seinen Gedanken die Möglichkeit gibt, statt scharfe Umrisse zu haben, sich zu metamorphosieren, sich zu wandeln, wenn die Gedanken selber so weit und wieder eng werden, wenn sie mitgehen mit den Wolkenge-bilden, wenn sie Gestalt und Farben der Wolkenbildungen mitma­chen: dann ist es so, daß der Mensch wirklich beginnt, dieses Farben-spiel über den Wolken, insbesondere des Abend- und Morgenhim­mels, anzusehen wie ein Farbenmeer, in dem sich luziferische Gestalten bewegen. Und wenn beim Menschen durch den aufsteigenden Nebel Stimmungen der Melancholie angeregt werden, dann ist es hier so, daß seine Gedanken, damit aber auch sein Gemüt gewissermaßen in einer übermenschlichen Freiheit atmen lernen beim Anblicke dieses luzife­risch flutenden Lichtmeeres. Das ist eine besondere Beziehung, die der Mensch zu der Umgebung eingehen kann, denn da kann er tatsächlich bis zu dem Gefühle sich aufschwingen, daß sein Denken ist wie ein Atmen im Lichte. Der Mensch fühlt das Denken wie ein Atmen, aber wie ein Atmen im Lichte. Gerade wenn Sie dies durchmachen wollen, werden Sie besser verstehen die eine Stelle in meinen Mysteriendra­men, wo gesprochen wird von den Wesen, die Licht atmen dürfen. Der Mensch kann schon ein Vorgefühl bekommen von dem, was sol­che Wesen sind als Atmungswesen des Lichtes, wenn er so etwas, wie ich es beschrieben habe, durchmacht.

So finden wir, wie das Ahrimanische und Luziferische auch einge­gliedert ist den Erscheinungen der äußeren Natur. Und wenn wir auf die Vererbung und auf die Anpassungserscheinungen in der Menschen­wesenheit hinschauen, so trägt in ihnen der Mensch sein geistig-seeli­sches Wesen an die Natur heran. Wenn wir solche Naturerscheinungen betrachten, wie den aufsteigenden Nebeldunst und die Wolken, über­zogen von flutendem Lichte, dann sehen wir, wie ahrimanische und luziferische Wesenheiten mit dem Naturhaften sich verbinden. Aber das Herankommen des menschlichen Geistig-Seelischen in Vererbung

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una Anpassung an die Natur ist ja, wie ich Ihnen gezeigt habe, heute auch nur ein Herankommen an das Luziferische und Ahrimanische. Und so finden wir im Menschen, wenn wir auf sein Naturhaftes hin-schauen, das Luziferische und Ahrimanische, und wir finden in denje­nigen Naturerscheinungen, die etwas in sich tragen, was den Physiker nichts anzugehen braucht, wiederum das Luziferische und Ahrimani­sche. Und sehen Sie, das ist der Punkt, wo wir hingeführt werden kön­nen zu einer über das irdische Dasein hinausgehenden Wirkung des Naturhaften auf den Menschen.

Halten wir zunächst heute das fest: wir finden Ahriman und Luzifer in der menschlichen Vererbung und in der menschlichen Anpassung. Wir finden Ahriman und Luzifer im aufsteigenden Nebel und in dem auf die Wolken herabflutenden und von ihnen aufgehaltenen, aufge­fangenen Lichte. Und wir finden im Menschen ein Streben, Ausgleich, Rhythmus zu schaffen zwischen Vererbung und Anpassung. Wir fin­den aber auch in der Natur draußen das Bestreben, Rhythmus zu schaf­fen zwischen den beiden Gewalten, die ich jetzt im Naturhaften als die ahrimanischen und luziferischen aufgezeigt habe.

Verfolgen Sie den ganzen Hergang im Naturhaften draußen, so ha­ben Sie im Grunde ein wunderbares Schauspiel. Verfolgen Sie den auf­steigenden Nebel, verfolgen Sie darinnen, wie ahrimanische Geister in diesem aufsteigenden Nebel hinausstreben in die Weltenweiten. In dem Augenblicke, wo der aufsteigende Nebel oben sich zur Wolke ballt, müssen sie absehen von ihren Bestrebungen, müssen wieder­um zurück auf die Erde. In der Wolke findet das anmaßende Aufwärts-streben Ahrimans seine Grenzen. In der Wolke hört das Nebelhafte auf, damit aber auch das Heimische des Ahriman für das Nebelhafte. In der Wolke aber beginnt die Möglichkeit, daß sich das Lichthafte über die Wolke oben lagert: Luzifer, oben über die Wolken gelagert.

Fassen Sie das in seiner vollen Bedeutung. Fassen Sie den aufsteigen­den Nebel mit den gelbfahlen Ahrimangestalten, in sich zu Wolken geballt; in demjenigen, was sich als das flutende Licht über der Wolke bildet, die luziferischen Gestalten nach abwärts strebend, dann haben Sie in die Natur hineingezeichnet das Ahrimanische und das Luziferi­sche.

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Und dann werden Sie auch begreifen, daß Zeiten, in denen man ein Gefühl hatte für dasjenige, was jenseits der Schwelle liegt, für das, was webt und lebt in der Leuchte-Wolke, was lebt und webt in dem sich aufballenden Nebel, daß in diesen Zeiten zum Beispiel die Maler in einer ganz anderen Lage waren als später. Da trug für sie auch das, was sie als das Geistige kannten, die Farbe, damit diese Farbe hinkam an ihre rechte Stelle auf die Leinwand. Der Dichter konnte sagen, indem er sich bewußt war, daß die Göttlichkeit, die Geistigkeit in ihm sprach:

«Singe, 0 Muse, vom Zorn des Peleiden Achilles » oder: «Singe mir, 0 Muse, vom Manne, dem Vielgereisten»; so beginnen die Homeri­schen Dichtungen. Klopstock hat dann, da damals nicht mehr rege war der Sinn für das Göttlich-Geistige, an die Stelle gesetzt: «Singe, unsterbliche Seele, der sündigen Menschen Erlösung» ;ich habe das öfter besprochen. So wie das der Dichter in alten Zeiten gesagt hatte - er konnte das in Worte kleiden und seine Dichtungen damit beginnen -, so hätten aber auch die alten Maler, selbst noch diejenigen der Leonar­do- und Raffael-Zeit sagen können und haben es auch empfunden in ihrer Art: Male mir, o Muse, male mir, o göttliche Kraft, trage mir die Hände, trage mir die Seele in die Hände, damit du in meinen Händen den Pinsel führen kannst.

Es handelt sich wirklich darum, daß man dieses Verbundensein des Menschen mit dem Geistigen in allen Lebenslagen begreift, und am meisten eben in den wichtigsten Lebenslagen.

Das halten wir also fest, daß wir auf der einen Seite in der Verer­bung und Anpassung das Menschliche selbst an das Ahrimanische und Luziferische heranbringen, daß wir aber auch in einem Durchschauen der Natur das Luziferische und Ahrimanische an die äußere Natur her­anbringen können. Dann fahren wir morgen in unseren Betrachtungen von diesem Gesichtspunkte aus fort.

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DRITTER VORTRAG Dornach, 25. November 1923

Ich sprach Ihnen davon, wie der Mensch in seinem Leben demjenigen unterliegt, was man gewohnt ist von naturwissenschaftlicher Seite her Vererbung zu nennen. Ich sprach Ihnen ferner davon, wie der Mensch den Wirkungen der Außen weit, der Anpassung an die Außenwelt un­terliegt, und wie alles, was in der Vererbung beschlossen ist, mit dem Anrimanischen zusammenhängt und das, was Anpassung an die äu­ßere Welt im weitesten Sinne ist, mit dem Luziferischen. Ich sagte Ih­nen aber auch, wie im Weltenall, das heißt innerhalb der geistigen We­senhaftigkeiten, die dem Weltenall zugrunde liegen, dafür gesorgt ist, daß in richtiger Art das Luziferische und das Ahrimanische sich einrei­hen können in das menschliche Leben. Fügen wir zu dem, was gesagt worden ist, noch einiges heute hinzu, indem wir das vorgestern Aus­einandergesetzte noch einmal ins Auge fassen.

Wir haben daran gedacht, wie die Erinnerung, alles Gedächtnismä­ßige, als ein innerlich Seelisches den Menschen gestaltet. Wir sind ja als seelisches Wesen wirklich viel mehr, als wir denken, von unseren Erin­nerungen gebildet. Die Art und Weise, wie unsere Erlebnisse Erinne­rungen geworden sind, das hat eigentlich unsere Seele gestaltet; mehr als man denkt, ist man ein Ergebnis des Erinnerungslebens. Und wer nur einigermaßen Selbstbeobachtung so weit üben kann, daß er auf das Erinnerungsleben einzugehen vermag, der wird sehen, eine wie große Rolle durch das ganze Erdenleben hindurch namentlich die Ein­drücke der Kindheit spielen. Die Art und Weise, wie wir gerade dieje­nige Kindheit verbracht haben, die dann gar keine große Rolle im be­wußten Leben spielt, die Zeit, während welcher wir sprechen gelernt haben, gehen gelernt haben, während welcher wir die ersten Zähne, die vererbten Zähne bekommen haben, die Eindrücke während all die­ser Entwickelungsmomente, die spielen durch das ganze Erdenieben hindurch eine große Rolle im menschlichen Seelenleben. Und manches von dem, was, ich möchte sagen charakterologisch betont, innerlich aufstößt an Gedanken, die mit Erinnerungen zusammenhängen - und

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alles, was wir nicht gerade unter äußeren Eindrücken in unseren Ge­danken fassen, hängt ja mit Erinnerungen zusammen-alles, was in die­ser Weise aufstößt, uns innerlich freudig, uns innerlich schmerzlich berührt, - es sind ja gewöhnlich leise Nuancen von Freude und Schmerz, die da begleiten die frei aufsteigenden Gedanken - all das, was an Erinnerungsleben in uns ist, das trägt ja unser astralischer Leib auch mit hinaus, wenn wir in den Schlafzustand übergehen. Und wenn man nun mit imaginativem Schauen den Menschen als seelisch-geistiges Wesen im Schlafe ins Auge faßt, so stellt sich ja die Sache in der folgen­den Art dar. Da kann man schon sagen: Wenn Sie, schematisch ge­zeichnet, das als die menschliche Haut auffassen und sich vorstellen, daß innerhalb der menschlichen Haut der Ätherleib bleibt beim Schla­fen und der physische Leib, und außerhalb der astralische Leib zu­nächst ist - das Ich werde ich später dazu zeichnen - und man beobachtet das gewissermaßen, indem man sich ihm gegenüberstellt, dann sieht man den astralischen Leib eigentlich aus den Erinnerungen bestehend. Nur sieht man, wie diese Erinnerungen, die im astralischen Leib da außerhalb des Menschen leben, durcheinander gewirbelt werden, möchte ich sagen. Es werden Erlebnisse, die der Zeit nach weit aus­einanderliegen, die dem Raume nach weit auseinanderliegen, zusam­mengestellt; aus gewissen Erlebnissen wird manches ausgeschieden, so daß das ganze Erinnerungsleben während des Schlafes umgestal­tet wird. Und wenn dann der Mensch träumt, so träumt er eben da­durch, daß ihm dieses umgewandelte Erinnerungsleben vor das Be­wußtsein tritt. Und gerade an der Beschaffenheit des Traumes kann man jenes Durcheinanderwirbeln wahrnehmen, innerlich wahrneh­men, was von außen gesehen die imaginative Clairevoyance anschauen kann.

Aber dabei stellt sich noch ein anderes ein. Dasjenige, was da als Er­innerungen figuriert vom Einschlafen bis zum Aufwachen, was aiso den hauptsächlichsten Inhalt des menschlichen astralischen Seelenle­bens ausmacht, das vereinigt sich während des Schlafes mit den Kräf­ten, die hinter den Naturerscheinungen sind. So daß man sagen kann:

Das alles, was da als astralischer Leib in den Erinnerungen lebt, geht eine Verbindung ein mit den Kräften, die hinter den Mineralien, eigentlich

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im Innern der Mineralien, im Innern der Pflanzen, hinter den Wolkenerscheinungen und so weiter sind.

Wer diese Tatsache durchschaut, für den ist es eigentlich, ich möchte sagen entsetzlich, wenn nun die Leute kommen und sagen: Hinter den Naturerscheinungen sind materielle Atome. Ja, mit diesen materiellen Atomen vereinigen sich unsere Erinnerungen während des Schlafes nicht; aber mit dem, was wirklich hinter den Naturerscheinungen ist, mit den geistig wirksamen Kräften, vereinigen sich unsere Erinne­rungen während des Schlafens; da drinnen ruhen unsere Erinnerungen während des Schlafens.

So daß wir wirklich sagen können: Unsere Seele taucht unter ins Innere der Natur mit ihren Erinnerungen während des Schlafens. Und Sie sagen nichts Unwahres, nichts Unwirkliches, meine lieben Freun­de, wenn Sie folgendes aussprechen, wenn Sie aussprechen: Wenn ich einschlafe, da übergebe ich meine Erinnerungen den Mächten, die im Kristall, die in den Pflanzen, die in allen Naturerscheinungen geistig walten.

Ja, Sie können einen Spaziergang machen, am Wegesrand sehen die gelben Blüten, die blauen Blüten, das grüne Gras, die glänzende ver­sprechende Ähre, und Sie sagen: Indem ich so während des Tages an euch vorübergehe, sehe ich euch von außen; in euer eigenes geistiges Innere werde ich versenken, während ich schlafe, meine Erinnerun­gen. Ihr nehmt auf dasjenige, was ich während des Lebens aus mei­nen Erlebnissen heraus in Erinnerungen umgewan4elt habe, ihr nehmt auf diese Erinnerungen, wenn ich schlafe. - Und es ist vielleicht doch das schönste Naturgefühl, zum Rosenstrauch nicht nur ein äußerliches Verhältnis zu haben, sondern sich zu sagen: Ich liebe den Rosenstrauch besonders aus dem Grunde, weil der Rosenstrauch die Eigentümlich­keit hat - Räumliches spielt ja dabei keine Rolle, die Rose mag noch so weit entfernt sein, wir finden schon im Schlafe unseren Weg zu ihr -, weil der Rosenstrauch die besondere Eigentümlichkeit hat, gerade un­sere ersten Kindheitserinnerungen aufzunehmen. Die Menschen lieben die Rose aus dem Grunde - sie wissen es nur nicht -, weil die Rosen die allerersten Klndheitserinnerungen aufnehmen.

Mit uns waren, während wir Klnd waren, andere Menschen liebevoll;

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sie haben uns oftmals zum Lächeln gebracht. Das haben wir ver­gessen. Aber wir tragen es in unserer Gemütsstirnrnung in uns. Und der Rosenstrauch nimmt die Erinnerung, die wir selber vergessen ha­ben, während des nächtlichen Schlafes in sein eigenes Inneres auf. Der Mensch ist eben mehr als er glaubt mit der natürlichen Außenwelt, das heißt mit dem Geist, der in der natürlichen Außenwelt waltet, verbun­den. Und dieses Erinnern an die ersten Kindheitsjahre, das ist beson­ders noch dadurch höchst merkwürdig mit Bezug auf das menschliche Schlafen, weil aus den ersten Klndheitsjahren und aus den Jahren bis zum Zahnwechsel hin, bis zum siebenten Lebensjahr ungefähr, ei­gentlich während des Schlafes nur das Seelische aufgenommen wird. Wir haben wirklich das in uns als Menschen, daß das Geistige, das Innere der Natur von unserer Kindheit im Grunde gerade das Seeli­sche aufnimmt. Es gilt natürlich auch anderes: jenes Seelische, das wir entwickelt haben während der ersten Kindheit, indem wir zum Bei­spiel grausam waren, das steckt auch in uns; das nimmt aber die Distel auf. Natürlich ist das alles vergleichsweise gesprochen. Aber es deutet auf eine bedeutsame Realität durchaus hin. Was vom Klnde nicht in das Innere der Natur aufgenommen wird, das wird uns gleich aus fol­gendem hervorgehen.

Sehen Sie, in den ersten sieben Lebensjahren ist eigentlich alles Kör­perliche vererbt. Die ersten Zähne sind ja durchaus vererbte Zähne, weil überhaupt alles Materielle, das wir in uns tragen in den ersten sie­ben Lebensjahren, im wesentlichen Vererbtes ist. Aber nach ungefähr sieben Lebensjahren wird ja die ganze materielle Substanz ausgesto­ßen, fällt ab, wird neu gebildet. Der Mensch bleibt als Form, als Geist-gestalt. Sein Materielles stößt er jeweils aus; nach sieben bis acht Jah­ren ist alles weg, was vor sieben bis acht Jahren da war. Und so ist es, daß, wenn wir neun Jahre alt geworden sind, wir unseren ganzen Menschen erneuert haben. Wir bilden dann unseren Menschen nach den äußeren Eindrücken.

Und in der Tat, es ist sehr wichtig, gerade für das Kind in den ersten Lebensepochen, daß es in die Lage kommt, seinen neuen Körper, jetzt nicht den vererbten Körper, sondern den aus dem Innern heraus gebil­deten Körper, nach guten Eindrücken der Umgebung, nach einer guten

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Anpassung bilden zu können. Während der Körper, den das Klnd hat, wenn es zur Welt kommt, davon abhängt, ob ihm die vererbten Impulse in guter oder weniger guter Weise mitgegeben werden, hängt der spätere Körper, den es an sich trägt vom siebenten bis vierzehnten Lebensjahr, ganz stark von den Eindrücken ab, die das Klnd aus seiner Umgebung aufnimmt. Jeweils nach sieben Jahren bilden wir unseren Körper neu.

Ja, aber sehen Sie, das ist das Ich, das da bildet. Wenn auch das Ich noch nicht einmal für die Außenwelt geboren ist beim Klnde mit dem siebenten Jahre - es wird ja erst später geboren -, so wirkt es dennoch, denn es ist natürlich verbunden mit dem Körper, und es ist das Ich, das da bildet. Und es bildet dasjenige, wovon ich gesprochen habe; es bil­det das, was dann als Physiognomie und als Geste, als die äußere ma­terielle Offenbarung des Seelisch-Geistigen beim Menschen heraus­kommt. Es ist ja überhaupt so, daß derjenige Mensch, der regsamen Anteil an der Welt hat, der sich für vieles interessiert, und dieses, woran er regsamen Anteil hat, innerlich auch regsam verarbeitet, daß ein solcher Mensch in seinem äußeren Gesichtsausdrucke, in seinen Gesten materiell wieder das offenbart, was er da mit Interesse auf­nimmt, was er mit Interesse innerlich verarbeitet. Bei dem Menschen, der regsamstes Interesse an der Außenwelt hat, der regsam dieses In­teresse an der Außenwelt innerlich verarbeitet, bei dem wird man an jeder Runzel im Gesichte im späteren Lebensalter sehen, wie er sich diese selbst geformt hat, und man wird viel lesen können, weil das Ich in der Geste, in der Physiognomie, im Ausdruck zum Vorscheine kommt. Bei einem Menschen, der blasiert oder interessenlos an der Außenwelt vorbeigeht, bei dem bleibt das ganze Leben hindurch das Gesicht mit demselben Ausdruck. Es prägen sich nicht die feineren Erlebnisse in Physiognomie und Geste ein. In manchem Gesichte kann man eine ganze Biographie lesen; in manchem kann man nicht viel mehr lesen, als daß der Mensch einmal Kind gewesen ist, was ja nichts besonderes ist.

Das bedeutet aber außerordentlich viel, daß der Mensch also durch den Austausch des Materiellen nach jeweils sieben bis acht Jahren aus seiner Form heraus sein Aussehen erarbeitet. Das bedeutet sehr viel,

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dieses Arbeiten des Menschen an seinem Äußeren, an Physiognomie und Geste; das ist wiederum etwas, was der Mensch im Schlafe hinein­trägt ins Innere der Natur.

Und wiederum, wenn man mit imaginativem Hellsehen hinschaut auf den Menschen und nun das Ich betrachtet, wie es draußen schlafend ist, so ist dieses Ich eigentlich bestehend aus Physiognomie und Geste. Es ist daher gerade bei denjenigen Menschen, die viel von ihrem Inne­ren in ihren Gesichtsausdruck oder in ihre Geste zu legen vermögen, ein glänzendes, ein strahlendes Ich da. Und dieses Erarbeiten der Ge­ste, der Physiognomie verbindet sich wiederum mit gewissen Kräften im Innern der Natur. Und es ist schon so: wenn wir in der Lage waren, oftmals im Leben freundlich zu sein, liebenswürdig zu sein, dann ist die Natur geneigt, sobald das Liebenswürdigsein Gesichtsausdruck geworden ist, dies während unseres Schlafes in ihr Wesenhaftes aufzu­nehmen. Unsere Erinnerungen nimmt sie auf in ihre Kräfte, unsere Gestenbildung nimmt sie auf in ihr Wesenhaftes, in die Naturwesen selber. So innig ist der Mensch im Zusammenhange mit der äußeren Natur, daß es für die äußere Natur eine ungeheure Bedeutung hat, was er in seinem Innern seelisch als Erinnerungen erlebt, wie er sein inneres Seelisches in Geste, in Physiognomie zum Ausdrucke bringt. Denn das lebt im Innern der Natur weiter.

Sehen Sie, ich habe im Abstrakten oftmals angeführt den Goethe­schen Spruch, der eigentlich eine Kritik eines Spruches von Haller ist. Haller hat das Wort geprägt: «Ins Innre der Natur dringt kein erschaif­ner Geist. Glückselig, wem sie nur die äußre Schale weist.» Goethe sagt darauf: 0 du Philister! Ort für Ort sind wir im Innern. Nichts ist drinnen, nichts ist draußen; was drinnen ist, ist draußen, was draußen ist, ist drinnen - meint Goethe. Dich frage nur zu allermeist, ob du selbst Kern oder Schale seist. Goethe sagt, er höre diesen Ausdruck an die sechzig Jahre und fluche darauf, aber verstohlen, weil Goethe fühlte

- er kannte natürlich noch nicht Geisteswissenschaft -, aber er fühlte:

Wenn da irgendeiner sagt, den er nur als einen Philister anschauen konnte:

«Ins Jnnre der Natur ...

Dringt kein erschaffner Geist»

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so weiß der eben nichts davon, daß der Mensch, einfach indem er ein Erinnerungswesen und ein Gesten- und Physiognomiewesen ist, fort­während ins Innere der Natur eindringt. Wir sind nicht Wesenheiten, die nur am Tore der Natur stehen und vergebens anklopfen. Gerade durch dasjenige, was Innerstes ist in uns, stehen wir mit dem Inneren der Natur auch in innigster Beziehung. Weil aber das Klnd bis zum siebenten Jahre einen ganz vererbten Körper hat, so geht nichts von dem Ich, von Geste und Physiognomie, ins Innere der Natur über. Wir beginnen erst mit dem Zahnwechsel ins Wesenhafte der Natur einzu­dringen. Daher werden wir auch erst nach dem Zahnwechsel reif, nach und nach über irgend etwas in der Natur nachzudenken. Vorher sind es Willkürgedanken, die im Klnde aufsteigen, die nicht viel mit der Natur zu tun haben, die reizvoll gerade dadurch sind, daß sie nicht viel mit der Natur zu tun haben. Wir kommen am besten an das Klnd her­an, wenn wir neben dem Klnde dichten, wenn wir die Sterne zu Augen des Himmels machen und so weiter, wenn die Dinge, die wir mit dem Klnde besprechen, möglichst weit von der äußeren physischen Wirk­lichkeit entfernt sind.

Erst vom Zahnwechsel ab wächst das Klnd allmählich in die Natur hinein, so daß seine Gedanken nach und nach mit den Naturgedanken zusammenfallen können; und im Grunde ist das ganze Leben vom sie­benten bis vierzehnten Jahre ein solches, daß das Kind hineinwächst in die Natur; denn da trägt es außer den Erinnerungen seiner Seele in die Natur auch noch die Geste, die Physiognomie hinein. Und das geht dann so durch das ganze Leben hindurch. Für das Innere der Natur werden wir als einzelne menschliche Individualität erst mit dem Zahn-wechsel geboren.

Daher lauschen diejenigen Wesenheiten, die ich Ihnen als Elemen­tarwesen bezeichnet habe, Gnomen und Undinen, so gerne, wenn ih­nen der Mensch etwas erzählt von dem Kindesleben bis zum siebenten Jahre. Denn für diese Naturwesen wird der Mensch erst mit dem Zahnwechsel geboren. Das ist eine außerordentlich interessante Er­scheinung. Vorher ist der Mensch für Gnomen und Undinen ein jen­seitiges Wesen. Es ist für sie deshalb ziemlich rätselhaft, wie der Mensch da auftritt in einer gewissen Vollendung schon. Aber es würde schon

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ungeheuer belebend sein für die pädagogische oder pädagogisierende Phantasie, wenn der Mensch dadurch, daß er Geisteserkenntnis auf­nimmt, sich wirklich versetzen könnte in diese Dialoge mit den Natur-geistern; wenn er in die Naturgeisterseele sich hineinversetzen könnte, um ihre Anschauungen zu erlangen gegenüber dem, was er ihnen erzäh­len kann von Kindern. Denn dadurch bildet sich gerade die schönste Märchenphantasie. Und wenn in alten Zeiten die Märchen so wunder­bar konkret, inhaltsvoll geworden sind, so ist es, weil die Märchen-dichter mit Gnomen und Undinen reden konnten, aber nicht bloß von ihnen etwas hören konnten. Diese Naturgeister sind zuweilen sehr egoistisch. Die werden schweigsam, wenn man ihnen nicht auch etwas erzählt, worauf sie neugierig sind. Und dasjenige ist für sie die beste Erzählung, wenn man ihnen von den Taten der Babys erzählt. Dann erfährt man auch vielerlei von ihnen, was gerade in Märchenstimmung übergehen kann. Ja, sehen Sie, gerade für das praktische geistige Le­ben kann das außerordentlich wichtig werden, was dem Menschen heute ganz urphantastisch erscheint. Aber es ist so, daß tatsächlich diese Dialoge mit den geistigen Naturwesen durch die Umstände, die ich dargelegt habe, etwas außerordentlich Belehrendes nach beiden Seiten hin haben.

Auf der anderen Seite aber wirkt natürlich das, was ich gesagt habe, in gewissem Sinne beängstigend, denn der Mensch schafft, wenn er schläft, fortwährend Abbilder seines innersten Wesens. Da hinter den Erscheinungen der Natur, hinter den Blumen des Feldes sind bis in die ätherische Welt herein Abdrücke von unseren guten und nichtsnutzi­gen Erinnerungen. Da wimmelt die Erde überall von dem, was in den Menschenseelen lebt. Und es ist schon so, daß in der Realität das menschliche Leben gar sehr mit solchen Dingen zusammenhängt.

Wir finden also da zunächst die Naturgeister als Wesenhaftigkeiten, in die wir mit unserer Gestenwelt eindringen. Wir finden aber auch die Welt der Angeloi, Archangeloi, Archai. In diese wachsen wir ebenso hinein, in sie tauchen wir unter. Wir tauchen in die Taten der Engel-welt hinein durch unsere Erinnerungen. Wir tauchen in die Wesenhaf­tigkeiten der Engelwelt hinein durch unser von uns selbst geprägtes Physiognomisches und Gestenhaftes. Und es ist dieses sich Einleben

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#Bild s. 49

im Schlafe so, daß wir sagen können: Wenn wir uns herüberleben in die Natur, dann erscheint uns das Einleben in die Natur so: Dies ist wieder die Haut unseres Körpers (es wird gezeichnet); je weiter wir hinausgehen, kommen wir immer mehr von Angeloi- in Archangeloi-, in Archai-Regionen hinein in der radialen Richtung. Da kommen wir hinein in die dritte Hierarchle.Und wenn wir da hinein schlafend mit unseren Erinnerungen und unseren Gesten untertauchen wie in das flutende Meer der webenden Wesenheiten der Angeloi, Archangeloi und Archai, wenn wir da untertauchen, dann kommt von der einen Seite eine Strömung von geistigen Wesenheiten (siehe Zeichnung). Das ist die zweite Hierarchie: Exusiai, Kyriotetes, Dynamis. Und wenn wir anklingen lassen wollen an dasjenige, was äußerlich in der Welt ist, das, was wir eben dargestellt haben, dann geht diese Strö­mung so, daß uns der Lauf der Sonne von Ost nach West während des Tages ausdrückt den Weg, in dem die zweite Hierarchie durchkreuzt die dritte Hierarchie. Die dritte Hierarchie: Angeloi, Archangeloi, Ar­chai ist wie auf- und abschwebend und sich «die goldenen Eimer » rei­chend - auf- und abschwebend. In dieser Darstellung ist dann die zweite Hierarchie wie mit der Sonne von Osten nach Westen gehend,

- jetzt ist es nicht scheinbar, denn da gilt nicht die kopernikanische Weltanschauung, sondern es ist tatsächlich von Ost nach West gehend die Strömung, welche die Sonne durchläuft während des Tages. So daß der Mensch, indem er schaut - das heißt, wenn er schauen kann -hineinwächst während des Schlafes in diese dritte Hierarchie. Aber diese dritte Hierarchie ist fortwährend gnadevoll durchströmt von der

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Seite her von der zweiten Hierarchie. Und diese zweite Hierarchie macht sich auch in unserem Seelenleben durchaus geltend.

Ich habe Ihnen vorgestern angedeutet, was es für eine Bedeutung hat, wenn wir auf in der Jugend Erlebtes wiederum zurückkommen. In dieser Beziehung können Sie eine tiefgehende Empfindung bekom­men, wenn Sie die Mysterien wiederum in die Hand nehmen und da, jetzt vielleicht mit einem größeren Verständnis, als das einmal der Fall war, lesen können, was dort über die Erscheinung von Johannes Ju­gend dargestellt wird. Es ist schon so, daß der Mensch besonders sein Inneres regsam, intensiv wahrnehmbar für ihn selber machen kann, wenn er tätig auf sein Jugendliches zurückkommt. Ich habe Ihnen ge­sagt: Man nehme alte Schulbücher, in denen man einmal etwas gelernt hat oder meinetwillen auch nichts gelernt hat, wiederum zur Hand, man vers etze sich in dieses Lernen oder Nichtslernen hinein - es kommt ja nicht darauf an, ob man etwas gelernt hat oder nicht, sondern daß man sich in das, was man mit ihnen gemacht hat, hineinversetzt: man kann da schon eigene Erfahrungen haben. Für mich war es einmal vor ein paar Jahren von einer ungeheuren Bedeutung, mich in eine solche Situation der Jugend hineinzuversetzen, als ich eine Verstärkung der Kräfte des geistigen Erfassens brauchte: Ich war gerade elf Jahre alt und bekam ein Schulbuch. Das erste, was geschah - es ist mir zufällig passiert -, war, daß aus einer Unvorsichtigkeit das Tintenfaß umfiel und mir dabei zwei Seiten so verdorben hatte, daß ich die zwei Seiten nicht mehr lesen konnte. Das ist auch eine Tat. Diese Tat habe ich vor vielen Jahren oftmals wiedererlebt, dieses Schulbuch mit den verdor­benen Seiten, und mit all dem, was ich ausgestanden habe, denn das Schulbuch mußte aus einer armen Familie heraus wieder gekauft wer­den. Es war etwas Entsetzliches, was man alles an diesem Schulbuch mit seinem Riesentintenklecks - dazumal nannte man's noch anders -alles erleben konnte! Also so etwas wieder rege machen. Wie gesagt, es handelt sich nicht darum, daß man just brav gewesen sein soll bei dem, was man wieder heraufholt, sondern daß es eben etwas ist, was intensiv erlebt worden ist. Wenn Sie versuchen, das tatsächlich mit aller inneren Intensität wiederum heraufzubekommen, dann werden Sie noch etwas anderes erleben. Sie werden mehr als im Traume, in

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einer wirklichen Anschauung, wenn Sie abgeschlossen von den Ein­drücken des Tages in Ihrem Bette ruhen, eine Situation erleben. Wäh­rend Sie bei Tag sich eine Szene, die Sie innerlich durchlebt haben, vor die Seele gerufen haben, erleben Sie, wenn die Nacht gekommen ist, wenn es um Sie herum finster ist, wenn Sie mit sich selbst sind, schau­end wie im Raume die Situation, in der Sie entweder vorher oder nach­her waren. Sagen wir also, Sie haben sich eine Szene vor die Seele ge­rufen, die Sie meinetwillen um elf Uhr einmal erlebt haben. Nachher sind Sie irgendwo hingegangen, wo Sie Menschen gegenübergesessen haben. Sie sitzen da, und die Menschen sitzen da herum. Sie haben et­was, was Sie innerlich erlebt haben, heraufgeholt. Was äußerlich dazu­mal um Sie herum war, tritt Ihnen dann ganz als räumliche Anschau­ung entgegen. Man muß nur auf solche Zusammenhänge hinschauen. Da können ganz bedeutsame Entdeckungen gemacht werden. Meinet­willen sagen wir, Sie haben als siebzehnjähriger junger Mensch jeden Mittag in einer Pension gegessen, wo die Leute gewechselt haben. Nun rufen Sie sich gerade eine Szene, die Sie innerlich erlebt haben, irgendwie herauf. Sie erleben es regsam durch. In der Nacht erleben Sie: Sie sitzen an dem Tisch, daherum sitzen diejenigen Leute, die Sie nur, weil sie wechselnd sind in einer Pension, selten gesehen haben. An einem Gesichte erkennen Sie: das ist ja dasselbe, was ich dazumal durchgemacht habe. Das äußerlich Räumliche tritt zu dem innerlich Seelischen hinzu, wenn Sie die Erinnerungen in dieser Weise tätig machen.

Sehen Sie, das heißt aber dann tatsächlich mit dieser Strömung, die da von Ost nach West geht, leben. Denn Sie kommen immer mehr und mehr in das Gefühl hinein: Da in dem Geistigen, in das Sie eintreten im Schiafe, leben Sie nicht nur so, daß Sie im Geistigen aufgehen; son­dern in diesem Geistigen, da geht dasjenige vor sich, was sich äußer­lich spiegelt in dem Augenblicke, wo Sie um den Pensionstisch herum wiederum die Menschen sitzen sehen. Sie haben das längst vergessen, aber es ist da. Sie schauen hin, wie Sie auf diejenigen Dinge hinschauen, die oftmals als in der Akasha-Chronik stehend verzeichnet sind. In dem Augenblicke, wo Sie das vor sich haben, haben Sie erfaßt diese Strö­mung von Ost nach West: die Strömung der zweiten Hierarchie. In

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dieser Strömung der zweiten Hierarchie lebt etwas, was sich äußerlich im Tag abbildet.

Nun ist der Tag durch das ganze Jahr hindurch variabel. Im Früh­ling wird er lang, im Herbst wird er kurz, im Sommer ist er am läng­sten, im Winter am kürzesten. Der Tag wird metamorphosiert wäh­rend des Jahres. Das rührt von einer der Ostwest-Strömung entgegen­kommenden Strömung her, die von West nach Ost geht. Und das ist die Strömung der ersten Hierarchie, der Seraphime, der Cherubime und Throne. Verfolgen Sie daher, wie sich der Tag ändert im Lauf des Jahres, gehen Sie vom Tag zum Jahr über, dann, meine lieben Freun­de, dann kommen Sie hinüber in dasjenige, was Ihnen während des Schlafes begegnet als die entgegengesetzte Strömung.

#Bild s. 52

In der Tat, es ist schon so, daß wir schlafend hineinwachsen in die geistige Welt in radialer Richtung, in der Richtung, die von West nach Ost geht, und in der Richtung, die von Ost nach West geht. Wie ich Ihnen gesagt habe, es werden räumliche Bilder vor unsere Seele hin­gestellt, wenn wir in regsamer Erinnerung etwas vor unsere Seele hin [treten lassen].

So ist es aber auch, wenn wir uns unseres Willens bewußt werden. Das ist gerade das, was in die Geste, in die Physiognomie hineingeht:

wenn wir uns unseres Willens bewußt werden. Besonders für Euryth­misierende müßte dasjenige, was ich jetzt sage, eine gewisse Bedeutung

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haben, obwohl die Eurythmie natürlich nicht die Absicht hat, das zur Geltung zu bringen, was ich jetzt sagen will. Es ist so, daß der Mensch, wenn er wirklich aus dem Innern heraus auch sein Äußeres immer mehr und mehr gestaltet, wenn sein Ich immer mehr und mehr zum Ausdrucke kommt in Physiognomie und Geste, dann bekommt er nicht nur vom Tag einen Eindruck. Denn das ist ein Eindruck vom Tag: vom inneren Erleben, vom regsamen inneren Erinnerungsleben überzugehen zu der Anschauung der räumlich äußerlichen Dinge. Man erlebt, was man mit siebzehn Jahren gelernt hat, wiederum, und man sieht dann die Leute, die in der Pension um einen herumgesessen sind, im Nachbilde wie in der Akasha-Chronik. Das ist Tag-Erleben!

Aber man kann auch das Jahr erleben. Und zwar ist das dann mög­lich, wenn man achtgibt darauf, wie der Wille an einem wirkt; wenn man achtgibt darauf, wie man es verhältnismäßig leicht hat, den Willen zur Geltung zu bringen, wenn man es recht warm hat, während es schwer wird - einem feineren Aufpassen auf sich selber wird das schon klar -, seinen Willen durch den Körper strömen zu lassen, wenn man friert. Wer so recht einen Zusammenhang zwischen dem Willen und dem Warmliaben und Frieren innerlich erleben kann, der bekommt allmäh­lich, wenn so etwas ausgebildet ist, die Möglichkeit, bei sich zu spre­chen von einem Winterwillen und einem Sommerwillen.

Man findet nämlich, daß man am besten die Bezeichnung dieses Wil­lens von den Jahreszeiten hernimmt. Achten wir zum Beispiel auf emen Willen, der einem gewissermaßen die Gedanken hinausträgt ins Weltenall, der es einem leicht macht, seinen Körper zu handhaben, so daß in der Handhabe, in der Geste des Körpers die Gedanken wie hin-ausgetragen werden in das Weltenall... sie entschlüpfen einem aus den Fingerspitzen: man fühlt förmlich, wie man es leicht hat, den Willen zu entfalten. Man steht einem Baum gegenüber, es gefällt einem etwas besonders da oben: es werden, wenn der Wille in uns warm wird, die Gedanken bis an den Gipfel des Baumes hinaufgetragen - ja, manchmal gehen sie bis zu den Sternen, wenn man sich so recht in Sommernäch­ten zugleich begabt findet mit warmem Willen.

Wenn der Wille innerlich erkaltet, dann ist es so, als ob alle Gedan­ken nur in unserem Kopfe getragen würden, als ob alle Gedanken

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nicht in die Arme könnten, nicht in die Beine könnten. Alles geht in den Kopf. Der Kopf erträgt die Willenskälte, und wenn die Willens-kälte nicht überwältigend wirkt, so daß ein frostiges Gefühl eintritt, dann wird der Kopf warm durch seine innere Gegenwirkung, und er enifaltet dann Gedanken.

So daß man sagen kann: der Sommerwille führt uns hinaus in die Weiten der Welt. Der Sommerwille, der warme Wille trägt überailhin unsere Gedanken. Der Winterwille, der trägt die Gedanken in unseren Kopf, in unser Haupt herein. Man kann seinen Willen so unterscheiden. Und man wird dann den einen Willen, der uns überall hinträgt ins Wel­tenall, den wird man fühlen als verwandt mit dem Verlauf des Som­mers; den Willen, der die Gedanken in unseren Kopf hineinträgt, den wird man fühlen als verwandt mit dem Winter. Man erlebt so, wie man sonst den Tag erlebt, so an dem Willen das Jahr.

Und sehen Sie, es gibt eine Möglichkeit, das, was ich Ihnen jetzt auf die Tafel schreiben werde, tatsächlich als Realität zu empfinden. Man kann, wenn man den Winter im Erlebnis des menschlichen Willens er­lebt, ihn so erleben, daß man sagt:

0 Welten-Bilder,

Ihr schwebet heran

Aus Raumesweiten.

Ihr strebet nach mir,

Ihr dringet ein

In meines Hauptes

Denkende Kräfte.

Sehen Sie, das ist aber nicht bloß abstrakt, sondern der Mensch kann es dahin bringen, wenn er seinen eigenen Willen mit der Natur ver­bunden fühlt, so zu fühlen, wenn der Winter kommt, als wenn ihm aus dem Raum wiederum zugetragen würde, was in ihm selber Erlebnisse sind, die er erst der Natur übergeben hat. Und man kann auf den Wel­len, die hier angedeutet werden:

0 Welten-Bilder,

Ihr schwebet heran

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Aus Raumesweiten.

Ihr strebet nach mir,

Ihr dringet ein

In meines Hauptes

Denkende Kräfte -

man kann da seine eigenen Erlebnisse, die schon in die Natur überge­gangen waren, dabei empfinden. Das ist die Empfindung des Winter-willens.

Aber man kann auch den Sommerwillen, der unsere Gedanken hin­ausweitet in das Weltenall, empfinden:

Ihr meines Hauptes

Bildende Seelenkräfte,

Ihr erfüllet mein Eigensein,

das heißt, die Gedanken, die zuerst im Haupte erlebt werden, gehen in den ganzen Körper über, erfüllen zunächst den Körper, dann aber dringen sie aus dem Körper hinaus -

Ihr dringet aus meinem Wesen

In die Weltenweiten,

Und einigt mich selbst

Mit Weltenschaffensmächten.

Das ist dasjenige, was der Sommerwille, der dem Sommer verwandte Wille in uns, uns als sein Wesen ausdrücken läßt, so daß wir sagen können: Wenn wir empfinden, ich habe aus meinem Innern hervorge­holt das tätige Erinnern an irgend etwas lange Verlebtes - der Tag mit seiner Nacht bringt es mir wieder entgegen, indem er es ergänzt durch die äußere Raumesanschauung. Und das entspricht der Strömung von Ost nach West. So dürfen wir sagen: In uns wandelt sich Winterwille in Sommerwillen, Sommerwille in Winterwillen. Wir sind verwandt nicht mehr dem Tag mit seinem Wechsel von Helligkeit und Finster­nis, wir sind verwandt dem Jahr mit unserem Willen, dadurch der Strömung von West nach Ost der ersten Hierarchie: den Seraphimen, Cherubimen und Thronen.

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Wir werden nun im weiteren sehen, wie der Mensch gehindert oder gefördert werden kann durch Vererbung und äußere Anpassung in be­zug auf dieses Zusammengehen mit dem Inneren der Natur. Denn das­jenige, was ich Ihnen jetzt auseinandergesetzt habe, das bezieht sich darauf, daß der Mensch, wenn er möglichst wenig gehindert ist durch luziferische und ahrimanische Kräfte, in dieser Art, mit Vorstellung und Wille, hineinwächst ins Innere der Natur, aufgenommen wird von den Zeitenkräften, den Tagkräften, den Jahreskräften: dritte Hierar­chie, zweite Hierarchie, erste Hierarchie. Aber einen wesentlichen Ein­fluß auf all das haben die ahrimanischen Kräfte, wie sie in der Verer­bung auftreten, und die luziferischen Kräfte, wie sie in der Anpassung auftreten. Diese große Rätselfrage, die soll uns dann das nächste Mal beschäftigen.

Winterwille: Sommerwille:

0 Welten-Bilder, Ihr meines Hauptes

Ihr schwebet heran Bildende Seelenkräfte,

Aus Raumesweiten. Ihr erfüllet mein Eigensein,

Ihr strebet nach mir, Ihr dringet aus meinem Wesen

Ihr dringet ein In die Weltenweiten,

In meines Hauptes Und einigt mich selbst

Denkende Kräfte. Mit Weltenschaffensmächten.

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VIERTER VORTRAG Dornach, 30. November 1923

Die Fortsetzung der Betrachtungen, die wir das letzte Mal hier ange­stellt haben, führt uns heute zunächst zu etwas, das dann die beiden nächsten Vorträge vorbereiten soll. Es führt uns dazu, einen Blick zu werfen auf den Zusammenhang des Menschen, und zwar des ganzen Menschen mit unserem Erdenplaneten. Ich habe es ja oftmals in verschiedenen Zusammenhängen ausgesprochen, daß der Mensch einer Art von Täuschung unterliegt, wenn er sich abgesondert vom Erden­planeten ein totales, besonderes Dasein zuschreibt zunächst als physi­scher Mensch. Selbständig, individuell ist ja der Mensch als geistig­seelisches Wesen. Zur Erde in ihrer organischen Ganzheit gehörig ist er als physischer Erdenmensch, und in gewisser Beziehung auch sei­nem ätherischen Leibe nach.

Nun will ich heute zunächst schildern, wie dem übersinnlichen Schauen diese Zusammengehörigkeit des Menschen mit dem Erdendasein erscheinen kann. Ich will heute vorbereitend zunächst, ich möchte sagen in einer mehr erzählenden Form vorgehen. Nehmen wir einfach an, jemand träte mit dem imaginativen Bewußtsein, das ich ja öfter geschildert habe, einen Gang an durch die Uralpen, durch die Uralpen mit jenem Gestein, das namentlich in quarzigen, also kieselsäurehaltigen Mineralien und Gesteinen besteht, das sonst auch ähn­liche Gesteine in sich enthält. Wir treten ja da, wenn wir ins Urgebirge kommen, an die härtesten Gesteine der Erde heran, aber auch an die­jenigen Gesteine, die, wenn sie in ihrer besonderen ureigenen Ausbil­dung erscheinen, etwas in sich Reines haben, man möchte sagen, et­was, was nicht berührt ist von dem gewöhnlichen Alltäglichen der Erde. Es ist doch wirklich gut zu verstehen, wenn Goeihe einmal in einem schönen Aufsatze, der ja auch hier schon vorgebracht worden ist, von seinem Erfahren innerhalb des Urgebirges spricht, allerdings davon spricht, wie er sich in Einsamkeit fühit, sitzend im Granitge­birge, die Eindrücke sich, man möchte sagen, eingeprägt hat von die­sem hart und straff aus der Erde nach oben gewissermaßen sich türmenden

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Gestein. Und wie den dauernden Sohn der Erde spricht Goe­the den Granit an, der da aus Quarz, also aus Kieselsäure, aus Glim­mer und aus Feldspat besteht.

Wenn der Mensch mit dem gewöhnlichen Bewußtsein an dieses Ur­gebirgsgestein herandringt, dann ist es ja so, daß er allerdings zunächst es von außen bewundern kann, daß ihm auffallen seine Formen, die ganze wunderbar primitive Plastik, die aber außerordentlich vielspre­chend ist. Wenn aber der Mensch dann mit dem imaginativen Be­wußtsein an dieses fast härteste Gestein der Erde herantritt, dann dringt er gerade bei diesem härtesten Gestein unter die Oberfläche des Mine­ralischen. Er ist dann in der Lage, mit seinem Denken wie zusammen­zuwachsen mit dem Gestein. Man möchte sagen: überall hinein in die Tiefen des Gesteins setzt sich die seelische Wesenheit des Menschen fort, und man tritt eigentlich im Geiste wie in einen heiligen Götter-palast. Das Innere erweist sich für die imaginative Anschauung wie durchlässig, und die äußere Grenze erweist sich so, wie die Mauern dieses Götterpalastes. Aber man hat zu gleicher Zeit die Erkenntnis, daß innerhalb dieses Gesteines eine innere Spiegelung alles desjenigen lebt, was im Kosmos außerhalb der Erde ist. Die Sternenwelt hat man noch einmal in einer Spiegelung innerhalb dieses harten Gesteins vor der Seele stehen. Man bekommt zuletzt den Eindruck, daß in jedem solchen Quarzgestein etwas vorhanden ist wie ein Auge der Erde sel­ber für das Weltenall. Man wird erinnert an die Insektenaugen, diese Facettenaugen, die in viele, viele Abteilungen zerfallen, die dasjenige, was von außen an sie herandringt, in viele einzelne Teile zerlegen. Und man möchte sich vorstellen und muß sich eigentlich vorstellen, daß, so unzählige viele solche Quarz- und ähnliche Bildungen an der Oberflä­che der Erde sind, das alles sind wie Augen der Erde, um die kosmi­sche Umgebung innerlich zu spiegeln und eigentlich innerlich wahrzu­nehmen. Und man bekommt schon allmählich die Erkenntnis, daß je­des Kristallische, das innerhalb der Erde vorhanden ist, ein kosmi­sches Sinnesorgan der Erde ist.

Das ist ja das Grandiose, das Majestätische der Schneedecke, aber noch mehr der fallenden Schneeflocken, daß in jeder einzelnen dieser Schneeflocken eine Spiegelung ist vom großen Teil des Kosmos; daß

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also eigentlich mit dem kristallisierten Wasser überall Spiegelungen von Teilen des Stetnenbimmels auf die Erde herunterfallen.

Ich brauche es ja nicht zu erwähnen, daß der Sternenhimmel auch bei Tag da ist, nur daß er, weil das Sonnenlicht stärker ist, bei Tag nicht erscheint. Wenn Sie irgendwo die Möglichkeit haben, in einen tiefen Keller zu steigen, über den sich ein Turm erhebt, der oben offen ist, so können Sie, weil Sie aus dem Finstern herausschauen und das Sonnen-licht Sie nicht beirrt, ja auch bei Tag die Sterne sehen. Solch eine Mög­lichkeit ist zum Beispiel vorhanden in einem Turm in Jena, wo man bei Tag die Sterne sehen kann. Das erwähne ich nur nebenbei, um Ihnen eben begreiflich zu machen, daß dieses Spiegeln der Sterne in den Schneeflocken, überhaupt in allem Kristallisierten, auch selbstver­ständlich bei Tag vorhanden ist. Und es ist nicht ein physisches Spie­geln, es ist ein geistiges Spiegeln. Der Eindruck muß innerlich vermit­telt sein, den der Mensch davon bekommen kann.

Das ist aber nun nicht alles. Aus dem, ich möchte sagen geistigen Sinneseindruck, den man da bekommt, wird ein Gemütseindruck, und zwar der, daß man, so imaginativ sich hineinlebend in die Kristall-decke der Erde, selber zusammenwächst mit alledem, was die Erde in dieser Kristalldecke vom Kosmos erlebt. Dadurch erweitert man das eigene Sein in den Kosmos hinaus, dadurch fühlt man sich als eins mit dem Kosmos. Und vor allen Dingen, jetzt wird es eine Wahrheit, eine tiefe Wahrheit für den imaginativ Betrachtenden, daß dasjenige, was wir unseren Erdenkörper nennen, mit allen seinen Einzelheiten einmal im Laufe der Zeit aus dem Kosmos heraus geboren worden ist. Denn die Verwandtschaft der Erde mit dem Kosmos tritt einem da im emi­nentesten Sinne vor das Seelenauge. So daß man durch dieses Sich­IIineirleben in die Millionen Kristallaugen der Erde vorbereitet ist, die ganze innere Verwandtschaft der Erde mit dem Kosmos zu fühlen, sie im Gemüte zu erleben.

Dadurch aber fühlt man sich als Mensch dann wiederum mit der Erde verbunden. Denn - und das werde ich in den nächsten Tagen besonders ausführen - dieses Herausgeborenwerden der Erde aus dem Kosmos hat ja stattgefunden, als der Mensch selber durchaus noch ein primitives, nicht physisches, sondern geistiges Wesen war. Aber das,

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was die Erde dann durchgemacht hat, nachdem sie aus dem Kosmos herausgeboren war, das machte der Mensch in seiner eigenen Wesen­heit mit der Erde durch. Mit der Erde ist es wirklich so, daß sie einst­mals eine solch innere Verwandtschaft mit dem überall benachbarten Kosmos gehabt hat, wie das ganz junge, noch nicht geborene Men­schenwesen mit dem Leibe der Mutter. Dann aber beginnt das Kind sich selbständig zu machen. So hat die Erde sich selbständig entwik­kelt, nachdem sie erst in der ersten Saturnzeit mehr eins war mit dem Weltenall. Und dieses Sich-selbständig-Entwickeln, das hat dann der Mensch mitgemacht, so mitgemacht, daß man eben lernt sich sagen: Der Finger, den ich an mir trage, er ist ja nur so lange ein Finger, als er ein Stück meines Organismus ist; in dem Augenblick, wo ich ihn ab-schneide vom Organismus, ist er nicht mehr der Finger, verkümmert, verkommt er. - So braucht man sich den Menschen als physisches We­sen nur einige Meilen abgetrennt zu denken von dem Erden-Organis­mus - er verkümmert, wie der Finger, den ich abschneide. Und die Täuschung des Menschen, daß er als physisches Wesen gegenüber der Erde ein Eigensein habe, die kommt ja nur davon her, weil der Mensch auf der Erde frei herumgehen kann, während der Finger nicht über den übrigen Organismus spazieren kann. Wenn der Finger über den übrigen Organismus spazieren könnte, würde er sich gerade derselben Täuschung gegenüber dem Menschen hingeben, wie sich der Mensch gegenüber der Erde als physisches Wesen einer Täuschung hingibt. Gerade durch die höhere Erkenntnis wird einem nun diese Zugehörig­keit des physischen Menschen zu der Erde klar.

Das ist zunächst, ich möchte sagen die Bekanntschaft, die man durch das imaginative Bewußtsein macht mit dem Härtesten der Erden-decke.

Eine weitere Bekanntschaft kann man machen, wenn man etwas tie­fer in die Erde hineinkommt, und wenn man in der Erde nun kennen-lernt alles das, was Metalladern sind oder Metallstöcke oder irgend et­was Metallisches im Innern der Erde. Da dringt man unter die Ober­fläche der Erde hinunter. Da aber kommt man, indem man an das Me­tallische herankommt, an ein ganz besonderes, sich von dem übrigen Irdischen absonderndes Wesen. Die Metalle haben etwas Selbständiges

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in sich. Die Metalle lassen sich selbständig erleben. Und dieses Er­lebnis, das hat mit dem Menschen nun sehr, sehr viel zu tun.

Selbst derjenige, der schon zu einer gewissen höheren Erkenntnis im imaginativen Schauen kommt, kennt sich noch nicht recht aus, wetin er das quarzige und andere Gestein des Urgebirges so erlebt, daß er, eins werdend mit den Millionen Augen der Erde, dadurch selber sich hinauslebt, hinausfühlt, hinausempfindet in den ganzen Kosmos. Wenn er aber dann herandringt an das Innere der Erde, können ja zunächst, ich möchte sagen, die ersten Impulse zu einem solchen Erleben da­durch gegeben werden, daß man wirklich sich anregen läßt von den wunderbaren tiefen Anregungen im Metallbergwerke. Aber hat man einmal die Impulse, dann braucht man eben nur das geistige Schauen, um überall das Metallische verfolgen zu können, auch wenn man nicht in die Erdbohrungen hineinkommt.

Aber das erste Gefühl von dem, was ich meine, sollte schon oder kann schon mit besonderer Innigkeit in Metallbergwerken erworben werden. Schon die Metallbergarbeiter - es ist ja jetzt nicht mehr so, aber vor wenigen Jahrzehnten war es noch so - die Metallbergarbei­ter, die innig mit ihrem Beruf verwachsen sind, zeigen etwas von, ich möchte sagen tiefem Sinn für das Geistige im Metallischen. Denn die Metalle schauen nicht nur die Umgebung des Kosmos, sondern sie sprechen: sie sprechen auf geistige Weise, aber sie erzählen, sie spre­chen. Und sie sprechen in der Art, daß diese Sprache, die sie sprechen, ganz ällich ist derjenigen, die man noch auf einem anderen Gebiete als Eindruck empfängt.

Sehen Sie, wenn man dahin gelangt, eine seelische Verbindung her­zustellen mit Menschen, die in der Entwickelung sind zwischen dem Tode und einer neuen Geburt - ich habe es ja schon öfter hier ausge­sprochen -, dann braucht man dazu eine besondere Sprache. Die Aus­sagen der Spiritisten sind ja kindisch auf diesem Gebiete; sie sind kin­disch aus dem Grunde, weil die Toten nicht die Sprache der irdischen Menschen sprechen. Die Spiritisten geben sich der Meinung hin, daß der Tote so rede, daß man das aufschreiben kann, wie wenn man von einem auf der Erde lebenden Zeitgenossen einen Brief bekommt. Es ist zwar meistens schwülstiger, was da bei den spiritistischen Sitzungen

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herauskommt, aber manchmal schreiben ja auch auf Erden lebende Zeitgenossen solche schwülstige Dinge. So ist es eben nicht. Es ist erst notwendig, sich sozusagen ganz in jene Sprache hineinzufinden, die der Tote spricht, die gar keine Ähnlichkeit hat mit irgendeiner der Erden-sprachen, die einen allerdings vokalisch-konsonantischen Charakter hat, aber nicht ähnlich ist der Erdensprache. Aber dieselbe Sprache, die nur mit dem Geistgehör wahrgenommen werden kann, dieselbe Sprache sprechen die Metalle im Innern der Erde. Und dieselbe Spra­che, durch die man sich den Seelen selber nähern kann, die zwischen dem Tode und einer neuen Geburt leben, dieselbe Sprache erzählt die Erinnerungen der Erde, die Dinge, die die Erde durchgemacht hat bei ihrem Durchgang durch Saturn, Sonne, Mond und so weiter. Man muß sich von den Metallen erzählen lassen, was die Schicksale der Erde waren. Die Schicksale des ganzen Planetensystems, ich habe es schon erwähnt, die erzählt einem dasjenige, was der Saturn dem planetarischen Weltensystem, in dem wir sind, mitzuteilen hat. Was die Erde dabei durchlebt hat, davon sprechen die Metalle der Erde.

Die Sprache, welche also die Metalle der Erde sprechen, kann aber auch zwei Formen annehmen. Wenn diese Sprache sozusagen die ge­wöhnliche Form hat, dann kommt eben dasjenige zum Vorschein, was die Erde durchgemacht hat bei ihrem Werden von der Saturnzeit an­gefangen. Was Sie in meiner «Geheimwissenschaft» über dieses Wer­den finden, das ist zum größten Teile eben auf die Weise entstanden, wie ich es ja öfter beschrieben habe. Es ist durch unmittelbare An­schauung der Vorgänge auf geistige Weise entstanden. Das ist eine et­was andere Art des Erkundens der Erdenvorgänge, als diejenige, die ich jetzt meine. Denn die Metalle sprechen mehr - wenn ich mich so ausdrücken darf, es ist natürlich etwas sonderbar ausgedrückt -, die Metalle sprechen mehr von den persönlichen Erlebnissen der Erde, von dem, was die Erde als eine Person des Kosmos erlebt hat. Und so müßte ich, wenn ich die Erzählungen der Metalle, die man durch das geistige Eindringen in das Innere der Erde wahrnehmen kann, mehr berücksichtigen würde, auch noch hinzu schildern viele Details der Sa­turn-, der Sonnen-, der Mondenzeit und so weiter.

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So würde sich dann als erstes zum Beispiel ergeben, daß in diesen Ge­staltungen des Saturn, die Sie ja in meiner «Geheimwissenschaft» be­schrieben finden, Gestaltungen, die in Wärme-Differenzen bestehen, mächtige gigantische Wärmewesen zum Vorschein kommen, Wärme-wesen, welche es schon während der alten Saturnzeit zu einer gewissen Dichtigkeit bringen. Also wenn ich mich grob ausdrücken wollte, könnte ich sagen: wenn es geschehen könnte - es kann ja nicht gesche­hen - aber wenn es geschehen könnte, daß ein Erdenmensch diese We­senheiten antrifft, er würde sie spüren, er würde sie angreifen können. Sie sind also zu einer gewissen Zeit, zu der mittleren Saturnzeit, nicht bloß geistige Wesen, sie sind Wesen, welche physisches Dasein zeigen; nur würde man Brandblasen bekommen, wenn man sie angriffe. Es wäre ein Irrtum, wenn man glauben wollte, sie hätten etwa eine Tem­peratur von Millionen Graden; das ist nicht der Fall, aber sie haben innerlich eine solche Temperatur, daß man Brandblasen bekommen würde vom Angreifen.

Dann würde zu erzählen sein von der Sonnenzeit, wie da in den Ge­bilden, die ich für die Sonnenzeit in meiner «Geheimwissenschaft» beschrieben habe, andere Wesenheiten erscheinen, die wunderbare Verwandlungen, Metamorphosen zeigen. Und man bekommt schon von der Beschauung, von der Betrachtung dieser sich metamorphosie­renden Wesenheiten den Eindruck, daß zum Beispiel jene Metamor­phose, die die klassischen Schriftsteller, meinetwillen der Ovid, be­schrieben haben, etwas zu tun haben mit diesem Erfahren der Mittei­lungen der Metalle; gewiß nicht direkt, unmittelbar. Ovid war gewiß nicht derjenige, der die Sprache der Metalle unmittelbar selbst ver­stand, und was er in seinen Metamorphosen schildert, entspricht auch nicht vollkommen dem Eindrucke, den man empfängt; aber es ist in einer gewissen Weise hergeleitet. Und es kann sogar bis zu einem ho­hen Grad der Vorgang angedeutet werden, der dem zu Grunde liegt.

Sehen Sie, es ist ja sogar Paracelsus, also eine Persönlichkeit, die viel später gelebt hat als diejenige, die ich jetzt meine, um das Wichtigste zu lernen, das er hat lernen wollen, nicht auf die Hochschule gegangen. Ich sage nicht, daß er nicht auf die Hochschule gegangen ist; das ist er schon auch, ich will gar nichts gegen das Gehen auf die Hochschule

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irgendwie einwenden. Aber um das Wichtigste zu lernen, was er hat lernen wollen, ist Paracelsus nicht auf die Hochschule gegangen, son­dern er ist überall dahin gegangen, wo man ihm Bedeutungsvolleres hat sagen können. Und er ist schon noch zu solchen Menschen gegan­gen, wie zum Beispiel zu den Metallbergarbeitern und hat einen gro­ßen Teil seines Wissens auf diesem Wege erlangt.

Derjenige, der, ich möchte sagen, mit der Technik des Wissens-An­eignens etwas bekannt ist, der weiß, wie ungeheuer lichtbringend zu­weilen die einfache Bemerkung eines Landmannes ist, der es zu tun hat mit dem Säen und Ernten und mit all dem, was sich dabei zuträgt. Sie werden sagen: Ja, der versteht ja das nicht. Das braucht Sie ja nicht zu interessieren, ob der, der das sagt, es versteht; verstehen Sie es nur, wenn Sie ihm zuhören. Darauf kommt es an. Gewiß, in den wenigsten Fällen wird der, der das ausspricht, es auch verstehen; es ist ein In­stinkt. Und noch Gründlicheres ist ja zu erfahren von Wesenheiten, die schon gar nichts von dem verstehen, was sie einem sagen: von den Käfern und Schmetterlingen, von den Vögeln und so weiter.

Nun, dasjenige, was namentlich in vorderasiatischen Bergwerken erkundet werden konnte an der Sprache der Metalle, das hat zum Bei­spiel Pythagoras auf seinen Wanderungen sehr, sehr gut studiert, und von da aus ist vieles, vieles in das hineingedrungen, was dann grie­chisch-römische Kultur geworden ist. Und dann erscheint es in abge­schwächter Gestalt in so etwas wie in Ovids Metamorphosen. Das ist dann das eine, die eine Form der Sprache der Metalle im Innern der Erde.

Die andere Form - so grotesk es klingt, es ist eine Wahrheit - die andere Form ist diese, wo die Metallsprache beginnt, kosmische Poesie zu entwickeln, wo sie ins Dichterische übergeht. Da erscheint tatsäch­lich in der Sprache der Metalle kosmische Phantasie. Und dann tönt aus dieser kosmischen Dichtung heraus dasjenige, was die intimsten Be­ziehungen sind zwischen den Metallen und den Menschen. Solche in­timste Beziehungen zwischen den Metallen und den Menschen, sie be­stehen ja. Die groben Beziehungen, die die Physiologie kennt, bezie­hen sich ja eigentlich nur auf einige wenige Metalle. Man weiß, daß das Eisen eine große Rolle im menschlichen Blute spielt; aber von dieser Art von Metallen ist es eigentlich nur das Eisen. Dann spielen noch

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Kalium, Kalzium, Natrium, Magnesium eine gewisse Rolle, also eine gewisse Anzahl von Metallen. Aber eine größere Anzahl von wichti­gen Metallen, wichtig für den Bau der Erde, wichtig für das Funktio­nieren der Erde, spielen für die grobe äußere Beobachtung scheinbar keine Rolle im menschlichen Organismus. Aber das ist eben nur schein­bar. Wenn Sie in die Erde hineingehen, dort kennenlernen die Sprache der Metalle, dann lernen Sie auch erkennen, wie die Metalle wahrhaf­tig nicht bloß im Innern der Erde sind, sondern wie sie sind, allerdings in einer ungeheuer feinen Verteilung, wenn ich mich so ausdrücken darf, in einer überhomöopathischen Verteilung überall auch in der Umgebung der Erde.

Und sehen Sie, im groben Sinne können wir kein Blei in uns haben; im feinen Sinne können wir nicht ohne Blei sein. Denn was wäre der Mensch, wenn Blei aus dem Kosmos, aus der Atmosphäre nicht auf ihn wirken würde, wenn Blei nicht in unendlich feiner Verteilung selbst mit dem Sonnenstrahl durch sein Auge in seine Haut dränge, wenn Blei nicht durch die Atmung in uns eindränge und in unendlich feiner Verteilung durch die Nahrungsmittel? Was wäre der Mensch, ohne daß das Blei in ihm wirkte?

Der Mensch würde Sinneswahrnehmungen haben ohne das Blei; er würde die Farben wahrnehmen, er würde die Töne wahrnehmen, aber er würde in diesem Wahrnehmen der Farben, der Töne so leben, wie wenn er ein bißchen außer sich kommen würde, etwas ohnmächtig würde bei jeder Wahrnehmung. Der Mensch würde niemals zurück-treten gegenüber seinen Wahrnehmungen und sich besinnen können in Gedanken, in Vorstellungen auf dasjenige, was er wahrgenommen hat. Nähmen wir nicht Blei auf in, wie gesagt, überhomöopathischen Verdünnungen gerade in unser Nervensystem und am meisten in un­ser Gehirn, so würden wir hingegeben sein an alle Sinneswahrnehmun­gen wie an etwas außer uns. Wir würden nicht vorstellen können diese Sinneswahrnehmungen, würden auch nicht in uns die Gedächtnisvor-stellungen ohne die Sinneswahrnehmungen bewahren können. Das macht das fein verteilte Blei in unserem Gehirn.

Blei in größerer Menge in den menschlichen Organismus einge­führt, gibt ja die schreckliche Bleivergiftung. Aber derjenige, der den

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Zusammenhang kennt, der kann gerade aus der Bleivergiftung erse­hen, daß das Blei, weil es, in größerer Menge dem menschlichen Orga­nismus zugeführt, außerordentlich schädlich wirkt, in feinster, über­homöopathischer Verteilung gerade dasjenige ist, was den Menschen in jedem Augenblick soviel absterben macht, als er nötig hat abzuster­ben, damit er ein bewußtes Wesen sein kann und nicht in fortwähren­dem Sprießen, Sprossen, Wachsen und Gedeihen sich fortwährend ohnmächtig mache. Denn im Sprießen, Sprossen, im Überwältigtsein von den reinen Wachstumskräften kommt der Mensch eben in Ohn-machten hinein.

Es ist also so, daß der Mensch zu allen Metallen, auch zu denjenigen, von denen die grobe Physiologie nicht spricht, seine Beziehungen hat. Die Kenntnis dieser Beziehungen ist die Grundlage für eine wirkliche, echte, wahre Therapie. Und intim unterrichten über die Beziehungen der Metalle zum Menschen kann nur die Sprache, welche die poetische Sprache der Metalle in der Erde ist. So daß man sagen kann: Über das eigene Schicksal der Erde unterrichtet die gewöhnliche Sprache der Metalle; über die Heilbeziehungen der Metalle zum Menschen unter­richten die Metalle, wenn sie poetisch werden in ihrer Sprache, dich­terisch werden.

Das ist eigentlich ein merkwürdiger Zusammenhang. Vom kosmi­schen Aspekt aus ist die Medizin kosmische Poesie, wie überhaupt viele Geheimnisse der Welt darin bestehen, daß dasjenige, was auf ei­nem Niveau der Welt etwas Krankhaftes ist oder zum Krankhaften führt, auf dem anderen Niveau ein Höchstes, ein Vollkommenstes, ein Schönstes ist. - Nun, das stellt sich dar, wenn die inspirierte Erkenntnis herandringt an die Metalladern der Erde, an das Metallische der Erde.

Nun können wir aber noch in ein anderes Verhältnis zu den Metal­len treten. Wir können in das Verhältnis zu den Metallen treten, das sich uns zeigt, wenn die Metalle den Naturkräften, zum Beispiel dem Feuer oder ähnlichen Naturkräften, unterworfen werden. Betrachten Sie nur einmal, wie merkwürdig der sogenannte Grauspießglanz, ein Erz, geformt ist. Er ist so zusammengesetzt aus einzelnen Spießen und zeigt durch diese seine Gestaltung, daß er gewissen Kraftrichtungen in seiner Bildung folgt, Kraftrichtungen, die da im Kosmos wirksam

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sind. Dieser Grauspießglanz, Antimonglanz, hat auch noch die Eigen­schaft, daß er zum Beispiel bei gewissen Prozessen zum Antimonspie­gel wird, wo er in einer eigenartigen Weise, wenn er, nachdem er einen Feuerprozeß, Wärmeprozeß durchgemacht hat, sich ansetzt an einem Glas, dann spiegelnd wird und eine besondere Kraft in diesem Spiegeln

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entwickelt. Er zeigt auch noch andere Eigenschaften, zum Bei­spiel Explosionen, wenn man ihn in einer gewissen Weise elektrisch behandelt und dann an die Kathode bringt. Alle diese Eigenschaften des Grauspießglanzes, die zeigen einem, wie eine solche metallische Substanz sich den Kräften der Erde, der Erdenumgebung gegenüber verhält. Das aber läßt sich bei allen Metallen beobachten. Es lassen sich alle Metalle im Feuer beobachten, und gerade im Feuer entwickeln sie sich ja so bei einer immer höheren und höheren Temperatur, daß sie zunächst in jenen überhomöopathischen Zustand übergehen, von dem ich gesprochen habe. Nur bleiben sie nicht bei ihrer hohen Tempera­tur, sondern sie nehmen eine ganz andere Form an. Es ist in dieser Be­ziehung ja das Allerschematischste, das man sich vorstellen kann, was sich unsere Physiker vorstellen. Der Physiker stellt sich vor, wenn er Blei schmilzt, so wird das Blei immer weicher. Das ist ja auch richtig zunächst; es wird immer weicher und weicher, die Temperatur wird immer höher und höher, es wird eben auch das Blei immer heißer und

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heißer, dabei immer flüchtiger und flüchtiger, man bekommt Blei­dämpfe und so weiter. Daß da immerfort etwas sich absetzt, etwas sich ablöst, was überhaupt nicht mehr bis über eine gewisse Temperatur hinauf geht, das weiß man nicht. Gerade das Feinste, Überhomöopa­thische des Bleies geht fortwährend über in, ich möchte sagen das all-gemeine unsichtbare Leben und ist dann dasjenige, was auf den Men­schen wirkt.

Und es ist eigentlich fortwährend die Sache so. Wenn Sie sich die Erde vorstellen: da unten haben Sie die verschiedensten Metalle, aber in fein verteiltem Zustand sind diese Metalle auch überall da droben; ich möchte sagen, in einer feinen Weise verdunsten die Metalle. Da unten also unter der Erde sind die Metalle in Begrenzungskonturen, in einer in sich geschlossenen Gestalt, wenn wir weiter hinunter kommen

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allerdings in feuerig-flüssiger Art; aber in der Umgebung der Erde sind sie in fein verteiltem Zustande, und da zeigen sie sich in einem fortwährenden Strahlen, so daß eigentlich ein Strahlen in den Welten-raum hinausgeht. Die Metalle strahlen in den Weltenraum hinaus.

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Aber das ist so, daß da eine innere Elastizität ist im Weltenraum. Die Kräfte, die da hinausdrlngen, dringen nämlich nicht, wie die Physiker es sich von Lichtstrahlen vorstellen, überall ohne Grenze hin, sondern sie gehen nur bis zu einer gewissen Grenze und kommen dann wieder zurück. Und man kann die Rückstrahlkräfte der Metalle so schauen, als ob sie von der Peripherie des Weltenalis zurückkämen, überall hin-kämen. Und man merkt, daß diese zurückstrahlenden Kräfte tätig sind da, wo uns innerhalb des Menschenlebens eigentlich das Herrlichste, Wunderbarste entgegentritt: wenn das Kind gehen, sprechen und den­ken in der ersten Zeit des Erdenlebens lernt.

Namentlich die Art und Weise, wie das Kind vom Kriechen sich aufrichtet zum Orientieren in der Welt, das gehört zu dem Wunderbar­sten, das man beobachten kann im Erdenleben, dieses Zu-sich-Kom­men des Kindes, des Menschen. Da wirken innerlich in den Kräften, die ich ja oftmals geschildert habe für dieses Orientieren des Kindes, da wirken innerlich die Rückstrahlkräfte der Metalle. Und indem das Kind lernt, von seiner Horizontal-Lage im Kriechen sich aufzurichten, wird es durchstrahlt von der metallischen Rückstrahlungskraft. Die richtet eigentlich das Kind auf. Durchschaut man diesen Zusammen­hang, dann hat man zu gleicher Zeit einen anderen Moment. Das ist der, daß man den Zusammenhang des Menschen, wie er hier auf Erden lebt in seinem Tun, in seinem Wesen, mit seinem früheren Erdenleben kennenlernt. Es sind dieselben Fähigkeiten, zu durchschauen die Wir­kungsweise der Metalle im Kosmos und die karmische Verbindung der aufeinanderfolgenden Erdenleben. Das eine kommt mit dem ande­ren, und das eine ist nicht ohne das andere da. Das sind dieselben Fä­higkeiten. Und deshalb ist es, daß ich einmal in einem ganz anderen Zusammenhange vor Ihnen etwa sagte: In dieser Orientierungskraft, in diesem Sichaufrichten des Kindes vom Kriechen zum Gehen, zum Stehen, in diesem Sprechenlernen, Denkenlernen liegt dasjenige, was aus früheren Erdenleben hereinwirkt. Ich drückte es damals so aus:

Wer einen Sinn hat dafür, der sieht in der Art, wie das Kind seine er­sten Schritte macht, wie es auftritt, ob es die Neigung bekommt, mit den Zehen, ob es die Neigung bekommt, mit den Fersen zuerst aufzu-treten. ob es die Knie in dieser oder jener Weise mehr oder weniger

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stark beugt - in all dem sieht derjenige, der dafür ein Auge hat, eine karmische Bestimmtheit aus einem früheren Erdenleben; das zeigt sich zunächst im Gange. Ich stellte es einmal dar. Das ist aus dem Grunde, weil mit der Fähigkeit, die Rückstrahlungskraft der Metalle zu schau­en, auch die Fähigkeit auftritt, den Zusammenhang des Menschen in seinem gegenwärtigen Erdenleben mit früheren Erdenleben zu durch­schauen.

Es ist schon so, daß es wirklich recht unbegründet ist, wenn die Leute sagen: Anthroposophie läßt sich nicht beweisen. Sie sind ge­wöhnt, so zu beweisen, daß überall die sinnliche Wahrnehmung als Beweis aufgezeigt wird. Das ist geradeso, wie wenn einer sagt: Was, du erzählst mir, daß sich die Erde frei im Weltenraum bewegt? Das ist doch nicht möglich; sie muß doch einen Untersatz haben, sie muß doch auf etwas draufliegen, sonst fällt sie ja herunter. - Ja, die Weltenkör-per tragen sich eben gegenseitig. Und nur für die Verhältnisse auf der Erde kann man sagen, daß alles einen Untersatz haben muß. So kann man nur für die Wahrheiten, die dem gewöhnlichen Bewußtsein ange­hören, sagen, daß man Beweise entwickeln muß, so wie man eben ver­langt, daß man beweisen soll. Die Wahrheiten, die sich auf den Geist beziehen, die tragen sich eben gegenseitig. Aber man muß nur auch spüren dieses gegenseitige Tragen.

Vor Wochen habe ich Ihnen gesagt, wie man schaut aus der Art und Weise, wie das Kind, oder der Mensch überhaupt, geht, ob er die Ze­hen oder die Ferse zuerst aufhebt, stark oder leise auftritt, ob er das Knie stark beugt oder mehr in der Gewohnheit hat, stramm zu stehen und so weiter: daß man darinnen die Verwirklichung seines Karmas aus dem früheren Erdenleben sieht. Heute zeige ich Ihnen, wie die Rück­strahiekraft der Metalle einen befähigt, zu erkennen, wie die Erden-leben zusammenzuschauen sind. Daraus ersehen Sie zwei Wahrhei­ten, die sich gegenseitig tragen. Aber immer ist es ja so, daß wir ein­mal eine Wahrheit hören, dann kommen andere Dinge dazwischen, dann hören wir einmal wiederum dieselbe Wahrheit von einem anderen Gesichtspunkte aus, vielleicht noch ein drittes Mal, und so stützen sich die Wahrheiten der Anthroposophie, wie sich im Kosmos, ohne daß sie Untersätze haben, die Himmelskörper gegenseitig tragen und halten.

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Das muß schon so sein, wenn man aufsteigt von den Wahrheiten, die nur für das gewöhnliche Bewußtsein gelten, zu denjenigen Wahr­heiten, die für sich selbst wesenhaft in der Welt dastehen. Und wesen­haft in der Welt steht dasjenige da, was eben gefaßt werden soll in anthroposophischer Erkenntnis.

Da muß man eben zusammenhalten dasjenige, was zu den verschie­densten Zeiten gesagt wird, und was sich wirklich auch gegenseitig trägt, gegenseitig anzieht, gegenseitig sich wohl auch abstößt, damit aber das innere Leben der anthroposophischen Erkenntnis zeigt. Denn die anthroposophische Erkenntnis lebt durch sich. Die anderen Er­kenntnisse, die heute gang und gäbe sind, leben durch ein anderes, durch ihre Untersätze, auf denen sie draufstehen. Sie tragen sich, die anthroposophischen Erkenntnisse, durch sich selbst.

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FÜNFTER VORTRAG Dornach, 1. Dezember 1923

Durch dasjenige, was ich gestern sagte, ergibt sich die Möglichkeit, manche von jenen Ereignissen, die im Laufe der Erdenentwicke­lung geschehen sind und die jetzige Gestalt unserer Erde bewirkt ha­ben, noch genauer zu besprechen. Sie erinnern sich, daß ich sagte, man kann schauend-erkennend in ein gewisses Verhältnis kommen zu der Metallität der Erde, zu all dem, was in der Erde wesenhaft dadurch ist, daß die Erde durchzogen ist von Metalladern, daß über­haupt diese Erde in sich trägt das Metallische, das verschiedenartige Metallische. Diese Verwandtschaft, in die man eingehen kann mit dem Metallischen der Erde, die gibt einem die Möglichkeit, zurückzu­schauen auf das, was mit der Erde geschehen ist.

Nun ist es ja ganz besonders interessant, auf dasjenige zu schauen, was mit unserer Erdenentwickelung sich vollzogen hat ungefähr in den Zeiten, die der atlantischen Entwickelung vorangegangen sind, die ich in einer etwas äußerlichen Weise das lemurische Zeitalter ge­nannt habe, und auch noch auf dasjenige hinzuschauen, was in dem nächst vorangehenden Zeitenraum liegt, wo die Erde das Sonnensta­dium wiederholte. Während der lemurischen Zeit hat sie das Monden­stadium wiederholt. Auf alle diese Ereignisse ist es interessant zurück­zuschauen, denn man bekommt dadurch einen Eindruck davon, wie wandelbar alles im Gebiete des Erdendaseins ist.

Wir sind ja gewohnt heute, die Erde gewissermaßen als abgeschlos-sen in der Form anzusehen, wie sie heute dem Menschen entgegentritt. Wir leben als Menschen auf dem Kontinente, sind da umgeben von dem, was die Erde zu tragen vermag an Pflanzen, an Landtieren, an Lufttieren und so weiter. Wir wissen, daß wir selbst in einer Art von Luftmeer der Atmosphäre leben, die die Erde umgibt; daß wir aus die­sem Luftmeer den Sauerstoff in uns aufnehmen, daß aber auch unser Verhältnis zum Stickstoff eine gewisse Rolle spielt. Aber wir stellen uns im allgemeinen vor, daß uns da eben der Luftkreis umgibt, beste­hend aus Sauerstoff und Stickstoff. Wir schauen dann hin auf die Ozeane,

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auf die Meere und bekommen eben - weitere Einzelheiten brau­che ich ja nicht zu erwähnen - ein Bild dessen, was wir als den Planeten vorstellen, den wir im Weltenall bewohnen. Nun sehen Sie, so wie da die Erde jetzt ist, war sie aber nicht immer, sondern sie hat sogar sehr starke, gewaltige Verwandlungen durchgemacht. Gehen wir zu den Zeiträumen, auf die ich eben jetzt hingedeutet habe, zurück, gehen wir nur ins lemurische Zeitalter und etwas weiter zurück, dann finden wir eine ganz andere Erdbeschaffenheit als jetzt.

Gehen wir aus von dem Luftkreis, in dem wir jetzt leben, und den wir selber als unlebendig, als leblos ansehen. Schon dieser Luftkreis stellt sich uns als ein ganz anderes dar. Und wenn wir weiter zurückgehen, da haben wir auch in dieser ältesten Zeit der Erdenentwickelung schon so etwas zu beobachten, wie heute der feste Erdkern gewissermaßen ist, um den herum der Luftkreis ist. Solch eine ähnliche Zeichnung würde sich schon auch ergeben für diese älteren Zeiten; aber es kann gar nicht die Rede davon sein, daß für diese älteren Zeiten irgendwie so etwas da ist in der großen Sphäre, die ich gezeichnet habe, wie heute die von uns einzuatmende Luft. In der von uns heute einzuatmenden Luft spielen der Sauerstoff und der Stickstoff die hervorragendste Rol­le; und eine geringere Rolle spielt da der Kohlenstoff, spielt da der Wasserstoff; eine noch unbedeutendere Rolle spielt der Schwefel oder gar der Phosphor.

Nun ist es gar nicht möglich eigentlich, für diese älteren Zeiten von Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Schwefel und so weiter zu sprechen, einfach weil es das, was heute der Chemiker mit diesen Namen be­zeichnet, für diese ältere Zeit gar nicht gibt.

Sehen Sie, irgendein Geistwesen der damaligen Zeit, dem ein heuti­ger Chemiker entgegentreten und von Kohlenstoff, Sauerstoff, Stick­stoff und so weiter sprechen würde, das würde sagen: So etwas gibt es nicht. Denn so wahr es eine Möglichkeit gibt, von diesen Dingen heute zu reden, so wenig gab es eine Möglichkeit in der damaligen Zeit, von diesen Dingen zu reden. Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, wie wir heute davon sprechen, sind als solche nur möglich, wenn die Erde eben eine bestimmte Dichte erreicht hat und solche Kräfte hat, wie sie sie heute hat. Sauerstoff, Stickstoff, Kalium, Natrium und so weiter, die

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gesamten weniger schweren sogenannten Metalle, die gab es in jener älteren Zeit gar nicht. Dagegen gab es in dieser Etdenumgebung, hier in diesem Umkreis, der dazumal das bildete, wofür wir heute den Luft-kreis setzen, etwas, was ungeheuer feinflüssig war, so zwischen unse­rem heutigen Wasser und der Luft in der Mitte; feinflüssig war es, aber in seiner Feinflüssigkeit war es ähnlich dem Eiweiß. So daß eigentlich die Erde dazumal ganz umgeben war von einer Eiweiß-Atmosphäre. Das heutige Eiweiß im Hühnerei ist viel gröber, aber es läßt sich schon damit vergleichen.

Diese Erdenumgebung, die ist so geartet, daß, als später die Erde dichter wurde, da trennte sich heraus, differenzierte sich heraus aus die­ser Umgebung, was wir heute als Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und so weiter bezeichnen. Aber das war da drinnen nicht so, daß man sagen kann, diese damalige Eiweiß-Atmosphäre war daraus zusammengesetzt; denn es hatte diese einzelnen Stoffe nicht als Teile. Heute denkt man sich überhaupt bei allem: es sei zusammengesetzt; aber das ist ein Unsinn. Dasjenige, was man als gewisse höher geartete Substanzen kennt, das ist nicht immer aus dem zusammengesetzt, was dann erscheint, wenn man es analysiert; sondern die Dinge hören auf, in der höheren Substanz darinnen zu sein. Der Kohlenstoff ist da drin­nen nicht Kohlenstoff, der Sauerstoff nicht Sauerstoff und so weiter, sondern das ist eine höher geartete Substanz. Und wie gesagt, eigen­schaftlich kann ich sie als sehr, seht flüssiges Eiweiß bezeichnen. Aber diese ganze, die Erde damals umgebende Substanz war durchdrungen vom Weltenall herein mit kosmischem Äther, der diese ganze Sub­stanz belebte. So daß wir den kosmischen Äther uns vorzustellen ha­ben als hereinragend in diese Substanz und sie belebend.

Dadurch, daß dieser kosmische Äther hereinragte, dadurch lebte diese Substanz. Sie lebte aber nicht nur, sondern sie differenzierte sich in eigentümlicher Weise. Da erschien an einer Stelle einmal ein größe­res Gebilde, in dem man ersticken konnte; an einer anderen Stelle er­schien ein größeres Gebilde, in dem man besonders regsam hätte auf­leben können, wenn man als Mensch schon hätte da sein können und so weiter. Es waren da nicht chemische Elemente im heutigen Sinne drin­nen, aber es entstanden solche Bildungen, die an die Wirkungen der

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chemischen Elemente von heute erinnern. Dann war das Ganze von Licht-Spiegelungen, Licht-Erglänzungen, Licht-Erstrahlungen, Licht­Erfunkelungen durchsetzt. Und endlich war das Ganze vom Welten-äther durchwärmt.

Das alles waren Eigenschaften der damaligen Erd-Atmosphäre, wenn ich den heutigen Ausdruck gebrauchen darf. Das erste, was nun aus dem Kosmos herein sich bildete, das ist das, was ich gestern beschrie­ben habe: die ersten Urgebirge. Die bildeten sich aus dem Kosmos her­ein. So daß die Quarze, die Sie draußen im Urgebirge finden in ihrer schönen Gestalt, in ihrer relativen Durchsichtigkeit, gewissermaßen vom Weltenall in die Erde herein gebildet sind. Deshalb ist es ja, daß, wenn sich heute der imaginativ Schauende in diese Urgebirgsgesteine, in diese heute härtesten Gestaltungen der Erde hinein versetzt, so sind sie ihm die Augen hinaus nach dem Weltenall. Aber das Weltenall hat auch diese Augen der Erde eingesetzt; sie sind da nun drinnen. Das Wel­tenall hat sie der Erde eingesetzt. Nur war das Quarzige, das Kiesel­säure-Ähnliche, das da in die ganze Atmosphäre hereindrang und sich all­mählich ablagerte als Urgebirge, nicht so hart wie heute. Das ist erst spä-ter, durch die späteren Verhältnisse, dieser Erhärtung, in der es heute dasteht im Urgebirge, anheimgefallen. Das alles, was sich da hereinbil­dete aus demWeltenall, war in der damaligen Zeit kaum härter als Wachs.

Also, wenn Sie heute ins Urgebirge gehen und einen Quarzkristall sehen, der so hart ist - ich habe gestern an anderer Stelle gesagt: der Schädel würde zwar kaputtgehen, aber der Quarz nicht, wenn Sie dar-an stoßen -, so war das alles dazumal durch das Leben, das in alles hineinragte, weich wie Wachs, richtig weich wie Wachs, so daß man also sagen könnte: Als träufelndes Wachs aus dem Kosmos kommen die Urgebirgsgesteine. Und das alles ist durchsichtig, wie es aus dem Kosmos da herein sich schiebt, kann in seiner relativen Härte, in seiner Wachshärte eben nur beschrieben werden so, daß man den Tastsinn darauf anwendet: man würde es spüren, wenn man es angreifen könn­te, wie man Wachs spürt.

So also setzt sich das Urgebirge aus dem aus dem Kosmos hereinge­träufelten Wachs ab, verhärtet sich dann. Kieselsäure hat Wachsform in der Zeit, in der sie sich aus dem Kosmos in die Erde herein versetzt.

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Und dasjenige, was heute mehr geistig vorhanden ist, und was ich Ihnen gestern beschrieben habe, daß man in diesem dichten Gestein, wenn man sich hineinversetzt, Bildet des Kosmos hat, das war dazumal ganz anschaulich da, und zwar so da, daß, wenn da solch eine Partie -verzeihen Sie, daß ich den Ausdruck gebrauche, aber er bezeichnet ja ei­gentlich das Richtige - Wachskiesel herankam in seiner Durchsichtig­keit, so konnte man in ihm etwas unterscheiden wie eine Art Pflanzen-bild. Wer sich umgesehen hat in der Natur, der wird ja wissen, daß, man möchte sagen wie Merkzeichen an eine alte Zeit, so etwas sich schon heute in der mineralischen Welt findet. Man findet Gesteine, man nimmt sie in die Hand, man schaut sie an und Sie haben in ihnen so etwas, wie wenn in ihrem Innern ein Pflanzenbild wäre. Das war aber dazumal etwas ganz Gewöhnliches, was in die Atmosphäre, in diese Eiweiß-Atmosphäre hereinkam, mitgeschoben gewissermaßen wie Bilder, die nicht nur gesehen wurden, sondern wie Bilder, die im Innern dieses Wachskörpers abphotographiert waren, aber körperlich abphotographiert waren - daß damit diese Bilder aus dem Kosmos hereingeschoben wurden.

Und dann gestaltete sich das Eigentümliche heraus, daß das flüssige Eiweiß, das da war, diese Bilder ausfüllte; dadurch wurden sie wieder­um etwas härter, etwas dichter; sie waren dann nicht mehr Bilder. Das Kieselige fiel von ihnen weg, zerstreute sich in die übrige Atmosphäre, und wir haben in der ältesten lemurischen Zeit die mächtigen schwim­menden, an unsere heutigen Algen erinnernden Pflanzenbildungen, die nicht im Boden eingewurzelt waren - ein solcher Boden war überhaupt noch nicht da -, die in diesem flüssigen Eiweiß, aus dem sie ihre eigene Substanz herausbildeten, mit der sie sich durchdrangen, die in diesem flüssigen Eiweiß drinnen schwammen, aber nicht nur schwammen, sondern die Sache war so, daß sie aufglänzten, möchte ich sagen, auf-leuchteten, dann wieder vergingen, wieder da waren, wieder vergin­geni Sie waren wandelbar; wandelbar bis zu dem Grade, daß sie ent­standen und verschwanden.

Stellen Sie sich das recht vor. Es ist im Grunde genommen ein Bild, das von dem Heutigen, was wir in unserer Umgebung haben, sehr ver­schieden ausschaut. Wenn man als heutiger Mensch sich in die damalige

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Zeit versetzen könnte, sagen wir solch ein Schilderhäuschen ir­gendwo hinstellen könnte und sich da beobachtend hineinsetzen könnte, wie es heute unsere Freunde haben, die die Wache hier am Goetheanum leisten, und da hinausschauen könnte in jene alte Welt, da würde man überall sehen: da taucht auf ein Pflanzenbild, ein mäch­tiges Pflanzenbild, wie gesagt unseren heutigen Algen oder auch Pal­men ähnlich, aber es schießt auf - es wächst nicht aus der Erde im Frühling heraus und vergeht im Herbste, sondern es schießt, in der Frühlingszeit erscheinend, heraus - die Frühlingszeit ist viel kürzer -und dann erlangt es seine Mächtigkeit, dann verschwindet es wieder­um im flüssig-eiweißähnlichen Elemente. Diesen Anblick des immer

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Ergrünenden und immer wiederum Vergrünenden würde ein solcher Beobachter haben. Und er würde nicht sprechen von den Pflanzen, die die Erde bedecken, sondern er würde sprechen von den Pflanzen, die wie Luftwolken aus dem Kosmos herein erscheinen, dicht werden, sich auflösen - ein Ergrünendes in der Eiweiß-Atmosphäre. Und man würde von dem, was unserem heutigen Sommer etwa entsprechen würde, sagen: Es ist die Zeit, in der die Erdenumgebung ergrünt. Man würde aber zu dem Grün mehr hinaufschauen als hinunterschauen. So daß man auf diese Art die Vorstellung bekommt, wie das Kieselige der Erd-Atmosphäre hereinzieht in das Irdische und die Pflanzenkraft, die eigentlich draußen im Kosmos ist, an sich heranzieht; wie die Pflan­zenwelt aus dem Kosmos auf die Erde herunterkommt. Aber in der Periode, von der ich da spreche, ist es eben durchaus so, daß man sagen muß: Diese Pflanzenwelt, sie ist ein in der Atmosphäre Entstehendes und Vergehendes.

Und man muß noch etwas anderes sagen: Wenn man heute Mensch ist und eben durch die Verwandtschaft mit der Metallität der Erde sich zurückversetzt in jene Zeiten, dann ist es einem so, als ob das alles zu einem selber gehörte, als ob man etwas zu tun hätte mit dem, was da­zumal in der Atmosphäre ergrünte und vergrünte. Wirklich, wenn man sich heute an seine eigene Kindheit erinnert, so ist das die Erinne­rung an eine kurze Spanne Zeit. Aber wenn Sie sich an einen Schmerz, den Sie in der Kindheit durchgemacht haben, erinnern, so ist das etwas, was zu Ihnen gehört. So wird in diesem durch die Metallität der Erde angeregten kosmischen Zurückerinnern dieser Vorgang des Ergrü­nens und Vergrünens wie etwas, das zu Ihnen selbst gehört. Man war dazumal schon als Mensch mit der Erde, die in dieser wäßrigen Ei-weiß-Atmosphäre lebte, verbunden, aber so, daß man als Mensch noch ganz geistig war. Aber man drückt ein Richtiges aus, wenn man sagt -es ist so, daß man zugleich die Vorstellung gewinnen muß -: Diese Pflanzen, die man da in der Atmosphäre sieht, die sind für die damallge Zeit Abscheidungen, Absonderungen des Menschlichen. Der Mensch setzt das aus seiner Wesenheit, die noch mit der ganzen Erde eines ist, heraus. Und er muß diese Vorstellung noch für etwas ganz anderes ha­ben, was er da heraussetzt. Es geschieht nämlich auch folgendes. Alles,

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was ich bisher beschrieben habe, das ist dadurch bewirkt, daß schon früher das Kieselsäureartige in der Atmosphäre abgesetzt ist in der Wachsform, von der ich gesprochen habe. Aber sonst ist ja überall diese Eiweiß-Atmosphäre da. Auf die wirkt der Kosmos; auf die wirken die unendlich mannigfaltigen Kräfte, die vom Kosmos überall auf die Erde niederstrahlen, jene Kräfte, von denen unsere heutige Erkenntnis gar nichts wissen will. Daher ist unsere heutige Erkenntnis eben gar keine wirkliche Erkenntnis, weil das Mannigfaltigste, was auf der Erde vor­geht, eben nicht vorgehen würde, wenn es nicht überall von kosmi­schen Impulsen und kosmischen Kräften bewirkt wäre. Indem nun der heutige Gelehrte gar nicht von diesen kosmischen Kräften spricht, spricht er überhaupt nicht von der Wirklichkeit. Er nimmt ja nirgends Rücksicht auf dasjenige, was eigentlich lebt. Selbst in dem kleinsten Präparat, das man durch irgendein Mikroskop ansieht, leben nicht nur irdische, leben kosmische Kräfte. Und ohne daß man auf diese Rück­sicht nimmt, hat man nicht die Wirklichkeit.

So wirkten also dazumal die kosmischen Kräfte auf dieses flüssige Eiweiß in der Erdenumgebung. Und diese kosmischen Kräfte wirkten auf manche Partien dieses Eiweißes so, daß sie es wie gerinnen machten, sodaß man kosmisch geronnenes Eiweiß da überall sah. Das schwamm da drinnen: kosmisch geronnenes Eiweiß. Aber das waren nicht be­liebige Wolken, dieses kosmisch geronnene Eiweiß, sondern das war Lebendiges in bestimmten Formen. Es waren eigentlich Tiere, die aus diesem geronnenen Eiweiß bestanden, das sich bis zu der Dichtigkeit von Gallerte, ja bis zu der Dichtigkeit unserer heutigen Knorpelmasse herausbildete. Solche Gallert-Tiere, die waren in dieser flüssigen Ei-weiß-Atmosphäre. Sie hatten die Gestalt, welche im kleinen vorhan­den ist bei unseren Reptilien, bei unseren Eidechsen und dergleichen; aber sie waren eben nicht von einer solchen Dichtigkeit, sondern sie waren in dieser gallertartigen Masse vorhanden, und sie waren in sich beweglich. Bald hatten sie lange Gliedmaßen, bald waren die Glied­maßen wieder in sich zusammengezogen; kurz, alles an ihnen war so, wie es an der Schnecke ist, die ihre Fühler einziehen kann.

Nun sehen Sie, während dieses da draußen sich bildete, war aber in der Erde schon außer dem Kieseligen aus dem Weltenall abgesetzt dasjenige,

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was Sie heute als Kalkbestandteile der Erde finden. Wenn Sie nicht ins Urgebirge gehen, sondern wenn Sie einfach in den Jura hin­ausgehen, so haben Sie dieses Kalkgestein. Dieses Kalkgestein ist spä­ter, aber es ist auch aus dem Kosmos geradeso wie das Kieselige an die Erde herangekommen, so daß wir also als Zweites das Kalkige in der Erde hier haben.

Aber dieses Kalkige sickert immerfort hinein, und im wesentlichen bewirkt dieses Kalkige, daß die Erde in ihrem Kern immer dichter und dichter wird. Und es gliedert sich dann dem Kalkigen in bestimmten Lokalitäten das Kieselige ein. Aber dieses Kalkige, das behält die kos­mischen Kräfte. Der Kalk ist noch etwas ganz anderes als die grobe Materie, als die ihn die heutigen Chemiker vorstellen. Der Kalk ent­hält überall verhältnismäßig nicht herauskommende Gestaltungs kräfte.

Und nun ist es eigentümlich: wenn wir in eine etwas spätere Zeit gehen, als diejenige ist, die ich Ihnen da für das Hereinkommen des Ergrünens und Vergrünens beschrieben habe, da finden wir, daß diese ganze Eiweiß-Atmosphäre eigentlich ein fortwährendes Hinauf- und Hinabgehen des Kalkes hat. Es bildet sich Kalkdunst und wiederum Kalkregen. Die Erde hat eine Zeit, wo dasjenige, was heute bloß ver­dunstetes Wasser und herunterfallender Regen ist, kalkhaltige Sub­stanz ist, die hinaufgeht und wieder heruntergeht, sich hebend und senkend. Und da entsteht das Eigentümliche: dieser Kalk, der hat eine besondere Anziehungskraft zu diesem Gallert, zu diesen Knorpelmas­sen. Die durchdringt er, die imprägniert er mit sich selber. Und durch die Erdenkräfte, die in ihm sind - ich sagte Ihnen, die Erdenkräfte sind in ihm-, löst er die ganze Gallertmasse auf, die sich da als geronnenes Eiweiß gebildet hat. Der Kalk nimmt dem Himmel das, was der Him­mel in der Eiweiß-Substanz gebildet hat, weg und trägt es näher an die Erde heran. Und daraus entstehen dann allmählich die Tiere, die kalk­haltige Knochen haben. Das ist etwas, was in der späteren lemurischen Zeit sich ausbildet.

So daß wir in den Pflanzen zuerst in ihrer ältesten Gestalt zu sehen haben reine Himmeisgaben, und in den Tieren und in aller tierischen Bildung etwas zu sehen haben, was die Erde, nachdem ihr der Him­mel den Kalk gegeben hat, dem Himmel abgenommen hat - wirklich

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richtig wegstibitzt! - und zu einem Erdengebilde gemacht hat. Das sind die Dinge, die einem aus dieser ältesten Zeit so merkwürdig ent­gegentreten, und mit denen man sich durchaus verbunden fühlt, so, daß man nun auch diesen ganzen Vorgang als einen Vorgang des sozusa­gen in den Kosmos erweiterten Menschenwesens empfindet.

Solche Dinge klingen natürlich paradox, weil sie ja eine Wirklich. keit berühren, von der der heutige Mensch sich gewöhnlich keine Vor­stellung macht, aber sie enthalten die volle Wahrheit. Nicht wahr, es ist heute einer absoluten Wirklichkeit entsprechend, wenn man aus dem Gedächtnis heraus sagt: Als ich ein neunjähriger Junge oder ein neunjähriges Mädchen war, da habe ich meinen Freund oder meine Freundin manchmal ordentlich durchgeprügelt. Das ist etwas, was in­nerlich aufsteigt. Man kann darüber erfreut sein oder nicht, man kann darüber Schmerz empfinden, aber es steigt eben innerlich auf. So steigt in diesem durch die Verwandtschaft mit dem Metallischen erweiterten Menschenbewußtsein, das ein Erdenbewußtsein wird, auf: Du hast, indem du deine ganze Wesenheit vom Himmel auf die Erde herein ge­bildet hast, beim Heruntergehen die Pflanzen von dir abgesondert. Die sind eine Absonderung von dir. Du hast auch das Tierwesen abgeson­dert; in der Form geronnener Gallerte oder Knorpelmasse hast du ge-wollt zunächst, daß es ein Absonderungsprodukt von dir werde. Da hast du aber merken müssen, wie schon vorangegangene Erdenkräfte dir das abgenommen haben und die Tierformen in einer anderen Ge­stalt, wo sie ein Ergebnis der Erdbildung ist, geformt haben. - Gera­deso kann man das in einer kosmischen Erinnerung wie das eigene Er­lebnis sehen, wie man das andere, das ich angeführt habe, als ein Er­lebnis des kurzen Erdenlebens sehen kann. Man fühlt sich, wie gesagt, als Mensch damit verbunden.

Aber all das ist ja verknüpft mit mancherlei anderen Vorgängen. Ich schildere Ihnen sozusagen skizzenhaft hauptsächlichste Vorgänge. Da geschieht vieles andere. Während zum Beispiel das geschehen ist, was ich da beschrieben habe, ist die ganze Atmosphäre ja noch angefüllt mit fein verteiltem Schwefel. Dieser fein verteilte Schwefel verbindet sich mit anderen Substanzen, und aus diesem Verbinden des fein ver­teilten Schwefels mit anderen Substanzen entstehen dann, ich möchte

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sagen, die Väter oder die Mütter von all dem, was heute als Pyrit, als Bleiglanz:, als Zinkblende und so weiter in den Erzen vorhanden ist. Also all das bildet sich in einer älteren Form, in einer weichen, noch dicht wachsartigen Form in der damaligen Zeit aus. Dadurch wird der Erdkörper von solchen Dingen durchdrungen. Und dann, wenn eben diese Erze, dieses Metallinische, aus der allgemeinen eiweißähnlichen Substanz herauskommt und die feste Erdkruste bildet, dann haben die Metalle ja darinnen tatsächlich nicht viel anderes zu tun, wenn nicht der Mensch mit ihnen etwas macht, als nachzudenken über das, was geschehen ist. Und das trifft man auch bei ihnen. Man findet sie in einem Zustande, wo sie einem für das innerliche Schauen alles vergegenwarti-gen, was mit der Erde geschehen ist. Jetzt aber sagt man sich, indem man das wie das eigene kosmische oder wenigstens tellurische Erlebnis hat: Indem du das alles abgelöst hast von dir, indem du abgelöst hast dasjenige, was als die älteste Pflanzenform da war - was ja die späteren Pflanzenformgebilde geworden sind -, indem du abgelöst hast, was in der komplizierteren Weise als Tierwerdung dasteht - wie ich es be­schrieben habe -, hast du abgelöst von dir dasjenige, was dich vorher verhindert hat, in deinem eigenen Menschenwesen ein Wollen zu ha­ben.

Das, was ich Ihnen hier alles beschrieben habe, das war notwendig, das mußte der Mensch abscheiden, wie er heute den Schweiß oder an­deres abscheiden muß. Das mußte der Mensch abscheiden, damit er nicht mehr ein Wesen war, in dem bloß die Götter wollten, sondern damit er ein Wesen werden konnte mit eigenem Wollen, daß er ein eigenes, wenn auch noch nicht freies Wollen haben konnte. Das alles war also zur Vorbereitung der irdischen Natur des Menschen not­wendig.

Nun, indem vieles andere noch geschehen ist, verwandelte sich das alles. Natürlich, als dann die Erze da waren, abgesondert in der Erde, da verwandelte sich auch die ganze Atmosphäre. Sie wurde eine an­dere, sie wurde weit weniger schwefelhaltig. Der Sauerstoff bekam all­mählich die Oberhand über den Schwefel, während in den alten Zeiten der Schwefel eine sehr starke Bedeutung hatte für die Erden-Atmo-sphäre. Die ganze Erden-Atmosphäre wurde anders.

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In dieser erneuerten Umgebung konnte der Mensch anderes wieder­um aus sich heraussetzen, anderes absondern. Was er jetzt absonderte, erscheint wie die Nachkommen der früheren Pflanzen und der frühe­ren Tiere. Jetzt allmählich bildeten sich die späteren Pflanzenformen aus, die eine Art Wurzel faßten, aber in noch durchaus weicher Erden-substanz. Und es bildeten sich heraus aus dem, was Reptilien, eidech­senähnliche Tiere waren, komplizierte Tiere, solche Tiere, welche die heutige Geologie in Abdrücken und dergleichen noch findet. Von dem Allerältesten, von dem ich hier gesprochen habe, wird ja nichts mehr gefunden. Erst das, was dann in der späteren Epoche entstand, in der der Mensch - sozusagen ein zweites Mal - kompliziertere Gebilde aus sich heraussetzte, erst da war das, was ich Ihnen hier beschrieben habe, was, ich möchte sagen immerfort entstehende und vergehende Wol­kengebilde waren, Ergrünendes, Vergrünendes, weichmassige tierähn­liche Gestalten, die aber wirkliche Tiere waren, die bald sich zusam­menzogen und ein Eigenleben hatten, bald wiederum sich verloren in einem allgemeinen Erdenleben, denn das war bei all diesen Wesenhei­ten der Fall. Aus all dem entstand etwas, was mehr in sich gefestigt war.

Und so kamen dann solche Tiere heraus, wie das eine, das ja für die damalige Zeit, wenn man es etwas schematisch zeichnen will, so aus­sah: es hatte ein sehr großes augenähnliches Organ mit einer Art von Aura; daran eine Art von Schnauze, die übrigens noch nach vorne ver­längert war; dann so etwas wie einen Eidechsenkörper, aber mit mäch­tigen Flossen. So etwas entstand also wie ein Gebilde, das jetzt schon mehr Festigkeit in sich hatte. Wir haben solche Tiere, welche etwas haben wie, ich könnte ebenso gut sagen Flügel wie Flossen. Denn das Tier war ja nicht etwa ein Meerestier, Meer war dazumal noch nicht; es war eine weiche Erdmasse und das noch immer weiche Element des Umkreises, aus dem nur der Schwefel etwas entfernt war. Aber da drinnen flog oder schwamm - es war eine Tätigkeit zwischen Fliegen und Schwimmen - solch ein Tier.

Daneben gab es andere Tiere, welche nicht diese Art von Gliedma­ßen hatten, sondern Gliedmaßen, die schon mehr aus den Kräften der Erde selbst herausgeformt waren, die schon erinnerten an die Glied­maßen der heutigen niederen Säugetiere und so weiter.

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So würde sich einem Menschen, der, von heute ausgehend, statt durch den Raum durch die Zeit wandernd, zurückwandernd in jene Zeit, die das lemurische Zeitalter mit dem atlantischen verbindet, ein besonderer Anblick darbieten: solche riesigen ffiegenden Eidechsen mit einer Laterne auf dem Kopf, die leuchtet und wärmt; unten etwas wie eine weiche, morastartige Erde, die aber etwas außerordentlich Anheimelndes hat, weil sie dem Besucher von heute eine Art von Ge­ruch darbieten würde, der zwischen Moderduft und dem Duft der grünenden Pflanzen mitten drinnen steht. Etwas Verführerisches auf der einen Seite und außerordentlich Sympathisches auf der anderen Seite würde dieser Schlamm der weichen Erde darbieten. Und da drin­nen wiederum, sich wie Sumpftiere fortbewegend, sind dann diese ande­ren Tiere, die schon mehr Gliedmaßen haben, die an die heutigen niedern Säugetiere erinnern, die aber so nach unten ausgeweitet sind, daß sie unten solche mächtige Dinge haben (es wird aufgezeichnet) - mächti­gere natürlich als die Enten - Scheiben, mit denen sie in diesem Sumpf sich fortbewegen, aber auch wiederum auf- und abwiegen.

Sehen Sie, diese ganze Absonderung mußte die Menschheit durch-machen, damit dem Menschen selbständiges Fühlen vorbereitet wer­den konnte für sein Erdendasein.

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So haben wir eine erste vegetabilisch-animallsche Schöpfung, die eigentlich in Absonderungsprodukten des Menschen besteht, und die das vorbereitete, daß er als irdisches Menschenwesen ein wollendes Wesen werden konnte. Wäre das alles in ihm geblieben, dann hätte das sein Wollen übernommen. Sein Wollen wäre ganz physisches Gesche­hen geworden. Dadurch, daß er das ausgesondert hat, ist das Physi­sche von ihm fort, und das Wollen nimmt einen seelischen Charakter an. Ebenso nimmt durch diese zweite Schöpfung das Fühlen einen see­lischen Charakter an. Und erst in der späteren atlantischen Zeit, so in der Mitte der atlantischen Zeit, da entstehen Säugetiere und diese Pflanzen, Pflanzen und Tiere, die schon den unseren ähnlich sind. Da wird auch die Erde schon so gestaltet, daß sie durchaus ähnlich aus­schaut dem, was sie jetzt ist. Dadurch gibt es schon die chemischen Substanzen, die Substanzen, die der heutige Chemiker kennt. Dadurch kommt schon allmählich das zustande, was Kohlenstoff, Sauerstoff, was die alkalischen, die schweren Metalle sind und dergleichen. Das kommt schon da heraus. Damit aber kann der Mensch das Dritte ab­sondern von sich, dasjenige, was er heute in seiner Umgebung als pflanzliche, tierische Welt findet. Und indem er dies absondert, indem diese ihn umgebende Schöpfung um ihn herum entsteht, wird er vor­bereitet für sein Erdendasein zu einem denkenden Wesen.

Man kann also sagen: Die Menschheit war damals nicht so getrennt, wie die Menschen heute sind, in einzelne Individuen, es war eine allge­meine Menschheit, geistig-seelischer Natur noch, in den Äther sich hereinsenkend. Denn mit dem aus dem Weltenall der Erde zuströmen-den Äther kam eben diese allgemeine Menschheit aus dem Weltenall. Sie machte dann auch diejenigen Vorgänge durch, die ich in der «Ge­heimwissenschaft» beschrieben habe: sie kam, ging wieder fort zu den anderen Planeten und kam wiederum zurück in der atlantischen Zeit Das spielte sich noch nebenbei ab. Denn jedesmal, wenn so etwas ab­gesondert war, konnte die Menschheit nicht bei der Erde bleiben, mußte weggehen, um gewissermaßen die inneren Kräfte, die jetzt viel feinerer, seelischer Natur waren, erst zu verstärken. Dann kam sie wie­derum herunter. Und so sind diese Vorgänge dasjenige, was eben ge-nauer noch beschreibt das, was Sie in meiner «Geheimwissenschaft»

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lesen können. Diese Vorgänge sind also so, daß der Mensch, die Menschheit eigentlich dem Weltenall angehört und sich selbst die Er­denumgebung zubereitet, indem sie ihre Ausscheidungen, die die an­deren Naturreiche sind, in den Erdenbereich hereinschickt. Da sind sie nun im Erdenbereich, da umgeben sie den Menschen. Und da kann der Mensch sagen: Indem er diese Ausscheidungen in den Erdenbe-reich hereingeschickt hat, hat er in sich allmählich dasjenige entwik­kelt, was ihn als Erdenmenschen ausstattet mit Wollen, Fühlen, Den­ken. Denn das, was der Mensch heute ist, das auf organisch-physischer Grundlage während der Lebenszeit zwischen der Geburt und dem To­de ruhende denkende, fühlende, wollende Wesen, das hat sich ja erst in der Zeit entwickelt und das steht im Zusammenhange mit den We­senheiten, die um der menschheitlichen Entwickelung willen sich im Laufe der Zeit aus dem Menschlichen herausgeschieden haben und in dieser Herausgeschiedenheit sich wiederum erst zu ihren heutigen For­men umgewandelt haben.

Sie sehen daraus: es ist schon so, daß man nicht bloß im allgemeinen abstrakt von diesem Verwandtwerden mit dem Metalischen der Erde spricht. Sondern wenn man verwandt wird mit diesem Metallinischen, das in sich. die Erinnerung an die Erdengeschehnisse birgt, wie ich ge­sagt habe, ja dann ist es so, daß man wirklich etwas sagen kann, an was man sich da erinnert; daß man wirklich das findet, was ich Ihnen heute erzählt habe.

Und wenn Sie sich nun denken, daß man zurückkommt in noch frü­here Zeiten, so wird das alles noch flüchtiger, noch verschwebender. Betrachten Sie nur den grandiosen, den majestätischen Anblick, den ich Ihnen vorhin geschildert habe: diese wachsartig verfließenden Kie­selsäurebildungen, in denen auftreten Bilder der Pflanzenwelt, die sich voll saugen mit der weichen Albumine, mit der weichen Eiweiß-Sub­stanz, die dadurch ein Grünendes und Vergrünendes in der Erdenum­gebung darbieten - man schaut hinauf dazu. Denken Sie an diese Din­ge, und Sie werden sich sagen können: Gegenüber den heutigen, aus fester Wurzel mit festen Blättern aus der Erde herauswachsenden Pflanzen oder gar gegenüber den heutigen Bäumen mit ihren erstark­ten Stämmen, ist das alles flüchtiges Gebilde. Wie flüchtig ist das gegenüber

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einer heutigen Eiche, die zwar nicht selbst stolz: ist auf ihre Eichigkeit, auf die aber stolz sind gewöhnlich die Umwohner, weil sie sich verwechseln in ihrer oftmaligen Schwäche mit der Eichigkeit der Eichel Wenn Sie vergleichen diese Eichigkeit der heutigen Eiche mit diesen, ich möchte sagen, duftig entstehenden, duftig vergehenden, wie Schatten in der Atmosphäre auflebenden, sich verdichtenden, wie­der verschwindenden Pflanzengebilden; oder wenn Sie vergleichen -nehmen wir gleich krasse Fälle - ein heutiges Nilpferd oder einen heu­tigen Elefanten in ihrer dicken Haut oder andere im Fleische lebende Wesenheiten mit den Wesenheiten der damaligen Zeit, die da als ge­rinnendes Eiweiß aus diesem allgemeinen Eiweiß herausgehen, dann vom Kalk erfaßt werden und in einer dadurch etwas dichteren Weise in Knochenandeutungen heruntergezogen werden ins Getierische der Erde - ich muß dieses mehr als Eigenschaftswort gebrauchen: ins «Getierische» der Erde -, wenn Sie sich das alles anschauen, wenn Sie sich die heutige Dichtigkeit, ich möchte sagen, die heutige Ele­fantitis der Erde anschauen gegenüber dem, was da einmal war, dann werden Sie nicht mehr zweifeln können, daß, wenn man noch weiter zurückgeht, man eben in ein noch Flüchtigeres kommt.

Man kommt dann zurück in das, wo nur mehr wallende, webende, wesende Farbbildungen sind, die entstehen und vergehen. Und wenn Sie dann nehmen die Beschreibung der alten Sonne, des Vorgängers der Erde, oder des alten Saturn, wie ich sie in der «Geheimwissenschaft» gegeben habe, so werden Sie sagen: Das ist ja alles selbstverständlich, wenn man weiß, daß man da noch von dem, was hier ist, zu einem wei­teren zurückzugehen hat. Da nimmt das Pflanzengebilde, das verschwe­bende Pflanzengebilde die Eiweiß-Substanz auf, wird selber wie ein Wolkengebilde. Noch früher haben wir es zu tun mit eigentlich nur in erscheinenden Farbenvorgängen sich bildenden Gestaltungen, wie ich sie für das Sonnendasein, für das Saturndasein beschrieben habe.

Und so kommen Sie allmählich, wenn Sie das Physische zurückver­folgen, eben von dem Elefantitischen zurück durch das feinere Physi­sche zu dem Geistigen. Und Sie kommen da auf diese Weise, indem Sie gerade so recht aufmerksam auf das Konkrete gehen, zurück zu dem geistigen Ursprung alles dessen, was zum Irdischen gehört. Die Erde

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hat ihren Ursprung im Geistigen. Das ergibt eine wirkliche Anschau­ung. Und ich glaube, es ist auch eine schöne Idee, sich sagen zu kön­nen: Dringst du ins Innere der Erde, läßt du dir von den harten Metal­len erzählen, an was sie sich erinnern, so werden sie dir erzählen: Wir waren einstmals so ins Weite hinausgedehnt, daß wir überhaupt nicht physische Substanzen waren, sondern im Geiste verschwebende, we-sende, im Weltenall webende Farbigkeit. - Und so ist die Erinnerung der Metalle der Erde das, was auf den Zustand zurückgeht, wo ein jeg­liches Metall eine kosmische Farbe war, die die andere durchdrang; wo der Kosmos im wesentlichen eine Art innerer Regenbogen, eine Art Spektrum war, das dann sich differenziert hat und erst zum Physi­schen geworden ist.

Und da ist es, wo der bloße, ich möchte sagen, theoretisch mitge­teilte Eindruck, den man von der Metallität der Erde bekommt, über­geht in den moralischen Eindruck. Denn ein jedes Metall sagt einem zugleich: Ich stamme aus den Raumesweiten und Erdenfernen. Ich stamme aus dem Himmelsbereiche, und ich bin hier in das Innere der Erde zusammengezogen, hineingezaubert. Aber ich warte meiner Er­lösung. Denn wieder werde ich einstmals mit meiner Wesenheit das Weltenall erfüllen. - Und wenn man so die Sprache der Metalle ken­nenlernt, dann erzählt eben das Gold von der Sonne, das Blei von dem Saturn, das Kupfer von der Venus, und dann sagen einem diese Me­talle: Wie wir einstmals gereicht haben, das Kupfer bis zur Venus, das Blei bis zum Saturn, so sind wir heute hier verzaubert und werden wie­derum da hinausreichen, wenn die Erde ihre Aufgabe erfüllt, daß nun der Mensch gerade dasjenige auf der Erde erreiche, was er nur auf der Erde erreichen konnte. Denn deshalb gingen wir in diese Verzaube­rung ein, damit der Mensch auf Erden ein freies Wesen werden konn­te. Ist die Freiheit dem Menschen erkauft, dann kann auch unsere Ent­zauberung wiederum beginnen.

Und diese Entzauberung ist schon lange im Grunde eingeleitet. Man muß sie nur verstehen. Man muß verstehen, wie die Erde in die Zu­kunft hinein sich weiter entwickeln wird, wieder mit dem Menschen.

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SECHSTER VORTRAG Dornach, 2. Dezember 1923

Wenn der Mensch heute vom Worte redet, dann meint er ja gewöhn­lich nur das schwache, im Grunde gegenüber der Majestät des Weltalls wenig bedeutende Menschenwort. Aber wir wissen, daß das Johannes-Evangelium beginnt mit den bedeutungsvollen Worten: «Im Urbe­ginne war das Wort - der Logos. Und das Wort war bei Gott. Und ein Gott war das Wort.» Und wer nachsinnt über diesen bedeutungsvol­len Eingang des Johannes-Evangeliums, der wird sich fragen müssen: Auf was wird da eigentlich verwiesen, wenn im Urbeginne aller Dinge das Wort angesetzt wird? Was ist eigentlich mit diesem Logos, mit die­sem Worte gemeint? Und wie hängt dies Gemeinte zusammen mit dem schwachen, gegenüber der Majestät des Weltenalls unbeträchtlichen Menschenworte?

Nun ist ja auch der Name des Johannes verknüpft mit der Stadt Ephesus. Und derjenige, der, ausgerüstet mit dem imaginativen An­schauen der Weltgeschichte, herantritt an diese bedeutungsvollen Wor­te: «Im Urbeginne war der Logos. Und der Logos war bei Gott. Und ein Gott war der Logos», der wird durch einen inneren Weg immer und immer wiederum verwiesen nach dem alten Tempel der Diana in Ephesus. Und für dasjenige, was als ein Rätsel aus den ersten Versen des Johannes-Evangeliums herausklingt, für das wird gerade der in die Weltgeheimnisse bis zu einem gewissen Grade Eingeweihte verwiesen auf die Mysterien des Artemis-, des Dianen-Tempels in Ephesus. So daß es ihm scheinen muß, als ob aus der Erkundung der Mysterien von Ephesus etwas fließen könnte für das Verständnis des Beginnes des Jo­hannes-Evangeliums.

Schauen wir deshalb heute einmal, ausgerüstet mit demjenigen, was wir gerade in den letzten zwei Tagen hier als Betrachtungen vor unsere Seele haben treten lassen, in die Geheimnisse, in die Mysterien des Dia­nen-Tempels in Ephesus hinein, schauen wir hinein für die Zeit des etwa sechsten oder siebenten vorchristlichen Jahrhunderts oder noch früher, um zu sehen, was da in dieser den Alten so geheiligten Stätte

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getrieben worden ist. Da finden wir, daß der Mysterien-Unterricht in Ephesus allerdings zunächst verwies auf dasjenige, was in der mensch­lichen Sprache erklingt. Wir können erfahren, nicht aus einer histori­schen Darstellung, für deren Vernichtung hat ja der Barbarismus der Menschheit genügend gesorgt, wohl aber aus der dem geistigen Er­kennen zugänglichen, gedanklich-ätherischen Chronik, in welcher die Ereignisse des Weltgeschehens aufgezeichnet sind, wie es zugegangen ist innerhalb dieser ephesischen Mysterien.

Da tritt uns immer wieder und wieder für das Schauen entgegen, wie der Schüler von dem Lehrer verwiesen worden ist zunächst auf die menschliche Sprache; wie er ermahnt worden ist, immer wieder und wieder ermahnt worden ist: Fühle in deinen eigenen Sprachwerkzeu-gen, was da eigentlich vorgeht, indem du sprichst. - Die Vorgänge im Sprechen sind nicht durch grobe Empfindung wahrzunehmen, denn sie sind fein und intim. Aber bedenken wir zunächst das Äußerliche des Sprechens. Und von diesem Äußerlichen des Sprechens wurde ja bei den ephesischen Mysterien im Unterrichte zunächst ausgegangen.

Da wurde der Schüler aufmerksam gemacht, wie das Wort aus dem Munde erklingt. Es wurde ihm immer wieder und wiederum gesagt:

Merke auf, was du empfindest, wenn das Wort aus dem Munde er­klingt. - Und der Schüler sollte zunächst merken, wie gewissermaßen vom Worte etwas nach oben sich wendet, um den Gedanken des Haup­tes in sich aufzunehmen; und wie dann wiederum von demselben Worte etwas nach unten im Menschen sich wendet, um den Empfin­dungsgehalt des Wortes innerlich zu erleben.

Immer wieder und wieder wurde der Schüler darauf verwiesen, die äußersten Extreme des Sprechens sich durch die Kehle zu drängen und dabei das Auf- und Abwogende, das im Worte, das aus der Kehle dringt, wahrzunehmen ist, zu beobachten. Ich bin, ich bin nicht: eine positive, eine negative Behauptung sollte in einer möglichst artikulier­ten Weise der Schüler sich durch die Kehle dringen lassen und dann beobachten, wie gefühlt wird im: Ich bin - mehr das Aufsteigen, im: Ich bin nicht - das Abwärtsdringende.

Aber nun wurde der Schüler mehr noch auf die intimen inneren Empfindungen und Erlebnisse des Wortes verwiesen, wie er wahrnehmen

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konnte: Vom Worte steigt etwas auf wie Wärme nach dem Kopfe hin, und diese Wärme, dieses Feuer, fängt den Gedanken ab. Und nach unten fließt etwas wie wäßriges Element; das ergießt sich nach unten, wie sich eine Drüsenabsonderung in den Menschen ergießt. Und so bedient sich der Mensch - wurde dem Schüler in den ephesischen My­sterien klar gemacht - so bedient sich der Mensch der Luft, um das Wort erklingen zu lassen; aber die Luft verwandelt sich im Sprechen in das nächste Element, in das Feuer, in die Wärme und holt den Ge­danken von den Höhen des Hauptes herunter, verleibt sich ihm ein. Und wiederum, indem ein Wechselzustand eintritt: Hinaufsenden des Feuers, Hinuntersenden desjenigen, was im Worte liegt, träufelt ge­wissermaßen die Luft wie eine Drüsenabsonderung nach unten als Wasser, als Flüssiges. Dadurch wird das Wort dem Menschen inner­lich fühlbar. Das Wort träufelt als flüssiges Element nach unten.

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Und dann wurde der Schüler eingeführt in das eigentliche Geheim-nis des Sprechens. Aber dieses Geheimnis hängt zusammen mit dem Geheimnis des Menschen. Dieses Geheimnis des Menschen ist heute für wissenschaftliche Menschen geradezu verbarrikadiert; denn die Wissenschaft setzt die unglaublichste Karikatur einer Wahrheit heute an die Spitze von allem Nachdenken: nämlich das sogenannte Gesetz von der Erhaltung der Kraft und des Stoffes. Im Menschen wird der Stoff fortwährend umgewandelt. Er bleibt nicht. Dasjenige, was als Luft aus der Kehle dringt, verwandelt sich im Herausdringen abwech­selnd in das nächste, höhere Element, in das Wärme- oder Feuerelement

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- und wiederum in das Wasserelement: Feuer, Wasser - Feuer, Wasser.

So wurde der Schüler zu Ephesus darauf aufmerksam gemacht: in-dem er spricht, dringt ein Wellenzug aus seinem Munde - Feuer, Was­ser - Feuer, Wasser. Das aber ist nichts anderes, als das Hinauflangen des Wortes nach dem Gedanken, das Hinunterträufeln des Wortes nach dem Gefühle. Und so webt im Sprechen Gedanke und Gefühl, indem die lebendige Wellenbewegung des Sprechens als Luft zu Feuer sich verdünnt, zu Wasser sich verdichtet und so fort.

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Und das sollte der Schüler fühlen, wenn ihm im Mysterium zu Ephe­sus die große Wahrheit aus seinem eigenen Sprechen heraus vor die Seele geführt wurde:

Mensch, rede, und du

offenbarest durch dich

das Weltenwerden.

Ja, es war geradezu in Ephesus so, daß, wenn der Schüler zum Tore des Mysteriums hineinging, er immerzu ermahnt wurde mit diesem

Spruch:

Mensch, rede, und du

offenbarest durch dich

das Weltenwerden.

Und wenn er wieder herausging, wurde ihm der Spruch in der an-deren Form gesagt:

Das Weltenwerden offenbart sich

durch dich, o Mensch,

wenn du redest.

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Und der Schüler fühlte allmählich, wie wenn er mit seinem eigenen Leibe als einer Hülle das Weltengeheininis, das aus seiner Brust tönt und im Sprechen lebt, umschließen würde.

Es wurde dies als Vorbereitung für das eigentliche tiefere Geheimnis an den Schüler herangebracht. Denn dadurch kam der Schüler in die Lage, das eigene menschliche Wesen als innerlich mit dem Weltenge­heimnisse verbunden zu wissen. Das «Erkenne dich selbst» bekam einen heiligen Sinn dadurch, indem es nicht nur theoretisch gespro­chen wurde, indem es innerlich feierlich gefühlt und empfunden wer­den konnte.

Und dann konnte der Schüler, wenn er in dieser Weise gewisserma-ßen seinen Menschen geadelt und erhoben hatte, indem er ihn fühlte als eine Hülle, die das Weltengeheiranis umschließt, dann konnte er weiter eingeführt werden in dasjenige, was das Weltengeheininis ge­wissermaßen hinaus ausbreitet über die Weiten des Kosmos. Und da gedenken wir desjenigen, was gestern vor unsere Seele getreten ist.

Ich habe Ihnen einen Weltwerdezustand geschildert, in dem das Fol­gende geschieht. Wir haben in diesem damaligen Zustand die Erde. Wir wissen, in der Erde ist vorhanden, schon als ein Wesentliches für die damalige Etappe des Erdenwerdens, alles das, was wir in dem un­scheinbaren Kalk, den wir auch im Jura haben, antreffen. Im Kalkge­birge, in den Kalkeinsätzen der Erde haben wir das, was wir da beach­ten wollen. Und wir haben die Erde umgeben mit dem, was ich ge­stern genannt habe das flüssige Eiweiß. Und wir wissen, daß die kos­mischen Kräfte in dieses flüssige Eiweiß so hereinwirken, daß in be­stimmten Formen dieses flüssige Eiweiß gerinnt. Und wir haben ge­hört, während dieses Zustandes des Erdenwerdens findet in einem er­höhten Maße, in einem dichteren Maße das statt, was wir heute im Aufsteigen der Regendünste, im Herabkommen des Wassers haben. Das Kalkige steigt nach oben, durchsetzt das, was sich da in dem flüs­sigen Eiweiß verdichtet hat, mit Kalkigem, füllt es so aus, daß es Kno­chiges als Inhalt bekommt, und wir haben die Tierwerdung im Laufe des Erdenwerdens. Das Tier wird gewissermaßen durch die Geistig­keit, die im Kalkigen lebt, heruntergeholt aus der noch eiweißartigen Atmosphäre.

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Aber ich habe auch noch etwas anderes gesagt. Ich habe gesagt: Der Mensch fühlt alles das, was da geschehen ist, wenn er sich mit der Me­tallität der Erde verbindet, wie sein eigenes Wesen, wie eine in ihm befindliche Erinnerung. Und für dieses Stadium fühlt er sich noch nicht als der kleine Mensch in seiner Haut eingeschlossen, sondern er fühlt sich als umfassend den ganzen Erdenplaneten. Wenn ich es gro­tesk schematisch zeichnen will, so müßte ich sagen: Der Mensch fühlt ja zunächst hauptsächlich sein Haupt als den Erdenplaneten umfassend.

Die Vorgänge also, die ich schildern konnte, die fühlt der Mensch als Vorgänge in sich. Aber wie fühlt er sie in sich? Sehen Sie, alles das,

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was ich Ihnen hier geschildert habe als Aufsteigen des Kalkigen, Ver­binden des Kalkigen mit dem Eiweißgeronnenen, wieder Herunter-kommen, Herunterholen des Tierwesens auf die Erde, das erlebt der Mensch in dieser Zeit so, daß er es hört. Der Mensch erlebt es ja inner­lich. Sie müssen sich nur vorstellen, der Mensch erlebt es innerlich. Er hört es. Diese Bildung, die da entsteht, indem der Kalk das Eiweißge­rinnsel ausfüllt, knochig, knorpelig macht, das, was da sich bildet, das ist etwas wie im Ohr Gefühltes, Gehörtes. Das Weltengeheimnis wird gehört.

Tatsächlich vernimmt man auch in der Erinnerung, in dieser metal­linisch erzeugten Erinnerung, diese Vergangenheit der Erde so, als ob man dies, was ich beschrieben habe, erklingen hörte. Und in diesem Erklingen webt und lebt doch das Weltengeschehen drinnen.

Ja, was ist denn das, was man da hört? Dieses Weltgeschehen, als was enthüllt es sich, als was offenbart es sich denn? Es offenbart sich als das Wort der Welt, als der Logos. Es erklingt der Logos, das Wel­tenwort in dem aufsteigenden und abwogenden Kalkigen. Und man vernimmt schon, wenn man diese Sprache in sich vernehmen kann, noch etwas anderes. Da wird einem das zu etwas durchaus Möglichem.

Meine lieben Freunde, man steht vor einem menschlichen, vor ei­nem tierischen Skelett. Das, was äußere Anatomie darüber sagt, ist ja etwas so Äußerliches, etwas so schändlich Äußerliches diesen Formen gegenüber. Was sagt man sich, wenn man in innerlichem Zusammen­hang mit dem Natur- und Geisteswesen dieses Skelett anschaut? Man sagt sich: Schaue das doch nicht bloß an. Es ist entsetzlich, das bloß in seinen Formen anzuschauen, dasjenige, was da steht als Wirbelsäule mit den wunderbar gebildeten, aufeinandergeschichteten Wirbelkno­chen, mit den Rippen, die herauskommen und sich nach vorne beugen und biegen, mit der wunderbaren Artikulierung, wie sich die Wirbel umsetzen in die Schädelknochen, und der noch schwerer zu durch­schauenden Artikulierung, wie sich die Rippen, die sich nur wie gleich­förmige Bögen um die Brust herumschlingen, dann gewissermaßen scharf artikulierend ausbilden zu den Armknochen, zu den Beinkno­chen. Diesem Geheimnis des Skelettes gegenüber kann man gar nicht anders, als sich etwas ganz Bestimmtes zu sagen. Es ist tatsächlich so,

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daß man sich sagt: Höre doch das alles, schaue es dir doch nicht bloß an, höre das alles - höre, wie ein Knochen in den andern sich verwan­delt. Das spricht ja.

Wenn ich hier eine persönliche Bemerkung machen darf, so müßte es diese sein. Es tritt einem etwas ganz Wunderbares entgegen, wenn man mit einem Gefühl für diese Dinge ein naturhistorisches Kabinett oder Museum betritt. Denn das ist eine wunderbare Zusammenstel­lung von Instrumenten zu einem großartigen Orchester, das sympho­nisch in der wunderbarsten Weise erklingt, wenn Sie hineingehen in ein solches Museum. Ich mußte es einmal besonders tief empfinden, als ich das Museum in Triest besuchte, und da durch eine besondere Auf­stellung von Tierskeletten, die instinktiv gemacht worden ist, tatsäch­lich hintereinander einem immer erklangen an dem einen Ende des Tieres die Mondengeheininisse, an dem anderen Ende des Tieres die Sonnengeheimnisse. Und das Ganze war durchsetzt wie mit den er-klingenden Sonnen und Planeten. Da fühlt man schon den Zusammen­hang zwischen diesem im Kalk lebenden Knochensystem, dem Skelett, und demjenigen, was da aus dem webenden Weltenall dereinst dem Menschen, der selber noch eins war mit diesem Weltenall, herausklang, herausklang als das Weltengeheimnis, herauskiang zugleich als sein eigenes Geheimnis.

Die Wesen, die da entstanden zunächst, die tierischen Wesen, die sagten ja damit, was sie sind. Denn in dem Logos, in dem tönenden Weltengeheimnis lebte doch das Wesen dieses Tierischen. Es war ja nicht zweierlei, was man wahrnahm. Man nahm nicht da die Tiere wahr und dann auf irgendeine Weise das Wesen der Tiere. Das Wer­den und Weben der Tiere selber in ihremWesen, das war es, was sprach.

Sehen Sie, in der richtigen Weise, wie man es in diesem Altertum forderte, konnte eben der Schüler der ephesischen Mysterien das in seine Seele, in sein Herz aufnehmen, was da klar gemacht werden konnte für den Urbeginn, wo das Wort, der Logos, als Wesen der Dinge webte. Er konnte das aufnehmen, weil er vorbereitet war dazu dadurch, daß er seine Menschheit geadelt und gehoben hatte, indem er sich als Hülle fühlen konnte für den kleinen Abglanz dieses Weltenge­heimnisses, das in seinem eigenen Sprach-Erklingen lag.

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Und nun fühlen wir, wie das Werden der Welt gewissermaßen von einem Niveau zu dem anderen übergegangen ist. Schauen wir uns das an. Wir haben hier in dem Kalkigen durchaus noch etwas, das ein Flüs­siges war; es stieg als Dunst auf, träufelte als Regen herab. Das Kal­kige war ein Flüssiges; indem es aufstieg, wandelte es sich in Luft, in­dem es abstieg, wandelte es sich in Erde. Wir haben hier Wasser, Luft, Erde. Es ist um ein Niveau tiefer als hier im menschlichen Abbilde:

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Luft, Wärme, Wasser. Damals in diesem Urzustande webt das Wasser:

das heißt, der noch flüssige Kalk verdünnt sich zu Luft, verdichtet sich zur Erde, wie sich heute in unserer Kehle die Luft zum Feuer, zur Wärme verdünnt, verdichtet zum Wasser. Dasjenige, was in der Welt lebte, ist von dem Wasser in die Luft aufgestiegen. Früher lebte es im Wasser, verdichtete sich zur Erde, verdünnte sich zur Luft. Es ist auf­gestiegen zur Luft, verdünnt sich zur Wärme, verdichtet sich zum Wasser. Dadurch ist es möglich, daß wir Menschen dieses Weltge­heimhis im Kleinen umschließen. Als es noch groß war, als es die mächtige Maja der Welt war, da war es ein Niveau tiefer. Die Erde verdichtete alles. Der Kalk wurde dichter, und so weiter. Das hätten wir nicht bergen können, auch wenn es in Miniaturausgabe an uns her­angekommen wäre. Wir konnten es nur bergen dadurch, daß es um ein Niveau höher gestiegen ist, vom Wasser in die Luft hinauf und damit in seinem Auf- und Abwogen in die Wärme und in das Wasser hinein, das jetzt das Dichtere ist.

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So wurde das, was große Welt war, das makrokosmische Myste­rium, zum mikrokosmischen Mysterium der Menschensprache. Und auf dieses makrokosmische Mysterium, die Übersetzung in die Maja, in die große Welt, deutet der Beginn des Johannes-Evangeliums hin:

«Im Urbeginne war der Logos. Und der Logos war bei Gott. Und ein Gott war der Logos». Denn das war dasjenige, was lebte und webte noch in der Tradition zu Ephesus, auch als der Evangelist, der Schrei-ber des Johannes-Evangeliums, in der Akasha-Chronik zu Ephesus le­sen konnte dasjenige, wonach sein Herz dürstete: die richtige Einklei-dung für das, was er als das Geheimnis des Weltenwerdens der Mensch­heit sagen wollte

Aber wir können noch einen Schritt weitergehen. Wir können uns daran erinnern, daß wir ja gestern gesagt haben: Vorangegangen dem Kalkigen ist das Kieselige, das im Quarz erscheint. Da drinnen er­schienen die Pflanzenformen, wie, ich sagte grünende, vergrünende Wolkengebilde. Und wenn man damals schon, sagte ich, hätte hinaus-schauen können in die Weiten des Kosmos, dann hätte man geschaut dieses Werden des Tierwesens und diese grünende und vergrünende Urpflanze. Aber das alles nahm man ja als ein Inneres wahr. Man nahm es als Eigenwesen des Menschen wahr. Neben dem, daß man hörte, wie etwas, was in einem selbst lebte, das Erklingen des tierischen Wer­dens, konnte man innerlich in einem gewissen Sinne gehen mit dem, was man da klingen hörte, wie wenn man im eigenen menschlichen Haupte, in der menschlichen Brust und dem Haupt, mit den Worten durch die Wärme hinaufgeht, um den Gedanken zu erfassen; so konnte man gehen mit demjenigen, was man hörte aus der Tierwerdung, nach demjenigen, was man erlebte in der Pflanzenwerdung. Und da war das Eigentümliche: das Weben und Wesen des Tierwerdens erlebte man im verdunsteten und heruntersickernden Kalk; und wenn man dann weiterspürte nach demjenigen, was im Kieseligen als das grünende und entgrünende, vergrünende Pflanzenwesen war, dann wurde das Wel­tenwort zum Weltengedanken, und die Pflanze im kieseligen Elemente fügte den Gedanken hinzu zu dem tönenden Worte. Man ging gewis­sermaßen um einen Schritt nach oben, und zu dem tönenden Logos wurde der Weltengedanke gefügt, so wie heute zu dem im Sprachlichen

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ertönenden Worte, indem das Sprachliche hinauswellt: Feuer, Wasser, Feuer, Wasser - im Feuer der Gedanke erfaßt wird.

Meine lieben Freunde, wenn Sie heute nachsehen, wie man gerade denjenigen krankhaften Zuständen beikommt, die sich auf das Sinnes-system des Hauptes und überhaupt auf das Sinnessystem beziehen, so werden Sie die heilsamen Wirkungen der Kieselsäure erfahren. Und hier tritt Ihnen innerhalb der Weltengeheimrisse das Kieselsäure-Ele­ment als dasjenige entgegen, was in den ursprünglichen grünenden und vergrünenden Pflanzenformen gerade das gedankenhafte Element ist, von dem ich Ihnen aber auch sagen konnte: das ist ja die Wahrneh­mung, die Sinneswahrnehmung der Erde gegenüber dem Weltenge­bäude. In einer wunderbaren Weise tatsächlich drückt sich im heutigen Menschen mikrokosmisch dasjenige aus, was im Makrokosmischen war, was Werden und Weben der Welt war.

Denken Sie sich nur einmal, wie da der Mensch lebte, lebte noch eins mit dem Kosmos, in Einheit mit dem Kosmos. Heute, wenn der Mensch denkt, muß er sich isoliert denken mit seinem Haupte. Da sind drinnen die Gedanken, da heraus kommen die Worte. Das Weltenall ist draußen. Die Worte können nur das Weltenall bedeuten; die Ge­danken können nur das Weltenall abbilden. Es war nicht so, als der Mensch noch eins war mit dem Makrokosmischen; da erlebte er das Weltenall als in sich. Das Wort war zu gleicher Zeit die Umgebung; der Gedanke war dasjenige, was diese Umgebung durchsetzte und durchströmte. Der Mensch hörte, und das Gehörte war Welt. Der Mensch schaute auf von dem Gehörten, aber er schaute in sich selber au£ Das Wort war zunächst Ton. Das Wort war zunächst dasjenige, was nach Enträtselung rang. Im Tier-Entstehen offenbarte sich ctwas, was nach Enträtselung rang. Wie eine Frage entstand das Tierreich innerhalb des Kalkigen. Ins Kieselige sah man hinein: da antwortete das Pflanzenwesen mit demjenigen, was es aufgenommen hat als das Sinneswesen der Erde, und enthüllte die Rätsel, die das Tierreich auf-gab. Die Wesen selbst waren es, die sich gegenseitig enträtselten. Das eine Wesen, hier das Tierische, gibt die Frage auf, die anderen Wesen, hier das Pflanzliche, geben die Antwort darauf. Und die ganze Welt wird zur Sprache.

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Und man darf schon sagen: Das ist die Realität vom Beginn des Jo­hannes-Evangeliums. Denn wir sind da zunächst zu einem Urbeginne desjenigen, was jetzt überhaupt da ist, zurückgekehrt. In diesem Urbe­ginne, in diesem Prinzip, war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und ein Gott war das Wort. Denn es war das schöpferische Wesen in alledem.

Es ist wahrhaftig so, daß in dem, was da gerade den ephesischen Mysterienschülern gelehrt wurde von dem Urworte, dasjenige liegt, was dann zum Anfang des Johannes-Evangeliums geführt hat. Und man möchte schon sagen, daß das Hinschauen auf diese Geheimnisse, die im Schoße der Zeiten ruhen, unter Anthroposophen heute recht, recht zeitgemäß ist. Denn sehen Sie, in einem gewissen Sinne, in einem sehr, sehr eigentlichen Sinne war eben doch das, was hier auf dem Dornacher Hügel als das Goetheanum stand, der Mittelpunkt des an­throposophischen Wirkens geworden. Das, was heute als Schmerz in uns lebt, muß als Schmerz weiterleben und wird es bei jedem, der eben fühlen konnte, was das Goetheanum sein sollte. Aber alles das, was in der physischen Welt sich abspielt, es muß ja für denjenigen, der auf-strebt in seiner Erkenntnis zum Geistigen, zugleich eine äußere Offen­barung, ein Bild werden von tieferem Geistigen. Und wenn wir das Schmerzliche auf der einen Seite hinnehmen müssen, so müssen wir ja gerade aber als Menschen, die nach geistiger Erkenntnis streben, auch wiederum das, was im Schmerz geschehen ist, zum Anlaß nehmen können, in eine Offenbarung hineinzuschauen, die tiefer und immer tiefer geht. Ist doch dieses Goetheanum eine Stätte gewesen, in der ge­sprochen hat werden wollen, immer wieder und wiederum auch ge­sprochen worden ist, über diejenigen Dinge, die zusammenhängen mit dem Beginne des Johannes-Evangeliums: «Im Urbeginne war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und ein Gott war das Wort».

Und dann ist dieses Goetheanum im Feuer aufgegangen. Und dieses furchtbare Bild des Goetheanum-Brandes kann vor uns stehen. Und aus dem Schmerze heraus kann sich gebären die Aufforderung, nun immer tiefer und tiefer zu sehen, hineinzuschauen in das, was für un­sere Gedankenkraft noch immer dasteht: dieses in der Neujahrsnacht abbrennende Goetheanum. Aber das ist ein, wenn auch so schmerz­liches, so doch in die Tiefe und immer größere Tiefe führendes Ereignis.

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Dasjenige, was darinnen hat ergründet werden sollen und was so, wie einiges von dem, was ich gestern und vorgestern gesagt habe, zu­sammenhängt mit dem Johannes-Evangelium, das bildete schon einen Einschluß in die versengenden und verzehrenden Flammen. Und es ist ein Wichtiges, ein wichtiger Impuls, meine lieben Freunde, den wir fas­sen können: Lassen wir doch diese Flammen zum Anlaß sein, durch sie hindurchruschauen auf andere Flammen, auf jene Flammen, die einstmals den Tempel zu Ephesus verzehrt haben. Und lassen wir das die Aufforderung sein, einen Sinn zu haben für die Ergründung des­jenigen, was im Johannes-Evangelium-Anfang liegt. Schauen wir, ge­rade aufgefordert durch diese schmerzlich heiligen Impulse, von dem Johannes-Evangelium zurück zu dem Tempel zu Ephesus, der auch einstmals gebrannt hat, und wir werden dann in den ja so schmerzlich sprechenden Goetheanum-Flammen eine Mahnung haben an das, was mit den versengenden Flammen des Ephesustempels in die Akasha hineingeströmt ist.

Haben wir denn nicht heute noch, meine lieben Freunde, wenn wir das Auge gerichtet haben in jener Unglücksnacht auf die versengenden Flammen dieses Goetheanum-Brandes, darinnen die schmelzenden Metalle von den Musikinstrumenten? Haben wir nicht darinnen diese so laut und so heilig sprechenden schmelzenden Metalle gerade der Musikinstrumente, die in die Flammen die merkwürdigsten Farben hineinzauberten? Vielsprechende Farben, Farben, die dem Metalli­schen nahestehen! Und durch das Verbinden mit dem Metallischen er-steht schon etwas wie Erinnerung im Irdischen. Dieses Erinnernde, wir haben es hier an das, was mit dem Tempel zu Ephesus verbrannte. Und zusammenschließen kann sich, wie diese beiden Brände, so die Sehnsucht, zu ergründen so etwas, wie: «Im Urbeginne war das Wort, und das Wort war bei Gott, und ein Gott war das Wort » - mit dem­jenigen, was immer wieder und wiederum dem Schüler zu Ephesus klar gemacht wurde: Studiere das Menschengeheimnis in dem kleinen Worte, in dem Mikrologos, damit du reif wirst, in dir zu empfinden das Geheimnis des Makrologos.

Der Mensch ist der Mikrokosmos gegenüber der Welt, die der Ma­krokosmos ist, aber er trägt auch die Weltengeheimnisse in sich. Und

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jenes Weltengeheimnis, das in den ersten drei Versen des Johannes-Evangeliums liegt, wir ergründen es, wenn wir im rechten Sinne das­jenige, wozu sich auch, wie zu so vielem anderen, die Goetheanum­Flammen wie zu Schriftzeichen verdichten, wenn wir das ins Auge

fassen:

Schaue den Logos

Im sengenden Feuer;

Finde die Lösung

In Dianens Haus.

Die Feuer-Akasha vom Silvesterabend spricht schon sehr deutlich diese Worte neben vielem anderen. Und sie fordert uns auf, zu ergrün­den im Mikrokosmos den Mikrologos, damit der Mensch Verständnis gewinne für dasjenige, woraus er seinem Wesen nach selber ist: für den Makrokosmos durch den Makrologos.

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SIEBENTER VORTRAG Dornach, 7. Dezember 1923

Das letzte Mal mußte ich Ihnen sprechen von den ephesischen Myste­rien der Artemis, um Sie aufmerksam zu machen auf gewisse Zusam-menhänge zwischen dem, was sich im Laufe der Menschheitsentwicke­lung als Erkenntnis ergeben hat, und demjenigen, was heute wiederum gefunden werden kann durch den Einblick, durch das Schauen in die geistige Welt. Heute möchte ich, um manches, was mit den angeschla­genen Themen zusammengehört, aufzubauen, von einer anderen My­sterienstätte sprechen, die auch im Ausgangspunkte des neueren Gei­steslebens in einer gewissen Weise dadurch steht, daß sie diese neuere Geistesbewegung impulsiert hat, aber doch wiederum noch manches heröbergenommen hat aus älteren Geistesbewegungen, in denen noch die Urweisheit der Menschen verankert war. Ich möchte Ihnen heute sprechen von jener Mysterienstärte und ihren tonangebenden Impul­sen, die einmal bestanden hat auf der irischen Insel, in Irland, auf die auch hingedeutet ist in meinen Mysterien: von der Mysterienstätte Hyberniens.

Es ist verhältnismäßig viel schwieriger, aus dem, was ich öfter vor Ihnen in meinen Schriften die Akasha-Chronik genannt habe, heranzu­kommen gerade an die alte Mysterienstätte Hyberniens, der vielge­pruften Insel im Westen von England; es ist verhältnismäßig viel schwerer, im nachträglichen Schauen heranzukommen an die Bilder, die in der ewigen Chronik davon geblieben sind, als an andere Myste­rienstätten. Denn man bekommt eigentlich, wenn man sich nähern will anschaulich gerade dieser Mysterienstätte, den Eindruck, daß die Bilder dieser Mysterienstätte mit außerordentlich starken Abstoßungs­kräften versehen sind, die einen zurückstoßen, und die sogar auch dann, wenn man, ich möchte sagen mit einem gewissen Mut an solche Dinge herangeht, durch den Mut nicht so stark zu dämpfen sind, wie das in anderen dergleichen Fällen ist, sondern die auch einem mut-vollen Schauen Widerstand entgegensetzen, der sich äußert, ich möchte sagen sogar bis in eine Art Betäubung herein. So daß man nur mit

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Hindernissen des Erkennens herankommen kann an das, was ich nun beschreiben will. Sie werden in den nächsten Tagen sehen, warum solche Hindernisse des Erkennens gerade da bestehen.

Es gab natürlich auch in dieser Mysterienstätte einweihende Initiier­te, die das alte Urwissen der Menschheit herübergenommen hatten, und die bis zu einem gewissen Grade, angeregt und impulsiert durch dieses Urwissen, zu einer Art eigenem Schauen hingelangen konnten. Und es gab Schüler, Einzuweihende, welche gerade in der besonderen Art, die dort gepflegt wurde, sozusagen an das Weltenwort herange­bracht werden sollten. Nun, wenn man auf die Vorbereitung hinschaut, die zunächst den dort in Hybernia Einzuweihenden zugekommen ist, so bestand diese Vorbereitung in zwei Dingen. Das erste war, daß diese Vorzubereitenden an alle Schwierigkeiten des Erkennens über­haupt seelisch herangeführt wurden. Alles, was, ich möchte sagen Qual des Erkenntuisweges sein kann, jenes Erkenntnisweges, der noch nicht in die Tiefe des Daseins hineingeht, sondern der einfach darin besteht, daß man die gewöhnlichen Seelenkräfte, die man im alltäg­lichen Bewußtsein hat, so stark anstrengt, als nur irgend möglich ist: die Schwierigkeiten, die sich auf diesem Erkenntniswege des gewöhnlichen Bewußtseins ergeben, die wurden diesen Schülernseelischnahe gebracht. Sie mußten alle die Zweifel, alle die Plagen, all das innere Ringen und das oftmalige Scheitern dieses inneren Ringens, das Enttäuschtwerden durch, sagen wir, eine wenn auch noch so gute Logik und Dialektik, das alles mußten sie durchmachen. Sie mußten durchmachen alles, was man an Schwierigkeiten empfindet, wenn man nun schon wirklich einmal eine Erkenntnis errungen hat und diese dann aussprechen will.

Sie werden fühlen, meine lieben Freunde, das ist durchaus zweierlei:

eine Wahrheit errungen haben und sie auszusprechen, zu formulieren. Man hat ja, wenn man in ernster Weise seinen Erkenntuisweg geht, im­mer das Gefühl, daß dasjenige, was man in die Worte drängen kann, eigentlich schon etwas nicht mehr ganz Wahres ist, etwas die Wahr­heit mit allen möglichen Klippen und Fallen Einfassendes ist.

All das, was man da durchmachen kann, was eben nur derjenige kennt, der wirklich das Ringen nach Erkenntnis geübt hat, all das wurde diesen Schülern nahegebracht.

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Und dann das Zweite, was ihnen nahegebracht wurde, das war, daß sie wiederum seelisch erfuhren, wie wenig eigentlich dasjenige, was auf diesem gewöhnlichen Bewußtseinswege Erkenntnis werden kann, wie wenig das irgendwie zuletzt doch zum menschlichen Glück beitragen kann, wie wenig Logik, Dialektik, Rhetorik zum menschlichen Glück beitragen können. Auf der anderen Seite aber wurde diesen Schülern klar gemacht, daß der Mensch eben doch, wenn er sich aufrecht erhal­ten will im Leben, herantreten muß an dasjenige, was ihm in einer gewissen Weise Freude, Glück bringt. Und so wurden sie getrieben auf der einen Seite bis nahe an einen Abgrund, und auf der anderen Seite auch bis nahe an den anderen Abgrund und immer veranlaßt zu zweifeln, als ob sie warten sollten, bis man ihnen eine Brücke baut über jeden einzelnen Abgrund. Und sie sind schon so stark in die Zweifel und Schwierigkeiten der Erkenntnis eingeweiht worden, daß sie eigentlich dann, wenn sie übergeleitet wurden von dieser Vorberei­tung zu dem wirklichen Herantreten an die Weltengeheimnisse, sogar bis zu dem Entschluß kamen: Wenn es so sein muß, dann wollen wir verzichten auf Erkenntnis, dann wollen wir verzichten auf alles das, was den Menschen nicht Glück bringen kann.

Es war durchaus in diesen alten Mysterien so, daß eben die Men­schen so starken Prüfungen unterworfen wurden, und daß sie tatsäch­lich bis zu Punkten gebracht wurden, wo sie in natürlichster, elemen­tarster Art Gefühle entwickelten, die der gewöhnliche philiströse Ver­stand natürlich als unbegründet ansieht. Aber es ist leicht, zu sagen:

kein Mensch wird ja doch auf Erkenntnis verzichten wollen, selbstver­ständlich will man Erkenntnis haben, wenn sie auch noch so große Schwierigkeiten macht! - Das sagen eben die Leute, die diese Schwie­rigkeiten nicht kennen, und die nicht systematisch in diese Schwierig­keiten eingeführt worden sind wie die Schüler dieser Mysterien in Hy­bernia. Auf der anderen Seite sagt man wiederum leicht: man wrn auf das innere Glück ebenso verzichten, wie auf das äußere Glück, und nur einen Erkenntnisweg gehen. Aber dem, der die Dinge kennt, wie sie sind, dem erscheinen eben diese beiden Aussprüche, die einem so oft begegnen, als etwas durchaus Philiströses.

Dann also, wenn die Schüler bis zu dem angedeuteten Grade vorbereitet

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waren, dann wurden sie geführt vor zwei kolossale Bildsäulen, vor zwei große, gewaltige, majestätische Bildsäulen. Die eine war mehr majestätisch durch ihre äußere räumliche Größe, die andere war ebenso groß, aber sie war außerdem noch eindrucksvoll durch die besondere Art, wie sie war. Die eine Bildsäule war eine männliche Gestalt, die andere Bildsäule war eine weibliche Gestalt.

An diesen Bildsäulen sollten sie erleben in ihrer Art das Herankom­men des Weltenwortes. Gewissermaßen sollten ihnen diese beiden Bild-säulen die äußeren Buchstaben sein, mit denen sie beginnen sollten, das Weltengeheimnis, das sich vor den Menschen hinstellt, zu entziffern.

Die eine Bildsäule, die männliche Bildsäule, sie war aus einem ganz elastischen Material. Und sie war so, daß sie an jeder Stelle eingedrückt werden konnte. Die Schüler wurden dazu veranlaßt, an jeder Stelle sie einzudrücken. Dadurch erwies sie sich innen als hohl. Also es war im Grunde genommen nur die Haut einer Bildsäule, aber aus durchaus elastischem Material, so daß, wenn sie drückten, sich die Form sofort wieder herstellte. Über dieser Bildsäule, über dem Kopf dieser Bild-säule, der besonders charakteristisch war, war etwas, was sich dar­stellte wie die Sonne. Der ganze Kopf war so, daß man sah, er sollte eigentlich ganz sein wie ein seelisches Auge; er sollte wie ein seelisches Auge mikrokosmisch darstellen den Inhalt des ganzen Makrokosmos. Aber durch die Sonne sollte diese Manifestation des ganzen Makro-kosmos in diesem Kolossalhaupte zum Ausdrucke kommen.

Ich kann Ihnen natürlich hier in der Geschwindigkeit nicht die bei­den Bildsäulen aufzeichnen, ich will es also nur schematisch tun. Das war also die eine Bildsäule, von der man den unmittelbaren Eindruck hatte: da wirkt der Makrokosmos durch die Sonne, gestaltet das menschliche Haupt, das weiß, wie die Impulse des Makrokosmos sind, das sich selbst innerlich und äußerlich gestaltet nach diesen Impulsen des Makrokosmos.

Die andere Bildsäule war so, daß zuerst die Augen des Schülers fielen auf etwas, das in einer Art von Leuchtekörpern angebracht war und einen Schein zeigte, nach innen gehend. Und in dieser Umrahmung sah dann der Schüler eine weibliche Gestalt, die überall unter dem Ein­flusse dieser Strahlungen stand. Und er bekam das Gefühl, daß das

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Haupt erzeugt werde aus diesen Strahlungen heraus. Das Haupt hatte etwas Undeutliches an sich. Diese Statue war aus einer anderen Sub­stanz. Sie war aus einer Substanz, die plastisch war, also nicht elastisch, sondern plastisch und außerordentlich weich. Der Schüler wurde ver­anlaßt, auch da zu drücken. Alles, was er hineindrückte, blieb beste­hen. Es wurden nur immer zwischen dem einen Male, wo der Schüler geprüft wurde an diesen Statuen, und dem nächsten Male die Ein­drücke, die von den Schülern verursacht wurden, wiederum ausgebes­sert. So daß immer, wenn die Schüler zu der entsprechenden Zeremo­nie vor diese Statue geführt werden sollten, die Statue wieder intakt hergestellt war. Bei der anderen, bei der elastischen, stellte sich immer alles von selber wieder her.

Es war die zweite Statue so, daß man den Eindruck bekam: sie steht ganz unter dem Einfluß von Mondenkräften, die den Organismus durchdringen, und die aus dem Organismus das Haupt hervorwachsen lassen. Die Schüler bekamen einen außerordentlich mächtigen Ein­druck von dem, was sie da erlebten. Diese Statue wurde ihnen immer wiederum ausgebessert. Und sie wurden oftmals, eine Gruppe von Schülern, in nicht zu großen Zeiträumen vor diese Statue geführt. Wenn sie vor diese Statue geführt wurden, herrschte rings herum zu-nächst bei den ersten Malen eine lautlose Stille. Sie wurden bis vor diese Statue von den schon Initiierten geführt, wurden dann verlassen, das Tor wurde hinter dem Tempel zugemacht; sie wurden ihrer Ein­samkeit überlassen.

Dann kam eine Zeit, wo jeder Schüler für sich hineingeführt wurde und veranlaßt wurde zunächst, die Statue zu prüfen, um hier das Ela­stische zu fühlen, hier, an der anderen Statue, das Plastische zu fühlen, in dem seine Eindrücke bewahrt blieben. Dann wurde er allein für sich gelassen mit dem Eindruck desjenigen, was ja, wie ich schon andeu­tete, mächtig, ganz mächtig auf ihn wirkte. Und durch alles das, was er erst durchgemacht hatte auf dem Wege, den ich Ihnen ja gekennzeich­net habe, durchlebte der Schüler alle Schwierigkeiten der Erkenntnis, alle Schwierigkeiten der Glückseligkeit, will ich es nennen. Ja, sol­ches zu durchleben bedeutet eben mehr, als in den Worten bloß ausge­drückt wird, in denen man es in der Weise, wie ich es jetzt tue charakterisiert;

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solches Erleben bedeutete, daß man durch eine ganze Skala von Empfindungen durchging. Und diese Empfindungen machten es, daß der Schüler die lebendigste Sehnsucht hatte, indem er hingeführt wurde vor diese beiden Statuen, das, was ihm da als ein großes Rätsel erschien, in irgendeiner Weise in seiner Seele aufzulösen, dahlnterzu­kommen, was dieses Rätselhafte eigentlich will: auf der einen Seite das Rätselhafte, daß man mit ihm überhaupt so etwas machte, auf der an­deren Seite das Rätselhafte, das in den Gestalten selber lag und in der ganzen Art, wie man sich selber nur zu diesen Gestalten verhalten konnte. Das alles wirkte in tiefer, ungemein tiefer Weise auf die Schü­ler. Und sie waren vor diesen Statuen eigentlich, möchte man sagen, in ihrer ganzen Seele und in ihrem ganzen Geiste wie eine kolossale Frage. Sie kamen sich vor in ihrem Seelenerlebnis wie eine kolossale Frage. Alles war an ihnen Frage. Der Verstand fragte, das Herz fragte, der Wille fragte, alles, alles fragte. Der heutige Mensch kann von die­sen Dingen, die in alten Zeiten anschaulich vorgeführt wurden, die heute nicht mehr in dieser Art zur Initiation anschaulich vorgeführt werden können und brauchen, immerhin lernen, welche Empfindungs­skala man durchmachen muß, um sich der Wahrheit wirklich zu nähern, der Wahrheit, die dann in die Geheimnisse der Welt hineinführt. Denn wenn es auch für den heutigen Schüler das Richtige ist, diese Dinge in einem inneren, äußerlich unanschaulichen Entwickelungsweg durchzu­machen, so bleibt doch das bestehen, daß auch der moderne Schüler dieselbe Empfindungsskala durchmachen sollte, diese Empfindungen durch innerliches meditatives Erleben in sich durchringen sollte. Also die Skala der Empfindungen selber kann an dem gelernt werden, was innerhalb des äußeren Kultusartigen in jenen alten Zeiten von den Menschen, die eingeweiht werden sollten, durchgemacht worden ist.

Dann, wenn dieses durchgemacht war, dann wollte man die Schüler zu einer Art von Probezeit führen, durch die beides zusammenwirken konnte: auf der einen Seite das, was sie überhaupt vorher in der Vor­bereitung durchgemacht hatten auf dem gewöhnlichen Erkenntnis-und Glückseligkeitswege, und das, was in ihnen geworden war wie eine große Frage des Gesamtgemütes, ja, des Gesamtmenschen. Das sollte nun zusammenwirken.

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Und jetzt, indem ihr Inneres dies zusammen empfand, indem in ihrem Inneren dies zusammen in seinen Wirkungen gegenwärtig war, jetzt wurden ihnen, soweit es in der damaligen Zeit möglich war, vor­getragen die Weltengeheiranisse über den Mikrokosmos, über den Makrokosmos, etwas von jenen Zusammenhängen, die wir gerade in diesen Vorträgen jetzt berührt haben, die auch den Inhalt bildeten der Artemis-Mysterien zu Ephesus. Ein Teil davon wurde hier während einer Art von Probezeit vorgetragen. Dadurch wurde aber das, was wie eine große Frage im Gemüte dieser Schüler war, noch weiter er­höht. So daß der Schüler wirklich, ich möchte sagen in dieser Frage-form durch die ungeheure Vertiefung, die das Gemüt im Erleben und im Ertragen durchmachte, in diesem ungeheuren Erleben, herange­führt wurde an die geistige Welt. Er kam tatsächlich mit seinem Emp­finden hinein in jene Region, die eben die Seele erlebt, wenn sie in sich fühlt: Jetzt stehe ich vor der die Schwelle behütenden Macht.

Es gab ja in den älteren Zeiten der Menschheit die verschiedensten Arten von Mysterien, und in der verschiedensten Weise wurden die Menschen herangeführt an das, was man empfinden muß, wenn man dann seine Empfindungen zusammendrängt in die Worte: Jetzt stehe ich an der Schwelle zur geistigen Welt. Ich weiß, warum diese geistige Welt für das gewöhnliche Bewußtsein behütet wird, und worinnen eigent­lich das Wesen der behütenden Macht, des Hüters der Schwelle, liegt.

Und wenn dann die Schüler diese Probezeit durchgemacht hatten, dann wurden sie neuerdings vor diese Statuen geführt. Und dann beka­men sie einen ganz merkwürdigen Eindruck. Dann bekamen sie einen Eindruck, der tatsächlich ihr ganzes Inneres aufrüttelte. Ich kann Ih­nen den Eindruck nur dadurch vergegenwärtigen, daß ich Ihnen das, was in jener alten Sprache üblich war, eben in der heutigen deutschen Sprache wiedergebe.

Wenn die Schüler so weit gekommen waren, wie ich es Ihnen cha­rakterisiert habe, dann wurden sie wiederum, jeder einzeln, vor die Statuen geführt. Jetzt blieb aber der einweihende Priester, der Initiator, bei dem Schüler in dem Tempel drinnen. Und jetzt sah der Schüler, nachdem er erst wiederum in lautloser Stille hatte lauschen können auf dasjenige, was ihm die eigene Seele sagen konnte nach all diesen Vorbereitungen

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und Prüfungen, nachdem das längere Zeit gedauert hatte, wie aufsteigend seinen initiierenden Priester über dem Haupte dieser einen Gestalt zunächst. Und es erschien dann so, wie wenn die Sonne eben weiter rückwärts wäre, und in dem Raume, der da als Zwischen­raum war zwischen der Statue und der Sonne, erschien der Priester, wie die Sonne bedeckend. Die Statuen waren sehr groß, so daß der Priester eigentlich in einer gewissen Kleinheit hier über der Statue nur dem Haupte nach erschien, gewissermaßen die Sonne bedeckend; mit dem anderen stand er unten. Dann kam wie aus einem Musikalisch-Harmo­nischen heraus wirkend - mit einem Musikalisch-Harmonischen be­gann die Zeremonie - die Sprache des Initiators. Und so, wie eben ein­mal der Schüler war in diesem Stadium, erschien es ihm so, wie wenn die Worte, die nun von den Lippen des Initiators ertönten, von der Statue gesagt wurden. Und zwar tönten ihm die Worte entgegen:

Ich bin das Bild der Welt,

Sieh, wie das Sein mir fehlt.

Ich lebe in deiner Erkenntnis,

Ich werde in dir nun Bekenntnis.

Auch das machte wiederum, wie Sie sich denken können, einen mäch­tigen Eindruck auf den Schüler. Denn er war dazu vorbereitet, jene Macht zu erleben, die ihm entgegentrat in dem Bilde dieser Statue, und die von sich sagte: Sieh, wie das Sein mir fehlt. Ich bin das Bild der Welt. Ich lebe in deiner Erkenntnis.

Der Schüler war durch das, was in ihm vorbereitet war in bezug auf die Schwierigkeit des gewöhnlichen Erkenntuisweges, sozusagen nun auch vorbereitet, dieses Bild wie etwas zu nehmen, was ihn von diesen Schwierigkeiten erlöste, wenn er auch die Zweifel an der Erkenntnis in sich nicht besiegen konnte. Und er wurde dazu gebracht, das Gefühl zu haben, daß er diese Erkenntniszweifel nicht besiegen könne. Er war, indem das alles durch seine Seele durchgegangen war, innerlich bereit, sich gewissermaßen mit seine? ganzen Seele an dieses Bild anzu­klammern, mit dem, was die Weltenmacht war, die durch dieses Bild symbolisiert wurde, zu leben, ihr sich sozusagen zu übergeben. Dazu war er bereit, indem er das empfand, was nun aus dem Munde des

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Priesters kam, was so erschien, wie wenn diese Statue eben der Buch­stabe wäre, der diesen Sinn, der in den vier Zeilen hier liegt, vor den Schüler hinstellte.

Nachdem der Priester wiederum zurückgestiegen war, der Schüler wiederum in lautlose Stille versetzt war, der Priester hinausgegangen war, den Schüler allein gelassen hatte, kam nach einiger Zeit ein zwei­ter Initiator. Der erschien dann über der zweiten Statue. Und wieder­um erklang nun wie aus Musikalisch-Harmonischem heraus die Stim­me dieses Priester-Initiators, und die ergab die Worte, die ich Ihnen so wiedergeben kann:

Ich bin das Bild der Welt,

Sieh, wie Wahrheit mir fehlt.

Willst du mit mir zu leben wagen,

So werd' ich dir zum Behagen.

Und dem Schüler kam es jetzt nach allen Vorbereitungen vor, nach­dem er ja dazu geführt war, das innerliche Glück, die innerliche Fülle zu ersehnen - ich müßte besser sagen statt Glück, weil das im Deutschen nicht die richtige Bedeutung gibt: freudvolle innerliche Fülle -, nach­dem er durch alles das, was er erlebt hatte, dazu gekommen war, die Notwendigkeit zu empfinden, daß der Mensch zu dieser freudevollen inneren Fülle einmal komme, er war jetzt wiederum daran, indem er von der zweiten Bildsäule dieses hörte, nicht nur beinahe daran, son­dern wirklich daran, nun auch die Weltengewalt, die durch diese zweite Bildsäule sprach, als diejenige zu betrachten, der er sich ergeben wollte.

Wiederum verschwand der Initiator. Wiederum wurde der Schüler allein gelassen. Und während dieser einsamen Stille empfand eigentlich jeder - wenigstens scheint das so, daß jeder es empfand - etwas, was sich vielleicht in den folgenden Worten ausdrücken läßt: Ich stehe an der Schwelle zur geistigen Welt. Hier in der physischen Welt nennt man etwas Erkenntnis, aber das hat eigentlich keinen Wert in der gei­stigen Welt. Und daß man hier in der physischen Welt Schwierigkeiten damit hat, das ist nur das physische Abbild von der Wertlosigkeit der Erkenntnis, die man hier in der Welt erwerben kann, für die übersinnliche,

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für die geistige Welt. Und ebenso hatte der Schüler die Empfin­dung: Manches sagt einem hier in der physischen Welt, du sollst der inneren freudevollen Fülle entsagen, eine Art asketischen Weg gehen, um in die geistige Welt hineinzukommen. Das aber ist eigentlich Illu­sion, das ist eigentlich Täuschung. Denn das, was in dieser zweiten Bildsäule erscheint, sagt ausdrücklich von sich: Sieh, wie Wahrheit mir fehlt.

Also der Schüler war nahe daran, an der Schwelle der Erkenntnis zu der Empfindung zu kommen, man müsse die innere freudevolle Fülle der Seele, des Gemütes mit Ausschluß von dem erringen, was hier in der physischen Welt durch das schwache, an den physischen Leib ge­bundene Menschenstreben als Wahrheit ersehnt wird. Es hatte der Schüler schon die Empfindung, daß es jenseits der Schwelle eben an­ders aussehen müsse, als hier diesseits der Schwelle, daß vieles von dem, was hier diesseits der Schwelle wertvoll ist, wertlos wird jenseits der Schwelle, und daß sogar solche Dinge wie Erkenntnis und Wahrheit jenseits der Schwelle ein ganz anderes Gesicht darstellen.

Das alles waren Empfindungen, die zum Teil in dem Schüler das Be­wußtsein hervorriefen, er sei über manche Täuschungen und Enttäu­schungen der physischen Welt hinausgelangt. Es waren aber auch Empfindungen, die bisweilen wiederum wie innerlich wirkende Feuer-flammen waren. So daß man sich wie versehrt von innerem Feuer, wie innerlich vernichtet fühlte. Und die Seele schwankte von der einen Empfindung zur anderen herüber und wiederum zurück. Und der Schüler wurde sozusagen auf der Erkenntnis-Glückswaage geprüft. Und während er so dieses Innerliche durchmachte, war es ihm, als ob die Bildsäulen selber sprechen würden. Er hatte nun etwas wie das innere Wort erlangt, und es war so, wie wenn die Bildsäulen selber sprechen würden. Und es sagte die eine Bildsäule:

Ich bin die Erkenntnis.

Aber was ich bin, ist kein Sein.

Und jetzt bekam der Schüler dieses ganze, man möchte sagen, schreckausstrahlende Gefühl: Was man an Ideen hat, ist ja alles eben nur Idee, da ist kein Sein darinnen. Strengt man den menschlichen

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Kopf an - so hatte der Schüler das Gefühl -, so kommt man zwar zu Ideen, aber nirgends ist ein Sein. Ideen sind Schein, kein Sein.

Und die andere Bildsäule war wie sprechend; sie sagte:

Ich bin die Phantasie,

Aber was ich bin, hat keine Wahrheit.

So stellten sich vor den Schüler hin die beiden Bildsäulen, wovon die eine ihm vergegenwärtigte, was die Ideen sind ohne Sein, und die andere, was die Bilder der Phantasie sind ohne Wahrheit.

Bitte, fassen Sie das in der richtigen Weise au£ Es kommt nicht dar­auf an, jetzt hier Dogmen zu geben, es kommt nicht darauf an, Sätze zu prägen, die irgendwie Wahrheiten oder Erkenntnisse ausdrücken, sondern es kommt darauf an, Erlebnisse der Schüler aus den Heiligtü­mern Hyberniens zu geben. Was diese Schüler erlebten, das zu geben, darauf kam es an. Nicht der Inhalt dessen, was da in diesen Sätzen steht, soll wie eine Wahrheit verkündet werden, sondern das, was in diesem Augenblicke der Initiation die Schüler der Mysterien Hyber­niens erlebten, das sollte eben hingeschrieben werden.

Und das alles erlebte ja der einzelne Schüler in absoluter Einsamkeit. Sein innerliches Erleben wurde so stark, daß sein äußerliches Gesicht nicht mehr wirkte. Es wirkte nicht mehr. Nach einiger Zeit sah er die Statue nicht mehr. Aber er las wie mit Flammenschrift an dem Orte, wo er hinschaute, etwas, was ja nicht äußerlich-physisch da war, was er aber mit erschütternder Deutlichkeit sah. Er las da, wo er früher das Haupt der Erkenntnisstatue gesehen hatte, das Wort Wissenschaft, und da, wo er das Haupt der anderen Statue gesehen hatte, las er das Wort Kunst.

Und nachdem er dieses durchgemacht hatte, wurde er durch den Ausgang des Tempels zurückgeführt. Beim Tempel standen wiederum die beiden Initiatoren. Der eine nahm sein Haupt und richtete es gegen dasjenige, was ihm der andere Initiator zeigte: die Gestalt des Christus. Und dabei fielen Worte der Mahnung. Der eine Priester, der das Chri­stusbild ihm vorwies, sprach zu ihm:

Nimm das Wort und die Kraft dieses Wesens

In dein Herz auf.

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Und der andere Priester sprach:

Und von ihm empfange,

Was dir die beiden Gestalten geben wollten:

Wissenschaft und Kunst.

Das waren sozusagen die ersten zwei Akte der hybernischen Einwei­hung, der besonderen Art, wie in Hybernia die Schüler zu der wirk­lichen Empfindung des innersten Wesens des Christentums hingeleitet wurden. Und dies prägte sich nun ganz tief in die Seelen, in die Gemü­ter dieser Schüler ein. Und nun konnten sie, nachdem sie sich dieses eingeprägt hatten, an ihren weiteren Erkennmisweg gehen.

Was von diesem zu sagen ist und gesagt werden kann, werden wir nun in den nächsten Tagen im Zusammenhange mit anderen Dingen betrachten.

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ACHTER VORTRAG Dornach, 8. Dezember 1923

Sie werden gesehen haben, daß die gestern geschilderte Initiation der hybernischen Mysterien hinzielt auf ein wirkliches Durchschauen der Welt- und Menschengeheimnisse, denn die inneren Seelenerfahrun­gen, von denen ich sprechen mußte, waren einschneidender Art für das menschliche Seelen- und Gemütsleben. Und eigentlich beruht alles, was auf den Weg in die geistige Welt führen soll, darauf, daß der Mensch aus besonderen einschneidenden inneren Erlebnissen heraus zu gewissen Überwindungen kommt, in diesem Überwinden seine Kraft wesentlich verstärkt und dadurch auf die eine oder die andere Art in die geistige Welt hineindringt.

Nun sahen wir ja, wie bei der Einweihung in Hybernien der Einzu­weihende zwei - man muß das Wort nicht mißverstehen - symbolischen Statuen gegenübersteht. Und ich habe Ihnen geschildert, erstens wie diese Statuen beschaffen waren, zweitens durch welche Empfindungen und inneren Seelenerlehnisse der Schüler bei Gelegenheit der Betrach­tung dieser Statuen geführt wurde.

Nun müssen Sie sich darüber klar sein: der Eindruck, den man von solchen majestätischen Bildsäulen bekommt unter solchen Verhältnissen, wie ich sie Ihnen geschildert habe, der ist natürlich durchaus nicht etwa gleich dem, den man bekommt, wenn man die Dinge nun ge­schildert vernimmt, sondern er ist ein innerlich außerordentlich mäch­tiger. Und daher war es schon möglich, daß die Einweihenden, nach­dem der Schüler alles das durchgemacht hatte, was ich gestern geschil­dert habe, daß die Initiatoren in die Lage versetzt waren, das Durch­lebte, das an jeder der einzelnen Bildsäulen Durchlebte durch längere Zeit in dem Schüler nachklingen zu lassen. Der Schüler wurde einfach dazu angehalten, daß dasjenige, was er an der männlichen, was er an der weiblichen Statue erlebt hatte, in ihm nachklang. Wochenlang -die Dinge sind nach dem Karma des Menschen verschieden, zuweilen auch länger, bei manchem kürzer - wurden die Schüler angehalten, zu­nächst in sich den Nachklang zu fühlen der einen, der männlichen

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Statue. Die Erprobungen, von denen ich gestern gesprochen habe, die wurden zuerst an beiden Statuen gemacht, denn es sollte zusam­menfließen auch im ferneren seelischen Leben des Schülers dasjeni­ge, was von beiden Statuen zusammen ausging. Dennoch aber wurde der Schüler dazu angehalten, zunächst in sich ganz intensiv dasjenige nachklingen zu lassen, was er als Eindruck bekommen hatte von der männlichen Statue. Und ich werde Ihnen diesen Eindruck, wie er nachklang, nun schildern. Natürlich muß man dabei Worte ge­brauchen, die ja nicht geprägt sind für solche Initiationserlebnisse; daher wird manches, was in diesen Worten ausgesprochen wird, eigentlich gefühlt werden müssen seiner wahren inneren Bedeutung nach.

Was der Schüler zunächst nun erlebte, wenn er sich dem Eindruck der männlichen Statue, den ich gestern geschildert habe, hingab, war eine Art von seelischer Erstarrung, eine wirkliche seelische Erstar­rung, die sich immer mehr und mehr einstellte, je mehr der Schüler in die Zeiten versetzt wurde, in denen er die Dinge so nachklingen lassen sollte: eine seelische Erstarrung, die sich erfühlte auch wie eine körper­liche Erstarrung. Der Schüler konnte in den Zwischenzeiten durchaus dasjenige besorgen, was für das Leben notwendig ist, aber er wurde immer wieder und wiederum in seiner Seele in diesen Nachklang ver­setzt und erlebte dann diese Erstarrung. Diese Erstarrung - es war durchaus eine Initiation, die noch sehr stark, wenn auch nicht ganz mehr an den alten Stil der Urmysterien erinnerte - diese Erstarrung brachte ihn zu einer Änderung seines Bewußtseins. Das Bewußtsein, man konnte nicht sagen, daß es etwa herabgedämpft wurde, aber es wurde so, daß der Schüler verspürte: Der Bewußtseinszustand, in den ich da komme, ist mir ganz ungewohnt. Ich kann ihn eigentlich zu­nächst nicht handhaben, ich kann mit ihm nichts anfangen. Und daher fühlte der Schüler eigentlich nur, daß dieser ganze Bewußtseinszu­stand ausgefüllt war mit der Empfindung der Erstarrung. Dann aber war es so, als ob der Schüler fühlte, daß dasjenige, was in ihm erstarrt war, also eigentlich er selber, von dem Weltenall aufgenommen wurde; er fühlte sich wie hinaus versetzt in die Weiten des Weltenalls. Und er konnte sich sagen: Das Weltenall nimmt mich auf.

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Aber darm kam - es war nicht ein Schwinden des Bewußtseins, son­dern ein etwas Anderswerden des Bewußtseins - dann kam etwas ganz Besonderes. Wenn der Schüler genügend lange Zeit - und daß es eben genügend lange Zeit war, dafür hatten die Initiatoren zu sorgen - diese Art Erstarrung durchgemacht hatte, dieses Aufgenommenwerden von dem Weltenall, sagte er sich ungefähr: Die Sonnenstrahlen, die Ster­nenstrahlen ziehen mich an, sie ziehen mich hinaus ins ganze Welten­all, aber ich bleibe eigentlich doch in mir beisammen. Wenn der Schü­1er das lange genug durchgemacht hatte, dann bekam er eine merk-würdige Anschauung. Jetzt erst wußte er eigentlich, wozu dieses Be­wußtsein war, das schon während der Erstarrung aufgetreten war, denn jetzt bekam er, je nach seinen Erlebnissen, anklingend an dies oder jenes, die mannigfaltigsten Eindrücke von Winterlandschaften. Winterlanischaften waren im Geiste vor ihm, Landschaften, wobei er hineinsah in wirbelnde Schneeflocken, welche die Luft erfüllten - alles, wie gesagt, im Geiste gesehen -, oder Landschaften, wo er hineinsah in Wälder, wo Schnee drückend auf den Bäumen lag oder ähnliches; durchaus Dinge, die, wie gesagt, anklangen an das, was er im Leben da oder dort gesehen hatte, die aber immer den Eindruck des Wirklichen machten. So daß er, nachdem er aufgenommen war von dem Welten-all, sich fühlte, wie wenn ihm das eigene Bewußtsein vorzauberte ganze Wanderungen in der Zeit durch Winterlandschaften. Und dabei fühlte er so, wie wenn er eigentlich nicht in seinem Körper wäre, wohl aber in seinen Sinnesorganen; er fühlte seine Wesenheit in seinen Augen, er fühlte seine Wesenheit in seinen Ohren, er fühlte seine Wesenheit auch auf der Oberfläche seiner Haut. Da, namentlich, wenn er den ganzen Gefühlssinn, den ganzen Tastsinn ausgedehnt fühlte über seine Haut, da empfand er auch: ich bin ähnlich geworden der elastischen, aber hoh­len Bildsäule. Und er fühlte eine innige Gemeinschaft zum Beispiel sei­ner Augen mit diesen Landschaften. Er fühlte, als ob in jedem Auge diese ganze Landschaft, die er übersah, tatig ware, als ob sie überall ins Auge hineinwirkte, als ob das Auge ein innerer Spiegel wäre für das, was da dratißen erschien.

Aber das, was er noch fühlte, war: er fühlte sich nicht als eine Ein­neit, sondern er fühlte im Grunde genommen sein Ich so oft vervielfacht,

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als er Sinne hatte. Er fühlte sein Ich verzwölffacht. Und daraus, daß er dieses Ich verzwölffacht fühlte, ergab sich für ihn dieses ganz merkwürdige Erlebnis, daß er sich sagte: Da ist ein Ich, das sieht durch meine Augen. Da ist ein Ich, es wirkt in meinem Denksinn, in meinem Sprachsinn, in meinem Tastsinn, in meinem Lebenssinn. Ich bin eigentlich zerspalten in der Welt. - Daraus entstand eine lebendige Sehnsucht nach der Vereinigung mit einem Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, um in dieser Vereinigung mit einem Wesen aus der Hier­archie der Angeloi die Kraft und die Gewalt zu bekommen, die Aus­einanderspaltung des Ich in die einzelnen Sinneserlebnisse zu beherr­schen. Und daraus, aus alledem ging im Ich das Erlebnis hervor: War­um habe ich meine Sinne?

Und dieses ganz Eigentümliche stellte sich heraus, daß der Schüler nun empfand, wie alles, was mit den Sinnen und mit den Fortsetzun­gen der Sinne nach innen, nach dem Innern des Menschen zusammen­hängt, wie das eine Verwandtschaft hat mit der wirklichen Umgebung, die man auf der Erde hat. Die Sinne gehören dem Winter - das ist das­jenige, was der Schüler fühlte. Und in diesem ganzen Leben, das er da durchmachte, in den sich wandelnden Winterlandschaften, die, wie ge­sagt, anklangen an das, was er im Leben gesehen hatte, die aber mit einer großen Schönheit ihm entgegenstrahlten eben aus dem Geistigen heraus, aus diesen ganzen Erlebnissen nahm dann der Schüler eine Ge­samtverfassung seiner Seele mit. Diese Gesamtverfassung seiner Seele, die enthielt etwa die folgenden Teile:

Ich habe durchgemacht in meiner Mysterienwinterwanderung das-j enige, was im Weltenall wirklich vergangen ist. Die Schnee- und Eis-massen meiner Zauberwinter haben mir gezeigt, welche ertötenden Kräfte im Weltenall wirken. Ich habe Vernichtungsimpulse im Wel­tenall kennengelernt. Und meine Erstarrung, als ich auf dem Wege war zu meiner Mysterienwinterwanderung, war eben die Ankündigung, daß ich hineinschauen sollte in das, was im Weltenall an Kräften vor­handen ist, die aus der Vergangenheit herüber in die Gegenwart kom­men, aber in der Gegenwart als tote Weltenkräfte ankommen.

Das wurde zunächst dem Schüler vermittelt durch den Nachklang seiner Erlebnisse an der männlichen Statue.

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Dann wurde er dazu gebracht, den Nachklang seiner Erlebnisse mit der plastischen, nicht elastischen Statue, in sich zu haben. Und da war es ihm so, als ob er jetzt verfiele nicht in eine innerliche Erstarrung, aber in ein innerliches Heißsein, wie in einen Fieberzustand der Seele, in einen Fieberzustand, der etwa so wirkte, daß die Dinge, die so stark auf die Seele wirken können, weil sie innerlich eben so sind, durchaus mit körperlichen Symptomkomplexen begannen. Es empfand der Schüler das so, wie wenn er innerlich gedrückt würde, wie wenn alles zu stark drücken würde, der Atem zu stark drücken würde, das Blut nach allen Seiten zu stark drücken würde. In eine große Ängstlichkeit kam der Schüler, geradezu in eine tiefe innere Seelennot. Und in dieser tiefen inneren Seelennot ging ihm dann das Zweite auf, was er durch­machen sollte. Und das war, daß aus der Seelennot sich herausgebar für ihn etwas, was man etwa in folgende Worte kleiden könnte:

Ich habe etwas in mir, das gefordert wird von meiner Leiblichkeit im gewöhnlichen Erdenleben. Das muß überwunden werden. Mein Erden-Ich muß überwunden werden. - Das lebte stark im Bewußtsein des Schülers.

Dann, wenn er eine genügend lange Zeit dieses innerliche Heiß sein, diese innerliche Not, dieses Gefühl, es ist das Erden-Ich zu überwin­den, durchgemacht hatte, dann trat etwas in ihm auf, von dem er wuß­te, es ist nicht der Bewußtseinszustand von früher, sondern es ist ein ihm wohlbekannter Bewußtseinszustand, es ist der Bewußtseinszustand des Träumens. Während er beim ersten, was aus der Erstarrung heraus wirkte, deutlich das Gefühl hatte, er war in einem Bewußtseinszu­stand, den er nicht im gewöhnlichen Leben kannte, kannte er jetzt sei­nen Bewußtseinszustand: eine Art Träumen. Er träumte; aber er träumte im Gegensatze zu dem, was er früher geträumt hatte, wieder­um in Anklang an das, was er erlebt hatte, die wunderbarsten Sommer-landschaften. Aber er wußte, das sind Träume, Träume, die ihn inner. lich mit einer intensiven Freude oder mit einem intensiven Leid ergrif­fen, je nachdem das, was aus dem sommerlichen Wesen heraus an ihn herankam, leidvoll oder freudvoll war, aber eben mit jener Ergriffen­heit, wie einen Träume ergreifen. Sie brauchen sich nur zu erinnern, was ein Traum vermag, der in Bildern zunächst auftritt, aus dem Sie

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erwachen, erwachen mit pochendem Herzen, heiß, in Angst. Dieses innerliche Ergriffenwerden, das deutete sich nun der Schüler auf eine ganz elementare, selbstverständliche Weise so, daß er sich sagte: Meine innere Wesenheit hat mir den Sommer als Traum vor das Bewußtsein gebracht - den Sommer als Traum.

Zu gleicher Zeit wußte jetzt der Schüler: Dasjenige, was da als Zau­bersommer vor seinem Bewußtsein in einer fortdauernden Wandlung war oder ist, das ist etwas wie die Impulse in die weite Zukunft des Weltenalis hinüber. Aber er fühlte sich jetzt nicht so wie früher, wie in seine Sinne zerlegt und vermannigfaltigt, nein, er fühlte sich jetzt ge­rade richtig innerlich wie in eine Einheit zusammengefaßt; er fühlte sich wie zusammengefaßt in sein Herz. Und das ist die Kulmination, die höchste Steigerung dessen, was er durchmachte: dies Zusammen­gefaßtsein in sein Herz, dieses innerliche Sich-Ergreifen und Sich­Verwandtfühlen in der innersten Menschennatur nicht mit dem Som­mer, wie man ihn äußerlich sieht, aber mit dem Traum von diesem Sommer. Und in richtiger Weise sagte sich der Schüler: In dem, was der Traum vom Sommer gibt, was ich innerlich in meinem Menschen-wesen erlebe, in dem liegt die Zukunft.

Und wenn der Schüler dieses durchgemacht hatte, dann kam über ihn das Erleben, daß diese beiden Zustände aufeinander folgten. Er sah, sagen wir, hinein in eine Landschaft, bestehend aus Wiesen und Teichen und kleinen Seen. Er sah hinein in Eis und Schnee, das ver­wandelte sich in wirbelnden, fallenden Schnee, wie nebelnde Schnee­flocken, das verdünnte sich immer mehr und mehr und zerfloß in nichts. In dem Augenblicke, wo es in das Nichts zerflossen war, wo er sich gewissermaßen im leeren Weltenraume fühlte, in dem Augenblicke traten an dessen Stelle die Sommerträume auf. Und der Schüler hatte das Bewußtsein: Jetzt berühren sich Vergangenheit und Zukunft in meinem eigenen Seelenleben.

Und von jetzt ab hatte der Schüler gelernt, hinzuschauen auf die äu­ßere Welt und von dieser äußeren Welt sich jetzt als eine ihm immer für die Zukunft bleibende Wahrheit zu sagen: In dieser Welt, die uns umgibt, in dieser Welt, aus der wir unsere äußere Leiblichkeit haben, in dieser Welt stirbt fortwährend etwas. Und in den Schneekristallen

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des Winters haben wir die äußeren Anzeichen des in der Materie fort-dauernd ersterbenden Geistes. Wir sind als Menschen noch nicht dazu veranlagt, diesen ersterbenden Geist, der richtig in Schnee und Eis symbolisiert wird in der äußeren Natur, vollständig zu fühlen, wenn eben nicht die Initiation vorangeht. Geht sie aber voran, dann weiß man: fortdauernd stirbt in der Materie der Geist, kündigt sich in der erstarrenden und erstarrten Natur an. Da west immerzu das Nichts. Und aus diesem Nichts heraus gebiert sich zunächst etwas wie Natur­träume. Und die Naturträume enthalten die Keime für die Weltenzu­kunft. Aber es würde sich Weltentod und Weltengeburt nicht berüh­ren, wenn der Mensch nicht mitten innen stünde. Denn stünde der Mensch nicht mitten inne - wie gesagt, ich schildere Ihnen einfach die Erfahrungen, die innerlich machte der Schüler der hybernischen Ein­weihung - stünde der Mensch nicht mitten inne, dann wären die wirk­lichen Vorgänge, in die der Schüler durch das aus der Erstarrung her­aus geborene neue Bewußtsein hereinschaute, ein wirklicher Welten-tod, und der Traum folgte nicht dem Weltentod. Keine Zukunft er­gäbe sich gegenüber der Vergangenheit. Saturn, Sonne, Mond, Erde wären da; kein Jupiter, Venus und kein Vulkan. Daß diese Zukunft des Kosmos sich an die Vergangenheit angliedert, dazu mußte der Mensch zwischen Vergangenheit und Zukunft stehen. Das wußte ein­fach der Schüler aus dem, was er durchlebte.

Und was so der Schüler durchlebt hatte, das wurde ihm nun von sei­nen Initiatoren zusammengefaßt. Und zwar wurde ihm der erste Zu­stand, wo er durch Erstarrung gegangen war, wo er sich wie aufgeso­gen vom Weltenall fühlte, zusammengefaßt von seinen Initiatoren in Worte, die ich Ihnen etwa in der folgenden Art in deutscher Sprache geben kann:

In den Weiten sollst du lernen,

Wie im Blau der Ätherfernen

Erst das Weltensein entschwindet

Und in dir sich wiederfindet.

In diesen Worten waren tatsächlich die Empfindungen, die durch-gemacht wurden, zusammengefaßt.

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Dann wurden ihm zusammengefaßt die Empfindungen des zweiten Zustandes unter der Nachwirkung der zweiten Bildsäule:

In den Tiefen sollst du lösen

Aus dem heiß-erfiebernden Bösen,

Wie die Wahrheit sich entzündet

Und durch dich im Sein sich ergründet.

Bedenken Sie, meine lieben Freunde, der Schüler wurde ja auf der Etappe, von der ich gestern gesprochen habe am Schluß der Darstel­lung, entlassen mit den Worten, die sich hinstellten an die Stelle der beiden Statuen, mit den Worten: Wissenschaft, Kunst. Und Wissen­schaft stellte sich hin an die Stelle der Statue, die da eigentlich sagte:

Ich bin die Erkenntnis, aber mir fehlt das Sein. Und Kunst schrieb sich hin an die Stelle der Statue, die da sagte: Ich bin die Phantasie, aber mir fehlt die Wahrheit. Und der Schüler hatte all das Schwere, das in­nerlich furchtbar Schwere durchgemacht, daß er eigentlich wie inner­lich seelisch begierdevoll statt der Erkenntnis schon anderes gewählt hatte. Denn es war ihm ganz klar geworden, der Erkenntnis, die auf Erden erworben wird, sind nur Ideen, sind nur Bilder eigen, ihr fehlt das Sein. Jetzt hatte er die Nachklänge durchlebt. Und aus den Nach­klängen hatte er kennengelernt, daß der Mensch das Sein für dasjenige, was er in der Erkenntnis hat, finden muß, indem er in die Weltenwei­ten sich verliert:

In den Weiten sollst du lernen,

Wie im Blau der Ätherfernen

Erst das Weltensein entschwindet

Und in dir sich wiederfindet.

Denn das war in der Tat die Empfindung: Er stürmt gewissermaßen hinaus in die Ätherfernen, die vom Blau der Weiten umgrenzt werden; man vereint sich, man vereinigt sich zuletzt mit diesem Blau der weiten Fernen. Da aber ist das, was Erde war, so zerstreut in die Weiten, daß es wie in Nichts verwandelt ist. Und man hat gelernt, das Nichts zu empfinden aus dem Hinschauen auf die zauberische Winterlandschaft. Und man weiß jetzt, daß nur der Mensch es sein kann, der sich aufrecht

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erhält in diesen Weiten, die bis zu den blauen Ätherfernen hin­führen.

Und im Zweiten ergründet der Mensch, wie er in seinen eigenen Tiefen dasjenige findet, was er überwinden muß, was er anschauen muß als das gerade im Menschen wurzelnde und quellende Böse, das überwunden werden muß durch die Impulse des Guten in der mensch­lichen Natur, damit die Welt eine Zukunft habe:

In den Tiefen sollst du lösen

Aus dem heiß-erfiebernden Bösen,

Wie die Wahrheit sich entzündet

Und durch dich im Sein sich ergründet.

Den Hang der Phantasie, nicht die Wahrheit zu haben, sogar den Hang, sich zu begnügen mit einem Verhältnis zur Welt, das nicht die Wahrheit umschließt, sondern das in willkürlichen Bildern der Subjek­tivität verläuft, diesen Hang hatte der Schüler durchgemacht. Jetzt aber hatte er aus dem traumhaft-zauberischen Sommererlebnis heraus die Einsicht gewonnen: Ich kann das, was in mir aufsteigt, wie die in mir schaffende Phantasie, hinaustragen in die Welt. Aus meinem Inne­ren, wie die Bilder der Phantasie, wachsen heraus die Imaginationen, die Imaginationen der Pflanzen. Habe ich nur die Bilder der Phantasie, dann bin ich fremd dem, was um mich ist. Habe ich die Imaginationen, so wächst aus meinem eigenen Innern heraus dasjenige, was ich dann finde in dieser Pflanze, in jener Pflanze, in diesem Tier, in jenem Tier, in diesem Menschen, in jenem Menschen. Alles was ich im Innern finde, deckt sich mit irgend etwas, was draußen ist. Und für alles, was mir im Äußern begegnet, kann ich auch aus den Tiefen meines eigenen Seelenlebens etwas aufsteigen haben, was mit ihm zusammenhängt, was sich mit ihm deckt.

Dieses zweifache Verbundensein mit der Welt, das ist dasjenige, was wirklich mit einer innerlich grandiosen Empfindung vor dem Schüler als Nachklang an die beiden Statuen stand. Und der Schüler hatte wirk­lich auf diese Art gelernt, seine Seele auf der einen Seite nach den Wel­tenweiten hinaus, ich möchte sagen geistig zu dehnen, und er hatte ge­lernt, tief in sein Inneres hineinzugehen da, wo dieses Innere nicht

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wirkt mit jener Mattigkeit, mit der es im gewöhnlichen Bewußtsein wirkt, sondern wo dieses Innerliche so wirkt, wie wenn es von halber Wirklichkeit, nämlich von Träumen durchschauert und durchrüttelt und durchzaubert würde. Der Schüler hatte gelernt, diese ganze Inten­sität innerer Impulse in Verbindung zu bringen mit der ganzen Inten­sität äußerer Impulse. Er hatte aus der Verwandtschaft mit der Win­terlandschaft und aus der Verwandtschaft mit der Sommerlandschaft Aufschlüsse errungen über die äußere Natur und über sein eigenes Selbst. Und er war tief verwandt worden mit der äußeren Natur und mit dem eigenen Selbst.

Dann war er gut dazu vorbereitet, gewissermaßen eine Art Wieder­holung durchzumachen. In dieser Wiederholung wurde ihm ganz deutlich vor die Seele geführt durch seine Initiatoren: Du mußt Halt machen innerlich mit der Seele in der Erstarrung. Du mußt Halt ma­chen in diesem Hinausgehen in die Weltenfernen. Und du mußt Halt machen drittens, indem du dich fühlst wie ausgegossen und verman­nigfaltigt in deinen Sinnen. Du mußt dir innerlich klar machen, wie der einzelne Zustand ist. Du mußt jeden dieser einzelnen drei Zustände von den andern genau unterscheiden können. Du mußt ein ätherisches inneres Erlebnis von jedem dieser drei Zustände haben. - Und wenn der Schüler sich den Zustand innerlicher Erstarrung jetzt aus dem vol­len Bewußtsein wiederum vor die Seele rief, dann trat vor dieser Seele auf alles, was er an Erlebnissen gehabt hatte, bevor er aus den geistigen Welten zur Erde niedergestiegen war, vor der irdischen Empfängnis seines Leibes, wo er aus den Weltenweiten die Ätherimpulse und Ätherkräfte zusammengezogen hatte, um sich mit einem Ätherleib zu umgeben. So wurde der Schüler der Mysterien von Hybernia einge­führt in die Anschauung des letzten Zustandes vor dem Herunterstei­gen in einen physischen Leib.

Und dann sollte er sich ganz klar machen das innere Erlebnis, wie es verläuft, wenn er in die Weltenweiten hinausgeht. Da fühlte er jetzt beim zweiten Mal, bei dieser Wiederholung, nicht als ob er von Son­nenstrahlen und Sternenstrahlen aufgesogen würde, sondern er fühlte bei dieser Wiederholung, wie wenn ihm etwas entgegenkäme, wie wenn ihm von allen Seiten aus den Weiten die Hierarchien entgegenkämen,

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wie wenn ihm entgegenkämen auch andere Erlebnisse. Und er fühlte das, was weiter zurücklag in seinem vorirdischen Leben. Und dann sollte er sich ganz klar machen den Zustand, wenn er in die Sinne hinausergossen war und sich wie zerspalten in die Sinneswelt fand. Denn da war er gelangt zu der Mitte des Daseins zwischen dem Tode und einer neuen Geburt.

Sie sehen, dasjenige, was den Initiierten eindringen läßt in diese ver­borgenen Welten, denen aber der Mensch mit seinem Wesen angehört, das kann auf mannigfaltigste Weise erreicht werden. Und wenn wir Umschau halten in der Art, wie ich es gestern und schon öfter ange­deutet habe, dann werden Sie sich schon sagen können: In den ver­schiedenen Mysterienstätten wurde die Anschauung dieser übersinn­lichen Welt in der mannigfaltigsten Weise erreicht. Warum solche Mannigfaltigkeit angestrebt wurde, warum nicht über alle Mysterien ein einheitlicher geistiger Weg ausgegossen war, davon werden wir ja noch in späteren Vorträgen sprechen. Ich will heute nur die Tatsache erwähnen. Aber alle diese verschiedenen Mysterienwege, sie waren dazu bestimmt, die verborgenen Seiten des Daseins der Welt und des Menschen zu enthüllen, auf die wir uns ja immer wieder und wieder von den verschiedensten Gesichtspunkten aus in diesen Betrachtungen hier und in anderen Vorträgen und anderen Schriften haben hingewie­sen sehen.

Und dann wurde dem Schüler klar gemacht, er solle nun auch die anderen Zustände, die er im Nachklang an die andere Statue erlebt hatte, innerlich gesondert durchleben, so daß er für jeden einzelnen Zustand immer ein innerlich deutliches, empfindungsgemäßes Wissen habe, wie er ihn durchläuft, und er solle das dann in vollem Bewußt­sein heraufrufen. Das tat er dann. Und bei dem, was ich geschildert habe als eine Art Not der Seele, fühlte er unmittelbar, was auf den Tod folgte im Seelenerleben.

Dann kam die Anschauung durch das, was er weiter erlebte, wo sich die äußere Natur wie sommerlandschaftlich zeigte, aber wie der Traum von Sommerlandschaft. Da enthüllte sich ihm, wenn er das wiederholt durchlebte und jetzt mit vollem Bewußtsein diesen Zustand sonderte von dem anderen Bewußtseinszustand, da lernte er erkennen dasjenige,

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was den weiteren Fortgang seines nachirdischen Lebens ausmachte. Und wenn er sich das ganz klar und lebendig machte, was Zusammen­ziehen in das Herzwesen war, dann konnte er, indem er das in seinem Bewußtsein lebendig, präsent machte, bis in die Mitte des Daseins zwi­schen dem Tod und einer neuen Geburt gelangen. Und der Initiator konnte ihm sagen:

Lerne geistig Wintersein schauen

Und dir wird der Anblick des Vorirdischen.

Lerne geistig Sommersein träumen

Und dir wird das Erleben des Nachirdischen.

Bitte, beachten Sie genau die Worte, die ich gebrauche, denn in dem Verhältnis hier vom Anblick des Vorirdischen und Erleben des Nach-irdischen, und von träumen zu schauen, auf diesem Verhältnis beruht der gewaltige Unterschied, der in diesen beiden Erlebnissen bei den in die Mysterien zu Initiierenden in den Mysterien von Hybernia lag.

Wie sich diese Initiation hineinstellte in den ganzen historischen Zu­sammenhang der Menschheit, in die ganze Menschheitsentwickelung, was sie für die Menschheitsentwickelung für eine Bedeutung hatte und inwiefern das einen tieferen Sinn hatte, daß gerade bei der Etappe, bei der ich gestern schloß, etwas wie eine Christusanschauung in dem Schüler von Hybernia auftrat, das werde ich dann morgen darstellen.

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NEUNTER VORTRAG Dornach, 9. Dezember 1923

Ich mußte Ihnen verschiedenes erzählen von der Wesensart der hyber­nischen Mysterien, und Sie haben ja gestern gesehen, daß dieser eigen­tümliche Entwickelungsgang, den Menschen durchmachen konnten auf der irischen Insel, dazu geführt hat, daß diese Menschen einen Ein­blick gewannen zunächst einmal in das, was dem menschlichen Ge­müte überhaupt möglich ist zu erleben durch die eigene innere Aktivi­tät des Menschen. Sie müssen nur bedenken, durch alle die Vorberei­tungen, die für diese zu Initiierenden getroffen wurden, war es mög­lich, daß wie durch einen Zauber Landschaftsbilder, wie sie sich sonst nur vor den menschlichen Sinnen ausbreiten, vor diese Sinne hinge-zaubert wurden, daß nicht etwa religiöse, phantastisch halluzinatori­sche Eindrücke damit gegeben wurden, sondern daß dasjenige, was man schon gewöhnt war, zu sehen, wie ein Schleier vor der Seele stand für das, wovon man sehr gut wußte, da ist etwas dahinter. Und ebenso war es mit dem Hineinblicken in das eigene menschliche Innere bei dem zauberhaften Sehen der traumhaften Sommerlandschaft. Da war also der Schüler vorbereitet darauf, Imaginationen zu haben, Ima­ginationen, die zunächst anknüpften an dasjenige, was der Schüler sonst mit den äußeren Sinnen sah. Aber er wußte schon, indem er diese Imaginationen vor sich hatte, daß er durch diese Imaginationen weiter durchdringen werde auf etwas ganz anderes.

Jch habe Jhnen ja gezeigt, wie der Schüler durchdrang zum Schauen auf die Zeit vor dem irdischen Dasein und auf die Zeit nach dem irdi­schen Dasein, auf die Zeit nach dem Tode bis hin zu der Mitte zwi­schen dem Tode und einer neuen Geburt, und beim Schauen nach vorn auf die Zeit, die unmittelbar voranging dem Herabsteigen, bis wieder­um zur Mitte zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Aber noch etwas anderes ergab sich. Indem der Schüler weitergeführt wurde, sich so recht zu versenken in das, was er durchgemacht hatte, war seine Seele gestärkt durch das Schauen des vorirdischen, des nachirdischen Lebens, hatte seine Seele Einblick gewonnen in die sterbende und wieder

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geboren werdende Natur, dann konnte er sich mit einer noch stär­keren inneren Kraft und Energie vertiefen in die Art, wie es war bei dem Erstarren, bei dem Aufgenommenwerden von den Weltenweiten, gewissermaßen bei dem Hinausverschweben bis in die blauen Äther­fernen, und wiederum, wie es dann war, wenn man sich ganz nur fühlte als Persönlichkeit in den Sinnen drinnen, wenn man sozusagen nichts vernahm von dem ganzen übrigen Menschen, sondern allein et­was vernahm von dem Dasein im Auge, von dem Dasein in dem gan­zen Trakt des Hörens, des Fühlens und so weiter, wenn man also ganz Sinnesorgan war.

Der Schüler hatte gelernt, mit starker innerer Energie diese Zu­stände wieder an sich zu beleben, und von diesen Zuständen aus dann dasjenige an sich herankommen zu lassen, was nun noch weiterging. Wenn er nun darauf hingewiesen wurde, ganz innerlich willkürlich, nachdem er alles, was ich geschildert habe, durchgemacht hatte, den Zustand der inneren Erstarrung wiederum herzustellen, so daß er ge­wissermaßen seinen eigenen Organismus fühlte wie eine Art Mineral, das heißt im Grunde als etwas recht Fremdes; wenn er sein Äußeres, sein Leibliches wie ein Fremdes fühlte, und die Seele gewissermaßen nur wie umschwebend und umhüllend dieses Mineralische, dann be­kam er in dem Bewußtseinszustand, der sich daraus ergab, deutlich die Anschauung des der Erde vorangegangenen Mondendaseins.

Und Sie erinnern sich, meine lieben Freunde, in diesem Augenblik­ke, wie ich geschildert habe in meiner «Geheimwissenschaft » und in den verschiedensten Vorträgen dieses Mondendasein. Was da ge­schildert wird, das lebte im Bewußtsein des Schülers auf; es war ein­fach für ihn da. Ihm erschien dieses alte Mondendasein wie ein plane­tarisches Dasein, das eigentlich zunächst nur den wäßrigen, den flüssi­gen Zustand hatte, aber nicht so, wie das heutige Wasser ist, sondern, ich möchte sagen mehr gelatineartig, wie Koaguliertes, möchte man sagen. Und er fühlte sich selbst darinnen. Aber er fühlte sich organi­siert in dieser halbweichen Masse. Und er fühlte von seiner Organisa­tion ausströmen die Organisation des ganzen Planeten.

Sie müssen sich nur den Unterschied klar machen, wie das Erleben in der damaligen Zeit war, und wie das Erleben heute ist. Heute fühlen

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wir uns in einem gewissen Sinne begrenzt durch unsere Haut, und wir sagen ja nicht anders, als daß wir als Mensch dasjenige sind, was inner­halb der Haut ist. Es ist natürlich ein gewaltiger Irrtum, denn sobald wir zu dem, was luftförmig im Menschen ist, kommen, ergibt sich so-gleich das Unsinnige, sich abgegrenzt zu fühlen innerhalb seiner Haut. Ich habe es ja oft gesagt: die Luftmasse, die ich jetzt in mir habe, war vor kurzer Zeit noch nicht in mir, und die Luftmasse, die in einer kur­zen Zeit in mir sein wird, ist draußen. So daß wir uns auch heute nur dann in der richtigen Weise als Mensch fühlen, wenn wir uns in bezug auf Luftförmigkeit nicht abgeschlossen denken von der äußeren Welt. Wir sind überall da, wo die äußere Luft ist. Es ist im Grunde genom­men kein Unterschied, ob Sie jetzt ein Stück Zucker im Munde haben, das Sie dann im nächsten Augenblick im Magen haben und das dann einen gewissen Weg durchgemacht hat, oder ob irgendeine Luftmasse in diesem Augenblicke da draußen ist und im nächsten Augenblicke in Ihrer Lunge. Das Stück Zucker macht diesen Weg durch (es wird gezeichnet); die Luft macht ebeh diesen andern Weg durch die Luft-und Atmungsorgane durch. Und derjenige, der nun das hier nicht zu sich rechnet, der soll nur seinen Mund auch nicht zu sich rechnen, sondern soll seinen Körper erst beim Magen beginnen lassen. Also es ist schon dem gegenwärtigen Menschen gegenüber eigentlich ein Unsinn, sich innerhalb der menschlichen Haut als abgeschlossen zu denken.

Aber im Mondendasein war überhaupt gar keine Möglichkeit vor­handen, sich innerhalb der Haut für abgeschlossen zu halten. Solche Möbel, wie sie da herum sind, zu denen man hingeht und sie angreift, gab es dazumal nicht, sondern alles, was es gab, war eben Naturergeb­nis. Und wenn Sie das Organ ausstreckten, das Sie damals hatten, das im übrigen so war, daß man von etwas Ähnlichem reden kann wie heute von den Fingern, so konnte man diese einziehen, so daß sie ganz verschwanden, und konnte den Arm einziehen, man konnte sich ganz dünn machen und so weiter. Nun, heute, wenn Sie die Tafel angreifen, dann fühlen Sie nicht, daß diese Tafel zu Ihnen gehört. Griff man dazu­mal nach etwas hin, so fühlte man einfach, daß das zu einem gehörte, wie da die Luftmasse jetzt noch zu einem gehört. So daß tatsächlich die

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eigene Organisation gefühlt wurde als nur ein Stück der ganzen Plane­ten-Mondenorganisation.

Und dies alles trat eben vor das Bewußtsein des hybernischen Schü­lers. Und er bekam dann auch den Eindruck, wie das Gallertartig-Flüs­sige nur ein Zustand ist der Mondenorganisation der Zeit nach; wie es gewisse Epochen gab in jener alten Mondenorganisation, wo inner­halb dieses Gelatineartigen etwas auftrat, was physisch viel härter war, als unsere harten Dinge von heute sind. Dennoch war es nicht minera­lisch in dem Sinne, wie es beim heutigen Smaragd oder Korund oder Demant ist, sondern es war eben Hartes, Hornigkeit. Mineralisches gab es nicht in dem heutigen Sinne von Kristallisiertem und derglei­chen, sondern das, was es an Mineralährlichem, an Hartem, Hornarti­gem gab, das hatte durchaus solche Formen, denen man ansah, daß es abgesondert war von organisch Wirksamem, wie man auch heute nicht von der Kristallgestalt eines Kuhhorns spricht, sondern wie man weiß, daß das Kubhorn nur dadurch da ist, daß es eben aus einer Orga­nisation herausgetrieben ist, oder das Hirschgeweih oder Ähnliches. Es ist übrigens beim Knochen ja nicht anders; der ist aber Minera­lisches. Also solches Mineralähnliche, das aufgebaut war aus dem Or­ganischen heraus, das gab es dazumal.

Und jene Wesenheiten, die dazumal ihre Menschheit schon zum Teil durchmachten, die nur einiges von dieser Menschheit noch zu vollen­den hatten während des Erdendaseins, die sind eben diejenigen Indivi­dualitäten, von denen ich gesprochen habe als den großen weisen Ur­lehrern der Menschheit auf Erden, die heute auf der Mondenkolonie sich befinden.

Das alles ging dem hybernischen Schüler während dieses Zustandes der Erstarrung auf. Und wenn er in der gehörigen Weise, das heißt in der Weise, wie es plausibel erschien seinen Initiatoren, das alles durch­gemacht hatte, dann wurde er darauf aufmerksam gemacht, er solle nun wiederum vorrücken, wiederholentlich vorrücken dazu, sein Erstarr­tes ausfließen, ausströmen zu lassen bis zu den Ätherfernen, bis da, wo er fühlen konnte: die Wege der Höhen bringen mich hinaus in die Fer­nen des blauen Äthers bis an die Grenzen des Raumesdaseins.

Und dann, wenn er jetzt wiederholentlich dies durchmachte, dann

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fühlte er alles dasjenige, was da zu fühlen war, von der Erde aus sich gewissermaßen hinausbewegend nach den Ätherfernen. Aber indem er sich nach den Ätherfernen bewegte, nachdem die Höhen ihn aufge­nommen und nach den blauen Ätherfernen gebracht hatten, fühlte er da draußen, wie gewissermaßen am Ende der Raumeswelt dasjenige eindrang, was ihn wiederum durchlebte, was wir heute das Astralische nennen würden, etwas, was innerlich erlebt wurde und was viel be­deutsamer, viel energischer sich mit der menschlichen Wesenheit dazu­mal verband, was aber allerdings nicht so stark wahrgenommen wer­den konnte, wie heute das Ähnliche wahrgenommen wird, aber wel­ches sich so mit der menschlichen Seele verband, nur in einer energi­scheren, kraftvolleren, lebendigeren Weise, wie etwa heute sich das Gefühl mit dem menschlichen Inneren verbinden würde, wenn der Mensch sich dem einströmenden, erfrischend einströmenden Sonnen-lichte aussetzen würde bis zu dem Grade, in dem es ihn innerlich durchdringt mit einem belebenden, ihm seine Organisation so recht in den Einzelheiten fühlbar machenden Elemente. Denn wenn Sie nur ein wenig achtgeben, so werden Sie ja fühlen können: wenn Sie sich in freier Weise der Sonne aussetzen, wenn Sie sich von der Sonne durch-strömen lassen, aber nicht so, daß Ihnen die Sonne dabei unsympa­thisch wird, im inneren Fühlen unsympathisch wird, wenn Sie sich der Sonne aussetzen so, daß Sie gerade ihr Licht und ihre Wärme mit einem gewissen Behagen in Ihren Körper, in Ihren Organismus ein-strömen lassen, dann werden Sie fühlen: es wird Ihnen so, wie wenn Sie jedes einzelne Organ leise jetzt anders fühlen würden wie früher. Sie kommen förmlich in einen Zustand, in dem Sie sich innerlich be­schreiben können.

Daß solche Dinge so wenig gewußt werden, ist ja nur ein Mangel in der Aufmerksamkeitsfähigkeit des heutigen Menschen. Wenn dieser Mangel an Aufmerksamkeitsfähigkeit heute nicht vorhanden wäre, wür­den die Menschen tatsächlich wenigstens traumhafte Andeutungen ge­ben können von dem, was sich ihnen im innerlichen Erfühlen gezeigt hat im einströmenden Sonnenlichte. Und in Wirklichkeit war es auch so, daß man anders den Schüler unterrichtet hat über das Innere des menschlichen Organismus, als man das heute tut. Heute seziert man

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die Leiche und dazu macht man die anatomischen Atlanten. Dazu ge­hört nicht viel Aufmerksamkeit, obwohl ja zugegeben werden muß, daß manche Studenten auch diese Aufmerksamkeit nicht aufbringen; aber dazu gehört nicht viel Aufmerksamkeit. Aber der Schüler wurde ja einstmals so unterrichtet, daß er in die Sonne gestellt wurde, und daß er angeleitet wurde, nun sein Inneres in der Reaktion auf das be­haglich einströmende Sonnenlicht zu erfühlen, und darnach konnte er schon aufzeichnen Leber, Magen und so weiter. Es gibt diese innere Verwandtschaft des Menschen mit dem Makrokosmos, wenn nur die Bedingungen dazu hergestellt sind. Sie können natürlich blind sein und können durch das Abfühlen dennoch die Form irgendeines Gegen­standes erfühlen. So können Sie auch, wenn ein Organ in Ihrem Orga­nismus empfindsam gemacht wird für das andere durch die Aufmerk­samkeit für das Licht, die Organe im Inneren beschreiben, so daß Sie wenigstens Schattenbilder davon in Ihr Bewußtsein aufnehmen kön­nen. Aber in einem hohen Grade wurde das gerade dem Schüler der hybernischen Mysterien eingepflanzt, daß er beim Hinausfluten in die blaue Ätherferne, bei dem Hereinfluten des Astrallichtes vor allen Din­gen jetzt nicht sich fühlte; aber er fühlte in seinem Bewußtsein eine mächtige Welt, eine Welt, von der er sich nunmehr das Folgende sagte:

Ich lebe ganz in einem Elemente mit anderen Wesenheiten. Dieses Ele­ment ist im Grunde genommen lauter Naturgüte. Denn von überall her fühle ich, wie hereinströmt in mich aus diesem Elemente, in dem -verzeihen Sie, daß ich eine später erst mögliche Redensart anwende -in dem ich schwimme, wie der Fisch im Wasser, aber selber eben nur bestehend aus ganz flüchtigen leichten Elementen, im ganzen planeta­rischen Elemente fühle ich, wie von allen Seiten herankommt das be­haglich Einströmende. Der Schüler fühlte eigentlich überall in ihm das Astrallicht einströmen, ihn formend, ihn bildend. Dieses Element ist lautere Naturgüte, hätte er sagen können, denn es gibt mir überall et­was. Ich bin eigentlich umgeben von lauter Güte. Güte, Güte ist über­all, aber naturhafte Güte, die mich umgibt. Aber diese naturhafte Güte ist nicht nur Güte, sie ist schöpferische Güte, denn sie ist es, die mit ihren Kräften zu gleicher Zeit macht, daß ich bin, und die mir die Ge­stalt gibt, die mich hält, insofern ich in diesem Elemente schwimme,

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schwebe, webe. Und so waren es im Grunde genommen naturhaft­moralische Eindrücke, die sich da ergaben.

Wenn wir einen Vergleich mit etwas Heutigem ziehen wollten, so könnten wir nur sagen: Wenn es einem Menschen möglich wäre, daß er eine Rose vor sich hätte und an ihr riecht und aus innerer Wahrhaf­tigkeit und Ehrlichkeit heraus sagen könnte: Göttliche Güte, die sich im ganzen Erdenplaneten ausbreitet, strömt auch in die Rose, und in­dem die Rose ihr Element mitteilt meinem Riechorgan, rieche ich die im Planeten lebende göttliche Güte, - wenn sich heute ein Mensch mit innerer Ehrlichkeit ein solches sagen könnte beim Riechen des Rosen­duftes, dann würde er ungefähr etwas wie einen schwachen Schatten nacherleben von dem, was dazumal als das ganze Lebenselement des einzelnen Menschen innerlich erfahren wurde. Und das, meine lieben Freunde, war das Erleben des Sonnendaseins, das unserer Erde voran­gegangen ist. So daß der Schüler also erleben konnte das Sonnenda­sein, das Mondendasein, wie sie unserer Erde vorangegangen sind.

Und weiter, wenn dann der Schüler dazu geführt worden war, sich nur in seinen Sinnen zu fühlen, etwas erlebt hatte wie das Abstreifen seines ganzen Organismus, so daß er eigentlich nur in seinem Auge, in seinem Gehörtrakte, in seinem ganzen Fühlen lebte, dann nahm er dasjenige wahr, was ich beschrieben habe in meiner «Geheimwissen­schaft» als das Saturndasein, als das Dasein, wo man im Wärme-Ele­mente, in dem in sich differenzierten Wärme-Elemente schwebte und webte. Man war da so, daß man sich selber fühlte nicht als Fleisch und Blut, nicht als Knochen und Nerven, daß man sich fühlte bloß als ein Organismus aus Wärme, aber diese Wärme in anderer Wärme, als pla­netarische Saturnwärme. Wärme nahm man wahr, wenn die äußere Wärme einen anderen Grad hatte als die innere Wärme. Ein Weben in Wärme, ein Leben durch Warme, ein Empfinden von Wärme an Wär­me, das war ja das Saturndasein.

Und das wurde von dem Schüler durchgemacht, wenn er in seine Sinne herausgerückt war. Und diese Sinne waren selber noch nicht so differenziert wie heute. Dieses Wahrnehmen der Wärme an der Wär­me, das Leben durch die Wärme, das Leben in der Wärme, das war das Hauptsächlichste. Aber es gab Momente, wo man, indem man selber

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gewissermaßen als ein Wärmeorganismus sich einem anderen Wärme­Vorgang oder einem anderen Wärmequantum näherte, durch die Be­rührung etwas in sich fühlte wie ein Aufleuchten von Flammen, und man war jetzt in einem Elemente - nicht bloß Wärme, die da strömt, die da webt und wellt, man war in einem gewissen Momente etwas wie Flammendes, oder auch etwas, was wie eine webende Geschmacks­empfindung war - Geschmack nicht nur wie auf der Zunge, die gab es ja dazumal natürlich nicht, sondern Geschmack, als den man sich sel­ber fühlte, der aber an einem anderen sich entzündete, der auch einem anderen etwas von sich abgab und so weiter. In dem Schüler wurde rege gemacht das Saturndasein.

Sie sehen also, in diesen hybernischen Mysterien war es durchaus so, daß der Schüler eingeführt wurde in dasjenige, was Vergangenheit des eigenen erdenplanetarischen Daseins ist. Er lernte das Saturn-, das Sonnen- und Mondendasein kennen wie die aufeinanderfolgende Me­tamorphose des Erdendaseins.

Und dann wurde er auch noch einmal wiederholentlich dazu ange­regt, dasjenige zu durchleben, was ihn nun in sein Inneres führte; zu-erst dieses wiederum zu erleben, was ich Ihnen geschildert habe als das Empfinden eines inneren Druckes, wie wenn man von dem Empfinden eines eigenen Zentrums gepreßt würde, wie wenn die Luft in einem verdichtet würde, so daß, wollte man den entsprechenden Zustand mit etwas beim jetzigen Erdenmenschen vergleichen, man ihn nur ver­gleichen könnte mit dem, daß er das Gefühl hat, er bringt seinen Atem nicht heraus, er preßt und drückt ihn nach allen Seiten. Das war ja der erste Zustand, und den sollte sich der Schüler jetzt durch äußere Will­kür wiederum in der Seele wachrufen. Und wenn er das tat, wenn er tatsächlich dieses ins Träumenkommende hatte, wodurch er ja schon früher sogar fähig geworden war, das Naturdasein als Sommerland­schaft zu erträumen, wachend zu erträumen, wenn er in diesen Zu­stand gekommen war, dann hatte er in irgendeinem Augenblicke plötz­lich ein ganz eigentümliches Erlebnis. Ich möchte sagen, ich muß Ih­nen, damit ich überhaupt dieses Erlebnis charakterisieren kann, es von hinten herum charakterisieren, ich muß es in der folgenden Weise cha­rakterisieren. Denken Sie sich einmal: Sie kommen heute als Erdenmensch

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in ein warmes Zimmer, Sie fühlen die Wärme; Sie kommen, wenn es 5 oder 10 Grad unter Null hat, hinaus, fühlen dort die Kälte; Sie fühlen den Unterschied von Wärme und Kälte, aber Sie fühlen das als etwas Körperliches. Das vereinigt sich nicht mit Ihrem Seelischen. Und es ist Ihnen nicht so als Erdenmensch, daß Sie, wenn Sie in ein warmes Zimmer kommen, just immer das Gefühl haben: hier in die­sem Zimmer breitet sich etwas aus wie ein großer Geist, der einen mit Liebe umfängt. Sie empfinden diese Wärme als behaglich körperlich, Sie empfinden sie aber nicht als etwas Seelisches. Ebenso ist es bei der Kälte. Sie frieren, Sie frieren körperlich, aber Sie haben nicht das Ge­fühl: da draußen kommen überall durch die besonderen klimatischen Verhältnisse Dämonen an Sie heran, die Ihnen etwas so Frostiges zu-raunen, daß Sie auch in der Seele erkalten. Es ist die physische Wärme nicht zu gleicher Zeit etwas Seelisches für Sie, weil Sie das naturhafte Seelische als Erdenmensch mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht in aller Intensität empfinden. Als Erdenmensch kann man an einem an­deren Menschen, an seiner Freundschaft, an seiner Liebe erwarmen; man kann an seiner Frostigkeit, vielleicht auch an seiner Philistrosität erkalten, aber man meint damit etwas Seelisches. Aber bedenken Sie nur, wie wenig heute der physische Erdenmensch geneigt ist, wenn er im Sommer in die warme, schwüle Luft hinaus tritt, zu sagen: Die Götter lieben mich jetzt sehr! Oder wie wenig der heutige Mensch ge­neigt ist, wenn er in die Winterkälte hinaustritt, zu sagen: Aber jetzt fliegen nur diejenigen Sylphen durch die Luft, welche frostige Phili­ster sind in der Sylphenwelt. Das sind Redensarten, die man heute gar nicht hört.

Nun, sehen Sie, diese Empfindung, die ich damit andeuten will - ich sagte deshalb, ich muß die Sache von hinten herum erklären -, die war aber etwas, was sich gerade dem Schüler, wenn er dieses ihnere Presse-gefühl durchmachte, als etwas Selbstverständliches ergab. Alles, was er als Wärme fühlte, fühlte er zugleich als Seelisches, aber eben wieder­um auch wie physische Wärme, und das konnte er fühlen, weil er hin­einversetzt war mit seinem Bewußtsein in das Jupiterdasein, das aus der Erde entstehen wird. Denn wir werden nur dadurch Jupitermen­schen werden, daß wir das Physisch-Wärmehafte mit dem Seelisch-Wärmehaften

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verbinden, so daß wir als Jupitermenschen dazu kom­men werden, wenn wir einen Menschen oder ein Kind meinetwillen in Liebe streicheln, daß wir für das Kind zu gleicher Zeit ein wirklicher Wärme-Ausströmer sein werden. Es wird das gar nicht getrennt sein, Liebe und Wärme-Ausströmen. Man wird tatsächlich dazu kommen, die Wärme, die man erlebt, seelisch auch in der Umgebung auszuströ­men.

Dies - allerdings nicht in der Erdenwelt, sondern entrückt in einer anderen Welt - zu erleben, dazu wurde der Schüler der hybernischen Mysterien gebracht, und dadurch stellte sich ihm, natürlich nicht in der physischen Erdenwirklichkeit, im Bilde das Jupiterdasein dar.

Und die nächste Steigerung war dann diese, daß der Schüler fühlen sollte so recht jene innere Not, von der ich Ihnen gestern gesprochen habe, da der Schüler dazu kam, eigentlich die Notwendigkeit zu emp­finden, das eigene Ich zu überwinden, weil es sonst der Quell des Bö­sen werden kann. Wenn der Schüler so recht diese innere Seelenver­fassung in sich gegenwärtig machte, dann trat so etwas für ihn auf, daß er nicht nur seelische Wärme und physische Wärme als eins fühlte, son­dern das, was er da als eins fühlte, diese seelisch-physische Wärme fing an zu leuchten, zeigte sich, wie sie anfängt zu leuchten. Das Geheimnis des Licht-Erglänzens, des seelischen Licht-Erglänzens ging dem Schü­ler auf. Dadurch ward er hineinversetzt in jene Zukunft, wo die Erde verwandelt sein wird in den Venusplaneten, in den zukünftigen Venus-planeten.

Und dann, wenn der Schüler alles, was er früher erlebt hatte, zusam­menströmend wie in seinem Herzen fühlte, so wie ich es Ihnen gestern beschrieben habe, dann trat das vor ihn, daß alles, was er überhaupt in seiner Seele erlebte, zu gleicher Zeit als Erlebnis des Planeten sich zeigte. Man hat einen Gedanken; der Gedanke bleibt nicht etwa inner­halb der Haut des Menschen, der Gedanke fängt an zu tönen; der Ge­danke wird Wort. Dasjenige, was der Mensch lebt, bildet sich zum Worte. Das Wort breitet sich aus im Vulkanplaneten. Alles ist im Vul­kanplaneten sprechend lebendiges Wesen. Wort tönt an Wort, Wort klärt sich an Wort, Wort spricht zu Wort, Wort lernt verstehen Wort. Der Mensch selber fühlt sich als die Welt verstehendes Wort, als die

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Worte-Welt verstehendes Wort. Indem dies im Bilde vor dem hyber­nisch Einzuweihenden hingestelit wurde, wußte er sich im Vulkanda-sein, in dem spätesten metamorphosischen Zustand des Erdenplaneten.

So sehen Sie, die hybernischen Mysterien gehörten wirklich zu dem, was man befugt ist, in der Geisteswissenschaft die großen Mysterien zu nennen. Denn dasjenige, in das die Schüler eingeweiht wurden, das gab ihnen einen Überblick, eine Überschau über das menschliche vor-irdische und nachirdische Leben. Es gab ihnen zu gleicher Zeit einen Überblick über das kosmische Leben, in das der Mensch einverwoben ist, aus dem heraus er im Laufe der Zeiten geboren wird. Der Mensch lernte also den Mikrokosmos, das heißt sich selber als geistig-seelisch-leibliches Wesen kennen im Zusammenbange mit dem Makrokosmos. Er lernte aber auch das Werden, Weben, Entstehen und Vergehen und das sich metamorphosierende Verwandeln des Maktokosmos kennen. Es waren diese hybernischen Mysterien große Mysterien.

Und ihre eigentliche Blüte hatten sie in dem Zeitalter, das noch dem Mysterium von Golgatha voranging. Aber es war eben das Eigentüm­liche der großen Mysterien, daß in diesen großen Mysterien von dem Christus als dem Zukünftigen gesprochen wurde, wie später von den Menschen von dem Christus als dem durch vergangene Ereignisse Hindurchgeschrirtenen gesprochen wurde. Und eigentlich wollte man nach der ersten Einweihung dem Schüler zeigen, indem man ihm beim Ausgange das Bild des Christus vorführte: alles das, was der Welten-gang der Erde ist, tendiert hin nach dem Ereignis von Golgatha. Das wurde dazumal noch als ein Zukünftiges dargestellt.

Auf dieser später durch so viele Prüfungen gegangenen Insel war in der Tat eine Stätte der großen Mysterien, eine Stätte der christlichen Mysterien vor dem Mysterium von Golgatha, in der in rechtmäßiger Weise auch der vor dem Mysterium von Golgatha wesende Mensch hingelenkt wurde mit seinem Geistesblick nach dem Mysterium von Golgatha.

Und als dann das Mysterium von Golgatha eintrat, da wurden, wäh­rend sich drüben in Palästina die merkwürdigen Ereignisse zutrugen, die wir eben beschreiben, wenn wir das Christus Jesus-Erleben auf Golgatha und seiner Umgebung darstellen, innerhalb der hybernischen

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Mysterien und ihrer Gemeinde, das heißt dem Volke, das hinzuge-hörte zu den hybernischen Mysterien, große Feste gefeiert. Und was sich in Palästina wirklich zutrug, das trug sich in hundertfältiger Weise bildhaft zu, ohne daß das Bild das Andenken an Vergangenes war, auf der hybernischen Insel. Auf der hybernischen Insel erlebte man in Bil­dern das Mysterium von Golgatha gleichzeitig, während sich das My­sterium von Golgatha historisch in Palästina zutrug. Wenn später in den Tempel- und Kirchenstätten das Mysterium von Golgatha im Bil­de erlebt wurde, im Bilde dem Volke gezeigt wurde, dann waren das Bilder, die an etwas erinnerten, was auf der Erde vergangen war, was also aus dem gewöhnlichen Bewußtsein heraus wie ein historisch Ge­dächtnismäßiges geholt war. Auf der hybernischen Insel waren diese Bilder vorhanden, als sie noch nicht durch das historische Gedächtnis aus der Vergangenheit heraus geholt werden konnten, sondern als sie erst herausgeholt werden konnten nur aus dem Geiste selber. Auf der hybernischen Insel wurde geistig geschaut dasjenige, was sich für das leibliche Auge in Palästina im Beginne unserer Zeitrechnung abspielte. Und so erlebte eigentlich auf der hybernischen Insel die Menschheit das Mysterium von Golgatha geistig. Und das bedeutet die Größe alles dessen, was später gerade ausgegangen ist für die übrige Zivilisation von dieser hybernischen Insel, was aber verschwunden ist in der spä­teren Zeit.

Und nun bitte ich Sie, auf eines aufmerksam zu sein. Derjenige, der nur die äußere Geschichte studiert, der kann vieles Großartige, Schö­ne, Herzerhebende, Sinnerleuchtende finden, wenn er historisch zu­rückschaut in die alte morgenländische Welt, wenn er historisch zu­rückschaut in das alte Griechenland, zurückschaut in das alte Rom; dann wiederum kann er mancherlei erleben, wenn er heraufkommt, sagen wir in die Zeit Karis des Großen etwa, das Mittelalter hindurch. Aber sehen Sie sich nur einmal an, wie spärlich die äußeren histori­schen Nachrichten werden in der Zeit, die beginnt ein paar Jahrhun­derte nach der Entstehung des Christentums und endet mit etwa dem neunten und zehnten nachchristlichen Jahrhundert. Prüfen Sie einmal die historischen Werke; in allen älteren ehrlicheren historischen Wer­ken werden Sie da eigentlich überall nur ganz kurze Darstellungen,

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Weniges finden für diese Jahrhunderte. Dann erst wiederum beginnen die Dinge ausführlicher zu werden.

Allerdings neuere Historiker, die sich gewissermaßen in einer etwas professoralen Art schämen, den Stoff so schlecht zu verteilen dadurch, daß sie das nicht schildern, was sie nicht wissen, die erfinden allerlei phantastische Konstruktionen, die nun in diese Jahrhunderte hinein­gesetzt werden. Aber das ist ja alles Unsinn. Stellt man äußerlich histo­risch ehrlich dar, so wird es ziemlich dünn in der historischen Darstel­lung für diejenige Zeit, als das alte Rom zugrunde geht, dann die ver­heerenden Züge der Völkerwanderung kommen, die übrigens nicht einmal so furchtbar äußerlich auffällig waren, wie sich die heutigen Menschen das vorstellen, die nur auffällig waren gegenüber der son­stigen vorherigen und nachherigen Ruhe. Aber wenn Sie einfach heute berechnen, oder meinetwillen in der Vorkriegszeit berechnet hätten, wie viele Menschen, sagen wir von Rußland nach der Schweiz ziehen in jedem Jahre, so würden Sie mehr Menschen herausbekommen, als während der Zeit der Völkerwanderung dieselbe Strecke in Europa durchmessen haben. Alle diese Dinge sind relativ. So daß man eigent­lich, wenn man in dem Stile fortreden wollte, den man auf die Dar­stellung der Völkerwanderung anwendet, man hätte sagen müssen:

Bis in die Vorkriegszeit war überhaupt alles in Europa in einer fortwäh­renden Völkerwanderung, auch nach Amerika hinüber. Und die Aus-wanderung szüge nach Amerika hinüber waren zahlreicher als die Strö­me der Völkerwanderung. Das macht man sich nur nicht recht klar.

Aber trotzdem ist es so, daß, während diese Zeit verfließt, die als die Völkerwanderungszeit und als die Nachzeit der Völkerwanderung be­schrieben wird, die historischen Nachrichten spärlich werden. Man weiß nicht viel von ihr. Man wird wenig beschreiben von demjenigen, was zum Beispiel hier in dieser Gegend vorgegangen ist, was in Frank­reich, in Deutschland vorgegangen ist und so weiter, man wird wenig davon beschreiben. Aber gerade da war es, wo noch die Nachlilänge dessen, was erschaut worden war in den hybernischen Mysterien, den­noch über Europa, wenn auch nut in einem schwachen Nachkiang, herüberströmten, wo überall die Wirkungen, die Impulse der großen Mysterien von Hybernia schon in die Zivilisation einströmten.

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Aber nun begegneten sich zwei große Strömungen. Sehen Sie, alles, was ich jetzt sage, ist eigentlich nur als Terminologie gesagt, nicht um auf irgend etwas auch nur einen Schatten von Sympathie oder Anti­pathie fallen zu lassen, sondern um zu schildern die geschichtliche Not­wendigkeit. Zwei Strömungen begegneten sich. Die eine, welche auf dem Umwege durch Griechenland und Rom aus dem Oriente herüberkam, die da rechnete mit der immer mehr und mehr über die Menschheit hereinbrechenden, bloß auf den Verstand und die Sinne hinzielenden Begabung, wo da gewirkt wurde mit dem, was als historische Erinne­rung vprhanden war von äußerlich sichtbaren, äußerlich erlebten Er­eignissen. Von Palästina herüber durch Griechenland und Rom ver­breitete sich die Nachricht, die dann von den Menschen in ihrem reli­giösen Leben aufgenommen wurde, die Nachricht über etwas, was sich in der sinnlich-physischen Welt durch den Gott Christus in Palä­stina abgespielt hatte. Das war berechnet auf das Verständnis der Men­schen, das nur mehr angewiesen war auf dasjenige, was wir heute das gewöhnliche, auf den Verstand und die Sinne angewiesene Bewußtsein nennen. Und das breitete sich ja auch in der großartigsten Weise aus. Aber das verdrängte schließlich dasjenige, was vom Westen, von Hy­bernia herüberkam, und was als ein letzter Ausklang alter instinktiver Erdenweisheit rechnete mit den alten, nur in die neue Bewußtheit her­einleuchtenden spirituellen Weistümern der Menschheit. Etwas brei­tete sich von Hybernia über Europa aus, was nicht rechnete in bezug auf die Erleuchtung mit Weisheit auf sinnliche Anschauung, auf den Beweis für etwas dadurch, daß man zeigen konnte, das hat sich histo­risch abgespielt. Sondern da breiteten sich aus Kulte, Weisheitslehren als hybernische Kulte, als hybernische Weisheitslehren, die da rech­neten mit etwas, das den Menschen erleuchtet von der geistigen Welt aus, selbst dann noch, wenn es sich, wie das Mysterium von Golgatha, auf einem anderen Erdenfleck gleichzeitig in physischer Wirklichkeit abspielt. In Hybernia wurde auf die physische Wirklichkeit von Palä­stina auf geistige Art geschaut.

Aber dasjenige, was nur anknüpfen konnte an physische Wirklich­keit, das überschattete jenes andere, das da rechnete auf spirituelle Er­hebung des Menschen, auf spirituelle Verinnerlichung des Menschen,

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auf spirituelle Durchseelung des Menschen. Und allmählich gewann aus einer Notwendigkeit heraus, die ja öfter besprochen worden ist in bezug auf andere Gesichtspunkte, allmählich gewann das, was an-knüpfte an das sinnlich-physische Dasein, die Oberhand über dasjeni­ge, was arknüpfte an geistiges Schauen. Und die Nachrichten von dem im physischen Leibe auf der Erde wesenden Erlöser gewannen die Oberhand über die wunderbaren imaginativen Bilder, die von Hybernia herüberkamen und in Kulten dargestellt werden konnten, über die groß­artigen imaginativen Bilder, die da kündeten von dem Erlöser als einer geistigen Wesenheit und darauf keine Rücksicht nahmen in der Dar­stellung ihres Kultus, in ihren Schilderungen, daß das auch ein histori­sches Ereignis war. Am wenigsten konnte man Rücksicht darauf nehmen in der Zeit, wo es noch nicht historisches Ereignis war, denn es waren die Kulte auch schon eingerichtet vor dem Mysterium von Golgatha.

Und die Zeit brach an, in der die Menschen immer mehr und mehr nur zugänglich waren für das physisch Anzuschauende, in der sie so­gleich, man möchte sagen, dazu kamen, die Dinge nicht mehr als Wahrheit zu nehmen, die nicht an physisch Angeschautes anknüpften. Und so wurde die Weisheit, die von Hybernia herüberkam, nicht mehr in ihrer Substantialität gefühlt. Und so wurde die Kunst, die von Hy­bernia herüberkam, nicht mehr in ihrer kosmischen Wahrheit gefühlt. So entstand immer mehr und mehr nicht eine hybernische Wissen­schaft, sondern eine Wissenschaft, die nur anknüpfte auch an das Äu­Berlich- Sinnliche, und nicht hybernische Kunst, sondern eine Kunst -selbst die Raffaelische ist keine andere -, die da brauchte das Sinnlich-Anschauliche zum Modell, während die hybernische Kunst darauf aus­ging, das Geistige, das Spirituelle unmittelbar durch die Kunstmittel zu verwirklichen.

So kam dann die Zeit, in der in gewissem Sinne eine Verfinsterung über das spirituelle Leben eingezogen war, in der man nur pochte auf den Verstand und die Sinne, und Philosophien begründete, die zeigen sollten, wie Verstand und Sinne irgendwie auf das Sein kommen oder zur Wahrheit gelangen könnten.

Und dann trat eben jenes Merkwürdige ein, daß die Menschen nicht mehr zugänglich waren den spirituellen Einflüssen. Und wo sollte man

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denn präziser, möchte ich sagen, sehen, wie die Menschen mit ihrem Bewußtsein nicht mehr zugänglich waren spirituellen Einflüssen, als bei dem, was den Menschen so gegeben wurde - ich habe das in der Zeitschrift «Das Reich» dargestellt -, wie etwa die «Chymische Hoch­zeit des Christian Rosencreutz» den Menschen gegeben wurde. Ich habe dazumal darauf aufmerksam gemacht, wie merkwürdig es doch zugegangen ist mit dieser «Chymischen Hochzeit». Der Valentin An­dreä ist der physische Schreiber dieser «Chymischen Hochzeit»; in dem Jahre unmittelbar vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges ist diese «Chymische Hochzeit» hingeschrieben worden von Valentin Andreä. Aber kein Mensch, der die Biographie des Valentin Andreä kennt, wird im Zweifel darüber sein, daß der Valentin Andreä, der später ein philiströser Pastor geworden ist und salbungsvolle andere Bücher schrieb, nicht die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat. Es ist ein bloßer Unsinn, zu glauben, daß der Valentin Andreä die «Chymi­sche Hochzeit» geschrieben hat. Denn vergleichen Sie nur einmal die «Chymische Hochzeit» oder die «Reformation der Welt» oder die an­deren Schriften von Valentinus Andreä - physisch war es schon die­selbe Persönlichkeit - mit dem schmalzig Salbungsvollen, Fettig-Öll­gen, was der Pastor Valentin Andreä, der nur denselben Namen trägt, in seinem späteren Leben dann geschrieben hat. Das ist doch ein höchst merkwürdiges Phänomen! Wir haben einen jungen Menschen, der überhaupt noch kaum erst die Schulzeit vollendet hat, der schreibt sol­che Dinge nieder, wie die «Reformation der Welt», wie die «Chymi­sche Hochzeit Christiani Rosencreutz», und wir müssen uns anstren­gen, den inneren Sinn dieser Schriften zu ergründen. Er selber ver­steht gar nichts davon, denn das zeigt er später: er wird ein salbungs­voller öliger Pastor. Das ist derselbe Mensch! Und man braucht nur dieses Faktum zu nehmen, so muß man plausibel finden, was ich dazu­mal dargestellt habe: daß eben die «Chymische Hochzeit» nicht von ei­nem Menschen geschrieben ist, oder nur insofern von einem Menschen geschrieben ist, nun ja - wie der stets angsterfüllte geheime Sekretär von Napoleon seine Briefe geschrieben hat. Aber Napoleon war immerhin ein Mensch, der stark mit seinen Füßen, mit seinen Beinen auf dem Boden stand, war eben eine physische Persönlichkeit. Derjenige, der

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die «Chymische Hochzeit» geschrieben hat, war nicht eine physische Persönlichkeit, und er hat sich dieses «Sekretärs » bedient, der eben dann später der ölige Pastor Valentin Andreä geworden ist.

Denken Sie sich dieses wunderbare Ereignis, dem Dreißigjährigen Kriege ist es vorangegangen: ein junger Mensch, ein ganz junger Mensch gibt seine Hand einer geistigen Wesenheit, die niederschreibt so etwas wie die «Chymische Hochzeit »! Und was in diesem Falle nur in einem besonderen Exempel zutage tritt, das ist oftmals geschehen in jener Zeit. Die Dinge sind nur nicht so gut erkannt und aufbewahrt worden. Was überhaupt als Wichtiges der Menschheit gegeben wor­den ist in der damaligen Zeit, das ist den Menschen so gegeben wor­den, daß sie nicht fähig waren, mit ihrem Verstande es zu begreifen. Das war die fortflutende Spiritualität, die sich ihnen immer noch offen­barte, die die Menschen selber darstellen, aber nicht mehr in sich erle­ben konnten.

Und so ist es schon, daß in dieser Zeit, in der eigentlich, wenn die Bücher die entsprechende Dicke haben, lauter leere Seiten dastehen würden in den Geschlchtsbüchern, daß in dieser Zeit die Menschheit wie in zwei Strömungen lebt: in derjenigen Strömung, die unten in der physischen Welt vor sich geht, wo die Menschen immer mehr und mehr nur daran glauben, was ihnen ihr Verstand sagt und was die Sinne sagen; aber darüber findet fortwährend eine durch den Men­schen erfolgende, aber von den Menschen nicht verstandene spiri­tuelle Offenbarung statt. Und eben zu den charakteristischsten Bei­spielen dieser spirituellen Offenbarung gehören solche Dinge, wie «Die Chymische Hochzeit Christiani Rosencreutz».

Das alles aber, was sich da offenbarte, ging ja trotzdem durch Men­schenköpfe, wenn diese Menschenköpfe das auch nicht verstanden; es ging durch Menschenköpfe, schwächte sich ab, verzerrte sich. Groß­artig Poetisches, gewaltig Poetisches wurde solches Gesäusel una Geplapper, wie es manchmal die Verse in der «Chymischen Hochzeit Christiani Rosencreutz» sind. Und dennoch sind sie Offenbarungen von etwas Großartigem: gewaltige makrokosmische Bilder, gewaltige Erlebnisse zwischen dem Menschen und dem Makrokosmos, die maje­stätisch erscheinen. Wenn man mit heutigem Schauen die «Chymische

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Hochzeit» liest, lernt man diese Bilder der «Chymischen Hoch­zeit» verstehen; sie lösen sich auf, denn sie sind im Grunde genommen dennoch gefärbt von den Gehirnen, durch die das durchgegangen ist, und hinter ihnen erscheint das Grandiose.

Solche Dinge sind eben ein Beweis dafür, daß im Unterbewußten das, was einstmals die Menschheit erlebte, eigentlich fortgelebt hat. Und ganz versickert eben ist es dann in den ersten Zeiten des verhee­renden Dreißigjährigen Krieges. In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts fließt ein dasjenige, was einmal große, majestätische spiri­tuelle Wahrheit war. Und nur noch die Mystiker bewahren den Ge­mütseindruck davon. Aber die eigentliche Substanz, die spirituelle Substanz geht ganz verloren. Der Verstand siegt zunächst, bereitet das Zeitalter der Freiheit vor.

Und heute blicken wir zurück auf diese Dinge und sehen gerade auf die hybernischen Mysterien zurück, ich möchte sagen mit einem recht vertieften inneren Seelenleben, denn sie sind im Grunde genommen die letzten großen Mysterien, jene letzten großen Mysterien, durch die sich aussprechen konnten die menschlichen und die kosmischen Ge­heimnisse. Und wenn man sie heute wieder ergründet, diese Geheim­nisse, dann erscheinen einem erst die hybernischen Mysterien recht groß. Aber man kann sie eigentlich nicht durchschauen, wenn man die Dinge nicht zuerst auf selbständige Weise ergründet hat. Und selbst wenn man sie auf selbständige Weise ergründet hat; dann tritt noch etwas Besonderes ein.

Wenn man sich in der Akasha-Evolution den Bildern dieser hyber­nischen Mysterien nähert, dann empfindet man wie etwas, was zurück­stoßend wirkt auf einen. Es ist, wie wenn man von einer Kraft zurückge­halten würde, wie wenn man nicht herankäme mit der Seele. Und je nä­her man kommt, desto mehr verfinstert sich das, dem man zueilen will mit der Seele, und man bekommt etwas wie eine seelische Betäubung. Man muß sich hindurcharbeiten durch diese seelische Betäubung. Man kann es nicht anders, als indem man alles das in sich aufleben läßt, was man schon weiß an Ähnlichem, an Selbstergründetem, an selbständig Er­schautem. Und man merkt dann, warum das so ist. Man merkt dann, daß mit diesen hybernischen Mysterien wohl der letzte Ausklang eines

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Alten von den göttlich-geistigen Mächten der Menschheit gegeben war, daß aber in der Zeit, als die hybernischen Mysterien in das Schat­tenleben hinuntergezogen sind, sie zugleich geistig mit einem dichten Wall umgeben worden sind, so daß der Mensch sie nicht in passiver Weise ergründen kann, schauen kann, daß er sich ihnen nicht anders nähern kann, als indem er seine spirituelle Aktivität in sich erweckt hat, also ein richtiger Mensch der neueren Zeit geworden ist. Ich möchte sagen: der Zugang zu den hybernischen Mysterien ist zu glei­cher Zeit verschlossen worden, damit die Menschen nicht in der alten Weise an die Mysterien herankommen können, sondern dazu veran­laßt werden, daß dasjenige, was in der Epoche der Freiheit von den Menschen innerlich gefunden werden muß, wirklich auch in Aktivität des Bewußtseins erlebt wird, nicht durch ein historisches, auch nicht durch ein heliseherisch historisches Schauen alter wunderbarer großer Geheimnisse, bevor man sich auf den Weg begeben hat, aus der eige­nen inneren Aktivität heraus zu diesen Geheimnissen zu kommen.

Damit ist mit den großen Mysterien von Hybernia gerade am inten­sivsten angedeutet, wie ein neues Zeitalter beginnt in der Epoche, in der die hybernischen Mysterien in das Schatteniand hinuntersinken. Aber sie können auch heute wiederum von dem von innerer Freiheit getragenen Seelenwesen in ihrer ganzen Glorie und Majestät geschaut werden, denn durch wirkliche innere Aktivität kann man sich ihnen nähern, kann man überwinden das einem Entgegenschlagende, einen Betäuben-Wollende, das für die Seele dasteht vor dem, was sich hier bis in die spätesten Zeiten hinein den Einzuweihenden noch enthüllte von den großen alten Geheimnissen der einstigen, zwar instinktiven, aber deshalb nicht minder hohen spirituellen Weisheit, die sich einmal als eine Urkraft der Seele über die Menschheit der Erde ergossen hatte. Die schönsten, die bedeutendsten Denkmäler in der späteren Zeit an die Urweisheit der Menschen, an die Urgnade der göttlich-geistigen Wesenheiten, wie sie sich offenbarte im Urzustande der Menschheit, die schönsten geistig-seelischen Denkmäler für diese Zeit sind diejeni­gen Bilder, die sich uns enthüllen können, indem wir den Blick hinrichten auf die Mysterien von Hybernia.

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ZEHNTER VORTRAG Dornach, 14. Dezember 1923

Stellen wir uns noch einmal vor die Seele, welche Bedeutung es hatte, daß jene Wahrheiten und Erkenntnisse, die einbeschlossen waren in die Mysterien von Hybernia, in einem gewissen Sinne abgestumpft worden sind, das heißt zu keiner weiteren Wirkung gekommen sind bei ihrem Zug vom Westen nach Mitteleuropa - dem Osten, und daß an die Stelle des Spirituellen auch in Religionsdingen die äußere sinnenfällige Anschauung, wenigstens die Tradition, die Überlieferung von die-ser sinnenfälligen Anschauung getreten ist. Das Bild, das sich uns er­geben hat am Ende der letzten Darstellung, dieses Bild wollen wir uns noch einmal vor die Seele hinstellen. Wir haben auf das Christuswesen hingedeutet in den Mysterien von Hybernia; wir haben auf es hinge-deutet auch in der Zeit, in der dieses Mysterium von Golgatha abge­laufen ist. Da waren es die Initiatoren und ihre Schüler in Hybernia, welche, ohne daß in ihrer Mitte für ihre sinnliche Anschauung dieses Mysterium von Golgatha sich vollzogen hätte und ohne daß irgend­eine Nachricht zu ihnen hätte kommen können, gleichzeitig als univer­selle Festlichkeit dieses Mysterium vollzogen haben, weil sie sich durch ihre Einsicht klar darüber waren, daß dieses Mysterium von Golgatha äußerlich gleichzeitig abläuft.

Es hatte sich also für die Initiatoren und ihre Schüler in Hyberria die Notwendigkeit ergeben, ein sinnlich wirkliches Ereignis nur auf eine geistige, auf eine spirituelle Art zu erleben. Und es war nicht nötig für jene Gesinnungen und Erkenntnisorientierungen, die in Hybernia üblich waren, mehr zu haben, als in der physischen Welt das Spirituelle.

Damit ist aber offenbar, daß in Hybernia überhaupt auf das Spiri­tuelle, auf das Geistige vor allen Dingen gesehen worden ist. Aller­dings, in allen möglichen verborgenen Strömungen des geistigen Le­bens hat sich dasjenige, was in Hybernia inauguriert worden ist, her­überverpflanzt durch die britischen Inseln, durch die Bretagne, durch das heutige Holland und Belgien nach Mitteleuropa, auch noch durch das heutige Elsaß nach Mitteleuropa. Und wenn auch nicht in der allgemeinen

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Zivilisation, so finden wir doch in den ersten Jahrhunderten der christlichen Entwickelung durch alle die eben gekennzeichneten Gegenden überall da und dort einzelne individuelle Menschen, die in der Lage waren, zu verstehen, was da herüberkam aus den Mysterien von Hybernia. Aber wie gesagt, allgemeine Zivilisation wurde das nicht. Und man muß schon mit intimer Erkenntnissehnsucht an diese Dinge herangehen, um, in den ersten christlichen Jahrhunderten noch zahlreiche, in den späteren Jahrhunderten, namentlich vom achten, neunten ab bis in das fünfzehnte und sechzehnte Jahrhundert immer spärlicher und spärlicher die einzelnen Persönlichkeiten zu finden, Per­sönlichkeiten auch, die eine wenn auch geringe Schülerzahl um sich versammelten, durch welche fortgepflanzt worden ist im stillen, ab­seits von der großen Welt und ihrer Zivilisation, was eben im europä­ischen Westen auf der hybernischen Insel initiiert worden Ist.

Im allgemeinen breitete sich in Europa dasjenige aus, wozu man ein unmittelbares spirituelles Anschauen nicht brauchte, wofür man an­knüpfen konnte an die bloße historische Überlieferung, die einfach erzählte, was als physische Ereignisse in Palästina im Beginne der Zeit­rechnung geschehen ist. Und gerade von dieser Strömung geht das­jenige aus, was sich immer mehr und mehr so heranbildete, daß man eben nur dasjenige gelten ließ, was sich im physischen Leben abspielte. Immer weniger und weniger ahnte man eigentlich, welch ein kolossa­1er Widerspruch darin liegt, das, was wie das Mysterium von Golgatha nur durch das tiefste spirituelle Leben begreifbar sein kann, nur auf eine äußerlich ans Sinnliche anknüpfende Gestalt zu haben. Aber es wurde das einmal der notwendige Kulturentwickelungsgang in Eu­ropa.

Im Grunde genommen hatte sich ja das alles schon seit langer Zeit vorbereitet, und es konnte sich nur dadurch so ergeben, daß von dem alten Mysterienwesen, auch noch wie es in Griechenland war, viel, viel vergessen worden ist. Denn diese Mysterien von Griechenland, sie zerfielen ja eigentlich in zweierlei, in die einen, welche vorzugsweise sich damit beschäftigten, des Menschen Sinn hinaufzulenken nach den geistigen Welten, nach der eigentlichen Weltenlenkung und Wel­tenorientierung im Geiste, und in diejenigen, welche sich beschäftigten

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mit den Geheimnissen der Natur, mit den in der Natur waltenden, na­mentlich in den irdischen Gewalten liegenden Kräften und Wesenhei­ten. Ganz Eirzuweihende gingen ja auch durch die beiden Arten von Mysterien. Und dann sagte man von ihnen, sie hätten sowohl die Ge­heimnisse des Vaters, die Zeusmysterien, in sich aufgenommen, wie auch die Geheimnisse der Mutter, die Geheimnisse der Demeter. Und wenn wir zurückschauen in diese Zeiten, so finden wir da noch neben einer in die höchsten Regionen, wenn auch schon mit einiger Abstrakt­heit, aber dennoch in die höchsten Regionen hinaufreichenden geisti­gen Anschauung eine in die Tiefen gehende Naturanschauung und vor allen Dingen, was besonders wichtig ist, die Verbindung von beiden.

Diese Verbindung von beiden, das, was heute wenig beachtet wird, daß der Mensch gewisse äußere Stoffe der Natur auch in sich trägt, ge­wisse andere Stoffe der Natur nicht in sich trägt, das wurde gerade in den chthonischen Mysterien in Griechenland im allertiefsten Sinne be­achtet. Sie wissen ja, der Mensch trägt in sich organisiert das Eisen. Er trägt auch andere Metalle in sich; er trägt Kalzium, Natrium, Magne­sium und so weiter, gewisse Metalle in sich. Aber er trägt gewisse Me­talle gar nicht in sich, wenn man nur darauf Rücksicht nimmt, daß man diese Metalle finden sollte, indem man den Menschen mit den ge­wöhnlichen wissenschaftlichen Mitteln in bezug auf seine Stofflichkeit analysiert. Da trägt zum Beispiel in bezug auf diese äußere Untersu­chung der Mensch kein Blei, kein Kupfer, kein Quecksilber, kein Zinn, kein_Silber, kein Gold in sich.

Das war das große Rätsel der in die griechischen Mysterien Einzu­weihenden, das in der Frage gipfelte: Wie kommt es, daß der Mensch zum Beispiel das Eisen in sich trägt, das Kalzium, das Natriutn in sich trägt, daß er andere Stoffe, die sich auch in der äußeren Natur finden lassen, in sich trägt, daß er aber zum Beispiel das Blei, das Zinn nicht in sich trägt? Man war tief überzeugt davon, der Mensch sei eine kleine Welt, sei ein Mikrokosmos. Und dennoch, es schien so, als ob der Mensch diese Metalle: Blei, Zinn, Quecksilber, Silber, Gold nicht in sich trüge.

Für die älteren Einzuweihenden in Griechenland kann man wirklich sagen, daß sie der Meinung waren: es scheint nur so. Denn sie waren

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doch von der Erkenntnis tief durchdrungen, daß der Mensch ein wirk­licher Mikrokosmos ist, das heißt, daß er alles, was sich in der Welt offenbart, auch in sich trägt.

Sehen wir einmal in das Gemüt eines in Griechenland Einzuweihen­den ein wenig hinein. Er wurde zum Beispiel so unterrichtet - ich muß etwas, was sich über lange Unterrichtszeiten ausdehnte, in ein paar Sät­zen zusammenfassen, allein Sie werden mich verstehen -, daß ihm ge­sagt wurde: Sieh einmal, genau so, wie heute die Erde in sich überall das Eisen birgt, das Eisen aber auch im Menschen ist, so barg einmal zu einer Zeit, in welcher die Erde noch nicht Erde, aber in einem vor­hergehenden planetarischen Zustande war, so barg da diese Erde, die noch Mond oder gar Sonne war, in sich auch Blei, Zinn und so weiter, und alle Wesen, welche an dieser vorhergehenden Gestaltung der Erde teilnahmen, nahmen auch an diesen Metallen und deren Kräften teil, so wie der heutige Mensch teilnimmt an der Kraft des Eisens. Aber bei jenen Umwandelungen, welche die ältere Gestaltung der Erde erfah­ren hat, blieb nur das Eisen als etwas, das noch in einer solchen Stärke und Dichtigkeit vorhanden ist, daß der Mensch sich mit ihm durch­dringen kann. Die anderen Metalle, die genannt worden sind, sind zwar in der Erde enthalten, aber sie sind in der Erde nicht mehr in einer solchen Art enthalten, daß der Mensch sich mit ihnen unmittel­bar durchdringen könnte. Aber sie sind enthalten in ungeheurer Dünn­heit im ganzen Weltenraum, der den Menschen angeht.

Wenn ich ein Stückchen Blei ansehe, so ist es das bekannte grau-weiße Metall. Es hat eine bestimmte Dichtigkeit. Man kann es angrei­fen. Aber dieses selbe Blei, das in den Bleierzen der Erde vorkommt, das ist in unendlich feiner Verdünnung im ganzen zum Menschen ge­hörigen Weltenraum vorhanden und hat da seine Bedeutung. Es hat im Weltenraum die Bedeutung, daß es überall, auch wo scheinbar gar kein Blei ist, seine Kräfte ausstrahlt, und der Mensch doch mit diesen Kräften des Bleies in Berührung kommt, aber in Berührung jetzt nicht mehr kommt durch seinen physischen Leib, sondern nur durch seinen ätherischen Leib. Denn außerhalb der Bleierz-Arten der Erde ist das Blei eben in solcher Verdünnung vorhanden, daß es nur noch auf den ätherischen Leib des Menschen wirken kann. Auf den wirkt es aber

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auch in diesem im ganzen Weltenraum in unendlicher Verdünnung ausgebreiteten Zustande.

Und dann lernte der Schüler der griechischen chthonischen Myste­rien, daß ebenso, wie die Erde, die eigentlich unendlich reich ist an Ei­sen, die ein Planet ist, von dem ein Bewohner eines anderen Planeten sagen könnte, sie ist eisenreich - sie hat in diesem Eisenreichtum nur noch den Mars zu ihrem Verwandten -, daß geradeso, wie die Erde reich ist an Eisen, der Saturn reich ist an Blei. Was für die Erde das Eisen ist, ist für den Saturn das Blei. Und annehmen muß man - das lernte der Schüler der chthonischen Mysterien in Griechenland -, daß einstmals, als jene Trennung des Saturn von der allgemeinen planeta­rischen Gestalt, die die Erde einmal gehabt hat, wie es in meiner «Ge­heimwissenschaft» beschrieben ist, stattfand, daß diese besondere Ver­teilung mit Bezug auf das Blei auch damals geschehen ist, als von die­ser allgemeinen Gestalt sich der Saturn abtrennte. Der Saturn hat so­zusagen das Blei mit sich hinausgenommen und erhält es durch seine eigene planetarische Lebenskraft und durch seine eigene planetarische Wärme in einem solchen Zustande, daß er das ganze Planetensystem, zu dem auch unsere Erde gehört, durchdringen kann mit diesen fein verteilten Bleikräften.

So daß man also sich vorzustellen hat: Die Erde, in den Weiten der Saturn, der aber erfüllend das ganze planetarische System mit dem fei­nen Blei, mit der feinen Bleisubstanz. Diese feine Bleisubstanz, sie wirkt auf den Menschen. Und auch davon können wir noch Spuren finden, daß der in Griechenland zu Initiierende davon Kunde erhielt, daß dieser Schüler verstehen lernte, wie dieses Blei wirkt. Er wußte:

unsere Sinne, namentlich der Sinn des Auges, würde den ganzen Men­schen in Anspruch nehmen, ihn nicht zur Selbständigkeit kommen las­sen. Der Mensch würde nur sehen, nicht über das Gesehene nachden­ken können, nicht zurücktreten können von dem Gesehenen und sa­gen: Ich sehe. Er würde ganz vom Sehen überflutet sein, wenn nicht diese Bleiwirkung da wäre. Diese Bleiwirkung ist es, die den Menschen in sich selbständig macht, die ihn als Ich gegenüberstellt der Empfäng­lichkeit für die Außenwelt, die in ihm lebt. Und diese Bleikräfte sind es, die zuerst in den Ätherleib des Menschen eintreten, dann aber vom

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Ätherleib aus im Menschen den physischen Leib in einer gewissen Weise mit sich imprägnieren. Dadurch bekommt der Mensch die Fä­higkeit der Erinnerungskraft, des Gedächtnisses.

Und es war immer ein großer Augenblick, wenn solch ein Schüler, wie der griechische Schüler der chthonischen Mysterien, nachdem er solche Dinge verstehen gelernt hatte, zu folgendem geführt wurde. Es wurde ihm mit möglichster Feierlichkeit die Substanz des Bleies gezeigt. Dann wurde sein Sinn hinaufgelenkt zum Saturn. Dann wurde ihm die Verwandtschaft des Saturn mit dem irdischen Blei vor die Seele geführt. Dann wurde ihm gesagt: So, wie du dieses Blei siehst, so birgt es die Erde. Aber die Erde in ihrem jetzigen Zu­stande ist nicht imstande, dem Blei unmittelbar eine solche Form zu geben, daß dieses Blei im Menschen wirken könnte. Aber der Saturn mit seinem ganz anderen Wärmezustand, mit seinen inneren Lebens-kräften, versprüht das Blei im planetarischen Raum, und dadurch bist du ein selbständiger Mensch, bist du ein erinnerungsfähiger Mensch. Denke daran, daß du ein Mensch bist nur dadurch, daß du heute noch weißt, was du vor zehn, vor zwanzig Jahren gewußt hast. Denke nur daran, wie dein Menschliches Schaden leidet, wenn du nicht in dir trägst, was du vor zehn, zwanzig Jahren in dir getragen hast. Deine Ichkraft würde zersplittert werden, wenn die Erinnerungskraft nicht in vollem Maße vorhanden wäre. Das verdankst du dem, was dir vom fernen Saturn entgegenstrahlt. Es ist die Kraft, die im Blei der Erde zur Ruhe gekommen ist und in diesem Ruhezustand nicht mehr auf den Menschen wirken kann. So macht es des Saturn Bleikraft, daß in dir Gedanken sich festsetzen, daß sie nach gewissen Zeiten wiederum heraufkommen aus den Tiefen der Seele, daß du mit der äußeren Welt dauernd, nicht bloß vorübergehend leben kannst. Du verdankst es die­ser Blei-Saturnkraft, daß du nicht bloß heute die Gegenstände um dich herum siehst und sie morgen vergessen hast, sondern, daß du sie be­halten kannst, daß du dasjenige, was du vor Jahren erlebt hast, wieder­um in deiner Seele regsam werden lassen kannst; du kannst dein inne­res Seelisches so gestalten, wie zeit deines irdischen Lebens dasjenige war, was du in deiner Umgebung erlebt hast.

Das war zunächst ein gewaltiger Eindruck, den der Schüler dadurch

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bekam, daß ihm mit großer Feierlichkeit, aber mit einer ernsten, un­sentimentalen Feierlichkeit eine solche Sache nahegebracht worden ist. Dann aber lernte er auch verstehen: Ja, wenn nur diese Blei-Saturn­kraft wirken würde, wenn nur diese Blei-Saturnkraft dem Menschen die Ichfähigkeit, die Erinnerungsfähigkeit geben würde, dann würde der Mensch sich ja dem Kosmos vollständig entfremden. Wenn nur diese Saturnkraft da wäre, würde der Mensch zwar dasjenige, was er mit seinen physischen Augen gesehen hat, in seiner Erinnerungskraft aufnehmen können und es für das irdische Leben bleibend sein lassen, allein er würde sich entfremden dem Kosmos. Er würde gewisserma­ßen ein Eremit im Erdendasein werden, vom Saturn zur Erinnerungs-fähigkeit inspiriert.

#Bild s. 153

Da lernte der Schüler erkennen, daß dieser Saturnkraft eine andere entgegengesetzt sein muß: das ist die Kraft des Mondes. Nehmen wir an, die beiden stünden gerade so, daß die Saturnkraft und die Monden­kraft von entgegengesetzter Seite, aber ineinanderfließend, an die Er­de, also auch an den Menschen herankommen. Was der Saturn dem Menschen nimmt, gibt der Mond; was der Saturn dem Menschen gibt,

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nimmt der Mond. Und so, wie die Erde im Eisen eine Kraft hat, die der Mensch innerlich in sich verarbeiten kann, eine Kraft, die der Sa­turn in dem Blei hat, so hat der Mond diese selbe Kraft in dem Silber.

Auch das Silber, wie es in der Erde ist, es ist bereits bei einem Zu-stande angelangt, durch den es in den Menschen nicht hineinkommen kann. Aber die ganze Sphäre, die der Mond einnimmt, ist tatsächlich durchzogen von fein verteiltem Silber. Der Mond wirkt, namentlich wenn sein Schein in der Richtung vom Löwen herkommt, so, daß der Mensch durch diese Silberkraft des Mondes die entgegengesetzte Wir­kung hat von der Bleikraft des Saturn, daß er also dem Makrokosmos nicht entfremdet wird, trotzdem er aus dem Weltenall herein gnadevoll mit der Erinnerungskraft inspiriert wird. Und es war dann ein beson­ders feierlicher Augenblick, wenn der griechische Schüler hingeführt wurde, wenn sich in dieser Weise Saturn und Mond gegenüberstanden und zu sehen waren, und dann in der Feierlichkeit der Nacht dem Schü-ler klar gemacht worden ist: Siehe hinauf zu dem ringumgebenen Sa-turn. Ihm verdankst du dasjenige, was du als in dir geschlossener Mensch bist. Und schaue nach der anderen Seite zu dem silberstrahlen­den Monde. Ihm verdankst du, daß du die Saturnkraft ertragen kannst, ohne daß du dich vom Kosmos herauslösest.

Sehen Sie, in dieser Weise - in unmittelbarer Anknüpfung an den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos - wurde in Griechen­land dasjenige getrieben, was in späterer Karikatur die Astrologie ge­nannt worden ist. Da war es eine wirkliche Weisheit, denn da sah man ja in dem Stern nicht bloß den da oben stehenden Lichtpunkt oder Lichtfleck, da sah man im Stern die geistig4ebendige Wesenheit und das Menschenwesen auf Erden in Verbindung mit dieser geistig-leben­digen Wesenheit. Da hatte man eine Naturwissenschaft, die hinauf-ging bis in das Himmlische, die hinausreichte in die Weltenweiten. Und dann, wenn der Schüler solche Lichtblicke, Lichtausblicke erhal­ten hatte, wenn sich ihm das tief in die Seele eingeschrieben hatte, dann wurde er zum Beispiel in den wahren Mysterien von Eleusis, wie das ja überhaupt üblich war - Sie haben es bei meinen Schilderungen anderer Mysterien, auch der hybernischen Mysterien gesehen -, hingeführt vor zwei Bildsäulen. Und die eine dieser Bildsäulen stellte ihm dar eine

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väterliche Gottheit, jene väterliche Gottheit, welche umgeben war von den Zeichen des Planetarischen und Sonnenhaften; jene väterliche Sta­tue, welche ihm zum Beispiel darstellte den strahlenden Saturn, aber so strahlend, daß der Schüler erinnert wurde: Ja, das ist die Bleistrah­lung des Kosmos; wie er beim Mond erinnert wurde: Ja, das ist die Silberstrahlung des Mondes, und so bei jedem einzelnen Planeten. So daß ihm in der Statue, die das Väterliche darstellte, erschien, was an Ge­heimnissen hereinstrahlte von der planetarischen Umgebung der Erde, was verwandt war den einzelnen Metallen der Erde, die aber innerhalb der Erde schon unbrauchbar geworden waren für das menschliche Innere.

Sieh, so wurde dem Schüler gesagt, da steht der Vater der Welt vor dir. Der Vater der Welt trägt im Saturn das Blei, im Jupiter das Zinn, im Mars das dem Erdenwesen verwandte Eisen - aber in einem ganz anderen Zustande -, in der Sonne das strahlende Gold, in der Venus das strahlend-strömende Kupfer, im Merkur das strahlende Quecksilber, im Monde das strahlende Silber. Du trägst in dir nur dasjenige vom Metallischen, was du dir aneignen konntest aus den planetarischen Zu­ständen, die die Erde früher einmal gehabt hat. Vom jetzigen Zustand kannst du dir nur das Eisen aneignen. Aber du bist als Erdenmensch nicht ein Ganzes. Das, was dir der Vater, der vor dir steht, zeigt in den Metallen, die nicht in dir selber heute aus dem Erdensein bestehen können, sondern die du heute vom Kosmos entnehmen mußt - in dem Vater hast du dein anderes, wenn du dich als Mensch nimmst, der durch planetarische Verwandlungen der Erde gegangen ist. Dann bist du erst ein ganzer Mensch. Hier auf Erden stehst du als Teil des Menschen. Das andere trägt der Vater um sein Haupt und in seinem Arm vor dich hin. Das, was hier vor dir steht, mit dem, was er trägt, das erst bist du. Du stehst auf der Erde. Aber diese Erde war nicht immer so, wie sie heute ist. Wäre sie immer so gewesen, du könntest als Mensch nicht auf ihr sein. Denn sie trägt in sich, wenn auch in einem abgestorbenen Zustande, auch das Blei des Saturn, das Zinn des Jupiter, das Eisen des Mars - eben in dem anderen Zustand -, das Gold der Sonne, das Silber des Mondes, das Kupfer der Venus, das Quecksilber des Merkur; sie trägt es in sich. Aber so wie sie es in sich trägt, so sind diese Metalle

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nur die Erinnerungen an die Art und Weise, wie einstmals schon das Silber während des Mondendaseins in der Erde gelebt hat, das Gold während des Sonnendaseins, das Blei während des Saturndaseins. Und was dir heute in den dichten metallischen Massen von Blei, Zinn, Ei­sen, Gold, Kupfer, Quecksilber, Silber erscheint - mit Ausnahme des­jenigen Eisens, das du eigentlich kennst, das nicht das innerirdische Eisen ist, denn das ist marshaft -, das, was heute dir in diesen kom­pakten, dichten Metallen erscheint, das ergoß sich einstmals aus dem Kosmos in die Erde in einem ganz anderen Zustande. Diese Metalle, wie du sie heute von der Erde kennst, sind die Leichname der einstigen Metallwesen. Blei ist der Leichnam jenes Metallwesens, das während der Saturnzeit und später wiederum in einem anderen Grade während der Mondenzeit auf der Erde in ihrer alten Gestalt gespielt hat. Zinn hat mit dem Gold zusammen während der Sonnenzeit der Erde gespielt in einem ganz anderen Zustande - schaust du den im Geiste, dann wird dir diese Statue in dem, was sie dir entgegenträgt an Heutigem, zur wahrhaft väterlichen Statue. Und im Geiste, wie in einer realen Vision, wurde die Statue der wahren Mysterien in Eleusis lebendig und reichte der weiblichen Gestalt, die daneben stand, dasjenige, was dazumal die Metalle waren. Und die weibliche Gestalt nahm diese ehemalige Gestalt der Metalle entgegen in der Vision des Schü­lers und umzog sie mit demjenigen, was die Erde von sich aus, als sie Erde wurde, geben konnte.

So sah der Schüler diesen wunderbaren Prozeß, diesen wunderbaren Vorgang: Da strahlte einmal, so wie jetzt wiederum symbolisch, aus der väterlichen Statuenhand, da strahlte die Metalimasse, und dasjeni­ge, was Erde war, trat, sagen wir zum Beispiel mit ihrem Kalk oder sonstigen Gestein entgegen dem, was da einstrahlte, und umgab das metallisch Einströmende mit irdischer Substanz, so wie die liebevoll von der einen mütterlichen Statue hinaufreichende Hand dasjenigeent­gegennahm, was von der väterlichen Statue an metallischer Kraft der mütterlichen Statue gereicht wurde. Das war ein großer, gewaltiger Eindruck, denn man sah darinnen das Kosmische mit dem Irdischen zusammenwirken im Laufe der Äonen. Und man lernte dasjenige, was die Erde darbietet, in seiner richtigen Weise empfinden.

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#Bild s. 157a

Sehen Sie sich einmal manches, was in der Erde metallisch ist, an. Sie haben es kristallisiert. Sie haben es umgeben mit einer Art von Kruste, mit dem, was aus der Erde ist. Das Metallische ist vom Kos­mos herein; dasjenige, was von der Erde ist, das nimmt wie liebevoll auf das, was vom Kosmos hereinkommt. Sie sehen es überall draußen, wo sie an den Fundstätten der Metalle herumgehen und um die Metalle sich bekümmern. Und dasjenige, was da dem Metall entgegenkam, man nannte es die Mutter. Und die wichtigsten dieser irdischen Sub­stanzen, die sich dem Himmlisch-Metallischen entgegenstellten, um sie aufzunehmen, nannte man die Mütter.

#Bild s. 157b

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Das ist auch ein Aspekt für jene «Mütter», zu denen Faust hinunter­steigt. Er steigt zu gleicher Zeit hinunter in vorirdische Zeiten der Erde, um da zu sehen, wie die mütterliche Erde das vom Kosmos her­ein väterlich Gegebene in sich aufnimmt.

Durch alles das wurde in dem Schüler der eleusinischen Mysterien innerlich erregt ein Mitfühlen mit dem Kosmos, eine innerliche Her­zenserkenntnis dessen, was eigentlich in Wirklichkeit die Naturpro­du kte und Naturvorgänge auf Erden sind.

Meine lieben Freunde, wenn sich der heutige Mensch anschaut diese Naturvorgänge, anschaut diese Naturprodukte - es ist ja alles tot, es ist ja alles Leichnam. Und wenn wir in der Physik oder Chemie herum­hantieren, was tun wir anderes, als mit der Natur dasselbe machen, was schließlich der Anatom macht, wenn er im Seziersaal die Leiche zer­schneidet, wo er das Tote von dem hat, dessen Bestimmung das Leben ist. So schneiden wir mit unserer Chemie, mit unserer Physik in die le­bendige Natur hinein. Aber dem griechischen Schüler war eben eine andere Naturwissenschaft gegeben: die Naturwissenschaft des Leben­digen, die ihn das heutige Blei anschauen ließ wie den Leichnam des Bleies. Man muß zurückgehen in die Zeiten, wo das Blei gelebt hat. Da wurde ihm die geheimnisvolle Beziehung des Menschen zum Wel­tenall, die geheimnisvolle Beziehung des Menschen zu dem, was um ihn herum ist im Irdischen, klar.

Und dann, wenn der Schüler solches durchgemacht hatte, wenn ihm solches seelisch vertieft worden war vor der väterlichen und der müt­terlichen Statue, die die beiden einander entgegengesetzten Kräfte, die Kräfte des Kosmos, die Kräfte des Irdischen in seiner Seele vergegen­wärtigten, dann wurde er sozusagen in das Allerheiligste geführt, auch in Griechenland. Da hatte er das Bild vor sich: die weibliche Gestalt, an ihrer Brust das Kind säugend. Dann wurde er eingeführt in das Ver­ständnis der Worte: Und das ist der Gott Jakchos, der einst kommen wird. So lernte der griechische Schüler voraus das Christusmysterium verstehen.

Wiederum war in spiritueller Art der Christus auch vor den in Eleu­sis zu Initiierenden hingestellt worden. Aber es durften in jener Zeit die Menschen zunächst diesen Christus nur als den Zukünftigen ken­nenlernen,

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als den, der noch Kind war, Weltenklnd, das erst erwachsen werden sollte im Kosmos. Telesten wurden ja die zu Initiierenden ge­nannt: solche, die nach dem Ende, nach dem Ziele der Erdenentwicke­lung hinschauen sollten.

Und nun kam der große Umschwung. Es kam der Umschwung, der mit aller Schärfe eigentlich auch historisch ausgedrückt ist in dem Übergange von Plato zu Aristoteles.

Sehen Sie, es ist ein Eigentümliches, meine lieben Freunde. Als das vierte Jahrhundert herankam in der griechischen Kulturentwickelung, da spielte sich der erste Umschwung zu dem Abstraktwerden hin ab. Und er spielte sich so ab, daß zwischen Plato und Aristoteles, als Plato schon im höchsten Alter war, als Plato eigentlich am Ende seiner Lauf­bahn war, daß zwischen Plato und Aristoteles folgende Szene statt­fand. Plato sagte - ich muß das in Worte kleiden, was natürlich in viel komplizierterer Weise sich abgespielt hat - etwa das Folgende zu Ari­stoteles:

Dir hat manches nicht so richtig geschienen, wie es von mir dir und den anderen Schülern vorgetragen worden ist. Was von mir dir und den anderen Schülern vorgetragen worden ist, ist aber schließlich der Extrakt uralt heiliger Mysterienweisheit. Aber die Menschen werden im Laufe ihrer Entwickelung eine Form, eine Gestalt, eine innere Or­ganisation annehmen, die sie nach und nach zu etwas allerdings Höhe­rem führen wird, als wir jetzt haben im Menschen, die aber unmöglich macht, daß der Mensch entgegennimmt dasjenige, was Naturwissen­schaft in der Art, wie ich es heute geschildert habe, bei den Griechen war. - Das machte Plato dem Aristoteles klar. - Und deshalb will ich mich eine Zeitlang zurückziehen, sagte Plato, und dich dir selbst über­lassen. Versuche in der Gedankenwelt, für die du besonders veranlagt bist, und die die Gedankenwelt der Menschen durch viele Jahrhunder­te werden soll, versuche in Gedanken auszubilden, was du hier in mei­ner Schule aufgenommen hast.

Aristoteles und Plato blieben getrennt, und Plato führte damit einen hohen geistigen Auftrag gerade durch Aristoteles aus.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, die Szene muß ich Ihnen so schil­dern, wie ich sie eben jetzt geschildert habe. Sehen Sie aber in die Geschichtsbücher,

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so finden Sie diese Szene auch geschildert, und ich will sie Ihnen jetzt erzählen, wie sie in den Geschichtsbüchern, aus denen die Menschen lernen, geschildert ist. Da wird sie so geschildert: Ari­stoteles war eigentlich immer ein etwas widerspenstiger Schüler des Plato, so daß Plato einmal gesagt hätte, Aristoteles sei zwar ein begab­ter Schüler, aber er sei so, wie das Pferd, das von irgend jemandem ab­gerichtet wird, und das dann seinen Lehrmeister mit dem Hufe schlägt. Und was sich da zwischen Aristoteles und Plato abgespielt hätte, führte immer mehr und mehr dazu, daß Plato sich zurückzog von Aristoteles und böse war und gar nicht mehr in die Akademie ging, um zu lehren. Das steht in den Geschichtsbüchern.

Das eine steht in den Geschichtsbüchern; das andere, was ich Ihnen erzählt habe, ist die Wahrheit und trägt in sich den Impuls für etwas sehr Bedeutsames. Denn sehen Sie, es gab zweierlei Arten von Schrif­ten des Aristoteles. Die einen enthielten eine bedeutsame Naturwissen­schaft, jene Naturwissenschaft, die die Naturwissenschaft von Eleusis war, und die auf dem Umwege durch Plato an Aristoteles herangekom­men ist; und die andere Art von Schriften enthalt die Gedanken, die abstrakten Gedanken, die im Auftrage des Plato, ja im Auftrage dessen, was Plato wiederum als Aufgabe hatte aus den eleusinischen Mysterien, dem Aristoteles darzustellen oblag.

Und auch einen zweifachen Weg nahm das, was Aristoteles eigent­lich zu geben hatte. Das eine waren die sogenannten logischen Schrif­ten, jene logischen Schriften, die die tragfähigsten Gedanken aus der alten eleusinischen Weisheit herausholten. Diese Schriften mit weni­ger Naturwissenschaft übergab Aristoteles seinem Schüler Theophra­stus. Und auf dem Umwege durch Theophrastus und auf anderen Um­wegen noch kamen sie über Griechenland und Rom herauf und bilde­ten das Mittelalter hindurch die Lehrweisheit für diejenigen, die eben in der Zivilisation tätig waren, für die Lehrer der Weltanschauungen in Mitteleuropa.

Und was auf die Art gekommen war, wie ich es Ihnen das letzte Mal erzählt habe, was gekommen war dadurch, daß man zurückweisen mußte die Mysterienweisheit von Hybernia und nur an dasjenige an­knüpfen konnte, was wiederum Tradition war des sinnlich sich Abspielenden

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im Beginne der Zeitrechnung, das verband sich mit dem, was ausgesondert wurde von der bei Aristoteles sich noch findenden Weisheit des Plato, bzw. Weisheit der eleusinischen Mysterien. Für das aber, was das eigentlich Naturwissenschaftliche war, was in sich noch den Geist trug der chthonischen Mysterien, die dann nur in die eleusi­nischen eingeflossen waren, was eine Naturwissenschaft war, die nach dem Himmel hinausreichte, die in die Weiten des Kosmos hinaus­schweifte, um das Irdische zu erklären, für diese Naturwissenschaft war in Griechenland die Zeit vorbei. Und so viel noch gerettet werden sollte von dieser Naturwissenschaft, so viel konnte nur auf die Art ge­rettet werden, daß Aristoteles der Lehrer des Alexander wurde, der sei­ne Züge nach Asien hinüber machte, und der alles, was möglich war, einführte nach dem Oriente von aristotelischer Naturwissenschaft, die dann überging in die jüdischen, in die arabischen Schulen, von da aus über Afrika nach Spanien herüberkam und die in filtrierter Weise zum Teil in dasjenige hereinwirkte, was in Mitteleuropa so spielte, wie ich es Ihnen gezeigt habe, aus den hybernischen Mysterien heraus bei ein­zelnen einsamen Menschen. Theophrast hat den Kirchenlehrern des Mittelalters seinen Aristoteles gegeben. Alexander der Große hat nach Asien hinüber den andern Aristoteles getragen: jene eleusinische Weisheit, die in ungeheurer Abschwächung dann durch Afrika nach Spanien gekommen war und aufleuchtet im Mittelalter, trotz der all­gemeinen Zivilisation sogar in einzelnen Klöstern gepflegt worden ist

- zum Beispiel von dem, ich möchte sagen, in mythischer Form auf die Nachwelt gekommenen Basilius Valentinus. Das lebt da drinnen, das lebt, möchte ich sagen, unter der Oberfläche, während auf der Ober­fläche eben diejenige Kultur lebt, von der ich Ihnen schon das letzte Mal gesprochen habe. Denn in alledem, was die allgemeine Zivilisation war, in alledem lebt nicht das, was eben auch noch zu Aristoteles Zei­ten gelehrt werden konnte: Der Christus muß wirklich erkannt wer­den.

Das dritte Bild, die weibliche Gestalt, die an der Brust das Kind trägt, das Jakchoskind, die muß auch verstanden werden. Das aber, was das Verständnis dieser dritten Gestalt bringen sollte, das muß in der Ent­wickelung der Menschheit erst kommen - so hatte ja oftmals, ohne es

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niederschreiben zu können, durch Verhältnisse, wie ich sie Ihnen eben jetzt dargestellt habe, gerade Aristoteles zu seinem Schüler, Alexander dem Großen, gesagt.

Und so sehen wir, wie in der Zeiten Schoß die Aufforderung liegt, in ihrer ursprünglichen Wirklichkeit zu verstehen, was dann durch die christlichen Maler so schön hingestellt wurde: die Mutter mit dem Kinde an der Brust, was aber nicht in voller Art verstanden worden ist, weder in der Raffaelischen Madonna noch in der östlichen Ikone, was noch auf das Verständnis wartet.

Einiges von dem, was notwendig ist, um zu solchem Verständnis zu kommen, soll im Laufe der nächsten Zeit hier in diesen Vorträgen be­sprochen werden. Morgen werde ich den Weg zeichnen, der manche tiefen okkulten Geheimnisse über Arabien herüber nach Europa getra­gen hat, um damit eine gewisse historische Erscheinung festzulegen vor Ihren Seelen. Und in den Vorträgen, die ja die okkulte Grundlage des geschichtlichen Werdens der Menschheit darstellen sollen, und die zu Weihnachten vor den Delegierten gehalten werden, werde ich ja an der entsprechenden Stelle auch die ganze Bedeutung der Alexander-züge in Verbindung mit dem Aristotelismus darzulegen haben.

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ELFTER VORTRAG Dornach, 15. Dezember 1923

Aus dem, was ich gestern vorzubringen hatte, wird es vielleicht ver­ständlich sein, wenn ich von Aristoteles, dem Zusammenfasser des ge­samten Wissens, der gesamten Erkenntnis im Altertum im vierten vorchristlichen Jahrhunderte, sage, daß er, trdtzdem er eigentlich nur eine Art logischen Systems über Mitteleuropa ffießen ließ, dennoch auf dem Boden des griechischen und eigentlich des gesamten Mysterienwesens der damaligen Zeit stand. Ja, man wird sogar sagen müssen, daß der­jenige, der solche Dinge wie Weltanschauungen nicht bloß mit demVer­stande, sondern auch mit dem Gemüte aufzunehmen in der Lage ist, herausfühlen kann aus den logischen Darstellungen des Aristoteles, daß ein gewisses inniges Verknüpftsein mit Naturgeheimnissen auch der aristotelischen Logik und Philosophie zugrunde liegt. Es war eben mehr das Schicksal des Aristoteles, ein logisches System über Europa auszugießen, als, wenn ich mich so ausdrücken darf, sein eigener Ent­wickelungsgang. Denn immerhin, man kann schon sagen, um die hier vorliegende eigentümliche Tatsache zu illustrieren: es wäre vielleicht undenkbar, daß Plato hätte der Lehrer Alexanders werden können, während Aristoteles es hat werden können.

Plato setzte gewiß in seiner Art nur die alten Mysterien in einer mehr ideellen Form fort. Aber gerade durch sein Ideelles wurde er die Persönlichkeit, die mehr hinwegführte von den Geheimnissen der Natur, während Aristoteles wiederum auf sie zurückführte, was Sie schon aus meinen ganz kurzen Darstellungen in meinen « Rätseln der Philosophie» ersehen können. Aber den vollen Tatbestand lernt man doch erst kennen, wenn man sich eine Vorstellung machen kann, wie der siebenjährige Unterricht, den Aristoteles dem Alexander gegeben hat, eigentlich seinem Inhalte nach war. Ich will in Kürze zusammen­fassen, was, herausgehoben aus dem antiken Mysterienwesen, der In­halt dieses Unterrichtes war.

Es war ja, wenn man überhaupt in jenen alten Zeiten in einer gülti­gen Weise über die Natur sprach, so, daß man unter der Natur nicht

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dasjenige verstand, was die heutige Naturwissenschaft versteht: die bloßen irdischen Erscheinungen, von denen man dann auf die außer­irdischen Himmelserscheinungen äußerlich schließt; sondern man glie­derte den Menschen an die Natur im aller weitesten Sinne an, und konnte das nur, wenn man auch den Geist in der Natur suchte, denn man ließ es sich in jenen alten Zeiten gar nicht beifallen, den Menschen etwa seelenlos und geisdos zu betrachten. Und so handelte es sich eigent­lich bei dem Mysterienunterricht über die Natur immer darum, die Natur weit hinauszudehnen in das Kosmische, so weit, als der Kos­mos dem Menschen durch seine Verwandtschaft mit ihm zugänglich sein konnte.

Nun, aller Unterricht, aller ernst genommener Unterricht in jenen alten Zeiten war ja nicht ein Appell an den menschlichen Verstand oder an das äußere Beobachtungsvermögen des Menschen. Was man sich heute unter Wissen vorstellt, das spielte eigentlich in jenen älteren Zeiten, auch noch zur Zeit des Aristoteles, keine beträchtliche Rolle. Und wenn die Geschichtsschreiber der einzelnen Wissenschaften heute ihr eigenes wissenschaftliches Denken darstellen wollen, so sollten sie eigentlich erst bei Kopernikus oder Galilei anfangen; denn was sie zu­rückgehend zu dem noch hinzuflicken, das ist ja durchaus nicht zutref­fend. Und wenn sie gar gegen das griechische Wissen hin gehen, so ist es die reine Phantasie, die sie da geben: es ist eine Art Fortsetzung der Gegenwart nach früheren Zeiten, die aber niemals real war. Denn auch zu Aristoteles' Zeiten und von Aristoteles selber wurde jeder Unterricht, der ernst genommen wurde, so gegeben, daß er verknüpft war mit ei­ner Umänderung der ganzen Menschennatur, mit einem Appell nicht nur an das menschliche Denken und Beobachten, sondern an das ganze menschliche Leben. Der Mensch sollte durch Erkenntnis eben ein an­deres Wesen werden, als er ohne die Erkenntnis ist. Das war ja das Wesentliche, worauf es in den Mysterien ankam, daß der Mensch durch die Erkenntnis ein ganz anderes Wesen wurde, als er vorher war. Und gerade zu Aristoteles' Zeiten war es so, daß man diese Umwandelung des Menschen vor allen Dingen dadurch herbeizuführen versuchte, daß man zwei polarisch einander entgegengesetzte Empfindungen auf die menschliche Seele wirken ließ.

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Man ermahnte den Menschen, der unterrichtet werden sollte, der nach und nach zum Wissen, zur Erkenntnis kommen sollte, so recht menschlich sich hineinzuflihien in seine Naturumgebung. Sieh einmal

- so sagte man etwa -, du atmest die Luft, aber du atmest die Luft, die im Sommer warm ist, im Winter kalt ist. Du atmest die Luft so, daß du deinen eigenen Atem in Dampfesgestalt, in Dunstgestalt im Winter wahrnehmen kannst. Er wird unsichtbar, wenn du warme Luft im Sommer atmest.

Und an solch eine Erscheinung wurde angeknüpft. Man knüpfte nicht zunächst etwa so an die Natur an, daß man sagte: Sieh einmal, da hat ein Körper diese oder jene Temperatur; ich erwärme ihn in einer Retorte, er macht diese oder jene Veränderung durch. Nein, man knüpfte an den Menschen an, an den Menschen, wie er sich drinnen fühlt in jenem Zusammenhange, der den Atmungsprozeß darstellt. Und man ließ allmählich den Menschen auf der einen Seite zum Er­fühlen, zum Empfinden kommen der erwärmten Luft: Stelle dir recht vor, was das heißt, erwärmte Luft. Sie will hinauf, und du mußt fühlen, indem die erwärmte Luft an dich herankommt, daß dich eigentlich etwas in die Weiten tragen will. Und fühle im Gegensatz dazu das kalte Wasser, das kalte Wasser in irgendeiner Form; fühle es nur. Du fühlst dich darinnen eigentlich nicht heimisch. In der warmen Luft fühlst du dich heimisch, so heimisch, daß dich die warme Luft in die Weiten des Kosmos tragen will. Im kalten Wasser fühlst du dich fremd, nicht hei­misch. Aber du fühlst, wenn du fortgehst vom kalten Wasser, und wenn du das kalte Wasser außer dir tun läßt, was es tun will: dann wird diese Tatsache für dich etwas; dann, wenn du das kalte Wasser außer dir tun lässest, was es tun will, dann bereitet es selber zum Beispiel die Schneekristalle, die niedeffallen auf die Erde. Außerhalb der Schnee-kristalle, die Schneekristalle beobachtend, fühlst du dich an deinem richtigen Orte. Die warme Luft kannst du eigentlich nur in dir fühlen, und du möchtest dich mit der aufwärtsstrebenden warmen Luft in die Weltenweiten tragen lassen. Das kalte Wasser kannst du nur eigentlich außer dir fühlen, und du möchtest es, damit du eine Verwandtschaft mit ihm hast, eigentlich in seinen Ergebnissen durch deine Sinne be­trachten.

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Das waren die zwei polarischen Gegensätze, an die man dazumal herangebracht wurde: zu fühlen, daß eigentlich « draußen und drinnen vom Menschen » ein leerer Ausdruck ist Draußen und drinnen will eigentlich gar nichts Besonderes besagen. Viel will besagen: warme Luftigkeit, kalte Wäßrgkeit. Das sind Gegensätze, durch die der Mensch ganz seinem innersten Wesen nach in die Welt hineingestellt wird. Denn «draußen» ist erst etwas dadurch, daß es kalt-feucht ist, «drinnen» ist etwas dadurch, daß es warm4uftig ist. Qualltativ fühlte man diesen Gegensatz, und qualltativ das Hineingestelltsein des Men­schen.

Dann sprach man nicht mehr von Dingen, dann sprach man von dem Menschen selbst. Man sprach davon, daß das Warmluftige zu den Göttern hinführt, zu den Göttern in den Höhen, und daß das Feucht-kalte zu den unterirdischen Dämonen führt. Aber mit der Fahrt nach den unterirdischen Dämonen ist zu gleicher Zeit verbunden die Er­kenntnis der Natur. Man muß nur mitbringen in die unteren Regionen das, was man erkundet und erlebt durch das Warmluftige in den Höhen, damit einem das Untere nichts anhaben kann. Und wenn man dann mit dieser inneren Empfindung für den Gegensatz des Warm-luftigen und des Feuchtkalten, wenn man mit diesem Erlebnis an die Natur heranging, dann konnte man durch das weitere Erleben an den Naturgegenständen und Naturvorgängen tief hineinschauen in das Wesen des Weltenalls überhaupt.

Heute untersucht der Chemiker den Wasserstoff, schreibt dem Was­serstoff nach seinen Untersuchungen gewisse Eigenschaften zu. Dann beobachtet er die Weltenräume, sieht da etwas, was dieselben Eigen­schaften offenbart wie der Wasserstoff im Laboratorium, und sagt, der Wasserstoff ist auch in den Weiten. Solch eine Unterweisung würde auch zu Aristoteles' Zeiten noch eine Torheit gewesen sein. Aber man ging dazumal anders zu Werke.

Wenn vertieft war das innere Erleben durch das, was ich eben ange­deutet habe, dann führte man den Schüler zu der Beobachtung dessen, was nun wirklich in der aufstrebenden, sich in die Weltenweiten hin-aus öffnenden Blume lebt. Pflanzenerkenntnis, das war dasjenige, wo-zu man den Schüler führte, Pflanzenerkenntnis: Schaue hinein in die

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sich öffiiende Blumenkrone, beobachte, wie da das, was den Weiten der Welt entgegenstrahlt, auf dich einen Eindruck macht.

Und indem der Schüler mit jenen vertieften Empfindungen, von de­nen ich Ihnen gesprochen habe, so über die sich öfinenden Blumen hin-blickte, dann ging ihm eine innerliche Erkenntnis, eine innerliche Er­leuchtung auf. Die Blumen draußen auf Erden wurden ihm zu Ver­kündern von Weltengeheimhissen in den Weiten. Die Blumen spra­chen ihm von den Weltenweiten. Und in einer eindringlichen, aber nur andeutenden Weise führte der Lehrer den Schüler dahin, dieses Ge­heimnis, das von den Weiten der Welt einströmt in das Blumenwesen, aus sich selber heraus zu finden. Und so wurde der Schüler nach und nach dazu gebracht, auf die Frage des Lehrers: Was nimmst du denn da eigentlich wahr, wenn du hineinschaust in den sich öfinenden Blu­menkelch, in die sich öffnende Blumenkrone, wo die Staubgefäße her­auskommen und dir entgegenstrahlen, was nimmst du eigentlich wahr?

- da wurde der Schüler dazu gebracht, zu sagen: Die Pflanzen erzählen mir, daß sie eigentlich durch die schwere, kalte Erde gezwungen sind, ihren Standort auf der Erde zu nehmen, daß sie aber eigentlich nicht aus der festen Erde gekommen sind, sondern in diese nur hineinbe-festigt worden sind, daß sie in Wahrheit wassergeborene Wesen sind, und in dieser ihrer Lebendigkeit als wassergeborene Wesen im vorer-lebten Zustand des Erdenseins - ich meine den in meiner «Geheimwis­senschaft» beschriebenen Zustand, den Mondrustand - ihr wirkliches echtes Dasein gehabt haben. Sehen Sie, dazu wurde der Schüler ge­bracht, zu sagen: Das, was eigentlich die Geheimnisse des Mondes sind, der aus der Erde herausgegangen ist und noch etwas von dem vorirdischen Mondenzustande bewahrt, das spiegelt mir aus den Blu­men entgegen. Denn die Blumen sagten dem Schüler nicht jede Nacht das gleiche. Wenn der Mond vor dem Löwen stand, sagten die Blumen etwas anderes, als wenn der Mond vor der Jungfrau oder vor dem Skorpion stand. Denn das, was der Mond bei seinem Umkreisen durch den Tierkreis erlebte, von dem erzählten die Blumen auf der Erde. Von den Geheimnissen des Weltenalls draußen erzählten die Blumen auf der Erde. Es war wirklich so, daß der Schüler durch das, was heran-gebracht wurde an ihn, aus seinem innersten Herzen heraus sagte:

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Ich schaue in die Blumen;

Ihre Verwandtschaft mit dem Mondensein offenbaren sie;

Sie sind erdbezwungen nun, denn sie sind Wassergeborene.

Das konnte der Schüler fühlen, weil er ja vorher eingeführt worden war in dasjenige, was ihm das erkaltende Wasser gab. Er hatte das er­lebt, und durch dieses Erlebnis kam er an der Blume zu dieser Erkennt­nis.

Und wenn der Schüler genügend vertraut geworden war mit dem Mondengeheimnis, das die Pflanzen, die aus der Erde heraussprossen, verrieten, dann wurde er weiter an die Metalle der Erde herangeführt, an die Hauptmetalle: Blei, Zinn, Eisen, Gold, Kupfer, Quecksilber, Silber, wie ich sie gestern in einem anderen Zusammenhange Ihnen vorgeführt habe. Und wenn er ein so vertieftes Empfindungsleben hatte, wie ich es jetzt angedeutet habe, dann erfuhr er gerade an den Metallen, indem er sich bekannt machte mit dem, was sie ihm geheim­nisvoll sagten, die Geheimnisse des ganzen Planetensystems. Denn das Blei klärte ihn auf über den Saturn, das Zinn über Jupiter, das Eisen über Mars, das Gold über die Sonne, das Kupfer über die Venus, das Quecksilber über den Merkur, und wiederum das Silber über den Mond, insoferne der Mond nun nicht in engerer Verwandtschaft mit der Erde steht, sondern auch ein Angehöriger des ganzen Weltenalls ist. Und so wie der Schüler sich das Blumengeheirnnis enthüllte, so enthüllte er sich das Metallgeheimnis. Es war also das Erste das Pflan­zengeheimnis, das Zweite das Metallgeheimnis.

Dieses Metallgeheininis, das in den eleusinischen Mysterien durch das Ihnen gestern geschilderte mächtige Planiglobium der männlichen Statue gegeben worden ist, dieses Metallgeheimnis wurde in den Un­terricht hineinverwoben auch noch zur Aristoteleszeit, und an diesem Metallgeheimnis enthüllte sich das Geheimnis der Planeten. Man emp­fand ja nicht so grob wie heute; man empfand, indem man an das Me­tall Blei herantrat, daß das Blei nicht nur in der bleigrauen Farbe dem Auge erscheint, sondern dieses Bleigrau machte einen eigentümlichen Eindruck auf das innere Auge. Es löschte in einer gewissen Beziehung dieses Bleigrau des frischen Bleimetalles die anderen Farben aus, und

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man empfand ein Mitgehen mit der bleigrauen Metallität. Man kam in einen gewissen Bewußtseinszustand, und man kam hinein in das Erle­ben von etwas ganz anderem, als die Gegenwart ist. Man kam wirklich in eine Stimmung hinein, wie wenn die ganze Vorzeit der Erde vor einem aufstünde, indem das Gegenwärtige abgeblendet war durch das Bleigrau. Saturn-Natur enthüllte sich.

Beim Golde nimmt man, äußeren Analogien nach, an, daß die Alten in dem Golde einen Repräsentanten der Sonne gesehen haben. Das war wahrhaftig nicht bloß ein äußerliches Analogiespiel, daß man die Sonne als etwas Wertvolles am Himmel und das Gold als etwas Wert­volles auf der Erde angesehen hat. Es ist ja im Grunde genommen dem modernen Menschen nichts zu dumm, wenn es sich darum handelt, die Alten für dumm zu halten. Schaute man das Gold in seiner in sich ge­schlossenen glanzgelben Farbe, mit der Anspruchslosigkeit und dem Stolz nach außen, dann fühlte man in der Tat etwas, was man zunächst verwandt empfand der ganzen Blutzirkulation des Menschen. Man fühlte es der Qualität Gold gegenüber: da bist du drinnen, da fühlst du dich ein. Und durch diese Empfindung kam man dazu, die Natur des Sonnenhaften zu begreifen. Man fühlte die Verwandtschaft der Quali­tät Gold mit dem, was von der Sonne im Blute des Menschen wirkte.

Und so nahm man durch die einzelnen Metalle das ganze Planeten-system wahr. Und es kam der Schüler dazu, das Denken über die Din­ge, das nicht so abstrakt vorzustellen ist wie das heutige Denken, in der folgenden Weise anzuwenden:

Ich denke über die Metalle;

Ihre Verwandtschaft mit den Planeten offenbaren sie;

Sie sind erdbezwungen, denn sie sind Luftgeborene.

In der Tat, die Metalle, wie sie in der Erde heute sind, kamen aus dem Kosmos in Luftesform und wurden nach und nach flüssig erst während des Mondendaseins. Sie kamen in Luftesform, als die Erde in ihrem alten Sonnenzustande war, erlangten die flüssige Form während des Mondendaseins und wurden erdbezwungen in die feste Form hinein eben während der Erdenzeit. Das war das zweite Geheimnis, das sich dem Schüler enthüllte.

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Das dritte Geheimnis, das sollte dem Schüler dadurch aufgehen, daß er beobachten lernte, wie über die Erde hin die Menschen, die Völker verschieden sind. Man gehe nach dem warmen Mrika mit seinem ei­gentümlichen Klima, man findet dort die Menschen schon äußerlich der Hautfarbe nach verschieden dem Menschen von Hellas. Man gehe nach Asien hinüber; wiederum findet man die Menschen verschieden. Und eine feine Empfindung hatten ja die Griechen für die äußeren Verschiedenheiten der Menschen.

Eine der interessantesten Schriften, die von Aristoteles auf die Nach­welt gekommen sind, ist die Schrift über die Physiognomik, worunter aber nicht bloß die Gesichtsphysiognomik verstanden wurde, sondern wo die Physiognomik des ganzen Menschen studiert wurde mit dem Anspruch, daß man dadurch die wahre Natur des Menschen kennen-lernt, wie der Mensch sein Haar gekräuselt oder glatt hatte, je nach den verschiedenen Klimaten, in denen er war, wie er nicht nur seine Hautfärbung, sondern den gesamten Ausdruck seines Menschenwe­sens änderte, je nachdem er unter diesem oder jenem Klima geboren wurde.

Lernte man die Spiegelung des Mondengeheimhisses in den Blu­men, lernte man die Spiegelung der Planeten in den Metallen, so lernte man das eigentliche Menschengeheimnis auf Erden nun durch diesen dritten Unterricht kennen. Und darin leistete ja gerade die Naturwis­senschaft der damaligen Zeit außerordentlich viel, die Mannigfaltig­keit der Menschennatur auf Erden auf sich wirken zu lassen und zur Beantwortung der Frage zu kommen: welche Urgestalt des Menschen liegt eigentlich den Absichten der Götter zugrunde?

Und an den Gestaltungen, an der Physiognomik der Menschen über die Erde hin, so wie sie vorgeführt wurde, lebendig vorgeführt wurde, ging dem Schüler innerlich erst das Geheimnis des Tierkreises auf. Denn so, wie dieser Tierkreis auf die Elemente der Erde wirkt, wie die­ser Tierkreis im Zusammenhange mit dem Planetensystem und mit dem Monde zu der entsprechenden Jahreszeit die Winde in dieser Richtung herträgt, zu der anderen Jahreszeit in jener Richtung, bald warme Lüfte über irgendeine Gegend bringend, bald kalte Schauer über eine Gegend hinfrgend und dadurch in das menschliche Leben

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tief eingreifend, dafür suchten die damaligen Naturforscher die Ur­sprünge in den Einflüssen, die von den Tierkreissternen, modifiziert durch die Planeten und die Sonne und den Mond, auf die Erde ein-strahlten.

Und von einem besonderen Interesse war es für die Naturgeschichte der damaligen Zeit, zu sagen: Da ist ein Mensch - schwarzes gekrän­seltes Haar, angerötete Gesichtsfarbe, so und so gestaltete Nase und so weiter: das ist ein Mensch, der verweist mich auf das Zeichen des Lö­wen, wie der Löwe ausstrahlte seine Kräfte, abgeschwächt oder ver­stärkt durch die anderen Planeten, je nachdem sie in dieser oder jener Stellung waren. Das ist ein Mensch, der innerlich nach seinem Karma in seiner Leber diese oder jene Eigenschaften trägt. Solch eine Eigen­schaft in der Leber, die zum Beispiel einen Anflug von Melancholie in das Seelenleben hineinbringt, sie wurde herbeigeführt dadurch, daß sich in einem gewissen Zeitpunkte Venus in ein gewisses Verhältnis brachte zu Jupiter, und das der Löwenstrahlung einen gewissen Cha­rakter gab. Ich schaue in der besonderen Beschaffenheit des Tempera­mentes im Zusammenhange mit der Leberbeschaffenheit dieses kosmi­sche Determiniertsein, dieses kosmische Bestimmtsein des Menschen. Ich dehne das aus auf die Qualitäten der Völker der Erde. Ich schaue in demjenigen, was der Mensch zusammen erlebt mit dem atmosphäri­schen Umkreis, das Geheimnis des Tierkreises.

Und indem der Schüler so eingeführt wurde, ging aus seinem Her­zen wiederum die Erkenntnis auf, die er etwa in die folgende Form kleidete:

Ich erlebe die Geheimnisse des Tierkreises in der Mannigfaltigkeit der Menschen;

Die Verwandtschaft dieser Mannigfaltigkeit der Menschen mit den Fixsternen steht vor meiner Seele;

Denn die Menschen leben mit dieser Mannigfaltigkeit erdbezwungen; sie sind Wärmegeborene.

Aus dem Wärme-Äther, aus dem Wärme-Äther unter dem Einfluß der Tierkreiszeichen Geborene: sie sind Wärmegeborene. So fühlte sich der Mensch in seiner Physiognomie als der Wärmegeborene, der nur

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verändert worden ist während des Mondendaseins, während des Er­dendaseins, aber doch die ursprüngliche Anlage in der alten Saturnzeit erlangt hat, so wie er die Metallität der Erde sonnengeboren-luftgeb-ren empfand, das Blumenhafte, das Pflanzenhafte mondgeboren-was­sergeboren empfand. Das konnte er so empfinden, denn er war vorbe­reitet dazu dadurch, daß er die Dinge gewissermaßen anfaßte mit den Empfindungen, die in ihm erregt worden waren für das Warmiuftige und für das Kaltwäßrige.

Man beobachtete den Menschen so, daß man die Empfindung bekam:

er wirkt auf das Warmluftige in einer gewissen Mischung mit dem Kaltwäßrigen; man beobachtete in der Aristoteleszeit den Menschen, indem man auf seine Physiognomie ging, so, daß man sich die Frage beantwortete: wieviel gibt einem dieser Mensch für das Warmluf­tige, wieviel nimmt er einem an Kaltwäßrigem? Mit dem, was man so in der Seele ausgebildet hatte, schaute man den Menschen an, und man lernte nach und nach die ganze Natur so ansehen. Das wurde die Vor­bereitung für dasjenige, was dann über Afrika nach Spanien herüber-kam und über einzelne Teile von Mitteleuropa sich ergoß als die alte Alchemie, die wirkliche Alchemie: alles in der Natur, in der Welt so anzusehen, jedes Blumenhafte, jedes Tierhafte, aber auch jede Wolke, jedes Dunstgebilde, Sand und Steine, Meer und Fluß, Wald und Wiese so anzusehen, wie sie den Eindruck machen nach dem Warmluftigen und dem Kaltfruchten.

Und so bekam man in bezug auf die Natur ein feines Empfindungs­vermögen für vier Qualitäten. Es bildete sich aus, indem man das Warmluftige empfand, die Empfindung für die Wärme, aber zu glei­cher Zeit an der Luft, wie die Wärme war eben für das Luftige. Und es bildete sich aus an dem Kalten die Empfindung für das Feuchte und das Trockene. Für diese Unterscheidungen, für diese Differenzierun­gen bekam man ein frines Empfindungsvermögen, denn man stand mit seinem ganzen Menschen darinnen in dem, was die Welt gab, durch diese Empfindungsfähigkeiten.

Auf dem Gesichtspunkte, auf dem nun des Aristoteles Schüler, Alexander der Große, stand, war es selbstverständlich gegeben, eigent­lich zunächst die ganze Gegend, in der die beiden lebten, unter diesem

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Gesichtspunkte zu verstehen. Und als Alexander durchdrungen war von dem, was gerade aus einer solchen Empfindungsfähigkeit heraus kam, da empfand er eigentlich das ganze griechische Wesen, so wie es in Mazedonien sich offenbarte, unter den zwei Qualitäten des Feuchten und des Luftigen, und das setzte seine Stimmung in einer gewissen Zeit seines Lebens zusammen. Und was er aus, ich möchte sagen der besonderen Art einer Initiation, die er durch Aristoteles empfangen hatte, empfand als den Grundcharakter seiner unmittelbaren Welt, die er erlebte, das faßte er nur als eine Halbheit auf. Das kann doch nur die Hälfte der Welt sein, so sagte er sich. - Sie sehen, in dieser Zeit wurde alles Naturhafte ganz an den Menschen herangebracht, so daß der Mensch eigentlich dieses Naturhafte erlebte, und an dieses Naturhafte konnte nun folgender Unterricht geschlossen werden:

#Bild s. 173

Das hier hatte die Windrichtung Nordwest, wenn hier etwa Mazedo­nien wäre, das die Windrichtung Südwest, die Windrichtung Nordost, die Windrichtung Südost.

Nun, von selbst hatte Aristoteles' Schüler, Alexander, empfinden ge­lernt namentlich an dem, was die klimatischen Einflüssee, was die

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Winde hertrugen von Nordwesten, das Feuchtkalte; an dem, was von Südwesten hetgetragen wurde, das Warmfeuchte. Das war ihm die Hälfte der Weltempfindung. Im Unterrichte wurde es ihm ergänzt, und es ging ihm das auch innerlich auf, daß das dazugehörte: dasjenige, was vom Nordosten her wehte, strahlte das Trockenkalte, und was vom Südosten her strömte, das Trockenwarme. So hatte er aus den vier Windrichtungen her die Empfindung kennengelernt des Trocken-kalten, des Trockenwarmen, des Warmfeuchten, des Kalifeuchten. Als echter Mensch der damaligen Zeit wollte er die Gegensätze versöh­nen: Hier in Mazedonien erlebt man nur das Kalifeuchte, das Warm-feuchte; verbunden muß es werden mit dem Kalttrockenen, mit dem Feurigtrockenen, mit dem, was aus dem Norden von Asien herüber-weht, mit dem, was aus dem Süden von Asien herüberweht durch Asien.

Daraus entstand dann jener unwiderstehliche Drang zu den asiati­schen Zügen. Und an diesem Beispiel sollen Sie sehen, daß es in der damaligen Zeit anders war als in der späteren Zeit. Denken Sie an eine Prinzenerziehung von heute, was da gelehrt wird; denken Sie sich solch einen Prinzen, der auf Heereszüge erzogen wird. Versuchen Sie sich klar zu machen, wie viel Verwandtschaft zwischen dem Physik­unterricht, den irgendein Prinzenerzieher jemandem beibringt, und demjenigen ist, was dann erlebt wird auf dem Heereszuge: was da für eine Beziehung ist! Aus den Retorten schlüpft in der Regel nicht aus, was getan wird auf den Heereszügen. - An solchen Beispielen können Sie ganz besonders sehen, wie weit entfernt heute dasjenige ist, was Erkenntnis ist, was an den Menschen herangebracht werden soll, um seinen inneren Menschen zu formen, von dem, was der Mensch im äußeren Leben ist. Hier haben Sie noch eine Zeit, wo gerade aus der Erkenntnis heraus eine völlige Einheit erstrebt werden konnte zwi­schen dem, was den Menschen innerlich formt, gestaltet, und demjeni­gen, was macht, wie er selber in der Welt drinnen steht und in der Welt drinnen tut und handelt. Alte Geschichte geht schon aus der Schulstube hervor. Aber die Schul stube war eben mysterienverwandt, mysterienhaft, und das Mysterium bedeutete die Welt, und die Welt ergab sich als das Ergebnis dessen, was an Kräften im Mysterium war.

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Das gab den Impuls, nach Asien hinüberzutragen, was alte Natur-wissenschaft war. In vielfach gesiebtem Zustande kam sie über Spa­nien durch Europa hindurch. Man merkt sie noch an dem, was Para­celsus geäußert hat, was Jakob Böhme, was Gichtel geäußert hat, was die verschiedenen Menschen geäußert haben, die dann wiederum an-geknüpft haben an solche Geister wie Basilius Valentinus. Aber zu-nächst sollte siegen, was in bloße Gedankenform getaucht war, was in bloße Logik getaucht war, und das andere sollte warten.

Aber heute ist die Zeit, wo dieses andere seine Warte-Aufgabe er­füllt hat, wo es wiedergefunden werden muß als die Summe der Natur-erkenntnisse. Alexander mußte zunächst diese Naturgeheimnisse im Grunde genommen drüben in Asien begraben, denn nur ihre Leich­name wurden nach Europa herübergebracht. Aber nicht diese Leich­name sollen galvanisiert werden, sondern das ureigene Lebendige soll heute wieder gefunden werden. Die nötige Begeisterung, die dazu ge­hört, wird sich freilich im wesentlichen nur dann ergeben können, wenn auch eine warme Empfindung für das vorhanden ist, was in der Zeitenwende einmal da war, und wenn man ein lebendiges Gefühl dafür entwickelt, daß jene ja nur im äußeren als Eroberungszüge aus-schauenden Züge Alexanders dahin gingen, zu der einen Seite der Windrose die andere Seite der Windrose zu finden, dahin gingen, zu enträtseln zu dem, was nur halb die Erde sein konnte, die andere Hälf­te. Und es war durchaus auch das Aufsuchen eines persönlichen Erleb­nisses. Das persönliche Erlebnis bestand eben darin, daß eine gewisse innere Unbefriedigung und Unbehaglichkeit in dem Milieu des bloß Kalifeuchten und Feuchtwarmen da war, und daß die andere Empfin­dung sich hinzu ergänzen sollte.

Inwiefern das eben im eminentesten Sinne auch eine große histori­sche Bedeutung in der Entwickelung des ganzen Abendlandes hatte, das werde ich dann auseinanderzusetzen haben in den Vorträgen, wel­che in der nächsten Zeit während der Delegiertenversammiung gehal­ten werden sollen über die okkulte Grundlage des geschichtlichen Le­bens der Menschen auf der Erde.

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I. Pftanzengeheimnis

Ich schaue in die Blumen;

Ihre Verwandtschaft mit dem Mondensein offenbaren sie;

Sie sind ertibezwungen nun, denn sie sind Wassergeborene.

II. Metallgeheimnis

Ich denke über die Metalle;

Ihre Verwandtschaft mit den Planeten offenbaren sie;

Sie sind erdbezwungen, denn sie sind Luftgeborene.

III. Menschengeheimnis

Ich erlebe die Geheimnisse des Tierkreises in der Mannigfaltigkeit der Menschen;

Die Verwandtschaft dieser Mannigfaltigkeit der Menschen mit den Fixsternen steht vor meiner Seele;

Denn die Menschen leben mit dieser Mannigfaltigkeit erdbezwungen; sie sind Wärmegeborene.

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ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 21. Dezember 1923

Ich habe ja im Laufe der letzten Wochen über mannigfaltige Mysterien-gestaltungen hier vorgetragen. Wir haben insbesondere versucht, Ein­blicke zu gewinnen in diejenigen Mysterien, die als gewissermaßen die letzten großen Mysterien das menschliche Innere unmittelbar anknüpf­ten an das Naturdasein, an den Geist des Naturdaseins. Es waren dies die Mysterien von Hybernia. Und wir haben gesehen, wie durch Blicke in den Menschen selbst, Blicke, die aber durchaus intim geistiger Na­tur, individuell persönlicher Natur sogar waren, die griechischen My­sterien in das Innere des Menschen eingedrungen sind. Man kann schon sagen: wie in der äußeren Natur die mannigfaltigsten Erdgegenden diese oder jene Vegetation tragen, so zeigen sich im Laufe der Mensch­heitsentwickelung auf den verschiedensten Gebieten der Erde die man­nigfaltigsten Einflüsse von seiten der geistigen Welt auf die Menschen.

Würden wir, was ja in historischer Beziehung in den nächsten Tagen geschehen soll, in den Orient hinübergehen, so würden wir noch man­ches andere an Mysteriengestaltung finden. Aber ich habe heute - weil ja roch nicht alle Besucher anwesend sind - mehr an das anzuknüpfen, was schon betrachtet worden ist, denn etwas Neues zu beginnen.

Man kann sagen: Wenn man zurückblickt in der Menschheitsent­wickelung, dann tritt einem mit aller Klarheit vor das imaginative Be­wußtsein eine dreigliedrige Entwickelung. Ich sage: mit aller Klarheit vor das imaginative Bewußtsein, weil, wenn man die Epochen, von denen ich jetzt sprechen will, weiter nach vorn, nach früheren Zeiten ausdehnt, man ja natürlich eine größere Zahl bekommt als die Drei-zahl, und ebenso, wenn man weiter in die Zukunft hineingeht. Aber wir wollen diese mittleren Stadien der Menschheitsentwickelung, die nicht erst durch Inspiration, sondern die schon mit aller Klarheit vor der Imagination auftreten, heute einmal von einem gewissen Gesichts­punkte aus ins Auge fassen.

Noch bis in die ägyptische Zeit herein war es eigentlich für die Menschheit so, daß gegenüber dem damaligen Bewußtsein sowohl der

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afrkanisch-europäischen Völker wie der asiatischen Völker es dasje­nige gar nicht gab, was man heute Stoffe nennt. Nicht einmal die äuße­ren groben Stoffe gab es für das Menschheitsbewußtsein, geschweige denn jene Abstraktionen, welche wir heute als Kohlenstoff, Wasser­stoff, Schwefel und so weitet bezeichnen. Diese Dinge gab es nicht, sondern alles, was sich draußen in der Natur ausbreitete, das wurde unmittelbar angesehen als Körper der göttlich-geistigen Wesenheiten, die sich durch die ganze Natur offenbaren. Wir gehen heute ins Gebir­ge, treten auf den Stein, heben wohl auch den Stein auf, wir sehen in ihm eine gleichgültige Substanz. Uns kommt etwas Ähnliches gar nicht zum Bewußtsein, wie es dem älteren Ägypter, dem alten Orientalen zum Bewußtsein gekommen ist.

Nicht wahr, wir werden heute nicht, wenn wir einem Menschen ge­genüberstehen und etwa seine Finger erfassen, dasjenige, was wir da berühren am Menschenfinger, als etwas Gleichgültiges betrachten. Wir betrachten es als etwas, was zu seinem ganzen menschlichen Organis­mus gehört. Und wir können nicht anders, indem wir zum Beispiel das letzte Glied des Zeigefingers eines Menschen betrachten, als uns sagen:

dies ist ein Teil eines Gesamtorganismus.

So war es bei den alten Ägyptern, so war es bei den alten Orientalen in ihrem Bewußtsein. Traten sie auf einen Stein, hoben sie einen Stein auf: es war ihnen dies nicht ein gleichgültiger Stein wie uns heute, es war ihnen dies überhaupt nicht gewöhnliche irdische Substanz, es war ihnen dies der Teil des göttlichen Leibes, als der ihnen die Erde er-schien. Und so, wie wir heute uns verhalten in unserem Bewußtsein zu der Haut des Menschen, so verhielten sich die Alten gegenüber der äußeren Oberfläche der Erde. Wenn wir heute herantreten an einen Menschen und uns durch besondere Umstände zum Bewußtsein kommt, daß er uns an einen anderen Menschen erinnert, den wir schon kennen, der jetzt vielleicht nicht da ist, und wenn die Umstände erge­ben, daß dieser Mensch, den wir da treffen, die Schwester oder der Bruder jenes anderen Menschen ist, dann kommt uns unmittelbar in den Sinn: da ist gemeinsames Fleisch und Blut bei den beiden Menschen vorhanden, die gehören in einer gewissen Weise körperlich zusammen. Und wenn der alte Grieche oder der alte Orientale seinen Blick hinaufrichtete

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zum Mars, Jupiter, Saturn, und er sah dann die Erde an, dann sah er in dieser Erde eben zunächst den göttlichen Leib des Erdengot­tes, aber er sah zu gleicher Zeit in dieser Erde die Schwester oder den Bruder, kurz das Geschwisterliche zu den Planeten, die draußen um die Erde herumkreisten, Jupiter, Mars, Saturn.

Und so war etwas durchaus Seelisch-Geistiges im Empfinden des ganzen Kosmos und im Empfinden der Erde als eines Teiles dieses Kosmos bei den Alten vorhanden. Und Sie müssen sich nur recht tief in Ihrem Innern vorstellen, wie das etwas ganz anderes bedeutete für die Seele, als das, was der Mensch heute empfindet. Es heißt schon et­was, in der Erde den göttlichen Leib zu schauen, in der Erde das ge­schwisterliche Glied gegenüber allen anderen Planeten des Weltensy­sterns zu sehen! Denn von Göttern erfüllt dachten sich die Alten das ganze Weltenall. Und von Göttern erfüllt war ihnen nicht nur die ganze Erde, von Göttern erfüllt war ihnen außer den planetarischen großen Weltenkörpern jedes einzelne Glied dieser planetarischen We­senheiten. In Stein und Baum, in Fluß und Felsen, in Wolken und Blitz offenbarten sich irgendwelche geistig-göttliche Wesenheiten. Dieses Bewußtsein wurde erweckt in den weiten Kreisen der Bevölkerung über die Erde hin, und dieses Bewußtsein wurde vertieft in den man­nigfaltigen Mysteriengestaltungen, die da und dort auf der Erde sich fanden.

Und wenn wir im griechischen Wesen heraufkommen bis zu jener Zeit, da die äußere politische Größe Griechenlands hinuntersank in eine Art von Volkschaos und aufkam das maz:edonische Wesen, dann finden wir, wie in der Tat damals etwas hereinflutete in das menschli­che Wissen, in die menschliche Erkenntnis, was wir das letzte Mal hier in Fotm des Aristotelismus kennengelernt haben, was wir kennenge­lernt haben als dasjenige, was sich in geistiger Beziehung Alexander der Große zu seiner Volksaufgabe gemacht hatte. Wenn wir da zu die­sem Kulminationspunkt des Griechentums auf der einen Seite, auf der anderen Seite zum Sturz des Griechentums, zum mazedonischen We­sen kommen, so sehen wir gegenüber dem, was die äußere Geschichte, die eigentlich in Wirklichkeit eine Geschichtslegende ist, bietet, auf dem Untergrunde der Bewuntseine gerade der tieferen Geister einen

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Impuls, der herauskam aus denjenigen Mysterien, denen, trotzdem er äußerlich nie davon sprach, Aristoteles recht nahe stand. Es wa­ren jene Mysterien, die gerade im tiefsten Sinne in voller Lebendig­keit vor ihren Zuhörern das Bewußtsein erweckten, daß die ganze Welt eine Theogonie, ein Götterwerden sei, daß man die Welt durch­aus in illusionärer Weise sieht, wenn man glaubt, daß etwas anderes wird in der Welt, als Götter. Götter sind es, die die Wesenhaftigkeiten der Welt darstellen, Götter sind es, welche Erlebnisse in dieser Welt haben, Götter sind es, die Taten ausführen. Und das, was man sieht als Wolken, was man hört als Donner, was man wahrnimmt als Blitze, was man auf der Erde wahrnimmt als Fluß und Berg, was man wahrnimmt auf der Erde in den Mineraireichen, das sind die Offenbarungen, die Äußerungen des Werdens der Schicksale der Götter, die sich dahinter verbergen. Und auch dasjenige was äußerlich sich darstellt in der Wol­ke, in Blitz und Donner, in Baum und Wald, in Fluß und Berg, das ist nichts anderes, als was das Götterdasein, das überall ist, so offenbart, wie die Haut des Menschen das innerlich Seelenhafte dieses Menschen offenbart. Und wenn Götter überall sind, dann muß man unterscheiden

- so lehrte man die Mysterienschüler im nördlichen Griechenland -zwischen den kleinen Göttern, die in den einzelnen Naturwesen und

-Vorgängen sind, und den großen Göttern, welche sich darstellen als Wesenhaftes der Sonne, des Mars, des Merkur, und eines vierten, der nicht äußerlich durch ein Bild oder durch eine Gestaltung sichtbar gemacht werden kann. Das waren die großen Götter, die großen Pla­netengötter, jene großen Planetengötter, die so behandelt wurden, daß des Menschen Blick hinaufgelenkt wurde nach dem Weltenraum, daß sein Auge, aber auch sein ganzes Herz schauen sollte dasjenige, was in Sonne, Mars, Merkur lebte, was aber nicht nur draußen in diesem klei­nen Kreise lebt im Weltenraum, was überall im Weltenraum lebt, was vor allen Dingen herankommt an den Menschen.

Und nachdem zuerst, ich möchte sagen ein majestätischer Impuls in dem Schüler der nordgriechischen Mysterien dadurch erweckt worden war, daß sein Blick hinaufgelenkt wurde auf die Planetenkreise selbst, wurde dann dieser Blick menschlich so vertieft, daß gewissermaßen das Auge vom Herzen ergriffen wurde, um seelisch zu sehen. Dann verstand

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der Schüler, warum auf dem Altar vor ihn hingestellt worden waren drei symbolisch gestaltete Krüge.

Wir haben einmal eine Nachbildung dieser Krüge hier in einer eu­rythmischen Faust-Vorstellung verwendet, und so, wie sie dazumal aus­gesehen haben, diese Krüge, so haben sie ausgesehen in den samothra­kischen, in den nordgriechischen Mysterien. Aber das Wesentliche war, daß mit diesen Krügen in ihrer ganzen symbolischen Gestaltung eine Weihehandlung, eine Opfrrhandiung vor sich gegangen ist. Eine Art Weihrauch wurde in diese Krüge getan, wurde entzündet, der Rauch strömte heraus, und drei Worte, von denen wir morgen noch sprechen werden, wurden mit mantrischer Gewalt von dem zelebrierenden Va­ter in den Rauch hineingesprochen, der von diesen Krügen aufdampf­te, und es erschienen die Gestalten der drei Kabiren. Sie erschienen dadurch, daß der menschliche Atem, die Ausatmung durch das man­trische Wort sich gestaltete und seine Gestaltung mitteilte dem Auf­steigenden, Aufdampfenden der Substanz, die den symbolischen Krü­gen einverleibt worden war. Und indem der Schüler auf diese Weise lesen lernte in seinen eigenen Aternzügen, indem er lesen lernte, was in den Rauch diese eigenen Atemzüge hineinschrieben, lernte er zugleich lesen, was die geheimnisvollen Planeten aus dem weiten Weltenall her­ein zu ihm sprachen. Denn nun wußte er: wie der eine der Kabiren ge­staltet wurde durch das mantrische Wort und seine Gewalt, so war in Wirklichkeit der Merkur; wie gestaltet wurde der zweite Kabir, so war in Wirklichkeit der Mars; wie gestaltet wurde der dritte Kabir, so war in Wirklichkeit Apollo, die Sonne.

Und wenn man jene Modejournalgestalten - verzeihen Sie, daß ich mich radikal ausspreche -, die man ja leider meistens in Galerien aus der spätgriechischen Plastik sieht, und die man sehr verehrt, weil man keine Ahnung hat, aus was sie hervorgegangen sind, wenn man jene Modejournalgestalten eines Apollo, eines Mars, eines Merkur sich an-schaut, sie aber anschaut mit jenem Goetheschen Blicke, mit dem Blick, den Goethe angewendet hat auf seiner italienischen Reise, uln durch diese Modejournalgestalten die Ahnung zu bekommen, was eigentlich griechische Kunst war in jenen Hervorbringungen, die zugrunde gegan­gen sind mit so vielem, was in den ersten Jahrhunderten nach der Begründung

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des Christentums hinuntergestoßen worden ist in die furcht­bare Verwüstung, die dazumal Platz gegriffen hat -, wenn man gewis­sermaßen hindurchschaut durch diese spatgrechischen plastischen Ge­stalten, die, ich möchte sagen, auf der einen Seite mit Recht, weil sie wegweisend waren, auf der anderen Seite mit Unrecht, weil sie eben Nachgeburten sind von Früherem, für groß gehalten werden, wenn man zurückschaut auf dasjenige, woraus sie entstanden sind, dann sieht man, wie in der älteren griechischen Zeit nachgebildet worden sind die Opfer-Offenbarungen, die auf eine solche Weise zustande ge­kommen sind in früherer Zeit in noch viel majestätischerer, großarti­gerer Weise, als später in Samothrake bei den Kabirenmysterien. Man sieht zurück auf jene Zeiten, in denen das mantrische Wort hineinge­sprochen worden ist in den Opferrauch, und die wahren Gestalten des Apollo, des Mars, des Merkur erschienen sind.

Das waren die Zeiten, in denen der Mensch nicht in abstracto ge­sagt hat: Im Urbeginne war der Logos, und der Logos war bei Gott, und ein Gott war der Logos - das waren die Zeiten, in denen der Mensch etwas ganz anderes sagen konnte, in denen der Mensch sagen konnte:

In mir gestaltet sich die Ausatmung, und indem die Ausatmung sich in regelmäßiger Weise gestaltet, erweist sie sich selber als ein Nachbild kosmischen Schaffens, denn sie schafft mir aus dem Opferrauch Ge­staltungen, die für mich die lebendigen Schriftzüge sind, die mir ver­raten, was mir die planetarischen Welten sagen wollen.

Und wenn sich der Schüler der Kabirenmysterien auf Samothrake näherte den Pforten dieser Einweihungsstätten, dann hatte er durch seinen Unterricht das Gefühl: Ja, jetzt betrete ich dasjenige, was mir umschließt die magischen Handlungen des opfernden Vaters. Denn «Vater» nannte man die zelebrierenden Initiatoren dieser Mysterien Und was offenbarte dem Schüler die magische Kraft dieser zelebrieren-den Väter? Durch das, was die Götter in den Menschen gelegt haben, durch die Gewalt der Sprache, schrieb der priesterliche Magier und Weise hinein in den Opferrauch jene Schriftzüge, die aussprachen die Geheimnisse des Weltenalls.

Deshalb sagte der Schüler, wenn er sich der Pforte näherte, in seinem Herzen: Ich trete ein in dasjenige, was mir umschließt einen gewaltigen

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Geist, was mir umschließt die großen Götter, jene großen Götter, wel. che auf der Erde durch die Opfrrhandiungen der Menschen die Ge­heimnisse des Weltenalls enthüllen.

Das war eine Sprache, die da gesprochen wurde, und eine Schrift, die da geschrieben wurde, die wahrhaftig nicht bloß den Verstand des Menschen, sondern die den ganzen Menschen in Anspruch genommen haben. Und in den samothrakischen Mysterien war schon noch etwas von einem Wissen, das ja heute ganz verglommen ist. Der Mensch ist heute ja wohl mächtig, mit Wahrheit davon zu sprechen, wie sich ein Quarzkristall anfühlt, wie sich meinetwillen ein Stück Eisen anfühlt, wie sich ein Stück Antimon anfühlt, wie sich ein Haar anfühlt, wie sich die menschliche Haut anfühlt, wie sich ein tierisches Fell anfühlt, wie sich Seide, Samt anfühlt; das ist der Mensch heute mächtig, sich zu ver­gegenwärtigen durch sein Gefühl. In den samothrakischen Mysterien war noch etwas vorhanden, durch das der Mensch mit Wahrheit sagen konnte, wie sich Götter anfühlen lassen. Denn der Gefühls-, der Tast­sinn war noch fähig dessen, wessen er in alten Zeiten durchaus fähig war: das Geistige anzufühlen, Götter zu ertasten. Und das Wunder-bare ist eigentlich folgendes, ja man muß schon in ältere Zeiten zurück­gehen, wenn man geradezu sprechen will davon, daß die Menschen sagen konnten mit Wahrheit: Ich weiß durch meine Fingerspitzen, wie sich Götter ertasten. Aber in den samothrakischen Mysterien bestand eine andere Kunst des Ertastens der Götter; sie bestand in folgendem.

Indem der priesterliche Magier in den Opfrrrauch die Worte hinein-sprach, indem er also das Wort ertönen ließ im Aushauche und sprach, fühlte er in dem hinausgehenden Atem, wie der Mensch sonst fühlt, wenn er die tastende Hand ausstreckt. Und wie man weiß, daß man mit der Fingerspitze in stets anderer Weise tastet, über den Stoff fährt, wenn man Samt anfühlt, wenn man Seide anfühlt, wenn man Katzen­felle anfühlt, wenn man menschliche Haut anfühlt, so empfand der sa­mothrakische Priestermagier mit der ausgeatmeten Luft, und er emp­fand den Aushauch, den er gegen den Opferrauch hin strahlen ließ, wie ein Ausstrecken von etwas, was aus ihm selber herauskam: er emp­fand den Aushauch wie ein Tastorgan, das nach dem Rauche hin ging. Er fühlte den Rauch. Und er fühlte in dem Rauch die ihm entgegenkommenden

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großen Götter, die Kabiren, er fühlte in dem, wie der Rauch sich gestaltete, und wie die Gestalten, die sich da bildeten, von außen herankamen an den Aushauch, so daß der Aushauch fühlte: da ist Rundung, da ist Eckigkeit, da greift mir etwas entgegen. Die ganze göttliche Gestalt des Kabirs wurde ertastet mit dem in das Wort geklei­deten Aushauch. Mit der Sprache, die aus dem Herzen kam, ertastete der samothrakische Weise die durch den Opferrauch zu ihm herabstei­genden Kabiren, das heißt die großen Götter. Und es war eine leben­dige Wechselwirkung zwischen dem Logos im Menschen und dem Logos draußen in den Weltenweiten.

Und indem der einweihende Vater den Schüler hitiführte vor den Opferaltar und nach und nach lehrte, wie man füMen kann mit der Sprache, und indem der Schüler immer weiter vorschritt und sich in dieses Fühlen mit der Sprache hineinfand, kam der Schüler endlich zu jenem Stadium inneren Erlebens, in dem er zunächst ein deutliches Be­wußtsein hatte, wie gestaltet ist Merkur, Hermes, wie gestaltet ist Apol­lo, wie gestaltet ist Ares, der Mars. Es war, wie wenn das ganze Be­wußtsein des Menschen herausgehoben wäre aus seinem Leibe, wie wenn dasjenige, was der Schüler früher gewußt hat als den Inhalt sei­nes Kopfes, oben gewesen wäre über seinem Haupte, wie wenn das Herz lokalisiert wäre an einem neuen Orte, indem es heraufgedrungen wäre aus der Brust in den Kopf. Und dann erstand in diesem über sich selbst wirklich hinausgegangenen Menschen dasjenige, was innerlich sich formte zu dem Worte: So wollen dich die Kabiren, die großen Göt­ter. Von da ab wußte der Schüler, wie in ihm lebte Merkurius in seinen Gliedmaßen, die Sonne in seinem Herzen, der Mars in seiner Sprache.

Sehen Sie, durchaus nicht nur natürliche Vorgänge und Wesenhei­ten wurden in der äußeren Welt in den alten Zeiten den Schülern vor­geführt. Was ihnen vorgeführt wurde, war weder etwas einseitig Natu­ralistisches, noch etwas einseitig Moralisches, sondern etwas, wo Mo­ral und Natur in eins zusammenflossen. Und das war gerade das Ge­heimnis der samothrakischen Welt, daß der Schüler vermittelt bekam das Bewußtsein: Natur ist Geist, Geist ist Natur.

Aus jenen Zeiten, die ihren letzten Nachklang in dem samothraki­schen Kabirendienste gefunden haben, stammt jene Einsicht, welche

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die irdischen Substanzen zusammenbringt mit dem ganzen Himmel. Man konnte eben nicht in alten Zeiten sagen, wenn man jenes rötlich­bräunliche Mineral sah mit dem Kupferglanz, wenn man unser heuti­ges Kupfer sah, man konnte eben nicht sagen, so wie man heute sagt:

Das ist Kupfer, das ist ein Bestandteil der Erde - denn das konnte man sich nicht denken. Das ist für die Alten kein Bestandteil der Erde ge­wesen, sondern das ist die Tat der Venus in der Erde gewesen, was sich als Kupfer überall offenbarte. Die Erde hat nur solche Gesteine wie Sandstein, Kalk entstehen lassen, um aufzunehmen in ihrem Schoß, was der Himmel in die Erde gepflanzt hat. Und so wenig, wie wir heute sagen dürfen, wenn wir hier (es wird gezeichnet) den Erdboden haben und wir einen Pflanzensamen in den Erdboden säen: Aus dem Erdboden ist dieser Same herausgewachsen, so wenig durfte man, wenn man hier die Erdoberfläche hätte und in der Erde ein Kupfererz, damals sagen:

Dies Kupfererz ist ein Bestandteil der Erde. Was man sagen mußte, ist: Die Erde hier mit ihrem Sandstein oder sonstigen Gestein, sie ist der Boden, und das, was da metallisch drinnen ist, das hat irgendein Planet in die Erde hereingepflanzt. Das ist Same, hereingepflanzt in die Erde durch einen Planeten. Alles das, was so auf Erden war, sah man an als hereinimpulsiert in die Erde vom Himmel aus.

Wenn man heute die Erde hat und die Substanzen der Erde kennen-lernt, dann beschreibt man ja alles so - sehen Sie sich irgendeine Mine­ralogie, eine Geologie an -, daß man die Erde beschreibt. So hat man in der alten Wissenschaft nicht beschrieben. Da schweifte der Blick hin über die Erde; aber indem man dann die Substanzen sah, mußte man zum Himmel hinaufsehen, und in dem Himmel, da sah man das Wesen-hafte der Substanzen. Scheinbar nur liegt Kupfer, liegt Zinn, liegt Blei in der Erde. Sie aber sind die Samen, welche hereingepflanzt worden sind während der alten Sonnen- und Mondenzeit von dem Himmel in das irdische Dasein.

So war aber auch noch die Lehre der Kabiren in den samothraki­schen Mysterien. Das war schließlich schon das, was wenigstens als Atmosphäre des Wissens auf Aristoteles und Alexander den Großen gewirkt hat. Und dann wurde der Anfang geschaffen zu etwas ganz an­derem.

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Die Menschheit kam mit ihrer Einsicht nicht sogleich vom Himmel auf die Erde herunter, sondern die Menschheit machte erst ein Zwi­schenstadium durch in alten Zeiten. Und noch in den Nachklängen je­ner alten Zeiten, den samothrakischen Mysterien, hat man, wenn man die Metalle der Erde oder auch andere Substanzen der Erde, wie Schwe­fel oder Phosphor, beschreiben wollte, eigentlich den Himmel be­schrieben, geradeso, wie man eine Pflanze beschreibt, wenn man die Wesenheit des Samens kennen will. Man kann doch nicht, wenn man ein Samenkorn vor sich hat, das Wesen dieses Samenkorns erkennen, wenn man nicht die Pflanze erkennt. Was wollen Sie denn mit solch einem Samenkorn, wenn Sie nicht wissen zum Beispiel, wie Anis aus­schaut? Was wollen Sie denn, hätten die Alten gesagt, aus dem Kupfer machen, das in der Erde sich zeigt, wenn Sie nicht wissen, wie geistig-seelisch-leiblich die Venus ausschaut da oben am Himmel.

Und aus der Himmelskunde wurde nach und nach, möchte man sa­gen, eine Umlaufskunde, eine Atmosphärenkunde, indem nicht mehr geschildert wurde, wenn man auf das Irdische hinsah, was die Sterne in ihrer Wesenhaftigkeit waren, sondern, indem man ein irdisches We­sen sah, sich sagte: Darinnen lebt erstens das, was wir in der festen Erde sehen, dann aber lebt da drinnen auch dasjenige, was wir in der nach der Tropfenform tendierenden Flüssigkeit sehen; dann lebt dar-innen, was sich nach allen Seiten ausdehnen will, was luftförmig ist, was zum Beispiel im menschlichen Organismus in Atem und Sp rache lebt. Und dann lebt darinnen das Feurige, welches das einzelne Wesen in sich auflöst, so daß aus den zerklüfteten, aufgelösten Bestandteilen Neues entstehen kann. Da leben die Elemente in jeder irdischen Ge­staltung.

Und indem früher in den alten Mysterien die Menschen hingeschaut haben auf das allerdings auch kosmische, aber zum Irdischen gestaltete Salzige, das sie in dem gesehen haben, was Mutter Erde der Metallität entgegengebracht hat, haben sie das Merkuriale gesehen in alledem, was aus dem Weltenall heraus das Metall werden soll.

Ach, es ist so ungeheuer kindisch, wenn heute die Menschen anfan­gen, Beschreibungen zu geben von dem, was man sich noch im Mittel­alter als Merkur vorgestellt hat! Es steht da doch immer wieder im

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Hintergrunde, daß mit Merkur auch im Mittelalter so etwas Ähnliches wie das Quecksilber gemeint sein könnte oder überhaupt irgendein einzelnes Metall. Es ist ja gar nicht so. Merkur ist jedes Metall, insofern dieses Metall unter dem Einfluß des ganzen Kosmos steht. Denn wie würde Kupfer, wenn nur der Kosmos in seiner Peripherie wie auf je­des Metall wirkte? Kupfer würde tropfig wie Quecksilber. Wie würde Blei, wenn nur der Kosmos wirkte? Blei würde tropfig, Quecksilber. Wie würde Zinn, wenn nur der Kosmos wirkte? Zinn würde tropfig. Jedes Metall, wenn nur der Kosmos wirkt, würde Quecksilber. Alle Metalle sind Merkur, insofrrn der Kosmos auf sie wirkt. Und das wirk­liche heutige Quecksilber, das noch auf der Erde Tropfenform an­nimmt, was ist denn das?

Nun, sehen Sie: die anderen Metalle, sagen wir Blei, Kupfer, Zinn, Eisen, die sind über die Tropfenform hinausgegangen. Als die ganze Erde noch unter dem Einfluß des sphärisch-kugeligen Kosmos stand, waren alle Metalle Merkur. Sie sind über die merkuriale Gestalt hin­ausgegangen, sie kristallisieren heute in anderen Gestalten. Nur das eigentliche, im heutigen Sinne eigentliche Quecksilber ist auf jener Stufe stehengeblieben.

Wie hätten die Alten und wie haben noch die mittelalterlichen Al­chemisten zu dem heutigen Quecksilber gesagt? Sie haben gesagt:

Kupfer, Zinn, Eisen, Blei sind die guten Metalle, die mit der Vorsehung fortgeschritten sind; Quecksilber ist der Luzifer unter den Metallen, denn es ist auf einer früheren Stufe der Gestaltung stehengeblieben. Und so war es eben in alten Zeiten, daß, indem man in dieser Weise von dem Irdischen gesprochen hat, man eben in Wahrheit von dem Himmlischen gesprochen hat.

Von da aus kam man dann dazu, von demjenigen zu sprechen, was nun zwischen dem Umkreis und der Erde liegt. Zwischen dem Um­kreis und der Erde liegt eben unten die Erde selbst, dann das wäßrige Element, das luftförmige Element und das feurige Element. Und so haben die Alten alles, was auf der Erde war, im Aspekt des Himmels gesehen; so hat eine mittlere Zeit, die erst zu Ende ging im ersten Drit­tel des vierzehnten Jahrhunderts, alles im Aspekt des Umkreises, des Atmosphärischen gesehen. Und da, im vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert,

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kam der große Umschwung. Da fiel der Mensch mit seiner Anschauung ganz auf die Erde herab. Da zerklüfteten auch in seinem Bewußtsein die Elemente Wasser, Luft, Feuer; sie zerklüfteten in Schwefel, Kohlenstoff, Wasserstoff. Der Mensch sah alles im irdischen Aspekt.

Und damit beginnt dann die Zeit, auf die ich schon hingedeutet ha­be, als ich die hybernischen Mysterien besprochen habe: es beginnt die Zeit, wo der Mensch die Erde umfaßt mit seiner Erkenntnis, und der Himmel wird ihm Mathematik. Er errechnet die Größe der Sterne, die Bewegung, die Entfrrnung der Sterne und so weiter. Der Himmel wird ihm Abstraktion.

Aber es wurde eben nicht bloß der Himmel Abstraktion. Denn das Abbild des Himmels im lebenden Menschen ist sein Haupt. Und was der Mensch vom Himmel erkennen kann, lebt in seinem Haupte. Und da der Mensch vom Himmel nur die Mathematik, das heißt das Logi­sche, Abstrakte kennenlernte, lebte von nun an in seinem Haupte nur das Logisch-Abstrakte, das Begrifflich-Ideelle. Und so gab es fortan keine Möglichkeit für den Menschen, in das Begrifflich-Ideelle das Spirituell-Geistige hereinzubekommen. Und da, wo man den Geist suchte, begann jener große Kampf zwischen dem, was der Mensch er­ringen konnte mit seinen ideellen Hauptesinhalten, Gehirninhalten, und dem, was ihm die Götter offenbaren wollten vom Himmel herein. Am größten, am gigantischesten wurde dieser Kampf gekämpft in den wahren Gestaltungen desjenigen, was man die rosenkteuzerischen My­sterien im Mittelalter nennt. Da wurde empfunden als Vorbereitung zum wirklichen Wissen die Ohnmacht des modernen Menschen. Denn es war schon etwas, was empfunden werden konnte als etwas Gewalti­ges gerade in den Kreisen der wahren rosenkreuzerischen Initiation. Das Gewaltige bestand darinnen, daß dem Schüler nicht abstrakt, son­dern innerlich lebendig klar wurde: Du kannst als moderner Mensch ja nur in die Begriffswelt hinein. Aber damit verlierst du das lebendige Wesen dieser deiner Menschheit.

Und indem der Schüler dieses fühlte, daß dasjenige, was ihm gerade die neuere Zeit gab, ihn nicht hinführen konnte zu dem, was sein ei­gentliches Wesen ist, da war es dann, daß der Schüler fühlte: Du mußt

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entweder verzweifeln an der Erkenntnis, oder du mußt durchgehen durch eine Art von Abtötung des Hochmutes der Abstraktion. Und schon fühlte der Rosenkreuzerschüler, der wahre Rosenkreuzerschü­ler etwas Ähnliches, wie wenn ihm der Meister einen Schlag ins Ge­nick gegeben hätte, um ihm anzudeuten, daß das Abstrakte des moder­nen Hauptes nicht geeignet ist, in die geistigen Welten einzutreten, und daß der Schüler zu leisten habe die Absage an die bloße Abstrak­tion, um in die geistige Welt einzutreten.

Das war eigentlich ein großer vorbereitender Augenblick dessen, was man nennen kann die Rosenkreuzer-lnitiation.

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DREIZEHNTER VORTRAG Dornach, 22. Dezember 1923

Das Mysterienwesen der verschiedenen Zeiten, es war in mannigfalti­gen Gestaltungen über die verschiedenen Gegenden der Erde ausge­breitet, sagte ich gestern. Jede Gegend hatte nach ihrer Bevölkerung, nach den Bedingungen, die das Erdgebiet, das in Betracht kam, sonst aufwies, eine besondere Mysteriengestaltung. Nun kam aber eine Zeit, die für das ganze Mysterienwesen von einer außerordentlich großen Wichtigkeit ist. Das ist die Zeit, die einige Jahrhunderte nach der Be­gründung des Christentums für die Erdenentwickelung eintrat.

Man sieht ja schon aus meinem Buche «Das Christentum als mysti­sche Tatsache», daß dasjenige, was auf Golgatha geschehen ist, in ei­ner gewissen Weise alles zusammenfaßt, was in den verschiedensten Mysterien über die Erde verteilt war. Aber das Mysterium von Gol­gatha unterschied sich ja von all den anderen Mysterien, die ich Ihnen geschildert habe, dadurch, daß es sozusagen auf dem Schauplatz der Geschichte vor aller Welt dasteht, währenddem die älteren Mysterien eben wirklich im Dämmerdunkel des Tempel-Inneren sich abspielten, und von diesem Dämmerdunkel des Tempel-Inneren heraus ihre Im­pulse hinausschickten in die Welt.

Sehen wir in die orientalischen Mysterien, sehen wir zu den Myste­rien hin, die ich Ihnen als die vorderasiatischen ephesischen Mysterien geschildert habe, sehen wir zu den griechischen Mysterien, sei es zu den chthonischen, sei es zu den eleusinischen, sehen wir zu den Myste­rien hin, die ich gestern erwähnt habe, zu den samothrakischen Myste­rien, oder sehen wir endlich zu den Mysterien hin, die ich charakteri­siert habe als die hybernischen Mysterien, überall sehen wir, wie im Dämmerdunkel des Tempel-Inneren sich das eigentliche Mysterium abspielt und dann seine Impulse hinaussendet in die Welt. Wer das My­sterium von Golgatha wirklich begreift - man hat es ja dadurch nicht begriffen, daß man die Nachrichten, die von ihm erhalten sind, histo­risch weiß -, der hat darinnen zugleich begriffen die Mysteri en die vor­angegangen sind.

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Diese Mysterien, die dem Mysterium von Golgatha vorangegangen sind und in ihm gipfelten, sie hatten alle in bezug auf ihre Gefühlswir­kungen eine Eigentümlichkeit. In den Mysterien ging viel Tragisches vor sich. Und wer die Einweihung zu den Mysterien erlangte, mußte durchmachen Leiden, Schmerzen. Nun, das habe ich ja des öfteren charakterisiert. Aber im ganzen kann man doch sagen, daß bis zum Mysterium von Golgatha hin derjenige, der durch eine Einweihung zu gehen hatte, der vorbereitend aufmerksam darauf gemacht wurde, daß er die mannigfaltigsten Überwindungen, Leiden, Schmerzen durch­zumachen hatte, Tragisches durchzumachen hatte, - der hätte dennoch gesagt: Durch alle Feuer der Welt werde ich gehen, denn das führt hinein in jene Lichtregion des Geistes, in der man schaut, was man nur ahnen kann im gewöhnlichen Bewußtsein des Menschen auf Er­den in einem bestimmten Zeitalter. Es war also im Grunde genommen Sehnsucht, Sehnsucht zu gleicher Zeit, die freudig war, die denjenigen befiel, der den Weg zu den alten Mysterien suchte - gewiß eine ernste Freude, eine tiefe Freude, eine erhabene Freude, aber Freude dennoch.

Nun kam eine Zwischenzeit - wenn ich die Vorträge halte in den nächsten Tagen, werde ich ja diese Dinge von den historischen Ge­sichtspunkten aus zu charakterisieren haben - es kam eine Zwischen­zeit, die endlich führte zu dem vierzehnten, fünfzehnten Jahrhundert, wo, wie Sie ja wissen, eine neue Epoche in der Menschheitsentwicke­lung begann. Eine Zwischenzeit kam. Und nachher kam dasjenige, was eine ganz andere Stimmung abgab beim Ausgangspunkte seines Weges für den, der da suchte nach dem Wissen in den höheren Welten. Es ist ja in der Tat so, daß, wenn wir in alte Mysterien nachträglich durch die Akasha-Chronik hineinschauen, wir doch freudige Gesichter finden, tiefgründige, aber im Grunde genommen freudige Gesichter. Wenn ich Ihnen eine Szene schildern würde, die man ja in der Akasha-Chronik nachträglich herausholen kann, eine Szene zum Beispiel in den kabirischen, samothrakischen Mysterien, dann müßte man doch sagen:

die Persönlichkeiten, die da hineingingen in das Tempel4nnere derKabi­ren, sie hatten vielsagende, tiefgründige Antlitze, aber etwas Freudiges.

Dann kam eine Zwischenzeit. Und dann kam das, was nicht eigent­liche Tempel hatte, aber doch einen moralischen Zusammenhalt, wie

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er schon war in den alten Mysterien. Und dann kam das, was oftmals als das rosenkreuzerische Wesen im Mittelalter bezeichnet wird.

Wenn man aber in einer ähnlichen Weise, wie ich es jetzt eben getan habe für einen Gesichtspunkt, für die antiken Mysterien, wenn man diese Mysterienschüler des Rosenkreuzertums charakterisieren wollte, so müßte man sagen: die wichtigsten dieser Persönlichkeiten, die im Mittelalter nach der Erkenntnis, nach der Erforschung der geistigen Welt gingen, hatten wahrhaftig nicht freudige, hatten wahrhaftig tief tragische Gesichter. Das ist so sehr eine Wahrheit, daß man schon sagen kann: diejenigen, die nicht tief tragische Gesichter hatten, wa­ren ganz gewiß keine echten Menschen in diesem Streben. Und es war allerdings aller Grund vorhanden, tragische Gesichter an sich zu tragen.

Ich möchte Ihnen anschaulich machen an der Art und Weise, wie nach und nach die Menschen, die nach Erkenntnis gestrebt haben, zu den Geheimnissen der Natur und des Geistes anders stehen mußten, als man im Altertum in den alten Mysterien zu ihnen gestanden hat, in dieser Zeit, die dann hingipfelte zu dem Rosenkreuzertum des vier­zehnten und fünfzehnten Jahrhunderts.

Ich habe ja schon gestern darauf aufmerksam gemacht: Naturer­scheinungen, Naturvorgänge waren ja für den alten Menschen unmit­telbar Göttervorgänge. So wie es niemandem einfallen würde, die Be­wegung des menschlichen Auges für sich zu betrachten und nicht als die Offenbarung des Seelisch-Geistig-Leiblichen des Menschen, so we­nig fiel es einem Menschen der alten Zeit ein, irgendeine Naturerschei­nung abgesondert für sich zu betrachten. Er betrachtete sie als den Ausdruck des Gottes, der sich offenbarte durch die Naturerscheinun­gen. Die Erdoberfläche, sie war dem alten Menschen ebenso die Haut des erd-göttlichen Wesens, wie die Menschenhaut eben die Haut des beseelten Menschenwesens für den heutigen Menschen ist. Man ver­steht gar nicht, wie die Seelenstimmung eines alten Menschen war, wenn man eben nicht weiß, daß er so sprach, wie ich es gestern er­wähnt habe: von der Erde als einem Götterleib, und von den Bezie­hungen der anderen Planeten unseres Planetensystems wie von Brü­dern und Schwestern.

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Dieses unmittelbare Verhältnis zu den Naturerscheinungen und Na­turdingen, wo eben das einzelne Naturding, die einzelne Naturerschei­nung die Offenbarung des Göttlichen für den Menschen war, diese Anschauung ging aber dann über in eine ganz andere, wo sozusagen für die Erkenntnis sich zurückgezogen hatte, was göttlich ist in den Naturerscheinungen. Denken Sie sich - wenn es sein könnte, daß das Furchtbare einträte -, irgendeiner von Ihnen würde sich irgend­wo placieren, und es würde geschehen, daß man an ihm nur mehr den Leib sieht, so wie man die Erde sieht, für sich neutral, ohne Be­seelung: es wäre ja schrecklich, etwas ganz Furchtbares!

Aber dieses Furchtbare ist für die Erkenntnis in der neueren Zeit eingetreten. Und dieses Furchtbare fühlten die Erkennenden des Mit­telalters. Es ist so, wie wenn das Göttliche sich zurückgezogen hätte für das Erkennen aus den Naturerscheinungen und Naturvorgängen. Und während in der alten Zeit Naturdinge und Naturvorgänge Offen­barungen des Göttlichen sind, kommt diese mittlere Zeit, und da sind Naturdinge und -Vorgänge nur Bilder, nicht mehr Offenbarungen, son­dern Bilder des Göttlichen.

Alte Zeit: Naturdinge und -Vorgänge Offenbarungen des Göttlichen

Mittlere Zeit: Naturdinge und -Vorgänge Bilder des Göttlichen

Aber der heutige Mensch hat nicht einmal mehr einen rechten Be­griff, inwiefern Naturvorgänge und so weiter Bilder des Göttlichen sind. Ich möchte Ihnen an einem Beispiel, das auch heute natürlich je­dem bekannt sein kann, der irgendwie ein bißchen Chemie gelernt hat, zeigen, wie bei denjenigen Menschen, die wenigstens noch drinnen standen in der Anschauung: Naturdinge und Naturvorgänge sind Bil­der des Göttlichen, wie bei diesen Menschen der Betrieb der Naturwis­senschaft war.

Nehmen Sie einen einfachen Versuch, der heute ja von dem Chemi­ker immer gemacht werden kann. Man nehme eine Retorte - ich will es ganz schematisch erklären -, gebe in die Retorte Oxalsäure hinein, die man aus dem Klee bekommen kann, und vermische diese Oxalsäure

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zu gleichen Teilen mit Glyzerin. Dann erhitze man diese Mi­schung von Glyzerin und Oxalsäure, und man bekommt - wie gesagt, ich zeichne schematisch - die hier weggehende Kohlensäure. Die Koh­lensäure geht weg, und was hier übrig bleibt, das ist Ameisensäure. Die Oxalsäure verwandelt sich sozusagen unter Verlust der Kohlen­säure in Ameisensäure.

Nun, bitte sehen Sie sich dieses Schema an: Oxalsäure, Ameisen­säure; Kohlensäure geht fort. Sie können nun, indem Sie im Labora­torium die Retorte vor sich haben, diesen Versuch anstellen. Sie kön­nen nun davorstehen wie ein heutiger Chemiker, der eben bei diesem Versuch abschließt.

So war es bei dem mittelalterlichen Menschen vor dem dreizehnten, vierzehnten Jahihundert nicht der Fall; sondern dieser Mensch blickte nun sogleich nach zweierlei hin. Er sagte: Oxalsäure, ja gewiß, am her­vorragendsten ist sie im Klee, Kleesäure; aber Oxalsäure ist in gewis­sen Mengen im ganzen menschlichen Organismus, namentlich aber bei demjenigen Teil des menschlichen Organismus, der die Verdauungs­Organe, Milz, Leber und so weiter umschließt. So daß, wenn Sie den menschlichen Organismus nehmen, Sie da, wo der Verdauungstrakt ist, vorzugsweise mit Vorgängen zu rechnen haben, die unter dem Ein­fluß der Oxalsäure stehen.

Aber das ist so, daß nun auf diese Oxalsäure, die namentlich im menschlichen Unterleibe vorhanden ist und dort ihre Bedeutung hat,

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durch den menschlichen Organismus selber eine solche Wirkung aus­geübt wird, oder eine ähnliche Wirkung wie in der Retorte auf die Oxalsäure durch das Glyzerin. Eine Glyzerinwirkung geschieht hier. Und denken Sie sich das Merkwürdige: Unter dem Einfluß der Glyze­rinwirkung geht in Lunge und Atmungsluft das Verwandlungspro­dukt der Oxalsäure über: Ameisensäure. Und der Mensch atmet Koh­lensäure aus, die dort herauskommt (siehe Zeichnung). Sie stoßen mit der Atemluft nach außen; damit stoßen Sie die Kohlensäure heraus. Sie können zunächst ganz gut das hier (die Retorte mit der erhitzten Mischung von Glyzerin und Oxalsäure) als den menschlichen Verdau­ungstrakt ansehen; das, wo die Ameisensäure abfließt, als die Lunge, und das hier als die ausgeatmete Luft, die Kohlensäure aus der Lunge.

Nun ist der Mensch keine Retorte. Die Retorte zeigt eben auf tote Weise, was im Menschen lebendig und empfindend vorhanden ist. Aber das ist richtig: würde der Mensch niemals Oxalsäure entwickeln in seinem Verdauungstrakt, so würde er überhaupt nicht leben kön­nen, daß heißt, sein Ätherleib hätte gar keine Grundlage in seinem Or­ganismus. Würde der Mensch aber nicht die Oxalsäure in Ameisen­säure verwandeln, so hätte sein astralischer Leib keine Grundlage in seinem Organismus. Der Mensch braucht für seinen Ätherleib Oxal-säure, für seinen astralischen Leib Ameisensäure. Und er braucht nicht etwa diese Substanzen, sondern er braucht die Arbeit, die Tätigkeit im Innern, welche darinnen besteht, daß der Oxalsäure-Prozeß stattfin­det, daß der Ameisensäure-Prozeß stattfindet. Das ist natürlich etwas, was die heutige Physiologie erst gewinnen muß, sie kann heute noch nicht so sprechen, denn sie spricht von dem, was im Menschen vor­geht, als wenn es äußerliche Prozesse wären.

Das war das eine, was derjenige, der dazumal Naturwissenschaft ge­trieben hat und vor seiner Retorte gesessen ist, sich fragte: Wie ist irgendein äußerer Vorgang, den ich in einer Retorte oder in einer an­deren chemischen Anordnung wahrnehme, wie ist dieser Vorgang im Menschen?

Die zweite Frage war diese: Wie ist dieser Vorgang in der großen Natur draußen? Nun, für diesen Vorgang, wenn ich ihn als ein Bei­spiel wählen würde, würde sich der damalige Naturforscher gesagt

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haben: Ich wende nun den Blick hinaus auf die Erde, wo die Pflanzen­welt ausgebreitet ist. Allerdings - ausgesprochen, radikal, findet sich die Oxalsäure im Sauerklee, in den Kleearten überhaupt; aber in Wirk­lichkeit findet sich die Oxalsäure überall ausgebreitet in der Vegeta­tion, wenn auch zuweilen in homöopathischer Dosis, aber sie ist über­all da. Überall ist zugleich wenigstens ein Anflug, wenn auch manch­mal ein homöopathischer Anflug von dem vorhanden, was zum Bei­spiel die Insektenart der Ameisen dadurch macht, daß die Ameisen noch herankommen an die Oxalsäure selbst im modernden Holze. Die­ses Insektenheer, das dem Menschen oftmals so lästig wird, verwan­delt das, was ausgebreitet ist als Oxalsäure über die Wiesen, über die Fluren, über den ganzen Vegetationsboden der Erde, in Ameisensäure. Und wir atmen tatsächlich die Ameisensäure, wenn auch in geringer Dosis, fortwährend aus der Luft ein, verdanken diese Ameisensäure, die in der Luft vorhanden ist, der Arbeit der Insekten an den Pflanzen, indem die Oxalsäure der Pflanzen in Ameisensäure umgewandelt wird.

So sagte sich der mittelalterliche Naturforscher: Im Menschen ist der Umwandlungsprozeß von Oxalsäure in Ameisensäure vorhanden. Aber im Leben und Treiben der Natur ist ebenso dieser Umwandlungs­prozeß vorhanden.

Diese zwei Fragen stellte sich der mittelalterliche Naturforscher bei jedem Vorgang, den er in seinem Laboratorium machte. Und nun war ihm etwas eigentümlich, diesem mittelalterlichen Naturforscher, was heute dem Menschen ganz abhanden gekommen ist. Heute denkt man, im Laboratorium kann ja jeder forschen, ob einer nun ein guter oder ein schlechter Mensch ist, darauf kommt es ja nicht an. Man hat die Formeln, man analysiert oder synthetisiert; das kann ja jeder machen. Damals, als in dieser Weise an die Natur herangegangen wurde, wo man die Natur genommen hat als Wirkung des Göttlichen, das heißt des Göttlichen im Menschen, wie ich es dargestellt habe, und des Gött­lichen in der großen Natur, damals hatte man die Anforderung: Der Mensch, der so forscht, muß zu gleicher Zeit eine innere Frömmigkeit haben. Er muß in der Lage sein, seine Seele und seinen Geist hinrich­ten zu können zu dem Göttlich-Geistigen der Welt. Und man war sich klar darüber, denn es war eine Tatsache: derjenige, der sich wie zu

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einer Opferhandlung vorzubereiten hatte zu seinem Experimentieren und wirklich innerlich warm geworden war von Übungen der Fröm­migkeit für sein Experimentieren, der machte eben die Erfahrung, daß ihn das Experiment hineinführte auf der einen Seite in die Erforschung des Menschen, auf der anderen Seite hinausführte in die Erforschung der großen Natur. So daß man die innerliche Güte als Vorbereitung für das Forschen ansah, und man sah seine Laboratoriumsversuche so an, daß man die Fragen, die sie einem beantworteten, als von göttlich-geistigen Wesen gern beantwortet gehabt hätte.

Nun, damit habe ich Ihnen aber jenen Übergang charakterisiert, der stattgefunden hat von dem Geiste der alten Mysterien zu dem, was dann Mysterienwesen im Mittelalter hat sein können. Sehen Sie, tra­ditionell hat sich ja manches von den alten Mysterien auch in das My­sterienwesen des Mittelalters herein bewahrt. Aber was die eigentliche Größe selbst der Spät-Mysterien, der von Samothrake oder von Hy­bernia war, was das eigentlich Große daran war, das konnte dennoch im Mittelalter nicht erreicht werden.

Traditionell hat sich so etwas ja bewahrt selbst bis in unsere Tage herein, was Astrologie genannt wird. Traditionell hat sich dasjenige bewahrt, was Alchemie genannt wird. Aber man weiß ja heute schon gar nicht, und man hat auch schon im zwölften, dreizehnten Jahrhun­dert kaum gewußt, welches die Bedingungen des wirklichen astrologi­schen Wissens und des wirklichen alchemistischen Wissens sind.

Sehen Sie, durch Nachdenken oder durch empirisches Forschen, wie man es heute nennt, kann ja niemand zur Astrologie kommen. Die­jenigen Menschen, die in die alten Mysterien eingeweiht waren, hätten Ihnen, wenn Sie sie gefragt hätten, ob man durch Forschung, durch Nachdenken zur Astrologie kommen kann, geantwortet: Du kannst zur Astrologie kommen durch Nachdenken, durch empirische For­schung genau ebenso gut, wie du die Geheimnisse eines Menschen durch empirische Forschung und durch Nachdenken erfahren kannst, wenn er sie dir nicht sagt. Nehmen Sie an, es gäbe etwas, was nur ein Mensch weiß, was niemand weiß, als dieser Mensch; und jemand würde behaupten, er machte Experimente, um hinter das zu kommen, was der Mensch weiß, oder er denkt nach darüber, was der Mensch

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weiß - nicht wahr, absurd wäre das! Aber über astrologische Dinge et­was zu erfahren durch Nachdenken, oder durch Experimente, oder durch Beobachtungen, hätte ein alter Mensch ebenso absurd gefunden, wie heute ein Mensch es absurd findet, wenn man erforschen will, was man nur dadurch erfahren kann, daß es einem einer sagt. Denn die alten Menschen haben gewußt: die Geheimnisse der Sternenwelten kennen nur die Götter, oder wie man es später genannt hat, die kosmi­schen Intelligenzen. Die kosmischen Intelligenzen, die wissen die Ge­heimnisse der Sternenwelten, die nur können es einem sagen. Daher muß man den Erkenntnisweg machen, der einen dazu führt, sich mit den kosmischen Intelligenzen verständigen zu können.

Wirkliche, wahrhaftige Astrologie beruht darauf, daß man in die Möglichkeit gelangt, die kosmischen Intelligenzen zu verstehen. Und wirkliche Alchemie? Wirkliche Alchemie beruht nicht darauf, daß man so forscht, wie der heutige Chemiker, eben auch experimentiert und nachdenkt, sondern Alchemie beruht darauf, daß man in den Natur-prozessen die Naturgeister wahrnehmen kann, so daß man sich mit ihnen verständigen kann; daß einem die Naturgeister sagen, wie der Vorgang verläuft, was da eigentlich geschieht. Astrologie war in den ältesten Zeiten durchaus keine Spintisiererei und kein beobachtendes Forschen, sondern der Verkehr mit den kosmischen Intelligenzen. Al-chemie war in den alten Zeiten durchaus kein beobachtendes Forschen, kein bloßes Nachdenken, sondern Verkehr mit den Naturgeistern. Das muß man zunächst wissen. Wäre man zu einem Ägypter der älteren Zeit, oder namentlich zu einem Chaldäer der älteren Zeit gekommen, so hätte einem der gesagt: Mein Observatorium habe ich dazu, um Zwiesprache halten zu können durch meine Instrumente und durch das, was ich aus meinem Geiste heraus mit Hilfe meiner Instrumente sprechen lasse - um Zwiesprache zu halten mit den kosmischen Intelli­genzen. Und derjenige, der als frommer Naturforscher im Mittelalter vor die Retorte trat und an der Retorte auf der einen Seite naturwissen­schaftlich das Innere des Menschen erforschte, auf der anderen Seite das Weben und Wesen der großen Natur, dieser mittelalterliche For­scher hätte gesagt: Ich experimentiere, weil durch das Experiment die Naturgeister zu mir sprechen. Der Alchemist war derjenige, der die

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Naturgeister beschwor. Alles, was später als Alchemie angesehen wor­den ist, ist eben dekadentes Produkt. Alles, was in älteren Zeiten Astro­logie war, ist Ergebnis des Verkehrs mit den kosmischen Intelligenzen.

Nun, in dieser Zeit, in den ersten Jahrhunderten nach der Entste­hung des Christentums, da war eigentlich schon die alte Astrologie, das heißt der Verkehr mit den kosmischen Intelligenzen, dahin. Man hatte die Tradition noch. Wenn die Sterne in Opposition, in Konjunk­tion standen und dergleichen, da rechnete man, nicht wahr, und so wei­ter. Man hatte alles das, was einem geblieben war als Tradition aus den Zeiten, da die Astrologen ihren Umgang mit den kosmischen Intelli­genzen hatten. Aber während in dieser Zeit, ein paar Jahrhunderte nach der Entstehung des Christentums, die Astrologie eigentlich schon dahin war, blieb die Alchemie eigentlich noch vorhanden. Der Um­gang mit den Naturgeistern war noch durchaus in späteren Zeiten möglich.

Und wenn wir jetzt hineinschauen in das, was im Mittelalter, sagen wir, im vierzehnten, aber sogar noch im fünfzehnten Jahrhundert ein wirklich rosenkreuzerisches alchemistisches Laboratorium war, da fin­den wir darinnen Instrumente, die verhältnismäßig manchmal sogar schon ähnlich sehen den heutigen Instrumenten, wenigstens kann man sich nach den heutigen Instrumenten schon Vorstellungen machen, was diese Instrumente der damaligen Zeit waren. Aber wenn wir dann geistig hineinschauen in diese rosenkreuzerischen Mysterien, so finden wir eigentlich überall drinnen, ich möchte schon sagen die ältere, noch ernstere und noch tiefer tragische Persönlichkeit, die dann zu dem Faust, namentlich zu dem Goetheschen Faust geworden ist. Und ge­genüber dem, was in den rosenkreuzerischen Laboratorien steht als der Forscher mit dem tiefgründigen tragischen Gesichte, der eigentlich mit dem Leben nicht mehr fertig wird, gegenüber dem, was uns da entgegentritt, ist eigentlich der Goethesche Faust auch so etwas Ähn­liches, wie jener - ich habe gestern mit einem radikalen Ausdrucke ge­sagt - Journalartikel-Apollo von Belvedere gegen den Apollo, wie er aus dem dampfenden Opferrauche am Kabiren-Altar sich gebildet hat.

Man sieht im Grunde genommen, wenn man in diese alchemisti­schen Laboratorien des achten, neunten, zehnten, elften, zwölften, dreizehnten

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Jahrhunderts hineinschaut, in eine tiefe Tragik hinein. Und diese Tragik des Mittelalters, diese Tragik gerade der ernstesten Leute, die wird ja in keinem Geschichtsbuch in der richtigen Weise verzeich­net, denn man sieht nicht so recht in die Seelen hinein.

AI]e diese wirklichen Forscher, die in dieser Art den Menschen und das Weltall als Natur an der Retorte suchen, alle diese Menschen sind gesteigerte faustische Naturen in dem älteren Mittelalter, denn sie füh­len eines tief: Wenn wir experimentieren, dann sprechen die Naturgei­ster zu uns, die Geister der Erde, die Geister des Wassers, die Geister des Feuers, die Geister der Luft. Sie hören wir in ihrem Raunen, in ih­rem Lispeln, in ihren eigentümlich verlaufenden, summend beginnen­den Lauten, die dann übergehen in Harmonien und Melodien, um in sich zurückzukehren. So daß Melodien ertönen, wenn Naturvorgänge stattfinden. Man hat eine Retorte vor sich; man vertieft sich, wie ich gesagt habe, als frommer Mann in dasjenige, was da vorgeht. Gerade bei diesem Vorgang, wo man die Metamorphose erlebt der Oxalsäure in die Ameisensäure, gerade da erlebt man, wie zunächst, wenn man den Vorgang nun frägt, einem das Naturgeistige antwortet, so daß man das Naturgeistige dann benützen kann für das innere Wesen des Menschen. Da beginnt zunächst die Retorte durch farbige Erschei­nungen zu sprechen. Man fühlt, wie die Naturgeister des Irdischen, die Naturgeister des Wäßrigen aus der Oxalsäure aufsteigen, sich geltend machen, wie aber dann das Ganze übergeht in ein summendes Melo­diegestalten, Harmonien, die dann wieder in sich zurückkehren. So er­lebt man diesen Vorgang, der dann die Ameisensäure und die Kohlen­säure ergibt.

Und lebt man sich so hinein in dieses Übergehen des Farbigen in das Tönende, dann lebt man sich auch hinein in dasjenige, was einem der Laboratoriumsvorgang über die große Natur und über den Menschen sagen kann. Dann hat man schon das Gefühl: es offenbaren die Natur-dinge und Naturvorgänge noch etwas, was die Götter sprechen, sie sind Bilder des Göttlichen. Und man wendet es innerlich nutzbrin­gend auf den Menschen an. In allen diesen Zeiten war ja noch im ho­hen Grade Heilkunde zum Beispiel mit dem Wissen der allgemeinen Weltanschauung innig verbunden.

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Nun, sagen wir, mit solcher Anschauung hätte man die Aufgabe, Therapeutisches auszubilden. Man hat einen Menschen vor sich. Die­selben äußeren Symptom-Komplexe können ja die mannigfaltigsten Krankheitszustände und Krankheitsursachen zum äußeren Ausdruck bringen. Aber mit einer Methode, die etwa das aufnimmt - ich sage nicht, daß sie heute so sein kann wie im Mittelalter, sie muß natürlich heute anders sein -, kann man sich sagen: Wenn ein ganz bestimm­ter Symptom-Komplex auftritt, so ist der Mensch nicht imstande, genügend Oxalsäure in Ameisensäure umzuwandeln. Er ist irgend­wie zu schwach geworden, um Oxalsäure in Ameisensäure umzu­wandeln. Man kann ihm vielleicht mit einem Heilmittel beikommen, wenn man ihm nun irgendwie Ameisensäure beibringt, so daß man ihm von außen hilft, wenn er selber die Ameisensäure nicht erzeugen kann.

Sehen Sie, Sie können nun zwei, drei Leute, bei denen Sie diagnosti­ziert haben, daß sie die Ameisensäure nicht erzeugen können, mit Ameisensäure behandeln, es hilft ihnen ganz gut. Dann bekommen Sie einen Menschen, da ist etwas Ähnliches vorhanden. Sie geben Amei­sensäure - es hilft gar nichts. In dem Augenblick, wo Sie aber Oxal­säure geben, hilft es sogleich. Warum? Ja, weil der Kräftemangel eben an einem anderen Orte liegt, da, wo die Oxalsäure in Ameisensäure umgewandelt werden soll. In einem solchen Falle würde jemand, der im Sinne dieser mittelalterlichen Forscher gedacht hat, eben gesagt ha­ben: Ja, der menschliche Organismus wird unter Umständen, wenn man ihm einfach unter gewissen Voraussetzungen Ameisensäure gibt, sagen: die befördere ich nicht in die Lunge, oder dergleichen, damit es in die Atemluft kommt und in die Zirkulation, sondern ich will an ei­nem ganz anderen Orte angegriffen werden, ich will schon in der Sphäre der Oxalsäure angegriffen werden; die will ich mir selber um­wandeln in die Ameisensäure. Ich verzichte auf die Ameisensäure, die will ich mir selber machen.

So sind eben die Dinge verschieden. Und um was es sich diesen al­chemistischen Forschern handelte, die dieses Namens wert sind - denn natürlich ist mit diesen Dingen viel Schwindel, Dummheit und so wei­ter getrieben worden -, war immer dasjenige, was gesunde Natur des

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Menschen ist, in inniger Verbindung gedacht mit dem, was kranke Natur des Menschen war.

Aber all das führte eben zu nichts anderem, als zu dem Verkehre mit den Naturgeistern. Der mittelalterliche Forscher hatte also diese Emp­findung: Ich verkehre mit den Naturgeistern. Da gab es aber alte Zei­ten, da verkehrten die Menschen mit den kosmischen Intelligenzen. Die sind mir verschlossen.

Ja, meine lieben Freunde, seitdem auch die Naturgeister sich von der menschlichen Erkenntnis zurückgezogen haben, seit Naturdinge und Naturvorgänge jene Abstraktionen geworden sind, als die sie dem heutigen Physiker und Chemiker erscheinen, seit jener Zeit entsteht jene Tragik nicht mehr, die im Mittelalter da war. Denn die Naturgei­ster, mit denen jene Menschen noch verkehrten, die reichten gerade hin, um die Sehnsucht nach den kosmischen Intelligenzen, zu denen die alten Menschen gekommen sind, zu erwecken. Aber man konnte den Weg zu den kosmischen Intelligenzen nicht mehr finden mit dem­jenigen, was gerade damals an Erkeunmismitteln aufgewendet werden konnte; man konnte nur den Weg zu den Naturgeistern finden. Und indem man die Naturgeister wahrnahm, die Naturgeister in die Er­kenntnis herein bezog, empfand man so tragisch, daß man nicht zu den kosmischen Intelligenzen kommen konnte, von denen die Naturgei­ster selber wiederum inspiriert sind. Man nahm wahr, was die Natur-geister wissen; aber man konnte nicht durch sie hindurch bis zu den kosmischen Intelligenzen dringen. Das war die Stimmung.

Und im Grunde genommen war der Umstand, daß die Naturgeister­Erkenntnis den mittelalterlichen Alchemisten geblieben ist, und die Er­kenntnis der kosmischen Intelligenzen verlorengegangen ist, die Ur­sache ihrer Tragik. Und es war auch wiederum die Ursache dazu, daß schon dieser mittelalterliche Naturforscher nicht mehr zu einer voll­ständigen Menschenerkenntnis kommen konnte. Aber er ahnte noch, wo eine vollständige Menschenerkenntnis war. Und man muß schon sagen: es ist wie eine Reminiszenz an dasjenige, was mancher Labora­toriums mann im Mittelalter fühlte, wenn der Goethesche Faust sagt:

Da steh' ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor - denn diese Lehre gaben im Grunde genommen gerade den Laboratoriumsmenschen

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die Naturgeister, zu denen sie vordrangen. Sie gaben aber auch keine rechte Seelenerkenntnis, diese Naturgeister.

Heute ist eben schon vieles auch an Tradition verlorengegangen; es muß aber wiedergefunden werden. Ich möchte sagen, die Nachricht von den wiederholten Erdenleben hatte dieser Forscher auch. Er stand in seinem Laboratorium; die Naturgeister hatten gerade das Eigen­tümliche, daß sie von allem Möglichen sprachen in der Beziehung der Substanzen, in der Schilderung der Geschehnisse der Welt, daß sie aber ganz und gar niemals sprachen von den wiederholten Erdenle­ben; sie hatten kein Interesse an den wiederholten Erdenleben.

Nun, meine lieben Freunde, ich habe Ihnen einige der Gedanken vor die Seele gestellt, die als Ausgangspunkte einer tragischen Grundstim­mung bei diesen mittelalterlichen Naturforschern vorhanden waren. Und wir wollen auf diese eigentümliche Gestalt hinblicken, auf diesen rosenkreuzerischen Forscher, der in dem früh-mittelalterlichen Labo­ratorium steht, mit seinem ernsten, oftmals so tiefgründigen, aber kummervollen Gesichte, mit keiner Verstandesskepsis, aber mit einer tiefen Ungewißheit des Gemütes, mit keiner Lähmung des Willens, aber mit dem Bewußtsein:

0, Wille, Wille ist in mir -

Wie leite ich ihn hinaus zu den Bahnen,

Die zu den kosmischen Intelligenzen führen?

Ja, da entstanden unzählige Fragen in dem Gemüte dieses mittelal­terlichen Naturforschers! Und ein schwacher Abglanz davon ist der erste Faust-Monolog mit dem, was ihm folgt.

Wir wollen uns morgen diesen ernsten Forscher mit tiefgründigem Gesichte, der eigentlich der Urvater des Goetheschen Faust ist, etwas genauer ansehen.

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VIERZEHNTER VORTRAG Dornach, 23. Dezember 1923

Wir wollen noch den letzten dieser Vorträge heute damit ausfüllen, daß ich, gewissermaßen zusammenfassend das Mysterienwesen, das ich für diese oder jene Gegend der Erde vor Ihnen entwickelt habe, dieses Mysterienwesen wenigstens von einem Gesichtspunkte aus in der Ge­stalt zeige, die es angenommen hat während des Mittelalters, etwa vom zehnten bis fünfzehnten Jahrhundert.

Ich spreche von diesem Zeitraum, nicht weil er ein besonders in sich abgeschlossener ist, sondern weil er gewissermaßen benutzt werden kann, um zu zeigen, welchen Stand das menschliche Seelenstreben in den zivilisiertesten Gegenden damals angenommen hat. Oftmals be­zeichnet man ja eben dasjenige, was damals Geistesstreben war, als ro­senkreuzerisches Mysterienwesen. Die Bezeichnung ist auch durch­aus in einem gewissen Sinne berechtigt, aber man muß dann hinter die­ser Bezeichnung nicht das vielfach Scharlatanhafte suchen, von dem in der Literatur die Rede ist, auch oftmals, ohne daß man aufmerksam darauf macht, wie scharlatanhaft die Dinge sind, von denen da berichtet wird, sondern man muß seine Blicke richten auf das tief ernste Erkennt­nisstreben, das gerade in diesen Jahrhunderten in fast allen Gegenden Europas, Mittel-, West- und Südeuropas vorhanden war. Man muß sich klar darüber sein, daß der Faust, den Goethe geschildert hat, mit all dem tiefen Seelenstreben, mit all dem ernsten Streben im Grunde ge­nommen eine Spätgestalt ist, die nicht mehr so tief in der Seele war wie mancher Forscher, der in den mittelalterlichen Laboratorien, von denen geschichtlich wenig gemeldet wird,zwischen dem zehnten undfünfzehn­ten Jahrhunderte arbeitete. Und ich erwähnte schon gestern, daß gerade bei den tieferen Forschern dieser Zeit ein tragischer Zug vorherrschend war. Denn das Eigentümliche war das Gefühl, daß man eigentlich nach dem Höchsten, was im Menschen schöpferisch tätig ist, streben müsse, daß man aber in einem gewissen Sinne nicht nur nicht nach diesem Höchsten streben kann, sondern daß es auch bedenklich ist von einem gewissen Gesichtspunkte aus, nach diesem Höchsten zu streben.

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Ich sagte schon gestern, nicht eine theoretische, leichtgeschürzte Er­kenntnis fand sich bei diesen Forschern in den alchemistischen Labo­ratorien zwischen dem zehnten und fünfzehnten Jahrhunderte, sondern etwas, was tief zusammenhing mit dem ganzen Menschen, mit dem innersten gefühlsmäßigen und von Erkenntnissehnsucht getragenen gefühlsmäßigen Erleben des Menschen - eine Herzens- und Gemüts-erkenntnis.

Und woher rührte diese? Nun, am besten wird es Ihnen erklärlich sein, wenn ich Ihnen diese tragische Skepsis der mittelalterlichen For­schung dadurch anschaulich mache, daß ich heute wiederum einmal hinweise auf die Gestaltung, welche menschliches Wissen einmal auf der Erde gehabt hat, auf die älteste Gestaltung.

Diese älteste Gestaltung des menschlichen Wissens, die ja eng mit dem Leben des einzelnen Menschen zusammenliing, war aber nicht so, daß die Menschen hinaufgeschaut hätten zu den Planeten und jene ma­thematische Größe, jene mathematischen Bewegungen gesehen hätten, die man heute da errechnet und erdenkt. Sondern jeder Planet, wie überhaupt alles, was im Felde des Himmels ausgebreitet ist, war ein lebendiges Wesen, nicht nur ein lebendiges, war ein beseeltes Wesen, nicht nur ein beseeltes, war ein durchgeistigtes Wesen. Und immer wiederum hat man gesprochen von den Familien der Planeten, von den Familien der Himmelskörper. Man hat schon gewußt: wie es eine Blutsverwandtschaft gibt zwischen den Mitgliedern einer Familie, so gibt es eine innere Verwandtschaft zwischen den Mitgliedern eines Planetensystems. Zwischen dem Menschlichen und demjenigen, was im Kosmos draußen sich offenbarte, war durchaus in der Erkenntnis ein Parallelismus vorhanden.

Nun möchte ich Ihnen auf einem Gebiete darstellen, wie man in ur­ältesten Mysterien erkannte, wenn man hinaufsah zur Sonne. Es gab ja solche Mysterienstätten, die so eingerichtet waren, daß eine Art beson­ders zubereiteten Oberlichtes vorhanden war, so daß man zu bestimm­ten Tageszeiten im abgedämpften Lichte zur Sonne aufsah. Also Sie müssen sich vorstellen, daß die wichtigste Kammer in manchen urälte­sten Sonnenmysterien diejenige war, wo im Dache ein Oberlicht ein­gesetzt war. Das Fenster war abgeschlossen mit einem solchen Material

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- nicht im heutigen Sinne Glas -, daß im sehr dämmerig abge­dämpften Lichte man die Sonnenscheibe zu einer bestimmten Zeit des Tages vor sich hatte. Der Schüler wurde nun vorbereitet, diesen Blick auf die Sonnenscheibe in der richtigen inneren Seelenverfassung in sich aufzunehmen. Er mußte sein Gemüt so empfänglich, so innerlich wahr­nehmungsfähig machen, daß, wenn er sozusagen seine Seele durch sein Auge der Sonnenscheibe im abgedämpften Lichte exponierte, das auf ihn einen Eindruck machte, den er wirklich dann sich vorstellen konnte.

Gewiß, es schauen ja auch heute manche Leute durch gedämpftes Glas in die Sonne, aber sie sind nicht vorbereitet in ihrem Empfin­dungsvermögen, um den Eindruck, den die Sonne macht, wirklich so vorzustellen, daß die Seele ihn als besonderen Eindruck hat. Für die Schüler dieser Mysterien war dieser Eindruck der abgedämpften Son­nenscheibe, dieser Eindruck, der geholt wurde, nachdem lange Exer­zitien vorangegangen waren, ein ganz bestimmter. Und der Mensch, der diesen Eindruck als Schüler der Mysterien-Initiatoren haben konn­te, der konnte wahrhaftig diesen Eindruck nicht wieder vergessen. Mit diesem Eindruck hatte aber der Schüler auch etwas gewonnen, was ihm mehr Verständnis für gewisse Dinge geben konnte, als er sonst hatte. Und so wurde denn der Schüler, nachdem er vorbereitet war durch den majestätischen, großartigen Eindruck der Sonne, nun dazu geführt, die besondere Qualität der Substanz Gold auf sich wirken zu lassen. Und durch diese Vorbereitung, durch diese Sonnenvorberei­tung war es wirklich so, daß der Schüler zu einem tiefen Verständnis der Qualität Gold kam.

Wenn man in diese Dinge hineinschaut, kommt einem wirklich schmerzlich die Trivialität zum Bewußtsein, mit der heute in histori­schen Werken oftmals dargestellt wird, warum diese oder jene älteren Denker das Gold der Sonne zugeteilt haben, der Sonne und dem Golde dasselbe Zeichen gegeben haben. Man weiß eben heute nicht mehr, daß dasjenige, was in dieser Weise einmal gewußt worden ist, wirklich hervorgegangen ist aus langen Übungen und Vorbereitungen. Ich möchte sagen: das Hineinsenken des durchseelten Blickes in das abge-dämpfte direkte Sonnenlicht bereitete den Schüler vor, das Gold der Erde zu verstehen. Und wie verstand er es? Nachdem er diese Vorbe­reitung

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hatte, fiel zunächst seine Aufmerksamkeit darauf, daß das Gold unempfänglich ist für dasjenige, was sonst für die Organismen Lebens-luft ist, und wofür viele Metalle, die meisten anderen Metalle, durch­aus empfänglich sind: Sauerstoff. Sauerstoff, Oxygen, verändert das Gold nicht. Diese Unempfänglichkeit, diese Hartnäckigkeit des Gol­des gegenüber dem, wovon ja der Mensch sein Leben hat, das übte einen tiefen Eindruck aus auf den alten Mysterienschüler. Und so be­kam er vom Golde den Eindruck: An das Leben kann zunächst das Gold nicht heran. An das Leben unmittelbar kann aber auch die Sonne nicht heran. Und es ist gut, daß weder Gold noch Sonne an das Leben unmittelbar heran können. Denn nun wurde der Schüler weiterge­führt, und er kam nach und nach darauf, daß das Gold gerade dadurch, daß es gar keine Verwandtschaft zu der Lebensluft, zu dem Sauerstoff hat, wenn es in einer gewissen Dosierung in den menschlichen Orga­nismus eingeführt wird, eine ganz besondere Wirkung auf den mensch­lichen Organismus hat. Eine ganz besondere Relation hat dieses Gold zum menschlichen Organismus, wenn es nur eben, wie gesagt, in der entsprechenden Dosierung eingeführt wird. Es hat keine Relation zum ätherischen Leib, keine Relation zum astralischen Leib unmittelbar, sondern eine unmittelbare Relation zu dem, was im menschlichen Den­ken liegt.

Fassen Sie nur einmal ins Auge, wie weit das Denken vom mensch­lichen Leben abliegt, gerade in unserer heutigen Zeit l Man kann wie ein Klotz sitzen, wie ein Holzklotz, und man kann abstrakt denken, ganz lebendig abstrakt denken. Aber man kann auf der anderen Seite durch das bloße Denken eben nichts im Organismus bewirken; das Denken ist immer mehr und mehr für die Menschen ohnmächtig ge­worden. Aber das Denken wird von der Ichorganisation in Bewegung gesetzt. Und das Gold, in der richtigen Dosierung in den menschlichen Organismus eingefügt, dieses Gold, das bringt wiederum dem Denken Macht zurück. Das bringt dem Denken jene Macht zurück, daß das Denken in den astralischen Leib, ja in den Ätherleib hinunterwirken kann. Vom Denken aus wird der Mensch durch das Gold belebt.

Das war eines der Geheimnisse urältester Mysterien, das Gold-Geheimnis in Verbindung mit der Sonne. Die Verwandtschaft der Substanz

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Gold mit der kosmischen Wirkung der Sonne fiel dem Schüler auf eben in jenen älteren Zeiten, von denen ich Ihnen gesprochen habe.

Und ebenso, in einer ähnlichen Weise, kam der Schüler älterer My­sterien darauf, wie, ich möchte sagen, der entgegengesetzte Pol des Goldes wirkt. Das Gold ist ein Impuls für die Belebung des mensch­lichen Denkens, so daß das menschliche Denken bis in den ätherischen Leib hinunter wirken kann. Und der entgegengesetzte Pol, welcher wäre es denn?

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Sehen Sie, wenn man den menschlichen Organismus hat in seinen Gliedern, Ichorganisation, Astralleib, Ätherleib, physischer Leib, kann man sagen: Durch das Gold wird die Ichorganisation fähig, bis hinun­ter in den Ätherleib zu wirken. Der Ätherleib kann dann auf den phy­sischen Leib weiter wirken. Aber das Gold bewirkt, daß man tatsäch­lich die Gedanken bis in den Ätherleib hinein mächtig erhalten kann.

Was ist der entgegengesetzte Pol? Nun, wenn wir eben eine diesem Pfeil hier entgegengesetzte Wirkung hervorrufen! Diese Wirkung aber, das ist eben diejenige, die sich uns darstellt, wenn gerade die Le­bensluft, der Sauerstoff, das Oxygen, angezogen wird von etwas im Menschen oder von etwas in der Natur. Und so wie das Gold hartnäk­kig gegen den Sauerstoff ist, ihn abstößt, ihn nicht will und dadurch

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zunächst keinen Einfluß auf den Ätherleib, auf den Astralleib hat, son­dern nur auf die Gedankenwelt der Ichorganisation, so hat im Men­schen dasjenige, was Kohlenstoff ist, eine unmittelbare Verwandtschaft zu der Lebensluft. Wir atmen ja Kohlensäure aus, wir machen Kohlen­säure, verbinden Kohlenstoff mit Sauerstoff. Die Pflanze braucht Koh­lensäure zu ihrem Leben. Der Kohlenstoff, er hat gerade die entgegen­gesetzte Eigenschaft vom Golde.

Nun, dieser Kohlenstoff spielte eine große Rolle in urältesten My­sterien. Denn man sprach auf der einen Seite vom Golde als ganz be­sonders wichtiger Substanz, wenn man den Menschen betrachten will, man sprach auf der anderen Seite vom Kohlenstoff. Und vom Kohlen­stoff sprach man in den ältesten Mysterien so, daß man ihn nannte den Stein der Weisen. Und Gold und der Stein der Weisen waren sehr wichtige Dinge in diesen älteren Zeiten - Gold und der Stein der Wei­sen. Kohlenstoff war der Stein der Weisen.

Auf der Erde kommt der Kohlenstoff in einer Anzahl von Gestaltun­gen vor. Demant ist Kohlenstoff, harter Kohlenstoff. Graphit ist Koh­lenstoff. Steinkohle ist Kohlenstoff. Anthrazit ist Kohlenstoff. Auf Er­den kommt also der Kohlenstoff in der mannigfaltigsten Weise vor. Aber jetzt, durch die Methoden, die in den alten Mysterien üblich wa­ren, lernte man erkennen, daß es noch andere Gestaltungen des Koh­lenstoffes gibt als diejenigen, die auf der Erde sind. Und sehen Sie, da gab es eben eine andere Vorbereitung für die Mysterienschüler als die­jenige, von der ich schon gesprochen habe, die Sonnenvorbereitung:

es gab die Mondenvorbereitung.

Beigegeben war gerade den Sonnenmysterien, ich möchte sagen eine Art Observatorium, wo nun der Mensch exponiert werden konnte sei­ner Seele und seinem physischen Auge nach den Gestaltungen des Mondes. Da mußte man nicht bloß im abgedämpften Lichte die Sonne zu einer bestimmten Zeit schauen, da mußte man tatsächlich durch Wochen den verschiedenen Gestaltungen, die die Mondenscheibe zur Nacht annimmt, das durchseelte Auge exponieren. Da bekam man wiederum einen bestimmten Eindruck in seiner Seele, durch den man jetzt erst Erkenntnisse bekam. So wie man die sonnenfähige Seele be­kam durch das Exponieren gegenüber der Sonne, so bekam man die

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mondenfahige Seele durch das Exponieren gegenüber den Monden­phasen.

Jetzt lernte man erkennen, welche Metamorphose der Kohlenstoff durchmachen kann. Auf der Erde ist der Kohlenstoff entweder Kohle oder Graphit oder Demant oder Anthrazit. Auf dem Monde ist dasje-ruge, was auf der Erde entweder Demant oder Anthrazit oder Kohle ist, Silber. Das war das Geheimnis der alten Mysterien: Kohlenstoff ist auf dem Monde Silber. Kohlenstoff ist der Stein der Weisen, und er ist auf dem Monde Silber.

Was in den alten Mysterien so tief an den Menschen herangebracht wurde als Erkenntnis, das war, daß irgendeine Substanz das, als was sie sich äußerlich darstellt, nur an diesem Orte, um diese Zeit so ist. Man war einfach Ignorant, wenn man nicht wußte, Kohlenstoff ist Kohle, Demant, Graphit nur auf der Erde. Dasselbe, was auf der Erde Demant und Graphit ist, ist auf dem Monde Silber. Und würde man ein Stück unserer gewöhnlichen schwarzen Kohle in diesem Momente hinaufbefördern können nach dem Monde, sie würde dort Silber.

Diese, ich möchte sagen radikale Metamorphosenanschauung be­kam der Schüler in jenen älteren Zeiten. Und das liegt eigentlich jener scharlatanhaften Alchemie, von der heute vielfach gesprochen wird, nicht zugrunde, sondern das liegt der wirklichen älteren Alchemie zu­grunde. Aber so etwas, wie diese ältere Alchemie es ist, kann eben nicht auf eine so abstrakte Wissensart errungen werden, wie man heute irgend etwas weiß. Heute beobachtet man, oder man denkt über die Dinge. So konnte Alchemie nicht errungen werden. Heute richtet man das Fernrohr nach einem Stern, bestimmt Paraliaxen und derglei­chen und rechnet und rechnet, oder etwa um seine Substanz kennenzu­lernen, wendet man das Spektroskop an und so weiter. Aber alles das, was man da kennenlernt, ist ja so unendlich abstrakt gegenüber dem, was man einmal kennenlernen konnte von den Sternen! Aber man konnte die alte Weisheit, die wirkliche Astrologie, nur kennenlernen, wenn man, wie ich schon gestern sagte, den lebendigen Verkehr hatte mit den Intelligenzen des Kosmos. Das war eben Erlangung eines Wis­sens, daß man sprechen konnte in seiner Seele, in seinem Geiste mit den Intelligenzen des Kosmos. Was das Aurum für den menschlichen

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Organismus bedeutet, das hängt mit dem Sonnengeheimnis zusam­men. Dadurch, daß man in dieser Weise, wie ich es geschildert habe, die eigene Seele exponierte dem Sonnensein, dadurch kam man in Re­lation mit den Intelligenzen der Sonne selber. Die konnten einem sa­gen, wie es sich mit dem Aurum verhält. Und ebenso kam man in Zu­sammenhang mit den Intelligenzen des Mondes auf die Art, wie ich sie Ihnen geschildert habe.

Diese Intelligenzen des Mondes lernte man allerdings als diejenigen kennen, die einmal in alten Zeiten selber die großen Lehrer der Erden­menschheit waren, als die Urweisheit auf Erden gelehrt worden ist. Da waren es dieselben Lehrer, die heute, ich möchte sagen, vom Monde herab ihre Kräfte, ihre Impulse wirken lassen. Sie haben sich zurück­gezogen in einer bestimmten Zeit von der Erde nach dem Mondenda­sein, gewissermaßen von der Erde aus eine Kolonie im Monde ge­gründet mit der Abtrennung des Mondes von der Erde.

Also mit dem, was hier (siehe Schema) das zweite war, das Kohlen-stoff-Silber-Geheimnis, haben diejenigen Intelligenzen zu tun, die sogar einmal auf der Erde waren, und die heute Mondintelligenzen sind. Sehen Sie, in dieser Weise wußte man in älteren Zeiten.

Ich will ein anderes Beispiel noch sagen. So wie von Sonne und Mond bekam man auch Eindrücke bei einer Seelenvorbereitung von den anderen Planeten. Und so ist es eines der Geheimnisse in den älteren Zeiten, das sich auf die Venus bezieht. Die Venus, man schaut sie heute an durch das Teleskop, und man rechnet sie anderen Sternen, anderen Planeten gleich. Geradeso, wie man mit dem menschlichen Organis­mus so vorgeht, daß man ein Stück Leber untersucht und dann wieder­um ein Stück Gehirn, und da eigentlich nur den Zellenbau untersucht, als wenn es nicht zwei ganz radikal verschiedene Substanzen wären, Gehirnsubstanz und Lebersubstanz, so richtet man auch das Fernrohr hinaus und meint, Merkur, Venus und Mars und so weiter, das seien alles gleichartige Substanzen. In jener alten Zeit wußte man, indem man den Mond und die Sonne ins Auge faßte, kommt man noch aus mit dem, was unmittelbar zur physischen Erde, zum Irdischen, zum Wäßrigen, zum Luftförmigen, zum Feurigen Beziehung hat. Indem man bis zum Monde seine Beobachtungen in geistiger Art ausdehnt,

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kommt man bis zum Äther. Aber indem man seine Beobachtungen bis zur Venus ausdehnt, kommt man in eine geistige Welt, in eine rein astralische Welt hinein. Das, was als physische Venus erscheint, ist ge­wissermaßen nur das äußere Merkzeichen für etwas, was lebt und west im Astralischen, respektive im astralischen Lichte. Das physische Licht ist bei der Venus etwas ganz anderes als zum Beispiel das physische Sonnenlicht. Das physische Sonnenlicht hat noch etwas Verwandt­schaft mit dem, was auf der Erde als ein auf Erden entstehendes Licht leben kann. Das, was Venuslicht ist - es ist kindisch, es nur für ein re­flektiertes Sonnenlicht zu halten -, leuchtet heraus schon aus der geisti­gen Welt. Und exponiert man diesem Lichte das eigene Seelenwesen, so lernt man erkennen, welche Intelligenzen mit der Venus verknüpft sind.

Das sind Intelligenzen, welche in einem fortwährenden Gegensatz, ich möchte sagen, in einer fortwährenden Opposition leben zu den In­telligenzen der Sonne. Und eine große Rolle spielte in den alten My­sterien dieser Gegensatz zwischen den Venusintelligenzen und den Sonnenintelligenzen. Man sprach mit einem gewissen Rechte von ei­nem fortdauernden Kampf der Venusintelligenz gegen die Sonnenin­telligenz. Da gab es Ausgangspunkte solcher Kämpfe, in denen die Venusintelligenzen gegen die Sonnenintelligenzen zu kämpfen began­nen. Da gab es Steigerungen, Kulminationen, da gab es Katastrophen, Krisen, und man hatte sozusagen in dem, was da zwischen einer Expo­sition und einer Katastrophe oder Krise lag, einen Abschnitt in dem großen Oppositionskampfe, der sich in der geistigen Welt abspielt, und der im äußeren Zeichen nur erscheint in der astrologischen, astronoma­schen Beziehung zwischen Venus und Sonne. In dem, was sich da ab­spielt, hatte man aufrinanderfolgende Phasen. Und kein Mensch kann verstehen, was auf Erden als die inneren Impulse der Geschichte lebt, wenn man nicht weiß, wie der Kampf zwischen der Venus und der Sonne ist. Denn dasjenige, was sich hier auf Erden als Kämpfe, was sich sonst abspielt in der Entwickelung der Zivilisation, das ist ein irdi­sches Abbild dieses Venus-Sonnen-Kampfes.

Das hat man in alten Mysterien gewußt. Solches Wissen war da, weil es eine Beziehung gab zwischen den Menschen und den Intelli­genzen des Kosmos.

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Nun kam die Zeit, von der ich Ihnen gesprochen habe, vom zehnten bis zum fünfzehnten Jahrhundert. Diese Forscher in den mittelalterli­chen alchemistischen Laboratorien, sie konnten nach der Entwickelung der Menschheit nicht mehr hinaufgelangen zu den kosmischen Intelli­genzen; aber sie konnten zu den Naturgeistern noch kommen. Indem diese alchemistischen Forscher zahlreiche solcher chemischen Versu­che, wie ich Ihnen gestern im Beispiel einen gezeigt habe mit der Ver­wandlung der Oxalsäure in die Ameisensäure, anstellten, die ihnen ent­hüllen sollten das göttliche Walten und Wirken in den Naturprozessen und Naturdingen, konnten sie dies nur, indem zu ihnen im rechten Momente - ich habe gestern gesagt, wenn sie in der richtigen Weise durch Frommheit sich vorbereitet hatten - die Naturgeister sprachen Sehen wir uns das jetzt ganz genau an, in welcher Lage solch ein For­scher war.

Solch ein Forscher stand in seinem Laboratorium. Er konnte sich sa­gen: Da trage ich herein in dieses mein Laboratorium die Substanzen, die Retorten, die Brennöfen. Ich mache die verschiedenen Experimen­te. Indem ich an die Natur durch meine Experimente die Fragen stelle, treten in mein Laboratorium für mein Anschauen die Naturgeister mit ihren Offenbarungen herein. - Denn das gab es noch bis zum fünfzehn­ten Jahrhundert, daß die Naturgeister herankamen an den richtig vor­bereiteten rosenkreuzerischen Forscher; das gab es! Aber davon wußte er noch äußerlich, daß man in alten Zeiten nicht bloß zu den Naturgeistern, sondern zu den höheren kosmischen Intelligenzen ge­langt war, zu jenen Intelligenzen, die einem sprachen von dem Aurum­Geheimnis im Zusammenhang mit der Sonne, von dem Silber-Ge­heimnis und dem Kohlenstoff-Geheimnis im Zusammenhang mit dem Monde, von dem historisch wichtigen Venus-Geheimnis und so wei­ter. Gewiß, aus Nachrichten, die da geblieben waren aus der Tradition, wußte das auch dieser mittelalterliche alchemistische Forscher. Aber das war nicht das besonders Wichtige. Derjenige, der überhaupt ein-mal berührt wird vom Spirituellen, dem sind historische Dokumente nicht so furchtbar wichtig, wie sie der heutigen materialistischen Zeit sind. Man ist ja immer wiederum erstaunt, wie unendlich wichtig es für manche Menschen ist, wenn so etwas wie neulich der Dinosaurus

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in der Wüste Gobi gefunden worden ist. Das war ja ein wichtiges Stück, aber es sind das doch immer nur einzelne Brocken; während auf spiri­tuelle Art wirklich in die Geheimnisse der Welt hineinzukommen ist. Also die historischen Dokumente würden diesen mittelalterlichen For­scher ganz gewiß nicht besonders berührt haben. Aber auf eine andere Weise kam er hin zu einem Wissen, daß man früher einmal zu einer kosmischen Erkenntnis herangelangt ist, daß man jetzt nur herange­langen kann an die Naturgeister, die hinter den Elementen, dem Luft­förmigen, dem Feurigen, dem Was serförmigen stehen. Es war nämlich die Sache so: in gewissen Momenten, wenn gewisse Beobachtungen an der Natur gemacht oder Experimente über die Natur ausgeführt wurden, wenn man also an die Sphäre der Naturgeister herankam, dann waren gewisse Naturgeister da, die einem sagten: Es gab einmal Menschen, die mit den kosmischen Intelligenzen in Zusammenhang standen. - Das war das Quälende, das war das Bohrende, das war das Schmerzhafte für diese mittelalterlichen Forscher, daß ihnen die Na­turgeister von einer Vorzeit sprachen, in der die Menschen mit den In­telligenzen des Kosmos in Zusammenhang standen. Und die Menschen mußten sich sagen: Von einer alten Zeit erzählen noch die Naturgei­ster, die hinunterverschwunden ist in den Abgrund des menschlichen Wissens und menschlichen Seins. - Und so war die Gabe der mittelal­terlichen Alchemisten, an die Naturgeister heranzukommen, wirklich eine zweifelhafte. Auf der einen Seite kam man an das Geistige der Na­tur, an das Geistige der Luft, an das Geistige des Wassers, an Gnomen, Sylphen und Undinen heran in ihrer lebendigen Wirklichkeit. Auf der anderen Seite aber wiederum waren unter diesen solche Geister, die ihnen von Dingen erzählten, die sie niederschmetterten, weil sie ihnen zeigten, wie die Menschheit einmal nicht nur mit diesen Naturgeistern in Zusammenhang stand, sondern mit denjenigen Intelligenzen, mit denen diese Naturgeister heute noch in einem lebendigen Zusammen­hang stehen, nicht mehr die Menschen. Das war das Gefühl dieser mit­telalterlichen Alchemisten, das oftmals in einer viel grandioseren, tra­gisch grandioseren Weise zum Ausdruck gekommen ist als bei dem Goetheschen Faust, wo es schon so schön und grandios ist.

Aber der Ausspruch: nach dem Monde hin, nach dem silberglänzenden

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Mondenlichte, in dem sich der Faust baden will, dieser Aus­spruch, der wurde mit noch größerer Tiefe von manchem Forscher zwischen dem zehnten und fünfzehnten Jahrhundert getan, wenn von Naturgeistern erzählt worden ist etwas von dem Kohlenstoff-Silber-Geheimnis, das aber innig wieder zusammenhängt mit dem Menschen. Denn was war es, was man zu gleicher Zeit erfuhr in jenen älteren Zei­ten? Man erfuhr ja nicht bloß, wie das Aurum mit der Sonne zusam­menhängt, sondern wie das Aurum im Menschen wirkt, wie Argen­tum, Silber, und Kohlenstoff im Menschen wirken, und wie die anderen, mit den Planeten verwandten Metalle im Menschen wirken. Das aber empfand man in jenen älteren Zeiten in dem Kreisen des Blutes; in be­wußter Weise empfand man das Durchwallen, Durchströmen des Blu­tes durch das Haupt, indem man die ganze Erde im Bilde empfand, wenn man wirklich empfand das Durchströmen des Blutes durch das Haupt. Und in der Sphäre, wo das menschliche Haupt nicht abgeschlos­sen ist durch Knochen, sondern nach unten geöffnet ist, in diesem nach unten Geöffnetsein gegen das Herz zu, gegen die Brust zu, empfand man ein Abbild dessen, was von der Erde in der Atmosphäre gerade hinaufgeht. Und so empfand man in dem, was man aus dem Kosmos kennenlernte, gerade dasjenige, was sich innerlich im Menschen ver­wandelte. Und man folgte dem Planeten bei seinem Durchgang durch alle Organe. Da setzte sich dasjenige fest, was dann in der Mephisto­pheles- Zeile bei Goethe in so eindringlicher Weise dasteht: Blut ist ein ganz besonderer Saft. Denn dieses Blut in seiner Metamorphose spiegelt ab diese Metamorphosen, so großartig sie sind, vom Kohlen­stoff nach dem Silber hin. Das alles lebt auch im menschlichen Blut.

Und so betrachtete dieser mittelalterliche Forscher den Verlust der Erkenntnis der kosmischen Intelligenzen wie einen Verlust der eigenen Menschheit. Und es ist im Grunde genommen nur ein schwacher Ab­glanz, wenn der Faust erst das Buch des Makrokosmos aufschlägt und hinauf will nach den kosmischen Intelligenzen, und es wiederum zu­schlägt, weil er das nicht kann, und sich nur an den Erdgeist hält; es ist im Grunde genommen ein schwacher Nachklang dessen, was in furcht­bar tragischer Weise gerade die besten mittelalterlichen Forscher, de­ren Namen eben nicht auf die Nachwelt gekommen sind, in sich durchgemacht

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haben, indem sie hören mußten von den Naturgeistern, in deren Sphäre sie eindrangen durch ihr alchemistisches Forschen, daß es einstmals einen Zusammenhang des Menschen mit den kosmischen Intelligenzen gegeben hat.

Und wiederum, alles das hängt in einer tiefen Weise zusammen mit dem, was sich ausbilden mußte noch im alten Griechenland, als die Notwendigkeit vorlag, daß so etwas wie die gestern oder vorgestern erwähnten samothrakischen Mysterien, die Kabiren-Mysterien, abge­schwächt werden mußten bis zu der Philosophie des Aristoteles, die dann weiter gerade im Mittelalter eine so große Rolle gespielt hat, wäh­rend unter der Oberfläche dessen, was Aristotelismus war, gerade bis hinein ins fünfzehnte Jahrhundert, aber auf tragische Art, dasjenige fortgewirkt hat, was ich Ihnen hier in einem kleinen Fragment skizzie­ren konnte. Es war schon so, daß hinter der mazedonischen Zeit ein Mysterienwesen auch noch bis nach Griechenland herein liegt - das Genauere wird dann in den nächsten historischen Vorträgen eben dar­zustellen sein -, ein Mysterienwesen, das tief hineinsah in die Geheim­nisse der Weltsubstanzen, wie sie zusammenhängen mit den kosmi­schen Intelligenzen, ein Mysterienwesen, bei dem man erst herunter-ging von den kosmischen Intelligenzen zu den Naturgeistern. Es war der Blick wie gebannt, hinweggebannt von diesen kosmischen Intelli­genzen, dafür aber hingerichtet nach den Naturgeistern. Das war die Krise, die in der Aristoteles-Alexanderzeit sich vollzogen hat. Überall kann man in dem, was sich da vollzogen hat, noch sehen, durchsehen im Aristotelismus, daß die Abstraktionen des Aristoteles fußen auf detn alten Mysterienwesen. Ich möchte sagen: Derjenige, der da weiß, wie es mit diesem Kohlenstoff- Silber-Geheimnis ist, und dann die Bemerkun­gen bei Aristoteles liest, die auf die Nachwelt gekommen sind - denn die wichtigsten sind ja nicht auf die Nachwelt gekommen -, dort liest, was über das Mondengeheimnis steht, der weiß sogleich Bescheid, wie der Zusammenhang ist mit diesen älteren Zeiten.

Doch das sind ja nun Dinge, die dann eine genauere Beleuchtung finden werden in den nächsten Vorträgen, die ich über die geschicht­liche Entwickelung der Menschheit vom Gesichtspunkte der Anthro­posophie aus halten möchte.

ANHANG

#G232-1974-SE217 Mysteriengestaltungen

HINWEISE

#G232-1974-SE217 Mysteriengestaltungen

#TI

HINWEISE

#TX

Zu Seite:

9 Wir wollen nun: Weggelassen sind in dieser Ausgabe, wie schon 1931 in der Erst-auflage durch Frau Marie Steiner, die Worte, die Rudolf Steiner in Angelegen­heiten der Anthroposophischen Gesellschaft vor oder nach den eigentlichen Vorträgen an die Mitglieder richtete. Einzig dieser erste Abschnitt ist von det zweiten Auflage (1958) an hintugenommen worden.

vor den Weihnachtswochen: In der Zeit vom 24. Dezember 1923 bis 1. Januar 1924 fand in Dornach die Gründungsversammlung der Allgemeinen Anthroposophi­schen Gesellschaft statt («Die Weihnachtstagung zur Begründung der Allgemei­nen Anthroposophischen Gesellschaft» [1923/24], Bibl.-Nr. 260, Gesamtausgabe Dornach 1963). An den Abenden hielt Dr. Steiner einen Zyklus von 9 Vorträgen:

«Die Weltgeschichte in anthroposopbischer Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes», in Bibl.-Nr. 233, Gesamtausgabe Dornach 1962.

in letzter Stunde: Den Ernst der Lage kennzeichnen Worte, die Rudolf Steiner als Einleitung zum letzten Vortrag dieses Zyklus am 23. Dezember 1923 an die Mitglieder gerichtet hat: «...Es ist schon so, daß gegenwärtig die Dinge sehr, sehr ernst, bitter ernst genommen werden müssen. Sonst müßte eigentlich den-noch dasjenige eintreten, wovon ich ja oftmals gesprochen habe: daß ich mich von der Anthroposophischen Gesellschaft zurückziehen müßte.»

schon in den letzten Wochen: «Der Mensch als Zusammenklang des schaffenden, bildenden und gestaltenden Weltenwortes», 12 Vorträge, Dornach, 19. Oktober bis 11. November 1923, Bibl.-Nr. 230, Gesamtausgsbe Dornach 1970. In der darauffolgenden Zeit weilte Dr. Steiner im Haag, wo er zur Herbstveranstaltung der anthroposophischen Bewegung in Holland vom 13.-! 8. November unter anderem einen Zyklus von 5 Vorträgen hielt: «Der übersinnliche Mensch, anthroposophisch erfaßt», Bibl.-Nr. 231, Gesamtausgabe Dornach 1962.

Artikel im «Goetheanum,>: «Das Goetheanum», 3. Jg. (1923/24), Nrn. 11-14; wiederabgedruckt in «Der Goetheanumgedanke inmitten der Kulturkrisis der Gegenwart 1921-1925», Bibl.-Nr. 36, Gesamtausgabe Dornach 1961.

2 Eduardv. Hartmann, 1842-1906, «Philosophie des Unbewußten», «Kategorienlehre».

30 in dem Kursus: «Philosophie, Kosmologie und Religion», 10 Vorträge, Dornach

6.-1 5. September 1922 («Französischer Kurs»); Bibl.-Nr. 215, Gesamtausgabe Dornach 1962.

39 das Ahrimanische und das Luziferische: Siehe auch «Licht und Finsternis», Kunst-druck nach Pastellentwurf von Rudolf Steiner, Dornach 1967.

40 Homer, 9. Jahrhundert vor Chr. «Ilias» und «Odyssee».

Friedrich Gottlieh Klopstock, 1724-1803. Epos «Messias», Oden.

54 Worte, die kh auf die Taftl schreiben werde: Dazu findet sich auf einem Notizblatt Rudolf Steiners folgende Eintragung mit den beiden Sprüchen:

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Zu Seite;

Das Miterleben des Tages = wie er in die Nacht hinein dadurch geht, daß die äußere Umgehung aus dem Schlafe auftaucht für das, was als inneres Erinnerungs­erlehnis hei Tage gefaßt wird -Das Miterleben des Jahres = wie die Wirkung der Natur im Willen gefühlt wird -so, daß man sprechen kann:

ich hahe den Sommerwillen d.h. ich finde meinen Körper -ich habc den Winterwillen d.h. ich finde meinen Körper nicht. Der Winterwille trägt den Verstand in mich hinein. Der Sommerwille trägt meinen Verstand in den Allverstand.

Winter = 0 Welten Bilder Sommer = Ihr meines Hauptes

Ihr schwehet heran Bildende Seelenkräfte

Aus Raumesweiten Ihr er£üllet mein Eigensein

Ihr strehet nach mir Ihr dringet aus meinem Wesen

Ihr dringet ein In die Weltenweiten

In meines Hauptes Und einigt mich selbst

Denkende Kräfte. Mit den Weltenschaffensmächten.

57 Aufsatz von Goethe: «Über den Granit» in den naturwissenschaftlichen Schriften,

18. Januar 1784.

69 Gehen, Sprechen, Denken: Rudolf Steiner hat immer wieder in weiteren Zusammen­hängen von diesen Fähigkeiten gesprochen; im Haag 18.Nov.1923 («Der über­sinnliche Mensch, anthroposophiseh erfaßt», Bibl.-Nr. 231, Gesamtausgabe Dornach 1962), Ilkley 10. August 1923 («Gegenwärtiges Geistesleben und Er­ziehung», Bibl.-Nr. 307, Gesamtausgabe Dornach 1973), Dornach 16. April 1923 («Die pädagogische Praxis vom Gesichtspunkte geisteswissenschaftlicher Men­sehenerkenntnis», Bern 1956), Bern 6. April 1923 («Schicksalsgestaltung in Schla­fen und Wachen. Die Geistigkeit der Sprache und die Gewissensstimme», Bibl.-Nr. 224, Gesamtausgabe Dornach 1966), und in anderen Vorträgen.

70 Vor Wochen habe ich Ihnen gesagt: In «Die pädagogische Praxis vom Gesichts­punkte geisteswissensehaftlieber Menschenerkenntnis», Bern 1956, die Vorträge vom 16. und 17. April 1923, und Hinweis zu S.69.

143 in der Zeitschrift «Das Reich»: In der von Alexander von Bernus herausgegebenen

Vierteljahressehrift «Das Reich», 2. Jahr, Buch 3, Okt. 1917, 2. Jahr, Buch 4,

Jan.1918, 3. Jahr, Buch 1, April 1918; wiederabgedruckt in «Philosophie und

Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze 1904-1918», Bibl.-Nr. 35, Gesamtausgabe

Dornach 1965.

Johann Valentin Andreä, 1586-1654, Dichter und theologischer Schriftsteller. Außer der «Chymisehen Hochzeit» werden Andreä noch folgende Rosenkreuzer-schriften zugeschrieben: «Allgemeine und Generalteformation der ganzen weiten Welt», «Fama Fraternitatis, oder Entdeckung der Bruderschaft des hochlöblichen Ordens des Rosenkreuzes», «Confessio Fraternitatis, oder Bekenntnis der löb­lichen Bruderschaft des Hochgeehrten Rosenkreuzes».

219

zu Seite;

175 Johann Georg Gicbte4 1638-1710, deutscher Mystiker und Theosoph. Gab als erster Jakob Böhmes Werke gesammelt heraus.

Basiliss Valentinus lebte seit 1415 als Benediktinermöneh in Erfurt. Seine alchemi­stischen Schriften wurden um 1600 von dem Ratskämmerer Job. Thölde in Frankenhausen (Thüringen) erstmals herausgegeben.

181 eine Nachbildung dieser Krüge: Vgl. hierzu die im 2. Band der «Geisteswissen­schaftlieben Erläuterungen zu Goethes , Bibl.-Nr. 273, Gesamtausgabe Dornach 1967, nach S.208 wiedergegebene Handzeichnung Rudolf Steiners nach den von ihm entworfenen, in Wachs modellierten Kabirenkrügen.

die drei Kahiren: Axieros, Axiokersos und Axiokersa; siehe hierzu auch den Dornacher Vortrag vom 17. Januar 1919 in dem obengenannten 2. Band der

«Faust »-Vorträge.

190 aus meinem Buche: «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (1902), Bibl.-Nr. 8, Gesamtausgabe Dornach 1959.

191 Vorträge in den nächsten Tagen: In den vom 4.-1 3. Januar 1924 in Dornach gehaltenen Vorträgen «Mysterienstätten des Mittelalters - Rosenkreuzertum und modernes Einweibungsprinzip», abgedruckt in «Die Weltgeschichte in anthropo­sophiseber Beleuchtung und als Grundlage der Erkenntnis des Menschengeistes», Bibl.-Nr. 233, Gesamtausgabe Dornach 1962.

216 in den nächsten Vorträgen: Siehe Hinweis zu S.191

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.