GA 208

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Anthroposophie als Kosmosophie

Zweiter Teil
Die Gestaltung des Menschen
als Ergebnis kosmischer Wirkungen

Elf Vorträge, gehalten in Dornach
vom 21. Oktober bis 13. November 1921

GA 208

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Inhaltsverzeichnis


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ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 21. Oktober 1921

Wir wollen heute einiges über den Zusammenhang des Menschen in leiblicher, seelischer und geistiger Beziehung mit der Welt betrachten. Wir haben ja gesehen, wie in einer gewissen Weise das, was der Mensch an dem ganzen Universum, an dem ganzen Kosmos zwischen dem Tod und einer neuen Geburt erlebt, im Erdenleben dann in sein Inneres hereinzieht. Wir haben gesehen, wie das, was der Mensch vor der Geburt oder vor der Empfängnis, sagen wir, wie äußere Erlebnisse hat, wie das dann in der Wirkung sich auslebt in seinen Organen, in seinem Inneren, in seinem organischen Inneren. Wir wollen heute einmal nach der anderen Seite hin den Menschen betrachten in seinem Verhältnisse zur Welt, und zwar so, wie das, was der Mensch zwischen Geburt und Tod erlebt, dann mit ihm durch die Pforte des Todes geht und zu Erlebnissen eines erneuten Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt wird.

Wir müssen ja am Menschen unterscheiden, was er zunächst während des Erdenlebens als sein inneres Leben hat, und das, was sich als eine Art von Außenleben von ihm absondert. Inneres Leben - wir können ja zunächst hinweisen auf die Gefühle, auf den inneren Empfindungsgehalt, den der Mensch durchmacht zwischen der Geburt und dem Tode. Das ist sein eigentliches Innenleben. Was der Mensch fühlt, fühlt gegenüber den Eindrücken, welche die äußere Welt auf ihn macht, fühlt gegenüber seinem eigenen inneren Erleben, fühlt auch an Zubilligung oder an Vorwürfen gegenüber seinen Willensäußerungen, gegenüber seinen Handlungen, das alles ist etwas, was der Mensch während des Erdenlebens mehr oder weniger mit sich selber abmacht, wohineiri er den anderen zwar blicken lassen kann, aber das Wesentliche an alledem ist doch die Art, wie der Mensch das mit sich selber abmacht.

Was der Mensch in der Wahrnehmung erlebt, das ist, wie wir schon durch die Betrachtungen der letzten Zeit wissen, nicht eigentliches wirkliches Erleben, das ist Scheinwelt, die sich um uns herum ausbreitet. Das ist die Welt, welche im Grunde genommen weder innerlich

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noch äußerlich ist, an der wir teilnehmen, und die wir ja nur dadurch, daß wir uns Gedanken über sie bilden, daß wir an ihr Gefühle entwickeln, daß sie uns anregt, das oder jenes zu tun, zu unserer Innenwelt machen. Wie wir uns zu ihr verhalten, das ist ja im wesentlichen das Ergebnis unserer Fähigkeiten, die wir uns durch die Geburt ins Dasein mitbringen. Wie wir uns also zur Außenwelt verhalten, auch der Ort, an dem wir stehen, das Volk, in das wir hineingeboren sind und so weiter, das alles ist durch die vorhergehenden Erden- und Geistesleben bedingt. Das weist uns also eher zurück, als daß es uns vorwärts weisen könnte.

Aber etwas anderes, was uns mit der Außenwelt verbindet, müssen wir betrachten: Was in unserem Wollen wurzelt und übergeht in unsere Handlungen, das wird ein Stück Außenwelt. Alles, was durch unser Handeln geschieht, verändert die Außenwelt. Das geringste, was wir machen, gibt ja der Außenwelt irgend etwas, was diese Außenwelt verändert.

Nun aber können wir sagen: Diese Außenwelt, die wir da selber bereiten durch unser Handeln, diese Außenwelt, die wurzelt in unserem Wollen. Sie ist also zu uns in einem Verhältnisse wie die Ereignisse während des Schlafes. In die Tiefen unserer Willenswelt sehen wir ja mit unserem Bewußtsein, mit dem gewöhnlichen Bewußtsein, ebensowenig hinein wie in die Zustände während des Schlafes. Was da eigentlich vorgeht in der Willenswelt, das also bleibt außerhalb des Bewußtseins. Ich habe es oft ausgesprochen: Wenn wir nur einen Arm bewegen, wenn wir eine Hand bewegen - der ganze Willensvorgang, jene Kraftentfaltung, die in dem sich>bewegenden Arm, in der sich bewegenden Hand wirken, sie entziehen sich dem Bewußtsein. Aber wir sehen auf unsere bewegte Hand. Wir sehen die Veränderung, die wir hervorbringen. Wenn wir nur einen Gegenstand von einem Orte an einen anderen legen, so nehmen wir durch unsere Wahrnehmungen die Veränderung in uns auf. Wir können also sagen: Durch unsere Wahrnehmungswelt wissen wir von unseren eigenen Willensäußerungen. Es fließt gewissermaßen unser Wollen und seine Wirkungen in unsere Wahrnehmungswelt hinein.

Erinnern wir uns an das, was wir in der letzten Zeit an uns heran-

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gebracht haben. Wir haben gesagt: Da fet zunächst der physische Leib des Menschen (siehe Zeichnung, hell); da ist dann der Ätherleib des Menschen (rot). Zwischen beiden ist die webende Gedankenwelt, insofern sie eingegliedert ist in unseren Organismus. Zwischen dem Ätherleib und dem astralischen Leib (grün) befindet sich die Gefühlswelt, und zwischen dem astralischen Leib und der Ich-Hülle (blau) befindet sich die Willenswelt.

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Diese Willenswelt, sie kann ja eigentlich im gewöhnlichen Bewußtsein von dem Ich nicht unterschieden werden. Sie verbindet sich ganz und gar mit dem Ich. Aber alles das, was im Ich vorgeht, wenn das Ich will, handelt, alles das kommt nicht unmittelbar in das gewöhnliche Bewußtsein herein. Das ist eben, wie gesagt, unter dem gewöhnlichen Bewußtsein wie die Ereignisse des Schlafzustandes.

Im physischen Leib haben wir die Sinnesorgane, und die Sinnesorgane, sie haben die Wahrnehmungen. Durch diese Wahrnehmungen nehmen wir auch unsere Willensäußerungen wahr. Im physischen Leibe also sind Augen und Ohren, und was sich da aus Ich und Willenswelt entwickelt, das wird eigentlich durch die Sinne wahrgenommen. Also das, was das äußerste ist im Menschen, die Wahrnehmung, sie verbindet sich mit demjenigen, was der Mensch da erlebt durch seinen Willen und durch das Ich (Pfeil).

Nehmen Sie nur dieses, wenn wir durch unser Ich ein paar Schritte machen: was da im Willen lebt, wie in den Untergründen des menschlichen Organismus etwas vorgeht, was unsere Beine vorwärtstreibt, das alles entzieht sich dem Bewußtsein. Aber wir sehen, indem wir ein Stückchen vorwärtsgegangen sind, eine andere Umgebung oder wenig-

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stens die Umgebung in einen! anderen Anblicke. In diesem anderen Anblicke haben wir in der Sinneswahrnehmung gegeben, was uns im gewöhnlichen Bewußtsein die Vorstellung vermittelt, ein Bild gibt von dem, was sonst eigentlich unten in den Tiefen eines wachenden Schlafes ist. Indem wir unser Ich zum Willen aufraffen, die Willensimpulse in Handlungen umsetzen, erleben wir also diese Handlungen gleichgültig ob sie durch Gehen oder durch Greifen oder durch Schreiten, durch irgendeine Arbeit bewirkt werden -, alle diese Dinge erleben wir durch das Wahrnehmen. Wir gehören eigentlich mit unserem Willen unserer äußeren Wahrnehmungswelt an. Halten wir das nur durchaus-fest: Wir gehören mit unserem Willen unserer äußeren Wahrnehmungswelt an. Wir kommen, indem wir das entwickeln, was wir da an Willensäußerungen, an unseren Willensoffenbarungen beobachten, wir kommen da nicht in unser eigentliches Inneres hinein. Wir absolvieren damit, obwohl der Wille aus unserem tiefsten Inneren strömt, für unser Bewußtsein eigentlich einen äußeren Vorgang, oder besser gesagt eine Summe von äußeren Vorgängen im Leibe.

Nehmen wir jetzt dagegen das Innere. Da haben wir zunächst die webende Gedankenwelt. Diese webende Gedankenwelt, wie sie nach außen wirkt, kann uns eigentlich in diesem Zusammenhange nicht interessieren. Nach außen lebt diese Gedankenwelt so, daß sie einen gewissen logischen, gesetzmäßigen Zusammenhang in die Wahrnehmungen hineinbringt. Wir klassifizieren die Natur. Wir sehen Pflanzen, die einander ähnlich sind, bringen sie in eine Klasse; wir sehen Tiere, die einander ähnlich sind, bringen sie in eine Klasse. Wir suchen sonstige Naturgesetze. Alles, was wir auf diese Weise ausgestalten, gehört eigentlich nicht zu unserem eigentlichen Innenleben. Es ist das, was als Wissenschaft allen Menschen gemeinsam ist. Es gehört nicht zu unserem Innenleben.

Aber wir können nicht ohne weiteres sagen, daß alles Gedankenmäßige nicht zu unserem Innenleben gehört. Sie brauchen sich ja nur vorzustellen, wie, wenn Sie durch äußere Wahrnehmungen, sagen wir, eine herrliche Gegend einmal in sich aufgenommen haben, sich Gedanken über diese herrliche Gegend gemacht haben, wie Sie dies jederzeit, wenn auch verblaßt, aus der Erinnerung wiederum hervorrufen

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können. So bildet das, was sich da als Gedanke anlehnt an das Äußere, einen Teil Ihrer Innenwelt. Ebenso ist es mit anderem, was aus der Außenwelt herein erlebt wird, was sich in Gedanken verwandelt, was einen Teil der Innenwelt bildet.

Diese Gedanken, die durchsetzen ja zunächst den Ätherleib. Sie verbinden sich aber auch weiterhin mit dem Gefühle bis zum Astralleib hin. Das alles ist etwas, was innerlich vorgeht. Diese Innenseite des Gedankenlebens, die Gefühlswelt dazu, das ist die eigentliche menschliche Innenwelt. Wir können eigentlich nichts von dem, was wir da an dem inneren Aspekt unserer Gedankenwelt erleben, was wir in unserem Gefühl erleben, in der Außenwelt suchen. Wir müssen immer in unser Inneres hineinschauen, wenn wir das kennenlernen wollen. Ich habe schon vorhin gesagt: Wir können mit Menschen sprechen, wir können andere Menschen willkürlich in uns Einblick gewinnen lassen, aber das Wesentliche davon ist doch eben: Innenleben. Und wir können jetzt genau unterscheiden, was in gewissem Sinne Außenleben ist, indem der Mensch sein Inneres in die Außenwelt fortwährend hineinträgt, und was Innenwelt ist.

Wenn wir uns von einem Eisenbahnzug in einer Nacht von der Westschweiz nach der Ostschweiz tragen lassen, dann befinden wir uns des Morgens in einer ganz anderen Willensumgebung und nehmen diese Willensumgebung durch unsere Wahrnehmung in uns auf. Unser Inneres haben wir mitgetragen. Es ist dasselbe Innere, das wir an dem einen Orte gehabt haben und das wir an dem nächsten Orte haben, höchstens eben modifiziert durch dasjenige, was wiederum von den Gedanken aus nach innen zu uns bewegt hat, was eben Inneres geworden ist.

Wir können also ganz genau unterscheiden, wenn wir wollen, zwischen dem, was des Menschen eigentliches Inneres ist, seelisch gewoben aus den Gedanken und Gefühlen, leiblich gewoben aus einem Ineinander-Rhythmen von Ätherleib und astralischem Leib - wir können davon unterscheiden, was in gewissem Sinne Außenwelt ist, seelisch gewoben aus Willensinhalt und Wahrnehmungsinhalt, leiblich gewoben aus Ich und physischem Leib. Denn wir nehmen unseren physischen Leib mit, beobachten ihn, er kommt in andere Verhältnisse zur Um-

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gebung. Wir können das Innere und das Äußere unterscheiden in der Weise, wie ich es eben gesagt habe.

Diese Unterscheidung ist aber sehr wichtig, wenn man nun betrachten will das Leben, das der Mensch hindurchträgt durch die Todespforte. Wir können in einer sehr kompendiösen Weise ausspreche,n, wie sich das, was wir jetzt charakterisiert haben als Inneres und Äußeres, nach dem Tode verhalten wird, denn wir können sagen:

Das Äußere wird Inneres.
Das Innere wird Äußeres.

Das ist in der Tat die gewaltige Veränderung, die vorgeht durch den Tod hindurch. Das Äußere wird Inneres. Geradeso wie wir jetzt das Innere unserer Seele empfinden - wir können es uns vergegenwärtigen, wie dieses Seelisch-Innere aus Gedanken und Gefühlen durcheinandergewoben ist -, wie wir zu diesem Inneren Ich sagen, so wird nach dem Tode alles, was wir an Wahrnehmungen über unsere Handlungen erlebt haben, unser Inneres. Es ist aber wie in einem Punkt zusammengefaßt, möchte ich sagen, oder besser, in eine Sphäre zusammengefaßt, was wir nun als Inneres erleben: die Anschauung dessen, was wir hier auf der Erde getan haben. Was wir getan haben -wir tragen wie unsere innere Erinnerung durch den Tod die Bilder unseres gesamten Erdenseins, und das ist dann unser Inneres. Also es ist wie eine völlige Umkehrung: was Äußeres war, was wir nur wahrnehmen konnten durch die Anschauung dessen, was wir tun, das ist dann unser Inneres. So wie wir jetzt in den Empfindungen, in den Gefühlen der äußeren Eindrücke leben, so leben wir dann in unseren Taten. Unsere Taten sind sogar dann unser Inneres. Wer also irgend jemandem etwas Gutes oder etwas Böses getan hat, der ist dann das selber, was er Gutes und was er Böses getan hat. Er ist es wirklich nach dem Tode selber. Man darf sich diese Dinge nicht so abstrakt vorstellen, daß irgendein unbestimmtes Ich durch den Tod durchschlüpft und dann etwas anderes ist, oder ein bißchen anders ist, sondern wir sind das, was wir getan haben, bis auf die Einzelheiten hin selber. Wir sind nach dem Tode jede unserer Taten. Wir sind jedes unserer Erlebnisse und sagen zu alledem Ich.

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Dagegen wird das Innere ein Äußeres. Alle Gedanken, Gedanken-und Gefühlswelt wird ein Äußeres. So wie jetzt um uns herum entweder die scheinende Sonne mit den Wolken ist oder in der Nacht der Sternenhimmel mit seinen Bewegungen, so sind nach dem Tod um uns herum als unsere Außenwelt unsere Gedanken und unsere Empfindungen. Also das, was wir intim in uns tragen, das gliedert sich der Außenwelt ein nach dem Tode, das erscheint uns in mächtigen Bildern in der Außenwelt. Wir sehen nach dem Tode einen Himmel, an dem uns, so wie vom jetzigen Himmel die Sonne erglänzt, unser jetziges inneres menschliches Wesen erglänzt.

Wenn ich es im einzelnen schildern soll, so ist es so: Ich sagte vorhin, unsere Taten fühlen wir wie eine Sphäre, wie unser Inneres. Was wir in der Welt erarbeitet haben, das gehen wir immer wieder und wieder durch; wie wir gegangen sind, so gehen wir wiederum. Wir sind gewissermaßen nach dem Tode etwas, was in immer vergrößerter Weise

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in einer Sphäre die eigenen Taten erlebt (siehe Zeichnung, blau). Und wir blicken immer zurück auf die Erde (grün). So wie wir jetzt hinausschauen in den Weltenraum zu den Sternen, zur Sonne, so blicken wir dann zurück zur Erde. Und die Erde ist umgeben von den Bildern unserer vorhergehenden Innenwelt (Pfeile). Nicht etwa als ob wir den bloßen Schein unserer Innenwelt erleben würden, sondern wir erleben von dem Orte aus, den wir verlassen haben, uns nachscheinend, diejenigen Dinge, die früher unsere Innenwelt waren, wie von diesem Orte ausströmende Wolkengebilde, auch Sternengebilde und so weiter. Die frühere peripherische Welt, in der fühlen wir uns drinnen, und die

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frühere Welt der Erde, auf der wir standen, fühlen wir wie unsere zentrale Außenwelt. Nach der blicken wir hin. Wir selbst sind dann die Umlaufenden, und die in der Mitte befindliche Erde ist dann dasjenige, zu dem wir hinschauen, und das im Abrollen unser ganzes Innenleben in mächtigen Bildern aufrollt.

Das Äußere wird Inneres.
Das Innere wird Äußeres.

Das geschieht bis auf die Einzelheiten hin.

Wenn man dann aus der sich immer mehr ausbreitenden Sphäre hinunterschaut auf die Erde zurück, dann sieht man von der Erde zurückströmend all die Gefühle, Empfindungen auch, die man anderen Menschen entgegengebracht hat. Das, was man außer in bezug auf Menschen innerlich erlebt hat, das erscheint mehr als Wolkengebilde, aber sternenhaft erscheinen die Empfindungen, die man für Menschen gehabt hat. Die Menschen selber aber, die man im Leben zwischen Geburt und Tod als Gestalten sieht, die Menschen selber, die man auf diese Weise erlebt als Erlebnisse, die bewirkt sind durch die Taten, dies wird eine Welt. Also alle die Menschen, mit denen Sie in Beziehung gestanden haben, werden mit Ihre Innenwelt.

Das ist natürlich durchaus gegenseitig. Jeder Mensch trägt, so wie er jetzt in sich seine Gefühle oder auch sein Herz und seinen Magen trägt, zwischen dem Tod und einer neuen Geburt alles, was sich abgespielt hat äußerlich im Räume und sonst zwischen ihm und den anderen Menschen, mit der Gestalt der anderen Menschen in sich. Von zwei Menschen, die sich gegenseitig nahegestanden haben, trägt der eine, A, das Bild des B, der B das Bild des A als seinen eigenen inneren Gehalt in sich. Das Äußere wird Inneres; das Innere, die Gefühle, die wir erlebt haben, die werden Äußeres, die werden kosmischer Inhalt. Was wir für die Menschen empfunden haben, was wir alles von den Menschen erhalten haben, das strahlt uns von der Erde nach.

Auf diese Weise wird der Mensch tatsächlich zu einer Art Schöpfer dessen, was nach dem Tode um ihn herum ist. Während des Lebens ist es so: Nicht wahr, wir stehen ja immer an irgendeinem Punkte der Welt - ich meine jetzt nicht nur das gewöhnliche triviale in Basel- oder

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in Dornach-Stehen, sondern ich meine das überhaupt als irgendeinen Punkt, irgendeinen Standpunkt in der Welt, den wir haben, sowohl in physischer wie in moralischer Beziehung. Von dem aus sehen wir dann die Welt. So daß wir sagen können: Wir stehen an einem bestimmten Punkte und sehen die Welt von diesem Punkte aus perspektivisch. Das ist etwas Subjektives. Jeder andere hat ja seinen anderen Standpunkt.

Nach dem Tode ist es anders. Da haben die Menschen schon ein Gemeinsames. Sie haben nämlich die Sphäre als ein Gemeinsames. Aber jeder hat ein anderes Innenleben gehabt. Daher umstrahlt sich ihm die Erde in einer anderen Weise, mit anderen Wolken, mit anderen Ster-nengebilden. Es ist so, als wenn alle Menschen an einem einzigen Punkte auf der Erde stehen würden, aber hier für den einen einmal das Bild, für den anderen ein anderes Bild vorhanden sein würde. So etwa kann ich das versinnlichen für die Zustände nach dem Tode.

Der Mensch legt ja mit dem Tode seinen physischen Leib ab. Dieser physische Leib wird - ich habe das auch schon im Zusammenhange mit früheren Darstellungen der letzten Wochen hier auseinandergesetzt - von dem Erdenreich selber aufgelöst. Was aber bleibt, das ist jenes Gewebe, das aus unseren Taten entsteht, indem wir unsere Taten, die Offenbarungen unseres Willens, mit unseren Wahrnehmungen verfolgen. Denken Sie sich, alle Wege, die Sie gemacht haben auf der Erde - nehmen wir also an: als Kind, da sind Sie so irgendwie herumgekrochen, dann gegangen, dann haben Sie eine weite Reise gemacht, alles mögliche, nicht wahr -, das alles, das wird dann Innenleben. Aber das ist nur das äußerste Gerüste.

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Nun, alles das, was Sie da im einzelnen getan haben, alles das webt sich zu einem Gewebe zusammen; das dehnt sich aus, das wird Sphäre, das wird Innenleben. Es wird Innenleben, und daß es Innenleben wird, das verbürgt dem Menschen sein Ich während des Erdendaseins. Denn von der Erde hat er sein Ich oder durch die Erde hat er sein Ich. Daß er alles das, was er auf der Erde tut, nach dem Tode zusammengewebt erhält in einem solchen Wahrnehmungs-Erinnerungsbilde, das bewirkt, daß er sein Ich eben durch den Tod trägt. Dagegen die eigentlichen inneren Erlebnisse, sie werden ja kurze Zeit nach dem Tode nacherlebt, indem sich der Ätherleib erst etwas später löst. Der Ätherleib löst sich aber in den Weltenraum hinaus auf, und das gibt die Grundlage dafür ab, daß alles das, was aus Gedanke und Gefühl so vom Ätherleib aus, aber auch mit dem astralischen Einschlag, gewoben ist, daß das wird zu jenem Wolkengebilde oder auch, wie ich angedeutet habe, Sternengebilde, das die Erde umgibt. Was da von uns abfällt nach zwei Richtungen hin, zur Erde und in den Luftraum gewissermaßen hinaus, das konstituiert unser Inneres und unser Äußeres, indem wir durchgehen durch das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Stellen Sie sich einmal recht lebendig vor, was Sie also für eine Umwelt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt haben. Sie haben Ihr Tun, insofern es dem Willen entströmt, als Ihr Innenleben. Sie haben Ihr Gefühls-, Ihr Gedankenleben als den Kosmos, als die Außenwelt. Nur sehen Sie nicht in den Weltenraum hinaus, sondern vom Welten-

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raume herein auf die Erde, die Ihnen zurückstrahlt diese Ihre inneren Gedankenaspekte. Wenn wir hier zwischen Geburt und Tod leben, haben wir auf der einen Seite das Sonnenleben. Die Sonne steht draußen. Wir stehen auf der Erde. Wir schauen die Sonne an. Nach dem Tode verschwindet die Sonne sofort. Wir sind sie nämlich selber, und was wir selber sind, das sehen wir nicht. Wir gehen einfach in das Sonnenleben über, und das, was ich vorhin beschrieben habe, ist eben der Übergang in das Sonnenleben. Dieses, daß unsere Taten wir selber werden, das hängt damit zusammen, daß wir in das Sonnenleben übergehen. Und indem wir uns von der Erde entfernen, wird eben dasjenige, was wir durch die Erde erlebt haben, das wird jetzt das, auf das wir hinschauen. Hier stehen wir auf der Erde, schauen zur Sonne hin. Wir sehen unter uns die Erde. Das ist wegen der eigentümlichen materiellen Beschaffenheit der Erde. Die Sonne hat keine materielle Beschaffenheit. Was die Physiker darüber aussagen, ich habe ja öfter gesagt, ist nur eitel Phantasterei. Wenn wir gewissermaßen selber in der Sonne sind und zurückschauen, so haben wir hinter uns die ganze geistige Welt, die Hierarchienwelt. Also wie wir hier auf der Erde auf feste Materie schauen, indem wir unter uns hinunterschauen, so haben wir dann zwischen dem Tod und neuer Geburt hinter uns die Hierarchienwelt. Also wir sind Sonne und sehen die wahre Sonne, die ja geistig ist. Die Erde könnten wir Himmel nennen. Nur ist das jetzt eben der Himmel, den die Menschen bereiten aus dem, was sie innerlich leben. Das wird ja auch die Zukunft sein, das wird auch das Jupiterdasein sein. Ich habe das ja anschaulich auseinandergesetzt. All das, was da die Menschen um die Erde herum weben durch ihre Gefühle, durch ihre Gedanken, das wird bleiben. Verschwinden wird das, was heute als materielle Erde da ist, denn das geht unter. Heute kann der Mensch zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sehen, was er da innerlich webt. Nachher, wenn die Erde ihrem Untergang entgegengeht, dann wird das Realität, dann wird das selber eine neue Erde; dann schmilzt die alte Erde weg, und all das, was die Menschen innerlich durchlebt haben, das wird die Zukunft der Erde.

So vollzieht sich die wirkliche Metamorphose. Wir haben ja nur ein äußerliches Abstruses, wenn wir sagen, die Erde geht über in den Ju-

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piter. Wir durchschauen den Vorgang nur, wenn wir wissen: Das, was äußerliche Erdenmaterie ist, schmilzt in den Weltenraum ab, zerstäubt; das, was sich da herumwebt aus unseren Gefühlen, das wird die zukünftige Erde, das dichtet sich immer mehr und mehr, das wird eigentlich der Jupiterplanet.

Nicht wahr, wie wir heute, sagen wir, durch die Geologie hineingraben in die untere Schichte der Erde und zuweilen diese oder jene Schichten aufgraben, die sich vor sehr, sehr langen Zeiten gebildet haben, so wird man in der Zukunft, im Jupiterdasein, einmal erforschen können die einzelnen Schichten, die sich da ergeben haben. Man wird dann also auch allerlei Schichten finden aus den übereinandergeschichteten menschlichen Gefühlen und Gedanken. Man wird zum Beispiel einmal als Jupitergeologe da eine Schichte nach der anderen weggraben und nun, wie der Erdengeologe sagt: Da ist das Rotliegende, das sind die Tertiärschichten - so wird der Jupitergeologe einmal sagen: Ah ja, das ist eine Schichte, die weist uns zurück in eine Zeit, 20. Jahrhundert wurde es von der Erdenzeit genannt, Anfang des 20. Jahrhunderts, das ist die Schichte, die gebildet ist durch all die Schieber, die im 20. Jahrhundert ihre Gefühle und Gedanken fast über die ganze Erde hin entwickelt haben. - Wie wir also jetzt von Silur sprechen, so wird man in der Zukunft sprechen können von der «Schieberschicht». Natürlich wird man auch von anderen Schichten sprechen können. Aber das sind durchaus Realitäten.

Es ist dem Menschen nicht gestattet, das, was er in seinem Inneren erlebt, vergehen zu lassen. Das wird Welt, das ist Werdewelt. Das wird Welt. Und nur das, was in der Zukunft Welt ist, sieht eben der Mensch jetzt schon durch sein Bewußtsein zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Wenn wir hier auf der Erde stehen, verfolgen wir unter den mancherlei Dingen, die in unserer Umgebung sind, ja auch den Mond. Er stellt sich in ganz besonderer Weise in unsere Umgebung hinein. Er gibt uns das Sonnenlicht wieder zurück. Wir erblicken gewissermaßen nur insofern seine Oberfläche, als das Sonnenlicht ihm ein Kleid webt. So daß uns eigentlich, auch wenn der Mond scheint, die Sonne scheint; nur auf einem Umwege erscheinen uns dann die Sonnenstrahlen. Er

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ist gewissermaßen doch als Erdentrabant in einem ganz besonderen Verhältnisse zu uns.

Wenn wir in dem Leben zwischen Tod und einer neuen Geburt sind, so haben wir also zunächst unsere Innenwelt, die Wirkung all unserer Taten, insofern sie im Willen wurzeln, als Innenweltsphäre, den zentralen Kern, umgeben von unseren Gefühlen und Gedanken, die in den Weltenraum hinausstrahlen. Aber so etwas wie der Mond ist auch da. Ich möchte sagen, wir sehen dann den Mond von der anderen Seite. Dieses Leben in der Sphäre hat es ja mit anderen perspektivischen Gesetzen zu tun als unser Leben hier auf der Erde, und manches von diesen perspektivischen Gesetzen ist natürlich schwer zu sagen, weil eben die Erdengesetze so andere sind. Wir sind nämlich zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in einem gewissen Sinne nicht außerhalb des Mondes, sondern innerhalb des Mondes. Wir stehen immer mit dem Inneren des Mondes in einem gewissen Zusammenhang. Wir sind gewissermaßen im Inneren des Mondes. Wie wir hier auf der Erde immerfort dieses zurückgeworfene Sonnenlicht sehen, so sehen wir zwischen dem Tod und neuer Geburt fortwährend das Innere des Mondes.

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Nun, wie gesagt, die Perspektive ist da eine andere. Es ist Ihnen vielleicht am verständlichsten, wenn ich die Sache in der folgenden Weise klar mache: Nehmen Sie an, das wäre die Erde (siehe Zeichnung, hell); da herum kreist der Mond (rot). Nun kommt ja für die Verhältnisse, die wir dann zu erörtern haben für den Anblick nach dem Tode, nicht etwa diese Kugel hier in Betracht, sondern es kommt in Betracht die ganze Mondensphäre. Diese ganze Sphäre, in der er herumkreist, die kommt in Betracht, und sie nehmen wir eigentlich von innen

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wahr. Zunächst entfernen wir uns in der Sphäre von der Erde. Da sind wir natürlich lange Zeit so im Umkreise, daß wir uns innerhalb der Mondensphäre befinden. Zunächst, nicht wahr, sind wir ja innerhalb der Mondensphäre, da und da und so weiter, immer in der Mondensphäre drinnen. Nun kommen wir aber auch außerhalb der Mondensphäre. Da können wir sie jetzt nicht von innen aus sehen. Aber wir sehen sie auch von außen nicht, sondern sie hört auf, dann für uns sichtbar zu sein, für uns wahrnehmbar zu sein. Sie bleibt uns aber als Erinnerung.

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Und das, was wir da zunächst sehen, was gewissermaßen Anschauung ist an der Innenwand des Mondes, der Mondensphäre indem wir hinausgehen, sehen wir es: Was wir dann in der Erinnerung behalten, das ist es, was wir behalten als die Wirkungen eines früheren Erdenlebens in dem späteren Erdenleben. Tatsächlich ist es dieser Mond, welcher die Ereignisse des einen Erdenlebens als Wirkungen gegenüber folgenden Erdenleben hinüber bewahrt. Mit dem Monde und seinem ganzen Geheimnis im Kosmos hängt nämlich das Hinüberleben des Inhaltes des einen Erdenlebens in die nächsten Erdenleben zusammen.

Wir haben hier einen Aspekt, indem wir auf der Erde stehen und in den Weltenraum hinausblicken; das ist der Aspekt zwischen der Geburt und dem Tode. Wir haben einen anderen Aspekt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, indem wir in der Sphäre sind und in den zentralen Kern zurückblicken. Da haben wir eben die Welt, die der unsrigen in einem gewissen Sinne entgegengesetzt ist. Aber durch beide Welten hindurch wird getragen, was gewissermaßen durch den Mond von uns aufbewahrt wird, konzentriert wird und so weiter. Der Mond ist schon in einem gewissen Sinne ein für uns außerordentlich wichti-

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ges Gestirn. Er ist der Vermittler zwischen den einzelnen Erdenleben; natürlich nicht jene Schlacke, die wir hier im Lichtglanze sehen von der Erde aus, sondern in seiner ganzen geheimnisvollen Weltwesenheit ist er das.

Sie sehen, auf diese Weise fügt sich das Leben des einzelnen Menschen mit dem Leben des ganzen Kosmos zusammen. Indem wir hier zwischen Geburt und Tod leben, sehen wir gewissermaßen das, was uns frühere Welten übriggelassen haben, was übriggeblieben ist von Saturn-, Sonnen-, Mondendasein, von früherem Erdendasein. Das alles sehen wir, wenn wir hier sind, umglänzt von den Erscheinungen, die uns als Phänomene umgeben. Das weist uns mehr oder weniger auf die Vergangenheit. All das, was wir im Inneren tragen und was wir selbst auf dieser Erde ausführen, das weist uns auf die Zukunft. Und wir sehen gewissermaßen hereinspiegelnd in die Gegenwart schon diese Zukunft in unseren Erlebnissen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, indem das Innere Äußeres, das Äußere Inneres wird.

Wenn Sie den ganzen Sinn der Darstellungen, die ich in vorigen Wochen hier gegeben habe, nehmen, wie der Mensch sein Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt hereinträgt in dieses Erdenleben, so war es ja etwas Ähnliches. Ich sagte: Was der Mensch mit dem äußeren Kosmos bis in die Konstellation der Planeten äußerlich erlebt, das tritt wiederum auf in seiner Organisation, das tritt wiederum auf in seinem Inneren, und das, was er als Inneres hatte, das wird sein Äußeres. Jetzt nach dem Tode ist es in einer ähnlichen Weise der Fall: Das, was er von sich ausgehend als Außenwelt begründet, das wird sein Inneres; das, was er innerlich erlebt, erlebt entweder durch seine Umgebung, oder erlebt, wie ich sagte, als befriedigende Gefühle oder als Selbstvorwürfe an seinen Taten, diese innere Welt, die wird seine äußere Welt, seine äußere Welt, die ihm wie sein Firmament jetzt - aber es ist zentral - entgegenblickt hinaus in den Weltenraum.

Man kann ja auch sagen, wenn so etwas nicht mißverstanden wird: Des Menschen äußeres Leben wird sein Innenleben, wird sein Sonnenleben, denn er wird ein Bewohner der Sonne; des Menschen Inneres, insofern es auf der Erde erlebt worden ist, wird sein Himmel. Nur ist der Himmel jetzt das, was er unten gewahrt. Die Erde wird Himmel,

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die Sonne wird Erde in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Es ist doch schon so: Wenn diese andere Seite der Welt aus wirklicher Anschauung hinzugefügt wird zu derjenigen Weltanschauung, die ja der heutige intellektualistische Erdenmensch als die einzige betrachtet, dann wird erst das vollständige Bild der Welt vor den Menschen hintreten. Dann wird sich der Mensch eben durchaus anders in der Welt fühlen. Dieses andere Weltenbild ist ja eigentlich das, was in der Anthroposophie geschildert wird, was ich immer schildere - im Gegensatze zu dem passiven Weltbild, das sich der Mensch aus der äußeren Beobachtung bildet - als ein aktives Weltbild, als dasjenige Weltbild, an dem man tätigen Anteil nehmen muß. Sie müssen ja, wenn Sie anthroposophische Bücher lesen, Ihre Gedanken in Bewegung bringen. Wenn Sie einem anthroposophischen Vortrage zuhören, müssen Sie Ihre Gedanken in Bewegung bringen. Derjenige, der nur an Heutiges gewohnt ist, der will da nicht mit, der möchte alles in Ruhe gegeben haben, so daß auch seine Gedanken hur ruhige, passive Abbilder davon sind, daß er da in einer gewissen Weise so etwas schlaf en kann an der Umgebung.

Der Mensch hat hier im Dasein zwischen der Geburt und dem Tode physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich. Das Ich ist es, was wir als das Höchste hier im Erdendasein angeben können. Indem der Mensch nach dem Tode ins Sonnendasein übergeht, ist eigentlich das Ich das Unterste, und er hat als das nächste Gebilde von unten dasjenige, was sich ergibt als Geistselbst, dann Lebensgeist, Geistesmensch, die physisch erst in folgenden Entwickelungsperioden da sein werden, die aber der Mensch in geistiger Beziehung entwickelt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Das Geistselbst ist es in der Tat, was als Bild der Erde hinausstrahlt in den Weltenraum. Das Ich lebt in der Sonne, im Sonnendasein, und das Geistselbst strahlt von der Erde, so wie ich es beschrieben habe, zurück. Die anderen Gebilde sind höhere Gebilde, die dann aus dem Kosmos dem Menschen zukommen, die mit seinem eigenen Inneren zunächst nichts zu tun haben. Dieses, was ihm da entgegenstrahlt, das erscheint in einem neuen Leben; dadurch wird es Lebensgeist. Und das,

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was er als seine Taten hat, wird von einer hohen geistigen Substan-tialität durchzogen, durchzittert Geistesmensch. Das ist etwas, was ihm dann vom Kosmos aus hinzugefügt wird, was er gewissermaßen da draußen empfängt. So wie er, wenn er herunterkommt durch die Geburt, seinen physischen, seinen Ätherleib bekommt, so bekommt er seinen Lebensgeist, seinen Geistesmenschen, wenn er durch des Todes Pforte gegangen ist, als dasjenige, mit dem er dann umkleidet wird. Dagegen stammt wirklich von ihm das, was dann Ich ist - ich habe es hier etwas skizziert. Und das, was ihm hinausstrahlt von der Erde, dieses Geistselbst, ist in der Tat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ein feingewobenes planetarisches Dasein, etwas, was man dann empfindet wie eine umgewandelte Erde, auf die man zurückblickt, die man von Leben zu Leben weiterwebt. So daß dann, wenn die Erde am Ende ihrer Entwickelung angelangt sein wird, der Mensch mit ihr selbst zum Jupiter hinübergehen wird und er gerade durch das, was er da gewoben hat, sein Geistselbst auch auf dem Jupiter physisch wird entwickeln können, denn er hat die Grundlage davon während des Erdendaseins durch sein eigenes Inneres gelegt.

So sind die realen Vorgänge. So vollzieht sich die Entwickelung wirklich. Sie sehen, man braucht nicht äußerlich Worte zusammenzustellen: Erdendasein, Jupiterdasein -, und von außen abstrakt die Dinge zu beschreiben, sondern man kann durchaus, wenn man den Menschen in seiner Ganzheit erfaßt, das Übergehen des einen in das andere schildern. Man muß nur seine Begriffe so gestalten können, daß sie selbst solche Anschauungen erfassen können: wie unsere Gefühle und Gedanken, in uns sich verbreitend, selbst von der Erde planetarisch, sternenhaft in den Weltenraum hinausstrahlen, mit dem wir dann selber leben; wie wir die anderen Menschen, mit denen wir in ein Verhältnis gekommen sind, nunmehr in uns tragen.

Kompliziert ist das Menschenleben. Aber es haben eben diejenigen recht wenig vom Richtigen einen Sinn, die da mit ein paar hinge-pfahlten Begriffen eine Weltanschauung aufbauen möchten. Die läßt sich nur aufbauen aus der Anschauung des Gesamtlebens. Nun ist selbst im kleinsten Käferchen das Leben etwas sehr Kompliziertes, und man sollte sich nur ja nicht vorstellen, daß im ganzen Weltenall, mit dem

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der Mensch als ein Mikrokosmos zusammenhängt, das Leben so gestaltet ist, daß man es mit ein paar hingepfahlten Begriffen umfassen könnte.

Davon wollen wir dann morgen weiter reden.

Der Aufbau des Menschen:
im Erdenleben im Leben zwischen Tod
und neuer Geburt
Ich
Astralleib Geistesmensch
Ätherleib Lebensgeist
Physischer Leib Geistselbst
Ich
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DREIZEHNTER VORTRAG Dornach, 22. Oktober 1921

"Wenn Sie sich noch einmal ansehen den Kursus, den ich 1914 gehalten habe über das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, so werden Sie darinnen manche Angaben finden, die sich ergänzend verhalten können zu demjenigen, was ich in diesen Tagen und Wochen vorbereitet habe. Heute möchte ich insbesondere aufmerksam machen auf jenen Wechsel in den Lebenszuständen, der auch stattfindet zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, wie hier im Leben zwischen der Geburt und dem Tode der Wechsel zwischen Wachen und Schlafen. Wir haben ja unser normales Bewußtsein, das uns eigentlich zwischen Geburt und Tod zu Menschen macht, eben im Wachen, und sind im Schlafe gewissermaßen heruntergestimmt in unserem Bewußtsein. Unser Bewußtsein ist dann unter der Schwelle unseres Wachseins, und wir erleben die Vorgänge, innerhalb welcher wir stehen zwischen dem Einschlafen und Aufwachen, nur dumpf, entweder ganz dumpf im vollen Schlafe, oder so, daß aus dem Schlafe in Form der Träume gewisse Lebensreminiszenzen oder innere Vorgänge des Organismus im Bilde sich darstellen. Ein ähnlicher Wechsel ist nun auch vorhanden in dem Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Nur ist da alles gewissermaßen umgekehrt im Verhältnis zu den Zuständen, in denen wir jetzt sind. Ich habe Ihnen ja gestern geschildert, wie radikal anders der Mensch erlebt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt gegenüber dem Erleben hier auf der Erde. So ist es auch mit diesen Bewußtseinswechselzuständen. Wir haben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt die Erlebnisse, wie ich sie gestern geschildert habe: die Erlebnisse, die uns unser Ich in seinen Taten, seinen Willensimpulsen zeigen. Dieses Bewußtsein, in dem wir unser Ich haben, das ist für diese geistigen Lebenszustände gewissermaßen das normale, wie hier der Wachzustand der normale ist. Wir haben ja gesehen, daß wir hier gewissermaßen aufgebaut sind aus physischem Leib, Ätherleib, astralischem Leib und Ich, dort aus dem Ich, dem Geistselbst, Lebensgeist, Geistesmenschen, in der Anlage zunächst. Das Ich also ist das

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unterste Glied zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Aber so wie wir uns hier innerlich unseres Ich bewußt werden im Wachbewußtsein, so werden wir uns dort in dem mit dem hiesigen vergleichbaren Bewußtsein unseres Ich gewissermaßen wie eines Außenerlebnisses bewußt in den Taten, in den Willensimpulsen, auf die wir zurückschauen, die von uns so erlebt werden, als strahlten sie uns, wie ich es geschildert habe, von der Erde zurück.

Dieser Zustand wechselt nun mit einem anderen, und zwar so, daß wir hier im Erdenleben sprechen können von Wachbewußtsein, Schlafbewußtsein, daß wir dem Wachbewußtsein gewissermaßen auch ein Unterbewußtsein anschließen können, während wir zwischen dem Tod und einer neuen Geburt sprechen müssen von dem eben geschilderten Bewußtsein und einer Art Uberbewußtsein, wo in uns bewußt sind höhere Wesenheiten, beziehungsweise höhere Wesenheiten unser Bewußtsein erfüllen.

Wir sinken in unserem irdischen Schlaf zustand ja zu einer Art von Pflanzendasein herab. Wir steigen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt hinauf in den überbewußten Zustand zu einer Art Erzengelbewußtsein, zu einem Bewußtsein, das über dem unsrigen liegt. Ich sagte, wir haben, wenn wir in unserem Normalzustande sind, gewissermaßen hinter uns die Hierarchien der höheren geistigen Wesenheiten. In diesem überbewußten Zustande bewegen wir uns förmlich zu ihnen zurück. Wir leben dann in ihnen. Wir erfahren von ihnen mehr, als wir sonst als Menschen wissen könnten. Wenn wir zwischen dem Tod und einer neuen Geburt nur das erleben würden, was wir gewissermaßen mit unserem Ich, das uns so nachstrahlt, das aber doch zu uns gehört, erleben - wir würden nicht in der Weise, wie ich es geschildert habe, all die Vorgänge erleben können, die notwendig sind zu erleben, um unseren Organismus in einem neuen Erdendasein wiederum aufzubauen. Das können wir nur dadurch, daß wir diese normalen Bewußt-seinszustände abwechselnd haben mit dem Hereindringen von Wis-senszuständen der Archangeloi in unser Menschenwesen, sogar der Archai, und diese kommen dann auch gewissermaßen wie Erinnerungen in das normale Bewußtsein herein, so wie die Träume hier aus dem Unterbewußtsein in unser Bewußtsein hereinkommen. Wir leben also

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zwischen dem Tod und einer neuen Geburt so, daß wir das gestern beschriebene Bewußtsein haben, aber dazwischen immer überbewußte Zustände, in denen wir auch ein übermenschliches Wissen erlangen, das uns erst die Möglichkeit gibt, wirklich in der Weise unser eigenes Dasein dann im nächsten Erdenleben aufzubauen, wie das eben notwendig ist.

Sie sehen also: Analogien bestehen schon zwischen dem Leben hier zwischen der Geburt und dem Tode und dem anderen Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Aber man muß durchaus die starken, die radikalen Unterschiede in Betracht ziehen, die da zwischen diesen beiden Lebenszuständen bestehen.

Man wird nun in diese Dinge noch genauer hineinsehen, wenn man auch das Vermittelnde zwischen beiden sieht, wenn man sich bekannt macht mit dem, was gewissermaßen als Wesen höherer Art in beide Zustände, in unser Erdenleben und in unser Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt hineinragt. Da haben wir ja zunächst im Erdenleben, indem wir unser Dasein durchwandeln, die äußeren Sinneseindrücke. Wir haben gesehen, wie sich mit diesen äußeren Sinneseindrücken die Willens- und Tatimpulse ineinanderweben. Wir haben aber jetzt zunächst unser Augenmerk zu richten auf die äußeren Sinneseindrücke.

Versuchen Sie einen Augenblick sich vor die Seele zu stellen, wie Sie die ganze Zeit, in der Sie wachend durch das Leben wandeln, eine Summe von äußeren Sinneseindrücken durch die sämtlichen menschlichen Sinne haben, wie sich daraus eben dieser Sinnesteppich webt. Gewöhnlich betrachtet man ja diese Sinneseindrücke nur so, daß man sagt, sie seien an den Dingen; die einzelnen Dinge oder Wesenheiten erscheinen in Färben, die auf die Augen einen Eindruck machen. Andere Wesenheiten tönen, machen also wiederum auf das Hörorgan einen Eindruck. Aber wir wollen uns diese gesamte Welt der Sinneseindrücke einmal vor die Seele stellen und wollen uns fragen, was das in der Wirklichkeit eigentlich ist.

Ich habe Sie schon öfter darauf aufmerksam gemacht: Davon kann gar keine Rede sein, daß hinter diesen Sinneseindrücken etwa jene phantastische Welt von Atomen webte, wie der Physiker sie träumt,

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sondern hinter dieser Sinneswelt ist ein Geistiges vorhanden. Also auch innerhalb der Sinneswelt ist Geistiges vorhanden; nur ist es zunächst für das gewöhnliche Bewußtsein nicht wahrnehmbar. Das gewöhnliche Bewußtsein hat eben diesen Sinnesteppich vor sich. Was ist aber eigentlich in diesem Sinnesteppich enthalten? In diesem Sinnesteppich ist in Wirklichkeit enthalten diejenige Summe von Wesenheiten, die Sie in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß» zusammengefaßt finden als die Geister der Form. Alles, was uns räumlich erscheint, hat eine gewisse Form. Auch die Farbenoberfläche eines Dinges ist es ja, die dem Ding die Form gibt. In demjenigen, was wir da im Räume sinnesgemäß erleben, leben die Geister der Form, dieselben Wesenheiten", welche im Alten Testament genannt werden die Elohim. Das sind ja die Geister der Form.

Wir nennen mit Recht diese Welt der Sinneserscheinungen eben eine Erscheinungswelt, eine Welt der Phänomene. Das ist aber nur deshalb richtig, weil wir Menschen zunächst mit dem gewöhnlichen Bewußtsein von dieser Welt weiter nichts wahrnehmen als eben diese Phänomene, die Erscheinungen, den äußeren Schein; wie der Morgenländer sagt: die Maja. Aber in dem Augenblicke, wo das Bewußtsein aufwacht und imaginativ wird, erfüllt sich diese ganze Sinneswelt, oder besser gesagt sogar, sie verwandelt sich in eine Welt webender Bilder. Diese Welt webender Bilder, sie zeigt sogleich in sich eingewoben die Welt der Angeloi, der Engel. Und kommen wir zur Inspiration, so werden wir ja überall aus dieser Welt heraus inspiriert. Sie verwandelt sich in eine Inspirationswelt. In diese Inspiration weben sich ein die Wesenheiten der Archangeloi, der Erzengel. Die Welt der Intuitionen ist es dann, die wir später erleben. Da dringen wir vor, statt daß wir sonst nur die Sinneswelt vor uns haben, zu der Welt der Archai.

Nun, allerdings, wenn wir um uns herum vorgedrungen sind zu der Welt der Archai, dann ist es uns auch möglich, mit Hilfe dieser Welt der Archai wiederum zurückzublicken auf das, was wir schon aus höheren Hierarchien in früheren Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt erfahren haben. Wir werden gewahr, wie nun hinter den Archai innerhalb dieser Welt die Wesenheiten liegen, die in der Bibel Elohim genannt werden, die Sie in meiner «Geheimwissenschaft» ge-

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nannt finden die Geister der Form. Wir können also sagen: Indem wir durch unsere Sinne hinausblicken in die Welt, blicken wir eigentlich hinein in die Welt der Geister der Form (siehe Zusammenstellung Seite 40): Sinneswelt.

Nun können wir, wenn wir die Sinneswelt vor unsere Seele gerückt haben und da sagen müßten, daß wir mit ihr in der Welt der Geister der Form weben, jetzt wiederum mehr in unser Inneres selbst hineingehen, in jenes Innere aber, das noch mit der Außenwelt in einem sehr innigen Verhältnis steht, das bestimmt ist, die Außenwelt für uns innerlich so abzubilden, daß wir sie erinnerungsmäßig in uns tragen können. Wir können, mit anderen Worten, vorrücken von der Sinneswelt nach dem Inneren zu unserer Gedankenwelt (siehe Zusammenstellung Seite 40).

Die Gedankenwelt nun ist uns ja zunächst gegeben als die Welt der bildhaften Gedanken. Sie werden gar nicht versucht sein, das, was zunächst in Ihnen als Gedanke lebt, so wie es in diesem gewöhnlichen Bewußtsein lebt, als eine Realität anzusehen. Aber geradeso wie in der Sinneswelt sich Realitäten verbergen, nämlich die Realitäten der Geister der Form, so ist es auch mit der Gedankenwelt. Dem gewöhnlichen Bewußtsein sind die Gedanken zunächst eben jene flüchtigen inneren Gebilde, als welche wir sie kennen; aber so wie in dem Gewebe der Sinneswelt geistige Wesenheiten entdeckt werden, wenn wir so, wie ich das beschrieben habe, durch Imagination, Inspiration zu höheren Erkenntnissen aufsteigen, so kann auch innerhalb der Gedankenwelt das Wirken von geistigen Wesenheiten wahrgenommen werden. Diese geistigen Wesenheiten, die sind es auch, welche in den Begleiterscheinungen der Gedanken leben, die in uns sich abspielen, während wir denken.

Sie wissen ja aus früheren Vorträgen, was sich in uns abspielt, während wir denken. Während wir denken, spielen sich in uns fortwährend Prozesse ab, die wir vergleichsweise so schildern können, wie wenn, sagen wir, das Salz in einem Glase Wasser sich auflöst, so daß es völlig aufgelöst ist und das Glas durchsichtig ist. Wenn wir nun das Wasser etwas abkühlen lassen, so trübt es sich, es lagert sich das Salz aus dem Wasser heraus ab. Ebenso finden solche Trübungs-

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prozesse in uns statt, welche Verdichtungsprozesse sind, während wir denken. Es ist durchaus eine Art Mineralisierungsprozeß in uns, während wir denken. Mit diesem Mineralisierungsprozeß in uns, der stattfindet, während wir denken, haben es nun die geistigen Wesenheiten zu tun, die eben eigentlich das Gedankenelement durchweben. Es sind jene Wesenheiten, die wir immer die Archai, die Urkräfte genannt haben. So daß wir wissen können: Leben wir in unseren Gedanken, so sind bei uns innerhalb unseres Gedankenlebens die Archai, wie es innerhalb unseres Sinneswahrnehmens die Elohim, die Geister der Form sind.

In der Außenwelt können dann diese Geister der Form nur durch die imaginative Erkenntnis wahrgenommen werden. Wenn wir die Außenwelt studieren mit dem Bewußtsein, das der Mensch heute als sein normales hat, so kommt er auf sogenannte Naturgesetze. Diese Naturgesetze sind Abstraktionen. Sobald man zur imaginativen Erkenntnis vorrückt, hat man nicht solche abstrakten Naturgesetze, die man in Sätzen formuliert, sondern man hat Bilder, ein Bilderleben. Das sind jetzt nicht dieselben Bilder, von denen ich früher gesprochen habe, sondern das sind nun Bilder, die sich als trübende Bilder, gewissermaßen als tingierende Bilder in die Bilder, die wir bekommen beim Anblicke der Elohim, hineinverdichten. Da haben wir das Wirken der Archai in der Außenwelt. Wir können es in der Außenwelt, wir können es in der Innenwelt verfolgen.

Nun ist es vielleicht ganz besonders nützlich, wenn Sie jetzt weniger nach dem Inneren des Menschen den Blick richten, sondern wenn Sie nach einer Lebensäußerung hinschauen. Der Gedanke lebt zunächst in uns, trotzdem wir durch ihn in einem Verhältnis zu der Außenwelt stehen, trotzdem sich uns die Geheimnisse der äußeren Welt ja durch die Gedanken enthüllen - der Gedanke lebt zunächst innerlich. Aber er spricht sich aus. Er spricht sich aus, wenn wir uns dem anderen Menschen mitteilen. Und die Sprache ist durchaus ein Element im menschlichen Leben, durch das wir unsere Gedanken in eine äußere Erscheinung bringen.

Betrachten wir also nach der Gedankenwelt die Sprachwelt. Ich habe schon öfter darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch natürlich

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mehr von seiner Sprachwelt als von seiner Gedankenwelt erlebt. Diese fließt ein in das Sprechen. Obwohl Wille auch einfließt in das Gedankenelement, so wird das ja nur in sehr geringem Grade vom gewöhnlichen Bewußtsein bemerkt. Aber in das Sprechen fließt, schon bemerkbar für das gewöhnliche Bewußtsein, stark der menschliche Wille ein. Aber das, was in der Sprache eigentlich lebt, das wird doch von dem gewöhnlichen Bewußtsein außerordentlich wenig erfaßt. Es nimmt der Mensch von dem, was im Laute lebt, heute in dem intel-lektualistisehen Zeitalter kaum mehr wahr als etwas Zeichenartiges, als etwas, was ihm etwas anderes bezeichnet. Das innere Leben des Lautes ist ja etwas, was für die gegenwärtige Menschheit sehr hinter das Bewußtsein zurückgetreten ist. Man kann für den heutigen Menschen nur noch hinweisen darauf, wie er sich besinnen kann, wie im Laute, im Tönen der Laute etwas liegt, was man als ein eigenes Lebenselement erfassen kann.

Nehmen wir zum Beispiel ein Wort; wo Sie zwei E darinnen haben: gehen. Diese zwei E in «gehen», in denen kann man, wenn man dafür ein Gefühl hat, gut das ruhige Hinwandeln, das einen nicht aufregt, das ruhige Gehen fühlen. Es ist durchaus in den zwei E dieses ruhige Hinwandeln vorhanden. Wenn Sie an der Stelle des E zum Beispiel ein A haben wie in «laufen», so fühlen Sie in dem Laute A das, was Sie erleben beim nicht gemächlichen Gehen, sondern bei demjenigen, das an Ihr Atmen größere Anforderungen stellt. Sie können fühlen, was Sie im schnelleren Atmen erleben, dadurch, daß Sie das in dem Au zum Ausdrucke bringen. Sie könnten nicht besser erleben das gemächliche Gehen als durch die beiden nun auch gemächlich zu erlebenden E-Laute, und das Laufen in dem Au, das da drinnen ist. Die Sprache hat eine Geistigkeit in sich, und ich habe Sie ja schon zu wiederholten Malen an den verschiedensten Beispielen darauf aufmerksam gemacht, wie die Sprache durchaus einen innerlichen Genius hat. Es lebt also für den heutigen Menschen wenig, aber in den anderen Zeitaltern, wo der Mensch noch für die Laute das richtige innere Erleben hatte, da lebte, mehr bewußt als für die Sinneswahrnehmung und das Denken, die Gedankenwelt, da lebte mehr in der Sprache dasjenige, was man schon fühlen kann als ein geistiges Weben und Leben.

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In dem, was da Sprachelement ist, in dieser Sprachwelt leben nun, geradeso wie in der Gedankenwelt die Archai, die Archangeloi. Und weil sie in dem Sprachgenius leben, sind sie auch das, als was ich öfter die Archangeloi geschildert habe: sie sind durchaus die führenden Geister der Völker, die Volksgeister. Und sie leben sich aus eben in dem Elemente des Sprechens.

Viel mehr als man meint, ist der Mensch nun selber ein Ergebnis seiner Sprache, wie er auf der anderen Seite ein Ergebnis ist seiner Gedankenwelt. Unsere Form haben wir ganz und gar von der Außenwelt, und wir gießen wiederum Form in die Außenwelt mit unserem Willen hinein. Das, was unser Leben ist, das stammt aus derselben Region, aus der unsere Gedanken stammen. Darinnen leben die Archai. Was sich in unserer Sprache ausdrückt, wodurch wir einem Volke angehören, darinnen drücken sich alle jene physischen Eigenschaften aus, die uns nun schon in einem viel stärkeren Maße als Menschen beschränken, als das beim Gedankenelemente der Fall ist. Die Gedanken haben die Menschen gleich, die Sprache haben sie verschieden. Die Menschen differenzieren sich in der Sprache; aber sie haben immerhin in der Sprache etwas gegeben - der Mensch gehört ja einem kleinen oder einem großen Volke an -, was sie mit vielen Menschen gemeinsam haben.

Steigen wir aber herunter zu der Wesenheit der Angeloi, dann hat - wie ich Ihnen ja öfter und auch in diesem Vortrage wiederum auseinandergesetzt habe - der Mensch das singuläre, das individuelle Verhältnis zu seinem Angelos. Dieses individuelle Verhältnis, das der Mensch zu seinem Angelos hat, das drückt sich in einer zweifachen Weise aus. Es drückt sich aus nach innen, wenn der Mensch sich seinem Inneren so überläßt, daß er eigentlich in seinem Inneren selbst über sich hinausgeht. Im gewöhnlichen Leben wird allerdings, weil das ja ein intimes Erleben des Menschen ist, sogleich etwas Luziferisches in die Sache hineinkommen können; aber immerhin: der Mensch kann innerlich über sich hinausgehen und gewissermaßen innerlich etwas Objektives erleben in der Phantasie. Die Phantasie ist ja in vieler Beziehung etwas ebenso Schöpferisches, aber individuell Schöpferisches wie die Sprache, und im Grunde genommen liegt der Sprache die Phantasietätigkeit

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zugrunde. So wie der Mensch gewöhnlich von der Sprache nur etwas Abstraktes erlebt, so wie er den Sprachgenius, der ein Archangelos ist, in der Sprache nicht immer, ich möchte sagen, seine Fittiche entfalten spürt, so nimmt der Mensch auch in der Phantasie - die, wenn sie luziferisch durchwebt wird, zur Phantastik wird -, es nimmt der Mensch auch nicht in der Phantasie wahr, daß eigentlich ein Engel durchschlüpft durch sein individuelles Leben, indem er in der Phantasie lebt.

Der wirkliche Dichter, der wirkliche Künstler, der nicht zum Zyniker oder zum Frivolling oder zum Oberflächling geworden ist, der weiß aber, daß ihn durchsetzt, indem er künstlerisch schafft, eine höhere Geistigkeit. Es ist dieselbe höhere Geistigkeit, die uns eigentlich von Leben zu Leben wie ein individueller Schutzgeist trägt: der Angelos, der Engel. Und es ist durchaus eigentlich das Denken des Angelos, das in die geregelte menschliche Phantasie hereinspielt. Man kann durchaus in gewissen Aussprüchen Goethes, ich möchte sagen, in einer dezenten Form erkennen, wie er sich bewußt ist, daß eigentlich ein Unbewußtes da hereinspielt, das aber eben in der Phantasie real wirkt.

Wenn der Mensch nun aber nicht innerlich aus sich herausgeht, sondern im Schlafe wirklich aus sich heraus ist, und er im Schlafe dann eindringt in die Region, in der sonst die wachende Phantasie wurzelt, dann kündigt sich dasselbe, was sich in der Phantasie besonnen ankündigt, mehr unter dem Bewußtsein an als das Träumen. Geradeso wie die Phantasie zur Phantastik ausarten kann, wenn sie luzif erisch durchsetzt wird, so kann das Träumen ausarten zu allem möglichen Irregulären, das der Mensch dann sogar für eine Realität hält, indem ahri-manische Einflüsse auf das Träumen stattfinden. Das Träumen als solches geht ja in die luziferische Region hinein, kann aber ahrimanisch durchsetzt werden. Aber eigentlich lebt in unseren Träumen, wenn sie, möchte man sagen, unschuldig und rein menschlich sind, wiederum das, was wir den Angelos nennen, diejenige Wesenheit, die also auch in der Phantasie uns durchsetzt, wenn wir innerlich gewissermaßen aus uns herausgehen.

Nun schattet sich die Sprachwelt, die der Erzengel beherrscht, nach

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innen ab zu einer Welt, die zwischen Gefühl und Gedanken mitten drinnen lebt: zu der Welt der Vorstellungen; man könnte auch sagen: zu der Welt der gefühlsmäßigen Vorstellung (siehe Zusammenstellung). Die Phantasie und das Träumen schatten sich ab zu der Welt der Gefühle selbst - Gefühle und desjenigen, was in den Gefühlen lebt als Willensmäßiges; wir könnten auch sagen: willensmäßige Gefühle.

Indem wir nun aber weiter herabsteigen, von dem Angelos weiter nach abwärts steigen, wohin kommen wir da? Nun, da kommen wir zu uns selbst, da kommen wir zum menschlichen Ich. Im menschlichen Ich, da müssen wir nun in einer intensiveren Weise aus uns herausgehen, als wir dann aus uns herausgehen, wenn der Angelos in uns lebt. Und dieses Herausgehen findet statt, wenn wir eben Willensimpulse in äußeren Handlungen ausführen, wie ich gestern gezeigt habe.

Elohim, Geister der Form: Sinneswelt
Archai: Gedankenwelt
Archangeloi: Sprachwelt: Gefühlsvorstellung
Angeloi: Phantasie. Träumen: Willensmäßig, Gefühl
Menschliches Ich: Willenshandlung: Wille

Wir sind durchaus, wenn wir träumen, außer uns, aber wir gehen nur geistig aus uns heraus. Wir gehen in der Willenshandlung zwar nicht physisch aus uns heraus, aber wir bringen unseren physischen Leib in Bewegung, und auf diesen Willensimpulsen beruht eigentlich das Ich. So daß wir sagen können: In der Willenshandlung lebt - nun, es lebt eben der Wille in der Willenshandlung, und der Wille, der gräbt sich gewissermaßen in die Außenwelt ein. Wir sind hinuntergelangt bis zur physischen Welt. Wir entwickeln uns eigentlich in der physischen Welt selbständig nur in unseren Willenshandlungen. Nur in demjenigen, was uns dann im Tode verbleibt als das, was ich gestern als die Summe aller unserer Aktionen aufgezeichnet habe, da lebt unser Ich, auf das wir dann zurückschauen. Aber in allem anderen, in Phantasie und Träumen, in der Sprachwelt, in der Gedankenwelt, im Sinnesinhalte leben eigentlich höhere Geistigkeiten, die uns als Menschen fortwährend durchsetzen.

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Sehen Sie, nun haben Sie aus dem gewöhnlichen Leben herausgeholt die Beziehung des Menschen zu dem geistigen Kosmos. Nun können wir aber auch noch durch die folgende Vorstellung dem nahekommen, was sich der Geisteswissenschaft aus der übersinnlichen Anschauung ergibt. Nehmen Sie einmal Ihr Leben in der Sinneswelt. Sie gehen durch diese Sinneswelt hindurch. Sie haben jetzt gewisse Eindrücke. Sie können sich vielleicht an diejenigen Eindrücke, die Sie jetzt haben, morgen noch erinnern. Ich will ja nicht sagen, daß das jeder tut, denn ich weiß nicht, ob man annehmen darf, daß zum Beispiel jeder, der hier sitzt, morgen noch ein inneres Erlebnis von dem hat, was er hier heute als Vortrag hört! Aber im allgemeinen kann man doch sagen, daß das, was der Mensch aus seiner Umgebung herein wahrnimmt, dann in seinem Inneren als Erinnerung weiterlebt.

Ich möchte Ihnen das einmal, damit wir etwas weiter kommen in dieser Betrachtung, schematisch aufzeichnen. Es sei hier schematisch gezeichnet die Welt der Umgebung (siehe Zeichnung, hell); hier sei der Mensch (rot). Das, was Welt der Umgebung ist, lebt nun im Men-

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schen weiter. Es lebt auf seelische Art weiter. Das, was Sie mit der Umwelt zusammen erleben - ich habe es hier aufgezeichnet -, das lebt als seelische Welt in Ihnen weiter. Sehen Sie, das ist in gewissem Sinne ein sehr abstraktes Erlebnis zunächst. Wenigstens lebt die Umwelt, die wir ja nur in der Form des sinnlichen Scheines erleben, sie lebt in den abstrakten Seelenerlebnissen, in Gedanken, Gefühlen weiter, die dann Willensimpulse anregen. Aber Sie können doch sagen - wollen wir das ganz genau vor unsere Seele führen -: Was ich im Inneren

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seelisch mit mir trage, ist das Ergebnis meines Erlebens zwischen Geburt und Tod respektive zwischen der Geburt und dem jetzigen Augenblick.

Nun wenden wir aber unseren Blick auf dasjenige, was wir nicht bloß so seelisch abstrakt in uns tragen, so bildhaft in uns tragen, sondern wenden wir den Blick auf das, was wir, ich möchte sagen, materiell konkreter in uns tragen: auf die innerhalb unserer Haut liegenden Organe, Lunge, Herz, Leber und so weiter. Das ist nun auch etwas, was wir innerlich in uns tragen. So ein richtiger Mystiker wird sagen: Das interessiert mich ja gar nicht. Mich interessiert nur das Geistige, das Seelische. Ich bin schon zufrieden, daß ich von der Umwelt meine seelischen Eindrücke in mir trage. Das Materielle ist mir viel zu minder, zu unwichtig. -Ja, aber darin, in solcher Rede zeigt eben der Mystiker gerade, wie tief materialistisch er eigentlich noch ist; wie er noch nicht weiß, daß das, was scheinbar materiell auftritt, eigentlich in Wirklichkeit ein Geistiges ist. Nicht nur das, was wir in abstrakter Weise in uns tragen als seelische Erlebnisse, die Nachklänge sind der äußeren Erlebnisse zwischen Geburt und Tod, nicht nur das ist Geistiges, sondern geistig ist auch unsere Lunge, unsere Leber. Sie erscheinen uns nur, unserem gewöhnlichen Bewußtsein, in materieller Form; sie sind durchaus Geist-Ergebnisse. Wenn Sie in Ihrem Kämmerchen sitzen, da fällt Ihnen ein: Der Mensch besteht aus physischem Leib, Ätherleib, astralischem Leib, Ich. - Das haben Sie als Ihren innerlichen Besitz. Einmal war es Äußeres. Es ist zum erstenmal, meinetwillen aus einem Buch oder einem Vortrage, also von der Außenwelt heraus an Sie herangekommen, ich habe das schematisch hier aufgezeichnet. Sie tragen aber auch Lunge, Herz, Leber, Gehirn und so weiter in sich, materiell innerlich. Das tragen Sie auch als ein Ergebnis von Erlebnissen in sich. Wenn Sie also einfach schematisch den Menschen aufzeichnen würden mit seinen einzelnen Organen (siehe Zeichnung oben), so

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ist dieses Innere das Ergebnis von alldem - natürlich nicht der physischen Materie, die erst kommt mit der Konzeption, Geburt und so weiter, sondern seiner Form, seinem inneren Organisiertsein nach ist es das Ergebnis dessen, was zwischen dem Tod und neuer Geburt durchlebt wird. So wie Sie hier hören, was ich rede, und das dann Ihr seelisches Erlebnis wird, so wird Ihr Herz, Ihre Lunge, Ihre Leber Ergebnis dessen, was Sie zwischen dem Tod und einer neuen Geburt durchleben. Wir können also sagen: Was ich im Inneren körperlich organisiert in mir trage, ist Ergebnis meines Erlebens zwischen Tod und neuer Geburt.

Was ich im Inneren seelisch mit mir trage,
ist Ergebnis meines Erlebens zwischen Geburt und Tod.
Was ich im Inneren körperlich organisiert in mir trage,
ist Ergebnis meines Lebens zwischen Tod und Geburt.

Natürlich wird der Materialist einwenden: Das alles, was da als Organe im Menschen ist, ist ja physisch ererbt von den Vorfahren. - Das ist ein vollständiger Irrtum. So ist es nicht. Gewiß, die Materie ist ererbt von den Vorfahren, aber das, was Keim ist, wird ja gewöhnlich ganz falsch angesehen. Es muß auch, wenn man es nur materiell anschaut, falsch angesehen werden. Denn die Befruchtung besteht nicht darin, daß der Mensch materiell von den Generationen heruntergeholt wird, sondern daß gewissermaßen leerer Raum entsteht, daß im Menschen Materie abgebaut wird und das ganze Universum hineinbaut in den Menschen. In diesen Geistbau - Lunge, Herz, Leber sind durchaus Geistbau -, in den schiebt sich dann die Materie hinein. Aber das, was organisierende Kräfte sind, das ist durchaus aus dem ganzen Universum, aus dem Erleben zwischen Tod und neuer Geburt heraus gestaltet. Das ist es eben, was der Mensch in der Weise; wie ich es vorhin geschildert habe, in dem überwachen Bewußtsein erlebt, wenn wir hinaufgehoben werden in die Region der Archangeloi und Archai. Er erlebt bewußt - überbewußt, muß man sagen, zwischen Tod und neuer Geburt das, was er dann in seine Organe hineinbaut.

Unsere Organe sind durchaus so gebaut, daß sie unserem Karma entsprechen, daß sie dem entsprechen, was wir aus früheren Erdenleben mitbringen. Was also scheinbar in der Generationenfolge als

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bloße physische Vorgänge sich abspielt, das sind nicht bloße physische Vorgänge, sondern das sind Vorgänge, die durchaus von dem ganzen Universum bewirkt werden.

Ich habe ja oftmals schon ein Bild gebraucht, mit dem man sich helfen kann, wenn eben gewöhnliche materialistische Triviallinge kommen und sagen: Erkläre uns nur nicht die Entstehung des Menschen im Leibe der Mutter durch das ganze Universum, führe uns ja nicht ins Universum hinaus; das mußt du eben durch die Kontinuität des Keimplasmas durch die Generationen hindurch erklären. - Ich habe gesagt, man kann sich da so behelfen, daß man sagt: Irgend jemand hat eine Magnetnadel, die weist nach Norden und nach Süden. Nun kommt einer und sagt: Da gibt es verrückte Physiker, die sagen, daß die ganze Erde ein Magnet sei und daß der magnetische Erdsüdpol diesen Pol zu sich hinzieht. Die Gründe, daß die Magnetnadel sich so stellt, die darf man nur in der Magnetnadel selber suchen. Was geht da die Erde diese Magnetnadel an! - So ungefähr aber sprechen heute unsere Biologen, wenn sie von dem Keim sprechen. Sie schauen nur auf den Keim hin. Geradeso wie aber in der Magnetnadel die ganze Erde tätig ist, so ist das ganze Universum beim Gestalten des Keimes tätig. Nur liegt natürlich der Anteil, den der Mensch daran hat, zurück im Unbewußten.: Sie sehen, der Mensch wird, wenn man die Sache so betrachtet, mit seinem ganzen Dasein an ein materielles und an ein geistiges Universum angeknüpft. Wir sagen uns: Im Erkennen, im gewöhnlichen bewußten Erleben machen wir die Außenwelt zu einer Innenwelt. Von einem gewissen Gesichtspunkte aus habe ich Ihnen gestern gesagt: Wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht, so wird das Innere Äußeres, das Äußere wird Inneres. Nun habe ich Ihnen heute einen anderen Gesichtspunkt vorgebracht, aus dem Sie ersehen können, wie das, was vor der Geburt beziehungsweise vor der Konzeption liegt, so zu behandeln ist, daß wir unser körperliches Inneres in der Außenwelt suchen müssen, in seinen vorbereitenden Prozessen in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt: Das Äußere wird Inneres. Das, was wir gewissermaßen in Ausbreitung im ganzen Universum erleben, das wird tief unbewußtes Erlebnis in unseren Organen.

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Diese Organe in uns sind ja in der Tat so, daß in ihnen eine ganze Welt lebt. Und wenn wir einzig und allein das betrachten, was die äußere Anatomie und Physiologie gibt von unseren inneren Organen, so haben wir da eigentlich eine viel stärkere Maja vor uns, als wir in der äußeren Welt vor uns haben.

Weun wir in die Sinneswelt hinausblicken, sägte ich Ihnen, blicken wir bis zu den Elohim hin. Wenn wir aber jetzt in unser körperliches Innere hinunterschauen, da müssen wir für das, was nun in uns so lebt, daß es unsere Organe bildet, weiter hinaufsteigen. Sie wissen ja, Sie finden in meiner «Geheimwissenschaft» über den Geistern der Form andere Wesenheiten. Und diese anderen Wesenheiten, die sind nun nicht etwa bloß außerhalb des Menschen, sondern sie wirken im Menschen. Von ihnen erfahren wir zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, indem wir uns allerdings mit dem eigenen Bewußtsein nur hinaufleben bis zu den Archai, aber wir erfahren da durch die Archai von diesen Wesenheiten. Und in diesem Überbewußtsein erfahren wir von ihnen das, was wir dann in unsere Organisation hineingießen. Wir tragen tatsächlich die Welt der Hierarchien in unserer inneren Gestaltung mit durch das Leben.

Solche Dinge kann man heute wieder erforschen. Solche Dinge hat man aus einem gewissen instinktiv hellseherischen Bewußtsein in alten Zeiten gewußt, in jenen Zeiten, in denen man davon gesprochen hat, daß der menschliche Organismus ein Tempel der Götter ist, in solchen Zeiten, in denen man gerade innerhalb des menschlichen Mikrokosmos durch die Deutung dieses Mikrokosmos versucht hat, sich Erkenntnis zu verschaffen von der ganzen Welt.

Ist es denn nicht so, daß wir von der Welt, die wir, seit wir zum Bewußtsein gekommen sind hier im Erdenleben, die wir da als unsere Welt durchlebt haben, durch unsere Erinnerung wissen? Wir können uns einmal besinnen auf alles das, was wir nur herausbringen können aus unserer Erinnerung. Wir blicken da in unser Inneres und wir haben die Welt, die wir äußerlich erlebt haben, in uns, können gewissermaßen diese Bilder, die wir da in uns seelisch tragen, so anschauen, daß dieses Leben da draußen in diese Bilder eingeflossen ist. Wir verstehen unser Erleben neuerdings, wenn wir zurückblicken auf diese Erinnerungs-Bilder

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Blicken wir jetzt auf unsere körperliche Organisation, verstehen wir diese körperliche Organisation, dann verstehen wir dadurch den Weltenprozeß. Durch unsere Erinnerung im Inneren verstehen wir unser Erleben. Durch unsere gesamte menschliche Organisation verstehen wir, wenn wir sie richtig anzuschauen wissen, den Weltenprozeß. Aber das ist erst Anthroposophie, wenn man den Menschen durch und durch verstehen kann.

Aber Anthroposophie ist damit zu gleicher Zeit Kosmosophie. Denn so wie Erinnerung von uns Vergegenwärtigung unseres Lebens ist, so ist anthroposophische Erkenntnis Welterinnerung, Vergegenwärtigung des gesamten Weltenprozesses, Kosmosophie. Beide sind in Trennung voneinander gar nicht zu denken. Kosmosophie und Anthroposophie gehören zusammen. Der Mensch ist in der Welt, die Welt im Menschen zu finden. Daher ist es auch nicht Anthropomorphismus in meiner «Geheimwissenschaft», wenn, indem die Entwickelung gegeben ist durch Saturn, Sonne, Mond und so weiter, zu gleicher Zeit eine Menschheitsentwickelung gegeben ist. Weltenentwickelung ist gegeben, Menschheitsentwickelung ist gegeben, weil, je weiter man eindringt in die Geheimnisse des Daseins, um so mehr fließen Welt und Mensch zusammen; um so mehr zeigt sich, daß jene Trennung, die wir für unser Erdenleben haben zwischen Welt und Mensch, eigentlich nur eine Täuschung ist; daß der Mensch der Welt, die Welt dem Menschen angehört, in der Welt der Mensch, im Menschen die Welt zu finden ist.

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VIERZEHNTER VORTRAG Dornach, 23. Oktober 1921

Es wird gut sein, um eine Erweiterung zu bekommen zu den Ausführungen, die in der letzten Zeit hier von mir gemacht worden sind, zunächst einmal zurückzublicken in der Menschheitsentwickelung auf Zeiten, in denen das, was wir heute erkennen nennen, einen ganz anderen Charakter hatte. Wir haben ja von diesem anderen Charakter der menschlichen Erkenntnis in früheren Zeiten schon gesprochen. Allein mit dem, was wir nun in den letzten Vorträgen hier gewonnen haben, werden wir noch manches Licht auf schon Bekanntes werfen können.

Die menschliche Erkenntnis hat eigentlich einen ganz anderen Charakter angenommen, als sie früher hatte, in der Zeit, als das Griechentum, das Römertum in die Geschichte eingetreten ist. Was dem Griechentum, dem Römertum im Oriente, in Afrika vorangegangen ist an Erkenntnis, war eben ganz anderer Art als das, was dann zunächst in einer großartigen Weise durch die Griechen inauguriert worden ist, was durch die Römer abstrakt gemacht worden ist, und was dann in der neuesten Zeit immer mehr in den Materialismus hineingeführt worden ist. Es ist etwa der Beginn des 8. vorchristlichen Jahrhunderts, in dem die Erkenntnis einen solchen Charakter annimmt, wie er, allerdings mit wesentlichen Modifikationen, auch heute vorhanden ist. Wir konnten bisher die ältere Erkenntnis hauptsächlich in der Weise charakterisieren, daß wir sagten: Es war eine Art instinktiven Schauens. Es war nicht ein Erkenntnisleben in Begriffen, es war ein Erkenntnisleben in Bildern, die zwar nicht vollständig ähnlich sind unseren Traumbildern, weil sie sich ja auf geistige Wirklichkeiten bezogen, die aber doch eben in der Seele lebten nicht mit der Bestimmtheit unserer heutigen Begriffswelt, sondern die mehr in der Form vorübergehender Bilder eben im Bewußtsein vorhanden waren.

Diese Erkenntnis bezog sich aber nun nicht eigentlich auf das, was heute Inhalt unserer Erkenntnis ist, sondern sie bezog sich mehr auf diejenigen Welten, aus denen sich der Mensch als aus den Urwelten

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heraus gebildet hat, in denen er noch so enthalten war, daß er sich wenig von ihnen abtrennte. Der Mensch war während der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung noch völlig ein Glied der ganzen übrigen Welt. Aber auch während der älteren Erdenentwickelung war die Persönlichkeit noch nicht abgegliedert von dem allgemeinen Weltinhalt. Der Mensch fühlte sich gewissermaßen in dem allgemeinen Welteninhalt drinnen. Sobald der Mensch von seiner eigentlichen intellektuellen Erkenntnis, von der Kopferkenntnis abkommt und es etwa so macht, wie noch gewisse orientalische Schulen, die sich durch Atmungsprozesse eine Art von Erkenntnis zu erringen suchen, da ist es ja auch sogleich so, daß dieses scharfe Sich-Abtrennen von der Welt nicht mehr vorhanden ist. In dem Augenblicke, wo der Mensch heute die antiquierten Jogaübungen, die aber immer noch vorkommen, macht, fühlt er sich sogleich in seiner Persönlichkeit herabgesetzt und herabgedämpft, er fühlt sich selber, ich möchte sagen, wie ein Hauch der Welt.

Solch einen Charakter hatte eben die Erkenntnis in jener älteren Zeit auch, wo aber der Mensch durch diese: bildhafte Erkenntnis durchaus deuten konnte in dem Sinne, wie ich das gestern auseinandergesetzt habe - sein eigenes physisches Innere. Wir haben ja gestern darauf aufmerksam gemacht, wie der Mensch heute seine Umgebung aufnimmt, wie er sie dann als Vorstellung bewahrt, wie das dann sein Inneres ist, und er aus diesem Inneren heraus gewissermaßen ein Bild seiner Welt zwischen der Geburt und dem jetzigen Augenblicke repräsentieren kann. So repräsentiert dasjenige, was wir als Organe, als Ge^ hirn, Lunge, Leber in uns tragen, den ganzen Weltinhalt. So wie man aus einer Erinnerungsvorstellung einen Vorgang deuten kann, den man erlebt hat, so wie man also als Vorstellung diesen Vorgang in sich trägt, so trägt man in seinen inneren Organen, in Lunge, Herz und so weiter die ganze Welt in sich. Und die alte Weisheit hat darinnen bestanden, daß man diese einzelnen Organe gedeutet hat, daß man sie bezogen hat auf den ganzen Weltinhalt.

Es war im wesentlichen die ältere, noch bis in das 9. vorchristliche Jahrhundert herein dauernde Erkenntnis eine solche, die aus dem inneren physischen Wesen des Menschen, physisch-ätherischen Wesen des

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Menschen - man sah natürlich das Innere anders, als es ein heutiger Anatom oder Physiologe sieht - sich den Weltinhalt deutete. Jedes einzelne innere Organ wurde auf etwas in der Außenwelt bezogen, aber es war dieses innere Organ von innen aus erlebt. Man erlebte also den Gehirnbau in mächtigen Bildern, und die Bilder bezog man wieder auf die ganze Himmelssphäre, so daß man in der Tat durch diese alte Erkenntnis aus dem in der atavistischen Imagination angedeuteten Gehirnbau sich eine Vorstellung machte von der ganzen Himmelssphäre. Und was in der alten Weisheit enthalten ist über die Welt, ist im wesentlichen aus solcher Deutung des inneren Menschen entstanden.

Nun kann man aber eigentlich nicht einmal sagen, daß das, was da als Erkenntnis lebte, eine richtige menschliche Erkenntnis war. Richtige menschliche Erkenntnis, wenn sie auch durchaus nicht sein soll trockener reiner Intellektualismus, als was sie heute vielfach angesehen wird, ist doch nicht denkbar ohne Intelligenz. Jene alte Weisheit war aber durchaus ohne eine vom Menschen zustande gebrachte Intelligenz, so daß man gar nicht sagen kann, diese alte Weisheit war eine eigentliche menschliche Erkenntnis. Der Mensch nahm gewissermaßen nur teil an einer Erkenntnis, die eigentlich andere Wesen in ihm hatten. Und dies waren Wesen, die zur Hierarchie der Angeloi gehörten. Ein solcher Angelos durchseelte den Menschen und der war es eigentlich, der diese alte Erkenntnis hatte. Der Mensch nahm nur daran teil. Er sah gewissermaßen in das Innere dieses Angelos hinein. Daher nahm er teil an dem, was der Angelos erkannte. Daher hatte auch der Besitzer jener alten Weisheit eine sehr unbestimmte Anschauung von dem, wie er zu seinen Erkenntnissen kam. Er sagte sich einfach: Das ist Eingebung, das ist da - weil er selber diese Erkenntnis nicht zustande brachte, weil das Engelwesen in ihm diese Erkenntnis zustande brachte.

Aber dieses Engelwesen war auch kein solches, wie wir es in diesen verflossenen Tagen jetzt hier von dem normalen Engelwesen, das den Menschen begleitet durch die verschiedenen Erdenleben hindurch, angenommen haben, sondern dieses Engelwesen hatte einen luziferischen Charakter. Es war gewissermaßen mit seinem ganzen Wesen, mit seiner ganzen Gesinnung zurückgeblieben auf einer früheren Stufe der

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Entwickelung, auf der Stufe der Mondenentwickelung. So daß man sagen kann: Wesenheiten, die während der Mondenentwickelung eigentlich ihre normale Menschheitsstufe hätten durchmachen sollen, luziferische Wesenheiten beseelten oder durchseelten den Menschen für die ältere Weisheit, und der Mensch nahm an dem, was dieses Engelwesen in ihm erlebte, teil. Es war das, was da der Mensch als eine solche Weisheit bekam, eine außerordentlich hohe Erkenntnis. Es war diejenige Erkenntnis, die eben als eine sehr vollendete während der Mondenentwickelung dem Engelwesen zuteil geworden war, aber es war eben keine Erkenntnis, die eigentlich für den Menschen so geeignet war, daß er auf der Erde etwas damit anzufangen wußte. Auf der Erde benahm sich der Mensch mehr oder weniger instinktiv, ich möchte sagen, wie ein höheres Tier benahm er sich. Und dann leuchtete aber in dieses gleichsam noch höhere Tierwesen diese hohe Weisheit herein, diese hohe Weisheit, die abdämmerte, als das 8. vorchristliche Jahrhundert heraufzog.

Diese Weisheit, die ja in dem angedeuteten Sinne durchaus einen luziferischen Charakter hatte, erstreckte sich eigentlich nur auf alles das, was den Menschen als einen Angehörigen außerirdischer Welten erkennen ließ. Der Mensch hatte sozusagen mit seiner Erkenntnis die Erde noch gar nicht in Wirklichkeit betreten. Er fühlte sich noch innerhalb höherer Sphären mit seiner Weisheit, und auf der Erde hantierte er instinktiv.

Dann trat immer mehr und mehr dasjenige ein, was eben mit der Verstandes- oder Gemütsseele heraufkommen konnte. Der Mensch begann in sich selber den Verstand rege zu machen. Der Mensch begann Begriffe auszuarbeiten. Die griechische Kultur zeichnete sich dadurch aus, daß sie eigentlich durchaus aus alten Zeiten noch, ich möchte sagen, jene Engelweisheit hatte, aber sie durcharbeitete mit menschlichen Begriffen. Und eine solche Weisheit wie die Weisheit Platos, die macht auf uns eben einen so großen Eindruck aus dem Grunde, weil bei Plato schon vorhanden war das subjektive Erarbeiten der Begriffs- oder Vorstellungswelt, zugleich aber hereinstrahlte in dieses Erarbeiten die alte instinktive Weisheit. Daher die Platonischen Schriften in einer so wunderbaren Weise höchste Weisheit verbinden mit dem, was doch schon

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im Elemente des Menschlich-Persönlichen lebt. Und man kann sich, wenn man die ganze Seelenverfassung Platos ins Auge faßt, gar nicht denken, daß er in einer anderen Form als in der Dialogform seine Weisheitsbücher abgefaßt haben könnte, aus dem einfachen Grunde, weil er deutlich spürte, was der ältere Mensch unbestimmt empfand. Der ältere Mensch sagte sich: Die Weisheit ist einfach da, sie erfaßt mich, sie strahlt in mich herein. Plato fand sich selbst in einer Art von Wechselgespräch mit dem Wesen, das in ihn herein die Weisheit brachte. Wie im Dialog erlebte er selber die Weisheit, daher er sie auch am liebsten im Dialog zum Ausdruck brachte.

Dann aber ist rasch dies gekommen, daß sich diese Begriffstätigkeit verstärkt hat. Und bei Aristoteles sehen wir schon durchaus die Erkenntnis uns in Form eines theoretischen Gewebes entgegentreten.

Dann gewinnt immer mehr und mehr in dem vierten nachatlan-tisciien Zeitraum ein gewisses Kulturelement den größeren Einfluß, das wir so bezeichnen können, daß wir sagen: Es fühlten die Menschen, daß einmal eine alte Weisheit die Seele durchsetzt hatte. Sie fühlten, daß zu ihnen heruntergestiegen waren übermenschliche Wesenheiten und die Weisheit gebracht hatten. Aber sie fühlten auch, wie diese Weisheit sich verabstrahierte. Sie konnten das nicht mehr erfassen; es entströmte ihnen, was ehedem aus geistigen Welten heruntergeflossen ist.

Dieses Betätigen des menschlichen Verstandes, der dann alles ins Abstrakte hineingestaltete, das finden wir insbesondere im Römertum. Das Römertum entwickelte ja ein trockenes, ein abstraktes Wesen, ein bildfremdes Wesen, ein Wesen, das in den Verstandesformen leben wollte. Während wir durch den Griechen noch immer das Gefühl haben: die Göttergestalten, also das, was als Elementares der Welt, der Natur zugrunde lag, das habe ein inneres Leben, sind die römischen Götter Abstraktionen, haben einen starren, steifen Begriffscharakter. Das logische Wesen nimmt überhand gegenüber dem früheren imaginativen Wesen, das noch in Griechenland so stark ausgebreitet war. Alles, was die Römer noch an Imagination gehabt haben, entstammte ja Griechenland. Die Römer haben das Prosaelement, das Element der Logizität hinzugebracht und haben es dann auch als Romanismus in

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die späteren Zeiten fortentwickelt, daher dann die lateinische Sprache jenen logischen Charakter angenommen hat, durch den sie so lange Zeit hindurch kulturgestaltend gewirkt hat.

Aber eines hat sich erhalten, durch das Griechentum noch lebendiger, durch das Römertum etwas toter, aber es hat sich dann fortgepflanzt auch in die nachchristlichen Jahrhunderte bis ins Mittelalter herein, ja sogar bis zu der Morgendämmerung der neueren Zeit: es hat sich fortgepflanzt die Tradition der alten Weisheit. Und mehr als die Menschen heute denken, hat sich die Tradition dieser alten Weisheit fortgepflanzt.

Man konnte doch nicht das, was sich für die Sinne ringsherum ausbreitete, mit dem Verstande gleich erfassen. Man suchte das Traditionelle mit dem Verstande zu erfassen. Dadurch aber gewann das, was früher ein innerlich belebendes luziferisches Element war, einen sogar äußerlichen ahrimanischen Charakter. Das ist aber die Maske. In Wahrheit ist es ein luziferisches Element, das sich durch Tradition fortpflanzt. Und was wir von der Zeit des römischen Kaisertums an durch die folgenden Jahrhunderte an Romanismus sich fortpflanzen sehen, was dann sehr stark durchtränkt wird vom germanischen Elemente, was sich aber doch bewahrt in der Tradition, das ist ein im wesentlichen luziferisches Element. Das luziferische Element wirkt weiter. Es wird natürlich dadurch, daß es herunterströmt bis in das Gedankenwesen, seines ursprünglichen Charakters entkleidet. Es geht in Gedankenform auf. In der lateinischen Sprache lebt, ich möchte sagen, auf ahrimanische Art ein luziferisches Element weiter.

In der griechischen Kunst ist dieses Element noch durchaus lebendig. Dann wird es mehr oder weniger starr, und es ist interessant zu verfolgen, wie es sich fortsetzt in die Theologie hinein, die eine Lehre von übersinnlichen Welten ist, aber die übersinnlichen Welten selber doch nicht hat, die übersinnlichen Welten nur der Tradition nach hat. Und so entsteht diejenige Geistesströmung, die im wesentlichen eine Art luziferische ist und die die alte Anschauung des Übersinnlichen ins Theologische herüberführt.

Das Christentum selber wird in die Maschen dieser Theologie hineingezogen. Das Christentum wird theologisiert. So wie in der römi-

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schen Sprache ein Logisieren eintritt, so tritt mit dem Christentum ein Theologisieren ein. Aber das eigentliche lebensvolle Element des Christentums geht da in einem luziferischen Element, das eine ahrimanische Maske trägt, unter. Es wird das lebendige Christentum zu einer theologisierenden Kulturströmung. Darunter ist immer schon das eigentliche persönliche Element wirksam, aber noch auf eine instinktive Weise. Es kann sich noch nicht völlig vereinigen mit dem, was von oben kommt. Und es ist ja insbesondere interessant, dies zu beobachten in seiner eklatanten Phase, in der Phase der Renaissance. Da sehen wir, wie eine hohe Theologie lebt, die durchaus die Begriffe, die Vorstellungen vom Übersinnlichen hat, aber nicht mehr die Anschauung hat. Traditionell ist im Grunde genommen zur Zeit der Renaissance alles da. Was im Romanismus bewahrt wird in der theologischen Form, das ist uralte Weisheit, aber ins Vorstellungsleben heruntergeholt. Es lebt in den Vorstellungen luziferisch weiter.

Es ist wunderbar, was heute noch geschaut werden kann an solchen theologisierenden Elementen, wenn man die Raffaelschen Wandbilder in Rom sieht, was da in jenem Bilde, das die Disputa genannt wird, eigentlich lebt an theologisierendem Elemente. Tiefe Weisheit, die mehr oder weniger in Worten weiterlebt, die nicht mehr Anschauungen in sich hegt, die aber für denjenigen, der sie mit den Anschauungen verbinden kann, eben tiefste Weisheit ist.

Wir bewundern auch die Theologie, die in Dantes «Göttlicher Komödie» lebt, wissen aber zu gleicher Zeit, daß bei Dante zwar gewisse Anschauungen wiederum errungen worden sind durch seinen Lehrer Brunetto Latini - ich habe das einmal auseinandergesetzt -, daß aber dennoch das weitaus meiste eigentlich traditionelles, theologisierendes Element ist, das einen starken luziferischen Einschlag hat. Und wir sehen auf der anderen Seite, wie jene Wesen, welche so alte Weisheit in das theologisierende Element hineintragen, wie diese Wesen diejenigen sind, die nun auch das griechische Kunstwesen, nachdem sie es vorher beseelt haben, mehr versteift, aber doch noch durch Tradition so hineintragen in die Renaissancekunst, daß Goethe die griechische Kunst in seinem Geiste wiederum auferstehen sieht, indem er diese griechische Kunst in der Renaissancekunst wiederum erblickte.

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Man muß sagen: Durchaus ein starkes luziferisches Element lebt in der Theologie, lebt in der Kunst, wie sie uns aus alten Zeiten heraufgebracht worden ist, jener Kunst, die vorzugsweise suchen muß, damit sie künstlerisch sein kann, Überirdisches, die nicht vollständig herunterkommen kann bis zum Menschen. Da, wo sie herunterkommt, erscheint sie uns wie mit einem Sprung herunterversetzt in das Instinktive. Denn wir sehen ja das Leben der Renaissance selber so, daß es gewissermaßen in sich hat den Himmel, von dem es Vorstellungen hat, keine Anschauungen mehr, Vorstellungen, die es sogar künstlerisch wunderbar beleben kann; wir sehen aber darunter sich entwickeln ein instinktives Ausarten des Renaissancelebens. Es ist immerhin ein großartiges, aber eigentlich manchmal schreckhaftes Schauspiel der Weltgeschichte, wie so ein Papst Alexander VI. oder auch Leo X., auf der einen Seite gelehrte, durch und durch gelehrte Menschen sind, wie sie das Höchste von übersinnlichen Welten in ihren Vorstellungen tragen, wie sie aber als Renaissancemenschen das, was menschliche Persönlichkeit ist, nicht erheben können bis in diese geistige Höhe, wie das da unten instinktiv ausartet. Und so sehen wir diese Schreckenskerle, die Renaissancemenschen, auf der einen Seite etwas wie ein höheres tierisches Leben entfalten, und darüber sehen wir sich ausbreiten, den luzi-ferischen Charakter tragend, den Himmel, der in einer auf der einen Seite wunderbaren, auf der anderen Seite eben durchaus luziferischen Theologie vorstellungsgemäß an die Menschen herangebracht worden ist.

Damit aber kommen wir auch schon in jene Zeit hinein, in der dann andere Mächte die Menschheitsentwickelung ergriffen, als es diese älteren, engelhaften Wesenheiten waren.

Der Mensch steht ja in der Mitte zwischen dem Reich der Angeloi und dem Reich der Tiere. Seine äußere physische Form war in älteren Zeiten sehr tierähnlich, aber sie war doch beseelt von demjenigen, was ich Ihnen eben jetzt geschildert habe. Ohne irgendeine Ahnung von dem, was auf diesem Gebiete wahr ist, stöbern heute die Geologen, die Paläontologen menschliche Reste aus alten Zeiten auf mit zurückfliehender Stirne, tierähnliche Menschengestalten, und glauben, damit den Menschen an das Tier heranzubringen. Der äußeren physischen Ge-

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stalt nach ist das durchaus berechtigt, aber zu je tierischeren Formen wir in der alten Zeit zurückkommen, um so mehr sind diese tierischen Formen durchseelt von uralter Weisheit. Und wenn man diese tierähnlichen Formen vor ein paar Jahren in gewissen Gegenden Europas ausgrub und nun mit heutiger Geologie und Paläontologie nur zu sagen weiß: Das sind Menschen mit einem niedrigen Schädel, mit zurückfliehender Stirn, mit vortretenden Augenbrauen, Augenhöhlen - muß man sagen, wenn man die Wahrheit kennt auf diesem Gebiete: Dieser Mensch, der heute vielleicht so tierähnlich aussieht, der dem äußeren Paläontologen wie ein höher entwickelter Affe erscheint, der war aber voll durchseelt von uralter Weisheit, die eben ein anderes Wesen in ihm hatte. Er nahm nur teil daran.

So kann man sagen: Den Menschen erfüllt in alten Zeiten ein Übermenschliches. Er wächst dem immer mehr und mehr entgegen, indem er sich von tierähnlichen Formen heraufentwickelt, bis er eine Art von Ubertier wird, das die verschiedenen tierischen Gestalten zusammenfaßt. In diesem Ubertier kann sich nun ein Wesen ganz anderer Art als es die gewöhnlichen Engelwesen sind, einleben, ein ahrimanisches Wesen. Und gerade in derselben Zeit, in der zur Tradition abglimmt das Wesen der uralten Weisheit, in der Zeit wird immer mehr und mehr dieser Mensch mächtig, der nun an seine tierische Organisation heranzieht das Verstandeswesen. Und so sehen wir, wie vom 8. vorchristlichen Jahrhundert ab der Mensch zunächst langsam, dann immer weiter und weiter sich heraufentwickelt, indem aus seinem Inneren heraufsprießt eine Art von Übertierwesen, das ahrimanischer Art ist, und das ihn jetzt auch von der anderen Seite her durchseelt.

Dieses Wesen, das sich im Menschen gewissermaßen mit dem luziferischen Wesen trifft, dieses Wesen ist, ich möchte sagen, das andere, das den Menschen von seiner reinen Bahn abzubringen trachtet. Man könnte sagen, die luziferischen Wesen sind Zorneswesen, die den Menschen beseelen, aber um ihn eigentlich auf der Erde nicht froh werden zu lassen und ihn immer von der Erde wegzuziehen, um ihn gewissermaßen immerfort ins Übermenschliche hinaufzuziehen. Sie möchten ihn viel mehr als einen Engel haben, der nicht in die niederen Funktionen des physischen Organismus verfällt. Die luziferischen Wesen

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haben einen argen Zorn auf den auf zwei Beinen auf der Erde herumgehenden Menschen, der mit der Erde durch seine niederen Funktionen verbunden ist; alles Tierischen möchten diese Wesenheiten den Menschen entkleiden, und sie möchten ihn zum Beispiel jetzt in dieser Epoche seines Daseins nicht gern wiederum herunterlassen zur physischen Verkörperung, sie möchten ihn oben erhalten in dem Leben, das zwischen Tod und neuer Geburt verfließt. Dagegen möchte man die anderen, die ahrimanischen Wesenheiten, Schmerzenswesen nennen. Denn eigentlich streben sie nach der menschlichen Gestaltung hin, können sie aber für sich nicht erreichen. Es ist ein furchtbarer Schmerz, den im Grunde genommen diese ahrimanischen Wesen durchmachen. Es ist so, wie wenn das Tier in sich dunkel fühlen würde: Du solltest dich aufrichten, du solltest ein Mensch sein - wie wenn es alles in sich zerreißen möchte. Diesen furchtbaren Schmerz, ihn fühlen eigentlich die ahrimanischen Wesen. Und er kann ihnen nur gelindert werden, wenn sie herankommen an den Menschen und den Verstand erfassen. Da kühlt der Verstand diesen Schmerz ab. Daher verbeißen sie sich in den menschlichen Verstand, krallen sich gewissermaßen mit ihrem ganzen Wesen in ihn ein, knochen sich ein. Das ahrimanische Wesen hat so etwas wie das sich schmerzvolle Durchdringen mit dem menschlichen Verstand. Es möchte sich das ahrimanische Wesen mit dem Menschen vereinen, um zu Verstand zu kommen.

Es ist also der Mensch der Kampfplatz zwischen dem Luziferischen und dem Ahrimanischen. Es ist so, daß man sagen kann: Das Luziferische hat die Hand im Spiele bei allem Künstlerischen, bei allem Abstrakt-Theologischen. Das Ahrimanische, das ist etwas wie aus der materiellen Welt Heraufkommendes, durch das Tierreich Durchgegangenes, das schmerzvoll hinstrebt nach dem Menschen, das den Verstand ergreifen will, das aber zurückgestoßen wird im Menschen von dem übermenschlichen Wesen, das immer zurückprallt, aber sich mitnehmen möchte den Verstand. Es ist etwas, was immer wieder und wieder in den Menschen herein will und den Menschen halten möchte beim bloßen Verstande, ihn nicht hinaufkommen lassen möchte bis zur Imagination, Inspiration, weil es das Menschenwesen zur Linderung seiner Qual bei sich behalten möchte.

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Alles das, was in der Menschheit sich seit der neueren ahrimanischen Zeit gebildet hat, vorzugsweise als materialistische Wissenschaft, als Wissenschaft, die von diesem sich im Menschen abkühlenden Schmerz des materiellen Daseins kommt, das ist ahrimanischer Natur. Und wir sehen die materialistische Wissenschaft heraufkommen. Der Mensch bildet sie aus. Indem der Mensch sie in sich hegt, verbindet sich Ahri-man in ihm mit seiner Wissenschaft. Und so wie insbesondere Luzifer seine Hand im Spiele hat bei dem Künstlerischen, so hat Ahriman seine Hand im Spiele bei dem Ausbilden des Mechanischen, Technischen, dessen, was den Verstand wegziehen möchte vom Menschen, was ihn in die Maschine, sei es in das mechanische Werkzeug, sei es in die Maschinerie des Staatswesens hineinziehen möchte. Nur dadurch ist im wesentlichen möglich geworden, was da in der neueren Menschheit lebt, was da heraufgezogen ist insbesondere seit der Renaissancezeit. Man möchte sagen: Während der Renaissäncezeit ist das luziferische Wirken in eine Art von Sackgasse gekommen; das ahrimanische Wirken, das hat sich jenseits der Wand dieser Sackgasse dann angesetzt. Und wir sehen das ganze Treiben, welches seit der Renaissancezeit da ist; das Hintreiben nach Mechanismus, nach geistloser Wissenschaft, sehen wir mit dem ahrimanischen Charakter ablaufen.

Das einzige nun, was möglich ist hineinzubringen in das, was seit der Renaissancezeit heraufgezogen ist, ist die Christus-Auffassung. Was in der neueren Zeit als materialistische Wissenschaft, als industrielle Technik heraufgezogen ist, ist durchaus ahrimanischer Natur, würde, wenn es sich verbreiten könnte ohne Christus-Auffassung, den Menschen an die Erde fesseln. Der Mensch würde nicht hinaufkommen zum Jupiterdasein. Bringen wir aber die Christus-Auffassung, bringen wir ein neues geistiges Leben, bringen wir neuerdings Imagination, Inspiration, Intuition in dasjenige, was nur Erkenntnis der äußeren Welt ist, dann erlösen wir das ahrimanische Wesen. Wie diese Erlösung bildhaft vorgestellt werden kann, ich habe es ja in meinen Mysteriendramen von den mannigfaltigsten Seiten aus dargestellt. Aber es würde ein Überwinden des Menschen durch Ahriman sein, wenn die Christus-Auffassung nicht als eine wirklich durchgeistigte Auffassung, enttheologisiert, sich weiter gestalten könnte; Die materialistische Wis-

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senschaft, der äußere industrielle Mechanismus würden den Menschen dem Erdentod überliefern, das heißt, eine ganz andere Welt zimmern, in der der Mensch mehr oder weniger wie ein Petrifikat fortleben würde zur Erbauung der ahrimanischen Wesenheiten, wenn nicht die Christus-Auffassung das moderne materialistische, das moderne mechanische Wesen wiederum in geistiger Art durchziehen würde.

Wir können also sagen: Luzifer hat seine Hand im Spiele bei allem traditionell Theologischen, bei allem ins Manierhafte, Steife ausartenden Künstlerischen, bei allem Renaissanceartigen; während Ahriman seine Hand im Spiele hat bei allem, was nur äußerliche geistlose Naturwissenschaft ist, die in der Natur nicht den Geist entdecken kann, und bei allem, was äußerlicher Mechanismus im menschlichen Tun ist. Die luziferischen Engelwesen, die sich aus dem traditionellen Leben durchaus auch jetzt noch gerettet haben bis in die Gegenwart, sie haben alles Interesse daran, den Menschen eigentlich abzuhalten vom Tun. Sie möchten den Menschen wenigstens beim inneren Seelenleben erhalten. Der Mensch ist eine Persönlichkeit geworden. Aber diese Engelwesen möchten den Menschen nicht ausströmen lassen in seinen Taten in das Erlebnis, in die Offenbarung seiner Willensimpulse. Sie möchten ihn in innerlicher Beschaulichkeit erhalten. Sie verführen ihn zur Mystik, sie verführen ihn zur falschen Theosophie. Sie verführen ihn dazu, ein bloß innerliches beschauliches Leben zu führen, zu betrachten, statt zu handeln. Sie machen ihn zu einem Sinnierer, der am liebsten den ganzen Tag sitzen möchte und spinnen möchte über allerlei Welträtselfragen, der aber das, was in seinem Geiste lebt, nicht übertragen möchte in die äußere Wirklichkeit. Sie möchten durch rein äußere Beobachtung entstehen lassen, was äußere Wissenschaft ist. Sie lassen gut entstehen solch eine Wissenschaft wie die des Paters Secchi, der ein ausgezeichneter Astrophysiker war, deshalb, weil er beobachten konnte mit Mikroskop und Teleskop, weil er das verzeichnen konnte, und nur daneben etwas hatte, was damit gar nicht zusammenhing: das, was ihm eingegeben war von luziferischen Wesen als eine hohe überirdisch-übermenschliche Weisheit. Indem die luziferischen Wesen diese übermenschlich-überirdische Weisheit pflegen, entreißen sie das Seelisch-Geistige des Menschen dem Erdendasein. Dann ver-

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fällt einfach das, was noch so hohe äußere materialistische Wissenschaft ist; das verfällt, das hat keinen inneren Bestand. Es ist ja nicht von realer Geistigkeit durchzogen. Das interessiert sie nicht weiter.

Ebenso möchten diese luziferischen Wesenheiten die Kunst möglichst lebenslos, geistlos in dem Sinne haben, daß in die Form nicht Geist einzieht. Sie möchten immer nur Renaissance haben, das, was in alten Zeiten gelebt hat. Sie geben dem Menschen einen Haß ein gegen jede neue Stilform, die aus dem modernen Menschlichen wirklich hervorgehen kann. Sie möchten die alten Stilformen fortpflanzen, weil diese alten Stilformen noch dem Unirdischen, Überirdischen entlehnt sind.

Das ahrimanische Wesen wiederum möchte es überhaupt nicht zur Vergeistigung, nicht zum Stil kommen lassen, möchte am liebsten nur ganz prosaische Bauten, Nützlichkeitsbauten zum Beispiel aufführen, möchte alles mechanisieren, alles nur in den Dienst des Industriellen stellen, möchte dem Menschen eingeben, nicht zu schätzen noch irgendeine Handarbeit als Kunstgewerbe, sondern möchte nur Modelle liefern, die dann maschinell in unendlichen Exemplaren nachgebildet werden so, wie sich Ahriman selbst in einer unermeßlich großen Zahl von Exemplaren durch das Geheimnis der Zahl in vielen Menschen offenbaren kann.

Der Mensch steht eigentlich in der Gegenwart ganz in diesem Kampfe drinnen. Nur wenn er sich wirklich besinnt auf das, was ihm die echte Christus-Gabe sein kann: eine der heutigen Zeit angemessene anthroposophische Geist-Erkenntnis und Geistesanschauung, wenn er sich darauf besinnt, findet er den Weg durch Innehalten der Gleichgewichtslage zwischen dem Luziferischen und dem Ahrimanischen. Er muß sozusagen mit dem Ahrimanischen kämpfen, denn er würde ja sonst dem Luziferischen verfallen müssen. Er darf aber nicht, ohne wachsam zu sein, sich den Strömen Ahrimans hingeben, denn dadurch würde er in eine vollständig mechanische Weltenordnung hineinfallen. Die luziferischen Wesen möchten den Menschen von jeglichem Tun abhalten, ihn zum Sinnierer, zum Mystiker machen, der nach und nach nichts mehr übrig hat für das Erdendasein und deshalb auch dem Erdendasein entzogen werden kann. Die ahrimanischen Wesenheiten

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möchten den Menschen ganz beim Erdendasein erhalten. Daher möchten sie alles mechanisieren, das heißt, hinunterdrücken ins Mineralreich. Sie würden dadurch die Erde in ihrem Sinne umgestalten, sie nicht hinüberkommen lassen zu dem Jupiterdasein. Sie haben allerdings das Bestreben, dem Menschen nicht das Tun zu rauben, ihn vielmehr so stark tun, wirken, handeln zu lassen, als der Mensch nur kann, aber es soll alles schablonenmäßig verlaufen, es soll alles programmmäßig verlaufen. Ahriman ist der große Enthusiast für alles Programmäßige. Er ist der Inspirator für das ewige Statutenmachen. Wenn Ahriman, irgendwo in einem Komitee sieht, wie da Statuten gemacht werden, dann ist er in seinem eigentlichen Elemente: Erstens, zweitens, drittens -, erstens soll das geschehen, zweitens soll das geschehen, drittens hat dieses Mitglied diese Rechte, viertens sollte jenes Mitglied das oder jenes tun. Natürlich fällt es dann dem Mitglied nicht ein, diese Rechte zu respektieren, oder das, was dasteht, irgendwie zu tun. Aber darauf kommt es nicht an zunächst. Wenn die Statuten abgefaßt sind, da kommt es darauf an, den ahrimanischen Geist zu pflegen. Man kann dann hinweisen auf Paragraph soundsoviel.

Aber zum Tun dennoch anregen möchte Ahriman, nur soll alles ablaufen in dem schablonenmäßig programmatischen Sinne. Alles soll in Paragraphen gezwängt sein. Der Mensch soll gewissermaßen jeden Morgen auf seiner Bettdecke finden ein Verzeichnis dessen, was er den Tag über zu tun hat, und das soll er mechanisch ausführen, indem er gewissermaßen nur mit den Beinen denkt, nicht mit dem Kopfe. Während Luzifer das Bestreben hat, den Menschen mit dem Kopf denken zu mächen und in den Kopf das Herz zu gießen, ist Ahriman bestrebt, den Menschen nur mit den Beinen denken zu machen, alles in die Beine hineinzugießen.

In diesem Kampfe steht der Mensch schon drinnen; und das, was ich vielleicht in einer mehr bildhaften Form ausspreche, das ist schon im Grunde genommen Inhalt unserer Kultur. Da sehen wir auf der einen Seite diejenigen Menschen, die es als ihr Ideal ansehen, mit untergelegten Beinen wie eine Buddha-Statue sich zum Allerhöchsten sinnierend erheben zu können, in vollständiger Beinlosigkeit, mit einem Aufschwellen des Kopfes in die mystischen Abgründe sich hin-

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einvertiefend. Da sehen wir auf der anderen Seite die abendländischen Menschen, die im Grunde genommen, indem sie gar nicht wissen, wie schnell sie von einem Büro zum anderen, von einem Geschäft zum anderen mit ihren Beinen pendeln müssen, auf uns den Eindruck machen, daß sie eigentlich ganz unnötig auf ihren Schultern auch noch einen Kopf tragen, der ja im Grunde genommen gar nicht dabei ist bei dem, was sie tun. Und es sind das schon die beiden Extreme der Menschheit in der gegenwärtigen Zeit: die einsamen Sinnierer mit zugemachten Augen, damit sie auch das, was sie selber tun, nicht sehen können, und diejenigen, die eigentlich Augen nicht brauchten, weil sie immer an den Beinen etwas haben wie Leinen, Zugleinen, und am Ende der Zugleinen ist Paragraph soundsoviel, und so werden sie wie das Glied eines Mechanismus durch die Welt gezogen.

Wir sehen zwar, wie sich zuweilen der moderne Mensch gegen den Ahrimanismus aufbäumt, wie er schimpft gegen die Bürokratie, die ja reiner Ahrimanismus ist, wie er gegen die Schabionisierung des Unterrichtes und so weiter sich aufbäumt - aber in der Regel nur, um etwas tiefer noch in das hineinzufallen, aus dem er heraus möchte.

Heraus aus alldem kann doch nur führen ein Hinlenken der ganzen Gesinnung, der ganzen Seelen Verfassung des Menschen zum Geist-Er-kennen, zu demjenigen, was wiederum das Vorstellungswesen durchdringt mit realer Geistigkeit, so daß der reale Geist den ganzen Menschen ergreift, nicht bloß den Kopf. Und indem er den ganzen Menschen ergreift, kann er auch das ahrimanische Wesen überwinden, und indem er es überwindet, erlöst er es. Es soll gar nichts gesagt werden gegen das ahrimanische Wesen. Es soll nicht etwa getadelt werden, was sich im Registrieren und im Statutenmachen und im Paragraphenmachen berechtigt auslebt. Aber durchgeistigt soll das alles werden.

Wir können ja doch kaum anders in der neueren Zeit, als daß wir ahrimanische Künste treiben, daß wir zum Beispiel stenographieren, daß wir mit der Schreibmaschine schreiben. Das alles sind ja Ahrimani-sierungen unserer Kultur im höchsten Maße. Aber indem wir Geistigkeit in unsere Kultur hineinbringen, können wir selbst das, was in einer so bedenklichen Weise ahrimanischer Einfluß ist wie das Stenographieren oder das Schreibmaschinenschreiben, in die Sphäre der Geistigkeit

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heraufheben, so daß wir Ahriman erlösen. Es ist ja ein solches nur durch eine volle Besonnenheit über das Geistesleben möglich. Derjenige, der heute in materialistischer Gesinnung lebt und stenographiert oder gar Schreibmaschine schreibt, der gerät tief hinein in das ahrimanische Element. Sie sehen, es soll nicht einer Reaktion das Wort geredet werden, es soll nicht verpönt werden die Dämonologie, die da heraufgezogen ist; aber die Dämonen selbst sollen erlöst werden.

Das kann sich auch durchaus im einzelnen zeigen. Im Grunde genommen kann man sagen: Was da an ahrimanischen Elementen Platz gegriffen hat in der neueren Zivilisation, das treibt eigentlich nur aus einer gewissen Vorliebe die ahrimanischen Künste. Denn das, was von dieser ahrimanischen Kultur stenographiert oder schreibmaschinengeschrieben wird, das könnte auch ungeschrieben bleiben. Man weiß in der Regel ohnedies schon, was es enthält. Man braucht es im Grunde genommen gar nicht zu fixieren. Der Inhalt ist gleichgültig. Es ist nur die ahrimanische Kunst, die da in Betracht kommt, von einer gewissen Bedeutung. Aber für dasjenige, was geisteswissenschaftlich heraufkommt, für das wird man brauchen können die genaue Fixierung, weil es notwendig ist, sich in einer exakten, genauen Weise auszusprechen. Und dann wird gerade das Ahrimanische dem Geistigen wesentliche Dienste leisten können. So wird man das im einzelnen übersehen.

Von ganz besonderer Bedeutung wird aber sein, daß die moderne Geisteswissenschaft die einzelnen menschlichen Wissenschaften durchdringt, daß sie von den geistlosen Naturwissenschaften zu einer wirklichen einheitlichen Geisteswissenschaft kommt, daß die einzelnen Naturwissenschaften, ich möchte sagen, Kapitel sind einer einheitlichen Geisteswissenschaft. Dadurch werden sie entahrimanisiert, und man kommt allmählich durch den richtigen Betrieb der Einzelheiten in diejenige Strömung hinein, die ich heute aus dem luziferisch-ahrimanischen Gegensatze vor Ihnen entwickeln mußte.

Glauben Sie nicht, daß es gleichgültig ist, in solche Einzelheiten hineinzuweisen, wie ich das heute getan habe. Es ist schon gut, wenn man sich ein wenig bekannt macht durch solche Bilder, wie ich sie gebraucht habe, mit den heute lebenden luziferischen Menschen mit den untergeschlagenen Buddha-Beinen, und den ahrimanischen Menschen,

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die als «Hansdampf auf allen Straßen» geschäftig von Kontor zu Kontor laufen, und die eigentlich zu dieser Geschäftigkeit ihren Kopf gar nicht brauchten.

Es ist vielleicht manchmal angenehmer, diese Dinge in Abstraktionen zu hören als in den konkreten Bildern, aber moderne Geisteswissenschaft, anthroposophische Geisteswissenschaft hat die Aufgabe, ins unmittelbare Leben hineinzuweisen, das unmittelbare Leben auch überall beim rechten Namen zu nennen. Nur dadurch kann eigentlich eine völlig gesunde, konkret zutreffende Anschauung und Seelenverfassung heraufkommen.

Das ist es, was ich heute hinzufügen wollte zu den Betrachtungen der letzten Wochen. Das nächste Mal werden wir wiederum versuchen, von einer anderen Seite an die Betrachtung des Menschen heranzukommen.

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FÜNFZEHNTER VORTRAG Dornach, 28. Oktober 1921

Wir wollen heute einmal den Menschen seiner Form nach studieren und wollen sehen, wie wir von diesem Gesichtspunkte aus Erweiterungen und Vertiefungen bekommen können für dasjenige, was wir in der letzten Zeit betrachtet haben. Wenn wir zunächst uns vor die Seele halten, daß ja die Form des Menschen im weitesten Sinne natürlich durchaus zusammenhängt mit seinem Gesamtleben, so müssen wir eben dieses Gesamtleben ins Auge fassen, wenn wir nun wirklich innerlich die Form des Menschen begreifen wollen. Der Mensch gliedert sich ja zunächst ein in das ganze Universum, in den ganzen Kosmos. Und wenn Sie in Betracht ziehen, wie der Mensch zunächst seiner Hauptesgestaltung nach ja eigentlich ein Abbild der Sphäre, des kosmischen Universums ist, so werden Sie gewissermaßen den Menschen von selten seines Hauptes aus hineingestellt finden in das ganze Weltenall. Aber verstehen kann man die Art, wie der Mensch da in das ganze Weltenall hineingestellt ist und doch wiederum eine innere geschlossene Wesenheit ist, nur, wenn man sich die Beziehungen des Menschen zu der Umwelt vor Augen hält.

Und da sehen wir zunächst einmal so auf die Form des Menschen, daß wir uns sagen: Durch sein ganzes Denken, insofern es an das Haupt gebunden ist, kehrt sich der Mensch durch sein Haupt dem ganzen Kosmos zu. Und indem er sein Haupt durch die Geburt hereinträgt aus der geistigen Welt in das physische Dasein, kann er, indem er eingeschlossen ist in seinen Leib, in einer gewissen Weise auf sein eigentliches Wesen, auf sein inneres geistig-seelisches Wesen zurückblicken, kann er zurückblicken auf eine Zeit, in der er nicht in einen solchen Leib eingeschlossen war. Wir haben vielleicht am besten ein Bild von dem, was ich hier meine, wenn wir uns vor Augen stellen, wie der Mensch in einer gewissen Weise zu seinen Erkenntnissen kommt, indem er in sich gewissermaßen zurückblickt. Es ist ja ein In-sich-Zu-rückblicken, wenn wir, sagen wir, Zahlenlehre, Geometrie treiben. Wir erkennen die Gesetzmäßigkeit der Geometrie einfach dadurch, daß wir

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Mensch sind, daß wir die räumliche Gesetzmäßigkeit aus uns selber hervorholen können. Aber wir wissen auf der anderen Seite: Diese Gesetzmäßigkeit erfüllt das ganze Universum. Wir haben also da etwas, was wir notwendig, wenn wir hinausschauen durch die Augen, sehen; es ist ja alles geometrisch angeordnet, auch die Augen selber sind geometrisch gebaut, sie stellen sich geometrisch ein.

Wir können also sagen: Insofern der Mensch aus seinem Denken, das ans Haupt gebunden ist, sich der Welt gegenüberstellt, nimmt er gewissermaßen das, was im Universum ausgebreitet ist, in sich zurück. Und wir wollen uns deshalb seine erste Zuordnung zu dem Universum so vorstellen, daß wir sagen: Es ist ein Hereinfassen des Universums, eine Art Zurückblicken auf das Universum. Indem man auf sich selber zurückschaut, findet man das Universum. Da haben wir, ich möchte sagen, das alleräußerste Verhältnis des Menschen zu dem Universum, aus dem er herausgebaut ist.

Wir kommen schon ein Stück weiter, wenn wir als zweites ins Auge fassen, wie der Mensch dann das, was er von außen aufnimmt, in sich rege macht. Denken Sie, das Kind, wenn es geboren wird, hat eigentlich ganz in sich, was es durchlebt hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Könnte es ein Bewußtsein nach dieser Richtung entwickeln, so würde es zurückblicken können auf das, was es vor der Geburt erlebt hat. Dann aber beginnt sich innerlich zu regen, was da erlebt worden ist. Der Mensch sieht nicht nur in sich zurück, um das Universum in sich wieder zu finden, sondern er sieht um sich herum. Er sieht eine Umwelt. Wir können also sagen: Es ist nicht mehr bloß ein Hereinfassen des Universums, sondern ein Blicken in den Umkreis des Universums und ein Hereinnehmen der Beweglichkeit des Universums. Man wird innerlich beweglich.

Das dritte aber: Wenn wir die zwei ersten anschauen, so ist der Mensch eigentlich noch nicht ganz bei sich. Indem er das Universum in sich trägt, sagen wir als Geometrie, lebt er eigentlich im Äußeren. Wenn das Kind sich regt, indem es das Universum innerlich nachmacht, lebt es in dem Äußeren. Wie wird der Mensch innerlich? Wie erfaßt er sich selbst?

Sie brauchen bloß einmal sinnig mit Ihrer rechten Hand Ihre linke

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zu umfassen, Sie brauchen sich bloß selber anzugreifen, dann bleiben Sie ganz in Ihrem Inneren. Sie verrichten mit der rechten Hand eine Tätigkeit, aber das, was Sie dadurch anfassen, das sind Sie selber. So wie Sie sonst einen äußeren Gegenstand beim Herumtasten anfassen, so fassen Sie ja sich selber an. Alles Gewahrwerden des Ich, der Innerlichkeit, beruht im Grunde genommen auf diesem Sich-selber-Anfassen. Wir tun das dann auch in abgeleiteter Weise mit den Augen. Indem wir irgendeinen Punkt ins Auge fassen, kreuzen sich die rechte und die linke Augenachse, so wie sich die rechte Hand über die linke legt. Und das Tier hat deshalb weniger Innerlichkeit, weil es eigentlich in viel geringerem Maße das vollzieht, daß es sich selber betastet. Wir können also sa'gen als drittes: das Sich-selber-Erfahren oder -Betasten. - Wir sind eigentlich in der Außenwelt und erfassen uns selber. Wir sind noch nicht innerhalb unserer Haut.

Aber jetzt fassen wir gewissermaßen die Grenze ins Auge zwischen dem Äußeren und dem Inneren. Wir deuten diesen Vorgang an: Bewegen wir die Hand, die als rechte die linke erfaßt, auf- und abwärts, so beschreiben wir eine Fläche. Diese Fläche ist an uns selber überall. Da schließen wir durch unsere Körperbedeckung unser Inneres ab. Wir sagen also viertens: Sich umschließen. Wenn Sie sich lebhaft einfühlen in Ihre Form, insofern die Haut diese Form bildet, so haben Sie dieses Sich-Umschließen.

1. Hereinfassen des Universums. Zurückblicken
2. Blicken in das Universum. Hereinnehmen der Beweglichkeit des Universums
3. Sich selber erfahren, betasten
4. Sich umschließen.

In diesen vieren steht vor uns, was eigentlich das allmähliche Formen des Menschen von außen nach innen ist: zunächst das ganze Universum, da ist man noch außer sich; dann das Universum nachahmend: man ist noch nicht zu sich gekommen, man ahmt es nach, das Universum. Greift man sich an, so kommt man außer sich selber zu sich. Nun erst im vierten hat man das Sich-Umschließen.

Im fünften müssen wir dasjenige suchen, was nun schon innerlich

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ist, was uns ausfüllt, was uns durchwellt und durchwebt. Wir können sagen fünftens: Das Ausfüllende, das uns durchwellt und durchwebt.

Nun aber sechstens: Indem wir nun - dadurch, daß wir nicht nur gewissermaßen eine Haut haben, sondern die Haut auch ausgefüllt ist - so in uns selber hereingekommen sind, beginnt auch schon das, was nun die Form auflöst, was die Form wiederum zurückbildet; was den Menschen nicht nur innerlich erfüllt, sondern ihn so macht, nun, sagen wir, wie eine Frucht, wenn sie reif wird. Verfolgen wir die Frucht bis zu dem Punkte, wo sie gerade eben an der Kippe steht, reif zu werden; überspringt sie diese Kippe, dann dorrt sie ab, dann beginnt sie abzudorren. Wir dürfen also hier sechstens sagen: Reifung.

Dann aber stellen Sie sich einmal vor diese Reifung. Wir beginnen gewissermaßen, indem wir reif werden, innerlich wieder zu zerfallen. Wir hören schon ein bißchen auf, Mensch zu werden. Wir sind Mensch, aber wir zerfallen innerlich, wir werden gewissermaßen innerlich Staub. Wir werden mineralisch. Wir ordnen uns damit wieder in die Außenwelt ein. Wir sind mit dem Ausfüllenden ganz im Inneren. Dann, indem wir innerlich zerstäuben, ordnen wir uns wiederum in das Mineralische ein. Wir werden ein gewissermaßen schwerer Körper. Wir können also siebentens sagen: Einordnung in die unorganische Welt.

Ich habe es einmal beschrieben, wie der Mensch eigentlich, wenn wir ihn wiegen, wenn er herumgeht, wie er da wie ein Mineral sich verhält. Wir kommen da an bei diesem Sich-Einordnen in die äußeren Naturkräfte. Wir könnten auch sagen: Dieses Einordnen in die äußeren Naturkräfte - denken Sie nur einmal, indem Sie gehen, ordnen Sie sich selber in die äußeren Naturkräfte ein; wenn Sie nicht ordentlich gehen, fallen Sie um -, es ist also eigentlich das erste, was man hat beim Einordnen, ein Suchen des Gleichgewichtes.

Das achte: Da kommen wir dazu, daß wir uns nicht mehr bloß einordnen in die äußere Welt, sondern daß wir die äußere Welt aufnehmen. Wir atmen, wir essen, wir nehmen die äußere Welt herein. Früher haben wir nur das in uns aufgeschlossen, was wir innerlich schon hatten. Das ist im wesentlichen dieses Sich-Aufschließen. Dann ist es ein Leben im Inneren. Aber wir nehmen das Äußere ins Innere auf. Nun, wenn man zu diesem Punkt kommt, muß man vor allen Dingen sich

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ganz klar darüber sein, daß alles, was der Mensch von außen aufnimmt, etwas ist wie eine Art von nicht in den Menschen Hereingehörendes.

Über dieses Aufnehmen von irgend etwas von außen macht sich ja eigentlich die Welt unrichtige Vorstellungen. Im Grunde genommen ist alles, was wir essen, ein bißchen giftig. Das Leben besteht nämlich darin, daß wir die Nahrung aufnehmen und eigentlich nicht vollständig mit uns eins werden lassen, sondern uns dagegen wehren, und in diesem Sich-Wehren, in diesem Abwehren besteht eigentlich das Leben. Nur sind diejenigen Nahrungsmittel, die wir eben als Nahrungsmittel aufnehmen, so wenig giftig, daß wir uns aufrechterhalten gegen sie. Wenn wir ein richtiges Gift aufnehmen, so zerstört es uns, dann können wir uns nicht mehr dagegen wehren.

Wir können also sagen: Indem die Außenwelt in uns eindringt, dringt eine Art von Giftstachel in uns ein. Man muß da prägnante Ausdrücke wählen, aber man hat sie ja aus der heutigen Sprache und aus der heutigen Erkenntnis heraus nicht. Sie müssen also verstehen, was ich da eigentlich meine, indem ich Ihnen das auseinandersetze.

5. Das Ausfüllende
6. Reifung
7. Einordnung in die unorganische Welt Suchen des Gleichgewichtes
8. Giftstachel

Damit wäre der Mensch dann so weit, daß er das Äußere aufnimmt. Wir wären also zunächst hinweggeschritten über das Formen des Menschen aus dem Universum. Wir sind hier geschritten durch das Formen des Menschen von innen, wobei wir schon angekommen sind bei dem, wo sich das Innere formt, indem es sich gegen das Äußere wehrt.

Nun formt sich aber der Mensch, wenigstens sein Leben formt er und auch etwas seine eigentliche Form, nach dem, wie er sich äußerlich verhält, wie er sich äußerlich betätigt. Nun, unsere Betätigungen sind eigentlich nicht mehr etwas recht mit dem Menschen Zusammenhängendes; wir müssen schon in frühere Zeiten zurückgehen, wenn wir den Menschen so auffassen wollen, wie er sich richtig auch noch als Mensch in die Umgebung hineinstellt, so daß er mit menschlichem

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Anteil sich an der Welt betätigt. Und da können wir sagen: Neuntens ist ja eine Betätigung des Menschen, indem er Anteil nimmt an der äußeren Welt, indem er nun auf Erden hineingestellt ist, nicht im Universum. In dem äußeren Leben, in das er gewissermaßen kulturell hineingestellt ist, da ist er zunächst Jäger. Neuntens: Jäger.

Er schreitet dann vorwärts, indem er sich weiter betätigt: Er wird Tierzüchter. Das ist ja die nächste Stufe. Zehntens: Tierzüchter. Elftens: Er wird Ackerbauer. Das ist die nächste Vollkommenheitsstufe. Und endlich, zwölftens: Er wird Handeltreibender. Warum ich die nächstfolgenden Betätigungen nicht hereinnehme - Sie werden es später schon sehen. Es sind das die sekundären Betätigungen. Die eigentlichen primären Betätigungen des Menschen sind diese als Jäger, Tierzüchter, Ackerbauer und Handeltreibender. Damit haben wir dann den Menschen in bezug auf seine Form charakterisiert, wie er sich auf die Erde hinstellt, ob er Jäger, Tierzüchter, Ackerbauer oder Handeltreibender ist. Das wären also Formen der menschlichen Tätigkeit, der menschlichen Erdentätigkeit.

 9. Jäger
10. Tierzüchter
11. Ackerbauer
12. Handeltreibender

Wir könnten nun folgende schematische Zeichnung als eine Versinnbildlichung dessen machen, was wir da aufgeschrieben haben. Sagen wir zunächst, wir hätten hier die Erde. Nehmen wir einmal an, wir hätten den Menschen auf der Erde. Er wäre nun in Übersicht dieser vier Formprinzipien angewiesen auf den Umkreis der Erde, also er würde hereingeformt werden aus dem Umkreis der Erde. Hier formt sich der Mensch von innen (siehe Zeichnung Seite 70, links). Lassen wir das zunächst aus und betrachten wir dieses, wo der Mensch von der Erde aus geformt wird als Jäger, Tierzüchter; dann würden wir das Umgekehrte haben. Wenn zum Beispiel hier aus dem Umkreis die Sternbilder wirken auf den Menschen, so kommt die Wirkung der Sternbilder, die da unten stehen (unterhalb des Gestrichelten), weil die Erde sie bedeckt, wenn ein Mensch zunächst hier aufgefaßt wird

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(links), nur durch die Erde an den Menschen heran. Da würde er sich also in Bezug auf seine Sterne nach der Erde richten. Und was in der Mitte liegt, das würde ihm die Möglichkeit bieten, sich innerlich auszubilden.

  1. Bild-SE70

Man könnte also sagen: Diese vier (oberen) Glieder der menschlichen Formung (siehe Tabelle Seite 72), die führen uns hinaus ins Weltenall; die letzten vier Glieder, die führen uns auf die Erde, und die Sterne kommen insoweit in Betracht, als sie durch die Erde bedeckt sind. Bei den vier mittleren Gliedern ist es eben so, daß sich die Sterne und die Erde die Waage halten. Da ist der Mensch in seiner Innerlichkeit.

Sehen Sie, schon in alten Zeiten hat man diese Sache gefühlt und hat gesagt: Ein gewisser Teil des Sternenhimmels hat auf den Menschen so Einfluß, daß er ihn von außen, vom Universum her formt. Und man hat, je nach den Zeitenfolgen natürlich, verschiedene Sterne annehmen müssen. Die Konstellationen ändern sich. Aber nehmen wir einmal so

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im großen das Zeitalter an, in dem wir leben. Wenn wir uns etwa auf den Standpunkt eines Griechen stellen, der über diese Dinge nachgedacht hätte, so würde dieser sagen: Diejenigen Sterne, die in der Nähe des Widders stehen, die wirken von außen herein; auch noch diejenigen, die in der Nähe des Stieres stehen, diejenigen, die in der Nähe der ztv illinge stehen und diejenigen, die in der Nähe des Krebses stehen. Durch diese Sternbilder Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, hat der Mensch sein Zurückblickendes, sein Innerlich-Bewegliches, sein Sich-selber-Anfassen und sein Umschließendes (siehe Tabelle Seite 72). Durch die anderen Sterne, die drunten auf der entgegengesetzten Seite stehen, die von der Erde bedeckt sind, hat der Mensch sein Jägerdasein durch den Schützen; er hat sein Tierzüchterdasein, indem er den Bock zähmt: Steinbock; er hat sein Ackerbaudasein, indem er - nun, nehmen wir zunächst das einfachste Ackerbaudasein , indem er Wasser ausgießt, also mit Urnen hinschreitet über den Acker und Wasser ausgießt: Wassermann. Und er wird Handeltreibender durch diejenige Sterngegend, wo das ist, was ihn über das Meer trägt. In sehr alten Zeiten hat man nämlich jedes Schiff so ähnlich ausgebildet wie einen Fisch. Und zwei nebeneinander befindliche Schiffe, die über das Meer handeltreibend gefahren sind, die sind eigentlich das Symbolum für den Handel. So würde man also, wenn man sich erlaubt, die Schiffe «Fische» zu nennen, hier haben bei zwölftens: die Fische.

In der Mitte hat man dann das, was zwischendrinnen ist, das Ausfüllende, dasjenige also, was im Menschen wirkt als ausfüllendes Blut. Nun, wie kann man denn am besten das ausfüllende Blut symbolisieren? Man wird vielleicht jenes Tier nehmen, bei dem die Herztätigkeit am allerintensivsten ist: den Löwen. Das Reifwerden - man braucht nur den Acker anzuschauen, auf dem der Weizen oder das Korn reif wird; die Ähre stellt gerade den Zustand dar, wo das Fruchtende in das Reifende hineingeht: es ist die Jungfrau mit der Ähre. Die Ähre ist die Hauptsache dabei. Und wenn wir das ins Auge fassen, wo der Mensch sich wiederum hineingliedert in die Außenwelt, also Gleichgewicht sucht: Waage. Und wo er den Giftstachel fühlt, wo er fühlt, wie alles etwas giftig ist: Skorpion.

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Formen des Menschen aus dem Universum: Kopf
1. Hereinfassen des Universums.
Zurückblicken
Widder
2. Blicken in das Universum. Hereinnehmen
der Beweglichkeit des Universums
Stier
3. Sich selber erfahren (betasten) Zwillinge
4. Sich umschließen Krebs, Cancer
Formen des Menschen von innen: Brustmensch
5. Das Ausfüllende Löwe
6. Reifung Jungfrau mit Ähre
7. Einordnung in die unorganische Welt.
Suchen des Gleichgewichtes
Waage
8. Giftstachel Skorpion
Formen der menschlichen Erdentätigkeit: Gliedmaßen- oder Erdenmensch
9. Jäger Schütze
10. Tierzüchter Bock
11. Ackerbauer Wassermann
12. Handeltreibender Fische

Sehen Sie, in älteren Zeiten hat man tatsächlich diesen Zusammenhang des Menschen mit Universum und Erde empfunden; nur die neueren Menschen können diese Sachen nicht mehr deuten. Sie sagen: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe - und zeichnen hin einen Widder und so weiter, haben aber im Grunde genommen doch keine Ahnung, was diese Dinge bedeuten. Man muß diese Dinge auch in der richtigen Weise ansehen. Wenn Sie ein altes Widderbild sehen, so werden Sie nämlich doch darauf kommen, daß es da nicht die naturalistisch-materialistische Abbildung eines Widders ist, worum es sich handelt, sondern das Charakteristische ist immer, daß der Widder zurückblickt, und das, die Gebärde, ist die Hauptsache. Dieses Zurück-

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blicken des Widders, das ist die Hauptsache dabei. Und dieses Zurückblicken des Widders, das ist in dem Zurückblicken des Menschen auf sich selbst gegeben, in diesem Zurückblicken auf das Universum, das in ihm lebt. Man darf also nicht naturalistisch-materialistisch bloß

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auf den Widder hinschauen. Es soll nicht in diesem Sinne ein Abbild sein, sondern die Gebärde des Zurückblickens ist es, worauf es ankommt. Und wenn Sie den Stier auf alten Abbildungen sehen - der blickt immer nach der Seite und springt! Diese Gebärde wiederum ist es, um die es sich handelt, das Um-sich-Herumblicken und Innerlich-Regemachen dessen, was als allgemeines universelles Prinzip lebt. Also wiederum diese Gebärde ist es, auf die es ankommt. Und wenn Sie die Zwillinge sehen, so haben Sie wirklich den rechten und linken Menschen, nur - es ist überall ein Mensch, aber es ist nie anders abgebildet, als indem die rechte Hand des rechten Menschen, die linke Hand des linken Menschen sich umspannen, sich übergreifen, und auf diese Gebärde kommt es wiederum an. Das ist das Sich-Betasten, Sich-Fühlen. Es ist nur eben rechter und linker Mensch als selbständiger Mensch angeführt, weil ja der Mensch gewissermaßen noch außer sich ist, seinen vorgeburtlichen Menschen noch in sich hereinnimmt durch das Sich-selbst-Betasten.

Das Abschließen, das Sich-Umschließen: Krebs. Nun nimmt man wiederum materialistisch-naturalistisch den Krebs als Abbild. Aber worauf es denen ankam, die da einen Krebs nahmen als das Symbolum für dieses Umschließen, das war, daß der Krebs mit den Scheren sein

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Opfer umschließen kann, daß er die Scheren herumlegt. Nun, es ist ja in dem Worte «cancer», der die Menschen umschließt, es ist schon in dem Worte noch das Sich-Umschließen erhalten. Der Krebs ist das Umschließende. Er ist eigentlich da als das Symbolum des ins Innere sich einschließenden Menschen, der sich nicht bloß betastet und befühlt, sondern der sich von außen nach innen einschließt.

Der Löwe stellt ja an sich selber dadurch, daß bei ihm das Herz besonders ausgebildet ist, die Sache dar als Herztier. Den Löwen können wir geradezu als Herztier auffassen. Er stellt also eigenschaftlich dasjenige dar, was da als das fünfte Glied ins Auge gefaßt werden soll.

Bei der Reifung steht die Jungfrau mit der Ähre, und auf diese Ähre kommt es an, auf diesen Zustand des gerade ins Dürre Hineingehens des Fruchtenden. Und die Waage ist eben das Gleichgewichtsuchen. Der Skorpion ist natürlich der Giftstachel. Und der Schütze ist in Wirklichkeit eigentlich ein Tier, etwas, das tierische Gestalt hat, aber nach vorn in einen Menschen ausläuft, der Pfeil und Bogen hat. Das ist das Tierkreiszeichen des Schützen: ein Mensch, der Pfeil und Bogen hat und der kentaurhaft auf einem Tierleibe sitzt. Das ist also für den Jäger.

Der Bock ist eigentlich ein Bock, der in einen Fischschwanz ausgeht, also etwas, was nicht mehr in der Natur vorhanden ist. Es gibt keinen Bock mit Fischschwanz. Aber der Mensch, indem er die wilden Tiere zähmt, indem er ein Tierzüchter wird, macht die wilden Tiere so zahm, wie die zahmen Fische sind. Wir haben also ein künstliches Symbolum, das hier auftritt.

Für den Ackerbau haben wir den Wassermann. Da hat man natürlich immer an Wasser und dergleichen gedacht, was ja in einem gewissen geistigen Sinne eine Berechtigung hat. Aber Sie werden immer sehen: Sein Schreiten kommt in Betracht, zwei Urnen hat er an den Händen und schüttet Wasser aus. Er begießt. Er ist derjenige, der also Gärtner, Ackerbauer ist.

Und die Fische, darauf habe ich schon hingedeutet: es ist das Handeltreiben, weil man Fischköpfe oben gehabt hat an den Schiffen Delphinköpfe zum Beispiel, wenn auch der Delphin kein Fisch ist,

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aber die Alten haben ihn als solchen angesehen. Es ist also durchaus das, was auf das Handeltreibende in diesem Symbolum hindeutet.

Wir dürfen eben die Dinge nicht so schematisch äußerlich betrachten, wie das heute oftmals geschieht, sondern wir müssen ausgehen von dieser Formung des Menschen und von da aus dann sehen, wie wir hinaufkommen in die Beziehung des Menschen zum Universum und zur Erde. Dadurch lernen wir allmählich aus der Form heraus den Menschen als einen Teil, als ein Glied des ganzen Universums begreifen.

Nun können wir ja die Sache noch von einer anderen Seite aus auffassen. Wir wollen sie nun von der folgenden Seite aus auffassen. Wir haben hier, sagen wir, den Widder. Betrachten wir alles zunächst vom Standpunkte des alten Griechen: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische, so können wir sagen, wenn wir die menschliche Form betrach-

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ten: Der Mensch - nehmen Sie das alles zusammen, was ich gesagt habe -, der Mensch wird in bezug auf seine Kopfform von außen, vom Universum herein gebildet. Nehmen wir also die Sache vom griechischen Standpunkte aus, so werden wir sagen: Der Mensch wird seiner Kopfform nach vom Universum herein gebildet. Da regt es sich dann im Inneren. Da setzen sich die Möglichkeiten an, daß er symmetrisch wird. Aber dann sind wir genötigt, das, was durch die letzten Sterngruppen an Einfluß auf den Menschen geschieht, im entgegengesetzten Sinne aufzufassen. Der Mensch hat da seine Einflüsse von der Erde. Tätigkeiten wirken auf ihn ein. Wenn wir hier das (oben) breit zeich-

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nen (siehe Zeichnung Seite 75), so werden wir auf dieser anderen Seite am besten das hier (unten) schmal malen, und wir werden sagen: Wenn der Mensch Jäger werden will, so muß er besonders stark ausgebildet haben, was hier aufgefaßt werden kann als Schütze. Sie wissen, es ist das, was menschliche Oberschenkel sind. Diese muß er besonders stark haben, wenn er Jäger werden will. Wird er Tierzüchter, muß er sich viel in der Kniebeuge bewegen. Wird er Ackerbauer, muß er gehen; er wird deshalb als schreitend dargestellt und so weiter. Handeltreiben: Wenn man an dem Menschen selber ein Symbolum suchen will, so werden es die Füße sein. Aber diese Organe werden jedenfalls von außen herein gebildet. Das andere steht dann in der Mitte, wo der Mensch sich "selber bildet.

Wenn ich Ihnen diese Figur hinzeichne, so ergibt sie sich eigentlich aus den zwölf Zeichen wie von selbst. Wir können sagen: Da (in der Mitte) wirkt das Universum, die Sterne, mehr im Inneren des Menschen; da (oben) wirken die Sterne von außen, und da (unten) drücken sie ihn zusammen. Aber Sie erkennen ja in dem, was ich da hingezeichnet habe, die Form des menschlichen Embryos! Und wenn Sie den menschlichen Embryo nehmen, so müssen Sie ihn eigentlich, wenn Sie den Tierkreis aufzeichnen, aus seiner eigenen Gesetzmäßigkeit heraus so zeichnen - geradeso wie Sie, wenn Sie eine Figur zeichnen wollen, die hundertachtzig Grad umschließt, ein Dreieck bekommen. Wenn Sie den Tierkreis so zeichnen, so umformen, daß seine Gesetzmäßigkeit in bezug auf die Erde zum Vorschein kommt, dann bekommen Sie durch innere Gesetzmäßigkeit die Form des menschlichen Embryos. Und Sie haben damit unmittelbar gegeben, daß der menschliche Embryo allerdings aus dem ganzen Universum heraus gebildet wird, daß er ein Ergebnis des Universums ist.

Ich sagte vorhin, man müsse sich auf den Standpunkt des Griechen stellen, denn heute können wir nicht mehr beim Widder anfangen, heute müssen wir anfangen im Zeichen der Fische. Wir stehen ja seit Jahrhunderten im Zeichen der Fische, und gerade im Zeichen der Fische vollzieht sich der Übergang zum Intellektualismus des Menschen. Wenn Sie aber zurückgehen bis dahin, wo noch der Widder berechtigt war, wo man also im alten Sinne von dem Tierkreis reden

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konnte, dann haben Sie nicht viel mehr als Schütze, Bock, Wassermann und Fische, respektive die Berufe: Jäger, Tierzüchter, Ackerbauer und Handeltreibender. Alles das, was an Industriellem gekommen ist und so weiter, das gehört schon in die Fische hinein; das ist schon eine Wiederholung. Denken Sie sich doch einmal: Wir leben im Zeitalter der Fische; da hat sich alles das herausgebildet, was heute unsere Maschinenkultur und so weiter ist. Gehen wir hinter dieses zurück in die Widderzeit, so haben wir noch die ehrlichen vier Berufe, wenn sie auch etwas komplizierter und modifizierter sind, die den Menschen in die Natur hineinstellen. Und dann können wir weiter zurückgehen - in das Stierzeitalter, den dritten, zweiten, ersten nachatlantischen Zeitraum, den letzten atlantischen, den vorletzten atlantischen und so weiter: so würden wir zurückkommen und würden, wenn wir weiter zurückkommen bis wiederum in das Zeitalter der Fische, den Menschen noch haben als ein vollständig ätherisches Wesen, das noch nicht in die physische Welt heruntergestiegen ist. Und weil wir ihn da haben in den Fischen, wo er einmal war als ein ätherisches Wesen, wiederholt er im Grunde genommen das, was er dazumal beim eigentlichen Menschwerden durchgemacht hat. Er wiederholt es seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, aber er wiederholt es in abstrakter Weise. Dazumal wuchs er konkret in sein Menschentum hinein. Seither wächst er in seine Abstraktionen hinein, denn eine Maschine ist auch eine Abstraktion. Seither, seit das Zeitalter der Fische wiederum da ist, ist der Mensch eigentlich hineingestellt in das, was ihn auflöst. Und wird der Mensch gar wiederum zurück in den Wassermann kommen, dann wird diese Auflösung wesentlich weiterschreiten, dann wird er vor allen Dingen nicht den geringsten Zusammenhang mit der Welt haben können, wenn er sich nicht an die geistige Welt hält. Eben wegen dieser Wiederholung muß der Mensch in die geistige Welt einrücken.

Auch daraus können Sie wiederum sehen, daß der Mensch eigentlich ein dreifaches Wesen ist: aus dem Universum hereingebildet, indem er Kopfmensch ist, im Inneren sich bildend, nur in Korrespondenz mit der Außenwelt, indem er Brustmensch ist, Gliedmaßen und Stoffwechsel bildend, indem er eben sich der Erdenwelt einfügt, also Gliedmaßen- oder Erdenmensch ist (siehe Tabelle Seite 72).

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Und noch in einer anderen Beziehung liegt hier ein Dreifaches vor. Denken Sie einmal, wenn der Mensch ankommt bei der Geburt, so liegen eigentlich die vier ersten Kräfteimpulse in ihm. Die bildet er dann erst aus, aber er ist da auch in gewissem Sinne ein ganzer Mensch, nur sind die anderen acht Glieder rudimentär. Der Kopf ist ein ganzer Mensch, nur sind die anderen Glieder daran rudimentär. Der Brustmensch wiederum ist ein ganzer Mensch, nur sind die vier ersten Kraftimpulse rudimentär und die vier letzten. Auch der Gliedmaßenmensch ist ein ganzer Mensch, nur ist die Brust und der Kopf daran rudimentär. Es stecken eigentlich drei Menschen auf diese Weise in dem Menschen drinnen. Der erste, der Kopfmensch, ist eigentlich die Umbildung der vorigen Inkarnation. Der Brustmensch ist eigentlich die jetzige Inkarnation an sich. Und das, was der Mensch tut, wie er sich in der äußeren Welt betätigt, was namentlich in seinen Gliedmaßen zum Ausdruck kommt und in seinem Stoffwechsel, das trägt ihn wieder in die nächste Inkarnation hinüber. Also auch in dieser Beziehung ist der Mensch ein dreigliedriges Wesen. So kann man die Form des Menschen in seiner Ganzheit studieren.

Man müßte also eigentlich sagen: Wenn man den Menschen aufzeichnet, müßte man zeichnen seinen Kopf. Man hat aber dann einen vollständigen Menschen. Daß man einen vollständigen Menschen hat, werden Sie schon daraus erkennen: Wenn Sie den Unterkiefer nehmen, so sind es eigentlich Beine, nur sind sie nach rückwärts gerichtet am Kopfe; dieser Mensch sitzt mit seinen Beinen. Der Kopf ist ein ganzer Mensch, nur sind die Beine umgestülpt, es sind die Unterkiefer hier. Der Mensch sitzt darauf, so daß ich das so zeichnen könnte, daß ich eigentlich einen ganzen Menschen, wenn auch sitzend, hier einzeichnen würde.

Dann wiederum ist eben der Brustmensch ein ganzer Mensch: die Arme sind gewissermaßen die äußeren Repräsentanten für ätherische Augen. Und wiederum ist ein ganzer Mensch der Gliedmaßenmensch. Da wären zum Beispiel die Nieren wiederum die Augen. So daß wir drei ineinandergeschobene Menschen auch in bezug auf die Form haben, wiederum so, daß wir in dem Menschen, der in den Kopf hinein verschwunden ist, der da eine Kugel geworden ist, zu sehen haben, was

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von der vorhergehenden Inkarnation sich hereinlebt, in dem Brustmenschen den eigentlichen jetzigen Menschen, und in demjenigen, was da herumläuft, das was in die folgende Inkarnation sich hineinschiebt.

Aber man kann in einem gewissen Sinne sagen: Auch am gegenwärtigen Menschen ist es so, daß er in seinem ganzen Verhalten etwas Dreigliedriges hat. Nehmen Sie den Gliedmaßen-Stoffwechselmen-schen: er ist fähig, einen ganzen Menschen hervorzubringen. Sie brauchen nur eben den Menschenkeim, den menschlichen Embryo im Leibe der Mutter zu nehmen, so haben Sie den Gliedmaßen-Stoffwechsel-menschen, der ein ganzer Mensch werden will.

Nehmen Sie den Brustmenschen, so sehen Sie, wie in dem Kinde, wenn es noch ein Säugling ist, tatsächlich der Kopfmensch mit dem Brustmenschen als ein Ganzes zusammengehört. Sie haben also auch im Heranwachsen des Menschen dieses Dreigliedrige. Und dann wird der Mensch, wenn er nicht mehr Säugling ist, erzogen: Kopf des Menschen als Erzieher, erzieht den anderen Menschen - Kindskopf den Kindskopf, denn im Grunde genommen bleibt der Mensch in bezug auf seinen Kopf immer Kind. Alt, das heißt mittelalterlich, wird er nur in bezug auf den mittleren Menschen, den Brustmenschen, und ganz alt wird er in bezug auf den Gliedmaßenmenschen. Das merken ja dit Menschen auch, wenn sie alt werden. Und schon nach dem alten Rätsel: In der Jugend geht man auf vieren, in der mittleren Zeit auf zweien und dann auf dreien - merken es die Menschen, daß sie da zunächst alt werden. Von da herein werden sie alt. Also in bezug auf den Kopf bleibt der Mensch immer so etwas wie ein Ergebnis der letzten Inkarnation. Der Kopf bleibt eigentlich sein ganzes Leben lang im Grunde genommen ein Kindskopf. Und man kann schon sagen: Die Erziehungswissenschaft muß eigentlich das Problem lösen, wie es am besten geht, daß der Kindskopflehrer den Kindskopfschüler in der besten Weise behandelt.

Diese Dinge sind scheinbar humoristisch, aber es verbirgt sich hinter ihnen eine tiefe Wahrheit, die nur ins Auge gefaßt werden muß, damit der Mensch wirklich die richtige Ansicht über sich selber erhalten kann.

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Bedenken Sie doch, daß im Grunde genommen der Kopf des Menschen eigentlich der Passagier ist, der fortwährend getragen wird von dem übrigen Menschen. Seine Beine, die hat der Kopf überhaupt immer in Sitzstellung; er schickt sich nicht einmal an, selbständig zu gehen. Er wird fortwährend getragen wie eben ein Mann, der in der Kutsche fährt. Er ist eigentlich im Grunde genommen der Passagier des Menschen, dieser Kopf. Der Brustmensch ist der Pfleger des Menschen. Und der Gliedmaßenmensch ist der Arbeitsmensch, derjenige, der verwendet wird als Sklave, der Arbeiter, der eigentlich Arbeitende, der Mensch, der nun das Leben eigentlich durchmacht. Daher hat man den Kopf auch, insofern man als ganzer Mensch Kopf ist; ich habe das oftmals ausgesprochen. Insofern man sich umschließt, ist man noch Kopf; bis zum Krebs herein ist man noch Kopf. Das hat man ohne sein Zutun vom Himmel. Hier (Mitte) muß man atmen und essen: es ist der Pfleger, die Amme. Und der eigentliche Arbeitsmensch, der gehört dem Gebiete des Schützen, des Steinbocks, des Wassermanns und der Fische an.

Sie sehen, auf diese Weise kann man nun wirklich die Form des Menschen im Zusammenhang mit dem ganzen Universum herausbekommen. Sie müssen diese Dinge, wenn sie eben auch so hingestellt sind, daß sie, ich möchte sagen, nicht mit Pedanterie, sondern in einer mehr leichteren Art vor Sie hingestellt werden, Sie müssen diese Dinge nur ganz ernst nehmen, dann werden Sie sehen, daß in allem diesem, was ich heute gesagt habe, auf der einen Seite die Möglichkeit liegt, die Form des Menschen aus dem ganzen Universum heraus zu begreifen, und auf der anderen Seite wiederum das liegt, was einen erfüllt mit der großen Ehrerbietung vor den Urerkenntnissen der Menschen, die in ihre Tierkreissymbole wirklich eine Menschenwissenschaft ungeheuerster Art aus ihrem instinktiven Hellsehen heraus haben hineinlegen können. Dagegen haben wir heute solch eine Wissenschaft, daß die Menschen in den Tierkreisbildern den Widder anglotzen, aber nicht wissen, daß die Hauptsache darin liegt, daß er sich umdreht; den Stier anglotzen, nicht wissen, daß das Wesentliche ist, daß er springt und nach der Seite blickt; und bei den Zwillingen dieses Sich-Anfassen, dieses Sich-Über-greifen und so weiter. Es ist alles in diesen Tierkreissymbolen ungeheuer

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tiefsinnig, ungeheuer bedeutsam, jede Gebärde jedes einzelnen Zeichens, und wo es sich nicht um eine Gebärde handelt, wie beim Löwen, da ist das Symbolische so gewählt, daß es als Zeichen schon die Gebärde in sich enthält, weil der Löwe den stärksten Herzschlag hat; so ist er gewählt. Also das Erfüllende ist im Löwen dargestellt. Auf diese Weise kann man wieder heraufholen die Urweisheit der alten Zeiten, wenn man sie heute in sich selbst findet.

Nun habe ich heute vor Ihnen betrachtet die Form des Menschen, möchte morgen betrachten das Leben des Menschen im Zusammenhange mit dem Universum, und dann im dritten Vortrag werden wir die Seele des Menschen betrachten im Zusammenhange mit dem Universum.

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SECHZEHNTER VORTRAG Dornach, 29. Oktober 1921

Wir haben gestern gesprochen von der Formung des Menschen und haben gesehen, wie die innere und äußere Form des Menschen herausgebildet wird aus dem Weltenall, und haben zugleich gesehen, wie bedeutsam in Zeiten älteren instinktiven Erkennens die Menschen diesen Zusammenhang der menschlichen Form mit dem ganzen Weltenall durchschaut haben. Wir müssen aber dabei doch das Folgende festhalten. Ich habe in einer der Zeichnungen gezeigt, wie man einzeichnen kann in die menschliche Gestalt den ganzen Tierkreis. Aber wir mußten als menschliche Gestalt dann eigentlich die Embryonalform des Menschen aufzeichnen. Und wenn wir diese Embryonalform aufzeichnen, dann haben wir förmlich in der Gestalt des Menschen selber die Tierkreisform nachgebildet. Der Mensch aber reißt sich gewissermaßen in seinem Leben hier auf der Erde zwischen Geburt und Tod aus dieser Embryonalform heraus. Er ist während der Embryonalzeit durchaus aus dem Weltenall heraus geformt. Ich möchte sagen: Er streckt sich dann während seiner Erdenzeit. Dadurch hebt er sein Haupt heraus aus dem Kreise, der dem Tierkreis nachgebildet ist. Und dadurch, daß er sein Haupt heraushebt, daß er also während seiner physischen Lebenszeit zwar noch die Form hat, die er embryonal veranlagt bekommt, aber sie nicht mehr eingliedert in den Fixsternhimmel, dadurch bekommt der Mensch zunächst in bezug auf die Hauptesform die Möglichkeit, in diese Hauptesform aufzunehmen dasjenige, was er herüberbringt aus dem vorigen Erdenleben.

Das Tier behält seine horizontale Rückgratlage. Der Kopf hängt vorne nur an dem Rückgrat daran. Das Tier behält im Grunde genommen viel mehr bei von dieser Tierkreisstellung. Dadurch aber kann das Tier auch mit Hilfe seines Hauptes nichts aufnehmen von einem vorigen Erdenleben. Das ist so, wenn wir die Form des Menschen nach der einen Seite betrachten, wenn wir uns also sagen: Würde der Mensch genau dem Tierkreis nachgebildet sein, würde er diese Form haben (Embryo). Dann, wenn er während des Lebens diese Form beibehielte,

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  1. Bild-SE083

würde er nicht sein Wesen aus der vorigen Inkarnation durch die Hauptesform aufnehmen können. Dadurch, daß er das Haupt heraushebt aus dieser Stellung, dadurch wird die Form in die Möglichkeit versetzt, Umhüllung zu sein für das, was aus dem vorigen Erdenleben kommt.

Ebenso aber hebt der Mensch dann die andere Seite heraus, die nach den letzten Tierkreisbildern hin orientiert ist, nach dem Schützen, dem Steinbock, dem Wassermann und den Fischen, also, wie wir gestern gesagt haben, nach dem äußeren Leben, nach den älteren äußeren Lebensverhältnissen: der Jagd, der Tierzüchtung, dem Ackerbau und dem Handel, der Schiffahrt. Dadurch, daß der Mensch wiederum diese Verrichtungen aus seinem Wollen heraus bildet, also aus seinem Gliedmaßensystem, das er aus der Tierkreisorientierung herausgehoben hat, dadurch bleibt ihm in alldem, was diese seine Verrichtungen, was überhaupt menschliche Verrichtungen sind, die Möglichkeit, der Keim zu späteren Erdenleben. Das Tier bleibt durchaus im Tierkreis drinnen orientiert. Dadurch hat das Tier keine Möglichkeit, von einem vorigen Erdenleben irgend etwas aufzunehmen oder nach einem folgenden Erdenleben hinüberzublicken. Daher wird auch das, was wir als den Orientierungskreis, den Tierkreis bezeichnet haben, aus einer tiefen Weisheit der älteren instinktiven Erkenntnis heraus eben der Tierkreis genannt.

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Aus alldem ersehen Sie, wie gründlich eigentlich diese ältere instinktive Weisheit war, und wie wir, wenn wir heute wiederum Geisteswissenschaft treiben, jetzt nicht aus Instinkt, sondern aus einem klaren Bewußtsein heraus zu denselben Tatsachen kommen und dadurch wieder erkennen, was in einer alten instinktiven Erkenntnis so gelebt hat, wie ich es in den letzten Vorträgen hier angedeutet habe, und wovor wir immer mehr und mehr Respekt bekommen, je mehr wir Einblick gewinnen in diese Urweisheit der Menschen. Das ist es, was ich Ihnen zunächst über die Form sagen möchte.

Was nun in diese Form beim Menschen gewissermaßen einfließt, was in diese Form ergossen ist, das ist das Leben. Dieses Leben des Menschen, das finden wir ebenso im Ätherleib des Menschen lokalisiert, wie wir die Form im physischen Leib lokalisiert finden. Und es ist durchaus das Richtige, wenn man den physischen Leib des Menschen betrachtet, ihn seiner Form nach zu studieren, denn die Form ist das Wesentliche an dem physischen Leibe. Zu dem physischen Leibe kommt der Ätherleib hinzu, und dieser Ätherleib des Menschen, der repräsentiert vorzugsweise dasjenige, was das Leben ist. Wir haben also gestern die Form besprochen und wollen heute das Leben besprechen.

Wir haben gestern gesehen, wie die Form sich eigentlich aus zwölf verschiedenen Formen zusammensetzt, und wir haben versucht, diese zwölf verschiedenen Formen zu studieren. Die Gesamtform des Menschen, innerlich und äußerlich, ergibt sich, wie wir gesehen haben, aus zwölf einzelnen Formen. Ebenso ergibt sich das Leben des Menschen aus einer Reihe von einzelnen Lebensstufen. Und diese einzelnen Lebensstufen, sie kann man sich in der folgenden Weise zunächst vor die Seele stellen.

Das erste, was der Mensch in seinem alltäglichen Bewußtsein gewöhnlich noch nicht als eine Lebensstufe ansieht, das ist das Sinnesleben. Die Sinne sind ja eingegliedert in die gesamte menschliche Wesenheit, aber sie liegen so sehr an der Peripherie, im Umkreis des Menschen, daß der Mensch eigentlich im alltäglichen Leben vergißt, daß dieses Sinnesleben die äußerste Schichte seines Lebens ist. Wir haben aber im Umkreise diese äußerste Schichte unseres Lebens, das Sinnesleben.

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Gehen wir weiter nach dem Inneren, dann kommen wir, indem wir uns auf die Betrachtung des Lebens beschränken, zu der Fortsetzung des Sinneslebens nach innen, und dieses Sinnesleben, das setzt sich nach innen fort in dem Nervenleben. Die Nerven gehen ja von den Sinnesorganen nach innen. Das Nervenleben setzt das Sinnesleben fort.

Das Nervenleben kommt nun aber seinerseits in Berührung mit einem anderen Leben, mit einer anderen Lebensstufe, die sich im menschlichen Lebewesen entfaltet. Von gewissen Gesichtspunkten aus habe ich dieses schon bei früheren Anlässen charakterisiert. Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, wie der Mensch einatmet. Indem er einatmet, nimmt er die Atemluft auf. Diese Atemluft, die versetzt zunächst den Menschen in eine Art inneren Rhythmus. Der setzt sich fort durch den Rückenmarkskanal bis in das Gehirn. Und ich habe darauf aufmerksam gemacht, was auf diesen Fortsetzungen beruht. Da kommt das Nervenleben in Kontakt mit dem Atmungsleben. Und die nächste Lebensstufe, wenn wir nach innen gehen, ist in der Tat das Atmungsleben.

Das Atmungsleben seinerseits wiederum, das schließt sich zusammen mit einer anderen Lebensstufe. Der Atem erneuert, wenn wir so sagen dürfen, beständig das Blut. Damit steht der Atmungsrhythmus mit dem Blutrhythmus in einem Zusammenhang, und wir können hinübergehen vom Atmungsleben in das Zirkulationsleben, in das Leben, das im Zirkulationsrhythmus enthalten ist.

Die Zirkulation wiederum, sie steht nach der anderen Seite im Zusammenhang mit dem gesamten Stoffwechsel. Die Zirkulation nimmt den Stoffwechsel auf, so daß wir zur nächsten Lebensstufe, zum Stoffwechsel kommen.

Der Stoffwechsel hinwiederum, der regt an, was wir in der äußeren Bewegung vollziehen. Nur dadurch, daß der Mensch im Stoffwechsel lebt, kann er sich äußerlich bewegen. Der menschliche Stoffwechsel - und auch der tierische - ist ja so geartet, daß des Menschen Seele das, was im Stoffwechsel vor sich geht, verwenden kann, um dadurch Bewegungen hervorzubringen, und wir kommen dann zu dem Bewegungsleben. Da ordnen wir uns schon wiederum in die Außenwelt ein. Da nehmen wir mit dem, was wir hervorbringen, an der Außenwelt teil.

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Und dann gibt es noch eine weitere Lebensstufe. Das ist das Reproduktionsleben, das Fortpflanzungsleben. In der Bewegung verbraucht der Mensch in der Tat fortwährend sich selber, und eine innere Reproduktion muß stattfinden eben deshalb, weil der Mensch in Bewegung ist. So daß man statt Bewegungsleben auch sein Korrelat schreiben könnte: innere Reproduktion, wenn man innerhalb der Haut des Menschen stehenbleiben würde. Und wenn dann diese Reproduktion selbständig auftritt, so tritt sie auf im Fortpflanzungs-, im eigentlichen Reproduktionsleben.

1. Sinnesleben
2. Nervenleben
3. Atmungsleben
4. Zirkulationsleben
5. Stoffwechselleben
6. Bewegungsleben
7. Reproduktionsleben

Wir haben auf diese Weise, wie wir gestern zwölf Formelemente der Gesamtform des Menschen entwickelten, heute sieben Lebensstufen entwickelt. Diese sieben Lebensstufen, sie sind in der Tat so, daß der Mensch mit Bezug auf seinen Ätherleib in verschiedener Weise lebt auf diesen verschiedenen Lebensstufen. Wir können nicht von einem einzelnen, verwaschenen Leben reden, wenn wir die Dinge im Ernste ins Auge fassen wollen.

Unser Ätherleib lebt zunächst, wenn ich so sagen darf, in der Sinnenschichte. Er lebt in der Sinnenschichte das Sinnesleben. Dieses Leben in der Sinnenschichte, das ist das Leben, das wir in der Tat kaum mehr als Leben empfinden. Wir nehmen dadurch an der Außenwelt teil. Unser Ätherleib, sagen wir, wenn wir da zum Beispiel das Auge haben, durchdringt das Auge. Er ist lebendig. Er belebt dadurch in einer gewissen Weise das Auge. Aber er berührt sich mit einem Substantiellen im Auge, das nahe dem Sterben ist. Nur dadurch, daß der Ätherleib dieses Auge noch durchdringt, ist es ein lebendiges Organ. Es ist eigentlich, abgesehen von dem es durchdringenden Ätherleib, ein physikalischer Apparat.

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Nun ist das bei den verschiedenen Sinnen in der verschiedensten Weise ausgebildet, daß sie auf der einen Seite ein physikalischer Apparat sind und dann vom Ätherleib durchdrungen sind. Aber im großen und ganzen ist es doch durchaus so, daß die Sinnesorgane eigentlich tote Organe sind, die eben nur einfach vom Ätherleib durchdrungen sind. So daß man das Sinnesleben schon nennen kann das ersterbende Leben.

Das Nervenleben hingegen, das bildet aus dem, was in den Sinnen erlebt wird, das, was das Sinnesleben dann bewahren kann. Auf dem Nervenleben beruhen alle Nachklänge, Nachwirkungen zum Beispiel, wenn wir das Auge betrachten, so daß wir im Nervenleben eine Art von ruhendem Leben haben, ein, wir können sagen, ruhendes oder bewahrendes Leben.

Das Atmungsleben dagegen, das bringt dieses flüchtige und sich bewahrende Sinnesleben zur Bildhaftigkeit. Auf der Berührung des Atmungsrhythmus mit den Nervenströmungen beruht es, daß wir uns Bilder machen können von der äußeren Welt. Gedanken, abstrakte Gedanken sind noch durchaus an das Nervenleben gebunden, aber das Bildhafte ist an das Atmungsleben gebunden. So daß man sagen kann: Hier haben wir das bildende Leben. - Wir haben also, indem wir atmen, bildendes Leben in uns. Dieses bildende Leben lebt natürlich in der menschlichen Form. Dadurch, daß es in der menschlichen Form lebt, nimmt es teil an der menschlichen Form.

Die menschliche Form, sie ist, wie wir gesehen haben, gebildet nach dem Tierkreis. Indem gerade dieses bildende Leben, das durch das Atmen vermittelt wird, in der Form des Menschen lebt, nimmt es auch teil an der gesamten äußeren, aus dem Sternenhimmel herausgebildeten Form. Dadurch gliedert sich diese Form auch in das Innere des Menschen hinein. Und es beruht dann auf dem Atmen, daß aus dem Atmungsprozeß nicht nur herauskommt, was der Mensch im Bewußtsein hat, sondern daß herauskommen aus dem Atmungsprozeß zunächst die Bilder sämtlicher innerer Organe in der Nachbildung an die äußere Form. Die inneren Organe werden also auf dem Umwege durch den Atmungsprozeß zunächst als Bilder gebildet. Da sind sie noch nicht substantiell. Der Atem bildet zunächst ein Bild des Menschen, ein Bild

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des inneren Menschen. Indem wir atmen - wir atmen ja in der Welt, bewegen uns mit der Erde im Tierkreis -, atmen wir fortwährend die Bilder unserer inneren Organisation ein. Aus dem äußeren Leben atmen wir die Bilder unserer inneren Organisation ein. So daß wir sagen können: Hier haben wir das bildende Leben. - Diese Bilder, die da eingeatmet werden, die werden nun durch das Zirkulationsleben über den ganzen Organismus verbreitet. Zirkulationsleben und Atmungsleben zusammen führen den Menschen dazu, innerlich Bild der Welt zu sein. Wir können also sagen: Hier das bildende Leben, und dann können wir sagen: die sich verbreitenden Bilder, das sich Verbreitende, die sich verbreitenden Organbilder.

Dadurch nun, daß das Zirkulationsleben an den Stoffwechsel sich anschließt, wird der Stoff eingefügt diesen Bildern, und es entstehen bei der fünften Lebensstufe die stofflichen Organe. Es schiebt sich der Stoff in die Bilder hinein. Er tingiert die Bilder. Wir haben also durch unseren oberen Menschen, durch unser Atmungsleben unser inneres Bild, und die Bilder machen wir gewissermaßen zu Wirklichkeiten durch den tingierenden Stoff, der sich da hineinschiebt.

Aus dem Bewegungsleben schiebt sich in die stofflichen Organe die Kraft ein. So daß wir sagen können: Wir haben die stofflichen Organe, und hier haben wir das kraftende Leben in den Organen. Und das Reproduktionsleben ist dann das sich erneuernde Leben.

Sie sehen da zu gleicher Zeit, wie der dreigegliederte Mensch ge-

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bildet ist: der Nerven-Sinnesmensch, der Zirkulationsmensch, der Mensch des Rhythmus, und der Stoffwechsel-Gliedmaßenmensch oder Stoffwechsel-Bewegungsmensch. Durch die Reproduktion entsteht ja wiederum erst der neue Mensch.

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Diese Attribute, die ich Ihnen hier rechts dazugeschrieben habe, die geben Ihnen eine Vorstellung von den Unterschieden, die zwischen den Lebensstufen bestehen. Indem unser Ätherleib in den Sinnen lebt, lebt er in einer Art ersterbendem Leben. In einem bewahrenden Leben lebt er, indem er im Nervenleben, in den Nervenströmen ist. Im Atmungsleben wird eigentlich unser Ätherleib der richtige Bildekräfteleib, der die Bilder entwirft. Und daß diese Bilder dann wirklich zur gesamten inneren Organisation werden, das vermittelt das Zirkulationsleben. Mit Stoff füllt sich das aus vom Stoffwechselleben. Indem der Ätherleib den Stoffwechsel durchdringt, tingiert er den eigentlichen Bildekräfteleib. Und dann kommt die subjektive menschliche Kraft hinein durch das Leben der Gliedmaßen und so weiter.

Auch diese Zusammenhänge hat eine alte instinktive Weisheit durchschaut. Sie wußte, daß der Mensch das Leben von außen aufnimmt und innerlich weiterbildet, richtig innerlich weiterbildet. So etwa dachten sich diese älteren Weisen die Sache. Sie sagten sich: Nehmen wir eine äußerste Schichte des Erdenumkreises, der Weltensphäre, nehmen wir eine nächste Schichte, nehmen wir eine weitere Schichte - so haben

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wir die äußerste Schichte zunächst am nächsten dem Fixsternhimmel, also demjenigen im Weltenall, dem der Mensch seine Form verdankt. Sein Leben, sagte nun diese ältere instinktive Weisheit, erfließt ihm nicht aus dem Fixsternhimmel, sondern aus dem planetarischen Himmel. Da unterschied er zunächst den Saturn, den Jupiter, den Mars, die

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Sonne. Wenn wir die Sonne in ihrer wahren Wesenheit ins Auge fassen, ich habe ja über diese wahre Wesenheit der Sonne des öfteren gesprochen, so unterscheidet sie sich - man nennt sie~ deshalb in der populären Astronomie einen Fixstern - von den übrigen Gliedern des Planetensystems, das zur Erde gehört, dadurch, daß sie als Lichtquelle erscheint. Sie erscheint als Lichtquelle. Sie ist insofern von den anderen Gliedern verschieden, als die anderen Glieder nicht als Lichtquellen erscheinen, sondern sie erscheinen als Bilder. Man sagt ja deshalb auch in der populären Astronomie: Sie haben das erborgte Licht, sie strahlen das Licht der Sonne zurück. - Die Sonne selbst erzeugt, im populären Sinne gesprochen, das Licht; die anderen planetarischen Körper strahlen das Licht zurück.

Vergegenwärtigen Sie sich den Unterschied: ob man Sonne hat, die das eigene Wesen aus sich hervorgehen läßt in dem Lichte, oder ob man die anderen Himmelskörper, die Planeten hat, die nur das Bild des äußeren Wesens zeigen, gewissermaßen nur, was sie an der Oberfläche tragen, dadurch sichtbar machen, daß sie das Sonnenlicht zurückwerfen. Es ist ein wesentlicher Unterschied. Und indem die Sonne gewissermaßen die Quelle des Lichtes ist, ist sie auch die Quelle des Lebens.

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Und sie ist auch noch eine andere Quelle. Zu allen Zeiten hat man schon innerhalb der instinktiven Erkenntnis gesprochen von einer dreifachen Sonne, von der Sonne als Lichtquelle, Lebensquelle, Liebesquelle. Diese Trinität ist durchaus in der Sonne enthalten.

Sonne Lichtquelle
Lebensquelle
Liebesquelle

Nun brauchen Sie heute gar nicht zu sündigen wider das kopernikanische Weltensystem, sondern Sie können es durchaus beibehalten und können dennoch aus diesem kopernikanischen Weltensystem heraus einsehen, was die Alten, die eine instinktive kosmische Erkenntnis gehabt haben, mit ihrem Weltensystem gemeint haben. Nehmen wir also an, kopernikanisch gedacht in der Mitte, oder meinetwillen in einem Brennpunkte, aber das können wir jetzt unbeachtet lassen, da

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stehe die Sonne; es drehen sich Merkur, Venus, Erde, Mars - die Planetoiden können wir heute unberücksichtigt lassen -, Jupiter, Saturn um sie herum.

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Nun nehmen wir die Sache aber so: Nehmen wir hier die Stellung, die ja durchaus auch möglich ist, daß wir hier (oben) haben Saturn, Jupiter, Mars, und nun kommen wir zu Sonne, Merkur, Venus, Erde -mit dem Mond aber, den wir hier so aufstellen.

Nun ist eine solche Stellung natürlich nicht notwendig ins Auge zu fassen, sondern ich stelle sie nur deshalb hin, um Ihnen zu zeigen, daß in der Tat, trotz des kopernikanischen Systems, auch die Reihenfolge möglich ist, welche die Alten angenommen haben: Mond, Venus, Merkur, Sonne, Mars, Jupiter, Saturn. Man braucht nur die Konstellationen so zu nehmen, daß eben die Erde auf einer Seite von der Sonne steht und irgendwo auf der anderen die äußeren Planeten. Es ist ja gar nicht nötig, daß eine solche Oppositions- oder Konjunktionsstellung stattfindet, das kann ja auch alternierend geschehen, abwechselnd, aber diese Reihenfolge ist eben durchaus auch denkbar. Und an diese Reihenfolge hat eine alte instinktive Weisheit gedacht.

Warum? Weil ihr diese Reihenfolge wichtig erschien. Der alte Mensch sagte sich: Nehmen wir an, hier auf der Erde lebe der Mensch. Der Mensch ist ausgesetzt dem Universum. Er erlebt die Sonnenstrahlen. Die Sonnenstrahlen sind ihm zunächst Lichtquelle, Lebensquelle, Liebesquelle. Dadurch kommt Licht, Leben, Liebe in ihn hinein. Die Sonne ist die Quelle von diesen dreien. Nun ist aber der Mensch nicht nur ausgesetzt dem Sonnenleben, der Sonnenliebe, dem Sonnenlichte, sondern auch dem Bildhaften des Saturn. Wenn der Mensch bloß, auf der Erde sich entwickelnd, dem Sonnenleben ausgesetzt wäre, dann würde er das Leben seiner Sinne nicht entwickeln können. Nehmen wir die Augen - einen Sinn: sie würden sich nicht als physikalische Apparate absondern. Sie würden so wie irgendein anderer Teil des menschlichen Körpers dadrinnen sitzen. Sie würden etwa Muskelorgane oder so etwas sein, Gefäße. Also wenn der Mensch fortwährend der Sonne ausgesetzt wäre, würde er eben seine Augen, aber auch die anderen Sinne nicht entwickeln können. Daß er die Sinne entwickeln kann, das verdankt er dem Umstände, daß den Sonneneinfluß abschwächt der Saturn, der in der äußersten Sphäre sich herumbewegt. Also dieser Saturn trocknet gewissermaßen das Gefäß aus, und es entsteht dadurch der physikalische Apparat, grob gesprochen. So daß aus

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dieser instinktiven Erkenntnis heraus, auf die wir heute wieder kommen, der alte Mensch sagte: Das Sinnesleben ist hereingewirkt vom Saturn.

Und ein Zweites: Der Mensch ist nun nicht bloß dem Saturnleben ausgesetzt. Wenn er dem Sonnenleben fortwährend ausgesetzt wäre, würde er nicht nur keine Sinne entwickeln können, sondern er würde auch sein Nervenleben nicht entwickeln können. Das Nervenleben, das trocknet aus, sonst würde es überwuchern. Die Nerven würden auch Organe sein so wie etwa die Muskeln. Dieses Austrocknende im Nervenleben, das ist der Einwirkung von Jupiter entsprechend. So daß der alte Mensch gesagt hat: Das Nervenleben wird angeregt vom Jupiter.

Sehen Sie, der Saturn kreist um die Sonne herum in dreißig Jahren etwa annähernd. Da erlebt natürlich der Mensch, wenn er auf der Erde lebt, einmal annähernd, daß der Saturn gewissermaßen von der Sonne zugedeckt ist. Wenn der Mensch das Glück hat, den Saturn von der Sonne besonders stark zugedeckt zu erhalten, dann dämmert in sein Sinnesleben hinein ein starkes Sonnenleben. Man möchte sagen: Die Augen oder andere Sinne - die Augen kommen dabei allerdings am wenigsten in Betracht, aber wir können an ihnen, weil sie am deutlichsten sind, am besten exemplifizieren -, die Augen bekommen dann eine Anregung. Wenn der Mensch also während seines Erdenlebens einmal die Konstellation erlebt, daß gewissermaßen der Saturn auf seine Sinne nicht wirkt, dann kann es sein, daß er die Entdeckung macht, wie gerade durch seine Sinne eine besondere kosmische Einwirkung geschieht. Er bekommt eine Anregung. Er wird sinnlich stärker. Solche Dinge gibt es. Die wollen dann die Menschen als alles mögliche erklären, nur nicht als das, was sie sind.

Es gibt heute eine ganz große amerikanische Literatur über diese Dinge. Da kommt William James und redet von allerlei «Erweckungen». Er redet davon, wie es Menschen gibt, in denen das Leben eine besondere Erweckung erfährt. Lesen Sie nur einmal nach in den Büchern dieses William James und in denen seiner Schüler, da werden Sie finden, daß das ein besonderes Phänomen ausmacht, daß der Mensch zu irgendeiner Zeit eine besondere Anregung erfährt. Natürlich wissen

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diese Leute nicht, wovon das kommt, wissen nicht, daß das davon kommt, daß solch eine Konstellation eintritt entweder mit Saturn oder Jupiter. Wenn das Saturnleben verdeckt wird, wird das Sinnesleben besonders angeregt; wenn das Jupiterleben verdeckt wird, was noch leichter sein kann übrigens, weil Jupiter alle zwölf Jahre, also schneller herumkreist, da findet der Mensch eine Anregung seines Nervenlebens.

Alle diese Dinge, die da Verzeichnet werden, die werden ins Unterbewußtsein verlegt. Dieses Unterbewußtsein, das ist das reine Faulbett heute für alle Leute von der Sorte des William James, von der Sorte der Psychoanalytiker. Dieses Unterbewußtsein, es ist ja ein rein negativer Begriff, es ist ein Spucknapf, in den man alles hineinspucken kann, wofür man gar keine Erklärung mehr hat im Leben. Ein reiner Spucktopf ist dieses Unterbewußtsein. Da muß alles herein, 'rein, 'rein; da sind die verborgenen Seelen-«Provinzen», nicht wahr, drinnen, die dann gelegentlich reagieren und so weiter. Es wäre schon im höchsten Grade wünschenswert, daß alle diese sowohl pragmatischen wie psychoanalytischen Theorien einmal eine gründlichere Beleuchtung erfahren würden.

Der dritte Planet ist dann der Mars. Er schwächt das wuchtende Leben zur Atmung ab. Auch bei ihm kann natürlich das der Fall sein, daß die Sonne ihn zudeckt. Dann kann das Atmungsleben eine besondere Anregung erfahren. Da der Mars aber sehr rasch, etwa in zwei Jahren herumkreist, so ist das so, daß das fast jeder Mensch erfährt, und daher jeder Mensch in seinem Atmungsleben, in seinem Bild-Erleben gewisse Anregungen bekommt. Sie sind ja nicht immer allerersten Ranges, aber die Menschen werden dann Dichter oder so was dergleichen, oder Komponisten, die Anregungen in ihrem Atmungsleben empfangen. Da geht es dann nicht so tief, daß dann Leute wie James dem nachspekulieren. Das findet man als etwas Erklärliches. Also den Mars betrachteten die alten instinktiven Weisen als Anreger für das Atmungsleben.

Dann ist es das Sonnenleben selber, welches den Menschen anregt, die Sonne selber, die Sonne als das Leben-, Liebe-, Licht-Erregende, äußerlich Licht-Erregende, innerlich Liebe-Erregende und im Verkehre mit der Außenwelt Leben-Erregende. Das wird nun in die Mitte zwi-

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sehen Atmungsleben und Zirkulationsleben versetzt, wohin es auch die alte Weisheit versetzt hat. Zwischen dem Atmungsleben und dem Zirkulationsleben liegt ja das Herz, der Ausdruck, nicht der Motor, aber der Ausdruck für das, was zwischen Zirkulation und Atmung sich abspielt.

Und wir kommen dann zum Stoffwechsel. Wie gesagt, die alte Wissenschaft hat nun die Konstellation so betrachtet: den Merkur hat sie nun nicht so betrachtet, daß sie das Hauptaugenmerk darauf legte, inwiefern die Sonne ihn zudecken kann wie die anderen Planeten, sondern inwiefern er die Sonne zudeckt gegenüber der Erde, also daß er die Sonne zudeckt. Für den Merkur betrachtete die alte Weisheit die Stellung zwischen Sonne und Erde als das Wesentliche. Für den Jupiter betrachtete die alte Weisheit die Stellung außerhalb der Sonne als das Wesentliche. Für den Merkur fand sie wichtig für die Entwickelung des Lebens des Menschen die Stellung zwischen Sonne und Erde. Da deckt der Merkur die Sonne zu. Sonst hat immer die Sonne die anderen zugedeckt; hier deckt der Merkur die Sonne zu, das heißt, er schwächt das Leben ab. Indem dadurch eine Wirkung ausgeübt wird, daß also das Sonnenleben abgeschwächt wird, regt sich das abgeschwächte Leben im Inneren. Der Mensch würde wenn sich dieses Leben nicht abschwächen würde , er würde, wenn er irgend etwas zu sich nehmen würde, es verzeihen Sie sofort wieder ausspeien; er würde gar nichts von äußerem Stoff in sich dulden, er würde fortwährend speien. Er würde sich dann das Essen abgewöhnen, weil das ja zu langweilig wäre. Das Leben der Sonne ist eben so stark im Menschen. Wenn also nur Herz-, das heißt Sonnenleben wäre, würde der Mensch nichts in sich verarbeiten können von Stoffen. Er würde alles gleich ausspeien. Daß der Mensch einen Stoffwechsel entwickeln kann, das verdankt er lediglich dem Umstände, daß hier das Merkurleben etwas abschwächt das Sonnenleben. So daß aus diesem Grunde die alte Weisheit eingeschaltet sich dachte, als fortwirkend aus dem Kosmos zwischen das Zirkulationsleben und das Stoffwechselleben, das Merkurwesen. Das Merkurwesen schiebt also den Stoff durch den menschlichen Organismus hindurch in die einzelnen Organe hinein. Die Kraft aber wird hineingestoßen durch das Bewegungsleben.

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Das Bewegungsleben, das ist nun ebenso abhängig von dem Venusleben wie das Stoffwechselleben von dem Merkurleben. Daher hat die alte Weisheit hier die Kraft, welche durchfließt, also dieses innerliche Sich - selbst - Erneuern, dieses Einen - zweiten - Kraftmenschen - in - sich -Fühlen, dem Venusleben zugeschrieben.

Das Mondenleben, das nahe dem Erdenleben selber liegt, das wirkt nun nicht bloß so abschwächend, daß der Mensch Stoff, daß er Kraft verarbeitet. Ich habe das einmal auseinandergesetzt, worauf die Reproduktion beruht: Es wird ausgespart, es wird gewissermaßen organisch Materie zurückgeschoben. Darauf beruht ja die Keimesbildung im Menschen, daß organisch Materie zurückgeschoben wird und daß aus dem Kosmos heraus der Embryo eigentlich seiner Kraft nach organisiert wird. Das Reproduktionsleben beruht in dieser Beziehung auf dem Mondenleben.

So wie ich Ihnen gestern die Beziehung der menschlichen Form in ihren zwölf Stücken darstellen konnte in Beziehung auf den Fixsternhimmel, so habe ich mich heute bemüht, Ihnen zu zeigen, wie sowohl im Einklänge mit der alten instinktiven Weisheit, wie im Einklänge mit der neueren anthroposophischen Wissenschaft das Leben des Menschen in seinen verschiedenen Stufen zusammenhängt mit dem planetarisch-kosmischen Leben. Und das geschieht dadurch, daß in der Tat durch die verschiedene Stellung der Erde zu den Gliedern des Planetensystems und zu dessen Mittelpunkt, der Sonne, das Leben in der verschiedensten Weise modifiziert wird. Es wird erstorben gemacht, bewahrt, in Bildung getrieben im oberen Menschen. Es wird abgeschwächt im unteren Menschen, so daß der Mensch von der Erde aufnehmen kann das Stoffliche, die Kraft der Erde. Der Mensch nimmt einfach die Abstoßungskraft der Erde in seine eigene Kraft auf und bildet dadurch die Kraft seiner Organe aus und so weiter.

So sehen wir auch das Leben des Menschen aus dem Kosmos hervorgehen.

Wir haben hier die Möglichkeit, uns zu sagen: Schauen wir zum Fixsternhimmel hinauf, dann sehen wir im Fixsternhimmel die Repräsentanten, nämlich in den Tierkreisbildern die Repräsentanten der Bildung der menschlichen Form. Beobachten wir die Bewegung der Pla-

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neten, so haben wir darinnen das, was uns aus dem Kosmos heraus erklärlich macht die verschiedenen menschlichen Lebensstufen. Wir blik-ken bis zum Saturn, indem wir das Sinnesleben nehmen, bis zum Jupiter, indem wir das Nervenleben nehmen, bis zum Mars, indem wir das Atmungsleben nehmen. Dieses Atmungsleben wirkt in Bildern.

Nun stellen wir einmal dieses Atmungsleben besonders heraus. Ich sagte Ihnen: Die Bilder werden aufgenommen aus dem Kosmos heraus: Form. Also das, was aus dem Tierkreis heraus erlebt wird in der Bewegung, das fließt gewissermaßen als die Bilder der inneren Organe nach innen. Aber der Mensch steht zwischen Geburt und Tod auf der Erde. Das Untere wirkt nach dem Oberen hinauf. Dadurch wird immer alles polarisch ausgebildet. Diese Bilder gehen schon nach innen; sonst hätten wir eben keine Organe, wenn die Bilder nicht nach innen gehen würden und tingiert werden könnten mit dem Stoffe. Aber es findet überall ein Gegenüber statt. So daß wir sagen können: Wenn wir atmen, werden die Bilder - sagen wir also zum Beispiel das Bild der Niere - nach innen getrieben. Der Stoff, der füllt dann das aus

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(rot); aber es entsteht ein Gegenüber, nach oben wiederum. Das heißt, es werden gewissermaßen im Echo diese Bilder wieder zurückgeworfen. Also die Bilder, die hat der Mensch einmal aufgenommen. Sie müssen nicht an Gleichzeitigkeit denken, die Organe sind einmal da. Der Mensch hat die Dinge natürlich gebildet in den ersten Zeiten seines

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Erdendaseins, aber der Rückschlag kann fortwährend geschehen. Wie das Seelische dabei mitwirkt, werden wir dann morgen sehen. Der Rückschlag geschieht fortwährend. Also stellen Sie sich jedes für sich vor: Sie nehmen die Bilder für Ihre inneren Organe mit dem Lebensprozesse auf. Das wird wiederum zurückgestoßen, das heißt, es kommen wiederum herauf, zurück die Echos dieser Bilder, auch der Tierkreis, namentlich mit dem Atmungsleben darinnen. Nun, Sie brauchen bloß an Ihre Ohren zu denken, dann haben Sie diesen Rückschlag. Diese Bilder werden in die Luft hinein gebildet, das sind die Vokale, die Konsonanten! Von den Planeten kommen mehr die Vokale, von den Tierkreisbildern kommen die Konsonanten. Dieser Rückschlag ist die Sprache. Was hineingeht, bildet die Organe. Was wiederum zurückgeschlagen wird, lebt in der Sprache. Konsonanten und Vokale werden gewissermaßen in uns hineingetrieben, bilden die Grundlage unserer Organe. Was mehr Form ist in unserem Inneren, kommt mehr von den Tierkreisbildern, was mehr Leben ist, kommt mehr von den Planeten. Wenn mehr das Leben zurückgeschlagen wird, vokalisieren wir, wenn mehr die Formen zurückgeschlagen werden, konsonantisieren wir. Das alles hängt in einer gewissen Weise mit dem Atmungsleben zusammen. Nun, in der Sprache haben Sie es ja deutlich, wie sie mit dem Atmungsleben zusammenhängt.

Sehen Sie, es ist schon nichts damit, den Menschen so erklären zu wollen, daß man ihn auf den Seziertisch legt und untersucht, was innerhalb seiner Haut ist. Das gibt nichts anderes, als wenn jemand eine Magnetnadel nimmt und absehen will davon, daß die Erde selber ein großer Magnet ist, so daß das eine Ende nach Norden getrieben wird, das andere nach Süden getrieben wird von außerhalb. Wenn einer durchaus erklären möchte, warum diese Magnetnadel in sich just die Tendenz hat, sich in einer Richtung zu stellen - denn drehe ich sie, sie dreht sich immer wieder um -, wenn man ihr das zuschreibt, wenn man also eine Theorie erfindet, warum die Magnetnadel aus sich heraus sich so stellt, wenn man keine Rücksicht darauf nehmen will, daß die Erdenkräfte sie richten, dann tut man genau dasselbe, was man heute tut innerhalb der Anatomie und Physiologie, wenn man den Menschen erklären will aus dem, was innerhalb seiner Haut liegt. Es ist nicht zu

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erklären aus dem, was innerhalb seiner Haut liegt. Alle die Leute, die da zum Beispiel die Sprache erklären wollen aus dem, was innerhalb des Menschen ist, die stehen auf der Stufe dieser Magnetnadelerklärung, während die Wahrheit diese ist, daß der Mensch in sich aufnimmt der Form nach das Fixsternleben, es wiedergibt im Echo, dadurch Konsonanten bildet. Er nimmt auf die Bewegungen des planetarischen Lebens, die sein eigenes Leben bewirken. Da wird namentlich durch das Atmungsleben in Bildern gebildet. Es wird aber zurückgeschlagen; dadurch entstehen die Vokale. Der Mensch in seiner Sprache ist nur erklärbar, wenn man die Konsonanten aus den Fixsterngruppierungen, die Vokale aus den Planetenbewegungen beziehungsweise aus den Übereinanderlagerungen der Planeten erklärt, wenn man also das, was der Mensch spricht, aus dem ganzen Kosmos erklärt.

Sie haben hier in der Sonne (siehe Zeichnung Seite 89, waagrechter Strich) gewissermaßen die Mitte. Nehmen Sie die drei oberen Glieder, so haben Sie den oberen Menschen. Nehmen Sie die drei unteren Glieder, so haben Sie den unteren Menschen. Das Reproduktionsleben bringt ja den neuen Menschen hervor. Nehmen Sie nun das Atmungsleben und Zirkulationsleben. Das Zirkulationsleben ist es namentlich, welches die planetarische Bewegung abbildet. Unser Blutkreislauf ist im Grunde genommen nichts als eine Abbildung des planetarischen Lebens. So daß wir auch sagen können: Aus dem Zirkulationsleben kommen die Vokale, aus dem Atmungsleben kommen die Konsonanten. Und nun bekommen Sie wieder eine merkwürdige Zuordnung. Das Stoffwechselleben können Sie dem Nervenleben zuordnen; das Bewegungsleben können Sie dem Sinnesleben zuordnen. Das Sinnesleben aber, das ist zugeordnet dem Saturn, der Saturnbewegung. Die Saturnbewegung geht, wenn ich so sagen darf, am nächsten vorbei an dem Tierkreise, geradeso wie im Bewegungsleben der Mensch sich am besten nach außen hinaus abbildet. Will man daher die kosmischen Geheimnisse durch den Menschen abbilden lassen, so hat man zu dem einen Pol das Sinnesleben, zu dem anderen Pol das Bewegungsleben, und man bekommt daraus - die Eurythmie. In der Eurythmie ist also unmittelbar ein Abbild der peripherisch kosmischen Beziehung des Menschen zu sehen. Das wollte ich nur zunächst andeuten.

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Was ich Ihnen also heute habe entwickeln wollen, das ist der Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos in bezug auf sein Leben. Gestern wollte ich Ihnen den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos in bezug auf seine Form darlegen. Morgen werden wir nun dazu übergehen, das dritte Element des Menschen im Verhältnis zur Welt zu betrachten, die Seele. Dann haben wir betrachtet: Form, Leben und Seele. Also morgen wollen wir die Seele des Menschen dem kosmischen Leben zuteilen.

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SIEBZEHNTER VORTRAG Dornach, 30. Oktober 1921

Wir haben versucht, den Menschen zu betrachten, zusammenhängend mit dem Universum nach seiner Form und nach seinem Leben. Wir haben gesehen, wie der Mensch gewissermaßen nach dem Kopfende und nach dem Gliedmaßenende in verschiedener Weise zugeordnet ist dem Universum. Alle diese Dinge gelten natürlich im wesentlichen für den Zeitraum der menschlichen Entwickelung, in dem wir stehen, der nachatlantischen Zeit, und Sie müssen sich ja klar darüber sein, daß eben das, was gesagt werden kann über Welterscheinungen, immer nur für gewisse Epochen gilt, weil ja die Welt in Entwickelung ist und sich in den aufeinanderfolgenden Stadien ihrer Entwickelung radikal verändert.

Wir haben gesehen, wie der Mensch sich in bezug auf die Form gewissermaßen herausreißt aus seinem Zugeordnetsein dem Tierkreise, also gegenüber dem tierischen Kopf, der im Tierkreis drinnen liegt, herausgehoben ist, gewissermaßen um einen rechten Winkel gedreht ist. Dieser Teil des Menschen, dieses Kopfende des Menschen ist ja erfüllt von einem Lebenswesen, das gewissermaßen zu der unorganischen, zu der leblosen Natur hinneigt. Es ist mehr oder weniger an diesem Ende des Menschen untergehendes, ersterbendes Leben. Also wir haben dieses Ende des Menschen so vor uns, daß sowohl die Form wie das Leben selbst nach dieser Seite hin sich aus dem Zusammenhange mit dem Kosmos herausreißt; daß es dadurch, daß es sich herausreißt, sich gewissermaßen in eine Art von Erstarrung, in eine Art von beginnender Leblosigkeit bringt.

Nun ist das, was wir so als Menschen an uns tragen, ja im wesentlichen das Ergebnis der vergangenen Entwickelung. Sie brauchen nur zunächst an das Individuelle des Menschen zu denken, und Sie werden sich erinnern, wie ich wiederholt auseinandergesetzt habe, daß das Haupt des Menschen eine Metamorphose des anderen Menschen ist aus dem früheren Lebenslaufe, daß also das Haupt hinweist auf die Vergangenheit, während ja, wie wir betonen mußten, der Gliedmaßen-mensch hinweist auf die Zukunft.

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Auch sonst weist uns ja gerade dieses Hauptesende des Menschen auf die kosmischen Weiten der Vergangenheit zurück. Wir wissen ja, daß das Haupt der vorzüglichste Träger der Sinnesorgane ist. Wir wissen aber, daß die Sinnesorgane ihre erste Anlage während der alten Saturnzeit erfahren haben. Die ausgebildetsten Sinne - es kommen ja immer auch wiederum Sinnesbildungen nach während der Sonnen- und Mondenzeit , aber die ausgebildetsten Sinne gehen also in die frühesten Zeiten der kosmischen Erdenentwickelung zurück. Alles also am menschlichen Haupte weist auf die Vergangenheit zurück, und in einer gewissen Beziehung kann man sagen: Indem sich während des Erdendaseins das Mineralreich ausgebildet hat, nimmt das Haupt des Menschen als die älteste Bildung am stärksten an dieser Mineralisierung des Menschen teil. Und indem der Mensch sich noch außerdem aus dem Kosmos herausreißt, konserviert er in einer gewissen Beziehung während seines Lebens zwischen Geburt und Tod diese erstens nicht mehr mit dem Kosmos zusammenhängende Form, zweitens das ersterbende, sich mineralisierende Leben. So daß man sagen kann: Hätte der Mensch sich bewahrt seine tierische Bildung, das heißt mit anderen Worten, wäre sein Haupt in der Tierkreisrichtung drinnen geblieben, wäre in ihm jenes wuchtigere Leben, das im tierischen Haupte drinnen ist, dann würde der Mensch dadurch in seinem Haupte ganz ein Ergebnis seiner Vorzeit sein. Er würde gewissermaßen in seinem Haupte etwas an sich tragen, dem man unmittelbar ansehen würde, wie es sich ergibt aus der ganzen vergangenen kosmischen Entwickelung. Dadurch aber, daß der Mensch das, was er da erhält als Ergebnis der vorhergehenden kosmischen Entwickelung, herausreißt, dadurch zerstört er, vernichtet er in einer gewissen Weise seine kosmische Vergangenheit.

Und das ist etwas außerordentlich Wichtiges, daß wir durch diejenigen Zusammenhänge, die wir gestern und vorgestern vor unsere Seele geführt haben, erkennen, wie der Mensch in seiner Hauptesbildung im Grunde genommen seine kosmische Vergangenheit vernichtet. Es ist so, daß der Mensch innerhalb seines Hauptes in der Tat noch hinausgeht über den eigentlichen Mineralisierungsprozeß zu einer Art außerordentlich feinen Verteilung der Materie. Es durchdringen ja selbstverständlich die organischen Gebilde auch das Haupt. Dadurch

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ist eingebettet in das Organische diese eigentlich noch über die mineralische Stufe hinausgehende Zerstäubung des materiellen Lebens.

  1. Bild-SE103

Wenn man in richtiger Weise das Haupt des Menschen ins Auge faßt, so muß man sagen: Es ist dieses Haupt der Herd eines die Materie als solche vernichtenden Prozesses. Das Materielle wird vernichtet, und dadurch gerade wird das Haupt als solches der Träger des besonderen seelischen Lebens. Man kann nur sagen: der Träger des besonderen seelischen Lebens, denn gerade mit Bezug auf die menschliche Hauptesbildung ist die materialistische Anschauung durchaus falsch, so wie sie gewöhnlich auftritt. Indem durch die Anwesenheit des menschlichen Hauptes im Organismus der Mensch der Träger des Gedankenlebens wird, des Vorstellungslebens, beruht dieses ganze Vorstellungsleben darauf, daß eigentlich das materielle Leben zerstäubt. Dadurch aber, daß das materielle Leben zerstäubt, findet ein merkwürdiger Prozeß statt, den ich Ihnen durch ein Bild vor die Seele führen möchte.

Denken Sie sich einmal - wie gesagt, es ist ein Bild, aber es wird Ihnen den sehr subtilen Vorgang, mit dem wir es da zu tun haben, doch etwas vor die Seele rücken -, denken Sie sich einmal ein Gemälde, meinetwillen die Raffaelsche Madonna. Wir haben natürlich, sonst würde das Gemälde in der physischen Welt nicht vorhanden sein können, das, was wir auf der Tafel haben, materiell. Nun denken Sie sich aber, das Materielle der Sixtinischen Madonna würde ganz zerstäubt

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werden, zu Staub zerfallen, und es würde doch ein feines ätherisches Gewebe bleiben können. Also die Sixtinische Madonna würde materiell zerstäuben, aber alles das, was in dieser Materie gemalt ist, auch mit seiner Farbentingierung, das würde ätherisch verbleiben, und jemand, der das ätherisch wahrnehmen könnte, würde, trotzdem das Materielle jede Bedeutung verliert, er würde wahrnehmen können, was als ätherisches Gebilde zurückbleibt.

So ist der Denkvorgang, so ist der Vorgang in der Gedankenbildung. Wenn Sie sich bewußt werden im gewöhnlichen Bewußtsein eines Gedankens, einer Vorstellung, so beruht dieses Bewußtwerden der Vorstellung, des Gedankens darauf, daß durch das Herausgehen aus dem ganzen Kosmos, wie wir das gestern und vorgestern gesehen haben, das Materielle jede Bedeutung verliert, der Mensch fortwährend genötigt ist, sein Haupt gewissermaßen neu zu beleben, weil alle Einzelheiten des Hauptes fortwährend im Zerfall, im Ersterben sind. Und während dieses Ersterbens hebt sich das Ätherische des Hauptes heraus (siehe Zeichnung Seite 103, rot außen), und dieses Herausheben des Ätherischen des Hauptes bedeutet das Fassen von Gedanken. Indem gewissermaßen abstäubt das Materielle und das Ätherische bleibt, wird sich der Mensch bewußt seiner Vorstellung.

Erinnern Sie sich, daß ich gesagt habe: In den Sinnen ist schon mehr oder weniger etwas wie ein physikalischer Apparat vorhanden. Das Auge ist ein physikalischer Apparat, ist eben nur von dem Ätherleib des Menschen durchwebt. Da ist es schon so, wie ich es jetzt beschreibe für das übrige Haupt, für das Nervengewebe. So daß wir folgendes sagen können - ich bitte Sie, diesen Satz, den ich jetzt aussprechen werde, recht genau ins Auge zu fassen: In den Sinnen, also namentlich in den Hauptessinnen, ist abgesondertes ätherisches "Wesen während der Wahrnehmung webend. - Also insofern wir in den Sinnen leben, haben wir eine Art freien ätherischen Prozesses, der sich abspielt in der Sinnensphäre.

Nehmen Sie das Auge. Es ist ein physikalischer Apparat, aber es ist durchzogen von dem Ätherischen. Und in diesem Durchziehen eines Unorganischen, eines solchen, welches fortwährend zerfallen will, das eigentlich ein Mechanisches, man möchte sagen, ein Untermechanisches

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darstellt, in dem lebt frei das ätherische Wesen. So ist es für die Sinnesregion.

Für die Nervenregion, die ja die Fortsetzung der Sinnesregion nach innen ist, ist es so, daß zwar die Nervenregion inniger verbunden hat den Ätherleib mit der Materie, aber fortwährend will unser gesamtes Nervenleben Sinnesleben werden. Also stellen Sie sich vor: Sie sehen, sagen wir, irgendeine farbige Fläche. Da haben Sie zunächst die Sinneswahrnehmung. Da ist es so, daß der Ätherleib frei webt. Indem Sie jetzt absehen von der Sinneswahrnehmung und sich dem Nervenleben überlassen, wird das ganze Nervenwesen Sinneswesen: da ist die Vorstellung in Ihrem Bewußtsein anwesend. Man möchte sagen: Insofern der Mensch Nervenmensch ist, wird er in der Vorstellung durch und durch Sinneswesen.

Dann kommt die Reaktion. Die Sinne, sie sind nach dem Physikalischen hin orientiert. Die vertragen ein fortwährendes Aufnehmen. Der Organismus der Nerven, der nimmt auf in sich, was ihm die Sinne darbieten. Er gestaltet sich um zum Sinneswesen. Aber damit ertötet er sich. Er würde ganz Auge oder ganz Ohr oder so etwas werden. Damit er das nicht wird, durchdringt ihn wiederum das Vitalprinzip, das Lebensprinzip aus dem übrigen Organismus. Der Mensch läßt gewissermaßen die Vorstellung hinschwinden. So daß wir sagen können: Nach dem Kopfende hin vernichtet der Mensch seine Vergangenheit. Dadurch wird er als Nerven-Sinnesmensch der Träger von Bildern, hat er ein Bild-Erleben; ein Bild-Erleben, das im Ätherischen webt.

Sie sehen, man kann, wenn man geisteswissenschaftlich-anthroposophisch vorgeht, dieses Gedankenleben, wie es im Bewußtsein urständet, durchaus beschreiben. Und es ist notwendig, daß man zur Anthroposophie greift, um dieses Leben der Gedanken im Bewußtsein zu beschreiben.

Wir können also sagen: Indem der Mensch das Kopfende der Form nach entwickelt, entwickelt er es in dem Sinne, daß er für die heutige Zeit ausgesetzt ist den Einwirkungen jener Kräfte, die sich im Kosmos entwickeln, wenn die Sonne im Zeichen der Fische, des Widders, des Stiers und so weiter steht; aber der Mensch hebt seinen Kopf der Form nach heraus. Dadurch wird er nicht tierischer Kopf, sondern er

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wendet sich, dieser Mensch, man möchte sagen, in die Menschenvertikale, während das Tier im Tierkreis stehenbleibt.

Wenn wir das Leben betrachten, so können wir sagen: Nach dem Kopfende zu entwickelt sich das Leben unter der Einwirkung der äußeren Planeten, des Saturn und Jupiter, wie wir gestern gesehen haben. Aber der Mensch hebt heraus dieses sein Leben, und folgendes geschieht: Würden sie durch die Sonne niemals bedeckt - erinnern Sie sich an das, was ich gestern auseinandergesetzt habe in bezug auf Saturn und Jupiter -, dann würde das ganze Nervenleben immer mehr Sinnesleben werden. Der Mensch würde durchaus die Augenempfindung haben, aber sie würde sich ins Nervenleben fortsetzen; er würde die Gehörempfindung haben, sie würde sich ins Nervenleben fortsetzen - es würde im Nervenleben chaotisch-unorganisch durcheinanderschießen das Sinnesleben der zwölf Sinne. Dadurch, daß nun diese äußersten Planeten bedeckt werden, dadurch wird das Nervenleben aus dem Sinnesleben herausgerissen, und der Mensch ist in der Lage, eben sich so zu verhalten, wie ich gesagt habe, daß er im Vorstellungsleben bewußt willkürlich wirkt, daß er gewissermaßen Sinn wird, sich wiederum entsinnt, indem er die Vorstellungen willkürlich unterdrücken kann und so weiter.

So daß wir sagen können: In den Sinnen ist abgesondertes ätherisches Wesen während der Wahrnehmung webend. In dem Nervenorganismus ist dem Leibe verbundenes, abgeschwächtes Sinnenleben webend. - Das Ganze bekommt einen Bildcharakter, weil das, was bewirken würde, daß man es nicht mit einem Bildcharakter zu tun hätte, sondern mit einem materiellen Charakter, vernichtet wird durch das Herausgehen des Menschen in die Menschenvertikale, während das Tier im Tierkreise drinnen bleibt. Das Tier hat eben nur Traumvorstellungen, nicht Bildvorstellungen, wie sie der Mensch hat. Und Traumvorstellungen sind etwas, was hervorsprießt aus dem Vitalprinzip des Organismus, während die Bildvorstellungen rein herausgehoben sind ins freie ätherische Leben, das nicht mehr mit dem physischen Leib verbunden ist. Es muß durchaus betont werden, daß durch die Organisation des Menschen, durch das Herausheben seines Kopfendes aus den Tierkreisbildern und aus dem Planetenweben, daß dadurch im

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Menschen ein freies ätherisches Leben nach dem Kopfende hin entsteht; daß dieses freie ätherische Leben in dem Kopf dann erst von dem astralischen Leib durchzogen ist, von dem Ich durchzogen ist, die dadurch teilnehmen an dem Gedanken- und Vorstellungsweben des ätherischen Leibes.

Dieses kann uns schon zeigen, wie man das Seelische dann erfaßt, wenn man weiß, wodurch eben das Gedankenleben im Menschen ein Seelisches ist, das heißt, nicht teilnimmt an dem materiellen Leben.

Gehen wir nun weiter. Wir haben gezeigt - wir wollen den anderen Pol betrachten -, wie der Mensch nach der anderen Seite hin sich der Form und dem Leben nach entwickelt. Wir haben gesehen, vorgestern, wie der Mensch seine äußere Tätigkeit als Gliedmaßenmensch entwickelt. Ich habe Ihnen gezeigt, wie der Mensch - und wir mußten dazu noch zu den griechischen Zuständen zurückblicken als Jäger, als Tierzüchter, als Ackerbauer, als die Meere befahrender Handelsmann sich betätigt. In dieser menschlichen Betätigung verharrt der Mensch dann aber dadurch, daß er sich entzieht der Einwirkung der entsprechenden Fixstern-Tierkreisbilder. Das Tier bleibt durchaus unter der Einwirkung des Schützen, des Steinbocks, des Wassermanns, der Fische. Dadurch bilden sich die Tiere in ihrer Form so aus, daß sie sich hinordnen auf das Irdische, bilden sich so aus, wie sie sind. Studiert man den Tierkreis, so kann man erkennen, warum die Tiere in einer gewissen Weise ihr Gliedmaßensystem ausgebildet haben. Der Mensch bildet sein Gliedmaßensystem so aus, daß er es hinordnet auf das Irdische, wenn diese Tierkreisbilder eben unter dem Irdischen sind, wenn die Erde für einige Zeit dort im Tierkreis auf der nördlichen Hemisphäre ist. Es sind dadurch auch geographisch die Erdteile in verschiedener Weise bewohnbar. Der Mensch kann aber, was er an einem Orte ausbildet, auf einen anderen übertragen. Das, was hier entwickelt wird, muß natürlich für die älteren Zeiten gelten; für die heutigen vermischen sich die verschiedenen Menschenformen auf der Erde, und man hat, wenn man heute Geographie studiert, nicht mehr ein reines Bild von dem, was der Mensch im Zusammenhange mit dem Makrokosmos ist. Der Mensch reißt sich also da auf eine andere Art heraus aus der Tierkreislinie. Er bringt sich gewissermaßen nach der

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anderen Seite hin in die Menschenvertikale, in die Menschensenkrechte. Und während er voll ausgesetzt bleibt sowohl der Form nach den Tierkreisbildern, wie auch den äußeren Planeten in bezug auf sein Hauptesende, entzieht er sich sowohl der planetarischen Einwirkung wie auch der Tierkreiseinwirkung, indem er auf der Erde steht und sich die andere Seite zudecken läßt von der Erde. Saturn und Jupiter wirken auf den Menschen, indem sie ihr Licht auf die Erde herabstrahlen. Der Mensch, der in seinem Hauptesende ein Bildesleben hat, empfängt auch die Bilder dieser Sternwelten, ebenso wie er die Bilder der planetarischen Bewegungen empfängt, indem er sein Lebenswesen nach dem Hauptesende zu entwickelt. Er entwickelt da ein Bildleben und nimmt auch vom Kosmos, vom Makrokosmos die Bilder auf.

Von der anderen Seite nimmt er die Bilder nicht auf. Daher entstehen jene Formen, die ich vorgestern gezeigt habe, die die Gliedmaßen sind, die entgegengesetzten Formen von den Hauptesformen. Und er entwickelt aber auch Tätigkeiten, die sich entziehen dem makrokosmischen Einfluß, die diesen makrokosmischen Einfluß nicht herankommen lassen.

Nun ist es so, daß, wenn wir sagen können, daß der Mensch seinem Kopfende nach seine Vergangenheit vernichtet, so ist das Entgegengesetzte der Fall nach dem Gliedmaßenende hin. Würde der Mensch auf einer durchsichtigen Erde stehen, so daß auch von der anderen Seite Tierkreis und Planetenbewegung auf ihn wirken könnten, dann würde er erstens nicht selbständige, freie Taten entfalten können. Er würde unter dem Einflüsse des Planetarischen und des Fixsternlebens stehen. Nur dadurch, daß ihm die Erde dieses Planetarische und Fixsternleben zudeckt, kommt er zu der freien Entfaltung seiner Tätigkeit. Aber er würde außerdem, wenn er ihm voll ausgesetzt wäre gerade mit seiner besonderen Lebenszeit, mit seinem sich immer wiederholenden Erdenleben, in seinem Gliedmaßensystem ein verholzendes Leben, ein sich stark verhärtetes Leben entwickeln. Er würde ja die Materie nicht zerstäuben können, sondern die organische Materie würde vor der Ausreifung verhornen. Der Mensch würde eigentlich nur Gliedmaßen haben, die in ganz anderer Weise noch wie die Hufe der Pferde oder Rinder verhornt wären bis weit an den Leib heran. Der Mensch

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ist dieser Verhornung dadurch entzogen, daß er sich heraushebt aus dem Tierkreise.

Dadurch aber findet der entgegengesetzte Prozeß statt wie nach dem Hauptesende. Nach dem Hauptesende wird die Vergangenheit vernichtet, die Materie zerstäubt. Nach dem Gliedmaßenende entwickelt sich der Mensch so, daß er die Materie nicht zur vollen kosmischen Reife gelangen läßt. Sie bleibt zurück. Er hält sie zurück. Wir haben nur dadurch Finger, wir haben nur dadurch Zehen, daß wir unsere Gliedmaßen nicht auswachsen lassen. Würden wir sie auswach-sen lassen, so wären sie nicht nur mit Nägeln besetzt, sondern sie wären ganz versteift, verhornt. Wir halten sie also auf einer früheren Stufe zurück. Dadurch, daß wir unsere Gliedmaßen so zurückhalten, dadurch können wir in ihnen den Willen entwickeln, der dann die Anlage ist für die folgenden Erdenleben. Würden wir den Menschen als Gliedmaßenmenschen ausreifen lassen, dann würde mit unserem einen Erdenleben das Leben abschließen. Wir bewahren das, was in die Zukunft hinübergeht, dadurch, daß wir unseren Gliedmaßenmenschen nicht voll ausreifen lassen. Es ist also hier das Gegenteil der Fall: Während nach dem Gedankenende hin das seelische Leben ein Bildleben wird, bleibt in der Tat, wenn ich mich grob ausdrücken darf, nach dem Gliedmaßenende hin das Leben fleischlich materiell, organisch materiell jung, möchte ich sagen. Es wird nicht alt, es verhornt nicht, es bleibt jung. Dadurch, daß es jung bleibt, kann dann das Materielle abfallen, und das Bild des Jungen geht hinüber durch den Tod in das folgende Erdenleben. Da drinnen kann sich der Wille dann entwickeln. Da ist das Willensende. So daß wir sagen können: Das Willensende des Menschen ist nicht zu Ende gekommene organische Bildung. - Können wir hier (am Kopfende) vom Bild sprechen, so müssen wir da von etwas anderem sprechen. Was ist denn eine nicht zu Ende gekommene organische Bildung? Ein Keim. Denn der Keim kann sich weiter entwickeln. Während wir am Kopfende etwas haben wie eine Austernschale, wie etwas, was als Materie sich abgesondert hat und reine Materie ist, haben wir nach dem Gliedmaßenende etwas wie Keime. Hier (oben) können wir sagen: Wir erleben seelisch das reine Ätherische, das Bild. Hier (unten) erleben wir nicht das Bild, sondern wir erleben keimendes Le-

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ben. (Siehe Darstellung Seite 112.) Hier erleben wir Verbundensein mit der Materie. Deshalb können wir auch unsere Gliedmaßen bewegen, weil wir mit der Materie verbunden sind. Am Kopf kann der Mensch nicht viel bewegen, höchstens insofern seine Sinne zu Gliedmaßen umgebildet sind und der Mensch auch am Kopf Gliedmaßen-mensch ist. Es durchdringt sich ja alles, jedes einzelne Glied durchdringt die anderen. In gewissem Sinne sind die Augen auch Hand, insofern sie sich bewegen können. Aber nicht vieles ist beweglich am Kopf, der Kopf ist zumeist unbeweglich, und der willkürlichen Bewegung sind vor allen Dingen, sagen wir, die Gehirnlappen und dergleichen entzogen. Aber auch am Außenhaupte ist wenig beweglich, und es ist schon eine Seltenheit, wenn der Mensch gewisse Ohrmuskeln bewegen kann; er kann damit schon außerordentlich brillieren.

Dieses Erleben in der Materie läßt das Bewußtsein nicht aufkommen. Dadurch aber sind wir in der Lage, den Willen eben zu entwickeln. So daß wir hier (oben) die Materie vernichten, hier (unten) aber behalten wir, wenn die Materie von uns abfällt im Tode, Keime zurück als Kraft für die nächsten Erdenleben.

Was dazwischen liegt, wir haben es gestern bezeichnet auf der einen Seite als das Atmungswesen, wenn wir auf das Leben sehen, oder das Zirkulationswesen. Wir haben dann gesehen, wie das zugeteilt ist als Form demjenigen, was da liegt zwischen den oberen Tierkreisbildern und den unteren Tierkreisbildern.

Wenn Sie also für die heutige Zeit den Fixsternhimmel sich in folgender Weise repräsentiert denken: Widder, Stier, Zwillinge, Krebs, Löwe, Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze, Steinbock, Wassermann, Fische - dann würden wir diese vier Tierkreisbilder (Fische, Widder, Stier, Zwillinge, siehe Zeichnung) dem Haupte zuzuteilen haben, und unter ihrer Einwirkung wird das Haupt im Sinne derjenigen Planetenbewegungen, die über der Erde sind, mit einem ersterbenden Leben ausgerüstet. So daß das Haupt ein Bild-Erleben hat, ein Vorstellungserleben als Seelisches. Die anderen vier entgegengesetzten Zeichen für das Heutige - für das Griechische wäre es etwas anders - wären dann Jungfrau, Waage, Skorpion, Schütze. Und wir hätten dann für den rhythmischen Menschen das, was dazwischen liegt, wie wir vom planetarischen Leben

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  1. Bild-SE111

den Mars und den Merkur als die Zwischenlage haben, die dazwischenliegenden Planeten haben. Da, können wir sagen, ist der Mensch so, daß er zwischen dem Bilde und dem Keime drinnen hin- und herpendelt. Das Atmungs-Blutleben zeigt Ihnen ja das, ich möchte sagen, wie in einem äußeren Bilde wunderbar. Der Mensch nimmt den belebenden Sauerstoff auf, der mit seinem Gliedmaßenorganismus, mit allem Beweglichen in ihm verbunden ist. Er verbindet den Sauerstoff mit dem Kohlenstoff. Der Kohlenstoff wirkt zuerst anregend als das Ertötende auf das Nerven-Sinnesleben, dann wird er ausgestoßen als das Ersterbende. Da haben wir fortwährend schon materiell das äußerste Leben im Sauerstoff, den äußersten Tod im Kohlenstoff: Ersterben-Beleben, Ersterben-Beleben. Es schwingt das Leben zwischen Ersterben und Beleben hin und her.

Seelisch ist das aber so, daß wir innerlich etwas erleben, was auf der einen Seite, wie noch das Gedankenleben, rein ätherisch ist; aber der Ätherleib erfaßt gewisse Gebilde, Drüsengebilde. Diese Drüsen sondern Materie ab. Es ist das, was körperlich so vor sich geht, daß der Ätherleib auf die Drüsen wirkt. Die Drüsen verbinden sich nicht so wie etwa die Muskeln die dann vorzugsweise dem Gliedmaßenorganismus angehören - mit dem ätherischen Leben, sondern indem

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das Ätherleben die Drüsen ergreift, sondert die Drüse Materie ab. Es ist also ein nicht vollständiges Zusammenschmelzen des ätherischen Lebens mit dem materiellen Leben. Es ist der Übergang. Es ist ein Ergreifen der Materie, aber zugleich ein Sich-Wehren der Materie, ein Absondern der Materie. Wenn Sie den Muskel studieren, den Knochen studieren, was zum Gliedmaßensystem gehört, dann haben Sie das so, daß die Materie streng - am meisten beim Knochen - ergriffen wird von dem Ätherleib des Menschen. Da zerstäubt nichts, da bleibt alles frisch-lebendig. Da wird die Materie unmittelbar ergriffen von dem Ätherleib des Menschen. Im Haupte wird nichts ergriffen von der Materie, sondern indem das Haupt sich entwickelt, zerstäubt die Materie. Das freie ätherische Weben entwickelt sich als Gedankenleben. Indem der Ätherleib die Drüsen ergreift, verbindet er sich zwar mit den Drüsen, aber die leiden ihn nicht; der Muskel leidet ihn. Der Muskel nimmt den Ätherleib auf. Die Drüse leidet ihn nicht; sie sondert sogleich Materie ab, treibt den Äther gleich wieder heraus. Das ist, seelisch, das Gefühlsleben.

Bild Vorstellung
#Bild-SE112 Gefühlsleben
Keim Wille

So daß wir jetzt wirklich beschreiben können, wie das Gedankenleben vor sich geht. Das Gedankenleben geht so vor sich, daß die Materie nicht in Anspruch genommen wird, daß es nur bis zu dem Ätherischen herankommt und das Bewußtsein in diesem Ätherischen lebt. Das Gefühlsleben geht so vor sich, daß der Ätherleib das Drüsenleben ergreift, aber das Drüsenleben leidet ihn nicht. Während aber der Ätherleib in das Drüsenleben hinein verschwindet, bevor die eigentliche Absonderung sich geltend macht, da hat der Mensch seinen Ätherleib nicht, da verschwindet ihm sein Ätherleib in die Drüsen hinein. Er erlebt sich daher nur in seinem Ich und in seinem astralischen Leib. Und so ist es beim Gefühl.

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Vorstellung: Ätherleib, Astralleib, Ich
Gefühlswesen: Astralleib, Ich
Willensleben: Ich

Wenn wir also die Vorstellungen des Gedankenlebens haben: ab-gestößeii wird da das Leben des physischen Leibes, der Mensch erlebt sich im Ätherleib, im astralischen Leib, im Ich - im menschlichen Haupt ist das Ich, das durchwebt den astralischen Leib, das durchwebt den Ätherleib, stößt das Physische aus; dadurch erlebt das Ich mit Hilfe des astralischen Leibes im Ätherleib die Gedanken, das Denken.

Das Gefühlswesen: Da wird dem Menschen der Ätherleib genommen, indem der Ätherleib die Drüse ergreift; so lange bis die Drüse voll abgesondert hat, ist nun der Ätherleib dem Menschen entzogen. Er steckt drinnen im physischen Leib. Da hat der Mensch zu seinem inneren bewußten Erleben nur den Astralleib und das Ich. Das erlebt er gefühlsmäßig-traumhaft, weil er ja untertaucht in den physischen Leib.

Nun kommen wir zum Willensleben. Da ist es wirklich so, daß der Mensch mit seinem ätherischen Leibe ganz untertaucht in die organische Materie. Aber im wachenden Zustand nimmt der ätherische Leib den astralischen Leib mit. Dadurch ist ja der Mensch imstande, die Bewegung auszuführen. Er nimmt den astralischen Leib mit in die Materie hinein. Da ist auch der astralische Leib dem Menschen entzogen, und der Mensch erlebt im Bewußtsein nur das Ich.

Sie sehen, wir finden einen vollständigen Zusammenhang zwischen dem seelischen Leben und dem leiblichen Leben. Wir müssen nur aus anthroposophischer Erkenntnis heraus uns klar sein, wie Ich, astralischer Leib, Ätherleib teilnehmen an dem physischen Leib, dann merken wir den Unterschied zwischen dem seelischen Gedankenleben, dem seelischen Gefühlsleben, dem seelischen Willensleben und finden, daß das seelische Gedankenleben im ersterbenden Organismusteil ist, der sich aus der oberen Fixsternwelt und der oberen planetarischen Welt herausgerissen hat, das Vergangene zerstäubt und dadurch zum Bild-Erleben wird. Wir finden, daß in der mittleren Region, im rhythmischen Menschen, der Mensch auf der einen Seite miterleben kann das

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Vergangene, deshalb auch den Makrokosmos, der sich aus der Vergangenheit heraus ja gebildet hat; aber dadurch, daß ein fortwährendes Rhythmisches stattfindet, entweder ein rhythmisches Verbinden des Sauerstoffs mit dem Kohlenstoff oder aber ein Ergreifen der Drüsen und Absondern der Drüsen, reagiert der Mensch darauf. In dem Ergriffenwerden und Ergreifen des makrokosmischen Lebens des Menschen, in der Absonderung reagiert der Mikrokosmos, der einzelne Mensch, darauf. Der Mensch lebt im Rhythmus nicht nur innerlich; er lebt im Rhythmus mit der Welt, er öffnet sich der Welt, nimmt sie in sich zurück. Der Mensch nimmt die Welt in sich herein, ist halb ein individuelles Wesen und pendelt rhythmisch hin und her zwischen Makrokosmos und Mikrokosmos. Das ist das Leben und Weben im Gefühl. Und man kann sogar ganz genau sehen, wie das Materiell-Physische des Organismus mit dem Seelisch-Geistigen zusammenwirkt. Im Willensleben ist es so, daß das Materiell-Physische am meisten ergriffen wird, daß da der Mensch am meisten bloß Mikrokosmos ist, daß er sich völlig entzieht in seiner Tätigkeit der makrokosmischen Tätigkeit.

Lebt er auf der nördlichen Halbkugel, so entzieht er sich eben in unserer Weise den übrigen Fixsternen und übrigen Planeten; auf der südlichen Halbkugel in ähnlicher Weise, das Ganze dreht sich ja herum, und auf diese Weise ist der Mensch als Gliedmaßenmensch, indem er als solcher lebt zwischen Geburt und Tod, ganz Mikrokosmos, hat eine Welt für sich, die deshalb sich selber auch in eine Zukunft hinübertragen kann. Jetzt entwickelt er das jüngste Glied des Seelenlebens, den Willen, der noch ganz der Stütze des physischen Leibes bedarf, der nur das Ich zu sich selber kommen läßt, während astralischer Leib und Ätherleib in dem physischen Leib untergehen.

Niemand wird das Seelenleben begreifen, der es nicht in einer solchen Weise begreifen kann, daß er unterscheiden kann zwischen Ich, astralischem Leib und ätherischem Leib; denn niemals wird irgend jemandem begreiflich erscheinen können das Gedankenleben, das Gefühlsleben oder das Willensleben, ohne daß die Sache so innerlich konkret erfaßt wird. Weist man diese Erfassung in der heutigen Zeit zurück, was kommt dann zustande?

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Dann kommt das zustande, daß die offiziellen Vertreter sich hinstellen und den Leuten erzählen: Eigentlich kann man über das Seelische nichts wissen, aber dennoch, man muß aus gewissen Erscheinungen annehmen, daß es so ein Seelenartiges, ein «Psychoid» gibt. Man stellt sich dann hin und erklärt, wie der Descartes und der Spinoza, sich bemüht haben, darauf zu kommen, wie die Wechselwirkung ist, aber man bleibt bei dem Abstrakten stehen: auf der einen Seite der Körper, auf der anderen Seite die Seele. Da kommt man niemals hinein, weil im Gedankenleben die Seele mit dem Leib anders zusammenwirkt als im Gefühlsleben und als im Willensleben, und weil man dieses Zusammenwirken nicht verstehen kann, wenn man das ganze Seelenleben einfach durcheinanderwirft und von einem «Psychoid» spricht, statt daß man sich einläßt auf diese Konfiguration, auf diese Konkretisierung des Lebens in Ich, astralischen Leib und Ätherleib. Es ist heute ein furchtbares, möchte man sagen, Ablehnen der Wahrheit vorhanden, dafür aber dann ein bloßes Stammeln und ein Bekämpfen teilweise des Fechnerismus, auf der anderen Seite ein Reden von «Psychoid». Das ist gerade so, wie wenn einer verzichten würde, den Menschen anzuschauen und vom «Anthropoid» reden würde, weil er vermeiden möchte, vom Anthropos zu reden. Im Grunde genommen ist solche Wissenschaft eben nicht Anthroposophie, sondern Anthropoid-Sophie, Psychoidologie.

Wenn man wirklich eingeht auf das seelisch-geistige Leben, dann kann man in allen Einzelheiten hinweisen auf das, was die Leute «Wechselwirkung» und so weiter nennen. Man bekommt dann tatsächliche Vorstellungen von den Dingen, und man muß auch nicht bloß, ich möchte sagen, anatomisch so hübsch hinlegen, was man aus der Leber herausschneidet, und was man aus dem Gehirn herausschneidet und es als abstrakte Gewebe nebeneinanderlegen, sondern man muß wissen, wie der Mensch am Kopfende in anderer Weise sich zu dem ganzen Makrokosmos verhält als am Gliedmaßenende. Am Kopfende zerstäubt er ihn, da vernichtet er die Vergangenheit. Am Gliedmaßenende läßt er seine Wachstumstendenz nicht zu Ende kommen, er bleibt Keim.

Am schrecklichsten ist es, wenn mit Ausschluß einer wirklichkeits-

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gemäßen Anschauung die Leute dann herumspekulieren über das Wesen des Leibes sowohl wie über das Wesen des Geistig-Seelischen, und dann im Grunde genommen in altabgebrauchten Worten reden, die sie zu «oiden» machen, und eigentlich das, um was es sich handelt, gar nicht ergreifen. Es gibt Leute, die heute gar nicht einmal mehr eine Ahnung davon haben, wie man vom Worte zu einem Begriff kommt. So zum Beispiel werden jetzt in Deutschland überall in den freireligiösen Gemeinden und in den monistischen Gemeinden, die eigentlich beide Vereinigungen sind, die da leben von dem Abwaschwasser der materialistischen Naturwissenschaft der sechziger und siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts, da werden überall Vorträge veranstaltet von einem Menschen, Arthur Drews heißt er, der eigentlich so konstituiert ist: Er hat einmal Hartmannsche Philosophie studiert - er tänzelte ja immer in seinen Jugendjahren um Hartmann herum -, aber von dieser Hartmannschen Philosophie im Grunde genommen nur die Worte aufgenommen. Diese Worte sind in seinem Kopfe wie das Spiel von automatischen Dingen, da rollt es herum, und er hat keine Ahnung davon, wie man von dem Worte zu irgendeinem Begriff kommt. Und mit diesen aus der Hartmannschen Philosophie in seinem Kopfe automaten-haft herumwirbelnden Worten kritisiert er die Anthroposophie.

Das sind die Früchte der gegenwärtigen Zivilisation, die Früchte der gegenwärtigen Bildung, die es durchaus ablehnen will, sich wirklich einzulassen darauf, wie man eine Einsicht bekommen kann in den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos, so daß man des Menschen Form und des Menschen Leben aus dem Kosmos heraus beschreibt und auch begreift, wie das besondere Herausreißen des Menschen aus dem Kosmos eben bewirkt, daß er auf der einen Seite in einem ersterbenden Leben das bildhafte Vorstellungs-Seelenwesen entwickeln kann, auf der anderen Seite in einem keimhaft bleibenden Leben das willensartige Element des Seelischen entwickeln kann.

Diese Dinge klingen ja eigentlich denjenigen, die heute offiziell Wissenschaft treiben, als etwas, was sie nicht verstehen können. Man sollte eigentlich darauf verzichten, daß diejenigen, die einmal in der offiziellen Wissenschaft ein bestimmtes Alter erreicht haben, in der Regel -ich sage natürlich: in der Regel - sich noch hineinfinden können in so

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etwas, denn sie haben ja alle Begriffe und damit alle Wirklichkeit aus ihrem Wortkaleidoskop im Grunde genommen verloren. Denn solche Vorträge über Psychoide sind für den, der die Wirklichkeit durchschaut, im Grunde genommen nichts anderes als Wortkaleidoskope; was da über Descartes, über Spinoza und so weiter bis zu Fechner herauf auseinandergesetzt wird, das hat eigentlich keinen inneren Zusammenhang, das sind Wortkaleidoskope. Denn was diesen Wortfetzen, die da kaleidoskopartig durcheinanderwurlen, -wellen, was denen einen inneren Sinn geben könnte, das ist eben die Einsicht in Ich, astralischen Leib, Ätherleib und so weiter. Es tut einem ja fast leid, daß man über die Gegenwart so sprechen muß; aber es muß eben gerade da, wo es sich um das sogenannte Geistesleben handelt, über diese Gegenwart so gesprochen werden. Die Philosophen haben sich nicht mehr zurechtgefunden, weil sie schon vor einigen Dezennien aus den Worten die Begriffe verloren haben. Jetzt ist man darauf gekommen, daß man an die philosophischen Lehrkanzeln Naturgelehrte im heutigen Stil beruft. Die müssen dann Philosophie tradieren. Bei Mach hat es angefangen, und einer der hauptsächlichsten Repräsentanten dieser Sorte ist heute der Driesch. Weil die Philosophen allen Inhalt ihres Kopfes schon verloren haben, die Naturforscher wenigstens noch die äußere Sinnesbeobachtung haben, hat man die Naturforscher an die philosophischen Lehrkanzeln berufen. Über Philosophie reden sie ja natürlich noch inhaltloser als die Philosophen. Die Philosophen haben wenigstens noch die Worte gehabt. Aber eine merkwürdige Entwickelung hat sich schon zugetragen. Man hat es erlebt, daß zunächst die noch inhaltsvolle Philosophie von der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vollständig verduftet ist in den Worthelden, sagen wir von der Sorte eines Kuno Fischer. Aber in der Kuno-Fischer-Zeit haben noch Philosophen an den Lehrkanzeln gelehrt. Innerer Gehalt war in dieser Philosophie nicht mehr.

Aber was eben notwendig ist, das ist durchaus, daß wir diesen Zusammenhang durchschauen, daß wir uns darüber klar sind, daß wenigstens einige Menschen in der Welt da sein müssen, die all das Geflunker von den Psychoiden durchschauen und die wissen, wie stark wir in der Dekadenz drinnenstecken gerade in bezug auf unsere gelehrte Bildung.

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Man kann nicht stark genug dieses wissen; und ich glaube, es ist gut, wenn Sie sich vertiefen in das, was ich versuchte, in diesen drei Vorträgen vor Ihre Seele hinzustellen, nämlich wie der Mensch auf der einen Seite durch seine äußere Form, durch sein Leben, anzuknüpfen schien an das Universum, aber sich von dem Universum nach beiden Seiten hin lossagt, um nur als rhythmischer Mensch im Rhythmus des Universums aufzugehen; lossagt, um auf der einen Seite das Gedankenleben als Bildleben, also in Freiheit von der Materie zu entwickeln, nach der anderen Seite hin das Willensleben so zu entwickeln, daß er die Materie im Keime erhält, so daß sie nicht schon die starre Form, die ihr von dem Makrokosmos aufgezwungen werden kann, annimmt, damit der Mensch an diesem Ende sich noch beweglich erhält und von der Erde zum Jupiter-, Venus- und Vulkandasein hinüber sich entwickle, damit der Mensch in beweglicher Form sich erhalte, um sich hinüber zu entwickeln.

Wenn Sie dieses zusammenhalten, dann werden Sie sehen, wie tatsächlich das, was in der Anthroposophie als Erkenntnis auftritt, ergreifen will erstens das Wahrheitsgefühl des Menschen, zweitens das ästhetische Gefühl, wenn Sie studieren den Menschen als Form, so wie sich die Form herausergibt aus dem Makrokosmos, und drittens auch nach der Richtung des Guten und des religiösen Lebens. Es wird Ihnen gerade aus diesen drei Vorträgen hervorgehen können, mit welcher tiefen Berechtigung oftmals hier in Kursen und sonst ausgesprochen worden ist, daß gesucht werden muß eine Synthese, eine Vereinigung, eine Harmonie von Religion, Kunst und Wissenschaft. Aber eine Vereinigung von Religion, Kunst und Wissenschaft erlangt man nicht, ohne daß man sich aufschwingt zu einer wirklichen Kosmologie, welche uns klarlegt, was der Mensch nach Form und Leben ist.

Was wir weiter brauchen, ist eine Freiheitslehre in bezug auf das Seelische, welche uns darlegt, was der Mensch ist dadurch, daß er sich losreißt von dem Makrokosmos nach seinen zwei Enden hin, nach seinen zwei Polen hin. Und auf der anderen Seite braucht man die Erkenntnis dessen, was der Mensch in Freiheit entwickelt nach der Weltenzukunft, nach dem, was die Erde im Makrokosmos ablösen wird. Das entwickelt dann tief religiöse Empfindungen, Gefühle.

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Damit der Mensch zu einem wirklichen Aufstieg unserer Kultur kommt, braucht er erstens eine Kosmologie, welche den Menschen selbst umfaßt, die den Menschen nicht, wie unsere heutige Kosmologie, links liegen läßt. Man braucht eine Freiheitslehre, und man braucht eine Ethik, welche imstande ist zu zeigen, wie das in ihr veranlagte Gute der Keim zu Welten ist. Man braucht eine Ethik, die Realität in sich enthält, nicht bloße abstrakte Werte, sondern Werte, die in sich die Kraft haben, sich zu realisieren. Kosmologie, Freiheitslehre, Ethik sind dasjenige, was der Mensch braucht zum Aufstieg.

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ACHTZEHNTER VORTRAG Dornach, 4. November 1921

Wir haben den Menschen betrachtet in seinem Verhältnisse zum Kosmos in bezug auf die Form der menschlichen Organisation, in bezug auf die Lebensstufen, in bezug auf die Seeleninhalte, und wir wollen heute noch, um gewissermaßen ein anderes Kapitel für die beiden nächsten Tage vorzubereiten, auch die Geisteserlebnisse des Menschen ins Auge fassen.

Erinnern wir uns, wie wir darangegangen sind, den Menschen in bezug auf die Formung seines Organismus zu betrachten. Wir mußten ja die menschliche Organisation in ein Verhältnis bringen zum Kosmos bis an den Fixsternhimmel. Wir mußten dann, um die menschlichen Lebensstufen ins Auge zu fassen, das planetarische System, in dem der Mensch lebt, vor unsere Seele hinstellen. Und indem wir dann übergingen zu den Seelenerscheinungen, mußten wir gewissermaßen eine Schwenkung machen und den Menschen als~ seelisches Wesen in ein Verhältnis bringen zu seiner leiblichen Organisation, das heißt zu demjenigen, was er eben durch den Fixsternhimmel und durch das Planetensystem hat. Und wir haben ja durch die Formbetrachtung, durch die Lebensbetrachtung auch jene Gegensätzlichkeit vor unsere Seele hingestellt, welche in der Kopfesorganisation, in der Brustorganisation, in der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation im Menschen vorhanden ist. Wir haben gesehen, wie das Seelische als Sinneswahrnehmung und Vorstellung gerade durch die Hauptesorganisation sich auslebt, durch die Sinnes-Nervenorganisation, und wir haben dann gesehen, wie das Gefühlsleben durch die Atmungs- und Zirkulationsorganisation zum Ausdrucke kommt, das Willensleben durch das Stoff-wechsel-Gliedmaßensystem. Wir mußten aber, um das Seelische zu betrachten, darauf Rücksicht nehmen, wie im Menschen das Ich, der astralische Leib, der Ätherleib und der physische Leib zusammenwirken.

So daß wir wirklich das letzte Mal einen Überblick bekommen haben von dem Ineinanderweben des Seelischen und des Leiblichen bis

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in die Drüsentätigkeit, bis in die Inanspruchnahme der Muskeltätigkeit durch den Willen.

Wenn man nun zum Geistigen im Menschen kommen will, so kann man nicht bloß den Menschen so betrachten, wie das letzte Mal für das Seelische, wo wir Rücksicht zu nehmen hatten auf das Ausleben, auf die Offenbarung dieses Seelischen im Leiblichen, sondern man muß, wenn man das Geistige ins Auge fassen will, auf die Wechselzustände des Menschen sehen, auf das Wachen und Schlafen.

Wachen und Schlafen, wir wissen es ja, sind uns zunächst als Menschen gegeben in dem Hinundherschwingen des menschlichen Lebens innerhalb von vierundzwänzig Stunden im Tageswachen und eben im Nachtschlafe. Das ist die eine Art, wie der Mensch lebt im Wachen und Schlafen. Wir wissen aber auch, daß der Mensch noch auf andere Art im Wachen und Schlafen vorhanden ist. Wenn der Mensch nämlich vorstellt und sich den Sinneswahrnehmungen hingibt, dann nur ist er ja eigentlich voll wach. Nur das Vorstellungs^ und Sinneswahrnehmungsleben ist eigentlich das Wachsein. Dagegen ist das Willensleben und das Tatleben eigentlich ein Schlafensleben auch während des Wachens.

Das Gefühlsleben ist, wie wir wissen, ein Traumesleben auch während des Wachens. So daß also der Mensch auch in dieser Beziehung sein Leben gewissermaßen hin- und herschwingen läßt zwischen Wachen und Schlafen. Das Schlafen, ich möchte sagen, das wachende Schlafen spielt gewissermaßen in unser wirkliches Wachen, das heißt in das Vorstellungsleben herein, wenn wir einen Willensakt ausdrücken, wenn wir tätig sind, wach sind im Tätigsein dadurch, daß wir unsere eigene Tätigkeit vorstellen können. Was aber in dieser Tätigkeit vor sich geht, das bleibt so unbewußt wie die Zustände während des Schlafes.

Aber daß der Mensch sich als ein individuelles Wesen fühlt, das verdankt er doch eigentlich dem Schlafe. Wenn der Mensch nur wachend dem Vorstellungsleben hingegeben wäre, so würde er die Welt gewissermaßen nur wie einen Ablauf von Bildern erleben. Er würde sich gewissermaßen ruhend fühlen, wie in einem Punkte des Weltenalls verharrend, und in Bildern würde das Weltenall vorhanden sein. Im Bildweben würde auch das Ich wie eine Art von Spiegelbild von

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etwas, aber doch eben nur wie ein Bild vorhanden sein. Nur dadurch, daß wir in dieses wache Vorstellungsleben gewissermaßen hineingießen erstens das fortwährende Erinnern daran, daß wir eigentlich Zustände haben, in denen wir nichts erleben, Schlaf zustände, die Zeit vom Einschlafen bis zum Aufwachen, das führt uns auf uns selbst zurück. Und auch die unbestimmte Besinnung darauf, was wir wollen, also daß etwas Schlaf artiges in unser bewußtes Dasein hineinspielt, das gibt uns unser Ich-Gefühl, unseren Ich-Impuls. Wir erleben ihn im gewöhnlichen Leben nicht vollbewußt, wir erleben ihn gewissermaßen als den aus unserer Organisation kommenden Stoß in das Bewußtsein hinein, diesen Ich-Impuls. Und wir erleben ihn auf der anderen Seite dadurch, daß wir vom Einschlafen bis zum Aufwachen eben mit unserem Ich, das aber sonst ja nicht in das gewöhnliche Bewußtsein hereintritt und mit unserem astralischen Leibe, der ebensowenig in das gewöhnliche Bewußtsein hereintritt, daß wir mit diesen uns in den Kosmos hinausbegeben und daß das gewissermaßen in unser Bewußtsein hereinschlägt, was wir als Verdunkelung dieses Bewußtseins erleben vom Einschlafen bis zum Aufwachen.

Was ist es denn, was uns immer wiederum in den Schlaf versetzt, was unser Wollen und einen großen Teil unseres Fühlens in Unbewußtheit, gewissermaßen in die Nacht des Bewußtseins hinunterdrückt? Das ist es, daß wir im Wollen organische Tätigkeit entwickeln müssen. Wir haben ja das letzte Mal gesehen, wie der Mensch im Wollen sein Seelisches hineinwirken läßt bis in das Muskelleben. Es taucht gewissermaßen die Seele in das Muskelleben unter. Da wird sie unbewußt, geradeso wie sie unbewußt wird, wenn sie aus dem Leibe herausgeht und in dem Zustand zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen verharrt. Wir können also sagen: Es kommt von den Bedürfnissen, von den Bedingungen des Leiblichen, daß wir uns zunächst im gewöhnlichen Leben unseres Ich bewußt sind, es kommt davon, daß wir einen Leib an uns tragen, der, wenn Wollen ausgeführt werden soll, die Seele für sich in Anspruch nimmt, der, wenn er die Kräfte, die er im Wollen entwickelt, ausgleichen will, die Seele in die Unbewußtheit des Schlafes hinunterjagt, um eben immer voll das Bewußtsein des eigentlich unbewußt vorhandenen Ich vermitteln zu können.

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So also können wir sagen: Wir tauchen in das Leiblich-Physische unter, indem wir in dieses Leiblich-Physische hineingießen unseren Geist beziehungsweise zunächst unser Seelisches. Aber wir werden gleich sehen, daß wir mit diesem Seelischen eben unseren Geist in das Physisch-Leibliche hineinergießen. Da fühlen wir uns, möchte ich sagen, robust, wenn die Seele in den Leib hinuntergegossen ist. Wir fühlen uns nicht robust, aber wach, wenn wir Vorstellungen und Sinneswahrnehmungen haben.

Vorstellungen haben und Sinneswahrnehmungen haben, heißt nun aber, nicht im Leibe leben. Es ist durchaus ein Verkennen, wenn man glaubt, erst das imaginative, das inspirierte und das intuitive Erkennen führen den Menschen in die geistige Welt hinein. Nein, der Mensch lebt schon in der geistigen Welt, wenn er Sinneswahrnehmungen hat und wenn er Vorstellungen bildet. Denn wir haben ja gesehen, daß die Sinneswahrnehmungen daran geknüpft sind, daß überhaupt schon tote Materie, rein physische Apparate in unseren Organismus eingelagert sind, die nur vom Ätherleib durchzogen werden; aber sie sind eingelagert. Und indem wir in diesem physischen Apparat erleben, erleben wir die Sinneswahrnehmung. Der physische Apparat wird nicht erlebt; das Geistige, das darinnen vorgeht, wird erlebt. Seinem Wesen nach ist der Inhalt der Sinneswahrnehmung durchaus geistig. Nur, wie wir das letzte Mal gesehen haben, breiten wir im Vorstellen gewissermaßen die Sinnestätigkeit über die Nervenorganisation aus. Die Nerventätigkeit besteht eigentlich in einem Absterben. Es muß die organische Tätigkeit gerade ausgeschaltet werden, wenn wir vorstellen wollen. Daher leben wir, indem wir Sinneswahrnehmungen haben und Vorstellungen haben, durchaus im Geistigen. Aber wir leben als Menschen, die da leben zwischen Geburt und Tod, dieses Leben im Geistigen dadurch, daß wir von ihm, von diesem Leben, nur Bilder haben. Das ist das Eigentümliche, daß uns das Geistige zunächst in den Sinneswahrnehmungen und in den Vorstellungen bewußt wird, aber nur in Bildern. So daß wir sagen können (siehe Darstellung Seite 127): Sinneswahrnehmungen, Vorstellungen sind geistiges Erleben, aber in Bildern. Bei den Vorstellungen sind wir uns ja bewußt, sie tragen als solche einen abstrakten Charakter, sie sind nicht intensiv gesättigte Bilder.

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Es wird grau, möchte man sagen, wenn man von den Sinneswahrnehmungen zum Vorstellungsleben zurückgeht. Aber nur für unser Bewußtsein wird es grau. In Wirklichkeit enthalten alle Vorstellungen, die der Mensch entwickelt, Imaginationen.

So daß ich sagen kann: Die Vorstellungen, sie enthalten durchaus Imaginationen, nur kommen diese Imaginationen nicht zum Bewußtsein. Es ist gewissermaßen eine Art von Auszug aus diesen Imaginationen, die man im gewöhnlichen Leben als Vorstellungen hat. Das Imaginieren geht nach rückwärts in das Leibliche hinein, und das, was uns zum Bewußtsein kommt, ist das zurückgeworfene blasse Bild der Vorstellungen. Jedesmal, wenn Sie eine Vorstellung haben, und immerwährend, wenn Sie Vorstellungen haben, so haben Sie auch Imaginationen. Nur daß die Vorstellungen im Bewußtsein bleiben; die Imaginationen schlüpfen Ihnen hinunter und leben in der allgemeinen Vitalität Ihres Organismus, in der allgemeinen Lebenstätigkeit. Also die Imaginationen schlüpfen in die Vitalität, in die allgemeine Lebenstätigkeit hinein. Wenn ich das schematisch zeichnen sollte (siehe Zeichnung), so müßte ich so zeichnen (Kopf): Wir hüben die Sinneswahrnehmung (rot), haben dann die Vorstellungstätigkeit, die wir uns bilden (blau, grün) aus der Sinneswahrnehmung und die eigentlich ein Janusgesicht hat. Nach vorn ist sie eben die blasse Vorstellung, die kommt in unser Bewußtsein; nach rückwärts ist sie Imagination, aber die Imagination kommt nicht ins Bewußtsein. Die Imagination geht in dem Organismus unter und bildet da die allgemeine Lebenstätigkeit. Sie geht in alle Organe hinein, diese Imagination, sie lebt im Gehirn, sie lebt im Herzen, sie lebt in der Lunge, sie lebt in den Nieren, sie lebt überall, sie geht in alle Organe hinein, diese Imagination. Sie vereinigt sich mit der allgemeinen Lebenskraft.

Dadurch tritt dieses Eigentümliche ein: Wir haben hier, soweit ich rot, blau gezeichnet habe, den Geist im Bild. Wir haben nichts im Bewußtsein von dem, was da hinunterragt in die Leiblichkeit, aber wir erleben es als seelisch. Der Geist ist also gewissermaßen nach vorn Geist; nach rückwärts, nach dem Organismus hinein (grün) ist er Seele. Aber im Seelischen beginnt er gleich unterzutauchen in das Halbbewußte und Unbewußte und vereinigt sich mit dem Leiblichen.

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  1. Bild-SE125

Unterhalb dessen, was wir hier (siehe Zeichnung) haben, haben wir die unbewußte seelische Tätigkeit. Dahinein verschwindet also die Imagination. Und dann haben wir von der anderen Seite die Leiblichkeit. Aber diese Leiblichkeit ist in die Nacht des Bewußtseins, in den Schlaf hineingetaucht und äußert sich nur, indem sie den Willen heraufschickt bis in das Bewußtsein. Dieser Wille ist eben der Gegenstoß; der macht uns robust, der gibt uns Erleben der Wirklichkeit. Aber dieses Erleben der Wirklichkeit stößt höchstens noch als Gefühl herauf. Da träumen wir von dieser Wirklichkeit; aber im wesentlichen haben wir diese Wirklichkeit nicht im wachen Bewußtsein. So daß wir als Menschen zwischen Geburt und Tod unser Sein im Geistigen dadurch erkaufen, daß wir den Geist im Bilde erleben, im Bilde der Sinneswahrnehmungen, im Bilde der Vorstellungen; daß wir die Wirklichkeit zwar erleben, daß sie aber unbewußt hereinspielt in unser Bewußtsein, wie auch die äußere Wirklichkeit unbewußt hereinspielt.

Wir tauchen unter in diese äußere Wirklichkeit, aber sie spielt im Grunde genommen -r weil wir von den Schlaf zuständen, wo wir draußen sind in der äußeren Wirklichkeit, nichts wissen , sie spielt auch unbewußt herein. Wir werden gewissermaßen von dem Unbewußten um-

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spönnen, von dem Unbewußten durchdrungen. Da leben wir in der Wirklichkeit. Aber wir leben im Leiblichen oder im Äußerlich-Physischen. Indem wir im Geistigen leben, erleben wir den Geist nur als Bild.

Aber alles Leibliche ist vom Geistigen aufgebaut. Und wenn der Mensch nun seine Imagination ausbildet, so erlebt er schon das imaginative Leben, das da zurückliegt. Er erlebt auch weiter im Seelischen zurückliegend das, was im gewöhnlichen Bewußtsein als Gefühl vorhanden ist. Er erlebt das Gefühl zunächst bewußt. Aber hinter dem Gefühl, da ist die Inspiration.

Jedesmal, wenn Sie ein Gefühl haben, haben Sie auch eine Inspiration. Aber geradeso wie beim Vorstellen einem die Imaginationen hinunterrutschen in die allgemeine Vitalität, so rutscht einem beim Fühlen die Inspiration hinunter in die Leiblichkeit, denn Sie brauchen sie dort unten. Sie brauchen sie zu der Atmungstätigkeit, zu der rhythmischen Tätigkeit. Da, mit der allgemeinen rhythmischen Tätigkeit verbindet sie sich. Also es rutscht in Ihre Atmungsvorgänge die Inspiration von Ihrem Gefühl ebenso hinein, wie von den Vorstellungen die Imagination in die allgemeine Vitalität hineinrutscht.

So daß ich sagen darf: Wir erleben weiter nach rückwärts in uns die Gefühle, und dadurch, daß wir in die Gefühle weiter eintauchen, haben wir das seelische Erleben, seelisches Erleben, aber träumend - aber wir haben darinnen eine verborgene Inspiration (siehe Zeichnung Seite 125). Eine verborgene Inspiration schlüpft in die Rhythmusbewegung, Rhythmustätigkeit. In Atmen und Blutzirkulation schlüpft das hinunter. Wenn man nachschauen würde, wenn man einen Menschen vor sich hätte, der denkt und fühlt, so könnte man so sagen: Du hast jetzt Vorstellungen, du denkst ja, das weißt du; aber aus deinem Vorstellen tropfen fortwährend durch deinen ganzen Leib die Imaginationen hinunter und erhalten deine Vitalität. Du fühlst; da tropfen fortwährend die Inspirationen in die Atmung und in die Blutzirkulation hinein.

Und darunter liegt dann das Wollen. Das Wollen ist zunächst innerhalb der Lebensbetätigung des Menschen zwischen Geburt und Tod rein leiblich-physische Betätigung, ist leiblich-physisch zu erleben, denn der Geist wird in Anspruch genommen von der Muskeltätigkeit -leiblich-physisches Erleben, aber schlafend, denn bewußt kann man

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nur den Geist erleben. Hier schläft er. Da drinnen ist aber Intuition. Es ist wirkliche Intuition, was ich das letzte Mal geschildert habe, wo der Mensch seine Seelentätigkeit und damit auch das Geistige, das er erlebt, in Bildern hinübersendet in seine Muskeltätigkeit, so daß er regsam wird, so daß er ein Handelnder, ein Wollender wird. Da intuitiert er wirklich. Da geht er aus seinem Ich-Leben heraus, läßt dieses Ich also in etwas ganz anderes, nämlich in die eigene Muskel-Knochenbewegung hinein. So daß wir sagen können: Die Intuition schlüpft in die Stoffwechsel- und Bewegungstätigkeit. Der Geist aber lebt eben in Imagination, Inspiration, Intuition.

Sinneswahrnehmungen,
Vorstellungen: Geistiges Erleben, aber in Bildern,
Imaginationen schlüpfen in die Vitalität
Gefühle: Seelisches Erleben, aber träumend,
Inspiration schlüpft in die Rhythmustätigkeit
Wollen: Leiblich-physisches Erleben, aber schlafend,
Intuition schlüpft in die Stoffwechsel- und
Bewegungstätigkeit

Sie sehen, jetzt haben wir den Geist ganz im Leibe drinnen. Die Intuition haben wir im Stoffwechsel und in der Bewegung der Gliedmaßen. Die Inspiration haben wir in der rhythmischen Tätigkeit. Die Imagination haben wir in der allgemeinen Vitalität. Und nur das gegenständliche Erkennen, das haben wir als Bildhaftigkeit, als geistige Wirksamkeit in Bildern. Weil es bloße Bilder sind, können sie sich auch vereinigen mit den Bildern der Außenwelt.

Wir haben das letzte Mal versucht, das Seelische mit dem Leiblichen zusammenzudenken. Wir haben gesehen, wie dieses Seelische im Kopfe, in der Nerven-Sinnesorganisation sich betätigt, indem dort ein fortwährendes Absterben ist, so daß das Seelische dort als solches sich ausleben kann, denn das Organische wird abgebaut.

Wir haben dann gesehen, wie in der Drüsentätigkeit das Seelische in Anspruch nimmt das Körperliche, aber eben nur in beschränktem

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Maße, indem die Drüse dann Stoffe absondert. Aber in der Muskel- und Knochentätigkeit, da wird das Seelische ganz in Anspruch genommen vom Leiblichen. Ich habe ausdrücklich gesagt: Wir schwafeln nicht herum von einer abstrakten Wechselbeziehung zwischen Körper und Leib, und Seele und Geist, reden nicht von irgendeiner Beziehung des Physischen zu einem Psychoid, sondern schauen hinein, indem wir konkret die Seele erfassen, wie dieses Leiblich-Physische mit dem Seelischen überall sich durchsetzt, durchdringt. Und umgekehrt: Jetzt erleben wir es, wie das Geistige, das zunächst im Menschen nur in Bildern vorhanden ist, doch aber in unserem Physisch-Leiblichen drinnen lebt.

Imagination, Inspiration, Intuition sind nicht irgend etwas, was man wie Wind, Wolken erfaßt, sondern sie sind das, was gerade in unserer Leibestätigkeit vorhanden ist, was da hinüberschlüpft, indem wir nur die Bilder vom Geistigen festhalten können.

So kann man auch vordringen zu dem, was im Menschen das Geistige ist. Nach der Form, nach den Lebensstufen, nach dem Seeleninhalte, nach den geistigen Äußerungen oder geistigen Offenbarungen kann man den Menschen betrachten.

Die Form des Menschen, sie ist zwar abhängig von dem ganzen Fixsternhimmel, sie tritt uns aber äußerlich sichtbarlich entgegen. Die Lebensstufen sind abhängig von der Planetensphäre. Sie können wir nicht unmittelbar mit dem gewöhnlichen Bewußtsein erblicken. Diese Lebensstufen erblicken wir, indem sie in den Formverhältnissen sich ausdrücken. Tief im Inneren des Menschen ruht das Seelische. Wir entdecken es, wenn wir die geheimnisvollen Zusammenhänge zwischen des Menschen Nerven-Sinnestätigkeit und dem Seelischen ins Auge fassen, wenn wir die Drüsentätigkeit ins Auge fassen im Verhältnis zum Fühlen und zu alledem, was auf der rhythmischen Tätigkeit beruht. Wir sahen dann, wie zusammenhängt das Seelische mit dem Stoff -wechsel-Gliedmaßensystem. Aber dieses Seelische wird durchdrungen an dem einen Pol des Lebens von dem Geistigen, kann aber von ihm nur Bildhaftes erfassen und drängt hinunter die Imagination, Inspiration und Intuition in das Leiblich-Physische. Dann, wenn so der Geist sich in die Seele ergießt, lebt er in der Seele als das Intimste, das der Mensch hat.

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Der andere Pol zieht den Menschen nicht hinein in die Art und Weise, wie der Mensch von innen seine Sinnestätigkeit hat, wie der Mensch sein Vorstellen hat, sein Fühlen, wo der Mensch schon hinuntertaucht mit dem Geist in das Leibliche, in die Wirklichkeit zum Fühlen, wo tingiert ist mit den Inspirationen, die nun ihrerseits von oben wiederum die Imaginationen aufnehmen, das Leibliche mit dem Geistigen. Dieses kommt uns zum Ausdrucke, wenn wir sinnig den Menschen anschauen, der in voller Ruhe vor uns steht. Wenn wir studieren seine Physiognomie, wenn wir studieren, was aus ihm herausleuchtet, indem der Geist untertaucht in die Leiblichkeit, indem er die Inspiration in die Leiblichkeit hineinsendet, kommt dieser Geist wiederum an die Oberfläche, dringt durch die Lebensimpulse nach außen, gibt dem Menschen zunächst das Inkarnat, die Hautfleischfarbe, gibt dem Menschen, was er sonst als Physiognomie hat, erscheint uns in seiner edelgebauten Stirne, erscheint uns in seiner Mund- und Kinnbildung, in seiner Nasenbildung und so weiter. Dieser Geist, der als Inspiration untertaucht, erscheint uns, indem er durch die Lebensstufen wirkt, an dem ruhenden Menschen.

Sobald der Mensch geht, sobald der Mensch tätig ist, ja wenn der Mensch nur mit den Augen zwinkert, dann ist es das, was der Mensch als Intuition hinübersendet vom Geist in das Leibliche; das ist das, was wir dann sehen. Bei einem Menschen, den wir im Gehen verfolgen, den wir im Gestikulieren verfolgen, bei dem verfolgen wir das Wirken seines Geistes, der aber intuitiv in dem Leib aufgeht, in dem er nicht als Geist anwesend ist, sondern als die Wärmebildungs-, als die chemischen Zersetzungsprozesse, die im Leibe vor sich gehen, wenn der Mensch tätig in der Welt wirksam ist.

Indem wir die Form betrachtet haben, mußten wir hinweisen auf das, was die Welt dem Menschen gibt. Indem wir jetzt den Geist ganz untertauchen gesehen haben in die Leiblichkeit, finden wir in der Betätigung des Menschen, was der Mensch wiederum an die Welt hinausgibt. Es ist ein vollständiger Kreislauf vorhanden.

Der Mensch wacht, indem er im Wachen Bilder erlebt, das heißt, er ist des Geistes teilhaftig. Aber er erkauft für das Leben zwischen Geburt und Tod diese Teilhaftigkeit am Geist, indem er den Geist

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nicht als Wirklichkeit, sondern als Bildhaftigkeit in sich hat. Der Mensch hat aber den Geist auch zwischen Geburt und Tod als Wirklichkeit in sich; aber er erkauft diese Wirklichkeit dadurch, daß er diese Wirklichkeit nur schlafend, sei es wachend schlafend, sei es wirklich schlafend, erlebt. Und man müßte eigentlich sagen: Leben zwischen Geburt und Tod besteht darin, daß der Mensch den Geist in Bildesabglanz erlebt, die Wirklichkeit aber nicht bewußt erlebt; sondern diese Wirklichkeit erscheint ihm nur durch das Medium der Leiblichkeit. Zwischen Geburt und Tod sehen wir den Geist durch seine Leiblichkeit. Wir sehen eigentlich nicht in Wirklichkeit Materie. Die Materie ist der äußere Schein des Geistes. Wir sehen den Geist von außen, indem wir Materie sehen. So daß wir sagen können: Sehen wir Materie, sei es Materie draußen in der Welt, sei es Materie am Menschen, dann ist es eigentlich immer so, daß die Wirklichkeit sich uns verbirgt und die Oberfläche uns erscheint, wo der Geist aus der leiblichen Wirklichkeit, aus der materiellen Wirklichkeit heraus sich offenbart.

  1. Bild-SE130

Anders ist es, wenn der Mensch des Geistes teilhaftig wird. Da bleibt ihm sein Leibliches, wie zum Beispiel das Innere seines Hauptes, ja auch das Äußere seines Hauptes, wenn er sich nicht just im Spiegel sieht, aber dann hat er auch nur ein Bild, das bleibt im Hintergrunde. Dagegen erlebt er wirklich den Geist, aber er erlebt den Geist nur im Bild. Im Bewußtsein sehen wir den Geist innerlich, aber im Bilde. Schlafend, auch wachend schlafend, nehmen wir den Geist in seinem

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Schaffen wahr, aber wir können die Wahrnehmung nicht in ihrer Wesenheit ins Bewußtsein hineinbringen; sie bleibt draußen.

Deshalb müssen wir schon sagen, wenn wir irgendwo materielle Oberfläche wahrnehmen: dahinter ist der Geist. Wir können nur mit unserem Bewußtsein in diesen Geist nicht hinein. Wenn wir im gewöhnlichen Bewußtsein Geist erleben, müssen wir ihn innerlich erleben, aber wir erleben ihn eben nur im Bilde. Das ist eben der große Umschwung, der sich mit dem Menschen vollzieht: Mit dem Tode wird diese Wirklichkeit hier (auf die Zeichnung Seite 130, links, deutend) Bild, und die Bilder, die wir erleben (rechts, blau), die werden Wirklichkeit. Der Mensch beginnt, indem er durch die Pforte des Todes geht, das, was er vorher nur im Bilde wahrgenommen hat, als seine Wirklichkeit zu erleben, und was er vorher als Wirklichkeit verschlafen hat, das wird jetzt für ihn Bild - Bild, in dem sich allerdings vorbereitet das nächste Erdenleben, wo wiederum eine Umkehr stattfindet. Es ist also immer eine völlige Umkehr.

Sehen Sie, wenn man des Menschen Formverhältnisse betrachtet, muß man weit hinausgehen, in die ganze Fixsternwelt muß man hinausgehen. Und wenn man in die ganze Fixsternwelt hinausgeht, dann liegen in der Fixsternwelt die Impulse, wie wir gesehen haben, die da bewirken, daß der Mensch gewisse Formen seines Hauptes, gewisse Formen seiner Brust, gewisse Formen seiner Gliedmaßen hat. Wir haben gesehen, wie diese zustande kommen. Wir gehen dann weiter an den Menschen heran: Wir finden das Planetensystem, die Planetensphäre. Und wiederum finden wir, daß diese Planetensphäre im Menschen seine Lebensstufen bildet. Jetzt müssen wir ganz in den Menschen hineingehen. Da finden wir sein Seelisches. Und wenn wir in dieses Seelische noch untertauchen, dann ergeben sich uns die Wechselzustände von Wachen und Schlafen, von Bild und Wirklichkeit. Dann kommen wir an den Geistesmenschen heran. Dann entdecken wir das Geistige des Menschen.

Ich möchte Ihnen jetzt etwas vor die Seele hinstellen, was für viele von Ihnen vielleicht außerordentlich abstrakt und fremdartig erscheint. Aber ich bitte Sie, nehmen Sie es hin und betrachten Sie es als ein paar Nüsse, die Sie knacken müssen. Denn auch das, was ich heute in dieser

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letzten Viertelstunde entwickeln will, kann Ihnen einmal wichtig sein für die Weltbetrachtung.

Wenn wir diesen Weg uns wirklich vorhalten, den man da geht von dem ganzen Weltensystem, von dem Fixsternhimmel herein durch die Planetensphäre in den Menschen, da wird man, wenn man dazu in der Lage ist, an etwas ganz Bestimmtes erinnert. Sehen Sie, die Mathematiker, die bestimmen die Lage eines Körpers oder die Lage eines Punktes - das spielt eine große Rolle heute gerade in der Relativitätstheorie -, indem sie sich drei aufeinander senkrecht stehende Linien denken, die sich in irgendeinem Punkte schneiden. Und wenn sie dann einen Punkt bestimmen wollen, sagen wir hier den Punkt A (siehe

  1. Bild-SE132

Zeichnung), dann messen sie die Entfernung zu den drei Ebenen, die durch die drei Linien bestimmt sind. Wenn sie also diese drei Linien haben, so können sie immer den Punkt bestimmen. Sie müssen nur annehmen diese drei aufeinander senkrecht stehenden Achsen, die man Koordinatenachsen nennt, und sie können ihnen dienen als Anhaltspunkt zur Ortsbestimmung jeglichen anderen Punktes, auch jeglicher Linie, denn die kann wenigstens nur durch ihre Punkte bestimmt werden, die sie enthält und so weiter.

Die Mathematiker sind nun außerordentlich stolz darauf, daß sie in einer solchen Weise die Ortsbestimmung mathematisch erfaßbar machen können. Sie reden von den drei Koordinaten, von der x-, y-und z-Koordinate. Nun entsteht aber für denjenigen, der nicht bloß

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Mathematiker, sondern der, indem er sich mit Mathematik beschäftigt hat, auch noch ein Mensch der Wirklichkeit ist, eine bestimmte Frage.

Er sagt sich: In dem Leben zwischen Geburt und Tod - und unsere jetzigen Mathematiker rechnen ja wahrhaftig nicht mit dem Leben zwischen dem Tod und neuer Geburt, sondern was sie berechnen, das liegt alles zwischen Geburt und Tod -, in dem Leben zwischen Geburt und Tod ist man ja immer eigentlich als Mensch in der äußeren Wirklichkeit mit drinnen, und man sieht als Mensch, oder man nimmt es wahr durch einen anderen Sinn, von irgendeinem Punkte aus das, was in der Außenwelt ist. Man muß also immer beim Menschen von einem Blickpunkte, von einem Augenpunkte sprechen. Nicht wahr, die Welt schaut ganz anders aus, je nachdem ob ich nun hier stehe, oder ob ich da drüben stehe. Wenn ich da drüben stehe - nun, schon dadurch wäre ein beträchtlicher Unterschied, daß ich Ihnen von hier in die Augen schaue; wenn ich da drüben stünde, würde ich Sie alle von der anderen Seite sehen. Also man kann, wenn man konkret, wirklichkeitsgemäß spricht, immer nur von einem bestimmten Blickpunkte aus die Wirklichkeit beurteilen, denn der Mensch kann sich ja nirgends ganz wegnehmen von der Wirklichkeit.

Aber im modernen Denken, da hat man so etwas von einer Sehnsucht, sich wegzunehmen aus der Wirklichkeit. Die Physiker wollen alles Subjektive ausschließen. Ein neuerer Physiker hat gesagt: Was ist eigentlich? Was hat ein Sein? - Sogar in der Sprache kommt das Sein vom Sehen, so daß man, wenn man den Menschen einschließt, eigentlich ganz populär sagen müßte: Es ist das, was man sehen kann. Denn der Stamm des Wortes Sein hängt mit Sehen zusammen. - Aber das kann der Physiker nicht gelten lassen, und ein neuerer Physiker hat deshalb schon die Definition gegeben: Dasjenige ist, was sich messen läßt - wobei man es also nicht auf den Menschen bezieht, sondern auf einen objektiven Maßstab, und den Menschen schaltet man aus.

Ein anderes Beispiel, wo der Mensch ausgeschaltet wird, habe ich ja schon öfter vor Ihre Seele hingestellt. Da wird die Kant-Laplace-sche Theorie erklärt: Man nimmt ein Tröpfchen öl, ein Kartenblatt auf einer Stecknadel, es kann auch eine Nähnadel sein, man dreht, und da sondern sich die Tropfen ab. Aber - es würde sich nichts ab-

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sondern, und das ganze kleine Planetensystem würde nicht entstehen, wenn der Herr Lehrer nicht drehte! Aber wenn man das Weltsystem erklären will, läßt man wiederum den Herrn Lehrer aus. Sonst müßte der Lehrer sagen: Liebe Kinder, da entsteht ein Planetensystem, aber da bin ich, der da dreht; und da draußen entsteht das große Planetensystem, da ist der große Gott vorhanden, der dreht da die große Stecknadel. Sonst könnte die Welt nicht entstehen, wenn da draußen nicht ein im Verhältnis großer Gott wäre, wie ich der kleine Gott für euch alle hier bin. - So müßte der Lehrer eigentlich sagen, nicht wahr.

Nun, das sagt er nicht. Man ist gewohnt geworden im modernen Denken, den Blickpunkt gewissermaßen hinwegzudekretieren. Man dekretiert ihn sogar hier in der analytischen Geometrie weg. Aber es ist auch schwer, die Frage zu beantworten: Wo ist eigentlich derjenige, der das anschaut? Wo ist denn der, der das anschaut? Wo steckt denn der? Wer sieht denn wirklich das Ding hier so an, daß er nicht perspektivisch die x-, y-, z-Koordinate sieht? Wo steckt denn der Mensch, der das so sieht? Ja, wissen Sie, da kann er nicht sein, da überall kann er nicht sein, denn da würde er immer perspektivisch sehen. Nun, wenn er gerade weit genug weg wäre, nämlich da im Unendlichen drüben, da würde er die vertikale Linie richtig sehen; wenn er da drüben im Unendlichen wäre; wenn er da droben im Unendlichen wäre, würde er die z-Linie sehen. Das muß nämlich ein ganz verflixter Kerl sein, der diese sogenannte Koordinatenachse sehen würde, die man für dieses hier (siehe Zeichnung Seite 132) in einem Punkt beschreibt; der muß nämlich in der Unendlichkeit sein, und zwar da, und da, und überall in der Unendlichkeit fort muß er sein. Das ist der Blickpunkt. Der muß überall sein, der da in diesem Raum alle richtigen drei Dimensionen betrachtet, die aufeinander senkrecht stehen. Wenn man vom Räume redet, ja, wenn man von analytischer Geometrie redet, so muß man den Blickpunkt überall ins Unendliche hin verlegen.

Und jetzt nehmen wir den Gegensatz. Jetzt nehmen wir einmal, wie der Mensch nun wirklich innerlich sich erlebt. Er erlebt sich ja im Mittelpunkt des Weltenalls. Er erlebt sich gewissermaßen als Punkt, und überall mit seinen Wahrnehmungen visiert er eigentlich. Er hat gewissermaßen vor sich oder um sich seinen Horizont. Und was auf dem

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Horizont oder über dem Horizont und unter dem Horizont ist, das erlebt der Mensch so; wenn ich es Ihnen andeuten will, könnte ich das so andeuten. Ich müßte sagen: Der Mensch erlebt erstens in seiner Visierlinie - es kann auch die Tastlinie sein - oder irgendwo oben, unten,

  1. Bild-SE135

natürlich auch hier herüben; kurz, er macht diesen Winkel größer oder kleiner, oder öffnet ihn nach oben oder nach unten. Das tun auch die Mathematiker; nur da, da gehen sie aus von einem ganz bestimmten Blickpunkte. Da nehmen sie Rücksicht auf den Menschen. Sie geben es aber auch nicht zu, weil das eine Schande wäre für den heutigen Denker, wenn er den Menschen einschließen würde in das Weltenbild. Sie reden daher nur von einem Punkt, bestimmen einen anderen Punkt irgendwo, indem sie die Abweichung von der Visierlinie bestimmen. Indem man also sagt: der Punkt hier, der ist so entfernt, daß hier eine Möglichkeit ist - nun, ich will nicht so weit gehen, das, was man den Kosinus nennt, einzuführen -, daß man eine Möglichkeit hat, den Punkt zu bestimmen. Der aber ist immer anders, also auch sein Kosinus ist immer anders, indem man weiter oben oder unten den Punkt ins Auge faßt. Da steht man eigentlich, wenn man die Sache wirklich betrachtet, in der vollen Wirklichkeit drinnen. Die Mathematiker haben das. Sie nennen das Polarkoordinaten.

Und jetzt, sehen Sie, jetzt haben wir einen merkwürdigen Satz. Wir können sagen: Da ist nun gar kein verflixter Kerl, denn das ist man selber fortwährend. Wenn man irgendwo ist, hat man den polaren Koordinatenmittelpunkt als Blickpunkt. Wenn man aber den Raum betrachtet, und eine Raumbetrachtung ist ja diese Betrachtung hier, dann ist man überall in der Unendlichkeit draußen. Da ist man der

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  1. Bild-SE136

verflixte Kerl. Was ist denn aber, wenn Sie hier den Mittelpunkt betrachten, nun überall in der Unendlichkeit, was ist denn dazwischen drinnen? Was ist dazwischen drinnen? Zwischen dem Punkt und der Unendlichkeit ist nämlich zwischen drinnen der Kreis. Wenn Sie in die Unendlichkeit hinausgehen, also eigentlich den Raum durchmessen, Sie werden etwas darinnen finden. Aber wenn Sie sich den Blickpunkt in der Unendlichkeit überall denken, dann sind Sie in dem Gebiet, das die Fixsternbetrachtung ist. Wenn Sie hereingehen in den Mittelpunkt, da sind Sie in dem Gebiet, wo die menschliche Betrachtung ist. Zwischen drin ist der Kreis, oder kann wenigstens ein annähernder Kreis sein: die Planetenbewegungen. Es kann gar nicht anders sein. Wenn der Mensch durch seine Seele der Welt vermittelt wird, so muß diese Vermittelung durch eine Kreisbewegung, durch Sphären geschehen. Das ist einfach in der inneren Konstitution des Weltenalls begründet. Wir müssen also zwischen uns und der Unendlichkeit die kreisenden Sterne finden.

Sehen Sie, in sehr alten Zeiten hat ein instinktives Hellsehen die Mathematik aus diesen Verhältnissen herausgeholt, aus den konkreten Verhältnissen heraus: den Weltenraum in drei Dimensionen mit dem Blickpunkte überall in der Unendlichkeit, die Sphäre und den eigenen Mittelpunkt. Davon ist man ausgegangen. Das war alte Mathematik. Heute ist die Mathematik auch abstrakt geworden und handelt eigentlich nur von Formeln, nicht von der Wirklichkeit. Aber

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wenn man sie innerlich betrachtet, so wie wir das jetzt getan haben, dann kann man noch eine Ahnung bekommen, wie das, was der Mathematiker heute vor sich hinzustellen gezwungen ist, das Koordinatenachsensystem oder die Polarkoordinaten, wie das durchaus in der inneren Struktur des Weltenalls begründet ist.

Sehen Sie, Sie werden fast immer, wenn der Einstein oder ein Einsteinianer heute zu reden beginnt, finden: den Ausgangspunkt nehmen sie von irgendwelcher Koordinatenkonstruktion, und dann gehen sie über zu der Relativitätstheorie. Man braucht sich nicht darüber zu wundern, daß da alles relativ wird. Denn sobald man den ersten Ansatz macht - und den möchten nämlich die Leute machen -, zu der Wirklichkeit überzugehen, dann muß man sich verwandeln oder müßte sich verwandeln in den verflixten Kerl, der überall in der Unendlichkeit ist. Aber da kommt es schon nicht darauf an, ob es eine Meile oder mehr oder weniger, oder einen Erden- oder Sonnendurchmesser weit oder noch weiter voneinander ist. Daher werden alle Dinge relativ. Daher die Relativitätstheorie, weil der Blickpunkt im Unendlichen liegt, und es darauf nicht ankommt, ob weit oder weniger weit. Da wird dann, wenn man rein schaut auf die willkürlich angeführten Gründe, alles relativ. Das ist eigentlich der wahre Grund, der psychologische Grund. Man muß nur in diese Dinge hineinsehen.

Nun wollen wir morgen auf den Voraussetzungen, die wir heute gewonnen haben, einiges wiederum aufbauen.

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NEUNZEHNTER VORTRAG Dornach, 5. November 1921

Wir haben in der letzten Zeit Betrachtungen angestellt über den Menschen und seinen Zusammenhäng mit dem Kosmos. Es erscheint denjenigen, die nur in der heutigen Weltauffassung drinnenstehen, gegenwärtig noch als etwas, man möchte sagen, ziemlich Absurdes, wenn in einer solchen Art das Wesen des Menschen angeknüpft wird an das Wesen des Kosmos, und man wird wohl in weitesten Kreisen heute ein solches Anknüpfen nicht für wissenschaftlich halten. Dennoch, es ist gegenüber den Geistesströmungen der Gegenwart heute schon dringend notwendig, gerade auf solche Dinge, wie wir sie jetzt in diesen Betrachtungen vor uns gehabt haben, mit aller Energie hinzuweisen. Denn man kann sagen: Diese Dinge liegen durchaus auf dem Wege des heutigen Denkens. Nur werden sie von diesem heutigen Denken zu gleicher Zeit mit aller Heftigkeit zurückgewiesen. Dadurch aber wird dem Geistesleben der Menschheit unsäglicher Schaden zugefügt.

Wir wollen uns zunächst einmal eine Art Zusammenfassung bilden von demjenigen, was ich in der letzten Zeit hier vorgebracht habe. Wir haben ja die Form des Menschen angesehen als ein Ergebnis dessen, wofür die Ursachen gesucht werden müssen im Fixsternhimmel, namentlich in seinem Repräsentanten, in dem Tierkreis. Wir haben also gesehen: Nach dem Tierkreis als dem Repräsentanten des Fixsternhimmels müssen wir zunächst blicken, wenn wir des Menschen Form, Formung, Gestaltung verstehen wollen. Da haben wir also den zwölfgliedrigen Tierkreis und finden, indem wir diesen zwölfgliedrigen Tierkreis studieren - das haben wir ja gesehen -, die Möglichkeit, die menschliche Form bis in ihre Einzelheiten hinein zu verstehen.

Wenn wir dann die Lebensstufen des Menschen verstehen wollen, dann müssen wir zu dem Planetensystem sehen und finden in dem Planetensystem die Elemente zum Verständnis der menschlichen Lebensstufen.

Wir haben dann unseren Weg genommen von dem Verständnis der Lebensstufen zu dem Verständnis des Seelischen. Da mußten wir aber

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  1. Bild-SE139

schon an den Menschen selbst herantreten, an das, was in ihm gestaltet ist, an das, was in ihm lebt. Und wir haben dann versucht, das Seelische nach dem Vorstellen, Fühlen und Wollen zu finden in der Gestalt des Menschen und in den Lebensstufen. Und gestern haben wir ja auch versucht, das Geistige des Menschen wiederum im Seelischen zu finden.

Nun kommen wir also mit dem Seelischen, das wir betrachten, ich möchte sagen, von dem Umkreis der Welt herein ins eigentliche irdische Leben, wenn wir nämlich das Seelische betrachten in dem Leben des Menschen zwischen Geburt und Tod. Wir können es ja betrachten, wenn wir es in seinem wahren Verhältnis zu der menschlichen Gestalt und zu dem menschlichen Leben ins Auge fassen.

Wiederum den Geist, von dem wir gestern gesehen haben, daß ihn der Mensch ja eigentlich nur bildhaft erlebt, wir müssen ihn im Seelischen suchen. Wir kommen da, wenn ich mich so ausdrücken darf, aus den Himmeln auf die Erde herunter. Wenn wir die Form des Menschen betrachten, müssen wir bis an die Fixsterne gehen; wenn wir das Leben des Menschen betrachten, müssen wir bis an die Planetensphäre gehen; wenn wir die Seele des Menschen in ihren Verhältnissen zwischen Geburt und Tod betrachten, müssen wir zum Irdischen zunächst

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heruntersteigen. Es wird für uns in dieser Betrachtung ein Ganzes aus dem Menschen in seinem Zusammenhang mit dem Kosmos.

Nun, wenn wir diesen Tatbestand gehörig würdigen, dann sind wir auch imstande, aus ihm heraus die Grenzlinie zu ziehen zwischen dem Tierischen und dem Menschlichen. Und das kann nämlich in der folgenden Weise geschehen. Betrachten wir zunächst das, wofür wir uns Verständnis durch den Tierkreis erringen können, betrachten wir das beim Menschen und beim Tiere, so stellt es sich uns eigentlich in einer verschiedenartigen Weise dar. Aber wir müssen, damit wir diesen ganzen Zusammenhang erfassen können, ausgehen davon, wie diese verschiedenen Elemente: Tierkreis, Planetensphäre, die Erde mit alldem, was wir auch gestern betrachteten, auf den Menschen und auf das Tier wirken.

Wir haben ja im Menschen zunächst seinen physischen Leib. Dieser physische Leib des Menschen, er tritt uns ja nicht in derjenigen Gestalt entgegen, die wir sonst außerhalb des Menschen als die physische kennen. Das Physische tritt uns außerhalb des Menschen im Mineralreich und seinen Gestaltungen entgegen. Was uns im Mineralreich und seinen Gestaltungen entgegentritt, ist ja allerdings sehr unähnlich dem physischen Leib des Menschen. Aber es ist nur deshalb unähnlich dem physischen Leib des Menschen, weil beim Menschen das Physische eingekleidet ist in Ätherisches, Astralisches und das Ich-Wesen, die alle das Physische verändern, die alle das Physische sich anpassen, während im äußeren Physischen uns dieses Physische ohne die Durchdringung mit Ätherischem, mit Astralischem, mit dem Ich-Wesen im Mineralreiche entgegentritt.

Wenn wir die ureigene Gestalt des Mineralischen ins Auge fassen, so ist sie die Kristallgestalt, die polyedrische Gestalt (siehe Zeichnung); irgendwie polyedrisch tritt uns das Mineral entgegen. Diese polyedrische Gestalt, die uns bei dem einen Mineral in der einen Form, bei dem anderen Mineral in einer anderen Form entgegentritt, die können wir nicht anders begreifen, als wenn wir zunächst auf das Materielle sehen, das sich aus den Kräften heraus gebildet hat, die eben innerhalb des Raumes des Minerals tätig sind. Wir müssen uns vorstellen: Wenn wir irgendein langgestrecktes Mineral haben, dann sind die Kräfte,

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  1. Bild-SE141

welche in dieser Richtung wirken (Zeichnung rechts), eben dazu geeignet, das Mineral nach der Länge zu ziehen. Die Kräfte, welche nach dieser Richtung wirken (rechts, horizontaler Strich in der Mitte), entfalten dann vielleicht eine geringere Stärke - oder wie wir das dann ausdrücken wollen , die das Mineral nach dieser Richtung hin schmäler machen und so fort. Kurz, wir müssen uns, damit wir überhaupt von den Mineralien sprechen können, gleichgültig ob diese Kräfte von außen hereinwirken oder von innen heraus, wir müssen uns vorstellen, daß diese Kräfte in Winkeln zueinander stehen, in gewissen Richtungen wirken, und wir müssen uns vor allen Dingen vorstellen, daß diese Kräfte eben da sind im Weltenall, wenigstens daß sie wirksam sind innerhalb des Erdenbereiches.

Dann aber, wenn sie wirksam sind, dann müssen sie auch auf den physischen Leib des Menschen wirken, und der physische Leib des Menschen muß in sich die Tendenz haben, polyedrisch zu werden. Er wird nur nicht in Wirklichkeit polyedrisch, weil er noch seinen Ätherleib, seinen astralischen Leib hat, die den Menschen nicht dazu kommen lassen, ein Würfel oder ein Oktaeder oder ein Tetraeder oder Ikosaeder zu werden und so weiter. Aber die Tendenz ist im Menschen, so etwas zu werden, so daß wir schon sagen können: Insofern der Mensch ein physisches Wesen ist, strebt er darnach, polyedrisch zu werden. Wenn Sie froh sind, daß Sie nicht als Würfel herumwandern

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oder als Tetraeder oder als Oktaeder, so rührt das eben davon her, daß gegen die oktaedrischen oder die Würfelkräfte, die in Ihnen sind, die anderen Kräfte, die des Ätherleibs, Astralleibs wirken.

Nun ist aber der Mensch eben nicht bloß ein physischer Leib, sondern er trägt in sich seinen Ätherleib. Was er durch seinen Ätherleib ist, das macht ihn wiederum als ein Wesen eins mit der Pflanzenwelt. So wie er durch seinen physischen Leib gewissermaßen die Umwelt repräsentiert, insofern diese mineralisch-physisch ist, so repräsentiert er durch das, was er durch seinen Ätherleib ist, die Umwelt, insofern diese pflanzlich ist.

Die Pflanze hat natürlich deshalb, weil sie auch ins Physische eingeschaltet ist, schon die Tendenz, polyedrisch zu sein, aber sie bringt zu dieser Tendenz, polyedrisch zu sein, noch eine andere dazu, nämlich diese: kugelig zu sein. Das Mineral kann ja durch allerlei Vorgänge auch einmal in Kugelform auftreten, aber die Kugelform ist ihm nicht eigentlich eigen. Es muß schon irgendein Gerolle oder so etwas sein, wenn es kugelförmig auftreten soll. Seine ureigene Gestalt ist die poly-edrische. Aber bei der Pflanze haben wir die Kugelform, und jede ein-

  1. Bild-SE142

zelne Zelle der Pflanze will sich eigentlich kugelig gestalten. Dieses Streben nach der Kugelform - der Mensch macht es ein wenig erst in seinem Haupte mit - ist also dem Pflanzlichen eigen. Also demjenigen, was das pflanzliche Wesen ist, dem verdankt auch der Mensch die Kugelform. Daß die Pflanzen nicht alle Kugeln sind, das verdanken sie dem Umstände, daß erstens in ihnen die Kugelform kämpft gegen die polyedrische Form, und dadurch ein Resultierendes herauskommt, aber es kämpft auch die Pflanzenform gegen ein Kosmisch-Astralisches. Sie wissen ja aus früheren Vorträgen, daß oben ein Kosmisch-Astralisches auf die Pflanze drückt. Dadurch wird die Kugelform modifiziert. Es lagern sich auch Kugeln übereinander. Aber die Urgestalt des Pflanzlichen, die ist eigentlich das Kugelige.

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Damit aber nimmt die Pflanze, indem sie nach der Kugelform strebt, die Form der Erde selber an. Die Form der Erde nimmt die Pflanze an. Die Erde, sie ist ja, wie Sie wissen, im Kosmos kugelförmig gestaltet. Kugelförmig ist auch jeder Wassertropfen gestaltet. Nur die Teile der Erde, ihre mineralischen Teile, sind polyedrisch gestaltet. Die ganze Erde ist im Kosmos kugelig gestaltet. So daß wir sagen können: Die Kugelform hat die Pflanze gemeinschaftlich mit der Erde selbst. So daß die Pflanze oder das Lebendige nach der Kugelform strebt und eigentlich nachzubilden sucht in der Kugelform dasjenige, was die Erde als Form hat.

Gehen wir jetzt aber zu dem herauf, was der Mensch durch seinen astralischen Leib ist. Da ist er etwas, wodurch er repräsentiert, was in der tierischen Welt vorhanden ist, das tierische Wesen. Wenn wir also die polyedrische Form suchen beim physischen Wesen, beim mineralischen Wesen, so finden wir beim pflanzlichen die der Erde nachgebildete Kugelform (siehe Zeichnung Seite 142).

Nun, das tierische Wesen wird uns verständlich, wenn wir nicht bei der Kugelform stehenbleiben, sondern wenn wir zu etwas anderem vorschreiten, wenn wir also in der Gestaltung zu der kugeligen Form nun etwas hinzufügen. Was ist das, was wir zu der kugeligen Form da-zufügen müssen? Das ist die Taschenform, ich könnte auch sagen: Sack-

  1. Bild-SE143

form, die Tasche. Nämlich das Tierische zeigt die Eigentümlichkeit, daß es die Kugelform überall durchbricht durch das Taschige. Es bilden sich überall in der Kugel taschenförmige Einbuchtungen. Das ist das Wesen der tierischen Bildung, daß sich von außen nach innen Taschen einsacken. Betrachten Sie ihre Augenhöhlen - zwei Taschen, die von außen nach innen gehen. Betrachten Sie ihre Nasenhöhlen: zwei Taschen. Betrachten Sie schließlich den ganzen Verdauungsapparat, vom Mund angefangen bis in den Magen hinein: Sie können ihn bekommen, wenn Sie vom Munde ausgehen lassen eine Tasche, die bis

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hinuntergeht. Überall ist es die Taschenform, die zu der Kugelform dazutritt, wenn es sich darum handelt, den Übergang zu bilden vom Pflanzlichen zum Tierischen. Es ist die Taschenform.

  1. Bild-SE144

Diese Taschenform, die wird uns verständlich, wenn wir von der Erde aufblicken zu dem Planetensystem. Sie können sich ja leicht vorstellen: Die Erde hat das Bestreben, allem auf ihr Lebendigen ihre eigene Form zu geben. Wenn aber der Planet von außen einwirkt, so wirkt er den Erdenkräften entgegen und sackt ein, was von der Erde als die Kugelform gegeben wird, und die verschiedenen tierischen Wesen sind in der verschiedensten Weise mit solchen Säcken, Taschen, gestaltet. Schauen wir die Planeten an in ihren verschiedenen Wirkungen. Der Saturn sackt in anderer Weise ein als der Jupiter oder Mars. Der Löwe ist einfach mit einer anderen Art von innerer Sackartigkeit ausgestattet, weil auf ihn nicht dieselben planetarischen Wirkungen geübt werden, wie zum Beispiel auf das Kamel und so weiter. Wir haben also da die Einsackungen.

Nun tritt aber beim Tiere und auch beim Menschen - nämlich vor allem beim höheren Tiere, bei den niederen Tieren wird es etwas anders -, aber bei den höheren Tieren, da tritt etwas auf, was nun nicht bloß vom Planetarischen kommt, sondern wir können sagen: Beim tierisch-menschlichen Wesen - weil die höheren Tiere etwas Ähnliches zeigen - tritt nun nicht bloß die Taschenform auf. Die würde auftreten, wenn es nur Planeten gäbe, wenn der Fixsternhim-

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mel nicht wirken würde. Aber zu der Taschenform kommt noch etwas dazu. Unter gewissen Verhältnissen ist der Mensch ganz zufrieden, wenn er nicht bloß eine Tasche hat, sondern auch noch etwas drinnen, und das tritt in der Tat beim tierisch-menschlichen Wesen auf, indem die Tasche mit der Füllung auftritt. Das heißt: Kugelformtasche, und die Tasche ist erfüllt.

  1. Bild-SE145a

Sie brauchen nur die Sinnesorgane zu betrachten, das Auge, da haben Sie eine Tasche zunächst: die Augenhöhlen; dann die Erfüllung. Und diese Erfüllung, die namentlich bei den Sinnesorganen eintritt, die hängt nun, ebenso wie die Taschenform mit der Planetensphäre zusammenhängt, mit dem Tierkreis zusammen. Der Mensch, der in dieser Beziehung die vollkommenste tierische Organisation hat, hat deshalb auch, wenn sie auch in der verschiedensten Weise maskiert sind, zwölf Taschen mit Erfüllung. Daher habe ich in meiner «Anthroposophie» die zwölf Sinnesorgane aufzählen müssen.

Nun können wir zurückfragen: Mit welchem Kosmischen hängt denn das Polyedrische zusammen? Sehen Sie, indem die Erde uns entgegentritt, hat sie als Ganzes eigentlich die Lebeform, und sie würde nur diese Form zeigen, wenn sie nur Wasser wäre. Aber in das Wasser kommt in der mannigfaltigsten Weise Störung hinein. Sie können die Störungen beobachten zum Beispiel bei Ebbe und Flut. Da wird das Wasser gestaltet.

  1. Bild-SE145b
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Und jetzt blicken wir zurück auf frühere Zeiten der Gestaltung der flüssigen Erde, wo sie die festen Einschläge bekommt. Heute noch kann man ja wissen, wie Ebbe und Flut zusammenhängt mit dem Monde. Ebenso hängt alles Polyedrische, alles das, was sich als Polyedrisches in die Erde hineingestaltet, mit dem Monde zusammen. So daß wir sagen können: Das polyedrische oder physische Wesen des Menschen hängt mit dem Monde zusammen, sein pflanzliches oder ätherisches Wesen mit der Erde, sein astralisches Wesen, das die Taschenform hervorbringen würde, mit der Planetensphäre, und die Erfüllung der Tasche mit dem Tierkreis.

Physisches Wesen - polyedrisch: #Bild-SE146a Mond
Pflanzliches Wesen - Kugelform: #Bild-SE146b Erde
Tierisches Wesen - Kugelform: #Bild-SE146c Planetensphäre
Tierisch-menschliches
Wesen
- Tasche mit
Erfüllung:
#Bild-SE146d Tierkreis

Nun aber ist dieses, was ich hier aufgeschrieben habe, für den Menschen in anderer Weise zutreffend als für die Tiere. Sehen Sie, beim Tier ist es wirklich so, daß der Himmel nur bis zum Tierkreis, nämlich das, was da drinnen liegt, nur bis zum Tierkreis eine Bedeutung hat. Was außerhalb des Tierkreises liegt, hat für das Tier keine Bedeutung.

Die alte Weisheit hat daher sehr richtig das den Tierkreis genannt, denn sie hat hinzufügen können: Alles, was da draußen im Weltenall ist außer dem Tierkreis, das könnte auch nicht da sein, und die Tiere

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auf der Erde würden ebenso sein, wie sie sind. Nur was unter dem Tierkreis ist mit der Erde zusammen, dem Mond, hat für das Tier eine Bedeutung. Für den Menschen hat aber das, was außerhalb des Tierkreises ist, eine Bedeutung. Und zwar hat das, was außerhalb des Tierkreises liegt, für den Menschen Bedeutung, insofern es auf die Erfüllungen der Taschen wirkt. Also auf das, was unsere Taschen erfüllt, auf das wirkt auch noch, was außerhalb des Tierkreises ist. Beim Tier ist das nicht der Fall. Das ist nur so beim Menschen: Was außerhalb des Tierkreises vorhanden ist, wirkt auf die Erfüllung der Taschen (siehe Zeichnung Seite 146).

  1. Bild-SE147

Beim Tier müssen wir sagen: Alles, was im Tierkreis liegt, wirkt auf die Erfüllung der Taschen. So daß wir also beim Tier in den Tierkreis selber hineingehen müssen; dann können wir erklären, wie die Erfüllungen seiner Taschen sich ausnehmen. Beim Menschen müssen wir über den Tierkreis hinausgehen (siehe Zeichnung, braun), wenn wir uns erklären wollen, was zum Beispiel in seinen Sinnen vor sich geht. Dadurch rückt der Mensch mit seinem Verhältnis zum Kosmos über den Tierkreis hinaus. Das Tier nicht.

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Beim Tier ist es weiter so, daß die Planetensphäre als solche unmittelbar wirkt auf die Taschen. Also wir können sagen: Auf die Taschen wirkt sie. Dadurch, daß die Planetensphäre unmittelbar auf die Taschen beim Tiere wirkt - und die Taschen, die erstrecken sich nach innen und bilden nach innen die Organe -, dadurch bekommt das Tier seine inneren Organe ganz vollkommen, adäquat nachgebildet dem, was der Planetensphäre entspricht. Der Mensch rückt wiederum um ein Stückchen hinaus. Und wir können sagen: Beim Menschen ist es schon die Gegend gegen den Tierkreis zu, die auf seine Taschen wirkt.

Beim Tiere wirkt die Erde unmittelbar auf alles das, was in ihm kugelig sein will, unmittelbar auf seine Kugelform. Beim Menschen geht das nicht. Der Mensch würde sonst auch ein Tier sein und sein Kugelstreben würde so sein wie beim Tiere. Das Tier will ja in einem gewissen Sinne eigentlich kugelig werden. Hier (siehe Zeichnung) hat

  1. Bild-SE148

es sein Rückgrat, dann Beine. Es wird nur daran gehindert, eine vollständige Kugel zu bilden. Ein Stück von dieser Kugel ist das Rückgrat. Der Mensch aber strebt von dem Irdischen so weg, wie er schon weggestrebt hat vom Tierkreis, von der Planetensphäre gegen den Tierkreis hin. Wir können sagen: Gegen die Planetensphäre wird des Menschen Kugelform gebildet. Er wird ein aufrechtes Wesen. Er strebt von der bloßen Anpassung an das Irdische hinweg.

Und wenn wir nach dem Polyedrischen sehen, so müssen wir beim Tiere sagen: Direkt der Mond ist es, der ihm das Polyedrische gibt.

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Der Mensch strebt auch aus den Einflüssen des Mondes heraus, wir können sagen, vom Monde weg, und bekommt dort das, was ihm das Polyedrische gibt, zwischen der Erde und dem Monde. Man muß also gewissermaßen zwischen der Erde und dem Monde suchen, was dem Menschen das Polyedrische gibt. Dadurch ist aber der Mond noch immer wirksam auf den Menschen. Als Mond bleibt er trotzdem wirksam. Wir müssen also beim fünften suchen den Mond selber, der ja beim Tiere das Polyedrische bewirkt. Was tut er denn beim Menschen? Er bewirkt auch das Polyedrische, aber im Bilde, und während das Tier das Polyedrische in seiner Konfiguration hat, kommt der Mensch dazu, es herauszuheben aus seinem Organismus. Und dieses mathematisch-geometrische Vorstellen, es wird zum Bilde, es rückt heraus aus dem Leibe, und der Mensch stellt vorzugsweise heute mathematisch vor und möchte alles mathematisch begreifen, weil er durch den Mondeneinfluß sein eigenes Polyedrisches herausheben kann, und dadurch rückt es ins Bewußtsein herein. So daß wir sagen können: Vom Mond kommt das Verstehen des Polyedrischen im Bilde.

Für den Menschen: Außerhalb des Tierkreises Erfüllung der Taschen
Gegen den Tierkreis Taschen
Gegen die Planetensphäre Kugelform
Vom Monde weg Polyedrisch
Mond Verstehen des
Polyedrischen im Bilde
Beim Tier: Tierkreis Erfüllung der Taschen
Planetensphäre Taschen
Erde Kugelform
Mond Polyedrisch

Sie sehen, indem wir den Zusammenhang des Menschen mit dem Kosmos verfolgen, kommen wir nicht nur zu dieser Art von Gestaltung, die wir schon studiert haben in den letzten Jahren, sondern wir begreifen auch, wie er sich nach innen hinein zum Beispiel gestaltet, wie er seine Nasenhöhle als einen Sack, als eine Tasche bildet, wie er

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seinen Magen als eine Tasche bildet. Würden wir noch weiter gehen, so würden wir die Organe überhaupt begreifen, wie sie sich da hineinbilden aus dem ganzen Kosmos heraus. Aber überall müssen wir den Kosmos zu Hilfe nehmen, wenn wir den Menschen verstehen wollen. Überall müssen wir sozusagen den Kosmos zu Hilfe nehmen, wenn wir fragen: Warum hat denn der Mensch dieses oder jenes Organ, seine Lunge zum Beispiel, die im Grunde genommen auch nur verstanden werden kann, wenn man sie zunächst, solange der Mensch noch Embryo ist, als eine sackartige Einstülpung begreift, an die sich hier Materielles anlegt; und dann reißt nach außen die sackartige Einstülpung, und das Organ schließt sich als ein solches im Inneren ab. Wir lernen, warum die Lunge oder überhaupt irgendein Organ im Inneren des Menschen ist, wenn wir dieses Organ auffassen als hervorgehend aus einem Sack, und das innere Ende des Sackes, wo der Sack also blind ausläuft, sich verdickend, durch andere Umstände sich besonders konfigurierend. Wenn wir ein solches Organ haben wie den Magen, da geht der Sack nach innen. Wenn wir ein solches Organ haben wie die Lunge, das Herz oder die Niere, und sehen, wie es sich bildet: das ist zunächst auch sackartig gebildet, dann aber verdickt sich der Sack,

  1. Bild-SE150

reißt sich ab mit seinem äußeren Ende - der Sack verdickt sich hier (siehe Zeichnung), reißt sich hier ab und das Organ ist da als innerlich abgeschlossenes Organ.

Aber auch diese geschlossenen Organe, wenn wir uns fragen: Warum liegen sie an einem bestimmten Orte des Menschen, warum haben sie diese oder jene Form? überall müssen wir dazu kommen, den Menschen im Zusammenhang mit dem ganzen Weltenall zu betrachten. Und verstehen können wir den inneren Aufbau des Menschen auch nur, wenn wir ihn im Zusammenhang mit dem Weltenall betrachten.

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Nun wird der heutige Naturwissenschafter sagen, wenn er hört, daß die Anthroposophie Lunge, Herz, Leber und so weiter aus dem Kosmos heraus erklären will: Total verrückt! - Total verrückt -, sagt der heutige Naturforscher. Insbesondere der Mediziner wird das sagen: Total verrückt! - Aber er sollte das eigentlich nicht, denn er sollte einsehen, wie ihm auf seinen Wegen, die er nur mit gewissen Scheuledern behaftet gehen will, eigentlich entgegenkommt, was Anthroposophie ist. Und dafür möchte ich Ihnen eine Art kleinen Beweises liefern.

Da liegt vor mir eine Broschüre, welche der schon öfters vor Ihnen hier erwähnte Arzt, Mediziner und Biologe, Kriminalanthropologe Moriz Benedikt 1894 geschrieben hat. Ich zitiere öfters Moriz Bene-dikt, obwohl ich es eigentlich gar nicht gern tue, denn erstens ist der Mann wirklich, man möchte sagen, auf jeder Seite, die er schreibt, eitel. Er ist ein außerordentlich eitler Mann, der sich sehr selbst gefällt. Zweitens ist er ein verbohrter Kantianer. Allerdings kommt als mildernder Umstand in Betracht, daß er sich nach seinem eigenen Kopf einen Kantianismus zurechtformte und den dann vertritt mit einer gewissen Starrheit. Aber der Mann ist doch außerordentlich begabt. Obwohl er von alldem, was an Anthroposophisches und Ähnliches herankommt, nicht das geringste wissen will, kann man doch sagen, daß der Mann einfach durch sein Drinnenstehen in der Medizin und in der Naturwissenschaft zu einem gewissen unbefangenen Urteil über den Wert seiner Wissenschaftlichkeit kommt. Er kann nicht heraus; aber in einer merkwürdigen Weise lugt er heraus. Die anderen sitzen auch in ihrer Wissenschaft wie in einem Gefängnis, aber sie gucken nicht einmal heraus. Der guckt aber immerfort heraus, und da kommt er doch zu außerordentlich interessanten Dingen. Und da ihm seine Eitelkeit sehr viele Feinde gemacht hat, so sagt er manches über andere, die sich ihm als Feinde ohne Maske zeigen; sonst ist man ja immer «gut Freund» untereinander. Da sagt er etwas über seine Kollegen, unter denen er ja deshalb auch niemals so recht hat aufkommen können, da sagt er etwas, was aber außerordentlich charakteristisch ist. Natürlich weiß er ja gar nichts von Anthroposophie, aber dennoch, Anthroposophie kann man ja auch in bezug auf ihre Qualitäten nehmen und kann sagen, er ist jedenfalls antianthroposophisch gesinnt. Aber dieser Anti-

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anthroposoph, der sagt doch zum Beispiel in einer Broschüre, die da vor mir liegt: «Das Pharisäertum ignoriert oder verleugnet alle Lehren und Tatsachen, die in seine Anschauungsweise nicht hineinpassen, und es verfolgt nicht nur die Lehre, sondern mit noch größerer Erbitterung die Lehrer. Der Pharisäismus ist ein ganz eigentümlicher Braten. Er duftet für die Nasen der Pharisäer und verbreitet einen scharfen, reizenden Geruch für andere. Das Pharisäertum ist so naturgemäß mit dem Gelehrtenhandwerk verflochten, daß ich mich trotz meines Pharisäerhasses oft frage: Wie oft warst du schon und in wie vielen Fällen bist du Pharisäer? Ich wäre jedem sehr dankbar, der mir diese Frage exakt beantworten würde.»

Ich bin allerdings meinerseits überzeugt, daß er nicht dankbar wäre, sondern ordentlich schimpfen würde, wenn man ihn auf seinen eigenen Pharisäismus aufmerksam machen würde, wenn man ihn also selber daran fassen würde. Aber in seiner eigentümlichen Art erblickt er das Pharisäertum bei den anderen ausgezeichnet gut.

Nun aber kommt er zu sprechen auf seine eigene Entwickelungsgeschichte, durch die er begreiflich machen will, daß er eben ein anderer Mediziner geworden ist als die Herren Kollegen. Da sagt er: «Für meine Entwickelungsgeschichte und auch für die wissenschaftliche Stellung in dieser Frage, die uns hier beschäftigt, waren zwei schwere Schicksalsschläge verhängnisvoll.»

Sie werden natürlich auch gleich ein bißchen ein starkes Stückchen Eitelkeit aus der Darstellung verspüren: «Der erste ist, daß ich, bevor ich Mediziner wurde, Mathematik und Mechanik studierte. Wir hatten damals an der Wiener Universität einen hochbedeutenden Mathematiker, Professor von Ettingshausen, der uns die schwierigsten Probleme der mathematischen Physik vortrug und uns dafür einnahm. Von ihm hörte ich die Lehren von Cauchy und Poisson entwickeln, und von Petzval lernten wir, mechanische Probleme in mathematische Formeln zu gießen. Es wird nun aber leicht zu zeigen sein, wie verhängnisvoll mathematisches Denken für einen Mediziner, besonders aber für einen Kliniker ist.»

Das wollen wir abwarten. Wir werden es auch schon sehen, warum das verhängnisvoll ist, besonders wenn er etwas von der Medizin ver-

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steht! Nun erzählt Professor Benedikt weiter. Man sollte ja glauben, daß das für ihn ein guter Schicksalsschlag war, wenn er Mathematiker war, aber er nennt es einen schlechten Schicksalsschlag, aus dem Grunde, weil er nun dadurch denken gelernt hat. Das konnten andere Kliniker nicht. Darum haßten sie ihn. Daher haßten sie ihn, weil er das studiert hatte, denn sonst hätte er auch nichts anderes verstanden, als was die anderen Kliniker von der Medizin verstanden hatten.

«Der zweite Schicksalsschlag, der mich in jungen Jahren traf, war, daß ich ein Schüler Skodas war und noch heute an seinen Lehren hänge. Er war der Kant der medizinischen Erkenntnislehre, und er entwickelte den Höhepunkt seines Geistes nicht in Büchern, sondern in der Besprechung von Diagnosen, von therapeutischen Indikationen und besonders in den Epikrisen nach vorgenommenen Sektionen. Skoda war in seiner Jugend Mathematiker gewesen» - was also auch ein Schicksalsschlag war! - «und hatte aus derselben die wichtigste, die fundamentalste Lehre der medizinischen Denkmethodik in die Medizin hineingetragen, aber leider nur für einzelne Fragen dauernd; diese wichtige Lehre, die ich von Skoda empfing und schon von meinen mathematischen Studien her mir eingeprägt hatte, ist: daß man sich bei jedem wissenschaftlichen Beweisverfahren nicht nur dessen bewußt sein muß, was man weiß, sondern auch dessen, was noch unbekannt ist.»

Also Benedikt war auch mit Skoda zusammen. Man soll sich bei dem gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Verfahren - denn von dem redeten sie - ja nur bewußt sein nicht nur dessen, was man weiß, sondern auch dessen, was noch unbekannt ist. Diesen Grundsatz hat nun tatsächlich Benedikt in zahlreichen Abhandlungen mit einem gewissen Fanatismus vertreten; daß man nicht nur Rücksicht nehmen muß auf das, was man weiß, sondern auch auf das, was man nicht weiß. Er sagt darüber weiter: «Aber diese Grundregel in der Medizin ist der großen Mehrzahl der Biologen unbekannt, ja, selbst unverständlich. Als ich zum Beispiel vor einigen Jahren einem berühmten auswärtigen Anatomen ein Manuskript in fremder Sprache mit der Bitte zusandte, er möge es sprachlich korrigieren, schrieb er, als ich obigen Satz anführte, an den Rand, er verstehe den Sinn desselben nicht.»

Also der Benedikt hat geschrieben, man solle auch ins Auge fassen

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das, was man nicht weiß, und er wollte, daß der andere ihm den Sinn des Satzes richtig ins Französische übersetze. Da hat dieser geschrieben, das verstehe er nicht.

«Als ich die Randbemerkung einem Professor an der Technik zeigte, lächelte er. Für jeden Mann der exakten Wissenschaft ist doch der Satz selbstverständlich.»

Der lächelte, denn der versteht mathematische Denkmethode; er lächelte, weil er innerlich sich lustig machte über die Mediziner, die da glauben, sie brauchten das, was sie nicht wissen, nicht zu berücksichtigen. Der Techniker muß das wissen, denn er hat ja mathematische Vorbildung.

«Als ich aber einem berühmten medizinischen Gelehrten in Wien die Bemerkung des auswärtigen Kollegen als Kuriosum mitteilte, sagte er naiv: Ja, wie sollte man denn das Unbekannte kennen? - Diese historische Anekdote wirft ein grelles Licht auf die noch heute allgemein herrschende medizinische Denkmethodik und auf die kolossalen Irrtümer, die täglich und stündlich in der medizinischen Literatur begangen werden.»

Ich lese Ihnen die Sätze eines Mediziners vor! Nun aber kommt etwas außerordentlich Wichtiges. Nämlich Moriz Benedikt schreibt, wie es in der medizinischen Wissenschaft hergeht deshalb, weil man nie auf das Unbekannte Rücksicht nimmt: «Die Probleme sind in der Biologie zumeist gegeben, zum Beispiel die Funktion eines Organs. Die Bedingungen dieser Funktion sind zum Teile unbekannt und noch zu suchen.»

Nun führt er ein Beispiel an: «Die Leber zum Beispiel sondert Galle ab. Der Grund dieser Absonderung sind vor allem die spezifisch-biochemischen Eigenschaften der Zellen.»

Wir wollen davon absehen, daß er hier von den biochemischen Eigenschaften der Zellen spricht, was keinen rechten Sinn hat. Aber da stehen wir eben auf demselben Standpunkt, von dem aus er über die Leber spricht.

«Es ist der Grund zu suchen, wie diese differentiellen Eigenschaften entstehen» - das heißt, er will den Grund suchen, wodurch sich die Leber abdifferenziert von anderen Organen; also er will das Un-

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bekannte jetzt ins Auge fassen. Das Bekannte ist, daß die Leber Galle absondert. Aber jetzt kommt das Unbekannte, und da zählt er, geben Sie acht, recht viel auf.

«Es ist der Grund zu suchen, wie diese differentiellen Eigenschaften entstehen, wie sich aus den Elementen das Organ aufbaut, wie es auf seinen Platz gelangt, warum es gerade in der bestehenden Verbindung mit den umgebenden Organen ist, wie es mit Hilfe spezifischer, hämodynamischer Kräfte und hämostatischer Verhältnisse die Spezi-fität seiner Zellen aufrecht erhält, wie es mit Hilfe des reflektorischen, zentralen und zentrifugalen Nervensystems zur rechten Zeit und in rechter Intensität zur Funktion angeregt wird, welches die Bedingungen der Gesamternährung seien, um die Funktion und ihre Rechtzeitigkeit zu erhalten, welche Bedingungen schädlich auf dieselbe wirken, so daß momentane oder bleibende Störungen der Funktionen eintreten, et cetera.»

Das alles ist unbekannt. Dieses Unbekannte muß man sich vorhalten. Dann aber sagt Moriz Benedikt weiter: «Der Wissenschaft stoßen diese Fragen im Laufe großer Zeiträume nacheinander auf.» -Also es stoßen nur die Fragen auf! - «Die Literatur jeder Zeit aber rechnet mit dem Bekannten ohne Frage nach dem Unbekannten und stellt sich, als ob das Grundproblem bereits völlig gelöst wäre.» - Das heißt, redet nicht vom Unbekannten. Solche Leute wie Moriz Benedikt kommen wenigstens dazu, diese Unbekannten alle aufzuzählen. «Darum sind die zeitgenössischen herrschenden Lehren in jeder Epoche nur zum kleinen Teile wahr, und sie enthalten einen kolossalen Prozentsatz zeitgenössischer und überkommener Irrtümer, die sich lange als Erbsünde auch auf die kommenden Geschlechter fortpflanzen.»

Was sagt denn eigentlich dieser Mediziner? Er sagt: Wir haben eine medizinische Literatur, aber sie berücksichtigt eigentlich nur das, was bekannt ist. Aber das Unbekannte, das taucht nach langen Zeiträumen immer wieder auf. Was will denn der Benedikt? Er will, daß man sich immer bewußt sei des Unbekannten. Was würde also zum Beispiele mit der Leber geschehen? Wer nun als richtiger Mediziner von der Gegenseite des Benedikt die Leber beschriebe, der würde versuchen, die biochemischen Eigenschaften der Leberzellen zu suchen,

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wird versuchen, die Tatsache hinzustellen, daß die Leber Galle absondert. Dann ist er zufrieden, denn er redet von dem Unbekannten nicht. Der Benedikt würde sagen: Gut, die Leber sondert Galle ab; das rührt von der biochemischen Beschaffenheit der Leberzellen her. Aber ich bin ein gewissenhafter Forscher, daher muß ich alles das, was ich nicht weiß von der Leber und Galle, auch sagen. Er wird also in sein Buch hineinschreiben: Das weiß man; aber man weiß nicht, wie die Leber an ihren Platz kommt, wie die Blutstatik, das heißt, die Kreislauf Statik und -dynamik auf die Leber wirken, was das Nervensystem mit der Leber zu tun hat, das Gesamtnervensystem und die einzelnen Nerven, und wie der Beitrag der Leber zu der Ernährung zustande kommt. Davon würde überall stehen: Das weiß man nicht. Dadurch würden sich die Benediktschen Bücher von den anderen unterscheiden. Wissenschaftlich würde er also sehr bescheiden sein.

Aber diese Frage, sagt er, diese Frage nach dem Unbekannten, die taucht im Laufe der Jahrhunderte auf; aber so, wie sie hier gestellt werden, die Fragen, wenn man sie auf ihre wirklichen Grundlagen zurückführt, da könnte man, wenn die Gesinnung auch von Benedikt vorhanden bleibt, bis zum jüngsten Tag warten, und man würde immer das Bekannte registrieren und dann das Unbekannte mit den vielen Fragen. Die Benediktschen Bücher würden sich von den anderen immer nur dadurch unterscheiden, daß da immer das Unbekannte steht, denn der Benedikt würde nie darauf eingehen, daß ein Unbekanntes in den Kosmos hinausgeführt werden muß; daß es so lange ein Unbekanntes sein wird, bis man es aus dem Kosmos heraus erklärt.

Sie sehen, ein vernünftiger Mediziner sagt aus seiner Medizin heraus: Mit dem, was uns zur Verfügung steht, können wir den Menschen nicht erklären, wir können nur Unbekanntes registrieren. Nur versteift er sich darauf, sich nicht einzulassen auf das, was nun, allerdings auch natürlich langsam und allmählich, Antwort gibt auf diese Fragen, die er als Unbekanntes hinstellen muß.

Die Fragen sind also da in der gewöhnlichen Wissenschaft. Anthro-posophie kommt den Fragen der gewöhnlichen Wissenschaft entgegen. So ist es. Das sollte mit aller Energie immer wieder und wiederum betontwerden.

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Moriz Benedikt findet, daß gerade alle die Unarten, die namentlich in seiner Wissenschaft vorhanden sind, davon herrühren, daß die Leute vom Unbekannten nichts wissen, und mit dem, was sie konstatieren aus dem rein Sinnenfällig-Tatsächlichen heraus, nun an die Menschheit herangehen. Da wird er wiederum eben ganz sarkastisch, wo er das weiter charakterisiert: «Diese wissenschaftliche Mißwirtschaft ist heute noch ebenso in Flor ...» - es ist nicht seine, es ist eine von den Herren Kollegen! -, «diese wissenschaftliche Mißwirtschaft ist heute noch ebenso in Flor als vor tausend Jahren, ja sie ist ärger als je, da die Produktion an Schnelligkeit zugenommen hat.»

Früher, meint der Benedikt, konnte man nicht so schnell seine Unarten in die Öffentlichkeit hinausbringen.

«Jeder flüchtige Einfall, jede flüchtige Unternehmung wird heute so rasch publiziert, daß nur noch nicht neun Minuten brach liegen. In früheren Zeiten gingen einer Publikation mehr Jahre voraus als jetzt Stunden.»

Nun, auch schließlich auf das Publikum, das den Medizinern zuhört und auf sie schwört, ist ja Moriz Benedikt durchaus in einer richtigen Weise zu sprechen! Er charakterisiert einfach durch einen Spruch dieses Publikum, indem er sagt: «Meier, Müller, Schulze, Schmidt, machen jede Schandtat mit.»

Dann aber kommt er wiederum - die Schandtaten sind nämlich die seiner Kollegen - auf das, was er nun dieser Kollegenschaft vorzuwerfen hat, zu sprechen, und da kommt er dazu, folgendes zu sagen: «Diese Übelstände in der Biologie werden sich nicht bessern, bis die große Reform der medizinischen Erziehung bei den Lehrern beginnen wird. Wer nicht den Beweis liefert, daß er ernste mathematische und mechanische Studien gemacht hat, ist zum Denker und Forscher nicht reif und also noch weniger zum Lehrer geeignet. Das persönliche Genie hat viel geleistet; es hinkt aber und wird immer hinken, so lange es nicht in der mathematischen Gehschule war.»

Es gehört natürlich nicht Mathematik dazu für jeden, der auf vernünftige Dinge hinhorchen will. Aber zur Behandlung, zur wirklichen

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Behandlung einer wirklichen Wissenschaft gehört durchaus mathematisch geschulte Denkmethode. Daher hat auch schon Plato - den übrigens Moriz Benedikt weidlich beschimpft - an die Türe, an die Pforte geschrieben: Nur für mathematisch Gebildete ist hier Einlaß -, nämlich in der Platonischen Akademie, was aber natürlich die nicht mathematisch geschulten Philosophen der Neuzeit nicht hindert, über Plato zu schreiben. So daß man wirklich sagen kann: Über Plato schreiben heute meistens Leute, die, wenn der Plato mit seiner Schule noch da wäre, nur vor dem Tor draußen sitzen dürften.

Aber aus dem, was ich Ihnen aus der Broschüre von Moriz Benedikt mitgeteilt habe, werden Sie sehen, wie das Verhältnis der heutigen Wissenschaftlichkeit zu demjenigen ist, was sie selber wünschen müßte, und wie einer, der zwar nicht Anthroposoph ist, dem aber, nur gerade, weil er etwas eitel ist und mit seinen Kollegen durch seine Eitelkeit etwas in Konflikt gekommen ist, dann doch ein Loch im Hirnkästchen aufgegangen ist für die Schäden - wie ein solcher urteilt. Seien wir uns also durchaus klar: Die Lage ist heute schon so, wie sie unbefangene anthroposophische Erkenntnis schildern muß, und die Beweise können überall geholt werden in dem äußeren Wissenschaftsbetrieb selber, wenn man nur will.

Was man aber holen muß, das ist das, daß man wirklich den Menschen betrachten lernt so, wie man es in der Physik ganz vernünftig findet. Ich habe Ihnen den Vergleich auch schon in diesen Tagen gesagt: Wenn man die Magnetnadel studiert und wollte sie hur so studieren, daß man sagt, sie richtet sich durch ihre inneren Kräfte, so würde man niemals die nord-südlichen Kräfte der Magnetnadel verstehen. Man muß sich klar sein darüber, daß die ganze Erde zwei Kräfte hat, daß von außen die Pole der zwei Kräfte bestimmt werden. So ist es auch ein Unding, den Menschen auf den Seziertisch hinzulegen und sein ganzes Wesen aus dem, was innerhalb seiner Haut ist, erklären zu wollen. Man braucht die ganze Welt, um das, was im Menschen und am Menschen ist, wirklich verstehen zu können.

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ZWANZIGSTER VORTRAG Dornach, 6. November 1921

Wir haben verfolgt, wie sich die Gestaltung des Menschen, wie sich die Lebensgestaltung, das Seelische und das Geistige zum Kosmos verhalten. Und wenn wir zurückblicken auf die verschiedenen Teile der Betrachtungen der letzten Zeit, so können wir gewissermaßen als eine Art Extrakt aus alldem heute etwa uns folgendes vor unsere Seele stellen. Wir können sagen: In den tiefen Untergründen der menschlichen Wesenheit ruht zunächst das Wollen. Das Wollen (siehe Zeichnung Seite 166) ist ja in mehrfacher Beziehung - wenn ich mich so ausdrücken darf - das geheimnisvollste Element der menschlichen Wesenheit. Wenn wir das Moralische betrachten, so muß uns auffallen, wie aus dem Moralischen herauf, aber wie aus unergründlichen Tiefen, unsere Lebensverirrungen stammen, unsere Neigungen, die oftmals durchaus weltenfeindlich sind; wie alles das, was in Gewissensbissen oder in Selbstvorwürfen vorstellungsgemäß vor unsere Seele treten kann, aus dem Untergrunde des Wollens heraufströmt.

Wir wissen ja auch, daß dieses Wollen aus dem Grunde geheimnis-stimmtes Element lebt, das wir wenig in unserer Gewalt haben, ein voll ist, weil in vieler Beziehung in unserem Wollen ein höchst unbe-instinktives Element, ein Element, das uns hin- und hertreibt auf den Wogen des Lebens, ohne daß wir immer sagen können, wir seien mit unseren bewußten Impulsen bei diesem Hinundhertreiben auch dabei. In anderer Beziehung, in der Beziehung auf die Erkenntnis, haben wir ja immer betonen müssen, wie das eigentliche Wesen des Willensimpulses im Grunde so außerhalb des menschlichen Bewußtseins liegt wie das, was der Mensch im Tiefschlaf erlebt, im traumlosen Schlaf. So daß auch in dieser Beziehung das Wollen als ein unbestimmtes, geheimnisvolles Element in unsere menschliche Wesenheit einergossen ist.

Aber wenn wir den Menschen in bezug auf seine Geistigkeit betrachten, so können wir ja nicht diese Geistigkeit etwa so auffassen, daß der Mensch ihrer nur teilhaftig sei etwa im Wachen oder im bewußten Vorstellen, sondern er ist ihrer auch teilhaftig, der Geistigkeit, im

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Schlafe und auch in jenem Teile seines Wesens, in dem das Wollen einergossen ist, wo es also, wenn ich so sagen darf, ebenso zugeht wie in bezug auf die Erlebnisse des Tiefschlafes. Wir können uns daher vorstellen, daß der Geist eben auch im schlafenden Wesen gegenwärtig ist.

Und gerade mit Bezug auf das Wollen können wir ja ein Zweifaches unterscheiden. Wir können zunächst dasjenige Wollen vor unsere Seele hinstellen, das uns zum Betätigen anleitet, impulsiert vom Aufwachen bis zum Einschlafen, wenn wir nicht gerade Faulpelze sind. Wir können gewiß in.das Wesen dieses Wollens nicht hineinschauen, aber die Wirkungen dieses Wollens, sie treten uns, weil wir sie ja vorstellen können, in unser Bewußtsein ein. Wir wissen nicht, wie unser Willensimpuls wirkt, wenn wir gehen, aber wir sehen uns im Gehen vorwärtsschreiten. Wir stellen die Wirkung unseres Wollens vor und haben daher wachend ein vorstellungsgemäßes Bewußtsein von den Wirkungen unseres Wollens. Das ist die eine Seite des Wollens.

Es gibt eine andere Seite des Wollens. Das Wollen ist auch in uns tätig, während wir schlafen. Während wir schlafen, finden innere Vorgänge ja auch statt, und diese inneren Vorgänge sind durchaus auch eine Wirkung des Willens, nur nehmen wir sie nicht wahr, weil wir eben im schlafenden Zustand sind. Aber es wird immerhin, geradeso wie während der Nacht auch die Sonne scheint, nämlich für die andere Hälfte der Erde, die wir nicht bewohnen, so wird auch unsere menschliche Wesenheit während unseres Schlafens vom Wollen durchströmt, nur daß dieses Wollen sich unserem Bewußtsein entzieht.

So daß wir unterscheiden können in unserem menschlichen Sein zwischen zwei Arten des Wollens, einem innerlichen Wollen und einem äußerlichen Wollen. Und wir können sagen: Das äußerliche Wollen, er erscheint uns in seinen Wirkungen, wenn wir wachend sind. Das innerliche Wollen erscheint in seinen Wirkungen, wenn wir schlafend sind. - Es erscheint uns eigentlich nicht, aber wir können eben doch sagen: Es offenbart sich, oder es erscheint uns nachher, wenn wir zurückblicken, für den schlafenden Zustand.

Nun ist gewissermaßen in den Meerestiefen der Seele das Wollen vorhanden. Es schlägt in Wellen herauf. Aber schon dadurch, daß wir

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das Wollen konstatieren müssen für den Schlafzustand, also für denjenigen Zustand, in dem unser Körperlich-Leibliches in der bloßen organischen Tätigkeit ist, weder seelisch durchströmt ist, noch geistig durchleuchtet ist, müssen wir sagen: Das Wollen als solches hat es zu tun mit der organischen Tätigkeit. Das schlafende Wollen hat es zu tun mit der organischen Tätigkeit, indem organische, also Lebensprozesse in uns stattfinden, die im wesentlichen mit dem Wollen zusammenhängen. Aber auch wenn wir wachend tätig sind, also unser Wollen im Fluß ist, finden solche Lebensprozesse statt. Das Wollen äußert sich ja in innerlichen Stoffwechselprozessen, so daß wir auch da verweisen können auf die organische Tätigkeit.

Nun schlägt herauf, ich möchte sagen, aus dieser Wollensmeeres-tief e des menschlichen Wesens, schlägt herauf wellenartig das, was sich im Fühlen offenbart. Wir wissen ja, daß das Fühlen (siehe Zeichnung Seite 166) zwar noch immer eine sehr dumpfe Betätigung des menschlichen Wesens ist, daß das Fühlen in einer gewissen Beziehung für das Bewußtsein nur diejenige Intensität hat, die der Traum hat. Aber immerhin, es ist heller als das Wollen. Es schlägt in die Helligkeit herauf, was in den Meerestiefen des menschlichen Wesens ist. Der Mensch erhellt sich in seinem Fühlen. Und indem er sich erhellt, steigen die zwei Pole des Wollens herauf in das intensivere Bewußtsein, und es äußert sich sowohl das innerliche Wollen wie das äußerliche Wollen, indem beide heraufschlagen können in das Bewußtsein.

Und so unterscheiden wir auch zweierlei Arten des Fühlens. Wie wir zweierlei Arten des Wollens, ein innerliches Wollen im schlafenden Zustand, ein äußerliches Wollen im wachenden Zustand unterscheiden, so unterscheiden wir ein Fühlen, das heraufschlägt aus dem Wollen und das verwandt ist dem schlafenden Zustande des Menschen. Das ist dasjenige Fühlen, das sich vorzugsweise in den Antipathien auslebt, die der Mensch im weitesten Umfange entwickelt; also in den Antipathien, im Antipathischen äußert sich das zur Antipathie neigende Fühlen (siehe Zeichnung Seite 166), währenddem dasjenige Wollen, das sich äußerlich betätigt, das den Menschen also in die äußere Welt führt, wenn es heraufschlägt in das Fühlen, uns in sympathischer Weise zusammenbringt mit der äußeren Welt, sich in all den Gefühls-

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Erlebnissen äußert, die die sympathischen sind: das sympathisierende Fühlen, das mit der Welt sympathisierende Fühlen (siehe Zeichnung Seite 166). Und indem wir uns diese Region vor die Seele stellen, haben wir in diesem traumhaften Erleben des Fühlens, das sich in Sympathie und Antipathie äußert, in jenen Sympathien und Antipathien, die bis Zum Schönen herauf dringen, bis zu den Sympathien und Antipathien, die wir mit den Formen des Lebens haben, mit den Kunstformen oder auch mit den Naturformen, von diesen Sympathien und Antipathien bis zu den Sympathien und Antipathien, die wir in mehr organischer Weise, sagen wir, durch unser Geruchs- oder Geschmacksorgan beim Geruchs- oder Geschmacksekel oder beim Geruchs- oder Geschmacks-wahrnehmeh, -Wohlbefinden, -wohlempfinden haben - in allem diesem Weben haben wir nun die eigentliche seelische Tätigkeit. Das Wollen also offenbart sich in der organischen Tätigkeit, das Fühlen offenbart sich in der seelischen Tätigkeit (siehe Zeichnung Seite 166).

Wir können das Seelenleben von diesem Gesichtspunkte aus studieren und bekommen außerordentlich Aufschlußreiches. Wir sehen, daß das Wachen uns aufruft zur Sympathie mit der Umwelt. Unsere Antipathien kommen eigentlich aus unbewußteren Zuständen. Sie dringen herauf aus dem schlafenden Wollen. Es ist so, wie wenn unsere Sympathien mehr an der Oberfläche wären und als wenn sie aus unbestimmten Tiefen durchdrungen würden von den Antipathien. Die Antipathien sind abweisend. Durch die Antipathien entfernen wir uns die Umwelt, machen uns einsam, schließen uns in uns ab. Der Egoismus, den der Mensch entwickelt, hat namentlich innerlich aufsteigende Antipathien zur Voraussetzung. Je egoistischer ein Mensch ist, desto mehr ist das Element des Antipathischen in ihm wirksam. Er will sich abschließen. Er will sich möglichst in sich fühlen.

Im normalen Leben merken wir nicht, wie Sympathien und Antipathien ineinanderspielen im eigentlich seelischen Leben. Wir merken aber dieses Ineinanderspielen von Sympathien und Antipathien, wenn die Verbindung mit der Außenwelt anormal wird und wenn wir das Abwehren, das Antipathisieren, das aus dem Schlafe stammt, ebenfalls anormal entwickeln. Das ist dann der Fall, wenn zum Beispiel das

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Atmen sich nicht in richtiger Weise einstellt beim Schlafe und wir unter Alpdruck leiden. Dieser Alpdruck wird seelisch im wesentlichen erlebt als ein antipathisierendes Abwehren dessen, was in uns hereindringen will, was uns nur in mängelhafter Weise unsere Egoität erleben läßt.

Wir sehen da in tiefe Geheimnisse des menschlichen Erlebens hinein. Wenn der Mensch die antipathischen Gefühle, das antipathische Wesen ganz besonders stark ausbildet, so daß es auch in sein Wachleben hereinspielt, dann geschieht es, daß er sich ganz mit Antipathie durchdringt und daß dann dieses antipathisierende Wesen seinen astralischen Leib ergreift. Dann wird sein astralischer Leib vom antipathisierenden Wesen durchströmt. Er strömt sie vor sich selber aus, ich möchte sagen, wie eine anormale Aura strömt er vor sich selber hin die Antipathie. Und da kann es ihm passieren, daß er Menschen, zu denen er sich sonst neutral verhält, ja sogar Menschen, die er sonst liebt, anti-pathisch empfindet, Menschen, mit denen er im Leben bekannt war, antipathisch empfindet. Alle Arten des Verfolgungswahnes treten durch diese Verhältnisse auf. Wenn man antipathische Empfindungen erlebt, die nicht durch die äußeren Verhältnisse erklärbar sind, so rührt das von den überquellenden Antipathien in der Seele her, das heißt von einer abnormen Ausbildung des einen Poles im seelischen Leben, der aus dem Schlafe heraufstößt.

Wenn also dieses antipathisierende Wesen überhand nimmt, dann wird der Mensch ein Weltenhasser. Dieser Weltenhaß kann sich sehr, sehr steigern. Alle Erziehung und alles soziale Zusammenwirken sollte darauf hingehen, die Menschen nicht zu solchen Menschenhassern werden zu lassen. Aber denken Sie sich, wenn schon das, was da heraufschlägt aus den Meerestiefen des menschlichen Wesens, den Menschen, wenn es überhand nimmt, in eine starke Egoität bringen kann - und alle Arten des Verfolgungswahnes sind ja eine übersprudelnde Egoität, ein übersprudelnder Egoismus -, wenn schon das, was da heraufschlägt, so sein kann: wie muß erst das innerliche schlafende Wollen sein, dasjenige Wollen, das uns eine gütige Schöpfung zudeckt durch den Schlaf! Wir lernen ja gar nicht erkennen, wie unser ganzer Organismus, wie unsere Glieder durchzogen sind von diesem innerlichen

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schlafenden Wollen. Höchstens daß bei manchen Menschen einmal durch ganz absonderliche Träume etwas heraufdringt in das Bewußtsein von dem, was in jenem Wollen lebt, das unseren Organismus herstellt, wenn wir im schlafenden Zustande sind. Was da in diesem Wollen lebt - ich habe es schon von einer anderen Seite her bei früheren Vorträgen charakterisiert -, das ist etwas, was mit Recht für das gewöhnliche Bewußtsein jenseits der Schwelle liegt. Wer es kennenlernt, lernt alles das im Menschen kennen, was im äußersten Maß den Menschen zur Schlechtigkeit bringen kann. Und es ist das tiefe Geheimnis des Lebens, daß wir den Ausgleich unserer organischen Tätigkeit haben durch diejenigen Kräfte, die, wenn sie den Menschen im bewußten Leben beherrschen würden, ihn zum Verbrecher und Bösewicht machen würden.

Nichts in der Welt ist an sich böse oder gut. Das, was, wenn es ins bewußte Leben hereinstößt, radikal böse ist, das ist, am richtigen Orte verwendet, nämlich während unseres schlafenden Zustandes als die organische Tätigkeit regulierend verwendet, das ist ja der Ausgleich für die verbrauchten Lebenskräfte. Fragen Sie nach dem Wesen jener Kräfte, die ausgleichend wirken für die verbrauchten Lebenskräfte, dann müssen Sie sagen: Es ist das Böse. Das Böse hat seine Aufgabe. Hier hat es seine Aufgabe. Und wenn die Menschen durch eine geistige Schulung dieses ansichtig werden - ich habe es, wie gesagt, schon von einer anderen Seite vor kurzem auch hier einmal charakterisiert -, dann ist es das, dem gegenüber auch ältere Geistesforscher gesagt haben: In seiner eigentlichen Wesenheit darf es nicht charakterisiert werden, denn sündhaft ist der Mund, der es ausspricht, sündhaft ist das Ohr, das es hört. - Aber der Mensch muß wissen, daß das Leben ein gefährlicher Prozeß ist für den Menschen, und daß in den Untergründen des Lebens als eine Kraft, die notwendig gebraucht wird, eben durchaus das Böse vorhanden ist.

Nun schlagen die Wellen aber weiter herauf auch in das Vorstellen (siehe Zeichnung Seite 166). Und wenn das innerlich schlafende Wollen aufhellt im Fühlen, heraufschlägt in das Vorstellen, dann wird es zwar hell, aber es wird zu gleicher Zeit qualitativ abgestumpft, es wird verabstrahiert. Das antipathische Fühlen hat noch eine gewisse lebendige

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Intensität im menschlichen Erleben. Wenn es heraufschlägt in das Vorstellen, dann lebt es in alledem, was im Menschen verneinende Urteile sind, abweisende, verneinende Urteile (siehe Zeichnung Seite 166). Alles das, was wir im Leben urteilsgemäß negieren, alles, was der Logiker verneinende Urteile nennt, das ist das Herauf schlagen des antipathischen Fühlens beziehungsweise des schlafenden Wollens in das Vorstellungsleben.

Und wenn das sympathische Fühlen, das urständet im äußerlichen Wollen, im wachenden Wollen, wenn das sympathische Fühlen heraufschlägt in das Vorstellen, bekommen wir die bejahenden Urteile. Wir kommen zu dem, was, wie Sie sehen, nur in abstrakter Bildhaftig-keit im Menschen lebt. Im Fühlen haben wir noch etwas, indem wir Antipathien und Sympathien entwickeln, was intensives Leben ist. Im Urteilen, das im Vorstellen abläuft, sind wir gewissermaßen stillstehende, ruhige Betrachter der Welt. Wir bejahen und verneinen. Wir bringen es nicht bis zur intensiven Antipathie, wir verneinen bloß. Es ist ein abstrakter Vorgang. Wir echauffieren uns nicht bis zur Antipathie, wir sagen bloß: Nein. - Ebenso echauffieren wir uns nicht bis zur Sympathie, wir sagen: Ja. - Was bleibt, ist in kontemplativer Ruhe. Wir sind erhaben über unser Verhältnis zur Außenwelt, bis zum abstrakten Urteil erhaben.

Das ist also nur eine bildhafte Tätigkeit. Wir können sagen, gerade in dem Sinne dessen, was wir gestern kennengelernt haben: Hier (siehe Zeichnung Seite 166) ist unsere geistige Tätigkeit, aber es schlägt Wollen, Fühlen und Urteilen oder Vorstellen weiter herauf bis in die Sinnessphäre. Und indem dies in die Sinnessphäre herauf schlägt, bis in die Sinne also herauf schlägt das verneinende Urteil, was wird es denn da? Es wird das, wo man nichts wahrnimmt, also - wenn wir es uns durch das auffälligste Wahrnehmen, das Sehen, repräsentieren, können wir sagen, wo wir nichts sehen, wo wir die Finsternis erleben -: Erleben der Finsternis. Das bejahende Urteil dagegen ist das Erleben des Lichtes (siehe Zeichnung). Natürlich könnten wir ebenso von dem Erleben der Stummheit, von dem Erleben des Tones oder des Lautes sprechen. Für alle zwölf Sinne könnten wir das aussprechen, was wir hier durch Licht und Finsternis charakterisieren.

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Und wenn wir uns jetzt fragen: Was ist denn das für eine Tätigkeit, die entspricht dieser Sinnessphäre? Wir haben gefunden die Organtätigkeit, seelische Tätigkeit, die geistige Tätigkeit. Die geistige Tätigkeit ist schon eine ganz bildhafte Tätigkeit nur, aber sie ist in der Bildhaftigkeit noch unsere Tätigkeit. Was sich dagegen zwischen den Sinnen und der Außenwelt abspielt, das ist eigentlich nicht mehr unsere Tätigkeit, da spielt die Welt in uns herein. Wir können ja wirklich schematisch das Auge so zeichnen, daß wir es in einer gewissen Weise als ein selbständiges Wesen haben, und was sich im Auge abspielt, das ist das Hereindringen der Außenwelt wie durch einen Golf

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in den Organismus herein. Da sind wir nicht mehr mit unserer eigenen Tätigkeit in der Welt drinnenstehend, da stehen wir in der Welt drinnen so, daß wir sagen können: Es ist die göttliche Tätigkeit. Diese göttliche Tätigkeit, sie durchwebt unsere Umwelt, welche als Finsternis hinneigt zum verneinenden Urteil, als Licht hinneigt zum bejahenden Urteil. Diese göttliche Tätigkeit in ihrem Wirken auf den Menschen in seinem Verhältnis zur Welt, die empfand besonders die Weisheit des zweiten nachatlantischen Zeitraumes sehr stark, erlebte sie sehr stark: Gott im Lichte, Gott in der Finsternis. Gott im Lichte: das Göttliche mit luziferischer Färbung; Gott in der Finsternis: das Göttliche mit ahrimanischer Färbung. So erlebte die persische Kultur die Außenwelt. Und die Sonne war der Repräsentant dieser Außenwelt Sonne als göttliche Lichtquelle: zweite nachatlantische Zeit.

Dagegen erlebte man mehr diejenige Sphäre, die zwischen dem Urteilen und Fühlen ist, in der dritten nachatlantischen Kultur, der ägyptisch-chaldäischen. Da hatte man nicht so das Erleben, daß man das

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Göttliche draußen erlebte in Licht und Finsternis; da hatte man das Erleben, daß man das Göttliche erlebte im Zusammenstoßen des Vorstellens mit dem Fühlen. So sind nämlich eigentlich die Götterwirkungen bei den Ägyptern und Chaldäern, daß der Mensch hineingoß in sein Urteil: in die Verneinung etwas von seinen Antipathien, in das Bejahen etwas von seinen Sympathien. Und nur wenn wir lesen können, was an bildhaften oder sonstigen Dokumenten aus der ägyptisch-chaldäischen Zeit vorhanden ist, so kommen wir darauf, wie ja alles herausgestaltet worden ist aus sympathisierender Bejahung, antipathisierender Verneinung. Sie können es noch den ägyptischen Grab- und anderen Figuren anfühlen, daß in ihnen etwas liegt, das künstlerisch gebildet worden ist mit dem sympathisierenden Bejahen und dem antipathisierenden Verneinen. Man kann keine Sphinxe schaffen, ohne daß man hereinbringt, was sympathisierendes und antipathisierendes Ideenleben hat. Da empfand man nicht bloß Licht und Finsternis, da empfand man etwas, was etwas hat von dem Lebendigen, was man im Sympathisieren und Antipathisieren hat. Man empfand die Sonne als göttliche Lebensquelle.

Und kommen wir in die griechisch-lateinische Zeit, da war dem Menschen das unmittelbare Zusammensein mit der Außenwelt schon in hohem Grade abhandengekommen. Ich habe in meinen «Rätseln der Philosophie» dargestellt, wie der Mensch zwar noch die Gedanken so fühlte, wie wir heute die Sinnesempfindungen fühlen, aber er näherte sich doch schon demjenigen Zustand, in dem wir heute leben, wo wir im Grunde genommen durch die Ausbildung des Ich keinen rechten Zusammenhang mehr mit der Außenwelt haben, wo wir mit dem Ich eigentlich schon im Leibe schlafen, wo wir uns hinüberneigen zum Schlafenden. Noch nicht so stark war es beim Griechen, aber es war schon in einer gewissen Weise vorhanden. Das griechische Wesen kann nur verstanden werden, wenn man sich klar darüber ist, daß der Grieche sich schon sehr stark in seine Leibhaftigkeit eingelebt hatte, noch nicht so stark wie wir, aber schon sehr stark sich eingelebt hatte. Die alten Perser hatten sich nicht sehr stark in ihre Leiblichkeit eingelebt. Sie glaubten eigentlich nicht, daß sie so richtig in ihrer Leiblichkeit innerhalb ihrer Haut lebten, namentlich wenn sie Weise waren, sondern

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sie glaubten, daß sie auf den Wellen des Lichtes eigentlich das ganze Universum durchwoben, durchwellten. Der Grieche war schon ganz so, daß er eigentlich in seinem Leibe drinnen mit diesem Weltenwesen schlief. Wenn wir im wirklichen Schlafe sind, sind wir mit unserem Ich und mit unserem astralischen Leib draußen; aber unser Wachen ist gegenüber dem persischen Wachen wiederum ein Schlafen. Das persische Wachen, sagen wir das persische Erwachen - das urpersische natürlich, das ich in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß» charakterisiere -, das war wie ein Hereintreten in die menschlichen Sinne, aber zu gleicher Zeit wie ein Hereindringen des Lichtes selber.

Wir fühlen nichts mehr davon, daß wir das Licht mit dem Erwachen in unsere Augen hereinbringen. Für uns ist das Licht schattenhaft draußen. Das alles bewirkte, daß die Griechen die Sonne auch nicht mehr als eigentlichen Lebensquell wahrnehmen konnten, sondern daß die Griechen die Sonne wahrnahmen wie etwas, was sie innerlich durchdringt. Und sie fühlten dasjenige Element, wo die Sonne innerlich lebt im Menschen, das fühlten sie als das Element des Eros, als das Element der Liebe. Eros, das Sonnenhafte im Menschen, das war es, was in dem eigentlichen griechischen inneren Erleben war; darum: die Sonne als göttliche Liebesquelle.

Und dann trat etwa vom 4. nachchristlichen Jahrhundert ab, das ich überhaupt in seinem eigentümlichen Charakter nach den verschiedensten Seiten charakterisiert habe, das Zeitalter ein, wo die Sonne überhaupt nicht mehr anders empfunden wird denn als eine physische Nebelkugel draußen im Räume, wo die Sonne eigentlich für den Menschen verfinstert ist. Der Perser empfand die Sonne wirklich als den Reflektor des den Raum durchwogenden und durchwuchtenden Lichtes. Der Ägypter und Chaldäer empfand die Sonne als das das Universum durchwellende und durchpulsende Leben. Der Grieche empfand die Sonne als das, was dem organischen Wesen Liebe einträufelte, was den Eros durch die Wellen des Empfindens leitet. Indem es immer weiter und weiter in den Menschen hineinstieg, dieses Sonnenerleben, verschwand es in seinen Untergründen, in die Meerestiefe der Seele hinein. In den Meerestiefen der Seele trägt heute der Mensch das Sonnenhafte. Er soll es nicht erreichen, weil der Hüter der Schwelle davorsteht,

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weil es unten ist in jenen Untergründen, von denen die alten Mysterienlehren gesagt haben, man soll es nicht aussprechen, weil gerade sündhaft ist der Mund, der es ausspricht, wie das Ohr sündhaft ist, das es hört. Und da gab es denn im 4. Jahrhundert Schulen, welche hauptsächlich lehrten für die weitere Verbreitung des Christentums: Das Sonnengeheimnis darf nicht ausgesprochen werden; es muß eine Zivilisation kommen, welche das Sonnengeheimnis nicht kennt.

Hinter alldem, was äußerlich in der Welt geschieht, stehen ja die innerlichen, ich möchte sagen, aus dem Universum heraus lehrenden Kräfte. Ein Werkzeug solcher lehrenden Kräfte war der römische Kaiser Konstantin. Unter ihm hat das Christentum diejenige Form angenommen, die die Sonne verleugnet.

Dann war noch einer da, der allerdings die Entwickelung der Zeit weniger in Betracht gezogen hat als seinen Enthusiasmus für das, was er noch von seinen Mysterienlehrern gelernt hat als den letzten Überrest der alten, instinktiven Weisheit: das war Julian Apostata. Und Julian Apostata ist aus dem Grunde von Mörderhand gefallen, weil er bestrebt war, das dreifache Sonnengeheimnis als alte Tradition zu überliefern. Die Welt wollte mit dem nicht mitgehen.

Heute muß man allerdings erkennen, daß die alte instinktive Weisheit ein Wiederaufleben haben muß in der bewußten Weisheit, daß alles das aus dem Bewußten wieder heraufgehoben werden muß, was sich hinuntergesenkt hat in das Unterbewußte, in die bloße organische Tätigkeit oder auch in die unterorganische Tätigkeit. Wir müssen wiederum das Sonnengeheimnis finden.

Aber so wie beim Abhandenkommen des Sonnengeheimnisses demjenigen, der es noch der Welt verkünden wollte, dem Julian Apostata, die furchtbarsten Feinde erwachsen sind, die ihn dann ja auch getötet haben, so sind diese Feinde wiederum gegenüber dem neuen Sonnengeheimnis da, das eben durch die Geisteswissenschaft in die Welt treten muß. Wir leben jetzt im anderen Pol der geschichtlichen Entwickelung. Damals, im 4. nachchristlichen Jahrhundert, war der Niedergang. Jetzt brauchen wir den Aufgang.

In dieser Beziehung sind das schon zwei Symbole der geschichtlichen Entwickelung, Konstantin und Julian Apostata. Julian Apostata, der

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steht gewissermaßen auf den Trümmern der alten Zeit, möchte aber noch aus diesen Trümmern die Formen der alten Weisheit wiederum aufbauen. Julian Apostata möchte jene alten Denkmäler der Menschheit dalassen, die das zunächst materialistische Form annehmende, in der Konstantinischen Zeit materialistische Form annehmende Christentum zerstört hat. Unzähliges wurde zerstört, Unzähliges an Kunstdenkmälern, Unzähliges an Weisheitsdenkmälern, an Schrifttum. Gerade das wurde alles zerstört, was in irgendeiner Weise geeignet war, den Menschen erraten zu lassen das alte Sonnengeheimnis.

Es ist wahr, die Menschen mußten durchgehen, um zur Freiheit zu kommen, durch den Glauben, daß da draußen ein Gasball durch die Welt wandle, während die Physiker sehr erstaunt sein würden, wenn sie dorthin wandern könnten und gar keinen Gasball, sondern im Gegenteil einen Hohlraum, ja weniger als einen Raum finden würden, und entdecken würden, was die Sonne ist: daß die Sonne nicht da draußen ein leuchtender Gasball ist, der Licht ausstrahlt - Unsinn ist das! -, sondern daß das zunächst ein bloßer Reflektor ist, der nicht

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Licht ausstrahlen kann, höchstens zurückwerfen kann. Dann aber haben wir in Wirklichkeit geistig Licht ausstrahlend Saturn, Jupiter, Mars, Merkur, Venus, Mond. Und während es physisch so erscheint, als ob die Sonne denen allen Licht gäbe, strahlen die eigentlich alle gegen die Sonne das Licht, und die Sonne ist der Reflektor. So ist es physisch. So haben es aus instinktivem Erkennen die Alten, die Urper-ser noch erkannt und haben in diesem Sinne die Sonne als die irdische Lichtquelle anerkannt, aber eigentlich nicht als die Lichtquelle, sondern als den Lichtreflektor. Dann wurde sie der zurückstrahlende Lebensreflektor und der zurückstrahlende Liebesreflektor.

Diese Anschauung wollte Julian Apostata geltend machen, und er ist aus dem Wege geräumt worden. Die Menschen mußten eben durchgehen, um zur Freiheit zu kommen, durch den Aberglauben von dem im Raum vorhandenen Gasball, der Licht ausstrahlt, welchen Aberglauben wir ja heute in allen Physikbüchern als eine absolute Wahrheit hingestellt finden. Wir müssen wiederum durchdringen zu dem, was wahr ist in dieser Sache.

In dieser Beziehung sind eben durchaus Konstantin und Julian Apostata wie zwei Symbole. Julian Apostata möchte die alten Denkmäler der Welt erhalten, aus denen gewissermaßen noch das wirkliche Sonnengeheimnis an den Menschen herandringen könnte. Eine Apollo-, eine Sonnengestalt war der Christus in den ersten Jahrhunderten noch.

Dieses Sonnengeheimnis, es wurde empfunden als das größte geistige Kleinod der Menschheit. Und es wurde symbolisiert durch dasjenige, was man das Palladium nannte. In Troja soll es einst gewesen sein, und die Mysterienpriester in Troja drüben sollen in diesem Palladium dasjenige gesehen haben, an dem sie gewissermaßen sakramental kulturell, kultusartig den Leuten enthüllt haben, was das Sonnenwesen ist. Dann wurde es nach Rom gebracht, und es war ein Geheimnis der in Rom Eingeweihten, daß Rom das Palladium bewahrt. Rom bewahrte das Palladium. Und im Grunde genommen haben die eingeweihten Priester der Römer und noch die ersten Kaiser der Römer, namentlich noch Augustus, durchaus aus dem Bewußtsein heraus gearbeitet in der Welt, gewirkt in der Welt, daß in Rom das größte Kleinod der Welt repräsentiert ist, wenigstens äußerlich-symbolisch, indem

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in dem geschätztesten römischen Tempel unter der Grundmauer das Palladium war, das nur diejenigen kannten, die von den größten Geheimnissen des römischen Daseins wußten. Aber auf geistige Art war es denen bekanntgeworden, die das Christentum der Welt zu bringen hatten. Und aus der Erkenntnis, daß Rom den Palladiumschatz bewahrt, ging der Zug der ersten Christen nach Rom. Es war durchaus etwas Spirituelles darinnen.

Aber als unter Konstantin das Christentum verweltlicht ist, wurde von Rom das Palladium weggenommen. Konstantin gründete Konstantinopel, und unter derjenigen Säule, die er dort sich selber errichten ließ, ließ er in den Boden hineinsenken das Palladium. Und das römische Christentum hat sich ferner so entwickelt, daß ihm das Wissen vom Sonnengeheimnis gerade durch denjenigen Kaiser weggenommen worden war, welcher das Christentum äußerlich in seinen Formen, in seinem starren Mechanismus in Rom festgelegt hatte. In der äußerlichen, weltlichen Befestigung des Christentums durch Konstantin ist dem Christentum die Weisheit von der Welt verlorengegangen, was auch äußerlich zum Ausdrucke kommt in dem Überführen des Palladiums nach Konstantinopel.

Namentlich in gewissen Teilen der slawischen Welt die Leute deuten sich das ja alles in ihrem Sinne herrscht, herrschte bis in den Beginn des 20. Jahrhunderts herein der Glaube, daß das Palladium von Konstantinopel in nicht zu ferner Zukunft nach einer anderen, und wie man glaubte in der slawischen Welt, nach einer slawischen Stadt verbracht werden wird.

Jedenfalls wartet das Palladium darauf - nehmen Sie jetzt den Vorgang symbolisch äußerlich, aber das Wichtigere ist das Innere dabei -, daß aus dem schon auf dieses Palladium verfinsternd wirkenden Konstantinopel hervorgeht diejenige Lokalität, oder daß das Palladium wandert nach derjenigen Lokalität, die durch sich dieses Palladium völlig verfinstern würde. Ja, das Palladium wird nach dem Osten gebracht, wo die Dekadenz der alten Weisheit lebt, aber eben der Verfinsterung entgegenlebt. Und alles hängt in der weiteren Weltenent-wickelung davon ab, daß ebenso, wie die Sonne ein Reflektor ist von dem Lichte, das ihr aus dem Universum gegeben wird, das Palladiumkleinod

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beleuchtet werde von einer Weisheit, die aus dem Schatze der Erkenntnis des Westens gefunden wird. Das Palladium, das alte Erbstück, das aus Troja nach Rom, von Rom nach Konstantinopel gebracht worden ist, das noch weiter in die Finsternis des Ostens gebracht werden soll, das Palladium, das Sonnenkleinod, es muß warten, bis man es geistig im Westen aus dem dunklen, finsteren Schatze der bloßen Naturerkenntnis heraus erlöst. So hängt mit den heiligsten Traditionen eigentlich der europäischen Entwickelung zusammen, was als Aufgabe für die Zukunft dasteht.

So berühren sich heute noch lebendige Sagen, die man finden kann bei denjenigen, die in solche Dinge eingeweiht sind - und das sind zuweilen recht* einfache, schlichte Menschen, die in der Welt herumgehen -, so berühren sich solche Sagen wie diese von der Überführung des trojanischen Palladiums noch Rom, von der Überführung des Palladiums, des Kleinodes der Weisheit, als das römische Christentum äußerlich, verweltlicht wurde, nach Konstantinopel, und von der zukünftigen Überführung nach dem Osten, wenn der Osten völlig entblößt sein wird von der alten Weisheit, völlig in die Dekadenz übergegangen sein wird, und von der Notwendigkeit, daß dieses Sonnenkleinod aus dem Westen ein neues Licht empfangen könne.

Die Sonne ist verschwunden in die Untergründe der Menschheit. Wir müssen durch geisteswissenschaftliche Entwickelung die Sonne wieder finden. Die Menschheit muß diese Sonne wieder finden, sonst verschwindet das Palladium in der Finsternis des Ostens. Heute ist es Sünde, wenn so etwas, was unrichtig ist, ausgesprochen wird, Sünde ist es, das Wort auszusprechen: Ex Oriente lux. - Nicht mehr kann das Licht aus dem Osten kommen. Der Osten ist in der Dekadenz. Aber er wartet - denn er wird das Kleinod, das Sonnenkleinod, wenn auch in der Finsternis, haben -, er wartet auf das Licht des Westens. Heute wandern die Menschen noch tief in der Finsternis, arrangieren Zusammenkünfte in der Finsternis, schauen hin - nach Washington. Aber erst diejenigen Washingtons werden Heil bringen, die aus dem Tone der geistigen Welt heraus so sprechen, daß sie nicht bloß die freien Wirtschaftstore für China, nicht bloß die Finsternis suchen, die das Palladium umgibt. Erst diejenigen Konferenzen werden Heil bringen,

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die im Westen so gehalten werden, daß man von dort will Licht hintragen, damit das Palladium wieder aufglänze. Denn wie ein fluoreszierender Körper ist das Palladium finster an sich; wird es von Licht durchströmt, dann leuchtet es auf. So wird es mit der Weisheit des Ostens sein: finster an sich, aufleuchten wird sie, fluoreszieren wird sie, wenn sie von der Weisheit des Westens, von dem geistigen Lichte des Westens durchdrungen wird.

Heute aber sieht man das im Westen noch nicht ein. Erst wenn man ins helle Licht des Bewußtseins die Palladiumsage rücken wird, erst wenn man wiederum das richtige Mitleiden empfinden wird mit so jemandem wie Julian Apostata, der übersehen wollte das Zeitalter, in dem in Finsternis das Licht der Freiheit keimen konnte, der die alte instinktive Weisheit bewahren wollte und deshalb zugrunde gehen mußte, erst wenn man einsehen wird, daß Konstantin, indem er den Römern das äußerliche Christentum gegeben hat, ihnen die Weisheit, das Licht genommen hat und das Christentum in die Finsternis geschickt hat, erst wenn man einsieht, daß aus der modernen Naturerkenntnis heraus das Licht gesucht werden muß, das das Palladium wiederum zum Erglänzen bringt, erst dann wird ein wichtiges Stück Weltgeschichte erfüllt. Erst dann wird dasjenige, was westlich geworden ist in dem Momente, wo die Griechen Troja verbrannt haben, das Palladium, in dem heute noch vorhanden ist das Licht, das aus Troja geflammt hat, wiederum west-östlich werden. Aber es ist in der Finsternis. Es muß hervorgeholt werden. Das Palladium muß beleuchtet werden.

Wir können Enthusiasmus herausholen aus dem geschichtlichen Werden, wenn wir das Herz auf dem rechten Flecke haben. Und wenn wir dieses Herz auf dem rechten Flecke haben in dem Sinne, wie ich das heute ausgesprochen habe, dann werden wir auch die richtigen Empfindungen gegenüber jenen Impulsen finden können, die die rechten Impulse der Geisteswissenschaft sein sollen.

Freitag werde ich dann hier den nächsten Vortrag halten, von solchen Dingen weiter sprechen.

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EINUNDZWANZIGSTER VORTRAG Dornach, 12. November 1921

Wir haben in den letzten Betrachtungen den Menschen von den aller-verschiedensten Seiten aus angesehen, und alle diese Auseinandersetzungen haben ja zuletzt das Ziel, die komplizierte menschliche Wesenheit immer besser kennenzulernen, vor allen Dingen die Weltstellung des Menschen.

Nun wollen wir uns einmal zunächst an ein Einfachstes erinnern, das uns bekannt ist von den Elementen her: an die Tatsache, daß die menschliche Wesenheit, so wie sie vor uns im gegenwärtigen Weltenzyklus steht, wirksam an sich hat eben die vier Glieder des physischen Leibes, des ätherischen Leibes, des astralischen Leibes und des Ich. Und wir wollen uns einmal vor die Seele stellen, wodurch für den hauptsächlichsten Anblick, möchte ich sagen, diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit sich offenbaren. Da müssen wir denn doch sagen, daß das Ich sich vorzugsweise offenbart durch alles das, was willensmäßig aus dem Menschen heraus kommt. Wenn der Mensch im Schlafe ist, so ruht ja, wie Sie wissen, vorzugsweise der Wille. Das heißt aber mit anderen Worten: das Willensmäßige drückt sich nicht aus durch die physische Organisation. Das Ich ist dann, wie wir wissen, außerhalb des physischen Leibes. Wir sehen gewissermaßen an dem Sich-nicht-Ausdrücken des Willensmäßigen dieses Nichtvorhandensein des Ich im physischen Leibe des Menschen.

Das, was wir den astralischen Leib genannt haben, drückt sich für die unmittelbare Beobachtung des Menschen namentlich aus durch das Gefühlsmäßige, durch alles Gefühlsmäßige. Auch der astralische Leib des Menschen ist, wie wir wissen, im Schlafe außerhalb des physischen Menschen. Auch das Gefühlsmäßige ist ja während des Schlafes in das Dämmerdunkel des Bewußtseins hinübergerückt. Da das Bewußtsein im Schlafe überhaupt schweigt, kann man zunächst im Zweifel darüber sein, was sich nun eigentlich offenbart durch den physischen Leib und durch den ätherischen Leib. Wollen wir das auch zunächst unbesprochen lassen. Der physische Leib ist ja das, was am augenfälligsten

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an der Wesenheit des Menschen erscheint. Der ätherische Leib kann durch mancherlei, wie wir ja durch Jahre hindurch gesehen haben, erschlossen werden für den, der nicht durch Imagination eine Anschauung davon gewinnt. Aber zunächst wollen wir das Physische und das Ätherische unbesprochen lassen von dem Gesichtspunkte aus, von dem wir eben das Ich als das Willensmäßige, das Astralische als das Gefühlsmäßige in Betracht gezogen haben.

Nun, wenn wir das Menschenleben verfolgen vom Morgen bis zum Abend, also während seines wachen Zustandes, dann haben wir das Ich und den astralischen Leib arbeitend, willensmäßig, gefühlsmäßig arbeitend innerhalb des physischen und des ätherischen Leibes. Und wenn wir alles zusammenfassen, was als seelische Erlebnisse auftritt in diesem wachenden Zustande, so haben wir zunächst die Welt unserer Sinneswahrnehmungen, die an den physischen Leib gebunden sind. Wir haben dann dasjenige, was von uns als eine Folge unserer Sinneswahrnehmung erlebt wird; wir haben unsere Gedanken, unsere Vorstellungswelt. Und wir wissen ja ganz gut, daß diese Vorstellungswelt, so wie sie uns im wachenden Zustand entgegentritt, durchaus von dem Willensmäßigen und dem Gefühlsmäßigen durchzogen ist.

Wir haben öfters betont, daß wir im Seelischen abstrakt gut unterscheiden können das Vorstellungsmäßige, das Gefühlsmäßige und das Willensmäßige. Aber in dem wirklichen Seelenleben, wie es sich abspielt, laufen diese drei Betätigungen des Seelenlebens durcheinander. Man kann verspüren das Willensmäßige, wenn man Vorstellungen miteinander verknüpft, oder wenn man Vorstellungen voneinander trennt. Man kann auch das Durchtränktsein der Vorstellung mit dem Gefühl durchaus in dem Bewußtsein verfolgen. Wenn die eine Vorstellung anwesend ist, haben wir ein Gefühl des Sympathisierens mit der Vorstellung, wenn eine andere Vorstellung vorhanden ist, vielleicht ein Gefühl der Antipathie für diese Vorstellung. Also die Vorstellungen sind gefühlsmäßig durchtränkt.

Nun werfen wir einmal im Geiste den Blick darauf, wie im Einschlafen das Ich und der astralische Leib den physischen Leib und den Ätherleib verlassen. Wir haben damit zurückgelassen in der physischen Welt etwas, was zwar dem äußeren Anblicke nach nicht gleich ist

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dem pflanzlichen Dasein, aber wesenhaft ihm doch gleichkommt, weil es auch physischen Leib und Ätherleib hat wie die Pflanze. Wir haben aber etwas, was uns zwar der äußeren Offenbarung nach im Tierischen entgegentritt, im Astralischen des Menschen, und wir haben in dem Ich des Menschen etwas, was uns in der besonderen Gestalt, also auch in der äußeren Offenbarung des Menschen entgegentritt. Aber da, wie wir wissen, das Ich und der astralische Leib vom Einschlafen bis zum Aufwachen außer dem physischen und Ätherleib vorhanden sind, können wir zum innerlich Wesenhaften vom Ich und astralischen Leib nicht diese Gestalt des Menschen oder diese tierische Wesenheit zählen, sondern wir müssen zunächst uns klarmachen, daß das Ich und der astralische Leib sich da nicht durch etwas offenbaren; daß, wenn Ich und astralischer Leib also für sich auftreten, wie es beim Menschen im Schlafe ist, sie sich für die physische Welt zunächst weder sinnlich noch verstandesgemäß offenbaren können.

Wir haben etwas durchaus Übersinnliches in dem Ich und dem astralischen Leib des Menschen gegeben. Wir wissen aber auch, daß, wenn wir ein Pflanzliches betrachten, wir gar nicht veranlaßt sein können, dieses Pflanzliche so anzusehen, wie wir einen Menschen ansehen. Wenn wir einen Menschen ansehen, dann fragen wir zum Beispiel nach dem Moralischen, nach seinem Gut- und Bösesein. Das heißt aber, es hat auch keinen Sinn, gegenüber dem, was der Mensch in der physischen Welt nach dem Einschlafen zurückgelassen hat, also beim physischen Leib und Ätherleib des Menschen, zu fragen nach dem Gut-und Bösesein. Gegenüber dem Gut- und Bösesein verhalten sich der physische Leib und Ätherleib des Menschen neutral. Aber gerade das Ganze der moralischen Menschheitsverfassung wird ja in den Menschen, in die menschliche Wesenheit wiederum hineingebracht mit dem Aufwachen, mit dem Einzug des Ich und des astralischen Leibes in den physischen Leib und in den Ätherleib.

Damit aber kündigt sich auch für denjenigen Menschen, der nicht ein übersinnliches Schauen hat, schon an, daß Ich und astralischer Leib etwas zu tun haben mit dem, was wir die moralische Weltordnung nennen. Wir durchtränken gewissermaßen unseren physischen Leib und unseren Ätherleib mit der moralischen Weltordnung, wenn wir

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aufwachen. Und es ist ja für dasjenige Bewußtsein, das nicht zum übersinnlichen Schauen kommt, sondern sich nur an die gewöhnlichen Schlußfolgerungen des äußeren Lebens halten kann, auch nicht absurd, etwa zu sagen: Ich und astralischer Leib gehören im Grunde genommen einer ganz anderen Welt an als physischer Leib und Ätherleib. Denn aer physische Leib und der Ätherleib sind neutral gegenüber dem Gut- und Bösesein wie die Pflanzen; das Ich und der astralische Leib tragen die moralische Verantwortlichkeit in den physischen und in den Ätherleib hinein.

Solche Erwägungen zeigen auch schon einem Menschen, der nicht zu der anschaulichen Erkenntnis anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft kommt, und legen schon dem mit seinen Erwägungen im gewöhnlichen Leben stehenden Menschen nahe, daß gewissermaßen polarische Gegensätze vorhanden sind einerseits im physischen und Ätherleib, die nach der Naturgestaltung hinneigen, und auf der anderen Seite im Ich und astralischen Leib, die nach der moralischen Gestaltung hinneigen.

Nun müssen wir allerdings, wenn wir das, was da schon im gewöhnlichen Leben verfolgt werden kann, weiter verfolgen wollen, die Beobachtungen des schauenden Bewußtseins zu Hilfe nehmen. Wenn wir mit diesem schauenden Bewußtsein das Ich und den astralischen Leib verfolgen, wie sie sind in der Welt, der sie angehören zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen, dann finden wir, daß, ebenso wie die Umgebung des physischen Leibes hier die Natur ist, die geistige Welt die Umgebung von Ich und astralischem Leib ist in dem Zustande zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Ich und astralischer Leib befinden sich da durchaus in der geistigen Welt. Sie bringen für den Menschen aus dieser geistigen Welt die moralische Seelenverfassung mit. Sie können unmöglich, da physischer Leib und Ätherleib moralisch neutral sind, aus diesen die moralischen Impulse schöpfen, und es ist auch so: Sie schöpfen die moralischen Impulse aus der Welt, in der sie sich befinden zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen.

Die Geisteswissenschaft sagt uns für das hier in Betracht Kommende: Wenn der Mensch mit dem Einschlafen seinen physischen Leib

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und Ätherleib verläßt, so tritt er, allerdings unbewußt, vor die geistigen Wesenheiten der Welt hin, bringt vor diese Wesenheiten alles das, was er bewußt innerhalb des physischen und des Ätherleibes an moralischer Seelenverfassung ausgebildet hat, und ist genötigt, das, was er da hinausträgt aus seinem physischen und Ätherleib, gestalten zu lassen durch die geistig-seelische Welt. Und hier kommen wir zu einem anderen Aspekt derjenigen Betrachtungen, die wir immer angestellt haben, um die Brücke zu schlagen zwischen der ätherisch-physischen Welt und der moralisch-geistigen Welt.

Wenn wir zunächst auf das Ich sehen, es ist willensmäßig. Dieses willensmäßige Ich, das seine ganze Struktur, seine ganze Konstitution vom Aufwachen bis zum Einschlafen im physischen und Ätherleib ausgebildet hat, das tritt mit dem Einschlafen vor die Wesenheiten der geistigen Welt. Wenn wir hier als Menschen in der physischen Welt herumgehen, nehmen wir durch unsere Tastorgane die festen Körper wahr. Wir sehen die Farben, wir nehmen wahr. Wir treten mit den physischen Kräften der Welt in eine gewisse Beziehung. So tritt auch das willensmäßige Ich mit den Kräften der Welt, in der es zwischen dem Einschlafen und Aufwachen ist, in eine gewisse Beziehung. Stellen wir uns diese Beziehung, so wie sie sich der geistigen Beobachtung ergibt, einmal graphisch dar. Ich kann sie natürlich nur schematisch darstellen. Es sei dies der physische Mensch, wie er im Einschlafen ist (siehe Zeichnung, gelb), und es sei das, was ich nun hier zeichne, der ihn durchdringende Ätherleib. Ich müßte nun, wenn ich den Menschen im Wachen zeichne, den astralischen Leib hineinzeichnen und das Ich. Das tue ich nicht, denn ich will ja den Zustand charakterisieren, der eintritt, wenn der Mensch in den Schlaf fällt. Das Willensmäßige, also das Ich, tritt vor die Wesenheiten der geistigen Welt.

Da tritt es so in Beziehung zu diesen Wesenheiten der geistigen Welt, wie wir durch unseren physischen Leib zu den Wesenheiten der physischen Welt während des Wachens in Beziehung treten. Nur ist diese Beziehung des willensmäßigen Ich zu den Wesen der geistigen Welt eine viel realere noch, möchte ich sagen, als die majaartige Beziehung, welche der physische Leib mit seiner Umgebung eingeht. Und vor allen Dingen drückt sich diese Beziehung dadurch aus, daß alles, was der

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Mensch als Böses in seiner Seelenverfassung hat vom Einschlafen bis zum Aufwachen, gewissermaßen - man kann diese Dinge nur bildhaft ausdrücken - das willensmäßige Ich bei dieser Berührung mit den Kräften der geistigen Wesenheiten verkümmern läßt, während das Gute, das in der Seelenverfassung liegt, dem willensmäßigen Ich gestattet, sich frei zu entfalten.

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Wenn man graphisch darstellen will, wie das geschieht, so kommt man - allerdings, Sie müssen das natürlich wiederum bildhaft ansehen - zu einer gewissen Gestaltung dessen, was da als geistige, willensmäßige Ich-Gestalt aus dem Menschen heraustritt. In bezug auf den Gliedmaßenmenschen ist ja das Ich auch während des Schlafes gerade ganz intensiv im Menschen darinnen. Ich möchte es nun graphisch so darstellen (siehe Zeichnung): Diese Furchungen, die ich zeichne (hell), die sind eigentlich entstanden durch die Gegenwirkungen der geistigen Wesenheiten, und ganz nach der moralischen Seelenverfassung gestalten sich diese Furchungen des Ich. Man kann schon sprechen von einer

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Geistgestalt, welche.das Ich annimmt aus seiner moralischen Seelen Verfassung heraus, indem es die geistige Welt betritt.

Nun tritt aber beim Einschlafen auch der astralische Leib in die äußere, mehr seelische Welt. Bei dem willensmäßigen Ich können wir sagen: Es tritt vor die Wesenheiten der geistigen Welt'-, bei dem astra-lischen Leib können wir sagen: Er tritt mit dem Einschlafen in das Gebiet des äußeren Seelischen. - Also der gefühlsmäßige astralische Leib tritt in das Seelische ein.

Auch unsere Willensverfassung nach der Richtung des Guten und Bösen ist ja durchaus von Gefühlselementen, von Gefühlskräften durchzogen. Wir brauchen uns nur zu erinnern, wie wir, wenn wir eine gute Handlung begangen haben, gefühlsmäßig anders gestimmt sind, als wenn wir eine böse Handlung begangen haben. Man braucht nur auf das ganze Gebiet der Selbstvorwürfe und der inneren Befriedigung hinzudeuten, und man wird das gefühlsmäßige Durchtränktsein der moralischen Seelenverfassung ins Auge fassen können. Dieses Gefühlsmäßige tritt nun alles in die seelische Welt mit dem Einschlafen ein, und auch das tritt in Beziehung zur äußeren seelischen Welt. So wie wir durch unsere Vorstellungen während des Wachens zu der äußeren physischen Welt in Beziehung treten und dabei allerdings das Gefühlsleben innerlich ausbilden - aber es schließt sich eben bloß innerlich das Gefühlsleben an das Vorstellungsleben -, so tritt während des Schlafens direkt unser gefühlsmäßiges Astralisches an die seelische Welt heran. Da findet aber dann nicht eine Gestaltung statt. Für das Ich, für das willensmäßige Ich findet eine Gestaltung statt; ich habe diese Gestaltung schematisch durch eine Art Furchung ausgedrückt. Das, was durch die Wechselbeziehung des astralischen Leibes mit der seelischen Umgebung entsteht, kann ich nicht ausdrücken durch eine Furchung; ich muß es ausdrücken durch eine Tingierung, durch eine Durchtränkung. Und ich müßte das dann so zeichnen, daß, je nachdem unser Gemüt behaftet ist mit Selbstvorwürfen oder mit inneren Befriedigungen, mit Sympathie- und Antipathiegefühlen, es tingiert, durchsetzt wird von dem, was man schematisch durch eine gewisse Farbbezeichnung zum Ausdruck bringen kann (siehe Zeichnung, rötlich, blau). Es tritt also eine Gestaltung durch unser Ich für unseren, wie

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wir sagen, höheren Menschen ein, und eine Durchtingierung, eine Durchfärbung für unseren astralischen Menschen.

Durchfärbung, Durchtingierung ist natürlich nur schematisch gesprochen. Denn obzwar man mit Recht das, was da geschieht, durch Farbbilder ausdrückt, muß man doch sagen, es ist eben nur ein Teil dessen, was geschieht, was man durch Farbbilder ausdrücken kann.

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Ich könnte ebensogut, statt daß ich hier Farben herzeichne, allerlei, sagen wir, musikalische Instrumente hier haben und verschiedene Töne anschlagen; dann würde ich das Schema eben durch andere Bilder, durch Tonbilder zum Ausdrucke bringen. Oder ich könnte selbst, sagen wir, Geschmacksempfindungen hineintingieren. Alles das, möchte man sagen, wirbelt durcheinander in dem astralischen Leib, der aus dem physischen Leib vom Einschlafen bis zum Aufwachen draußen ist. Die Sache ist so, daß man aber nun sieht: Die wirksamen Kräfte für

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alles das, was ich da gezeichnet habe, die haben eigentlich, schematisch gezeichnet, solch eine Richtung, daß von dem Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen die bestimmenden Kräfte ausgehen. Man möchte sagen: Die geistigen Wesenheiten und die seelische Welt, die gestalten und tingieren, die wirken so, daß sie wie von unten herauf die Gestaltung, die Tingierung bewirken.

Wenn man nun versucht, darauf zu kommen, was man eigentlich in dem hat, was da vom Einschlafen bis zum Aufwachen als Ich und astralischer Leib gestaltet, tingiert außerhalb des Menschen ist, so kommt man zuletzt zu folgendem. Man lernt verstehen: Gegenüber jener vollkommenen Form des Menschen, die er vom Aufwachen bis zum Einschlafen ist, die er ist, wenn ineinandergefügt sind Ich, astralischer Leib, Ätherleib und physischer Leib gegenüber dieser vollkommenen Wesenheit, die mit einer bestimmten Intensität des Bewußtseins auftritt, die mit unserem intellektualistischen, gefühlsmäßigen, willensmäßigen Bewußtsein auftritt, gegenüber dem hat das, was da außerhalb des Menschen im Schlafe ist, etwas Infantiles, etwas Kindhaftes. Wir gedenken des dumpfen Bewußtseins des Kindes und kommen höchstens diesem Zustande nahe, wenn er von Träumen durchsetzt ist. Wir müssen noch weiter ins Unvollkommene zurückgehend uns das dumpfe Bewußtsein des Kindes denken, wenn wir uns zur Ähnlichkeit dieses außerhalb des Menschen befindlichen Wesenhaften während des Schlafes wenden. Ich möchte sagen: Noch infantiler ist dasjenige, was da draußen im Menschen lebt, als das, was geistig-seelisch im Kinde ist.

Was ist denn das eigentlich, was da seelisch und geistig vom Menschen im Schlafe außerhalb seiner lebt? Es ist sehr charakteristisch, daß für die geisteswissenschaftliche Beobachtung das Bestimmende von dem Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen ausgeht. Und wenn man studiert, was man da durch übersinnliches Schauen beobachten kann, so hat man eigentlich das Gefühl - und dieses Gefühl steigert sich immer mehr zu einer ganz bestimmten Erkenntnis -, daß, wenn man dieses Ganze hier so betrachtet wie ein photographisches Negativ und sich das Positiv dazu denkt, richtig der Bau des menschlichen Gehirns herauskommt. Allerdings, die Größe stimmt nicht, aber das als Negativ

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vorgestellt und das Positiv dazu gedacht, gibt im Positiven das menschliche Gehirn.

Und erinnern Sie sich an manches, was ich von anderen Gesichtspunkten her ausgeführt habe. Ich habe ausgeführt, wie der Bau des menschlichen Hauptes, so wie er in einem bestimmten Leben auftritt, innerlich, der Kräftestruktur nach, die Ausgestaltung des kopflosen Menschen, also des Menschen, den Kopf abgerechnet, vom vorigen Erdenleben ist, und daß dasjenige, was heute der Mensch ist, abgesehen von seinem Kopfe, die Kräfte enthält, die sein Haupt, sein Kopf im nächsten Erdenleben haben wird. Aber infantil, kindhaft ausgebildet und sogar ins Negativ verkehrt, sehen wir das schon in dem, was der Mensch vom Einschlafen bis zum Aufwachen aus sich heraussetzt.

Tatsächlich haben wir in dem, was der Mensch vom Einschlafen bis zum Aufwachen aus sich heraussetzt, das Bildhafte von dem, was dann physisch verkörpert im menschlichen Haupte im nächsten Erdenleben zutage tritt. Das ist ein außerordentlich wichtiger Zusammenhang. Und wenn wir darauf zurückblicken, daß es eigentlich die moralische Seelenverfassung ist, welche das Bestimmende für diese Gestaltung, für diese Tingierung abgibt, so werden wir im nächsten Erdenleben die Einkörperung, die Verleiblichung der moralischen Seelenverfassung in den Kräften des menschlichen Hauptes zu suchen haben. Und indem sich dann diese Kräfte des menschlichen Hauptes als unser Denkvermögen, als unser Vorstellungsvermögen ausdrücken, haben wir dieses Denkvermögen, dieses Vorstellungsvermögen als die Wirkung unserer moralischen Seelenverfassung von diesem Leben. Das alles aber ist bildhaft vorhanden in dem, was der Mensch beim Einschlafen aus sich heraussetzt.

Und so könnte man eigentlich auf Grundlage der geisteswissenschaftlichen Beobachtung das Folgende sagen: Der Mensch stellt tatsächlich jede Nacht, indem er schläft, an eine andere Welt, an die geistig-seelische Welt, eine ganz bestimmte Anfrage. Er stellt sie natürlich nicht bewußt, aber er stellt sie mit dem Teil seines Wesens, der dann heraustritt aus seinem physischen und aus seinem Ätherleib. Er stellt die Anfrage an die geistige Welt: Wie nimmt sich vor den Wesen der geistigen Welt meine moralische Seelen Verfassung aus?

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Und es wird ihm die Antwort gegeben. Sie wird ihm dadurch gegeben, daß er, je nachdem wie seine moralische Seelengestaltung ist, die Furchengestaltung und die Tingierung bekommt. Jeden Morgen, wenn der Mensch aufwacht, tritt er in die physische und ätherische Körperlichkeit hinein mit einer Antwort aus der geistig-seelischen Welt. Jedes Einschlafen ist eine Fragestellung, eine unbewußte Fragestellung an die geistige Welt, jedes Aufwachen ist ein unbewußtes Antwortgeben aus der geistigen Welt. Wir stehen fortwährend gewissermaßen mit unserem Unterbewußtsein mit der geistigen Welt in einer Korrespondenz, indem wir aus dieser geistigen Welt heraus uns die Antworten darüber holen, wie wir innerlich als Mensch eigentlich sind.

Und hier bekommen Sie eine Anschauung über etwas, was ja sonst immer außerordentlich abstrakt bleibt. Denken Sie doch, wenn der Mensch von seinem Gewissen spricht, dann spricht er von diesem Gewissen als etwas sehr Realem; wenn er aber irgendeine bestimmte Anschauung von seinem Gewissen geben soll, dann kommt er sogleich ins Unbestimmte. In bezug auf die moralische Impulsivität ist das Gewissen etwas sehr real Erlebtes in uns. Wenn man in Gemäßheit der äußeren Wissenschaft ebenso über das Gewissen nachdenkt, wie man etwa über Wärme oder Licht und dergleichen nachdenkt, dann fällt man ins Chaotische hinein. Man kommt zu keinen bestimmten Ansichten. Hier bekommen Sie eine bestimmte Ansicht. Hier bekommen Sie die Ansicht, daß Sie auf Ihre moralische Seelenverfassung fortwährend Antwort bekommen aus der geistigen Welt. Sie tragen das, was die geistige Welt an Ihnen gestaltet, herein in Ihr physisches und Ihr ätherisches Dasein. Damit tragen Sie die Stimme des Gewissens herein. Im wachen Leben verwandelt sich das, was man als Antwort bekommt in Gestaltung und Tingierung, in die Stimme des Gewissens. Überhaupt alles, was unsere innerliche moralische Stimmung ist, müssen wir aus solchen Erkenntnissen heraus auf den Schlafzustand beziehen.

Wir haben ja an vielen Beispielen gesehen, wie die instinktive Erkenntnis früherer Zeiten und auch jene instinktive Erkenntnis, die sich noch bei Menschen erhalten hat, die nicht von der Intellektualität durchaus durchzogen sind, wie diese instinktive Erkenntnis, wenn auch

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in bildhafter Form, weiser ist als die heutige Wissenschaft. Und so ist auch in den moralischen Maximen des instinktiven Erkennens vieles von dem enthalten, was uns, allerdings klarer, durchsichtiger, konturierter, durch eine wirkliche geisteswissenschaftliche Erkenntnis wieder wird. Man denke nur daran, wie eine Maxime des Volksbewußtseins die ist, daß, wenn man durch irgendeinen Menschen beleidigt ist, man die Empfindung, die man dadurch hat, nicht durch den Schlaf tragen soll, sondern sie womöglich vor dem Schlaf abmachen soll; daß man also den Zorn nicht durch den Schlaf tragen soll, sondern versuchen soll, ihn vor dem Schlafe zu beruhigen.

Wenn Sie wissen, daß das Einschlafen ein Fragestellen an die geistige Welt und das Aufwachen eine Antwort auf diese Frage ist, dann werden Sie sich sagen können: Sie bekommen eine andere Antwort und tragen eine andere Antwort des Morgens aus der geistigen Welt in Ihren physischen Leib herein, wenn Sie einen Zorn am Abend gemäßigt oder eine Beleidigung abgedämpft haben in Ihrem Empfinden, als wenn Sie diese Beleidigung in den Schlaf hineingetragen haben und in der Stimmung dieser Beleidigung die Frage an die geistige Welt stellen, oder wenn Sie zornig hineingehen in die geistige Welt und Ihre Frage durchglüht ist von Zorn. Wenn Sie etwas Zornmütiges in die geistige Welt hineintragen, so ist es, wie wenn ein vulkanischer Feuerstrom sich hineinergießen würde, und es muß dann von der äußeren seelischen Welt dieser vulkanische Feuerstrom tingiert werden (siehe Zeichnung Seite 183, rötlich). Das ist etwas anderes, als wenn man beim Einschlafen den Zorn abgedämpft hat.

Es ist vieles von dem, was hier geschildert worden ist, in seinen Wirkungen nicht nur auf das menschliche Gemüt, sondern sogar auf die körperliche und innerliche organische Lebensstimmung zu erkennen, und viele innerliche Krankheitsursachen sind in dem zu suchen, was wir als Antwort bekommen auf die Fragen, die wir unbewußt an die geistige Welt im Einschlafen stellen. Denn unsere physischen und ätherischen Organe, sie müssen im Wachzustande durchaus fertig werden mit dem, was ihnen durch das willensmäßige Ich und durch den gefühlsmäßigen astralischen Leib mit dem Aufwachen aus der geistigen Welt hereingetragen wird.

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Es ist eine durchaus irrtümliche Anschauung, wenn man glaubt: Nun ja, der Mensch erlebt während des Wachens vieles, aber während des Schlafens erlebt er nichts. - Was der Mensch während des Wachens erlebt, das sind Vorgänge, die sich zum großen Teil zwischen ihm und der Welt, der äußeren, der physischen Welt abspielen. Unsere Befriedigungen über das, was sich da abspielt, die begleiten wie innere Träume des Gemütes wir wissen ja, daß das Gefühlsmäßige nur die Bewußtseinsintensität des Traumes hat -, wie traumhaft begleiten diese innerlichen Ereignisse das, was wir eigentlich deutlich an unserem Verhältnis zur äußeren physischen Welt haben. Aber wenn wir in dem Zustande sind zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen, dann geschieht durchaus in unserem Ich und in unserem astralischen Leibe viel Innerliches: Das willensmäßige Ich wird gestaltet, der gefühls-durchtränkte astralische Leib wird tingiert mit den Kräften der äußeren geistigen und seelischen Welt. Und das alles sind nun auch Geschehnisse, sind Tatsächliches, das nun den physischen und den Äther-leib durchtränkt, durchdringt, durchzieht, durchströmt. Und je nachdem wir da durchtränkt und durchströmt werden, verhalten wir uns wiederum in der physischen Welt. Für das Innerliche tun wir mehr während des Schlafes als während des Wachens. Es hängt allerdings das, was wir während des Schlafes tun, von dem Wachen ab. Aber ich möchte sagen: Die ganze Tragweite des Schlafes, die hauptsächlichste Tragweite des Schlafes liegt im Grunde genommen nicht nur im physischen Erleben, sondern in der moralischen Struktur der menschlichen Wesenheit.

Ich habe ja bei verschiedenen Anlässen darauf hingewiesen, wie ein äußerliches Denken gerade über die Beziehung des menschlichen physischen und ätherischen Organismus zum Einschlafen falsch denkt. Gewöhnlich wird ja die Sache - ich wiederhole nur, was ich öfter und ausführlich dargelegt hatte - so dargestellt, daß man sagt: Der Mensch ermüdet durch die Anstrengung seiner Glieder, durch die Arbeit, und er muß dann schlafen, weil dadurch die Ermüdung wieder ausgeglichen wird. Schon eine Besinnung darüber, daß man ja nicht immer durch die Ermüdung einschläft, könnte hier ein richtiges Denken zutage fördern. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß ein recht ausge-

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runter Rentier zum Beispiel sich einen Vortrag anhört, zu dem er, weil sich das so gehört, vielleicht einmal geht, und nach den ersten fünf Minuten ist er gewöhnlich eingeschlafen - aus Ermüdung kaum!

Wenn man alle diese Dinge verfolgt, die sich rein der äußeren Erfahrung auf diesem Gebiete ergeben, dann kommt man eigentlich darauf, daß das gewöhnliche Denken hier Ursache und Wirkung verwechselt. In Wahrheit sind wir ermüdet, weil wir einschlafen wollen. Die Impulse des Einschlafens treten viel innerlicher auf als in der Sphäre der Ermüdung, als in der Sphäre des körperlichen Gegenteils. Wenn wir keine Lust haben an der Außenwelt, dann tritt in uns die Sehnsucht auf, uns aus dieser Außenwelt zurückzuziehen. Dann verläßt das Seelisch-Geistige das Leiblich-Physische, und dann ermüdet das Leiblich-Physische. Wir ermüden, weil wir einschlafen wollen, nicht: Wir schlafen ein, weil wir ermüdet sind. Davon kann sich jeder überzeugen, wenn er nur will. Allerdings ist das Überzeugtwerden bei Dingen, die mit den selbstzufriedenen Interessen des Lebens so innig im Zusammenhang stehen, außerordentlich schwierig. Aber wir können uns schon überzeugen, wenn wir uns nur überzeugen wollen. Und wir werden dann schon dazu geführt, daß wir in dem Einschlafen nicht nur einen physisch-physiologischen Vorgang sehen, sondern daß wir das Einschlafen hineinstellen in den Gesamtkosmos, der, wie wir ja von den verschiedensten Seiten charakterisiert haben, auch die moralischen Impulse als reale Impulse, nicht als bloße Worte enthält. Und so zeigt uns gerade der Wechselzustand von Schlafen und Wachen, wie eine Brücke geschlagen werden kann zwischen dem Physischen und dem Moralischen in unserer Weltenordnung.

Du Bois-Reymond, derselbe Physiologe, der über die Grenzen des Naturerkennens - was ich öfter besprochen habe - seinen berühmten Vortrag gehalten hat, der sagte auch einmal: Den Menschen, wie er im wachen Leben vor uns steht, können wir überhaupt nicht begreifen. Nun, wir wissen ja, wie wir über einen solchen Ausspruch zu denken haben. Aber, meint Du Bois-Reymond, den schlafenden Menschen können wir begreifen. In dem schlafenden Menschen sind eben nur in einer komplizierteren Weise, meint er - wir wissen, daß das nicht richtig ist, aber wir wollen diesen Ausspruch betrachten -, die gesetz-

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mäßigen Zusammenhänge der äußeren physischen Welt, die man begreift; vorhanden. So daß man also nur den schlafenden Menschen naturwissenschaftlich begreifen kann, nicht aber den wachen Menschen.

Es wird dadurch - wie gesagt, wir wollen uns heute nicht über die Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieses Satzes unterhalten -, aber es wird damit von naturwissenschaftlicher Seite zugestanden, daß man mit naturwissenschaftlichen Mitteln nicht erfahren kann, was den Menschen durchdringt, durchzieht, wenn er wacht und daß sich der schlafende Mensch als physische Wesenheit ganz anders auch vor der naturwissenschaftlichen Denkweise ausnimmt als der wachende Mensch.

Die Naturwissenschaft weiß natürlich nichts von dem, was da heraustritt aus dem Menschen und vorhanden ist vom willensmäßigen Ich und gefühlsmäßigen Astralleib in der übersinnlichen Welt. Aber dieses Nichts, das die Naturwissenschaft ausdrückt, was ist es im Lichte unserer heutigen Betrachtungen? Das ist ja gerade etwas, was innerhalb der moralischen Weltordnung steht! Also gerade an dem Punkte, wo die naturwissenschaftliche Weltanschauung aufhört zu betrachten, da beginnt auch als reale Welt die eigentliche Wirksamkeit des Moralischen. Und nur in ihren Wirkungen zeigt sich dieses Moralische in der menschlichen Verfassung nach dem Aufwachen. Wir müßten also, wenn wir überhaupt das Terrain betreten wollen, wo das Moralisch-Reale gefunden werden kann, die Welt betrachten, die der Mensch durchlebt zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen; Kein Wunder also, da ja die naturwissenschaftliche Weltanschauung dieses Terrain nicht betritt, daß sie nur das kennt als real, was die moralischen Impulse nicht enthält und die moralischen Impulse auf das Gebiet des bloßen Glaubens verweist.

Dieser Glaube aber wird ebenso ein reales Erkennen wie das, was die naturwissenschaftliche Weltanschauung erreicht, wenn wir das andere Gebiet ins Auge fassen. Nur müssen wir in unserer Darstellung von ganz anderen Ausgangspunkten ausgehen, wenn wir überhaupt dieses geistig-seelische Gebiet, das vom Moralischen durchtränkt ist, ins Auge fassen wollen.

Hätte ich Ihnen hier irgend etwas hergemalt, was eine Nachbil-

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düng ist von einem Physischen, dann würde ich mich zu halten haben an das Physische, und das, was ich hierher gemalt hätte, wäre eben das Bild, und man würde von der äußeren Realität zu dem bloßen Bildhaften übergehen. Wenn man das Übersinnliche darstellt, muß man den umgekehrten Weg gehen. Es ist übersinnlich, man muß es innerlich erleben. Und dann geht man nach außen und stellt eben im Bilde das innerlich Erlebte dar. Dieses innerlich Erlebte ist auch ein durchaus in sich Bewegliches, und ich müßte eigentlich diese Tingierung glitzernd, glänzend, sich ineinanderschiebend, aufleuchtend, abdämmernd darstellen. Dieses Aufleuchten, Abdämmern, das ist aber durchaus zu beobachten, wenn man den ganzen Menschen durch geisteswissenschaftliche Forschung ins Auge faßt.

Verschafft man sich eine Anschauung ich versuche ganz genau zu reden von astralischem Leib und Ich während des Schlafens, so ist die Gestaltung des Ich und die Tingierung des astralischen Leibes scharf und hell. Tritt jetzt das Ich und der astralische Leib in den physischen Leib und den Ätherleib zurück, so wird das, was hell, glitzernd, glänzend ist .während des Schlafes, dunkel, dumpf; und das, was außerhalb des Leibes feste Konturen hat, das bekommt unbestimmte Konturen innerhalb des Leibes am Ich. Und man hat ein ganz bestimmtes Gefühl, wenn man dieses Untertauchen des Ich und astralischen Leibes beim Aufwachen in den physischen und in den Ätherleib verfolgt. Will man abstrakte Worte wählen, um dieses Gefühl auszudrücken, so wird man in der Regel ziemlich plump charakterisieren. Aber man kann es doch ziemlich scharf präzisieren, was da eigentlich ist. Beim Aufwachen des Menschen weiß man aus dem übersinnlichen Anschauen vom Ich und astralischen Leibe, daß sie hell und scharf konturiert sind; nachdem sie in den Schlaf hineingegangen sind, ist der astralische Leib wie mit unscharfen Konturen, dumpf, dunkel, wenig glänzend. Da hat man dasselbe Gefühl, wie wenn man von Tag zu Tag das Herbst- und Winterwerden auf die Seele wirken läßt. Dem ganzen Menschen nach das Aufwachen betrachten, hieße sich in eine Stimmung versetzen, wie man sie im Winterwerden hat. Und beim Einschlafen, also bei dem Heraustreten des Geistig-Seelischen aus dem Menschen, hat man eine Seelenstimmung, wie man sie haben kann beim

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Frühling- und Sommerwerden. Man wird tatsächlich also in etwas ganz Besonderes geführt.

Meine lieben Freunde, ich habe mich jetzt durch Wochen bemüht, Ihnen zu zeigen, wie die geisteswissenschaftliche Betrachtung uns dazu führt, den Menschen in den ganzen Zusammenhang zu bringen mit dem Kosmos. Ich habe Ihnen in Zusammenhang gebracht die menschliche Gestalt mit der Sternenwelt, mit der Fixsternwelt, die menschlichen Lebensstufen mit der planetarischen Welt. Wir werden überall herausgeführt aus dem Menschen, wenn wir den Menschen geisteswissenschaftlich betrachten. Heute betrachteten wir die Wechselzustände von Wachen und Schlafen, und wir werden, indem wir sie empfindend verstehen, wiederum aus dem Menschen herausgeführt, jetzt nicht in die Sternenwelt, sondern in die zeitliche Welt. Wir sagten uns: Wir verstehen das Aufwachen, wenn wir das Herbst-Winterwerden verstehen; wir verstehen das Einschlafen, wenn wir das Frühling-Sommerwerden verstehen. Wir werden vom menschlichen zeitlichen Verlaufe in den kosmischen zeitlichen Verlauf herausgeführt. Wir werden von den menschlichen Wechselzuständen zwischen Schlafen und Wachen in die Jahreszeitenwechselzustände Frühling, Sommer, Herbst und Winter geführt. Wir sehen im Menschen ein Abbild von dem, was auch in der Zeit geschieht, während wir uns ja nun seit Wochen bemüht haben, im Menschen ein Abbild des Makrokosmos zu sehen in bezug mehr auf das Räumliche.

So stellt man den Menschen in die Welt hinein, und so begreift man den Menschen aus der Welt heraus. Dann allerdings stellt sich die moralische Weltordnung ebenso als eine Realität vor uns hin, nicht als eine Welt leerer Worte. Und dann, wenn der Mensch sich mit alldem durchdringt, was er fühlen kann aus diesem seinem Weltzusammenhang, dann durchdringt sich auch seine ethisch-moralische Welt mit den religiösen Impulsen, dann wird der ethische Wille im Menschen der Ausdruck des im Menschen waltenden göttlichen Willens, dann erhebt sich die Sphäre des Ethisch-Moralischen in die Sphäre des Ethisch-Religiösen. So sucht anthroposophische Geisteswissenschaft den Weg zum Ethischen und zum Religiösen. Davon wollen wir dann morgen weiter sprechen.

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ZWEIUNDZWANZIGSTER VORTRAG Dornach, 13. November 1921

Gestern haben wir das Hauptaugenmerk darauf gerichtet, wie der astralische Leib des Menschen und das Ich sich verhalten in dem Zu­stande zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen, und wir wol­len noch einmal an dieses anknüpfen. Ich sagte, wenn wir dem Men­schen, wie er im schlafenden Zustande als physischer Leib und Äther­leib ist, gegenüberstellen wollen sein Ich und seinen astralischen Leib, so müssen wir sagen: Das willensbegabte Ich, das willensmäßige Ich, das wird durch das Verhältnis, in das es kommt zu den Wesen der gei­stigen Welt während des Schlafes, gestaltet. - Also, wenn wir schema­tisch zeichnen: wir bekommen eine Gestaltung des Ich. Und ich sagte: Wenn man diese furchige Gestaltung des Ich (siehe Zeichnung Seite 197, hell) als eine Art Negativ betrachtet, wie man es in der Photo-graphie hat - allerdings, auf die Größenverhältnisse darf man dabei nicht Rücksicht nehmen -, so würde die Gestaltung des menschlichen physischen Gehirns wie das Positiv sein. Den astralischen Leib, ihn müßten wir uns tingiert mit dem Seelischen der Umwelt denken, was ich schematisch dadurch ausdrücke, daß ich ihn in verschiedener Fär­bung zeichne (siehe Zeichnung Seite 200).

Nun sagte ich gestern, daß damit ja noch nicht das Verhalten des physischen Leibes und des ätherischen Leibes im Schlafe besprochen ist, und wir haben das gestern weggelassen.Wir wollen das heute hinzu­fügen. Der physische Leib des Menschen, er ist ja scheinbar der äuße­ren Wissenschaft bekannt, aber eben wirklich nur scheinbar. Denn diese äußere Wissenschaft berücksichtigt wenig, wie gründlich verschieden der Gliedmaßen-Stoffwechselmensch und der Hauptesmensch sind. Der Hauptesmensch, der Kopf mensch, er ist nach seiner physischen Konstitution so, daß er eigentlich ein Nachbild ist dessen, was der Mensch während der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt ist. Wiederum können dabei Größenverhältnisse nicht in Betracht kommen.

Das physische Gehirn, man betrachtet es ja heute in der Wissen­schaft so, als ob es in seinem Bau nur ein Ergebnis der väterlichen und

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mütterlichen Organisation sei. Aber wir haben aus verschiedenen Be­trachtungen, die wir angestellt haben, ja schon gesehen, daß das nicht den Tatsachen entspricht. Was beim Werden des Menschen hier in der physischen Welt vor sich geht, das besteht, wenn man es etwas grob und radikal ausspricht, darin, daß im mütterlichen Leibe eigent­lich zunächst die Substanz ins Chaos geworfen wird und daß dieser chaotischen Substanz, die verlassen hat die Gesetzmäßigkeit sowohl des Chemischen wie des Physischen, eingepflanzt werden aus dem Uni­versum heraus die Kräfte, welche den Embryo konstituieren. Und in diesen Kräften, die aus dem Universum heraus im mütterlichen Leibe gestaltend wirken, in denen befinden sich ja auch eingeimpft, möchte ich sagen, die Kräfte, die der Mensch selber mitbringt, nachdem er die Zeit durchlaufen hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Man möchte eigentlich sagen: Der Mensch wird selbst seiner Form nach dem mütterlichen Leib eingepflanzt. Im mütterlichen Leib wird nur das Bett für den Menschen geformt, und es ist eben im Universum so eingerichtet, daß da, wo eine Gelegenheit geschaffen wird, daß etwas Bestimmtes entstehen kann, dann dieses Bestimmte entsteht.

Nun ist das menschliche Haupt innerlich so geformt, daß es erstens eine Nachbildung ist von dem, was sich hier gefurcht und tingiert hat im vorigen Erdenleben, daß aber in diesem Haupt auch ausgeprägt ist, man kann sagen, das ganze Universum. Den Erkenntnisvorgang begreift eigentlich die heutige Wissenschaft sehr schlecht, denn er ist so zu fassen, daß man sagt: In diesem menschlichen, kompliziert ge­bauten Gehirn, ist eigentlich durchaus eine Nachbildung des Univer­sums vorhanden. Und was da drinnen an Formen auftritt, das ist so, daß es nicht durchdrungen werden kann von dem Ich und von dem astralischen Leibe. Die leben frei, wie ich in früheren Betrachtungen ausgeführt habe, in dem menschlichen Haupte. Darum weiß sich der Mensch gerade als Ich und astralischer Leib, weil diese frei leben. Nur mit dem Gliedmaßen-Stoffwechselmenschen können sich Ich und astra­lischer Leib wirklich verbinden, wie wir gesehen haben. Da wuchern sie drinnen und machen ihn vorzugsweise zu einem Willenswesen, wie wir ja auch wissen. Dadurch aber lebt in dem Gliedmaßen-Stoffwech-selmenschen vorzugsweise das, was durch den Tod wiederum hinaus-

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tritt in die geistige Welt, die den Menschen seinem Ich und seinem astralischen Leib nach aufnimmt und zu weiteren Daseinsstufen trägt, während in dem Haupt des Menschen alles das vorhanden ist, was aus den früheren Leben und Leben zwischen Tod und neuer Geburt her­kommt und sich gewissermaßen dieser Hauptesorganisation eingeformt und in sie eingelebt hat. Das Haupt des Menschen weist nach rück­wärts, der Gliedmaßen-Stoffwechselmensch weist nach vorwärts und der rhythmische Mensch ist eben das Hinundherpendeln zwischen Ver­gangenheit und Zukunft.

Erst wenn man in dieser Weise auch den physischen Menschen ver­steht, wird man den Bau der Glieder, wird man das innere Leben der Glieder verstehen. Man wird verstehen, warum die Hauptesorganisa­tion des Menschen eigentlich eine absteigende, eine sich fortwährend ablähmende ist, währenddem die Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation eine sich fortwährend aufbauende ist. Man wird auch verstehen, warum die Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation mit der chemisch­physikalischen Beschaffenheit der Erde zusammenhängen muß, wel­cher Zusammenhang sich ja durch die Ernährung ausdrückt.

Nun, dieser Gliedmaßen-Stoffwechselmensch, der nimmt eigent­lich das auf, was darauf angewiesen ist, sich weiterzubilden. Während des wachen Lebens ist aber der Gliedmaßen-Stoffwechselmensch im Grunde genommen sehr darauf angewiesen, mit den Kräften, die von der Erde selbst ausgehen, zu rechnen. Der Gliedmaßen-Stoffwechsel­mensch ist der Schwere der Erde unterworfen; er ist den anderen Kräften der Erde unterworfen. Er ist denjenigen Kräften unterwor­fen, die ausgehen von seinen Nahrungsmitteln und ihn durchdringen. Er ist gewissermaßen durchaus ein Erdenwesen. Und weil der Glied­maßen-Stoffwechselmensch seiner Formung nach nicht teilgenommen hat an dem, was der Mensch durchlebt hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt vor dem gegenwärtigen Erdendasein, dadurch ist dieser Gliedmaßen-Stoffwechselmensch auch während des wachen Le­bens nicht fähig, sich dem äußeren geistigen Universum anzupassen. Er ist gewissermaßen der Physis der Erde hingegeben während des wachen Zustandes.

Das ist aber im Schlafe nicht so. Denn im Haupte des Menschen

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ist ja alles das gebildet, was mit der Vergangenheit des Menschen, auch mit dem Leben zwischen dem Tod und der Geburt zusammenhängt. In diesem Haupte des Menschen sind, wie ich eben auseinandergesetzt habe, in den Formen der Organe auf eine leise, flüchtige Weise Bilder des ganzen Kosmos enthalten.

Das alles, was das Haupt des Menschen als ein Abbild des Univer­sums ist, kann während des wachen Zustandes nicht auf den Glied-maßen-Stoffwechselmenschen wirken. Das Haupt des Menschen ist ja als der Sitz der eminentesten Sinnesorgane in fortwährender Korres­pondenz mit der äußeren irdischen Welt. Es wirkt durch das Haupt während des Wachens alles das ein, was gesehen, was gehört wird. Während des Schlafes ist es nicht etwa so, daß das menschliche Haupt nur auf eine physische Weise ernährt wird; das geschieht im Grunde genommen auch während des Wachens. Das ist gar nicht das Wesent­liche für den physischen Leib während des Schlafes, sondern für den physischen Leib des Menschen während des Schlafes ist etwas ganz anderes die Hauptsache.

Wir haben, sagen wir zum Beispiel in dem Auge nicht nur diejenige Organisation, welche das Sehen vermittelt, sondern wir haben im Auge zu gleicher Zeit ein Abbild des Kosmos, der geistigen Kräfte des Kos­mos. Der Mensch hat in der Zeit vom Tode bis zu der Geburt gelebt im geistig-seelischen Kosmos. Die Organisation des Auges ist nachge­bildet diesem Leben im geistig-seelischen Kosmos. Das Auge hat, so wie alle Organe des Hauptes, eine doppelte Aufgabe: erstens die Kor­respondenz mit der Außenwelt durch das Sehen zu vermitteln. Das ge­schieht während des wachen Lebens. Während des Schlafeslebens wirkt das Auge mit seiner Umgebung, namentlich mit seiner Nerven- und Blutumgebung zurück auf den physischen Organismus, insofern dieser der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganismus ist, und es wirken zum Bei­spiel während des Schlafes die Kräfte des geschlossenen Auges auf das Nierensystem des Menschen und prägen dem Nierensystem das kos­mische Bild ein. Andere Organe des Hauptes prägen anderes aus dem Kosmos dem menschlichen Stoffwechsel-Gliedmaßensystem ein. Und so haben wir für den physischen Leib unsere Schlafenszeit vor allen Dingen dazu, daß die Kräfte des Hauptes gestaltend wirken auf den

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Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen (siehe Zeichnung, rötliche Pfeile). Gerade während des Schlafes geschieht es, daß, wenn ich schematisch zeichnen will, vom Haupte fortwährend gestaltende Kräfte nach dem unteren Menschen hin strahlen, so daß tatsächlich das Haupt sich wäh­rend des Schlafes zum Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen als der gei­stig-seelische Gestalter verhält.

  1. Bild-SE197

Der Schöpfungsbegriff wird ganz falsch gedacht, wenn man ihn auf irgendwelche Momente konzentriert. Wir werden eigentlich fort­während geschaffen. Wir werden jede Nacht aus dem Geiste heraus geschaffen; es wird unser Stoffwechsel-Gliedmaßensystem geformt, be­lebt jede Nacht aus dem Geistigen heraus.

Sie wissen ja, daß die materialistische Wissenschaft der Gegenwart eigentlich nur das Gegenteil weiß, daß nämlich die Kräfte des Stoff­wechsels auf das verbrauchte Gehirn wirken. Allein, dies ist nur die eine Seite. Während diese Wirkung von unten nach oben stattfindet,

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findet von oben nach unten die geistige und seelische Belebung des Menschen statt. Und es ist wichtig, sich klarzumachen, daß diese gei­stig-seelische Belebung einer hohen Bewußtseinsstufe untersteht. Wir Menschen werden diese Bewußtseinsstufe, die notwendig ist, um jene wunderbaren Vorgänge hervorzurufen, welche da für den physischen Leib des Menschen im Schlafe geschehen, erst während der Entwicke­lung des Vulkanplaneten haben; denn die Bewußtseinsstufe, die dem entspricht, das ist die des Geistesmenschen. Das Bewußtsein des Gei­stesmenschen ist wirklich im Menschen drinnen. Es macht sich geltend im Schlafe, und es macht sich geltend in den Vorgängen, die ich eben geschildert habe. Aber der Mensch ist auf seiner gegenwärtigen Entwickelungsstufe nicht in der Lage, sich gewissermaßen so weit selbst zu erkennen, daß er unter normalen Verhältnissen dieses Weben und Wesen eines viel höheren Bewußtseinsgrades, als er ihn für seine wa­chen Betätigungen hat, in sich verspüren würde.

Die rechte Würdigung solcher Dinge ist schon verknüpft damit, daß der Mensch durch die Geisteswissenschaft, wie wir sie hier kennen­lernen, religiös vertieft wird. Wenn der Mensch das, was er ist, durch seine Lebensbetätigung vernachlässigt, verkümmern läßt, wenn er sei­nem physischen Leib nicht einzupflanzen versucht, was während des Erdenlebens eingepflanzt werden kann, dann greift er zerstörend ein in etwas, in dem, ihm unbewußt für sein normales Bewußtsein, ein viel höheres Bewußtsein herrscht, als er es selber haben kann.

Wenn wir hinausblicken in das Universum, blicken wir nicht nur in eine Welt, vor der wir, wenn wir sie richtig verstehen, bewundernd niedersinken im Geiste, sondern wir müssen uns ebenso verhalten, wenn wir mit richtigem Verständnis in das Walten des Übermensch­lichen im eigenen menschlichen Inneren hineinschauen.

Damit habe ich Ihnen ungefähr angedeutet, wie es sich für den Schlafzustande verhält mit dem physischen Leib des Menschen.

Nun haben wir außer dem physischen Leib dann den Ätherleib (siehe Zeichnung Seite 197, schraffiert). Dieser Ätherleib des Men­schen ist in wachem Zustande ja fortwährend den Wirkungen unter­worfen, welche vom Ich, das sich in der Welt betätigt, und vom astralischen Leibe, der mit diesem Ich in Verbindung steht, ausgehen.

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Während des wachen Zustandes sehen wir stets die aufleuchtenden und sich abdämpfenden Farben und die anderen Tingierungen, die im astralischen Leibe stattfinden und in den Ätherleib hinüberschlagen, und wir sehen eigentlich während des Wachzustandes den Ätherleib sich anpassen an den astralischen Leib. Wir sehen aber auch das, was das Ich durch seine Gestaltung ist, hereinschlagen in den Ätherleib. Kurz, wir sehen während des wachen Zustandes ein Spielen des Ich und des astralischen Leibes im Ätherleib. Während des Schlafes, da ist der Mensch als Ich und als astralischer Leib außerhalb des Ätherleibes. Da spielt der astralische Leib mit seiner Tingierung, das Ich mit seiner Gestaltung nicht herein in den Ätherleib. Da ist der Ätherleib seiner eigenen Gestaltung überlassen. Und diese eigene Gestaltung, sie drückt sich dadurch aus, daß der Ätherleib in einer ganz großartigen Weise sich während des Schlafes gestaltet als ein Abbild des Universums.

Der ätherische Leib wird ja von dem Menschen seiner wesentlichen Substantialität nach aufgenommen, indem sich der Mensch aus dem vorgeburtlichen Leben hereinbegibt in das physische Erdenleben. Der ätherische Leib wird ja zusammengesetzt in dem Sinne, wie der Mensch gelebt hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Und alles, was da aus dem Universum heraus, wie symbolisch die Geisteswissenschaft sagt: was da der Mensch aus Nord, Süd, Ost, West in sich aufgenom­men hat von den Himmeln, das trägt der ätherische Leib in sich. Er kann es nur aus dem angegebenen Grunde während des Wachzustandes nicht zeigen. Er zeigt es während des Schlafzustandes. Da ist der Mensch eigentlich ganz Erinnerung, Erinnerung zunächst an das Er­denleben.

Es kommt den Menschen ab und zu ins Bewußtsein, daß sie, indem sie in ihren ätherischen Leib untertauchen, in ein Bildermeer unter­tauchen, was sie dann zu den Träumen zählen. Wer aber in dieser Be­ziehung sich die Mühe gegeben hat, beim Aufwachen das Bildermeer zu beobachten, das der Mensch gleichsam durchmißt beim Aufwachen, wenn er beobachtet, was da erlebt wird, dann entdeckt er, wie eigent­lich das ganze Erdenleben enthalten ist in diesem Ätherleib während des Schlafes. Der Mensch lebt und webt eigentlich in alledem, was er seit seiner Geburt durchgemacht hat im Ätherleib während des Schla-

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fes. Aber alles das ist für den Ätherleib eben durchgestaltet vom Kos­mos heraus, von kosmischen Kräften. Und weil jetzt nichts hereinspielt vom astralischen Leib und vom Ich, deshalb strahlt der ätherische Leib das aus, was er eingegliedert, eingeimpft erhalten hat bei seiner Ge­burt. Der Ätherleib des Menschen wird strahlend (siehe Zeichnung, gelbe Pfeile).

  1. Bild-SE200

Das ist eine bedeutsame Tatsache, dieses Strahlendwerden des Men­schen im Schlaf zustande. Dieses Strahlendwerden des Menschen im Schlaf zustande ist in der Tat etwas, was für die Erdenwelt, wenn diese in die Nacht getaucht ist nach der untergegangenen Sonne, im Gegen­satz zu den physischen Strahlen der Sonne, ein seelisches Strahlen der Menschheit darstellt. Allerdings, in diesem seelischen Strahlen der

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Menschheit ist eingegliedert ruinierend, verkümmernd, zerstörend alles das, was die Menschen aus ihrer Schlechtigkeit heraus durch ihren astra­lischen Leib und durch ihr Ich dem ätherischen Leib während ihres Lebens einpflanzen. Aber die Erde würde mit ihrer Entwickelung nicht zurecht kommen, wenn dieses Erstrahlen der Menschheit nicht statt­fände.

Hätte ein Beobachter dazu die nötigen Organe, und wäre er im Kosmos draußen und würde die Erde vom Kosmos aus beobachten, er würde sagen: Während des Tages sieht man auf der von der Sonne be­schienenen Seite der Erde eben das zurückgestrahlte Sonnenlicht; aber wenn die Nacht sich über einen Teil der Erde lagert, dann phosphores­ziert, dann leuchtet nach die Erde. - Und das, was da ein solcher Be­obachter nachleuchtend finden würde, das sind die menschlichen Ätherleiber. Das alles braucht aber auch die Erde, um weiterzukom­men in ihrer Entwickelung. Wenn auf der Erde keine Menschen schla­fen würden, würde die vegetabile Kraft der Erde viel schneller erster­ben müssen, als sie im Erdenleben eben erstirbt. Der Mensch ist durch­aus nicht eingegliedert in das Erdendasein, um bloß für sich zu leben, er ist nicht bedeutungslos für die ganze Gestaltung der Erde. Was er in geistigen Welten aufnimmt zwischen dem Tod und einer neuen Ge­burt, das strahlt er wiederum schlafend aus seinem Ätherleibe in die Erdenentwickelung aus während seines irdischen Lebens.

So daß wir sagen können: Für den physischen Leib ist es so, daß von oben nach unten gestrahlt wird; für den ätherischen Leib verhält es sich so, daß von innen nach außen gestrahlt wird. Das Schlafen des Menschen hat eben durchaus auch eine kosmische Bedeutung.

Deshalb mußte ich Ihnen gestern auch sagen: Wenn nun das Ich und der astralische Leib wiederum untertauchen in den Ätherleib, dann hat man die Empfindung des Herbstlichen, während man, wenn der Ätherleib frei liegt im Schlafe, die Empfindung des Frühlingshaf­ten, Sommerlichen hat. Es ist in der Tat so, daß gewissermaßen mit dem Aus- und Eingehen des astralischen Leibes der Mensch sonnen-hafter oder winterlicher wird in geistig-seelischer Beziehung.

Wir können also sagen: Der ätherische Leib des Menschen ist im Schlafe so, daß die Kräfte des Kosmos, nämlich diejenigen, die der

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Mensch sammelt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, gestal­tend wirken auf die Erde. Darinnen wirkt auch ein höheres Bewußt­sein als das, was dem Menschen zunächst für seine wache Betätigung zur Verfügung steht. In dieser Tätigkeit, in dieser schlafenden Tätig­keit des Ätherleibes wirkt nämlich das Bewußtsein des Lebensgeistes. Es ist dasjenige Bewußtsein, zu dem der Mensch sich erst hinaufent­wickeln wird, wenn unser Erdenplanet bei der Metamorphose des Ve­nusdaseins angekommen sein wird.

Wir sehen also: für das Ich und den astralischen Leib auf der einen Seite, für den physischen Leib und den Ätherleib auf der anderen Seite ist das Verhältnis so, daß sie im Schlafe nicht zusammenwirken, vom Aufwachen bis zum Einschlafen aber zusammenwirken. Ein Wechsel-Verhältnis findet statt, eine Art Pendelschlag zwischen Zusammen­wirken und Nichtzusammenwirken. Aber auch da ist es so, daß in dem Augenblicke, wo beim Aufwachen das Ich und der astralische Leib heranschlagen an den physischen Leib und den Ätherleib, und in dem Augenblick, wo sie beim Einschlafen wiederum sich herausziehen, daß da eine Wechselwirkung stattfindet, welche von einem Bewußtsein ge­regelt wird, zu dem der Mensch auch nicht mit seinem für die wache Betätigung geeigneten Bewußtsein herankommt. Der Mensch kann ja in einer gewissen indirekten Weise auf das Aufwachen und Einschla­fen einen Einfluß haben. Aber jene feinen, intimen Vorgänge, die sich abspielen zwischen dem Ich und dem astralischen Leib einerseits und dem physischen und ätherischen Leib andererseits beim Einschlafen und beim Aufwachen, für diese intimeren Vorgänge hat das mensch­liche Bewußtsein keine Fähigkeit des Wahrnehmens.

Ich möchte diese Wechselwirkung, die da stattfindet, durch diese gegeneinander sich bewegenden Pfeile (siehe Zeichnung Seite 200, blau) ausdrücken. In dieser Richtung, in diesem Ineinanderwirken, wie es sich namentlich ausspricht beim Aufwachen und Einschlafen, aber wie es in einer gewissen Weise doch fortdauert auch während des Wa­chens und sogar während des Schlafes, in diesem Durcheinanderweben astralischer und ätherischer Kräfte, da macht sich geltend, was wir nun für den astralischen Leib hauptsächlich konstatieren können. Wir können sagen: Für den Astralleib ist es ja so, daß er angeregt wird im

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kosmischen Sinne. Denken Sie, daß vom Einschlafen bis zum Auf­wachen der astralische Leib ja durchaus seinen moralischen Empfin­dungen nach, wie ich gestern dargestellt habe, tingiert wird. Beim Auf­wachen dringt er ein in den kosmisch gestalteten Ätherleib. Da muß er sich nach diesem richten, da muß er sich ihm anpassen. Und wir kön­nen sagen: Die kosmisch-astralischen Kräfte wirken auf die menschlich-astralischen Kräfte. Man kann das sehr gut verfolgen in einem be­sonderen Falle.

Denken Sie sich, der Mensch hätte nicht durchgemacht dieses Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt - wie ja das Tier es nicht durchgemacht hat -, sondern er käme so zur Welt, wie es die Aristo­telische Weltanschauung fordert: Er würde ein neugeschaffenes Wesen bei seiner Geburt sein. Er brächte sich nicht die Wirkungen früherer Erdenleben und des Lebens zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in das Leben herein. Dann würde der Mensch seinen Blick schweifen lassen, seine Sinne schweifen lassen über die äußeren Erfahrungen, aber er würde niemals diese äußeren Erfahrungen durch Begriffe, Vor­stellungen der Geometrie und der Mathematik verbinden. Das ist nur ein Fall, aber es ist einer derjenigen Fälle, wo das, was für den Kosmos gilt, die Geometrie, in eine Wechselwirkung tritt mit dem, was nur für die irdische Umgebung gilt. Es wird das Irdische durchsetzt, die empi­rische Erfahrung wird durchsetzt von dem rationellen Mathematisch-Geometrischen. Aber diese Wechselwirkung findet fortwährend statt, und sie findet so statt, daß darin das Geistselbst als Bewußtsein wirkt. Davon wissen natürlich die mathematischen Weltenbetrachter nichts, daß, während sie wirklich mathematisch betrachten, eigentlich immer das Geistselbst sie hinten beim Schüppel hat. Aber sie beachten das nicht, weil sie sich beschränken auf die Reflexion, die im gewöhnlichen menschlichen Bewußtsein davon vorhanden ist.

Dann erst, wenn der Mensch weder im Schlafe noch im Aufwachen oder Einschlafen ist, sondern wenn er voll untergetaucht ist mit seinem Ich und seinem astralischen Leib in den Ätherleib und in den phy­sischen Leib, dann ist das gewöhnliche heutige Bewußtsein vorhanden, dann ist der Mensch nur hingegeben alldem, was heraus ist aus Gei­stesmenschen, Lebensgeist und Geistselbst. Wenn der Mensch angelangt

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sein wird auf jener Stufe des Daseins, die er haben wird, wenn die Erde die Metamorphose zum Jupiterdasein im Sinne meiner «Geheimwissen­schaft im Umriß» wird durchgemacht haben, dann wird es so sein, daß der Mensch nicht mehr äußerlich durch Geometrie sich einen Wür­fel bilden wird und dann finden wird, daß diese ideelle Würfelform paßt auf das kristallisierte Salz, sondern er wird das als eine Einheit erblicken. Er wird so weit hingegeben sein an die äußere Welt, daß er gewissermaßen in dem Salz selber drinnen stecken wird. Es wird ein solches Salz zwar auf dem Jupiter nicht vorhanden sein, aber wir können uns durch solche Vorstellungen das Leben des Menschen in der Zukunft klarmachen.

So also können wir uns auch in derselben Weise, wie wir gestern den astralischen Leib und das Ich betrachtet haben, Vorstellungen darüber bilden, wie sich während des Schlafes der physische Leib und der äthe­rische Leib verhalten. Der physische Leib ist eigentlich während des Schlafes ein Selbstgestalter in bezug auf den Gliedmaßen-Stoffwechsel-menschen, und der ätherische Leib des Menschen ist ein Weltgestalter.

Wenn wir nun noch einmal zurückblicken auf das, was wir gestern betrachtet haben, so müssen wir sagen: Der astralische Leib des Men­schen tritt aus dem physischen Leib und dem Ätherleib heraus während des Schlafes. In ihn strömen ein die seelischen Kräfte des Universums. Er wird von ihnen durchdrungen. Und je nachdem er seine Empfin­dung, seine Gemütsverfassung hat, können ihn diese Kräfte durchdrin­gen. Wenn der Mensch sympathisiert mit dem Guten, dann werden ihn die schönsten Kräfte des Universums durchdringen können. Wenn der Mensch seine Neigungen entwickelt zum Bösen, dann wird sein astralischer Leib verkümmern. Für alle Stufen des Fühlens und Empfindens im Inneren gibt es gewisse Tingierungsnuancen, die der astralische Leib während des Schlafzustandes annimmt (siehe Zeichnung Seite 200, rötlich, gelb, rosa, lila). Man kann sagen, so wie der Mensch ist, so er­funkelt er in bezug auf seinen astralischen Leib während des Schlafzu­standes. Der astralische Leib ist ja das, was während des Wachzustan­des die Seelenverfassung ausmacht, die Gemütsverfassung. Diese Ge­mütsverfassung, die ergießt sich gewissermaßen während des Schlaf­zustandes in das seelische Universum, und in dieser Ergießung erlebt

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sich dann der Mensch, indem er seine Seelenverfassung verändert hat, aber indem er mit Bezug auf seine Seelenverfassung vor der seelisch­geistigen Welt steht.

Würde der Mensch, indem er mit seinem astralischen Leibe da hin­auslebt, eindringen können in das Bewußtsein des Lebensgeistes, dann würde er sprechen können zu dem, was mit seinem astralischen Leib geschieht. Es geschieht das zunächst für den Menschen unbewußt, aber es geschieht. Wer würde denn sprechen, wenn der Mensch plötzlich schlafend das Bewußtsein des Lebensgeistes erlangte? Wer würde spre­chen? Man kann da kein anderes Wort sagen als: Es würde sprechen der astralische Leib des Menschen als Richter über das Gute und Böse im Menschen. So daß man wirklich sagen muß: Schlafend wird der astralische Leib der Richter der Seele. - Es ist dieses, wenn man es richtig versteht, ein wichtiger Satz für das menschliche Leben. Es ist eine Wahrheit, die wie von jenseits der Schwelle zur geistigen Welt herüberleuchtet und die der Mensch sich möglichst oft vor seine Seele stellen sollte.

Nehmen Sie das Entsprechende für das Ich. Das Ich tritt heraus aus dem physischen und dem Ätherleib, gestaltet sich in Gemäßheit der Kräfte der universellen Geistwesenheiten. Es wird so, wie es werden kann nach dem, wie es im physischen Leibe lebt. Würde es erwachen zum Bewußtsein des Geistesmenschen, dann würde es nicht bloß zu sich sprechen, wie der astralische Leib zu sich sprechen würde, wenn er plötzlich mit dem Bewußtsein des Lebensgeistes ausgestattet würde; sondern würde das Ich mit dem Bewußtsein ausgestattet, das in dem zurückgebliebenen physischen Leib wirkt, das die Kräfte von oben nach unten sendet in dem zurückgebliebenen physischen Leib, würde der Mensch also mit diesem Bewußtsein ausgestattet in seinem Ich, wenn es im schlafenden Zustand herausgetreten ist, dann würde der Mensch nicht nur eine Summe von Richtersprüchen über sich erleben, sondern dann schaut er, was er als Bild jetzt wird und was dann als Keim wirkt für seine folgenden Erdenleben.

Ich finde für diese Tatsache keinen anderen Ausdruck, wenn ich sie in einen Satz prägen will, als daß ich sage: Das Ich wird das Opfer seiner selbst, das Opfer des im Leibe wirkenden Geistes. - Ein Opfer

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kann so sein, daß es wohlgefällig aufgenommen wird; das kann auch bei dem Ich sein, indem es draußen gestaltet wird. Ein Opfer kann auch so sein, daß es verworfen wird. Das sind die äußersten, radikal­sten Enden des Vorganges. Das, was der Mensch erlebt, liegt natürlich im wesentlichen in der Mitte. Aber ein Opfer kann auch verworfen werden, wenn es nicht würdig ist, geopfert zu werden. Wenn der Mensch also so erscheint vor den geistigen Wesen des Universums, daß er stark verkümmern muß durch das, was er durchlebt im physischen und im ätherischen Leibe während des Wachens, dann wird er ein verworfenes Wesen.

Sie sehen also, daß der Opferbegriff durchaus angewendet werden kann für das, was da stattfindet. Und mir scheint, daß diese zwei Sätze: Schlafend wird der astralische Mensch der Richter seiner Seele -, und: Das Ich wird das Opfer seiner selbst -, daß diese zwei Sätze außer­ordentlich wichtig sind für das vollständige Verständnis der mensch­lichen Wesenheit.

Wenn man auf das sieht, was ältere instinktive Weistümer der Menschheit erlangt haben, nicht aus jener Klarheit des Bewußtseins heraus, aus der man heute nach anthroposophischer Geisteswissen­schaft streben muß, sondern eben aus dem Instinkte heraus, dann wird man, wie ich Ihnen schon öfter angedeutet habe, Bilder bedeutsamer Urweisheit der Menschheit gewahr. Sie drücken sich aus in den Mythen, in den alten Weisheitssprüchen; sie drücken sich aber auch aus in den Kulthandlungen, die sich in den verschiedenen religiösen Systemen erhalten haben.

Daher bekommen wir, wenn wir sie richtig verstehen, die tiefe Ehr­furcht vor den Überlieferungen von alten Religionsbildern, von alten Kultbildern. Und im Grunde genommen ist es so, daß ein lebendiges religiöses Empfinden des Menschen erst wieder kommen kann, wenn es aus der geisteswissenschaftlichen Erfassung der Welt, nicht bloß der Phrase, sondern dem tiefsten Gehalte nach, eben nicht bloß den Kopf­menschen, sondern den vollen Menschen erfaßt, indem sie ihm bei­bringt nicht nur Verständnis der Welt, sondern auch Ehrfurcht vor dem Walten des Geistigen in der Welt. Das haben wir ja besonders heute wieder gesehen. Diese Geisteswissenschaft wird wiederum reli-

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giöse Empfindungen des Menschen beleben können. Aber der Mensch ist auch durchgegangen - wir wissen, daß er das zum Behufe der Er­langung seiner Freiheit mußte - durch diejenige Zeit, in der er nur dem Intellektualismus, dem Rationalismus und dem damit verbun­denen Materialismus gelebt hat, und der größte Teil der Menschheit lebt ja heute noch darin. Aber es muß wiederum zurückgekommen werden zum Erfassen dessen, was Geistiges in der Welt ist. Es muß wiederum gekommen werden zum Leben außerhalb des bloß intellek-tualistischen Erfassens der Welt, außerhalb des Erlebens des bloßen Kopfmenschen.

Aber wenn wir, ich möchte sagen, überspringen diesen Zeitraum des Intellektualismus und zurückblicken in Zeiten, in denen noch le­bendig waren die alten religiösen Bilder, die aber bis weit in das Mit­telalter der modernen Menschheit herein zu gleicher Zeit Erkenntnis­bilder waren, wenn wir auf die Kultbilder hinschauen, die in der reli­giösen Praxis geübt wurden, dann finden wir in alledem etwas, was ungeheuer ähnlich ist, nur eben aus dem Instinkt gewonnen, dem, was wir heute wiederum mit klarem Bewußtsein aus den geistigen Welten herausholen können. Denn ich muß schon sagen: Wenn der Gedanke aus der Inspiration hervorkommt, der sich ausdrückt in dem Satze: Der astralische Leib wird schlafend der Richter der Seele -, dann kann man finden, wie einem als adäquates Bild entgegentritt, was Michelangelo gemalt hat in der Sixtinischen Kapelle als «Weltgericht». Man hat in diesem Bilde des «Weltgerichtes» am Altar der Sixtinischen Kapelle etwa, was aus uralten Zeiten heraufragt. Es hat nur christliche Form angenommen. Und als es christliche Form angenommen hatte, war es schon mehr traditionell. Aus der Überlieferung heraus wurden diese Dinge hingemalt. Es hat Zeiten in der Menschheitsentwickelung ge­geben, in denen diese Dinge lebendig angeschaut worden sind. Da hat der Instinkt eben hingeschaut auf die inspirierte Imagination der im Schlafe sich richtenden Menschenseelen.

Und wiederum, wenn wir hinblicken auf das, was uns als ein so un­geheuer ergreifendes Bild entgegentritt als das Bild des Gotteslammes, des Christus, jenes Christus, der sich verbindet mit dem menschlichen Ich, der dieses menschliche Ich durchdringt, dann wird in unserer Seele

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rege der Gedanke - gerade wenn wir auf das sich opfernde Lamm hin­schauen - des Opfers, das das Ich wird, indem es in den Schlafzustand übergeht, und wir finden, wie treffend durch das Bild des Lammes diese Opfernatur des Menschen während des Schlafes ausgedrückt wird. Wir kommen darauf, wie aus einem instinktiven Weisheitsbewußtsein her­aus dieses Bild gefunden worden ist für jene Hilfe, welche das Ich in seinem Erdendasein braucht, weil es im Schlafe das Opfer wird seines eigenen Selbstes.

Man kann nicht anders, als immer wieder und wiederum darauf hinweisen, wie anthroposophische Geisteswissenschaft, indem man sie entwickelt, zwar strebt nach vollständig klaren Begriffen, aber nach solchen klaren Begriffen, wie sie sonst nur vorhanden sind im Aufbau der Mathematik oder der Geometrie; wie aber, weil diese Begriffe wur­zeln in dem lebendigen Leben der Weltengeister, wie diese Begriffe, die da heraufkommen durch Geisteswissenschaft, überall so sind, daß sie uns nicht kalt lassen wie die mathematischen Begriffe, daß sie uns zu gleicher Zeit mit der Wärme der Empfindung, mit der Wärme an­feuernder Willensimpulse durchdringen. Wir erblicken hier den inni­gen Zusammenhang zwischen dem klaren Denken, dem warmen Füh­len und dem energischen Wollen im Menschen. Wir ermessen eigent­lich erst von einem solchen Gesichtspunkte aus die ganze volle Men­schennatur.

Und auch mancher Blick in die Geschichte wird erst erhellt, wenn man von einem solchen Verständnisse des Menschen ausgehen kann. Bis tief ins Mittelalter herein, sagte ich, finden wir durchaus bei vielen Menschen noch ein Verständnis für den Wahrheitsgehalt der alten Bilder, für jenes Erleben der Welt sub specie aeternitatis, wie es vor­handen war im alten instinktiven Weisheitsleben, wie es wieder errun­gen werden muß durch klares Bewußtsein, zu dem man streben muß durch anthroposophische Geisteswissenschaft.

Manchmal sehen wir im Laufe der Geschichte merkwürdige Per­sönlichkeiten auftauchen, und in einer sonderbaren Weise leben sich solche merkwürdigen Persönlichkeiten gegenüber den Verhältnissen der Gegenwart, man möchte sagen, recht deplaciert in die Gegenwart herein. Ich sprach einmal während einer italienischen Reise mit einem

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Benediktiner-Ordenspriester in Monte Cassino. Er sprach davon, wie in seinem Brevier unter den Namen der Heiligen auch angeführt ist jener sächsische deutsche Kaiser, Heinrich II., der ja auch ich weiß nicht, in wievielen Geschichtsbüchern es noch angeführt wird der «Heilige» genannt wird. Wenn wir aber eingehen auf das, was dieser Heinrich II. gewollt hat - dessen Name also noch unter denjenigen ist, die in gewissen Breviergebeteh katholischer Priester eine Rolle spie­len -, der gewollt hat: Ecclesia catholica non Romana. - Das war das Losungswort Heinrich II., des Heiligen! Und in der Zeit, in der er lebte, also im 10., 11. Jahrhundert, da war es durchaus noch möglich, daß man aus einem richtigen Erleben alter überlieferter Weisheit davon sprechen konnte, daß das, was durch das Christentum in die Welt gekommen ist, werden soll eine Ecclesia catholica, das heißt eine Kirche für die ganze Menschheit, in der derjenige Geist herrscht, welcher eigentlich durch das Christentum hat in die Welt kommen sollen. Aber Heinrich II., der Heilige, wollte eine Ecclesia catholica non Romana, denn die Ecclesia catholica Romana ist geworden ein weltliches Reich. Und es ist so, daß überall da, wo die geistlichen Reiche weltliche Reiche wer­den, das Ahrimanische erfaßt das, was als ein Heiligtum lebt und auch schon lebte in den Urweistümern der Menschheit. Es war noch ein starkes Bewußtsein vorhanden in der Zeit Heinrichs II., daß die Eccle­sia catholica getrennt werden kann von der Ecclesia catholica Romana, und daß man eigentlich streben müßte nach einer Ecclesia catholica non Romana.

Ich sage, im Brevier steht dieser Heinrich II. als ein deplacierter Hei­liger. Die Ecclesia catholica Romana hat nicht die geringste Veranlas­sung, ihn unter ihre Heiligen zu stellen, denn er war einer derjenigen, die aus heiligem katholischem Feuereifer heraus gerade die römisch­katholische Kirche überwinden wollten wegen der katholischen Kirche.

Das sind historische Tatsachen, welche man gerade dann ins Ge­dächtnis der Menschen hereinrufen soll, wenn man auf die wichtigsten Wahrheiten hinweist, die wiederum durch anthroposophische Geistes­wissenschaft an die Oberfläche des bewußten menschlichen Daseins gebracht werden können. Heute ist es sehr notwendig, auf diese Dinge hinzuweisen, denn in den einzelnen abstoßenden Erscheinungen, die

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Ihnen hier in unmittelbarer Nähe entgegentreten können aus der Eccle-sia catholica Romana heraus, sehen Sie, wie ahrimanischer Geist ein­dringen konnte. Man darf sich auf der einen Seite durch diesen ahrima-nischen Geist nicht täuschen lassen darüber, daß die Ecclesia catholica non Romana eben doch in sich birgt lichtvolle ewige Weisheit. Und in dem hiesigen Theologenkursus, den ich abhalten durfte, zeigte es sich, daß aus jener protestantischen Sehnsucht, die sich da geltend machte nach einer Vertiefung des Protestantismus nach der spirituellen Seite hin, aus dem Rationalismus, aus dem Intellektualismus heraus, es zeigte sich, daß einigen der Teilnehmer gegenüber das Wort: Ecclesia catho­lica non Romana geradezu wie eine Befreiung gewirkt hat. Denn wir sind heute durchaus auf dem Standpunkte, daß der Rationalismus eben­so überwunden werden muß wie das Welttum der römischen Kirche; daß die Menschheit wiederum sich zusammenfinden muß in einem all­gemeinen geistigen Leben, das aber nicht in Anspruch genommen wer­den darf durch irgendein weltliches Herrschaftsgelüste.

Der ahrimanische Geist ist ein Lügengeist. Aus diesem ahrimanischen Geist heraus kann es selber vorkommen, daß sich Lügengeister dazu hergeben, das, was Fälschung ist, für Wahrheit zu erklären. Da ist es eben notwendig, daß man gerade aus der Tiefe des Weltgesche­hens heraus den gründlichen Abscheu bekommt vor der Lüge. Diesen gründlichen Abscheu vor der Lüge, man bekommt ihn wahrhaftig, wenn man mit vollem Bewußtsein die Worte aussprechen kann: Der astralische Leib wird schlafend der Richter der Seele. Das Ich wird schlafend das Opfer seiner selbst.

Verdunkelnd gegenüber diesen tiefen Wahrheiten wirkt der ahri­manische Geist, der auch in die Religionsbekenntnisse der neueren Zeit eingezogen ist. An denen, die sich ehrlich, aber auch mit einiger Energie zur anthroposophischen Anschauung bekennen, sollte es sein, in diesen Dingen nicht nur ein äußerliches, intellektualistisches Hin­neigen zu den Weistümern zu empfinden, welche diese Anthroposophie bringen kann, sondern eine wirkliche innere Energie, eine Ge­fühls- und Willensenergie zu entwickeln, welche sich verbindet mit dem, was der Geist aus der geistigen Welt heraus durch anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft erfassen kann.

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Das, meine lieben Freunde, soll eben zu gleicher Zeit eine Anleitung dafür sein, wie unterschieden werden muß das, was auch in dem tradi­tionellen Fortleben von religiösen Bildern und religiösen Kultbildern enthalten ist, von dem, wie heute manchmal diese religiösen Bilder und diese religiösen Kulte gehandhabt werden.

Wer würde nicht die tiefste Ehrfurcht haben auch vor dem, was wie aus geistesgrauem Altertum vom Oriente herüberleuchtend, in den Kulthandlungen der russischen orthodoxen Religion enthalten ist! Man kann überall zu diesen Kulthandlungen sich so verhalten, daß man ge­wissermaßen durch das, was da geschieht, durchdringt zu der ungeheu­ren Tiefe, die sich da enthüllt. Jahrtausende und Jahrtausende instink­tiver Weisheitsentwickelung drückt sich in diesen Kulthandlungen aus.

Nun, ich nahm einmal teil an einer solchen Kulthandlung in Hel-singfors vor Jahren, wo zum Osterfeste eine solche Kulthandlung zele­briert wurde, und ich darf sagen: Zu den traurigsten Erinnerungen meines Lebens gehört das, was da die Popenkomödianten, die furcht­baren innerlichen Lügner, mit der ewigen Wahrheit zusammenkomödiantisiert haben! Heute ist es eben in der Welt so, daß zusammenstoßen in der furchtbarsten Weise, unter dem Einflüsse des ahrimanischen Ma­terialismus, Lüge in der äußeren Darstellung und tiefe Wahrheit im Inneren. Ohne daß man dieses wirklich fühlen kann, kommt man heute nicht bis zu einer energischen Erfassung des Menschenwesens.

Aber wir haben es sehr nötig, bis zu dieser energischen Erfassung des Menschenwesens zu kommen, denn ich konnte es dazumal sehen, wie selbst begabten Leuten, die an jener Osterzeremonie teilgenom­men haben, alles Bewußtsein von Menschenwesenheit ausgelöscht wurde, weil eine Zeremonie, die bei würdigem Zelebrieren im höchsten Maße geeignet gewesen wäre, eben von komödiantenhaften Popen miß­braucht worden ist.

Aber was hier in einer radikalen Weise geschehen konnte, das ge­schieht heute im Grunde genommen mehr oder weniger intensiv all­überall. Anthroposophisches Bewußtsein sollte dazu kommen, diese Dinge zu sehen, gründlich zu unterscheiden Wahrheit von Lüge auch da, wo sich diese Unterscheidung gar sehr unter dem Zwange der äuße­ren Verhältnisse verhüllt. Wir müssen überall für den ganzen Men-

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sehen und vor allen Dingen für das Zeitbewußtsein etwas gewinnen aus anthroposophischer Vertiefung. Das ist es, was ich in Anknüpfung an die letzten Betrachtungen heute noch vor Ihnen aussprechen wollte.

Schlaf Bewußtseinsstufe
Physischer Leib:
Die Kräfte des Hauptes wirken
gestaltend auf den Stoffwechsel-
Gliedmaßenmenschen

des Geistesmenschen: Selbstgestalter
Ätherleib:
Die Kräfte des Kosmos wirken
gestaltend auf die Erde

des Lebensgeistes: Weltgestalter
Astralischer Leib:
Kosmische astralische Kräfte
wirken auf die menschlichen
astralischen Kräfte


des Geistselbst:
Schlafend:
Der astralische Leib wird der «Richter» der Seele
Das Ich wird das «Opfer» seiner selbst.
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HINWEISE

zu Seite

31 den Kursus, den ich 1914 gehalten habe: «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt», Gesamtausgabe Dornach 1959, BibL-Nr. 153.

50 Platon, 427-347 v. Chr., griechischer Philosoph.

51 Aristoteles, 384-322 v. Chr., griechischer Philosoph.

53 Raffael Santi, 1483-1520, italienischer Maler.

Dante Alighieri, 1265-1321, der größte italienische Dichter.

Brunetto Latlni, geboren zwischen 1210 und 1230-1294, italienischer Staatsmann, Gelehrter und Dichter. «Tesoretto».

ich habe das einmal auseinandergesetzt: Im Vortrage vom 29. Dezember 1918, im Bande «Wie kann die Menschheit den Christus wiederfinden? Das dreifache Schattendasein unserer Zeit», Gesamtausgabe Dornach 1967, Bibl.-Nr. 187.

54 Alexander VI. Borgia, Papst von 1489-1503.

Leo X. Medici, Papst von 1513-1521. 58 Pater Angela Secchi, 1818-1878, Astronom, Jesuit. 79 nach dem alten Rätsel: Das Rätsel der Sphinx in der ödipussage.

93 ... Da kommt William James und redet -von allerlei «Erweckungen»: William James, 1842-1910, amerikanischer Philosoph, Begründer des Pragmatismus, in seinem Werk «The Varieties of Religious Experience» 1902. Deutsch von Wobbermin 1907, Kapitel III «The Reality of the Unseen».

115 Rene Descartes, Cartesius, 1596-1650, französischer Philosoph und Mathematiker.

Baruch Spinoza, 1632-1677, Philosoph.

116 Arthur Drews, 1865-1935, Professor der Philosophie. Hielt im Herbst 1921 eine Reihe von Vorträgen gegen die Anthroposophie. Siehe «Metaphysik und An-throposophie», Berlin 1922, namentlich das Kapitel «Die Erkenntnis des Obersinnlichen».

Eduard von Hartmann. 1842-1906, Philosoph.

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117 Gustav Theodor Fechner, 1801-1887, Philosoph.

Ernst Mach, 1838-1916, Philosoph und Physiker.

Hans Driesch, 1867-1941, Zoologe und Philosoph.

Kuno Fischer, 1824-1907, Philosoph. 137 Albert Einstein, 1879-1955, Physiker, Begründer der Relativitätstheorie.

145 Daher habe ich in meiner «Anthroposophie»: «Anthroposophie. Ein Fragment», Gesamtausgabe Dornach 1970, Bibl.-Nr. 45, und «Anthroposophie, Psycho-sophie, Pneumatosophie», Gesamtausgabe Dornach 1965, Bibl.-Nr. 115, Vortrag 1-4.

151 Moriz Benedikt, 1835-1920, «Hypnotismus und Suggestion», Eine klinisch-psychologische Studie. Leipzig und Wien 1894.

152 Andreas, Freiherr von Ettingshausen, 1796-1878, Mathematiker und Physiker. August Louis Cauchy, 1789-1857, französischer Mathematiker. Simeon Denis Poisson, 1781-1840, französischer Mathematiker und Physiker. Joseph Petzval, 1807-1891, österreichischer Mathematiker und Physiker.

153 Joseph Skoda, 1805-1881, Mediziner, neben Rokitansky Gründer des hohen Rufes der klassischen Zeit der Wiener Hochschule.

164 Ich habe es, wie gesagt, schon von einer anderen Seite vor kurzem auch hier einmal charakterisiert: Siehe die Vorträge vom 23. und 24. September 1921 in «Anthroposophie als Kosmosophie» erster Teil.

170 Konstantin der Große, römischer Kaiser von 306-337 n. Chr. Julianus Apostata, römischer Kaiser von 361-363 n. Chr.

172 Garns Julius Caesar Octavianus, Augustus: römischer Kaiser, 63 v. Chr. bis 14 n. Chr.

189 ... meint Du Bois-Reymond, den schlafenden Menschen können wir begreifen: Emil Du Bois-Reymond, 1818-1896, Naturforscher, in «Ober die Grenzen des Naturerkennens», Leipzig 1916, Seite 43.

207 Michelangelo Buonarotti, 1475-1564, italienischer Bildhauer, Maler und Dichter. 209 Heinrich II, der Heilige, 973-1024.

... denn in den einzelnen abstoßenden Erscheinungen ...: siehe M. Kully mit seiner Schmähschrift «Die Geheimnisse des Tempels von Dornach», Basel 1920-21. 211 Ich nahm einmal Teil... in Helsingfors vor Jahren: In den Ostertagen 1912. Siehe Brief von Marie Steiner vom 13. April 1912 an Mieta Waller: «Es gab eine Osterfeier in der Kirche...», Nachrichten der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Ostern 1967, Nr. 7, Seite 12.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.