GA 162

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Kunst- und Lebensfragen
im Lichte der Geisteswissenschaft

13 Vorträge, gehalten in Dornach
zwischen dem 23. Mai und 8. August 1915

GA 162

2000

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Dornach, 23. Mai 1915

Der Mensch nimmt wahr an sich und in der Natur dasjenige, was man Wachsen nennt, und dasjenige, was man Zerstören, Zerstörung, was man Auflösung nennt. Und seine Vorstellungen richtet der Mensch aus selbstverständlichen Instinkten, aus der physischen Welt heraus eigentlich so ein, daß er mit einem gewissen Glauben an die Wirklichkeit sich dann durchdringt, wenn er Aufbau, Wachsen an sich und in der Natur wahrnimmt. Und über dasjenige, was gewissermaßen aus der Wirklichkeit herausgeht, was die Wirklichkeit verliert, über das bildet sich der Mensch Vorstellungen dadurch, daßer den Blick auf das Zerstörende, die Zerstörung, auf die Auflösung nchtet. So daß es dem Menschen ganz natürlich erscheint, etwas als aus der Wirklichkeit hinausgehend zu bezeichnen, wenn er daran wahrnimmt, es löse sich auf, es gehe allmählich ins sogenannte Nichts der physischen Welt über.

Wenn man - das ist oftmals betont worden - wirklich zu Vorstellungen über die geistige Welt kommen will, dann muß man die Vorstellungen, die man in der physischen Welt gewonnen hat, vielfach modifizieren. Über vieles muß man andere Vorstellungen sich bilden> als man sie zunächst in der physischen Welt gewinnt, wenn man überhaupt mit seinem Denken an die geistige Welt herantreten will. Und ganz besonders bedeutsam ist es, daß wir uns einen Begriff bilden, der im Grunde genommen schon überall in unseren geisteswissenschaftlichen Betrachtungen ausgebreitet liegr, den wir uns aber, ich möchte sagen, nicht oft genug vor die Seele rücken können: es ist der Begriff von einem Zusammenhang unseres Bewußt Seins mit entsprechenden Vorgängen in unserem physischen Organismus während des Lebens in der physischen Welt. Wir werden niemals das Wirken des Bewußtseins in der physischen Welt begreifen, wenn wir es nicht zusammenbringen können mit dem Begriffe der Zerstörung, der Auflösung. Würde in uns als physische Wesenheiten nur Wachstum, nur Entwickelung sein, so würden wir niemals

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bewußte Wesen in der physischen Weit sein können. Dasjenige, was in uns sich darstellt durch Wachsen, durch Sprossen, Sprießen, das führt niemals in der physischen Welt zu einem Bewußtsein. Bewußtsein kann erst da beginnen, wo in die Wachstumsprozesse eingegriffen wird mit zerstörenden, mit auflösenden, mit abbauen- den Prozessen. Auf solcher Grundlage müssen wir uns auch vertraut machen mit den Vorstellungen, welche die Initiation über die sogenannte menschliche Entwickelung ergibt.

Wir wissen ja, daß das Kind zunächst hineinwächst in die Welt wie in einer Art von Traumleben. Dieses Traumleben des Kindes ist aber verknüpft mit Wachstum, mit sprießenden, sprossenden Vorgängen; und in einem je früheren Lebensalter des Kindes wir den Blick auf es hinwenden, um so mehr Sprießendes, Sprossendes tritt uns entgegen. Und erst wenn die Individualität im menschlichen Organismus so viel Gewalt bekommt, daß sie sich auflehnen kann gegen das Sprießen und Sprossen, und dem Sprießen und Sprossen Zerstörungsprozesse eingliedern kann, dann tritt volleres und immer volleres Bewußtsein auü In dem Maße, in dem wir imstande sind, abzubauen dasjenige, was die bloße Natur in uns aufbaut, in dem Maße werden wir uns bewußt.

Wenn derjenige, der durch die Initiation gegangen ist, hinblickt darauf, wie Bewußtsein im Menschen entsteht, dann findet er, daß jeder bewußte Gedanke, der gefaßt wird, jede bewußte Empfindung, die sich geltend macht, damit verbunden sind, daß Zerstörungsprozesse den Aufbauprozessen des Organismus abgerungen werden. Man sieht auf die Zerstörung hin, indem man hinblickt auf bewußtes Leben. Und man muß sich gewöhnen, nicht bloß ein positives Gefühl von Wirklichkeit zu haben, indem man Prozesse des Sprießens, des Sprossens, des Wachsens sieht, sondern man muß sich dazu aufraffen, Gefühl gerade für bewußtes Geistesleben dadurch zu haben, daß man darauf hinblickt, in welcher Weise sich dieses bewußte Geistesleben in der physischen Welt abspielt, daß man hinblickt auf Absterbeprozesse, auf Zerstörungsprozesse. Darum müssen wir ja die bewußten Prozesse mit den unbewußten Prozessen des Schlafes vertauschen, damit dasjenige, was wir während des wachen Gedankenlebens

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zerstört haben, wiederum aufgebaut werden kann durch die unbewußten Kräfte der Natur in unserem Organismus. Das ist der Pendelschlag des Lebens: daß die Seelenkraft, indem sie zum Bewußtsein aufwacht, dasjenige abträgt, zerstört, was die bloße Natur im Menschenorganismus schafft; und daß von dem Augenblick an, wo die Seele im Schlafe das natürliche Leben des Leibes verläßt, die Prozesse, die Tätigkeiten des Sprießens, des Sprossens wiederum vor sich gehen. Daher ist es nicht richtig, wenn man glaubt, daß verglichen werden dürfe das wache Tagesleben des Menschen mit dem Leben zur Sommerzeit, wenn die Erde sprießt und sproßt. Nein, die Erde selber, als geistiges Wesen gefaßt, wird wach in dem Moment, wo gegen den Herbst zu die Absterbeprozesse beginnen; und das vollwache Leben der Erde ist während der Winterzeit. Während der Sommerzeit aber, während die sprießenden, sprossenden Prozesse da sind, ist das Schlafesleben der Erde. Der Erdengeist schläft während des Sommers und wacht während des Winters.

Ich habe ja schon angedeutet: es ist aus einer tiefen Intuition hervorgegangen, daß der Moment, wo der Mensch sich verbinden soll mit dem, was die Erdenentwickelung in das vollste Wachleben rufen soll, mit dem Christus-Impuls, in die Mitte der Winterzeit verlegt worden ist, nicht in die Sommerzeit, als das Christfest. Dagegen in jener älteren Zeit, wo der Menschen Wissen hervorgegangen ist aus einem Miterleben mehr des Schlafzustandes der Erde, wo sich die Seele des Menschen in die schlafende Erdenseele zu versenken hatte, um die Imagination, die traumhafte Imagination der alten Geistesanschauung zu bekommen, da war die entsprechende Festeshandlung in der heißen Sommerzeit vorzunehmen: das Johannisfest. Das Johannisfest bedeutet ein Sich-Verbinden, ich möchte sagen, ein Sich Verbinden in Traum und Rausch mit dem schlafenden, träumenden Erdengeist. Das Weihnachtsfest bedeutet ein bewußtes Sich Verbinden mit dem wachenden Erdengeist. - Gerade durch solche Vorstellungen kommen wir wiederum hinein in ein Erfühlen des Zusammenhanges des Menschen mit dem Kosmos. Wir kommen hinein in einer konkreten Weise. Nicht indem wir im allgemeinen davon schwärmen, daß der Mensch ein Mikrokosmos gegenüber dem Makrokosmos

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sei, sondern dadurch, daß wir uns w1rklich Erkenntnisse davon verschaffen, wie das große Wesen Erde schläft und wacht im Gegensatz zu dem Menschen, der innerhalb vierundzwanzig Stunden sein Schlafen und Wachen vollbringt, während die Erde, der Erdengeist dieses Schlafen und Wachen in Jahresfrist vollbringt.

Nun müssen wir die Blicke noch einmal etwas genauer auf dasjenige wenden, was sich in der physischen Welt als Bewußtsein dar- lebt. Nehmen wir einmal an, wir bezeichneten dasjenige, was sprießendes, sprossendes Leben unseres Nervensystems ist, schematisch durch eine solche Zeichnung:

Zeichnung aus GA 162, S. 14
Zeichnung aus GA 162, S. 14

In der Tat erschaut ja das Hellsehen das sprießende, sprossende Leben, zum Beispiel des Nervensystems, namentlich des Gehirns, wIe solche feurigen Wellen. Nun, in Wahrheit ist aber außerhalb dieses sprossenden, sprießenden Lebens des Menschen Seelenleben. Würde ich das menschliche Seelenleben für die Nacht zu zeichnen haben, für das Schlafen, so würde ich es ganz außerhalb dieser Figur zu zeichnen haben; für das wache Tagesleben aber müssen wir das Seelenleben als sich durchdringend mit diesem sprießenden, sprossenden, ich möchte sagen, feurigen Leben uns vorstellen:

Zeichnung aus GA 162, S. 14 (b)
Zeichnung aus GA 162, S. 14 (b)
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Wenn also das Seelenieben nur das physisch.organische Leben durchdringen würde, so würde kein Bewußtsein entstehen. Wie entsteht Bewußtsein? Da muß zunächst das Seelische am Physischen arbeiten. Im Physischen sind zunächst sprießende, sprossende Wachstumsprozesse, feine Wachstumsprozesse, die meinetwillen über das Nervenleben zerstreut sind. Diese Wachstumsprozesse werden abgebaut, sie werden zerstört. Es entsteht ein ganz ähnlicher Prozeß, wie er entsteht, wenn die sprießende, sprossende Pflanze allmählich übergeht ins Welken und ins Verdorren. So daß das Seelenleben in diesem sprießenden, sprossenden Leben Zerstörungsprozesse annchtet, die ich durch diese Einschnitte oder Unterbrechungen des Schraffierten hier zeichne.

Zeichnung aus GA 162, S. 15
Zeichnung aus GA 162, S. 15

Also, wenn wir wach leben, so zerstört zunächst unser Seelenleben die physischen Wachstumsprozesse, baut sie ab. Und von dem, was da geschieht, von diesem Abbauen weiß der Mensch in der Regel nichts. Erst die hellseherische Betrachtung gibt uns die Möglichkeit, wirklich uns zu sagen: Indem du dich mit der geistigen Welt - ich sage jetzt ausdrücklich nicht: mit der physischen Welt, sondern mit der geistigen Welt - in Beziehung setzest, mußt du, wenn du dir Vorstellungen machen willst, in dir etwas zerstören.

Sehen Sie, das ist das furchtbar Erschütternde im Initiationsprozeß, daß man dieses Zerstören sieht, daß man weiß: indem man sich mit irgendeinem Wesen, etwa einem Angelos-, Archangeloswesen der geistigen Welt in Beziehung setzt und Vorstellungen darüber gewinnen will, das heißt, sie wirklich wahrnehmen will, muß man in sich etwas zerstören.

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Man tut das auch, wenn man sich mit einer Blume, einem Tier in Verbindung setzt; nur weiß der Mensch es nicht im gewöhnlichen Verlauf des Lebens. Man fängt erst an es zu wissen, wenn diese Zerstörungsprozesse nun wie Spiegel zurück in das Seelenleben wirken. Das ist die Wandlung. Also denken Sie: Sie sehen eIne rote Blume an. Dasjenige, was Sie mit der roten Blume erleben, das veranlaßt Sie zunächst, in Ihnen einen Zerstörungsprozeß hervorzurufen. Das wissen Sie bloß nicht. Aber was da zerstört ist, das spiegelt sich in die Seele zurück und das bewirkt, daß Sie dann die rote Blume als Vorstellung, als Wahrnehmung haben. Sie müssen also zuerst in sich selber ein Abbild schaffen von der roten Blume dadurch, daß Sie die sprießenden, sprossenden Prozesse abbauen, und indem Sie diese abbauen, schaffen Sie das, was Sie dann sehen. Es ist ein inneres Abbauen an dem eigenen Organismus, wie im Grunde genommen schließlich auch allen menschlichen Kulturarbeiten ein äußerliches Zerstören zugrunde liegt. - Wenn wir Kulturarbeiten verrichten, so zerstören wir auch die Natur zunächst. Wir können kein Haus bauen, wenn wir nicht das Holz von draußen nehmen, indem wir zerstören, und dann dasjenige, was Zerstörungsprodukt ist, was wir aus der Natur herausgerissen haben, erst aufbauen zu unseren Kunstprodukten. So machen wir es im Grunde genommen mit aller Künstlerschaft. Hier machen wir es gerade so wie das Zerstörende, Abbauende an dem sprießenden, sprossenden Prozesse es macht: es hebt gewisse Wachstumsprozesse auf; und das, was dadurch eingebettet wird in den Organismus als ein herausgepreßtes Totes in das Lebendige, das ist der Inhalt unseres bewußten Seins. Wir versetzen fortwährend Totes in das Lebendige, indem wir Bewußtsein entwickeln; und je bewußter wir uns machen, desto mehr pressen wir in unseren lebendigen Menschen einen toten hinein.

Der Schlaf hat dann die Aufgabe, die toten Einschlüsse wieder aufzulösen bis auf gewisse Reste, die da bleiben, und die durch das ganze physische Leben in der gleichen Weise als Prozesse durchgehen und dem Gedächtnis, der Erinnerung zugrunde liegen. Würde alles durch den Schlaf wieder aufgelöst werden, so würden wir kein

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Gedächtnis, keine Erinnerung haben. Also Sie sehen, wir müssen uns bekanntmachen mit einem richtigen Winter in unserem Leben, wenn wir Bewußtsein erringen wollen. Bewußt sein wollen heißt: über das sprießende, sprossende Sommerleben das zerstörende, verdorrende Winterleben ausbreiten. Wir müssen Winter machen in uns, wenn wir bewußt sein wollen. Wir müssen also in einer gewissen Weise den Winter schätzen lernen, weil, wenn es immer Sommer wäre im Leben, der Geist im Physischen nicht bewußt erleben

könnte> sondern immer unbewußt bliebe.

Noch ein anderes mag Ihnen aber hervorgehen aus diesen Betrachtungen. Der materialistische Weltbetrachter wird leicht sagen: Ja, in die Art und Weise, wie das Bewußtsein im physischen Leibe ar`beitet, kann man ja nicht hineinschauen. - Gewiß, solange man nicht Geisteswissenschaft studiert, kann man es nicht. Wenn man aber durch Geisteswissenschaft erfährt, daß ein Parallelismus besteht, wie er angedeutet worden ist, der Parallelismus zwischen dem einzelnen Leben des Menschen und dem Leben des Erdengeistes, dann kommt man ja zu folgendem. Dann sagt man sich, wenn man einen Begriff sich machen will von dem schlafenden Menschen, von dem, was eigentlich der schlafende Mensch ist: Nun, dann stelle man sich einfach hin während der sprießenden, sprossenden Sommerzeit und sehe an, wie da alles sprießt und sproßt. Wie es da draußen in der Erde zugeht, so geht es - nur im kleinen, so daß man es nicht sehen kann - vor sich in der physischen Natur des Menschen. Einfach Sommer würde man erleben im Menschen, wenn man den schlafenden Menschen betrachtet, und Winter würde man erleben im Menschen, wenn man den wachenden Menschen betrachtet. Will man wissen, wie es das Bewußtsein macht, indem es sich des physischen Leibes als eines Werkzeuges bedient, dann muß man darauf hin- blicken, wie im Herbst zunächst alles beginnt zu dorren, zu welken, alles beginnt abzusterben, wie man sagt. Und mit dem, was man sich da äußerlich als Bild machen kann von der Winterzeit, hat man eine rechte Vorstellung von dem, was das wachende Bewußtsein im physischen Organismus des Menschen verrichtet, indem es sich des physischen Leibes als Werkzeug bedient.

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Daher kommt es auch, daß das hellsehende Bewußtsein, bei dem die Seele außerhalb des Leibes ist, daß dieses hellseherische Bewußtsein, wenn es hinblickt auf den Leib, aus dem jetzt die Seele draußen ist, den Leib wahrnimmt wie eine sprossende, sprießende Welt. Es ist eine kindliche Vorstellung, wenn man glaubt, daß der Hellseher, wenn er mit seiner Seele außerhalb des Leibes ist, den Leib so sieht, wie man eInen anderen Menschen im physischen Leben sieht. Das ist ja das Falsche: manche Leute stellen sich vor, daß der Mensch da- liege, und die Seele darüber schwebe, und die Seele so zurückblicke auf den Leib, und den Menschen da unten liegen sehe. Das ist aber nicht der Fall. In dem Augenblick, wo die Seele herausgeht, wird der Leib zur Welt, zur Sommerwelt; und wenn die Seele hellsehend bleibt und in den Leib wieder hineingeht, so erlebt sie den persönlichen, den individuellen Winter in sich.

Einen innigen Zusammenhang also entdecken wir auf diese Weise zwischen dem Leben des Menschen und dem Leben der Erde. - Wenn wir nun dieses Leben der Erde uns vorhalten und blicken zu- nächst auf die Sommerzeit hin, dann zeigt uns, außer uns hingestellt, diese Sommerzeit alles dasjenige, was gleichartig auch in uns wirkt und webt, wirkt und webt aber an uns im schlafenden Zustande. Und wenn wir nun nach einem Ausdruck suchen, der uns in Kürze die Empfindung von diesem Wirken und Weben im Schlafzustande geben soll, dann ist es der Ausdruck: Das ist alles die Welt des Geborenwerdens, des Entstehens. Und wenn wir uns selber in dieser Welt fühlen, dann können wir sagen: Aus dem Göttlichen sind wir geboren. - Denn insofern wir mit unseren eigenen Kräften dieser Welt angehören, dieser sprießenden und sprossenden Welt, müssen wir sagen: «Ex Deo nascimur. Aus dem Göttlichen sind wir geboren.» Dieses «Ex Deo nascimur» konnten die Menschen sagen zu jeder Zeit der Erdenentwickelung, und werden es auch in Zukunft zu jeder Zeit der Erdenentwickelung sagen können.

Dagegen ist es für unseren Zeitenzyklus, der nach dem Eintritt des Mysteriums von Golgatha liegt, wesentlich, nun zu verstehen, daß ja in uns wirken die Kräfte des absterbenden Lebens, die Kräfte des hinschmelzenden, des sich auflösenden Lebens, und daß mit diesem

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Hinschmelzen, Sich-Auflösen des Lebens das Bewußtsein zusammenhängt. Das Bewußtsein der Erde, das wache Erdenleben finden wir zur Winterzeit. Wir müssen, um im Winter mit der Erde zu leben in der physischen Welt, untertauchen in das Ersterbende. Aber nach dem Mysterium von Golgatha tauchen wir unter, indem wir den Christus-Impuls mit in dieses Ersterbende hineinnehmen: «In Christo morimur.» Und wir machen dies zum Geleitspruch durch die andere Hälfte des Jahres, indem die Erde wacht, wacht im ersterbenden Leben: «In dem Christus sterben wir.»

Und so teilt sich uns das Erdenjahr in zwei Hälften, in diejenige Hälfte, die zu Johanni ihren Höhepunkt hat, und für die uns der Spruch gilt: «Ex Deo nascimur», und in die andere Hälfte, die um die Weihnachtszeit ihren Höhepunkt hat, und für die uns der Spruch gilt: «In Christo morimur.»

Man soll nicht glauben, daß, richtig gefaßt, die Anschauung von dem Menschen als Mikrokosmos gegenüber dem Makrokosmos nur eine abstrakte ist. Man soll auch nicht glauben, daß man mit abstrakten Vorstellungen dieser Anschauung gegenüber viel ausrichten kann. Man soll sich vielmehr klar sein, daß man immer mehr und mehr diese Anschauung trifft, wenn man zu dem wirklichen Leben des Erdengeistes wirklich kommt.

Sehen Sie, wenn man so im Winter die Erde betrachtet mit ihrem ersterbenden, erfrierenden Leben, so ist dieses ersterbende, erfrierende Leben der Ausdruck des Denkens, des Fühlens und Empfindens des wachenden Erdengeistes. Aber diesen Erdengeist müssen wir uns im Zusammenhang denken mit dem, was uns zunächst als unsere Welt umgibt. Wir müssen uns gleichsam die Welt vorstellen wie ein großes Geistwesen, welches an der Erde sein physisches Werkzeug hat. Und eine Vorstellung von dem, was die Erde denkt, was die Erde insbesondere wachend zur Winterzeit denkt, bekommt man dann, wenn man die ganze Art, wie die Erdenumgebung in die Erde hineinwirkt, in Betracht zieht. Denken Sie sich in einer Winternacht den Blick hinausgerichtet auf die Sterne, etwa inmitten der Sterne den Mond, so muß man sagen: die Konstellation dieser Sternenwelt, die ist ein äußerer Ausdruck, ein Bild desjenigen, was

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bewußt auf der Erde gedacht wird, und wir leben darinnen, indem das Weltenall mit der Erde in ein Verhältnis eingeht. Da sehen Sie lebendig uns drinnen stehend in dem Erdendenken, in dem, was die Erde umwebt und umspült als Erdendenken im Winter so, wie wir im Sommer drinnen stehen, lebendig mit unserer eigenen Seele.

Und doch müssen wir uns im Sommer wachend in das Erdenleben hineinstellen. Wir müssen, ich möchte sagen, alle astralen Kräfte anwenden, damit wir nicht verfallen dem Erdenschlafe. Faule Menschen schlafen ja bei der Sommerhitze wirklich sehr leicht ein, weil ihre astralischen Kräfte nicht stark genug sind, sich gegen den allgemeinen Erdenschlaf aufrechtzuerhalten. Wenn wir selber schlafen während der Sommerzeit, dann ist unsere Tätigkeit gleichartig mit der Erdentätigkeit. Im Winter müssen wir uns wiederum im Unter- bewußten solche Kräfte entwickeln für den Schlaf, die dem allgemeinen Erdenleben widerstreben, und für das Wachleben haben wir während der Winterzeit diejenigen Kräfte nötig, die in der Richtung des Wachlebens des Erdengeistes liegen. So, möchte ich sagen, schwingen wir mit unserem eigenen Leben, mit den kleinen Schwingungen unseres eigenen Lebens mit, in den Jahresschwingungen des Erdenwesens, des bewußten Erdenwesens, und dieses bewußte Erdenwesen, das ist ganz und gar abhängig von der Konstellation der Sterne. Und da bekommen Sie einen lebendigen Eindruck von dem Durchwebtwerden des eigenen Seelenlebens durch das Sternenleben auf dem Umwege des Erdenschlafens und des Erdenwachens. Da bekommen Sie eine lebendige Vorstellung von dem, was Astrologie wirklich sein sollte, wenn sie überhaupt ernsthaft in Betracht kommen soll. Deshalb sagte ich oftmals: Astrologie ist entweder der purste Dilettantismus oder aber, sie kann nur errungen werden als Endglied einer wirklichen Vertiefung in geisteswissenschaftliche Studien und Erkenntnisse.

Ich habe in den letzten Zeiten oft betont, wie notwendig es ist, daß sich diejenigen, die der Geisteswissenschaft nahe stehen, solche Vorstellungen aneignen, die aus dem bloß Gedanklichen ins Lebendige führen. Denken Sie, daß da ganz neue Seiten des Lebens sich erschließen, wenn wir nun wissen, daß Bewußtsein an Abbau, an

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Zerstörung gebunden ist, daß Zerstörung da sein muß, damit innerhalb des Physischen das Bewußtsein Werkzeuge haben kann. Denn wahrhaftig, ebensowenig, wie wir in der physischen Welt arbeiten können, ohne die Natur zu zerstören, ebensowenig können wir in uns bewußt werden, ohne daß die Wachstumsprozesse in uns zerstört werden. Hinschauen muß das Hellsehen auf diese fortdauern den Zerstörungsprozesse, rückhaltlos hinschauen auf sie, wie, man möchte sagen, das ganze Leben hindurch ein sukzessiver Tod sich abspielt, damit Bewußtsein sein kann. Und die Initiation besteht ja darin, daß man im Bild wie konzentriert empfängt diesen sonst auf die ganze Zeit zwischen Geburt und Tod ausgedehnten Zerstörungsprozeß. Aber im wirklichen physischen Tod ist er ebenso konzentriert; und wenn der physische Tod nicht eintreten würde, so würden wir niemals ein Bewußtsein entwickeln können in der geistigen Welt nach dem Tode. Der Tod, das heißt die Zerstörung des physischen und des Ätherleibes, ist die Grundbedingung für die Entwikkelung des Bewußtseins in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Wie die Pflanze nicht da sein kann, wenn die Wurzel nicht da ist, so könnte das Bewußtsein zwischen dem Tod und einer neuen Geburt nicht da sein, wenn es nicht herauswurzelte aus dem Todesprozesse. Wie wir uns in den ersten Jahren unseres physischen Lebens die Möglichkeit erringen müssen, seelisch zu zerstören die zuerst wachsenden, sprießenden Prozesse, und das Bewußtsein erst in dem Grade erwacht, als wir Zerstörungsprozesse hineinbetten können in die Wachstumsprozesse - erst wenn diese Kraft der Zerstörtingsprozesse einen genügenden Grad erlangt hat, kann zum Beispiel das Ich-Bewußtsein entstehen -, so müssen wir den ganzen Leib zerstören, abwerfen; und die Tat, die wir damit tun, dieses Ab- werfen zunächst des physischen, dann des Ätherleibes, diese Tat ist ~e Ausgangstat für das Bewußtsein zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Damit erwerben wir uns die Fähigkeit des Bewußt,e-ins zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, daß wir - man darf schon sagen, denn es entspricht der Richtigkeit - uns sozusagen den können: das heißt die Prozesse durchmachen können, die im code vor sich gehen.

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Wie das Leben hier zwischen der Geburt und dem Tode seinen Ausgangspunkt hat zuerst in dem bloß pflanzlichen Kindesleben, so hat das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt seinen Ausgangspunkt in dem Todesprozesse. Da sehen wir also auf radikale Zerstörungsprozesse hin. Und das ist eben wichtig, daß wir uns in einer solchen Weise aneignen die Möglichkeit eines Hineinlebens in den gesamten Verlauf der Natur und des ganzen, auch geistigen Weltenalls.

Wenn Sie das neuere Geistesleben betrachten, dann werden Sie finden, daß im Grunde genommen immer mehr und mehr - ich habe auch darauf schon aufmerksam gemacht - die Entwickelung des Menschen sich zurückzieht von dem inneren Prozeß des Daseins, und man die Welt nur äußerlich ansehen will. Es entwickelt sich im- mer mehr und mehr die Abneigung, die ganze Natur anzusehen; und es entwickelt sich mehr und mehr die Hinneigung, bloß, ich möchte sagen, die Hälfte der Natur zu betrachten, nämlich die wachsenden, sprießenden, sprossenden Prozesse. Da, wo die Vernichtung beginnt, da, denkt man, höre das Dasein eben auf. Der Materialist kann gar nicht anders als so denken, denn er kann ja niemals Vorstellungen über das geistige Leben in der physischen Welt gewinnen, weil diese Vorstellungen über das geistige Leben in der physischen Welt eben da beginnen, wo die Zerstörungsprozesse beginnen. Aber er will nur die sprossenden Prozesse untersuchen, weil für ihn eigentlich nur die das Reale sind. Ihm entschlüpft sogar die Pflanze> wenn sie anfängt abzuwelken; da fängt er schon wiederum an, dasjenige zu untersuchen, was dann hinüberwächst, oder er untersucht in dem absterbenden Prozesse dasjenige, was dann als chemischer Rest übrigbleibt> das heißt auch wiederum das, was sich da herausentwickelt als das Entstehende. Das Wichtige ist: man will nicht hinlenken das Auge auf die eine Hälfte, auf das Vergehen. Aber aus dem Vergehen allein kann man eine Anschauung gewinnen über das Dasein des bewußten Seelenlebens. Das ist eine ungeheuer wichtige Vorstellung.

Indem sich die neuere Weltanschauung in der eben angedeuteten Weise entwickelt hat, indem sie nur immer den Blick hingerichtet hat auf das Sprießende, Sprossende, hat sie sich auch in die

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Unmöglichkeit versetzt, Geistiges zu schauen, denn das Geistige schlüpft aus den Dingen dort hervor, wo sie anfangen sich aufzulösen. So lange sie sprießen und sprossen, da arbeitet das Geistige in den Wesen drinnen, da tritt es nicht als Geistiges auf, da offenbart es sich äußerlich durch die materiellen Prozesse. Wenn das Geistige an sich erscheinen soll, dann müssen Zerstörungsprozesse vor sich gehen. Die Geister der Blüten, die Elementargeister der Pflanzen dürfen nicht bleiben, wenn die Blüten aufwachen, wenn die Blüten sich entwickeln, wenn die Sonne hervorzaubert durch ihre tönende Welle das sprießende und sprossende Leben. «Trifft es euch, so seid ihr taub!» Man lese diese Worte vom Beginne des Zweiten Teiles von Goetbes «Faust» mit Verstand: Da müssen sie untertauchen; sie können dann heraus, wenn das sprießende, sprossende Leben zurücktritt.

Sehen Sie, so lebendig ist die dichterische Anschauung zum Beispiel bei Goethe, daß er durchaus das empfindet: wie nun das Sprießende, Sprossende der Sonnenoffenbarung hervorkommt, da müssen sich die Elfenwesen wieder zurückziehen. Wir haben das ja dar- gestellt zur Freude unserer Kleinen, die sich sehr gerne geduckt ha- ben, als sie das hörten. Aber das wird Ihnen ersichtlich sein, daß gewissermaßen aus dem Anblick der physisch absterbenden Welt, aufsteigt das Geisternebelreich und schließlich überhaupt das Geister- reich. Es ist nicht so ganz ohne Sinn, wenn die Volksvorstellung sagt, daß die Bäume erst faulen müssen, und uns nur da, wo sie faulen, Geist-Erscheinungen zeigen. Wenn wir hinausgehen und irgendwo einen faulenden, dürren Baumstamm haben, dann zeigt er eigentlich erst das Geist-Erscheinen. Es muß überall erst Zerstörung da sein, wenn das Geistige erscheinen soll.

Allerdings besteht gerade das neuere Geistesleben darin, daß sich gewissermaßen die Seelen zurückgezogen haben von einem so intirnen Miterleben mit der Außenwelt, daß man wirklich auch das Vergehende und damit das Geistig-Lebendige fühlen kann. Und daher ist es so, daß die Menschen, wenn man ihnen heute von dem Geistigen redet, sich überhaupt gar keine Vorstellung machen können. Denn die Welt betrachten sie nur soweit sie sprießt und sproßt; wenn sie damit aufhört, wenn sie sich abbaut, ja dann geht sie eben

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aus der Wirklichkeit hinaus. Wenn man nun den Menschen von dem wirklichen, wahren Leben spricht und davon, daß Geistiges aufsteigt aus dem Vergehen, da finden sie, daß sie von irgend etwas hören, was ihnen gar nichts gibt, gar nichts sagt. Und so kann es denn wirklich passieren, daß man heute zu einer äußeren Versammlung, die noch nicht vorbereitet ist durch gewisse geisteswissenschaftliche Begriffe, redet von dem, was als Geistiges in der Welt lebt, und die Leute nicht wissen, ob man ihnen überhaupt von irgend etwas redet. Und so ist denn für solche Leute die Weltanschauungsfrage vollständig in das Gebiet des Gleichgültigen gekommen. Es ist ihnen schon ganz gleichgültig geworden, was man als den Dingen zugrunde liegend findet.

Da kann man etwas erleben, wie es einmal bei einem Vortrage geschah. Sie wissen ja, unser innigstes Bestreben ist, diejenigen fern zu halten, die zumeist als die wenigst Vorgebildeten in den Vorträgen sitzen: das sind diejenigen, die in den Zeitungen schreiben; die verstehen ja zumeist am allerwenigsten von dem, was da geredet wird. Aber zuweilen kommt es vor, daß solche ganz gescheiten Leute der Gegenwart doch nicht ferne gehalten werden können. Es kann ja nicht überall so radikal vorgegangen werden, wie jüngst an einem Orte Österreichs, wo einfach, als der Journalist angekommen ist, unser Vorsitzender gesagt hat: Sie werden ja doch nichts verstehen, bleiben Sie lieber weg. - Der Mann hatte noch dazu ein gekauftes Billett, nicht einmal ein Freibillett. Es kann ja nicht überall so gehen. Und so kam es wirklich ein anderes Mal auch vor, daß der Berichterstatter geschrieben hat: Ja, was soll denn überhaupt die ganze Geisteswissenschaft? Es ist doch klar: der eine stellt sich die Welt so vor, der andere so. Alles das hat gleiches Recht. - Und so breitet sich die üppigste Interesselosigkeit, Gleichgültigkeit mit ungeheuerster Frivolität über alles, was Weltanschauungsfrage ist, an vielen Orten in unserer Zeit aus. So ist einmal über einen Vortrag geschrieben worden: «Nun ja, der eine sieht eben die Welt an als einen Baukasten, der andere braut Krötengallen mit Gedärmen von Tigern zu- sammen, der dritte ist Monist, der vierte starrt in das Dickicht und denkt gar nichts dabei, der fünfte sieht durch zwei Brillen die Seelenkräfte

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an, und so könnte - sagt der Betreffende - man noch weiter fortfahren.» Es ist ihm also alles gleichgültig.

Diese Interesselosigkeit gegenüber dem geistigen Ergreifen der Welt, die ist nicht im Schwinden, sondern die ist gerade im Ausbreiten, die wird immer zunehmen, wenn nicht geisteswissenschaftliche Vertiefung in unsere Welt hineindringt. Geisteswissenschaftliche Vertiefung wird ja den allergrößten Wert dadurch haben, daß sie eben nicht bloß das Begriffsvermögen, das Ideenvermögen der Menschen in Anspruch nimmt, sondern daß sie die ganze Seele der Menschen ergreift, durchtränkt, daß der Mensch sich wirklich darinnen stehend fühlt als der Mikrokosmos im Makrokosmos, daß er wirklich im einzelnen darinnen erlebt dasjenige, was, ich möchte sagen, sich erst aufbaut aus den Zerstörungsprozessen. Dadurch erlangen wir ja allein ein wirkliches Miterleben mit den Toten, daß wir in dem ZerstörUngsprozeß des Todes den Prozeß sehen, auf Grund dessen sich erhebt das geistige Sein des Menschen nach dem Tode, das dann wirkt bis zu einer neuen Geburt.

So muß denn Geisteswissenschaft zugleich werden ein Hineinleben in die Wahrheit dar Dinge, ein Ergriffenwerden von der Wahrheit der Dinge. Neueres Geistesleben ist ein Sich-Entfernen von der Wahrheit, ein Gleichgültigwerden. Es wird einem gleichgültig, ob man hellseherisch in die Dinge hineinschaut oder ob man «Krötengalle mit Tigerdärmen zusammenbraut». In kulturell-ethischer Beziehung ist das neuere Geistesleben auf dem Wege der frivolsten, der zynischen Gleichgültigkeit gegenüber allem Dasein, das in den Tiefen der Wesen vorhanden ist. Im entgegengesetzten Sinne entwickelt sich die Geisteswissenschaft, da die Seele des Menschen einfach da- durch> daß er sich für die Ergebnisse der Geistesforschung interessiert, ergriffen, hineingetragen und verwoben wird in den kosmischen Prozeß. Man braucht nicht hellsehend zu sein, sondern nur wacker mitzuerleben die Ergebnisse des Hellsehertums, sich bekannt zu machen mit der Geisteswissenschaft, da wird man von dem, was man da als geisteswissenschaftliche Begriffe aufnimmt, gepackt und hineingetragen in ein lebendiges Miterleben und Mitempfinden des Kosmos. Dazu ist allerdings notwendig, daß man nicht

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bloß Geisteswissenschaft so betrachtet wie etwas, wovon man sich lexikalische Kenntnisse verschafft, sondern immer wieder und wiederum das, was Geisteswissenschaft gibt, in seiner Seele lebendig macht, und weiter und weiter dringend in Gedanken durch arbeitet; man braucht zunächst nicht hellseherisch zu sein, aber man muß sich gewöhnen, die Dinge des Lebens von den verschiedenen Seiten im geisteswissenschaftlichen Sinne zu betrachten. Daher werden die Dinge bei uns von den verschiedensten Seiten her charakterisiert. Dann packen einen einfach die Erlebnisse und tragen die Seele mit ihrem Empfinden, wenn auch noch nicht mit ihrem Erkennen, hinein in das Leben und Weben des Geistigen und des sich materiell offenbarenden Geistigen.

Aber damit stellt sich dasjenige, was Geisteswissenschaft bewirken will in Erkenntnis, in Kunst, in dem religiösen Empfinden, in dem ethischen Wollen, hinein in unser Geistesleben als etwas, wovon man sich bewußt sein muß, daß es als ein Neues aufgeht. Und derjenige, der Geisteswissenschafter ist, muß sich dieser Neuheit bewußt werden. Ich habe das gestern in einem anderen Falle angedeutet: nämlich mit Bezug darauf, daß wir selbst den Christus neu zu gestalten haben und wie unsere Christus-Figur gegenüber dem Michelangelo-Christus eigentlich sehr verändert gestaltet ist. So gründlich müssen wir mutvoll unser Denken und Empfinden gegenüber der Welt neu gestalten können. Dann wird die Menschheit wiederum ein Gefühl bekommen von demjenigen, was ganzes Leben ist, wirkliches intensives, lebendiges Leben. Denn das hat aufgehört; wo wir hinschauen in unserer Umgebung, hat das aufgehört, dasjenige, was noch Goethe empfand als er sagte: Die Kunst muß sein der Ausdruck, der wahre Ausdruck lebendiger Weltengesetze. Sie muß sein eine Interpretation geheimnisvoller Naturgesetze. - Das wird in unserer Gegenwart nicht mehr verstanden. Daher sieht man, wie auf allen Gebieten sich allmählich von dem inneren wirklichen Wahrheitsleben ab- gliedert dasjenige, was als Erkenntnis auf der einen, was als Kunst auf der anderen Seite auftritt. Man spricht heute in der Kunst so gerne von Kompositionen, von Zusammenstellungen einzelner Glieder. Es ist schon ganz, ich möchte sagen, entschwunden, was Kunst

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in älteren Zeiten war, und was sie wieder werden muß: ein Heraus- erschaffen aus der Wahrheit der Dinge selber. Es ist im eminentesten Sinne, man möchte sagen, eine ahrimanische Verschwörung gegen die Wahrheit, die durch die Welt gegenwärtig zieht und die sowohl auf künstlerischen wie auch auf Erkenntnisgebieten zutage tritt.

Auf dem Erkenntnisgebiete sehen wir ja überall ein Haften an dem bloß sinnenfällig Wahrgenommenen. Wir sehen Ähnliches auch in der Kunst. Wir sehen, wie allmählich in den Menschen die Möglichkeit erstirbt, die innere Wahrheit der Dinge zu fühlen und zu empfinden. Und so können Kunstwerke entstehen, und sogar, ich möchte sagen, weit über die gebildete Welt hin bewundert werden, wie der Roman «Jean.Christophe» von Romain Rolland.

Aber wenn jemand aus wirklicher Kunst heraus bildet, jemand, der innere Wahrheit, innere waltende Wahrheit empfindet, der braut nicht ein solches «Kunstwerk» wie den «Jean.Christophe» zusammen; der weiß, daß die Individualität eines Beethoven, Richard Wagner, Strauß, Gustav Mahler, jede für sich innere Wahrheit ha- ben. Braut man sie zusammen, so erzeugt man ein widerwärtiges Chaos einer dekadenten Kunst, wie es dieser «Jean-Christophe» ist, der aber zum Leidwesen aller derjenigen, die mit wirklicher Kunst etwas zu tun haben - es muß auch solches gesagt werden -, über die ganze gebildete Kulturwelt hin bewundert wird, bewundert wird, weil, ich möchte sagen, eine geheime Verschwörung besteht gegenwärtig gegen die wirkliche wesenhafte Wahrheit. Ja, man merkt gar nicht einmal, daß man sich durch die Bewunderung eines solchen so- genannten Kunstwerkes gegen die Wahrheit, gegen die wirkliche, wesenhafte Wahrheit versündigt, wenn man statt lebendiger IndividuaIitaööten, die aus dem lebendig Einheitlichen heraus gebildet sind, ein chaotisches, törichtes Zeug, das aus allem Möglichen zusammen komponiert ist> gelten läßt.

Man muß schon nach den verschiedenen Quellen des Verkehrten hinschauen, aus denen in unserer Gegenwart die Seelen so gerne schöpfen; man muß ruhig und mutig dieses Verkehrte sich eingestehen, um das ganz Bedeutsame des Impulses der Geisteswissenschaft, um sein Eingreifen in die lebendige Wahrheitswelt der Menschheit

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sich zum Bewußtsein zu bringen. Dann aber wird man auch verstehen, daß wir in einem Zeitalter leben, in dem es klar werden muß, daß wir uns sagen: auf der einen Seite Sommerleben, sprießendes, sprossendes Leben: «Ex Deo nascimur»; auf der anderen Seite Winterleben, Zerstören des Lebens, aber hervorgehend Geist aus diesem zerstörten Leben in unserer Zeit nach dem Mysterium von Golgatha: «In Christo morimur.» Aber stehen bleiben darf die Menschheit in der Zukunft nicht allein auf diesem Boden, sondern wenn dieses sprießende und sprossende Sommerleben kommt, wenn der Schlaf des Erdengeistes kommt, dann müssen wir die Kraft finden, in den Schlaf des Erdengeistes hinein ein höheres, aus den Ergebnissen der hellseherischen Wissenschaft herauskommendes Leben der Seele zu entwickeln. Dann müssen wir sagen: So wie die Welt Sommerleben ist: «Ex Deo nascimur», und so wie die Welt Winterleben ist, und wie das Mysterium von Golgatha hineingestellt ist: «In Christo morimur», so seien wir uns bewußt, indem wir dem Schlafe des äußeren Erdenorganismus entgegengehen, dem Sommerleben, daß wir hin- eintragen können in diese Zeit dasjenige, was wir nun holen aus einem wirklichen Miterleben der geistigen Welt, daß wir den Geist hineintragen in die Zeit, da die Erde schläft: Pfingststimmung. Wenn wir so recht empfunden haben: «In Christo morimur», dann tragen wir die Pfingststimmung in diesen Schlafzustand der Erde hinein, indem wir hineinnehmen die Impulse, die uns Geistesw1s- senschaft geben kann.

Wir sind aus dem Göttlichen geboren, das sprießende, sprossende Natursommerleben ist Zeuge dafür. Wir leben mit dem Christus, das wollen wir; indem wir in die Winterzeit hineinleben, da die Erde wacht, nehmen wir die Christus-Impulse mit hinein in das absterbende Leben: «In Christo morimur.»

Aber indem wir wiederum dem Sommer entgegengehen mit dem Mysterium von Golgatha, tragen wir Pfingststimmung in das Leben hinein, damit wir geistig wach sind in der Finsternis des Sommerimpulses, im Sprießenden und Sprossenden, daß wir inmitten schlafen- der Erdengeister selber im Geiste erwachen: «Per spiritum sanctum reviviscimus.»

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ZWEITER VORTRAG Dornach, 24. Mai 1915

Versuchen wir, uns zunächst etwas vor Augen zu rücken, was öfter schon betrachtet worden ist in diesem oder jenem Zusammenhange: das ist das Verhältnis unserer Gedanken, unserer Vorstellungen zur Welt. Wie kann man sich das Verhältnis unserer Gedanken zur Welt vorstellen?

Denken wir uns in einem schematischen Bilde die Welt als äußeren Kreis und uns ihr gegenüber (Zeichnung S. 30). Nicht wahr, zu- nächst wird es uns allen klar sein, daß wir uns ein Bild der Welt machen in unseren Gedanken. Wie wir zu bewußten Gedanken in der physischen Welt kommen, wir haben gestern davon gesprochen. Das, was in unserem physischen Inneren durch unsere Seele vorhanden ist als unsere Gedanken, wollen wir durch diesen Kreis bezeichnen (kleiner innerer Kreis). Und ich will sagen: Dieser Kreis soll dasjenige darstellen, was wir als Inhalt unserer Seele mit Hilfe unseres Leibes, als unsere Gedanken über die Welt empfinden.

Nun wissen wir aus den verschiedenen Betrachtungen, daß das, was wir also Gedanken nennen, in uns eigentlich beruht auf einer gewissen Spiegelung. Ich habe ja öfter den Vergleich gebraucht, daß wir eigentlich auch wachend im Grunde außerhalb unseres physischen Leibes sind, und der physische Leib dasjenige, was uns zum Bewußtsein kommt, wie ein Spiegel zurückwirft. Wir dürfen uns also eigentlich nicht, wenn wir uns als seelisch-geistige Wesen denken, da drinnen denken, wo - um es deutlich zu sagen - unsere Gedanken durch unseren Leib zum Vorschein kommen, sondern wir müssen uns denken außerhalb unseres physischen Leibes auch im Wachzustande. So daß wir uns mit unserem Geistig-Seelischen eigentlich in die Welt hinein zu denken haben.

Und was wird denn eigentlich gespiegelt? Nun, wenn in uns Gedanken auftreten, so wird eben etwas im Weltenall gespiegelt. Es sei dasjenige, was im Weltenall lebt und in uns gespiegelt wird, durch diesen Kreis angedeutet (grün). So wie ich den gelben Kreis hier im

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menschlichen Organismus habe als Spiegelbild von etwas im Welten- all, so will ich etwas, was sich in unseren Gedanken spiegelt, durch diesen grünen Kreis in der Welt selber bezeichnen. Und wir können sagen: Das, was hier durch diesen grünen Kreis bezeichnet wird, das ist eigentlich das Reale, das Wirkliche, wovon unsere Gedanken nur das Bild sind, jenes Bild, das von unserem Leibe zurückgeworfen wird. Das alles ist natürlich nur schematisch gemeint.

Zeichnung aus GA 162, S. 30
Zeichnung aus GA 162, S. 30

Fassen wir so im richtigen Sinne auf, was eigentlich geschieht, wenn wir uns der Welt gegenüberstellen, dann müssen wir sagen, es wird etwas in uns erzeugt: Die ganze Summe unserer Vorstellungen wird in uns erzeugt als ein bloßes Bild von etwas, was in der Welt draußen ist. All das, was da in unserer Intelligenz drinnen ist, ist ein Bild von etwas, was in der Welt draußen ist.

Diejenigen, welche von dem wahren Tatbestand solcher Dinge in der Welt immer etwas gewußt haben, haben daher davon gesprochen, daß das Wahre des menschlichen Gedankeninhaltes in Wahrheit als die Weltgedanken im Universum ausgebreitet ist, und daß dasjenige, was wir als Gedankeninhalt haben, eben nur das Bild der Weltgedanken ist. Es spiegeln sich in uns die Weltgedanken. Wäre unser wahres Wesen nur in unsern Gedanken, dann wäre dieses unser wahres Wesen selbstverständlich nur Bild. Aber aus dem ganzen Zusammenhang muß uns ersichtlich sein, daß unser wahres Wesen nicht im Kopf ist, sondern daß unser wahres Wesen in der Welt darinnen ist, daß wir uns mit den Weltgedanken selber in uns nur

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spiegeln. Und was wir in uns finden können durch den Spiegelungsapparat unseres Leibes, das ist Bild von unserer wahren Wirklichkeit. All das ist ja in verschiedenen Zusammenhängen schon betont worden.

Wenn nun im Tode der physische Leib sich auflöst, lösen sich selbstverständlich auch die Bilder auf, die in uns entstehen. Dasjenige, was von uns bleibt, unsere wahre Wirklichkeit, das ist im Grunde genommen das ganze Leben hindurch dem Kosmos eingefügt, und es entwirft von sich selber nur während unseres Lebens durch unsern Leib ein Spiegelbild von uns. Hier, sehen Sie, liegt jene Schwierigkeit, auf welche die Philosophen fortwährend kommen, und die sie mit ihrer Philosophie nicht überwinden können, die Hauptschwierigkeit. Diesen Philosophen ist ja zunächst nichts anderes gegeben als dasjenige, was sie vorstellen. Aber bedenken Sie, daß aus der Vorstellung, aus dem Inhalt des Bewußtseins das Sein gerade herausgepreßt ist. Es kann nicht darinnen sein, denn was im Bewußtsein ist, ist nur Spiegelbild. Es kann das Sein nicht darinnen sein. Nun suchen die Philosophen das Sein durch das Bewußtsein, durch das gewöhnliche physische Bewußtsein. Sie können es so nicht finden. Und es ist ganz natürlich, daß solche Philosophien entstehen mußten wie die Kantsche zum Beispiel, die da sucht durch das Bewußtsein das Sein. Aber weil das Bewußtsein ganz natUrgemäßerweise nur enthalten kann Bilder des Seins, kann man 'zu nichts anderem kommen als dazu, anzuerkennen, daß man an das Sein mit dem Bewußtsein niemals herankommen könne. Wer tiefer blickt, der weiß dann, daß von all dem, was im Bewußtsein vorhanden ist, draußen in der Welt das Wahre, das Wirkliche ist, das sich im Bewußtsein nur abspiegelt. Aber was geschieht denn da eigentlich zwischen der Welt und dem Bewußtsein? Was da geschieht, das muß man als Geisteswissenschafter wohl auffassen. Gewiß, Bilder sind es nur, die da erzeugt werden durch den physischen Leib. Der physische Leib ist aus dem Universum heraus geschaffen. Er kommt so weit im Verlaufe des Lebens zwischen Geburt und Tod, daß er Bilder schaffen kann, ja ein Bild des ganzen Menschen schafft, das uns immer entgegentritt, wenn wir uns selber

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spiegeln durch unsern Leib. Nur ein Bild ist es, aber ein Bild ist es eben. Und was hat dieses Bild für eine Aufgabe im ganzen kosmischen Zusammenhang? Ja, dieses Bild, das muß entstehen. Denn, sehen Sie, in dem Augenblicke, wo wir aus der geistigen Welt durch die Geburt ins Dasein treten, ist eigentlich im Grunde genommen eine Epoche unseres Seins in gewissem Sinne zum Abschluß gekommen. Wir sind durch einen vorigen Tod in die geistige Welt eingegangen, tragen in die geistige Welt hinein gewisse Kräfte, leben diese Kräfte aus bis zu dem, was im vierten Mysteriendrama die Mitternachtsstunde des Daseins zwischen dem Tod und einer neuen Geburt genannt worden ist.

In der zweiten Hälfte des Lebens zwischen Tod und neuer Geburt sammeln wir dann Kräfte. Aber wo hinaus wollen diese Kräfte, die wir da sammeln? Sie wollen den neuen physischen Leib aufbauen, und wenn der neue physische Leib da ist, so haben die Kräfte, deren wir teilhaftig werden in der zweiten Hälfte zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, ihre Aufgabe erfüllt. Denn die wollen diesen neuen Leib darstellen. Die wollen sich zusammenfügen in dem neuen Leibe. Es arbeiten, kämpfen ja wirklich, man kann sagen, ganze Hierarchien daran, daß aus dem geistigen Weltall heraus dieser Mensch durch die Geburt ins Dasein treten kann, wie ich das angedeutet habe in dem zweiten Mysteriendrama durch die Worte des Capesius. Da sehen wir, was das hervorruft im menschlichen Gemüt, wenn der Mensch gewahr wird, was es bedeutet, daß ganze Götterhierarchien beschäftigt sind damit, den Menschen in die Welt hineinzustellen.

Aber es ist, ich möchte sagen, mit diesen Kräften, indem sie den Menschen zustande bringen, etwas ganz ähnliches, wie es mit den alten Keimen einer Pflanze ist: Wenn die neue Pflanze hervorgekommen ist, dann hat der alte Keim seine Aufgabe erfüllt; er beansprucht nicht mehr, als eine Pflanze hervorzubringen. Diese Pflanze wird aufgerufen durch den Kosmos wieder einen Keim hervorzubringen. Sonst wäre keine weitere Entwickelung da, und das Pflanzenleben hätte abreißen müssen mit dieser Pflanze. So müßte, wenn hier nicht das Bilderbewußtsein auftauchen würde, das Menschenleben

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abschließen mit der Erneuerung des Lebens zwischen Geburt und Tod. Dies, was da als Bild der Welt erscheint, das ist der neue Keim, der nun durch den Tod geht und eben wiederum durch den Tod in ein neues Leben hinübergeht. Und dieser Keim, er ist nun wirklich so, daß er nichts von dem alten Realen hinüberbringt, sondern daß er beim Bilddasein, beim Nichts beginnt, wirklich in bezug auf die Realität, auf die äußere Realität beim Nichts beginnt. Bitte fassen Sie hier einen Gedanken, der von ungeheurer Bedeutung ist. Denken Sie sich einmal, Sie stehen der Welt gegenüber.

Nun gut, die Welt ist da, Sie sind auch da. Sie sind aber aus der Welt hervorgegangen, die Welt hat Sie geschaffen, Sie gehören zur Weltdazu. Nun soll es weitergehen, das Leben. In dem, was als Wirklichkeit in Ihnen ist, was die Welt in Sie hineingesetzt hat - diese Welt, die Sie anschauen innerhalb des physischen Planes -, da ist nichts,was das Leben weiterfiihren kann. Aber etwas kommt hinzu: Sieschauen die Welt an, machen sich ein Bild, und dieses Bild gewinnt die Kraft, Ihr Dasein hinauszutragen in weitere unendliche Fernen. Dieses Bild wird zum Keim der Zukunft.

Wenn man das nicht bedenkt, dann wird man niemals begreifen, daß neben dem Satze: Aus Nichts wird nichts -, auch der andere Satz seine volle Richtigkeit hat: Im tiefsten Sinne wird das Dasein stets aus dem Nichts erzeugt. - Beide Sätze haben ihre volle Richtigkeit; man muß sie nur an der richtigen Stelle anwenden. Die Kontinuität des Daseins hört damit nicht auf. Wenn Sie, sagen wir, am Morgen aufwachen würden und würden finden, daß gar nichts übrig geblieben wäre physisch von Ihnen - so ist es in der Tat, wenn man einer neuen Geburt entgegengeht -, aber nur die volle Erinnerung hätten an dasjenige, was geschehen wäre, also bloß Bild hätten, so würden Sie ja ganz zufrieden sein. Tiefere Geister haben selbstverständlich solche Dinge immer gefühlt. So wenn Goethe die zwei Dichtungen nebeneinander gestellt hat: «Kein Wesen kann zu Nichts zerfallen», und unmittelbar vorangegangen war das Gedicht, das den Sinn hat: <Alles muß in Nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren will.» Diese beiden Gedichte stehen ja bei Goethe als scheinbarer Widerspruch ganz beieinander> unmittelbar hintereinander.

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Aber für die gewöhnliche Philosophie liegt hier eine Klippe vor, weil sie eben tatsächlich aufsteigen muß in die Negation des Seins.

Nun könnte man wieder die Frage aufwerfen: Was spiegelt sich denn da eigentlich, wenn das alles, was sich hier spiegelt, nur die Weltgedanken sind? Wie ist man dann eigentlich sicher, daß man da draußen in der Welt eine Wirklichkeit hat? Und da kommt man hin zu der Notwendigkeit, anzuerkennen, daß eben durch das gewöhnliche menschliche Bewußtsein überhaupt die Wirklichkeit nicht verbürgt werden kann, sondern daß die Wirklichkeit nur verbürgt werden kann durch jenes Bewußtsein, welches in uns selber heraufsteigt in die Regionen, wo die Imaginationen sind, und man hinter den Charakter der Imaginationen kommt. Dann findet man, daß da draußen in der Welt, hinter dem, was ich als grün angedeutet habe, eben nicht bloß Weltgedanken sind, daß diese Weltgedanken die Ausdrücke sind für die Weltenwesen. Aber sie sind durch die Weltgedanken verschleiert, so wie das menschliche Innere verschleiert ist durch den Inhalt des Bewußtseins. Also wir schauen in die Welt; wir vermeinen, die Welt zu haben in unserem Bewußtsein: da haben wir das Nichts, ein bloßes Spiegelbild. Dasjenige was sich spiegelt, sind selber nur Weltgedanken. Diese Weltgedanken aber gehören realen, wirklichen Wesenheiten an, den Wesenheiten, die wir eben als geistig-seelische Wesenheiten kennen, als Gruppenseelen der niederen Reiche, als die Menschenseelen, als die Seelen der höheren Hierarchien und so weiter.

Nun wissen Sie ja, daß gewissermaßen die Erdenentwickelung der Menschheit in zwei Hälften zerfällt. In der älteren Zeit war eine Art traumhaften Hellsehens vorhanden. Durch dieses traumhafte Hell- sehen haben die Menschen gewußt, daß hinter dieser Welt, die zuletzt von den Menschen in Gedanken erfaßt wird, eine Welt wirklicher geistiger Wesenheiten vorhanden ist. Denn in dem alten traumhaften Hellsehen nahmen die Menschen eben nicht bloß Gedanken wahr, so wie der neuere Hellseher, der etwa durch die Methoden von «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» wiederum in ein Verhältnis zur geistigen Welt tritt, auch nicht bloße Gedanken wahrnimmt, sondern Weltenwesen. Ich habe ja das des öftern

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anschaulich zu machen versucht, so daß ich sogar gesagt habe in ei- nem der Münchner Vorträge: Man steckt so in Wesen hinein den Kopf, wie wenn man in einen Ameisenhaufen hinein den Kopf stecken würde: die Gedanken beginnen zu wesen und zu leben. - So war es bei den Menschen der älteren Zeit. In ihrem wahrnehmenden Bewußtsein lebten sie nicht nur in Gedanken, sondern sie lebten in den Weltenwesen. Aber es war notwendig - und wir wissen durch die verschiedenen Vorträge, die gehalten worden sind, aus welchen Gründen es notwendig war -, daß dieses alte Hellsehen gewissermaßen abdämmerte, aufhörte. Denn dasjenige, wodurch der Mensch sein jetziges Bewußtsein erhielt, das er notwendig braucht, um zu einer wirklichen inneren Freiheit zu kommen, das setzte voraus, daß das alte Hellsehen langsam abdämmerte, verschwand. Es mußte eine Zeit kommen, wo der Mensch gewissermaßen angewiesen blieb auf dasjenige, was er ohne jegliches Hellsehen in der Welt wahrnehmen kann. Da war er natürlich abgeschnitten, völlig abgeschnitten von der geistigen Welt, wenn man die Sache extrem ausdrückt.

Selbstverständlich waren ja immer einzelne Geister da, die in die geistige Welt hineinschauen konnten. Aber während das alte Hellsehen das Allgemeine war, wurde nun eine Zeit hindurch das Abgeschnittensein vom Hellsehen gewissermaßen äußere Menschheitskultur. Und wir wiederum suchen durch unsere geisteswissenschaftlichen Bestrebungen das bewußt errungene Hellsehen dieser Menschheitskultur wieder einzuprägen. So daß wir sagen können: Es sind zwei Entwickelungsperioden der Erdenmenschheit da, die getrennt sind durch eine mittlere Epoche. Die erste ist eine Periode, in der geherrscht hat traumhaftes Hellsehen: die Menschen wußten sich in Verbindung mit einer geistigen Welt, sie wußten, daß im Weltenall nicht bloß Gedanken spuken, sondern daß Weltenwesen hinter den Gedanken sind, Wesen, wie wir ja selber es sind, die diese Weltgedanken denken. Dann wird eine Zeit kommen, wo man das wiederum wissen wird, aber durch selbsterrungenes Hellsehen wissen wird. Und dazwischen liegt die Episode, wo die Menschen abgeschlossen sind. Fassen wir dasjenige, was da gesagt worden ist, einmal recht tief ins Auge, so mussen wir sagen: Eigentlich müssen wir

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erwarten, daß in der Menschheitsentwickelung einmal das eingetreten ist, daß man wahrgenommen hat: Ja, es hat gar keinen Sinn, bloß zu denken, da drinnen in diesem Gehirn seien Gedanken. Denn wären bloß diese Gedanken, diese Bilder da drinnen, und bildeten nichts ab, so wäre es am besten, wenn man alles Denken einstellte! Denn wozu sollte man über eine Welt denken, wenn diese Welt keine Gedanken in sich enthielte?

Gewiß, im 19. Jahrhundert waren die Menschen recht zufrieden damit, daß die Welt keine Gedanken enthalte, und sie dachten doch über die Welt nach. Aber das 19. Jahrhundert hat ja eben über die intimsten Angelegenheiten des Lebens die Gedankenlosigkeit gebreitet. Es hatte die Aufgabe, diese Gedankenlosigkeit zu bringen. Aber wir dürfen doch vermuten, daß einmal vielleicht irgend jemand darauf gekommen ist, in der folgenden Weise zu denken, sich einmal zu sagen: Einen Sinn hat es doch nur, wenn man annimmt, daß nicht nur da drinnen im Gehirn Gedanken sind, sondern daß die ganze Welt von Gedanken voll ist. - Hätte er nun gleich zu unserer Geisteswissenschaft vorrücken können, ja dann würde er gesagt ha- ben: Gewiß, da draußen im Weltenall sind Gedanken, aber es sind eben auch Wesen, die diese Gedanken hegen, so wie wir unsere Gedanken hegen. Es sind die Wesen der höheren Hierarchien.

Aber diese Zeit, die mußte ja erst kommen, sozusagen nachdem die Menschheit den tiefen Fall getan hat in den Materialismus, das heißt in den Glauben, daß die Welt keine Gedanken hat.

Man könnte nun versucht sein, denjenigen Menschen, der diese Gedanken sich gebildet hat: Da drinnen die Gedanken können nur Bilder sein des großen Weltendenkens, man könnte versucht sein, diesen Menschen in Hegel zu suchen. Aber es würde doch nicht ganz stimmen; denn Hegel lebte in einer Periode, in der immerhin schon durch dasjenige, was vorangegangen war in Fichtes Opposition gegen Kant, aus, ich möchte sagen, neu erstandenen Keimen eines geistigen Bewußtseins geschöpft werden konnte. Es konnte die Hegelsche Philosophie nicht konzipiert werden, ohne daß schon in das materialistische Zeitalter hinein ein Funke fiel von spirituellem Denken. Wenn auch die Hegelsche Philosophie noch in vieler Beziehung ein

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rationalistisches Stroh ist, aus dem ausgepreßt ist der Geist, so konnten doch diese Gedanken von der Weltenlogik nur gefaßt werden aus dem Bewußtsein heraus, daß Geist in der Welt ist. Das kann es also nicht sein, was man Hegelsche Philosophie nennt, das kann es nicht sein, wo der tragische Augenblick gekommen wäre, sich zu sagen: In der Welt draußen sind Gedanken, und diese Gedanken sind das wirklich Reale, das richtige, wirkliche Reale . . . Und wo wäre nun die Zeit, die so weit gediehen war, daß sie sozusagen den Schleier über alles Spirituelle gezogen hatte und sich zugleich sagte: Die Gedanken sind das Reale in der Welt, und hinter diesen Gedanken können keine geistigen Wesen mehr sein -? Man brauchte es nicht auszusprechen, man brauchte es nur sozusagen unbewußt zu fühlen,dann stand man da in der Welt und sagte sich: Ja, mit dem individuellen Leben ist es eigentlich nichts! Das individuelle Leben hat doch im Grunde genommen nur einen Wert zwischen Geburt und Tod. Denn dasjenige, was wirklich lebt, sind nicht die Menschengedanken, sondern sind die Weltengedanken, ist eine Weltenintelligenz, aber eine Weltenintelligenz ohne Wesenheit. - Und ich glaube, man könnte sich keine größere Tragik denken, als wenn etwa zu dieser inneren Erkenntnis-Empfindung, sagen wir, ein katholischer Priester gekommen wäre!

Dasjenige, was geschieht, geschieht aus Weltennotwendigkeitenheraus. Nehmen wir an, es wäre gar ein katholischer Priester darauf gekommen... - er hätte sehr leicht darauf kommen können, denn die Scholastik hat ja das Denken wunderbar geschult, und nur wenn man gedankenloses, nicht geschultes Denken hat, kann man glauben, daß die Gedanken nur im Kopf sind und nicht draußen in der Welt -, dann würde gewissermaßen dieser katholische Priester sich selber den Boden unter den Füßen entzogen haben. Denn er würde durch das, daß er als das Ewige nur die Weltgedanken anerkannt hätte, die ganze Welt weggewischt haben, welche durch die Offenbarung als geistige Welt sozusagen ihm zu glauben vorgeschrieben war.

Man kann wirklich sagen: Dasjenige, was durch die Geisteswissenschaft vorausgesetzt werden kann, das geschieht auch in der Welt. Wenn wir irgendwo die Notwendigkeit haben, erst etwas vorauszusetzen

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als notwendig und wir sagen müssen: ein Moment muß einmal in der Welt dagewesen sein, wo man so etwas gefühlt hat -, dann ist er auch dagewesen, dieser Moment, ganz gewiß dagewesen. Und selbst wenn er ganz unberücksichtigt vorübergegangen ist, so ist er dagewesen.

Ich möchte auf diesen Moment hinweisen, diesen Moment, wo man so recht sehen kann, wie in einen Konflikt kommt dasjenige, was noch nicht da ist, aber sich vorbereiten will, Anerkennung will, Anerkennung der Weltgedanken, aber noch nichts wissen will von dem, was hinter diesen Weltgedanken als die Welt der höheren Hierarchien ist.

1769 erschien in London eine Broschüre «Lettres sur l`esprit du sie`cle». Da waren Anspielungen auf solch eine Stimmung darinnen, wie ich sie charakterisiert habe. Und 1770 erschien in Brüssel eine andere Broschüre «Syste`me de la nature. La voix de la raison du temps et particulie`rement contre celle de l`autre syste`me de la nature.» Dieses «Autre syste`me de la nature» war dasjenige von Baron Holbach, gegen das sich diese Broschüre gerade richtet. Diese Broschüre sagte, sie wolle auftreten gegen dasjenige, was Baron Holbach als Materiali`st in seinem System der Natur vertrat. Aber die zwei Broschüren wurden kaum gelesen, ganz vergessen.

Nun stellte sich aber das Merkwürdige heraus, daß 1865 ein schönes Buch erschien, in Poitiers, von Professor Beaussire, mit dem Titel «Ante`ce`dents de l`He`ge`lianisme dans la philosophie Fran~aise». Dieses Buch, das 1865 erschienen ist, war ein zweibändiges Werk und war etwas früher geschrieben worden als die beiden genannten Broschüren, also etwa in den Jahren 1760 - 1770 und rührte her von dem Benediktinermönch Leodegar Maria Deschamps, der 1733 in Rennes geboren und 1774 als Prior eines Benediktinerklosters in Poitou gestorben ist. Der erste Band enthielt dasjenige, was Deschamps dazumal genannt hat: «Le vrai syste`me.» Er ist, zusammen mit Teilen des zweiten Bandes, erst 1865 erschienen. So lange lag er als Manuskript in der Bibliothek von Poitiers. Kein Mensch hat sich darum gekümmert, mit Ausnahme eben der Zeit, in der es geschrieben worden ist. Dasjenige, was Deschamps - denn von ihm rührten

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auch die beiden Broschüren her, von welchen ich gesprochen habe -, was Deschamps ausdrücken wollte, 1769 und 1770, das ist nun ausgedrückt in einem starken ersten Band, der nach einem Jahrhundert also herausgegeben ist von Professor Beaussire; das ist da enthalten. Und der zweite Band enthielt eine ausführliche Korrespondenz und eine Darstellung über all die Bemühungen, die sich Deschamps damals gegeben hat - versetzen wir uns in die Zeit, zu der das war: nämlich vor Ausbruch der Französischen Revolution -, schilderte all die Bemühungen, die Deschamps gemacht hat, um sein «vrai syste`me» irgendwie zum Durchbruch zu bringen. Wir erfahren da, daß der Mann wirklich, ich möchte sagen, zwischen zwei Feuern gestanden hat: Das eine war, daß man ihm überall, wo man sein «vrai syste`me» kennenlernte, bedeutete, daß er als Priester unbedingt den härtesten Strafen verfallen würde, wenn der Kirche das «syste`me» irgendwie bekannt würde. Auf der anderen Seite interessierten sich aber auch die sogenannten Freigeister sehr wenig für seine Schrift. Sie faßten Interesse, aber sie alle wollten nicht einmal das tun, was er erbat: einen Verleger verschaffen. Rousseau, Robinet, Voltaire, der feinsinnige Abbe` Yvon, Barthe`lemy> auch Diderot, sie alle kannten dieses «vrai syste`me». Diderot wurde es sogar in seinem Salon vorgelesen. Er verstand es nicht gleich und wollte es daher zum Durchlesen behalten; aber der gute Priester Deschamps war so ängstlich, daß er es wieder mitnahm, weil er es nicht in andere Hände geben wollte. So war er immer zwischen diesen zwei Dingen: auf der einen Seite sollte sein «vrai syste`me» ja nicht bekannt werden; auf der anderen Seite wollte er, daß es nun wirklich von der Menschheit Besitz ergreife.

Nun schauen wir uns einmal dasjenige an, was Deschamps in seinem ersten Bande als sein «vrai syste`me» darstellte. Er stellte wirklich dasjenige dar, wovon ich eben gesprochen habe, daß es einmal auftreten mußte. Er nennt dasjenige, was da drinnen ist im Kopfe (siehe Zeichnung S. 40), indem er es als Kraft bezeichnet, «intelligence»; und er nennt dasjenige, was da draußen ist, was ich hier grün gezeichnet habe, «entendement». Und das Bedeutsame ist, daß er erkannte: Ja, wenn man da nun dieses ganze Gedankenmassiv der

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Welt ins geistige Auge faßt, so ist es ein Gewebe von Weltengedanken. Schaut man nur den einzelnen Gegenstand an, so hat er eigentlich nur einen Sinn dadurch, daß er sich in das ganze Gewebe von Weltengedanken hineinstellt. Er ist im Grunde genommen für sich nichts. Das, was etwas ist, was da ist, ist das ganze Gewebe von Weltengedanken.

Zeichnung aus GA 162, S. 40
Zeichnung aus GA 162, S. 40

Und deshalb unterscheidet Deschamps «le tout» und «tout». «Le tout» nennt er das ganze Gedankenwesen der Welt, und er unterscheidet «le tout» vom «tout». Das erste ist die Summe von allen Einzelheiten. Ein feiner Unterschied, wie Sie sehen. «Le tout», das ist das Ganze, das All, das Universum, der Kosmos; «tout» ist alles, was als eine Einzelheit betrachtet wird. Aber das, was als Einzelheiten betrachtet wird, ist zugleich, wie er sagt, «rien»; «tout» ist «rien»; das ist eine Gleichung. Aber «le tout», das bedeutet in seinem Sinn: Gedankenuniversum.

Die mehr materialistisch gesinnten Geister wie Robinet und sei- nesgleichen, die konnten nicht begreifen, was er eigentlich meinte. Und so konnte man ihn gar nicht verstehen. So konnte es dann kommen, weil sozusagen der materialistische Hang schon da war, daß man die Werke dieses Benediktiner-Priors vermodern ließ. Denn, nicht wahr, daß schließlich 1865 ein Professor das Werk her- ausgegeben hat -, ist ja schließlich nichts Besonderes. Das tat man nämlich immer, daß man solche alten Scharteken - haben sie nun was immer für einen Inhalt - sammelt und herausgibt.

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Also es ist die Zeit, die heraufziehen sollte, die Zeit des Materialismus hinweggegangen über dasjenige, was in der einsamen Seele, dem einsamen Geiste eines Benediktiner-Priors Platz gegriffen hatte.

Es ist der heutigen Menschheit wahrscheinlich schwer, wenn sie nun lernen soll, sich tiefer hineinzufinden in die entsprechenden Ausdrücke, die wirklich ganz wunderbare Ausdrücke sind, nament lich durch die Art, wie hier eines zum anderen gestellt wird: «tout, nen» nennt er zugleich, indem er weiter geht die Welt zu bezeichnen, <etAre sensible»; und dann bildet er den Ausdruck «ne`antisme» auch rienisme», ja sogar «ne`antete`» und «rienite`». Und jetzt betrachten Sie das Verhältnis zwischen ne`antisme, rienisme, ne`antete`, rienite`,und dem, was wir Maja nennen, und Sie werden sehen, wie nahe allediese Dinge einander stehen, und wie da verschwindet in das Zeitalter des Materialismus hinein, ich möchte sagen, das, was instinktiv noch vorhanden war aus dem früheren Bewußtsein des Hineinschauens in eine geistige Welt, von dem der letzte Rest geblieben ist: <le tout», die kosmische Gedankenwelt.

Man muß selbstverständlich bei einem solchen Denker die Größe auch dann anerkennen, wenn er einem 150 oder 160 Jahre später nicht mehr zusagen kann. So bin ich ja überzeugt, daß wenn etwa unsere lieben weiblichen Freunde diese zwei Bände sich nun aus irgendeiner Bibliothek verschaffen würden, und würden sich durch den schweren philosophischen Teil der ersten Hälfte des ersten Bandes hindurchgearbeitet haben und dann die zweite Hälfte des ersten Bandes lesen, so würden sie leise wütend werden über die Ansichten, die nun Deschamps über die Stellung der Frau entwickelt, denn darüber hat er verzweifelt unmoderne Anschauungen und betrachtet, ganz im Sinne Platos, die Frau vom Gesichtspunkte des Kommunismus. Also wir dürfen nicht etwa alles in Bausch und Bogen nehmen wollen, was bei Deschamps sich findet. Aber wodurch er eine so interessante Persönlichkeit ist, das müssen wir ins Auge fassen, gerade wenn wir den Fortgang der Entwickelung der Menschheit betrachten wollen. Das Wichtige ist aber, daß wir an ihm gleichsam verglimmen sehen eine geistgemäße Anschauung. Er wird nicht einmal gelesen, man kann sogar sagen: nicht einmal gedruckt, trotzdem

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ihn die bedeutendsten Geister seiner Zeit kannten. Selbst ein so großer Geist wie Diderot hat nicht einmal die Veranlassung gefunden, irgendeine Empfehlung zum Druck zu geben. Das alles ist eben hineinversunken in den heraufkommenden Materialismus.

Sie sehen daraus, wie wir kraftvoll und energisch arbeiten müssen. Denn es handelt sich ja um nichts Geringeres, als einen neuen Impuls zu bringen der geistigen Entwickelung der Menschheit gegenüber dem, was, ich möchte sagen, so sicher und so stark herauf- gekommen ist, daß es alles, von einem bestimmten Zeitpunkte an, totgetreten hat, was noch an etwas anderes erinnerte, als an eine mehr oder weniger materialistisch gefaßte Weltanschauung.

Und Tragik war wirklich in dieser Persönlichkeit Deschamps. Denn er war ja Benediktinerpriester. Und das Kuriose war dies: der Baron Holbach sagte in seinem «System der Natur»: Die Religion ist das Schädlichste, was das Menschengeschlecht haben kann, Religion ist der größte Betrug, und müßte so schnell wie möglich ausgerottet werden -; demgegenüber sagte Deschamps: Nein, «le vrai syste`me» muß angenommen werden, und wenn die Menschen «le vrai syste`me» annehmen, dann wird die Religion verschwinden. Sie muß so- lange aber erhalten bleiben, bis die Menschen «le vrai syste`me» angenommen haben. Dann entfallen sozusagen all die Offenbarungswahrheiten, die dahinterstehen, und es setzt sich an deren Stelle das Gewebe von Weltengedanken. - Also dieser Priester, der außerdem jeden Tag seine Konviktsbuben den Katechismus und all dasjenige lehren mußte, was die Religion an Inhalt hatte, der wartete, bis sein «vrai syste`me» allgemeines Menschengut werden, und die Religion dadurch verschwinden würde! Darin liegt etwas im höchsten Grade Tragisches.

Wenn wir heute der äußeren Welt gegenüberstehen, die ja vielfach glaubt, schon über den Materialismus hinaus zu sein, die sich aber in dieser Beziehung furchtbar täuscht, dann handelt es sich ja natürlich vorzugsweise darum, nun zunächst den Gedanken wiederum den Menschen beizubringen, daß dasjenige, was wir als Wahrnehmungswelt in uns haben, eine Spiegelung der Wahrheit ist, und daß wir eigentlich mit unserem wahren Geistig-Seelischen immer

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außerhalb unseres Leibes sind. Ich habe dies schon einmal hier in an- derem Zusammenhange auseinandergesetzt. Ich habe auch damals darauf aufmerksam gemacht, daß ich ja erkenntnistheoretisch rein philosophisch dies vertreten habe am letzten Philosophenkongreß von Bologna. Nur hat leider dazumal niemand von den Philosophen etwas davon verstanden, was eigentlich philosophisch gemeint sein soll. Sogar der Vorsitzende des Kongresses, der berühmte Philosoph Paul Deußen, gehört dazu. Er sagte nach meiner Rede nur: Ja, von Theosophie habe ich schon etwas gehört. Ich habe eine Broschüre, die Franz Hartmann gegen die Theosophie geschrieben hat, gelesen. - Das war es, was dazumal Deußen zu sagen wußte auf meinen Vortrag, Deußen, einer, der, wie Sie wissen, bekanntesten und auf dem Gebiete der Indologie sogar am meisten verehrten Philosophen der Gegenwart.

Wir müssen uns aber klar sein darüber, daß es wirklich die erste Stufe sein muß: dieses eigentümliche Verhältnis des Geistig-Seelischen zu dem Leiblichen zunächst dem Weltenbewußtsein der Menschheit plausibel zu machen. Dann wird schon der Geist, der da wirkt im Entwickelungsgange der Menschheit, es dahin bringen, daß die Menschen eben mehr erkennen werden, als man im 18. Jahrhundert erkennen konnte, daß die Menschen sehen werden hinter dem «entendement» die Hierarchien und wissen, daß das «entendement» dasjenige ist, was die Hierarchien als den Gedankeninhalt der Welt ausleben, so wie wir durch unsere Wesenheit die Intelligenz, <intelligence» ausleben.

Manches aber wird notwendigerweise verbunden sein mit diesem Umschwung im geistigen Bewußtsein der Menschheit, von dem wir ja jet;t;t immer und auch in diesen Tagen in einem gewissen Zusammenhange gesprochen haben. Denn darauf kommt es ja vor allen Dingen bei uns an - ich muß es immer wieder und wiederum betonen -, daß wir nicht bloß ein Wissen in uns aufnehmen, sondern daß wir mit allen Fasern unseres geistig.seelischen Wesens uns verbinden mit den Ergebnissen der Geistesforschung: so daß wir lernen, im Sinne der geistigen Forschung zu denken, im Sinne der geistigen Forschung zu empfinden und zu fühlen. Dann mögen wir stehen,

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wo wir wollen im Leben, wo uns das Karma hingestellt hat - ob wir eine mehr materielle oder eine mehr geistige Beschäftigung haben -, wir werden dasjenige, das in uns spirituell empfunden, gefühlt und gedacht ist, in die einzelnen Verzweigungen des Lebens wirklich hineintragen.

Und das muß ja gesagt werden: Wer einen Fortgang, einen wirklichen Fortschritt der Kultur von etwas anderem erwartet als von einer solch spirituellen Vertiefung der Menschheit, der wird ihn vergebens ei-warten, wenn es nach ihm gehen müßte. Dasjenige, was die Menschheit wirklich weiterbringt, wird nur diese spirituelle Vertiefung sein; denn die Ereignisse, die sonst geschehen, sie werden nur zu einem gedeihlichen Ende gebracht werden können, wenn es möglichst viele Seelen gibt, welche spirituell fühlen, empfinden und denken können. Zusammentreffen muß das spirituelle Denken mit demjenigen, was sonst in der Welt geschieht, wenn Fortschritt sein soll in der Zukunft der Kultur.

Das, was als Karma des Materialismus sich ausleben muß, das erleben Sie jetzt, wenn Sie Umschau halten über dasjenige, was in der Welt geschieht. Es ist das sich auslebende Karma des Materialismus. Und derjenige, der in die Dinge hineinschauen kann, wird in allen Einzelheiten finden - selbst in allen Einzelheiten - das sich auslebende Karma des Materialismus.

Finden wird man den Weg in eine gedeihliche Zukunft hinein nur, wenn man sich zurecht findet durch das, was, ich möchte sagen, unter der Führung des Christus, im Gleichgewicht zwischen Ahriman und Luzifer, sich für das Empfinden der Seele ergibt, wenn man dieses Empfinden der Seele orientiert an den Ergebnissen der Geisteswissenschaft. Und man darf sich keiner Illusion darüber hingeben, daß dieses Empfinden und Fühlen wirklich nur aus der Geisteswissenschaft geholt werden muß, und daß ihm alles andere in der gegenwärtigen Welt entgegen ist, und daß wir uns selber der Geisteswissenschaft entgegenstellen, wenn wir uns nicht dazu bereit finden, gewissermaßen uns ganz in ihren Sinn hinein zu begeben. Denn sie allein hat es in bezug auf die gegenwärtige Menschheit mit dem Menschen als solchem zu tun, wirklich mit dem Menschen als

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solchem. Alles geht ja in der gegenwärtigen Menschheit dem Ziele zu, diesen Menschen als solchen zu verleugnen und anderes als den Menschen hinzustellen als dasjenige, für das man kämpfen, für das man arbeiten, an das man denken soll. Sie wissen ja, meine lieben Freunde, aus welchen Gründen ich auf Einzelheiten unserer Zeiterscheinungen seit Weihnachten nicht mehr eingehen kann. Aber im allgemeinen muß immer wieder und wiederum wenigstens an die Empfindungswelt derer, die im Bereich der Geisteswissenschaft stehen wollen, appelliert werden: Größtes in der neueren Entwickelung, das Keime enthält für das, was die Menschheit erlangen muß. Größtes ist dadurch erreicht worden, daß zurücktrat in gewissen Strömungen der Menschheitskultur das jenige, was bloß nationale Kultur, was bloß nationale Aspiration ge nannt werden kann. Denn der wahre innere Zug geht dahin, daß das Nationale durch das Geistige im Entwickelungsgang der Menschheit überwunden wird. Entgegen dem Fortschritte der Menschheit arbeitet alles das, was auf Vereinheitlichung von Weltterritorien unter nationalen Gesichtspunkten arbeitet. Gerade dort kann sich zuweilen im schönsten Maße entwickeln dasjenige, was vorwärts führt, wo abgeschlossen - von einem Gesamtmassiv getrennt - ein Teil einer Nationalität lebt, von der großen Masse der Nationalität abgesondert. Wie etwa wirklich Bedeutsames geleistet wurde dadurch, daß es außer den Deutschen im Deutschen Reiche noch Deutsche in Österreich und Deutsche in der Schweiz - abgesondert von den Deutschen im Deutschen Reiche, gibt. Und es wäre entgegen nicht nur dem Fortgange dessen, was man sonst denkt, sondern entgegen der Idee des Fortschritts, zu denken, daß eine Uniformität unter ei- nem nationalen Grundgedanken diese drei Glieder in einer einzigen Nationalität zusammenschließen sollte mit Außerachtlassung eben des Großen, das gerade durch die äußere politische Trennung kommt. Und man kann gar nicht ahnen, wie unendlich bitter und traurig es ist, wenn der nationale Gesichtspunkt für die Bildung von politischen Zusammenhängen als der einzige von gewissen Seiten her heute geltend gemacht wird, wenn von nationalen Gesichtspunkten aus geradezu Abgrenzungen erstrebt werden, Absonderungen

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erstrebt werden. Man kann aller Politik fernstehen, aber in Trauer verfallen, wenn dieser allen wirklichen Fortschrittskräften widerstrebende Gedanke in den Vordergrund tritt.

Ein trauriges Pfingsten, an welchem solche Worte sich aus der Seele herausdrängen, meine lieben Freunde!

Aber halten wir an dem anderen Pfingsten fest, auf das ja gestern und auch vorgestern aufmerksam gemacht worden ist, an jenem Pfingsten, auf das sich das dritte Glied unseres Spruches bezieht: «Per spiritum sanctum reviviscimus. »

Halten wir fest an dem Bewußtsein, daß die Menschenseele finden kann den Weg in die geistigen Welten, und daß in unserer Zeitepoche der Entwickelungspunkt gekommen ist, wo in der geistigen Welt es vorgezeichnet ist, daß hereiniließe in die Menschheit neue Offenbarung, wissenschaftliche Offenbarung des geistigen Wissens, das die Menschenseelen ergreifen kann und ihnen das geben kann, was sie jetzt und für die Zukunft brauchen.

Wir dürfen es sagen, meine lieben Freunde: werden an die Stelle der jetzigen wieder einmal friedliche Zeiten gekommen sein, wir werden noch ganz anders sprechen können - wenn nicht ein ganz besonders widerwärtiges Karma das verhindern sollte -, als wir bisher auf geisteswissenschaftlichem Boden gesprochen haben. Aber all das setzt voraus, daß Geisteswissenschaft nicht bloß ein Wissen uns sei, sondern eine wirkliche, eine Welt-Pfingstgabe; daß wir wirklich Geisteswissenschaft nicht bloß mit unserem Verstande vereinigen, sondern mit unserem Herzen. Denn dann wird durch die Vereinigung von Geisteswissenschaft mit der Kraft unseres Herzens sich ballen dasjenige, was aus der geistigen Welt herunter will, zu den feurigen Zungen, die die Pfingstzungen sind.

Hineinlockt in die Menschenseele dasjenige, was aus der geistigen Welt als Pfingstgabe herunter will, nicht der Verstand, sondern das Herz, das warme Herz, das empfinden kann mit der Geisteswissenschaft, nicht bloß wissen kann von der Geisteswissenschaft. Und je inniger Ihr Herz erwärmt wird durch die zuweilen scheinbar auch erkältenden Abstraktionen der Geisteswissenschaft - obwohl fast immer versucht wird, nur das Konkrete darzustellen -, desto besser.

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Und je mehr wir sogar einen solchen Gedanken, wie er gerade gestern ausgesprochen worden ist, mit unseren Herzen vereinigen können, um so besser! Die eine Hälfte der physischen Welt, haben wir gesagt, nimmt man gewöhnlich als Materialist nur wahr: das Wachsende, Sprießen de, Sprossende. Aber wir müssen auch auf die Zerstörung sehen, müssen jedoch sehen, daß sich die Zerstörung nicht so uns aufdrängt wie dem, der das Zerstörende als ein Hineingehen in ein bloßes Nichts sieht. Wir müssen in all dem, was der Zerstörung gleich ist, auch wiederum das Aufsteigen, das Aufgehen des Geistigen sehen, müssen uns ganz verbinden mit dem, was wir durch die Ergebnisse der Geisteswissenschaft als das geistige Leben, das Spirituelle, erfühIen und innerlich erleben können. Dann werden wir mehr und mehr empfinden die Wahrheit des Spruches: Per spiritum sanctum reviviscimus.

Wir werden ein wissenschaftliches Vertrauen haben, daß wir durch die Kraft des Geistes zur geistigen Welt erweckt werden. Und wir werden nicht mit Stolz, sondern in aller Demut empfinden, was durch die Geisteswissenschaft in die Welt zu tragen ist, werden es aber insbesondere empfinden in unserer harten Zeit, in unserer Zeit, die an unsere Empfindungen so viele Fragen stellt, die nur beantwortet werden können, wenn Geisteswissenschaft sich wirklich Geltung verschaffen kann. Niemandes Hochmut möchte ich aufstacheln, aber wiederholen möchte ich doch ein Wort, das einmal gesprochen worden ist, als auch bei großer Gelegenheit die Rede davon war, was geschehen soll durch die Gemüter, die etwas auf- genommen hatten, die es hinaustragen sollten. Es wurde diesen Gemütern - auch nicht um ihren Hochmut zu erregen, sondern an ihre Demut appellierend - gesagt: «Ihr seid das Salz der Erde.»

Verstehen wir für uns das Wort im rechten Sinne: «Ihr seid das Salz der Erde.» Und werden wir uns bewußt dessen, daß gerade, wenn die Früchte, die Früchte der blutgetränkten Erde in der Zukunft da sein werden, diese Früchte ohne Spiritualität nicht gedeihen werden: daß die Erde nachher erst recht Salz brauchen wird.

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Nehmen Sie diese mit Herzblut durchtränkten Worte in Ihr eigenes Herz, in Ihre eigene Seele auf an diesem Pfingsttage, an dem wir in dein angedeuteten Sinne so recht unser ganzes Wesen durchdringen wollen mit der Wahrheit: Per spiritum sanctum reviviscimus.

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DRITTER VORTRAG Dornach, 29. Mai 1915

Wir wollen heute zunächst, um dann wiederum weiteres vorzubereiten, über einige Eigentümlichkeiten sprechen der okkulten Entwickelung des Menschen. Wir dürfen ja von dieser okkulten Entwickelung sprechen, weil im Grunde genommen Beschäftigung mit der Geisteswissenschaft der Anfang einer wirklichen okkulten EntwIckelung ist. Wenn auch von den meisten das nicht anerkannt wird, daß einfache Beschäftigung mit der Geisteswissenschaft schon wirklich die ersten Schritte abgibt zu einer okkulten Entwickelung, so ist es doch so. Und es ist immer wieder betont worden und muß immer wieder betont werden, daß durch Geisteswissenschaft uns nicht bloß ein Wissen überliefert werden soll, eine theoretische Erkenntnis, sondern daß uns durch Geisteswissenschaft etwas gegeben werden soll, das unseren ganzen Menschen umwandelt, das aus unserem ganzen Menschen etwas anderes macht, als die äußere Kultur der Gegenwart machen kann.

Nun wird uns über die Schwierigkeit, welche Geisteswissenschaft hat, um sich nicht nur in das Gedächtnis, sondern in das ganze Kulturleben der Gegenwart einzuprägen, eine Aufklärung zuteil werden, wenn wir uns bekannt machen mit den Eigentümlichkeiten der geisteswissenschaftlichen Forschung, mit der Art und Weise, wie die Ergebnisse der geisteswissenschaftlichen Forschung zu uns Menschen stehen. Sie stehen nämlich anders zu uns als andere Erkenntnisse, die wir uns erwerben im Leben. Wir erwerben uns Erkenntnisse durch unsere Erfahrungen, durch unsere Erlebnisse; denn auch wenn wir uns wissenschaftliche Erkenntnisse erwerben, so ist es entweder durch direktes oder durch indirektes Erlebnis. Wo wir uns auch Erkenntnisse erwerben, wir erwerben sie zunächst durch das Erlebnis und dann speichern wir sie im Gedächtnis, in der Erinnerung auf. Wir behalten sie, diese Lebensergebnisse.

Wir haben uns öfter klar gemacht, was es, intimer gesprochen, heißt, im Gedächtnis, in der Erinnerung etwas aufzubewahren, besonders

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in der letzten Zeit haben wir uns über das, was Gedächtnis ist, etwas näher ausgesprochen. Jedenfalls für das Leben ist das Gedächtnis eine außerordentlich wichtige Sache. Denken Sie nur einmal: wenn wir das Gedächtnis nicht hätten, wenn wir uns also nicht erinnern könnten an dasjenige, was wir gestern, vorgestern, vor e1- nem Jahr oder vor zehn Jahren erlebt haben, wie ganz anders unser Leben verlaufen müßte. Es ist uns gar nicht denkbar, daß das gewöhnliche, auf dem physischen Plan sich abspielende Seelenleben ohne das Gedächtnis ablaufen könnte.

Aber vergleichen Sie diese Kraft, die es Ihnen möglich macht, Er- lebnisse des physischen Planes im Gedächtnis zu behalten, mit der viel geringeren Kraft, die es Ihnen möglich macht, Traumerlebnisse in der Erinnerung zu bewahren. Bedenken Sie, wieviel leichter Sie einen Traum vergessen als Erlebnisse in der physischen Welt. Man kann zunächst die Frage aufwerfen: Warum vergißt man die Traumerlebnisse leichter als die Erlebnisse der physischen Welt? - Nun, die Beantwortung dieser Frage wird uns zugleich einen wichtigen Gesichtspunkt für die höheren Erkenntnisse ergeben.

Wie werden denn Traumerlebnisse erworben? - Sie werden dadurch erworben, daß wir im physischen Leib nicht ganz drinnen sind. Wenn wir ganz drinnen sind im physischen Leib, träumen wir nicht. Da erleben wir durch die Sinne auf dem physischen Plan und durch den an die Sinne gebundenen Verstand. Wenn wir träumen, müssen wir wenigstens teilweise außerhalb des physischen Leibes sein. Was macht der physische Leib, wenn er durch die Erinnerungskraft arbeitet? Ja, so schwierig es zunächst zu denken ist für den Menschen, so ist es doch wahr: jedesmal, wenn der Mensch ein Erlebnis hat und dieses Erlebnis durch einen Gedanken in der Erinnerung aufbewahrt, dann wird in unserem Ätherleib ein Abdruck, gleichsam eine Art Klischee des Erlebnisses gebildet. Aber - ich habe das schon auseinandergesetzt - nicht so, daß dieser Abdruck etwa das Erlebnis photographisch abbilden würde. Ebensowenig wie der Buchstabe einer Schrift mit dem Laute zu tun hat, ebensowenig hat, was in unserem Leib als Abdruck existiert, ebensowenig hat diese Abbildung mit dem Erlebnis selbst zu tun. Er, der Abdruck, ist nur

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ein Zeichen. Und dieses Zeichen ist merkwürdigerweise ähnlich der menschlichen Gestalt selber. Und zwar, wenn Sie von der menschlichen Gestalt die oberen Teile nehmen, den Kopf und höchstens noch etwas vom Oberleib und von den Händen, so haben Sie das, was jedesmal im Ätherleibe beobachtet werden kann, wenn sich der Mensch Erinnerung bildet von einem Erlebnis.

Also, wir können sagen: Ich erlebe etwas; das Erlebnis bleibt mir sei es ein kleines oder ein großes Erlebnis - als Erinnerung. Es bildet sich eben ein Abdruck, ungefähr so (siehe Zeichnung). So etwas entsteht jedesmal in Ihrem Ätherleib, wenn sich eine Erinnerung bildet, und würde es ausgelöscht werden, so würden Sie sich an das Erlebnis nicht mehr erinnern können.

Zeichnung aus GA 162, S. 51
Zeichnung aus GA 162, S. 51

Denken Sie, an wieviele Dinge Sie sich im Leben erinnern! Ebensoviele tausend und abertausend solcher ätherischer Menschenabbilder haben Sie in sich. Ihr Ätherleib, und auch der physische, gestatten wohl, daß so viele verschiedene Bilder da sind. Wenn zwei gleich wären, würde man die Erlebnisse nicht unterscheiden können. Wenn man einen Menschen okkult betrachtet, so findet man in ihm

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Tausende und aber Tausende solcher Menschenbilder. Aber sie entstehen nicht nur im Ätherleib, sondern von jedem solchen Menschenbild entsteht auch ein feiner AbdrUck im physischen Leib, und diese Abdrücke bleiben auch alle erhalten, insofern der Mensch Er- innerungen hat. Also Tausende und aber Tausende solcher Homunkuli sind im Menschen vorhanden.

Sagen wir: Sie hören den heutigen Vortrag. Schon durch Anhören dieses Vortrages werden sich hundert und aber hundert solcher Homunkuli in Ihrer Seele bilden. Die machen auch, wenn Sie sich später erinnern, Eindrücke in Ihren physischen Leib, und diese Eindrücke bleiben auch da.

Wie ist es nun aber beim Träumen? Ja, sehen Sie: beim Traum ist es so, daß wohl der Homunkulus im ätherischen Leibe entsteht, daß er sich aber nicht abdrückt im physischen Leib. Schwach drückt er sich ab, manchmal gar nicht. Dann weiß der Mensch wohl, daß er geträumt hat, aber er kann sich nicht erinnern, was er geträumt hat. Schwach, viel schwächer als irgendein Erlebnis auf dem physischen Plan, drücken sich die Träume ab. Daher ist es so schwer, eine Erinnerung davon zu bewahren.

Die Stärke der Erinnerung hängt also ganz davon ab, wie stark der Eindruck ist, den der Homunkulus des Ätherleibes auf den physischen Leib macht. Dasjenige aber, was der Geistesforscher findet, was er erlebt in der geistigen Welt, das ist zunächst so geartet, daß es überhaupt keinen Eindruck auf den physischen Leib machen kann. Denn wenn ein Erlebnis Eindruck auf den physischen Leib machen kann, dann ist es schon kein rein geistiges Erlebnis mehr; dann ist es schon mit Rücksicht auf den physischen Leib erworben. Das muß gerade das Eigentümliche des geistigen Erlebnisses sein, daß zunächst im physischen Leib überhaupt nichts geschieht, während das Geistige erlebt wird.

Was folgt daraus? Das folgt daraus, was in der Tat der Geistesforscher als sein nächstes Erlebnis aufzufassen hat: daß man für die Ergebnisse der Geistesforschung kein Gedächtnis hat. Die Erlebnisse des Geistesforschers können sich dem Gedächtnisse nicht einprägen. In demselben Moment, in dem sie entstehen, vergehen sie auch.

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Darin liegt die Schwierigkeit, von der geistigen Welt etwas zu wissen, solange man in der physischen Welt lebt und mittels seines physischen Leibes allein leben will. Denn da der Mensch schon für Träume ein schlechtes Gedächtnis hat, bei denen noch ein loser Zusammenhang mit dem physischen Leibe vorhanden ist, so wird Ihnen das zeigen, wie begreiflich es sein muß, daß der Mensch für das, was er nun wirklich okkult erlebt, kein Gedächtnis haben kann.

Es gibt nun Menschen, die beginnen anzuwenden auf sich die Regeln von meiner Schrift «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?>, die Regeln, welche man diejenigen der okkulten Entwickelung nennt. Sie wenden sie vielleicht sehr lange an; aber dann kommen sie nach Jahren und sagen: Ich habe immer und immer geübt, ich habe alle möglichen Übungen gemacht; ich sehe nichts, ich höre nichts von der geistigen Welt. Mein Sinn für die geistige Welt will sich nicht öffnen. - Vielleicht ist das, was diese Menschen sagen, ganz falsch; es kann ganz falsch sein. Die Betreffenden können längst den Eintritt in die geistige Welt gefunden haben, können Wahrnehmungen haben in der geistigen Welt. Aber die Wahrnehmungen verschwinden in dem Moment, wo sie gemacht werden, weil diese Wahrnehmungen sich dem physischen Gedächtnis nicht einverleiben können. Daß man etwas wissen kann von seinen geistigen Erlebnissen, hängt nämlich von ganz etwas anderem ab als vom Gedächtnis. Und ich möchte Ihnen nun klarmachen, wovon es abhängt.

Nehmen Sie einmal an, daß Sie ein Spielzeug für ein Kind machen. Das Kind kann an diesem Spielzeug seine Freude haben. Sie können es heute machen und das Kind hat seine Freude daran. Sie nehmen das Spielzeug, legen es in den Schrank. Morgen geben Sie es dem Kinde wieder, und übermorgen, und so immer wiederum. Und das Kind kann immer wiederum seine Freude haben an dem Spielzeug, das Sie heute gemacht haben.

Es kann aber auch etwas anderes geschehen. Nehmen wir einmal an, Sie interessieren das Kind nicht dadurch, daß Sie ein Spielzeug machen, sondern Sie setzen ihm aus irgendwelchen Dingen etwas zusammen. Oder Sie machen ihm sogar nur etwas vor, indem Sie

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ihm Gesten vormachen oder dergleichen. Nehmen wir an, Sie erregen die Aufmerksamkeit des Kindes dadurch, daß Sie in ganz bestimmter Weise dem Kinde mit den Händen oder den Fingern etwas vormachen, meinetwegen etwas voreurythmisieren. Das können Sie nicht in den Schrank tun, morgen und übermorgen wieder herausnehmen und wie ein Spielzeug dem Kinde immer wieder geben. Dasjenige, was so Eindruck auf das Kind machen soll, müssen Sie immer neu machen. Eine Puppe, die Sie fertig machen, können Sie aufbewahren; die kann das Kind dann immer wieder kriegen. Wenn Sie aber etwas, was Sie selber durch Gesten oder dergleichen machen, zur Erregung der Aufmerksamkeit des Kindes verwenden, müssen Sie es immer wieder frisch machen.

Das ist etwas, was uns erklären kann, wie der Unterschied ist zwischen dem, was wir auf dem physischen Plan erwerben und was Erinnerung werden kann, und dem, was wir auf dem geistigen Plan erleben, und was nicht unmittelbar Erinnerung werden kann. Wenn wir Erlebnisse auf dem physischen Plan haben, dann bildet sich etwas wie ein Homunkulus in unserem Ätherleib und ein Abdruck davon prägt sich in den physischen Leib. Der bleibt, wie die Puppe bei dem Kinde. Sie können ihn aufbewahren und in sich immer wieder finden. Das deutet Ihnen dann auf das Erlebnis der Vergangenheit hin. Das Erlebnis, das Sie in der geistigen Welt haben, geht vorüber. Aber Sie mußten etwas tun, um es herbeizuführen. Sie mußten durch die Regeln, die Sie auf die Seele anwenden im Sinne von «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» die Seele in einen solchen Zustand versetzen, daß das okkulte Erlebnis eintreten konnte. Diesen Zustand in sich selbst können Sie immer wieder her- vorrufen, so daß Sie immer wieder das Erlebnis haben können, aber aufbewahren wie ein Gedächtnisbild können Sie es nicht. Für den physischen Plan werden die Erlebnisse Erinnerungen dadurch, daß man Nachbilder bewahrt, gedächtnismäßig. Das Wiedereintreten, die Wiedererinnerung - wenn wir jetzt im übertragenen Sinne das Wort «Erinnerung» gebrauchen - okkulter Erlebnisse kann nur da- durch eintreten, daß wir dieselben Bedingungen herstellen, durch die wir das Ereignis das erste Mal erlebt haben.

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Seien wir uns wohl klar: wir mussen wirklich unendlich viel tätiger, aktiver sein gegenüber den Erlebnissen in der geistigen Welt als gegenüber den Erlebnissen in der physischen Welt. Gegenüber den Erlebnissen in der physischen Welt bildet sich ,wirklich etwas in uns, was, ich möchte sagen, nach und nach äußerste Dichtigkeit erlangt. Etwas innerlich Vielfältiges, Mannigfaltiges in uns ist dieses. Diese vielen Menschen, die man da in sich hat, die gehen mit einem durch das Leben, sind etwas Fertiges. Das erleichtert einem das Leben in der physischen Welt, weil einem abgenommen wird die Arbeit, die man beim okkulten Erleben in der geistigen Welt immer wiederum und wiederum machen muß, wenn man das Erlebnis wieder haben will. Erinnern kann man sich nur an die Bedingungen, durch die man das Erlebnis herbeigeführt hat, also niemals an das okkult Erlebte, sondern nur an die Art, wie es herbeigeführt wurde. Und Sie müssen diese Art, die Bedingung wieder herbeiführen, dann können Sie das okkulte Erlebnis wieder haben.

Wenn wir - nicht vergleichsweise, sondern im wirklichen Sinne sage ich dies -, wenn wir einen Weg gehen und am Ende dieses Weges eine Kirche oder ein Haus steht, und wir kehren wieder zurück, so können wir auf dem ganzen Rückwege die Erinnerung dieses Bildes von der Kirche oder dem Hause in uns tragen. Das ist deshalb, weil dieses Erlebnis mit der Kirche oder dem Hause ein Erlebnis auf dem physischen Plan ist. Wäre statt dessen da ein Geist gestanden und der Geist würde sich nur an diesem Orte manifestieren, so wäre es jedesmal nötig, um diesen Geist zu sehen, an denselben Ort wieder hinzugehen. Man muß dieselben Bedingungen herbeiführen, denn man kann sich nur erinnern, auf welchem Wege, durch welche Bedingungen man zu diesem Erlebnis gekommen ist.

Das ist das Merkwürdige an diesen Dingen, daß ein gutes Gedächtnis für das Behalten okkulter Erlebnisse unmittelbar nichts nützt, sondern daß im Gegenteil etwas, was uns im gewöhnlichen Leben unterstützt bei einer bewußten Entwickelung eines guten Gedächtnisses, uns im Okkulten hinderlich sein kann. Gewisse Menschen bringen sich ein gutes Gedächtnis von vornherein gleich durch die Geburt mit auf die Welt. Nun leben sie und haben ein gutes

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Gedächtnis. Andere haben ein weniger gutes Gedächtnis. Das beruht auf ganz gewissen karmischen Voraussetzungen: Ein gutes Gedächtnis hat derjenige, der so aus seinen früheren Inkarnationen in die Welt kommt, daß er möglichst spät mit seinem Geistig-Seelischen den ganzen Körper durchdringt, daß bei ihm gewisse Teile des physischen Leibes möglichst lange von dem Geistig-Seelischen unbearbeitet bleiben. Da ist es möglich, daß, ohne daß wir etwas dazu tun, diese Eindrücke, diese Homunkuli, die ich geschildert habe, gemacht werden.

Wenn aber einer hereinkommt in das Leben durch die physische Geburt und für das einzelne physische Erleben eine innerlich so veranlagte Persönlichkeit ist, daß möglichst schnell die Eindrücke ganz Besitz ergreifen von seinem physischen Leibe, dann wird er kein besonders gutes Gedächtnis entwickeln können, weil er mit sich sein Gedächtnis ausfüllt; und dann ist es zu hart, als daß so viele Abdrücke von solchen Homunkuli in dasselbe hineinkommen könnten. Wir werden daher vorzugsweise bei solchen Menschen ein gutes Gedächtnis finden, welche, ich möchte sagen, ein im übrigen unbestimmtes egoistisches Interesse für die Erlebnisse des physischen Planes haben.

Dagegen kann man das Gedächtnis auch gewissermaßen entwikkeIn. Aber man kann es nur dadurch entwickeln> daß man die Aufmerksamkeit, das Interesse anregt. Interesse, Aufmerksamkeit und Gedächtnis gehören zusammen. Wenn Sie versuchen, sich für irgendeine Summe von Erlebnissen, für irgendein Lebensgebiet recht intensiv zu interessieren, recht dabei zu sein mit Ihrem ganzen Ich, so wird Ihr Gedächtnis, Ihre Erinnerung auch immer besser und besser werden für diese Erlebnisse. Wenn also jemand sein Gedächtnis für irgend etwas bilden will, so kann er es dadurch am besten, daß er möglichst sucht sein Interesse zu schärfen für das betreffende Gebiet. Nichts merken wir uns, wofür wir uns nicht ein intensives Interesse schaffen. So ist die Aufmerksamkeit, das Interesse etwas, was uns in der physischen Welt ein mangelhaftes Gedächtnis ausbessern kann.

Für das richtige Hineinstellen in die okkulten Erlebnisse so, daß diese okkulten Erlebnisse nicht wie Träume fortwährend an uns

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vorüberhuschen und wir nichts davon w1ssen, ist die liebevolle Aufmerksamkeit, das liebevolle Interesse für das Geistige überhaupt, von größter Wichtigkeit. Ohne dieses geistige Interesse, ohne diese liebevolle Aufmerksamkeit können wir nicht immer wieder und wiederum geistige Erlebnisse haben, die wir einmal gehabt haben. Man kann ganz gut einmal ein okkultes Erlebnis haben. Es huscht vorüber. Nur dadurch wird man in die Lage kommen, zwar nicht Erinnerungen, wohl aber die Bedingungen herzustellen, wodurch man immer wieder und wieder von neuem das Erlebnis haben kann, daß man das Interesse für die Ereignisse in der geistigen Welt in sich verschärft.

Daher ist es so wichtig, daß wir nicht nur gedächtnismäßig uns möglichst viel Wissen aneignen von der geistigen Welt; das ist sogar das weniger Wichtige. Das Wichtigere ist, daß wir niemals ohne Liebe, niemals ohne das intensivste Interesse diese Angelegenheiten der geistigen Welt verfolgen. Wenn wir gleichgültig, bloß vielleicht um uns damit brüsten zu können oder aus irgendeinem anderen Grunde das Wissen aus der Geisteswissenschaft aufnehmen, wie wir so oft anderes Wissen der Welt aufnehmen, dann hat das gar keine Bedeutung. Das Wichtige ist der Grad von Liebe, von Sympathie für die geistige Welt, die wir uns aneignen. Das ist das Wichtige, das ist das Bedeutungsvolle. Und damit hängt es auch zusammen, daß bei uns versucht wird, die Ereignisse der geistigen Welt von so vielen Gesichtspunkten her darzustellen, immer wieder und wieder von anderen Gesichtspunkten her; denn dadurch werden wir immer mehr und mehr angeregt, tätig uns zu nähern den Erkenntnissen der geistigen Welt, und nicht zu der Sehnsucht zu kommen, dieses Wissen von der geistigen Welt ebenso aufzufassen, wie das Wissen von physischen Dingen. - Das ist eigentlich für den wirklichen Okkultisten das Fatalste: wenn die Sehnsucht in den Menschen entsteht, geistiges Wissen zu erlangen, wenn man aber dieses Wissen nicht auf eine andere Art zu erlangen wünscht als das physische Wissen.

Die Menschen möchten am liebsten, so wie sie Bücher haben von dem, was in der physischen Welt gewußt werden kann, auch Bücher

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verlangen von der geistigen Welt; wie sie sich Wissen erwerben von der physischen Welt, so möchten sie auch das Wissen von der geistigen Welt erwerben. Aber in dieser Weise ist es gar nicht möglich, sIch ein Wissen von der geistigen Welt zu erwerben, sondern die Bücher, die von der geistigen Welt handeln, müssen jedesmal neu unsere innere Tätigkeit anregen, unsere 1nneren Kräfte in Bewegung bringen. Daher ist es bei dem, was wir uns an Erkenntnissen von der physischen Welt aneignen, wo wir immer wiederholen müssen, um nicht zu vergessen, nicht so, wie wenn w1r uns Erkenntnisse über die geistige Welt aneignen. Wenn wir 1mmer wieder einen Zyklus lesen oder ein geisteswissenschaftliches Buch, dann ist das eigentlich nicht eine Wiederholung, sondern ein Uns-Durchsetzen mit der Tätigkeit, durch die wir zu der Erkenntnis hinkommen. Und das ist das Wichtigste, das ist das Wesentliche. Sehen Sie, den Menschen, der aufgefordert wird, wenn er in die Kirche geht, zu beten, würden Sie ganz sonderbar ansehen, wenn er Ihnen sagen wollte: Ich brauche heute nicht zu beten; wie ich sieben Jahre, drei Monate und zwei Tage alt war, da habe ich das Gebet einmal gelesen. Ich werde mIch immer erinnern, daß ich es gebetet habe; ich brauche es nicht mehr zu beten, denn ich weiß, daß ich es gebetet habe; ich will jetzt nur daran denken. - Sie würden sonderbar diesen Menschen ansehen, Sie würden ihm klarmachen, daß es nicht darauf ankommt,

sich an das einmal verrichtete Gebet zu erinnern, sondern darauf, es immer wieder hervorzurufen, weil es ein Lebendiges ist in jeder Er- neuerung. Gerade so sollen wir unser Erlebnis in der okkulten Wissenschaft auffassen. Wir sollten nicht sagen, wie wir das gegenüber der gewöhnlichen Wissenschaft tun: Ja, wir haben es in uns aufgenommen, wir erinnern uns daran -, sondern wir wollen uns daran gewöhnen, immer wieder und wiederum uns in die Sache zu vertiefen, immer wieder und wiederum die Tätigkeit durchzumachen.

Dieses aber lieben die Menschen der neueren Zeit gar nicht. Die Menschen der neueren Zeit lieben vielmehr, stehenzubleiben bei demjenigen, was sie einmal erlangt haben. Nicht wahr, man fühlt sich am glücklichsten, wenn man irgend etwas als Wissen sich angeeignet hat und dieses Wissen dann in dem inneren «Tornister»

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gleichsam durchs Leben trägt, und, wenn man es braucht, heraus- nImmt, sich wieder daran erinnert. Das ist etwas, in welches die moderne Menschheit immer mehr und mehr zu verfallen droht.

Es ist aber in der neueren Zeit, ich möchte sagen, unmittelbares Bedürfnis, dieses Sitzen auf dem erworbenen Inhalte zu verwandeln so, daß die menschliche Arbeit, das menschliche Streben, entspricht dem


Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,

der täglich sie erobern muß


diesem schönen Faust-Spruch.

Und es ist wirklich wahr, durch nichts mehr als durch die FaustGesinnung, die wir öfters hier betrachtet haben, wird in der menschlichen Seele erweckt und erregt dasjenige, was allmählich in okkulte, in die okkultistische Gesinnung hineinführt.

Goethe hat den ersten großen Monolog des Faust etwa in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts geschrieben, aus seiner damaligen Stimmung heraus. Es ist heute für viele schon trivial geworden, es ist aber etwas, was sich mit aller Lebenstragik auf die Seele legt, wenn man solches in seiner Ursprünglichkeit betrachtet:


Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin,

Und, leider! auch Theologie,

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh` ich nun, ich armer Tor!

Und bin so klug, als wie zuvor.


Das hatte Goethe selber aus seinem eigenen Wesen heraus, aus seinem tiefsten Innern heraus geschrieben, als junger Mensch in den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Dann kam die Zeit, in welcher ein Höhepunkt der menschlichen philosophischen Entwickelung durchgemacht worden ist in Fichte, Schelling und Hegel. Aber dieser Höhepunkt der philosophischen Entwickelung war verbun den mit juristischer Entwickelung. Hegel hat ein Naturrecht geschrieben, Fichte hat ein Naturrecht geschrieben; Schelling hat ein Journal für Medizin herausgegeben.

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Es ist Gewaltiges, Großes durch die Menschenseele gezogen gerade für dasjenige, was Goethe zu dem Ausspruch geführt hat:

Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin,

Und leider! auch Theologie,

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.


Aber glauben Sie, wenn Goethe im Jahre 1840 gelebt hätte und, statt im Jahre 1772, erst 1840 seinen «Faust» begonnen hätte, glauben Sie, daß er dann, weil über die Kulturentwickelung der Menschheit Großes, Gewaltiges heraufgezogen ist, das in wirklich philosophischer Weise gesucht hat, was durch die Menschenseele geht, glauben Sie, daß er gesagt haben würde: «Habe nun Gottseidank! Philosophie, Juristerei und Medizin und selbstverständlich auch Theologie bei Fichte, Schelling und Hegel studiert: Da steh ich nun ich kluger, weiser Mann, und bin nicht mehr so töricht wie zuvor, sondern bin ganz weise geworden, so weise, wie man nur sein kann»? Glauben Sie, daß Goethe das gesagt haben würde? Nehmen Sie an, es wäre noch viel mehr über die Kulturentwickelung der Erde hingezogen, dieser Eingangsmonolog des «Faust» würde 1840 genau ebenso geschrieben worden sein wie dazumal im Jahre 1772, genau ebenso. Alle diese Dinge gehören zum wirklichen Verständnisse des «Faust». Diese große gigantische Idee ist nicht zu verstehen, wenn man sie nicht in ihren Einzelheiten erfaßt. Und wenn heute der «Faust» begonnen würde, so müßte er wiederum mit den gleichen Worten begonnen werden.

Und wenn unzähliges Wissen aus der Geisteswissenschaft einmal an den Tag befördert sein wird: «Habe nun, Gottseidank! Philosophie, Juristerei und Medizin und, Gottseidank! auch Theologie, und selbstverständlich auch Theosophie durchaus studiert, und bin so weise wie nur möglich.» Das würde niemals die wahre Faust-Stimmung sein! Faust-Stimmung würde nur der haben, auf den zutrifft: «Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, der täglich sie erobern muß.» Das ist die Stimmung, die im «Faust» liegt, die zugleich uns zeigt, wo die Impulse liegen, die aus der alten, eingefrorenen Kultur

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zu der neuen Kultur der Menschheit führen. Nimmer ruhen darf der Mensch, sich anderes, Neues anzueignen, und ich habe das auch innerhalb der geisteswissenschaftlichen Strömung vertreten, der wir angehören. Es war wirklich schrecklich, wenn man in der alten Gesellschaft immer wieder hörte: Ja, Schemen brauchen wir, und wenn ich dieses oder jenes darstellte, dann sollten möglichst an den Wänden Schemen und Tabellen hängen, daß man etwas hat, wodurch man sich erinnern kann. - Und die Leute waren unzufrieden, wenn man kam und im Grunde genommen wieder umkehrte das, was einmal da war, das, was festgelegt war; da das doch immer wieder neu erworben werden muß. Denn auf dieses nimmer rastende, nimmer ruhende Vorwärtsstreben kommt es an.

Man kann direkt sagen: Indem die neuere Kultur einen «Faust» aus sich herausgetrieben hat, ist es wirklich so, daß diese neuere Kultur die Brücke geschlagen hat von der bloß äußerlich materialistischen zu der neuen spirituellen Kultur, die über die Menschheit kommen muß.

Aber vieles, vieles in bezug auf die richtige Lebensauffassung hängt mit alledem zusammen, mit diesen Eigentümlichkeiten der neuen Erkenntnis, die ja aus dem Okkultismus heraus geschöpft seIn muß, und die daher Anforderungen an die aktiven, an die tätigen Impulse der Menschen stellt. So hängt es zusammen mit dem Prinzip, alles so zu nehmen, wie es fertig ist, wie es abgeschlossen ist, wenn die Menschen danach streben, dasjenige zu konservieren, was sich nicht konservieren läßt. Nicht konservieren läßt sich zum Beispiel etwas, was ich nun wirklich mich bemühe darzustellen, ich kann sagen, seit Jahrzehnten; nicht konservieren läßt sich das, was man die menschliche Freiheit nennt.

Freiheit als äußere Einrichtung, als äußerer Zustand in der menschlichen Organisation über die Erde hin gedacht, ist etwas Unmögliches, etwas Undenkbares. Freiheit, konserviert so, wie sie eInmal gedacht wurde für einen bestimmten Zeitpunkt, würde für den nächsten Zeitpunkt schon eine arge Fessel für den Menschen sein. Freiheit ist etwas, was fortwährend im Entstehen auch entfesselt werden muß, und der Mensch kann die Freiheit nur erwerben in jedem

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Augenblick, indem er eine Spur in sich entwickelt von eInem Sich-in-Beziehung-Setzen zu der ganzen geistigen Welt. Lesen Sie nach In me1nem Buche «Philosophie der Freiheit». Da werden Sie finden, daß dort die ganze Stimmung das zum Ausdruck bringt. Da können Sie sehen, daß die Freiheit wirklich ein Schlüssel ist zu dem, was in die geistige Welt hineinführt.

Das aber liegt nahe, daß wirklich Freiheit auch nur verstanden werden wird von Menschen, die nach und nach den Willen zur Geisteswissenschaft entwickeln. Freiheit wird nicht verstanden werden können von anderen Menschen, denn andere Menschen werden immer gewisse Eigentümlichkeiten äußerer Einrichtungen mit der Freiheit verwechseln, während Freiheit immer nur bestehen kann in dem Zustand, den der Mensch sich gerade in jedem Augenblick erwerben kann.

Unsere Freiheit beeinträchtigen wir nämlich schon durch eines, wodurch wir gewöhnlich unsere Freiheit nicht beeinträchtigt glauben: Wir beeinträchtigen unsere Freiheit schon durch unser Gedächtnis. Denn nehmen Sie einmal an, Sie haben sich durch die Er- lebnisse, die Sie durchgemacht haben seit Ihrer Geburt, gewisse Sympathien und Antipathien angeeignet; dann ist ja durch dasjenige, was Ihnen geblieben ist von diesen Sympathien und Antipathien, schon Ihre Freiheit beeinträchtigt. Diese angeeigneten Sympathien und Antipathien, alles dasjenige, was im Gedächtnis aufgespeichert ist, das beeinträchtigt Ihre Freiheit. Und alles Wissen, welches die Menschheit anstrebt und welches danach hingerichtet ist, gedächtnismäßig zu werden, das bringt uns auch immer mehr von eInem wirklichen Begriff von Freiheit ab. Dagegen wird man sich mit jeder Erwerbung okkulter Erkenntnisse dem wahren Begriff von Freiheit, echter Freiheit, näherbringen.

Aber dieses Ganze hängt wieder mit etwas anderem zusammen: Bedenken Sie, daß wir wirklich mit alle dem, was sich als Erinnerung festsetzt, einen Homunkulus in uns hineinsetzen. Und alles, was sich als Homunkulus abdrückt in uns, das ist wirklich so, daß indem wir unser Innenleben in Bewegung versetzen, wir mit unserer Tätigkeit nicht weiterkommen als bis zu diesem Homunkuli, bis zu

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diesen Abdrücken. Wir kommen darüber nicht hinaus. Könnten wir durchstoßen dasjenige, was da sich als Gedächtnis aufgespeichert hat, würden wir wirklich alles das aus uns herausschaffen, was w1r seit der Zeit unserer Kindheit, bis zu der wir uns zurückerinnern, erlebt haben, so würden wir etwas wie eine Lebenshaut durchstoßen. Hinter dieser Lebenshaut aber ist die geistige Welt. Da ist sie, richtig dahinter! Und indem der Mensch anfängt in frühester Kindheit, sich ein Bild seines eigenen Lebens aufzubauen, aus allen Erlebnissen dasjenige heraus zu behalten, was den Inhalt seines Gedächtnisses ausmacht, spinnt er sein ganzes Leben hindurch einen Schleier, und dieser Schleier deckt zu die geistige Welt.

Wir könnten in der physischen Welt nicht drinnenstehen, wenn wir dieses Gewebe nicht spinnen würden, denn wir sind, insofern wIr uns erinnern, dieses Gewebe selber.

Aber wir entstehen als Menschen in der physischen Welt nur dadurch, daß wir uns aus dem Schleier bilden, den wir zugleich hinhalten vor die geistige Welt. Es ist wirklich so, wie wenn jemand, nun, ich möchte sagen, den Blick auf eine Bühne hin richten will, und sagt: Ich will jetzt da hineinschauen. - Aber er macht das so, daß er eInen Vorhang davor hängt. Da deckt er gerade mit seiner Tätigkeit Stück für Stück zu, was dahinter ist. So macht es der Mensch im Leben. Das, was der Mensch an Erinnerungen aufspeichert, ist ein Vorhang, der über die geistige Wirklichkeit gehängt wird, vor die geistige Welt gewoben wird. Das ist ein Widerspruch, mit dem wir im Leben darinnenstehen, der aber nicht getadelt, nicht kritisiert werden darf, weil er die Bedingung ist dafür, daß wir im physischen Leben darinnenstehen. Er darf nur charakterisiert werden, aber nicht geta delt. Würden wir nicht den Vorhang geistig vor uns hinweben, wir wären nicht da in der physischen Welt. Und das ist es gerade, worauf es ankommt: daß wir so etwas wissen, daß wir uns nicht verwechseln mit einer Realität, während wir nur ein Vorhang sind.

Wir durchdringen sofort alle Täuschung, indem wIr uns für einen Vorhang und nicht für eine Realität halten, in dem Augenblicke, wo wir uns sagen: Du bist eigentlich nur das, was sich vor die wahre Welt hinstellt, und deine eigene Gestalt, das was du selbst bist, steht

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hinter der Gestalt, die du selber webest das Leben hindurch. - Wenn man sich diesen Tatbestand vor Augen hält, steht man in der Wahrheit. Dann hält man sich nicht für die Wirklichkeit, sondern nur für eInen Vorhang. Davor aber fürchten sich die Menschen, sich für einen bloßen Vorhang zu halten. Sie möchten sich in dem, was sie sind, für eine Wirklichkeit halten. Daher können sie aber auch über die wichtigsten Dinge des Lebens zu keiner Klarheit kommen.

Die Menschen dürsten alle nach Erhaltung nach dem Tode, nach Unsterblichkeit, sie dürsten alle danach, etwas darüber zu wissen, daß sie nach dem Tode noch da sind. Aber sie bilden den heimlichen Gedanken: Wenn alles das zugrunde geht, was da in mir ist, was ich habe auf dem physischen Plan, was ist denn dann noch da? - Daß das gerade nach dem Tode weggehen muß, daß der Vorhang nicht nur zerreißt, daß er aufgelöst werden muß, damit der Mensch hervortreten kann: das ist für den, der in der geistigen Erkenntnis aufsteigt, selbstverständlich.

So müssen wir schon auch solche Dinge, wie sie heute berührt worden sind, so hinnehmen, daß wir wirklich uns immer mehr und mehr sagen: Für die Geisteswissenschaft müssen andere menschliche Gesinnungen innerlich aufgenommen werden, als man sie in der bisherigen Kultur hatte. Es muß ein viel größeres Streben nach fortwährender Betätigung unter Menschen aufkommen, nach Aktivität, nach Dabeisein. Das muß verschwinden, daß man sagt: Ich habe es erfaßt, ich kann es behalten und kann es durchs Leben tragen. - Wenn das verschwinden wird, dann werden auch alle anderen Dinge, die so hinderlich sind an einem klaren Erkennen, verschwinden. Ich habe öfter darauf aufmerksam gemacht, wie die Menschen auch in der Wissenschaft sich die verworrensten Begriffe machen von dem, was wahr ist. So zum Beispiel werden Sie heute immer wieder lesen können in physiologischen Werken, daß der Mensch darum schläft, weil er im wachen Zustand dieses oder jenes durchmacht und davon ermüdet ist. Der Schlaf wäre also eine Folge der Ermüdung. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß dann der Rentier, der nicht viel zu arbeiten braucht, auch kein Schlafbedürfnis haben müßte. Wenn man den Rentier aber hört, so wird man erfahren: Wenn man gar nichts

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tut, fühlt man sich am allermüdesten und man schläft ein, ohne daß man das Allergeringste getan hat. Daraus können Sie entnehmen: Die Ermüdung hat mit Schlaf, Schlaf hat mit Ermüdung nichts zu tun, hat ebensowenig damit etwas zu tun, wie der Tag mit der Nacht.

Höchstens Geister wie Hume oder Kant werden, weil sie verwechseln, was auseinander folgt, damit Schwierigkeiten haben. Es wird niemand den Tag als die Ursache der Nacht und die Nacht als die Ursache des Tages betrachten. Der Tag und die Nacht entstehen nacheinander. Der Tag entsteht dadurch, daß die Sonne über den Horizont steigt, und die Nacht dadurch, daß die Sonne unter den Horizont geht. Das Stehen der Sonne über dem Horizont ist die Ursache des Tages, und das Gehen der Sonne unter den Horizont ist die Ursache der Nacht. Ebensowenig wie die Nacht die Ursache des Tages ist, oder der Tag die Ursache der Nacht, ebensowenig ist es im wesentlichen richtig, daß das Wachen die Ursache des Schlafens, oder das Schlafen die Ursache des Wachens ist. Sondern rhythmische Zustände sind es, die abwechseln, ebenso wie abwechseln die Stellungen der Sonne über und unter dem Horizont, die gar nichts mit eInem Ursachenverhältnis zu tun haben.

Aber ebenso wIe es wahr ist, daß die Sonne, wenn sie unter den Horizont geht, die Dämmerung bewirkt, und wenn sie weiter her- untergeht, die Finsternis bewirkt, so ist die Wahrheit nicht die, daß weil wir uns ermüdet fühlen, wir auch schlafen wollen, sondern wir fühlen uns ermüdet, weil wir schlafen wollen. Wir müssen die Sehnsucht haben nach dem Schlafe, dann fühlen wir uns ermüdet.

Das scheint allem zu widersprechen, was heute gedacht wird, aber wahr ist es doch, gerade so wahr wie dies, daß der Tag nicht die Ursache der Nacht und die Nacht nicht die Ursache des Tages ist. So ist die Ermüdung nicht die Ursache des Schlafes. Aber ebenso wie die Nacht eintritt, wenn die Sonne untergeht, so tritt Ermüdung ein, weil man schlafen will. Hier sind vollkommen die Wirkung und Folge mit der Ursache verwechselt und durcheinandergeworfen.

Heute will ich noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Verhältnis von Tag und Nacht, dem Verhältnis von Sonne und Erde und dem Verhältnis

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von Schlafen und Wachen beim Menschen: Sie können sich keineswegs vorstellen, daß bei der Sonne dasselbe eintreten kann, was eintreten kann beim Menschen. Der Mensch, ich will sagen, nimmt eine gute Mahlzeit zu sich und schläft zur ungeeigneten Zeit, oder er schläft aus eInem anderen Grunde zur ungeeigneten Zeit. Das tut die Sonne nicht. Denn, denken Sie, was das wäre, wenn der Sonne plötzlich einfiele, daß sie zu einer bestimmten Zeit nicht über dem Horizont stehen würde und alles das eintreten würde ganz plötzlich, was den Tag zur Nacht macht. - Sie können sich unmöglich vorstellen, daß im Weltall die Konstellation eintritt, die dem analog wäre, daß der Mensch schläft, wann er will, willkürlich seine Wachen& und Schlafenszeit einrichtet. Wie weit entfernt ist die Sonne davon! Unmöglich ist es, daß die Sonne sich überißt und mitten am Tage aufhört zu scheinen, so daß Nacht eintritt. So weit das entfernt ist von dem, daß irgend jemand am Tage einschläft - es ist leicht, es braucht nur etwas heiß zu sein, und er meint, daß man bei der Hitze schlafen muß -, so weIt ist Naturnotwendigkeit und Naturgesetzmäßigkeit von Freiheit entfernt, so weit ist die Natur vom Geist entfernt. So weit ist aber auch das Verständnis, das die Menschheit heute hat, das die heutige Zeit hat, entfernt von dem Verständnis, das sie wird durch Geisteswissenschaft sich aneignen müssen.

Das ist es, was wir uns immer vor die Seele rufen müssen: daß es eine nicht nur ernste, sondern auch große Aufgabe ist, in diejenigen Bestrebungen sich hineinzufinden, die der menschlichen Kultur die Geisteswissenschaft bringen will. Und mancherlei wird wirklich überwunden werden müssen, was heute allgemein noch nicht überwunden ist, wenn die Geisteswissenschaft und ihre Ergebnisse sich in die geistige Entwickelung der Menschheit hineinleben sollen.

Heute möchte ich zum Schluß noch auf zwei Dinge aufmerksam machen - wir werden morgen weiter sehen -, die angeeignet werden müssen von dem, der in die Geisteswissenschaft hinein will und sie fruchtbar machen will für das geistige Leben der Zukunft: Das erste ist eine gewisse Scheu, eine gewisse Ehrfurcht vor der Wahrheit.

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Man braucht nur die Augen aufzumachen, dann wird man finden, daß gerade heute alles, was in der Welt geschieht, wie ein Auflehnen erscheint gegen diese Scheu, gegen die Ehrfurcht vor der Wahrheit. Wer Ehrfurcht vor der Wahrheit hat, der wird lange warten, ehe er eine Behauptung von einer Sache aufstellt, oder ein Urteil über diese abgibt. Heute ist die Tendenz zum Gegenteil da, die Tendenz, möglichst wenig Respekt vor der Wahrheit zu empfinden, vielmehr die Wahrheit so zu formen, wie es eInem gerade paßt, wie man es angemessen findet dem eigenen Gefühl und den eigenen Empfindungen. Das Wartenkönnen, bis sich die Wahrheit als die keusche Gottheit der Menschenseele ergibt, das ist eine Empfindung, von der man sagen kann: Es ist wirklich notwendig, daß sie von der heutigen Menschheit angeeignet werde. Die äußere Kultur aber widerstrebt dieser Aneignung, ist eine Kultur, bei der es darauf ankommt, Mitteilungen zu fabrizieren und möglichst schnell alle Tatsachen mitzuteilen, wie das heutige Journalwesen es tut. Da ist die gegenteilige Stimmung vorhanden von der, die unsere Geisteswissenschaft in uns erzeugen muß. Die Art und Weise, sich zur Welt zu stellen, die heute durch Druck und Presse geübt wird, ist das Gegenteil von dem, was gerade von Geistesw1ssenschaft angestrebt werden muß, angestrebt werden muß von denen, die es gut meinen mit der Menschheit. Das muß zugestanden werden von denen, die der geisteswissenschaftlichen Bewegung zugehören wollen. Das erste ist Ehrfurcht vor der Wahrheit.

Das zweite ist Ehrfurcht vor dem Wissen. Das ist es, was denen, die die Impulse der Zeit erkennen, die bestrebt sind, der Menschheitsentwickelung neue Impulse einzufügen, schwer auf der Seele liegen muß, daß man es nicht ernst genug nimmt mit der Ehrfurcht vor dem Wissen. Das ist das Traurige> daß die Menschen überall zeigen: sie haben nicht die Ehrfurcht vor dem Wissen.

Gerade in unserer Zeit erleben wir ja doch angesichts der furchtbaren Ereignisse der Gegenwart, daß die Menschen - am allermeisten diejenigen, die schreiben und drucken lassen, aber leider tun es die andern auch -, daß die Menschen so urteilen, als wenn die Welt wirklich erschaffen wäre, sagen wir, im Juni oder im Juli 1914.

Man hört kurioserweise, wenn die Erlebnisse der Gegenwart

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beurteilt werden, immer wieder und wiederum den Anfang der Erzählung «Im Jahre 1914», und da werden die Ereignisse durcheinandergekollert und durcheinandergekugelt, und man glaubt, es könne dabei etwas herauskommen. Es kann nichts herauskommen. Man kann nicht einsehen, warum die Dinge in der Gegenwart so oder so liegen, wenn man die Ehrfurcht nicht hat vor dem Wissen, das in die Zeiten der fernen Vergangenheit führt und sieht, daß die Ereignisse der Gegenwart die Folgen dieser fernen Vergangenheiten sind und in tiefem innerem Zusammenhange mit ihnen stehen.

Es blutet das Herz demjenigen, der es ernst meint mit der Entwikkelung der Menschheit, wenn er sieht, wie gedankenlos in der Gegenwart geurteilt wird über die Art und Weise, wie Ursache und Sein da oder da zusammenhängen. Und geurteilt wird von Menschen, deren Urteil man es ansehen kann, daß sie im Grunde genommen gar nicht wissen, worauf es ankommt.

Nun könnte man einwenden: Das kann man nicht verlangen von allen, daß sie urteilen können. - Ja, gewiß nicht. Was man aber verlangen kann, ist Ehrfurcht vor dem Wissen, ein Bewußtsein davon, daß man erst etwas wissen muß, ehe man urteilt.

Das ist etwas, was man vor allen Dingen heute den Menschen wünschen möchte: daß nicht geurteilt wird, bevor gewußt wird. Es ist eines der furchtbarsten Übel der Gegenwart, daß geurteilt wird, ohne zu wissen. Es ist dasjenige, was die Erzeugnisse der Gegenwartskultur so furchtbar macht, weil man ihnen überall ansieht, daß sie genau das Gegenteil von dem atmen, was Ehrfurcht vor dem wIrklichen Wissen ist, was Ehrfurcht- vor der Wahrheit ist.

Ehrfurcht vor der Wahrheit, Ehrfurcht vor dem Wissen, das sollten wir uns aneignen. Ich sage: Ehrfurcht vor dem Wissen, ich sage selbstverständlich nicht: Ehrfurcht vor der wissenschaftlichen Autorität - damit die Dinge nicht entstellt werden -, sondern vor dem Wissen, vor allem vor seinem eigenen Wissen. Das muß man sich erst angeeignet haben; dann kann man auch vor dem eigenen Wissen Ehrfurcht haben. Solange man es nicht besitzt, kann man natürlich vor dem Nichtdaseienden keine Ehrfurcht haben. Dann hat man auch nicht die notwendige Ehrfurcht im Leben.

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Aber vor allem kommt es darauf an, daß eindringen in unsere Seelen Impulse neuen Empfindungs-, neuen Gefühlslebens, und daß wir nicht versuchen auf dieselbe Weise nur weiterzukommen, nun auf den Wegen, auf den Wegen der Geisteswissenschaft, wie es versucht worden ist in der materiellen Kultur. Hier uns ein Unterscheidungsvermögen anzueignen, das muß unsere ernste Aufgabe sein.

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VIERTER VORTRAG Dornach, 30. Mai 1915

Wenn Sie die Betrachtung, die ich gestern hier angestellt habe, mit den andern Vorträgen, die ich vor einer Woche hier gehalten habe, zusammennehmen, dann werden Sie gewissermaßen einen wichtigen Schlüssel zu vielem in der Geisteswissenschaft bekommen. Ich will nur, damit wir uns orientieren können, die hauptsächlichsten Gedanken, die wir für unsere weiteren Betrachtungen brauchen, anführen. Ich habe vor etwa acht Tagen auf die Bedeutung der Vorgänge hingewiesen, die man vom Gesichtspunkt der physischen Welt aus Zerstörungsvorgänge nennt. Ich habe darauf hingewiesen, daß man eigentlich vom Gesichtspunkt der physischen Welt aus das Wirkliche nur in dem sieht, was entsteht, was sich gewissermaßen herausbildet aus dem Nichts und zu bemerkbarem Dasein kommt. Man spricht also von dem Wirklichen, wenn die Pflanze sich der Wurzel entringt, Blatt an Blatt bis zur Blüte hin entwickelt und so weiter. Man spricht aber nicht ebenso von dem Wirklichen, wenn man auf die Zerstörungsvorgänge blickt, auf das allmähliche Welken, auf das allmähliche Hinschwinden, auf das letztliche Hinströmen, man könnte sagen, zu dem Nichts. Für den, der nun die Welt verstehen will, ist es aber im eminentesten Sinne notwendig, daß er auch auf die sogenannte Zerstörung hinblickt, auf die Auflösung& vorgänge, auf dasjenige, was sich zuletzt für die physische Welt wie das Hineinströmen in das Nichts ergibt. Denn Bewußtsein in der physischen Welt kann sich niemals da entwickeln, wo bloß aufsprießende, sprossende Vorgänge vor sich gehen, sondern Bewußtsein beginnt erst da, wo das in der physischen Welt Ersprossene wiederum abgetragen, vernichtet wird.

Ich habe darauf hingewiesen, wie diejenigen Vorgänge, die das Leben in uns hervorruft, von dem Seelisch-Geistigen zerstört werden müssen, wenn Bewußtsein in der physischen Welt entstehen soll. Es ist in der Tat so, daß, wenn wir irgend etwas Äußeres wahrnehmen, unser Seelisch-Geistiges in unserem Nervensystem Zerstörungsprozesse

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anrichten muß, und diese Zerstörungsprozesse vermitteln dann das Bewußtsein. Immer, wenn wir uns irgendeiner Sache bewußt werden, müssen die Bewußtseinsvorgänge aus Zerstörungsvorgängen hervorgehen. Und ich habe darauf hingedeutet, wie der bedeutsamste, der für das Menschenleben bedeutsamste Zerstörungsvorgang, der Vorgang des Todes, gerade der Schöpfer des Bewußtseins ist für die Zeit, die wir nach dem Tode verbringen. Dadurch, daß unser Seelisch-Geistiges die volle Auflösung und Loslösung des physischen und Ätherleibes erlebt, das Aufgehen des physischen und Ätherleibes in der allgemeinen Physis und Ätherwelt, dadurch schöpft unser Geistig-Seelisches die Kraft, aus dem Todesvorgange schöpft unser Geistig-Seelisches die Kraft, zwischen dem Tod und einer neuen Geburt Wahrnehmungsvorgänge haben zu können. Das Jakob Böhme-Wort: Und so ist denn der Tod die Wurzel alles Lebens - gewinnt dadurch seine höhere Bedeutung für den ganzen Zusammenhang der Welterscheinungen.

Nun wird Ihnen oftmals die Frage vor die Seele getreten sein: Wie steht es denn eigentlich mit jener Zeit, die von der Menschenseele durchlaufen wird zwischen dem Tod und einer neuen Geburt? - Es ist oftmals darauf hingewiesen worden, daß für das normale Menschenleben diese Zeit eine lange ist im Verhältnis zu der Zeit, die wir hier im physischen Leibe zwischen der Geburt und dem Tode verbringen. Kurz ist sie nur bei denjenigen Menschen, welche ihr Leben in einer weltwidrigen Weise anwenden, welche, ich will sagen, dazu kommen, dasjenige nur zu tun, was in einem wirklich und wahrhaftigen Sinne verbrecherisch genannt werden kann. Da findet ein kurzer Zeitverlauf statt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Aber bei Menschen, die nicht allein dem Egoismus verfallen sind, sondern ihr Leben in einer normalen Weise zwischen Geburt und dem Tode zubringen, bei denen findet gewöhnlich eine verhältnismäßig lange Dauer der Zeit statt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Aber die Frage muß uns ja, ich möchte sagen, in der Seele brennen: Nach was richtet sich denn überhaupt das Wiederkommen einer Menschenseele zu einer neuen physischen Verkörperung? -

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Innig hängt die Beantwortung dieser Frage zusammen mit alledem, was man wissen kann über die Bedeutung der Zerstörungsvorgänge, die ich angeführt habe. Denken Sie nur einmal, daß wir mit unseren Seelen, wenn wir das physische Dasein betreten, hineingeboren werden in ganz bestimmte Verhältnisse. Wir werden hineingeboren in ein bestimmtes Zeitalter, zu bestimmten Menschen hingetrieben. Also in ganz bestimmte Verhältnisse werden wir hineingeboren. Sie müssen schon einmal recht gründlich ins Auge fassen, daß unser Leben zwischen der Geburt und dem Tode inhaltlich eigentlich angefüllt ist mit alledem, in das wir da hineingeboren sind. Was wir denken, was wir fühlen, was wir empfinden, kurz, der ganze Inhalt unseres Lebens hängt von der Zeit ab, in die wir hineingeboren sind.

Aber nun werden Sie auch wiederum leicht begreifen können, daß dasjenige, was uns so umgibt, wenn wir ins physische Dasein hineingeboren sind, von den vorangegangenen Ursachen abhängig ist, von dem, was vorangehend geschehen ist. Nehmen Sie einmal an, wenn ich das schematisch zeichnen soll, wir werden in einen bestimmten Zeitpunkt hineingeboren und laufen durch das Leben zwischen Geburt und Tod. (Es wurde gezeichnet.) Wenn Sie dazu- nehmen, was Sie umgibt, so steht das nicht isoliert da, sondern ist die Wirkung von Früherem. Ich will sagen: Sie werden zusammen- gebracht mit Früherem, mit Menschen. Diese Menschen sind Kinder von andern Menschen, diese wieder von andern Menschen und so weiter. - Wenn wir nur diese physischen Generationsfolge-Verhältnisse betrachten, so werden Sie sagen: Ich nehme, während ich in das physische Dasein trete, etwas an von den Menschen, ich nehme während meiner Erziehung vieles an von den Menschen, die mich umgeben. - Diese haben aber auch wiederum sehr vieles angenommen von den Vorfahren, von den Bekannten und Verwandten ihrer Vorfahren und so weiter. Immer weiter hinauf, könnte man sagen, haben die Menschen die Ursachen zu suchen von dem, was sie selber sind.

Wenn man dann die Gedanken weitergehen läßt, so kann man sagen, man kann also über seine Geburt hinauf eine gewisse Strömung verfolgen. Diese Strömung hat gleichsam alles das herangetragen,

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was uns umgibt in dem Leben zwischen Geburt und Tod. Und wenn wir diese Strömung weiterhin hinaufwärts verfolgen, so würden wir irgendwo dann zu einem Zeitpunkt kommen, wo unsere frühere Inkarnation lag. Wir würden also, indem wir die Zeit aufwärts verfolgen vor unserer Geburt, eine lange Zeit haben, in der wir verweilt haben in der geistigen Welt. Während dieser Zeit hat sich auf Erden vieles abgespieltz Aber das, was sich abgespielt hat, hat herangetragen die Bedingungen, in denen wir leben, in die wir hineingeboren werden. Und dann kommen wir zUletzt in der geisti gen Welt auch zu der Zeit, wo wir in einer früheren Inkarnation auf der Erde waren. Wenn wir über diese Verhältnisse sprechen, sprechen wir durchaus von Durchschnittsverhältnissen. Ausnahmen sind natürlich sehr zahlreich, aber sie liegen alle, ich möchte sagen, in der Linie, die ich vorhin angedeutet habe für Naturen, die schneller zur irdischen Verkörperung kommen.

Wovon hängt es nun ab, daß wir, nachdem eine Zeit verlaufen ist, gerade hier wiederum geboren werden? Nun, wenn wir hinblicken zu unseren früheren Verkörperungen, so haben uns dazumal während der Erdenzeit auch Verhältnisse umgeben, diese Verhältnisse haben ihre Wirkungen gehabt. Da waren wir von Menschen umgeben, diese Menschen haben Kinder gehabt, haben auf die Kinder das übertragen, was ihre Empfindungen, ihre Vorstellungen waren, die Kinder wiederum auf die folgenden und so fort. Aber wenn Sie das geschichtliche Leben verfolgen, werden Sie sich sagen: Es kommt schon einmal im Laufe der Entwickelung eine Zeit, in der man an den Nachkommen nichts mehr richtig Gleiches oder auch nur Ähnliches erkennen kann mit den Vorfahren. Es überträgt sich alles, aber der Grundcharakter, der in einer bestimmten Zeit da ist, er- scheint in den Kindern abgeschwächt, in den Enkeln noch mehr abgeschwächt und so weiter, bis eine Zeit herankommt, wo nichts mehr von dem Grundcharakter der Umgebung vorhanden ist, in der man in der vorhergehenden Inkarnation war. So daß also der Zeitenstrom an dem Zerstören dessen arbeitet, was der Grundcharakter der Umgebung einmal war. Diesem Vernichten schauen wir zu in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Und

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wenn der Charakter des früheren Zeitalters ausgelöscht ist, wenn nichts mehr davon da ist, wenn das, worauf es uns gleichsam in den früheren Inkarnationen angekommen ist, vernichtet ist, dann tritt der Zeitpunkt ein, wo wir wiederum ins irdische Dasein eintreten. So wie in der zweiten Hälfte unseres Lebens eigentlich unser Leben eine Art Abtragen unseres physischen Daseins ist, so muß zwischen dem Tod und einer neuen Geburt eine Art Abtragen der irdischen Verhältnisse stattfinden, ein Vernichten, eine Zerstörung. Und neue Verhältnisse, neue Umgebung, in die wir hineingeboren werden, müssen da sein. Also wir werden wiedergeboren, wenn all dasjenige, um dessentwillen wir vorher geboren worden sind, vernichtet und zerstört ist. So hängt diese Idee des Zerstörtwerdens zusammen mit der aufeinanderfolgenden Wiederkehr unserer Inkarnation auf Er- den. Und dasjenige, was unser Bewußtsein schafft im Momente des Todes, wo wir den Körper abfallen sehen von unserem GeistigSeelischen, stärkt sich an diesem Moment des Todes, an diesem Anschauen des Zerstörtwerdens für das Anschauen des Vernichtungsprozesses, der da verlaufen muß in den Erdenverhältnissen zwischen unserem Tod und einer neuen Geburt.

Jetzt werden Sie auch verstehen, daß derjenige, welcher gar kein Interesse hat für das, was ihn auf der Erde um gibt, der sich im Grunde genommen für keinen Menschen und für kein Wesen interessiert, sondern sich nur interessiert dafür, was ihm selbst gut bekommt, und sich einfach von einem Tag zum anderen stiehlt, daß der nicht sehr stark zusammenhängt mit den Verhältnissen und Dingen auf der Erde. Er hat auch kein Interesse, ihre langsame Abtragung zu verfolgen, sondern er kommt sehr bald wieder, um das auszubes sern, um jetzt wirklich mit den Verhältnissen zu leben, mit denen er leben muß, damit er lernt, ihre allmähliche Zerstörung zu verstehen. Wer niemals mit Erdenverhältnissen gelebt hat, versteht ihre Zerstörung, ihre Auflösung nicht. Daher werden diejenigen, welche ganz intensiv in dem Grundcharakter irgendeines Zeitalters gelebt haben, sich ganz vertieft haben in den Grundcharakter irgendeines Zeitalters, vor allen Dingen die Tendenz haben, wenn nicht sonst irgend etwas dazwischenkommt, das zur Zerstörung zu bringen, wohinein

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sie geboren worden sind, und wieder zu erscheinen, wenn e1n völlig Neues hervorgetreten ist. Natürlich finden, ich möchte sagen, nach oben hin Ausnahmen statt. Und diese Ausnahmen sind insbesondere für uns wesentlich zu bedenken.

Nehmen wir an, man lebt sich hinein in eine solche Bewegung, wie die geisteswissenschaftliche Bewegung es heute ist, in diesem Zeitpunkt, wo sie nicht stimmt mit alldem, was in der Umgebung ist, wo sie der Umgebung etwas völlig Fremdes ist. Da ist diese geisteswissenschaftliche Bewegung nicht dasjenige, in das wir hineingeboren sind, sondern erst das, woran wir zu arbeiten haben, von dem wir gerade wollen, daß es in die geistige Kulturentwickelung der Erde eintrete. Da handelt es sich dann darum vor allen Dingen, zu leben mit den dem Geisteswissenschaftlichen widerstrebenden Verhältnissen, und wiederum zu erscheinen auf der Erde dann, wenn die Erde soweit geändert ist, daß nun wirklich die geisteswissenschaftlichen Verhältnisse das Leben der Kultur ergreifen können. Also hier haben wir die Ausnahme nach oben. Es gibt Ausnahmen nach unten und nach oben. Gewiß bereiten sich gerade die ernstesten Mitarbeiter der Geisteswissenschaft heute vor, möglichst bald wiederum in einem Erdendasein zu erscheinen, indem sie zugleich arbeiten im Verlaufe dieses Erdendaseins daran, daß die Verhältnisse verschwinden, in die sie hineingeboren sind. So sehen Sie gerade, wenn Sie den letzten Gedanken ergreifen, daß Sie gewissermaßen helfen den geistigen Wesenheiten, die Welt zu lenken, indem Sie sich dem hingeben, was in den Intentionen der geistigen Wesenheiten liegt.

Wenn wir heute die Zeitverhältnisse ins Auge fassen, so müssen wir sagen: Wir haben auf der einen Seite eminent das, was in die Dekadenz, den Untergang hineingeht. - Es wurden gewissermaßen die- jenigen, die ein Herz und eine Seele haben für das Geisteswissenschaftliche, hineingestellt in dieses Zeitalter, um zu sehen, wie es untergangsreif ist. Sie werden hier auf der Erde mit demjenigen bekanntgemacht, mit dem man nur auf der Erde bekannt werden kann, tragen aber das in die geistigen Welten hinauf, sehen nun den Untergang des Zeitalters und werden wiederkommen, wenn das ein neues

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Zeitalter hervorrufen soll, was gerade in den innersten Impulsen des geisteswissenschaftlichen Strebens liegt. So werden gewissermaßen die Pläne der geistigen Führer, der geistigen Leiter der Erdenevolution durch das gefördert, was solche Menschen, die sich mit etwas befassen, was sozusagen nicht Zeitkultur ist, in sich aufnehmen.

Sie werden vielleicht die Vorwürfe kennen, die von den Menschen der heutigen Zeit Bekennern der Geisteswissenschaft sehr häufig gemacht werden, daß sie sich mit etwas befassen, was oftmals äußerlich unfruchtbar erscheint, was äußerlich nicht eingreift in die Zeitverhältnisse. Ja, es gibt wirklich die Notwendigkeit, daß sich auch Leute im Erdendasein mit dem beschäftigen, was für die weitere Entwickelung eine Bedeutung hat, aber nicht unmittelbar für die Zeit. Wenn man dagegen etwas einwendet, dann sollte man nur das Folgende bedenken. Denken Sie einmal, das wären aufeinanderfolgendeJahre: 1915, 1914, 1913, 1912.

Zeichnung aus GA 162, S. 76
Zeichnung aus GA 162, S. 76

Wir könnten dann weitergehen. Nehmen Sie an, das wären aufeinanderfolgende Jahre und das hier wären die Getreidefrüchte (Mitte) der aufeinanderfolgenden Jahre. Und was ich hier zeichne, das wären immer die Münder (rechts), welche diese Getreidekörner verzehren. Es kann nun einer kommen und sagen: Bedeutung hat nur der Pfeil, der von den Getreidekörnern in die Münder hineingeht (~), denn das unterhält die Menschen der aufeinanderfolgenden Jahre. - Und er kann sagen: Wer real denkt, der schaut nur auf diese

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Pfeile hin, die von den Getreidekörnern zu den Mündern gehen. - Aber die Getreidekörner kümmern sich wenig um das, um diesen Pfeil. Sie kümmern sich gar nicht darum, sondern sie haben nur die Tendenz, jedes Getreidekorn zum nächsten Jahre hin zu entwickeln. Nur um diesen Pfeil ($) kümmern sich die Getreidekörner, denen liegt gar nichts daran, daß sie auch aufgegessen werden, darum kümmern sie sich gar nicht. Das ist eine Nebenwirkung, das ist etwas, was nebenher entsteht. Jedes Getreidekorn hat, wenn ich so sagen darf, den Willen, den Impuls, ins nächste Jahr hinüberzugehen, um dort wiederum ein Getreidekorn zu werden. Und gut für die Münder, daß die Getreidekörner dieser Pfeilrichtung (+ ) folgen, denn wenn alle Getreidekörner dieser Pfeilrichtung (~) folgten, dann hätte der Mund hier, im nächsten Jahr, nichts mehr zu essen!

Wenn die Getreidekörner vom Jahre 1913 alle diesem Pfeil (~) gefolgt wären, so hätten die Münder vom Jahre 1914 nichts mehr zu essen. Wenn jemand das materialistische Denken konsequent durch- führen wollte, so würde er die Getreidekörner untersuchen darauf, wie sie chemisch beschaffen sind, damit sie möglichst gute Nahrungsprodukte abgeben. Damit würde man aber keine gute Betrachtung anstellen; denn diese Tendenz liegt gar nicht in den Getreidekörnern, sondern in den Getreidekörnern liegt die Tend`enz, für die Weiterentwickelung zu sorgen und sich zum nächstjährigen Getreidekorn hinüberzuentwickeln.

So ist es nun aber auch mit dem Weltengange. Diejenigen folgen wirklich dem Weltengange, welche dafür sorgen, daß die Evolution weitergeht, und diejenigen, die Materialisten werden, folgen den Mündern, die nur auf diesen Pfeil hier sehen (~). Aber diejenigen, die dafür sorgen, daß der Weltengang weitergeht, brauchen sich in diesem ihrem Streben nicht beirren zu lassen, die nächstfolgenden Zeiten vorzubereiten> ebensowenig wie sich die Getreidekörner beirren lassen> die nächstjährigen vorzubereiten, wenn auch die Münder hier nach den ganz andersgerichteten Pfeilen verlangen.

Ich habe in den «Rätseln der Philosophie» am Schlusse auf dieses Denken hingewiesen, habe darauf hingewiesen, daß dasjenige, was man materialistische Erkenntnisse nennt, sich durchaus vergleichen

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läßt mit dem Aufessen des Getreidekornes, daß das, was wirklich in der Welt vorgeht, sich vergleichen läßt mit dem, was von einem Getreidekorn zum nächstjährigen durch die Fortpflanzung geschieht. Daher ist das, was man wissenschaftliche Erkenntnis nennt, ebensowenig von Bedeutung für die innere Natur der Dinge, wie das Essen ohne innere Bedeutung ist für das Fortwachsen der Getreidefrüchte. Und die heutige Wissenschaft, die sich nur um die Art und Weise kümmert, wie man dasjenige, was man aus den Dingen wissen kann, in den menschlichen Verstand hereinbekommt, tut genau dasselbe, wie der Mann, der das Getreide zum Essen verwendet, denn das, was die Getreidekörner beim Essen sind, hat gar nichts zu tun mit der inneren Natur der Getreidekörner, ebensowenig hat die äußere Erkenntnis irgend etwas zu tun mit dem, was sich im Inneren der Dinge entwickelt.

Ich versuchte auf diese Weise, einmal einen Gedanken in die philosophische Betriebsamkeit hineinzuwerfen, von dem man gespannt sein wird, ob er verstanden werden wird, oder ob auch einem solchen sehr plausiblen Gedanken immer wieder und wiederum begegnet wird mit dem törichten: Ja, Kant hat doch schon bewiesen, daß die Erkenntnis nicht an die Dinge herankommen kann. - Er hat es eben nur von der Erkenntnis bewiesen, welche verglichen werden kann mit dem Verzehren der Getreidekörner, und nicht von der Erkenntnis, welche aufsteigt mit der fortschreitenden Entwickelung, die in den Dingen ist. Wir müssen uns aber schon bekanntmachen damit, daß wir in allen möglichen Formen - nur nicht in voreiligen Formen und nicht in agitatorischen Formen, nicht in fanatischen Formen -, unserem Zeitalter und dem Zeitalter, das kommt, immer wieder und wiederum wiederholen müssen, was Prinzip und Wesen der Geisteswissenschaft ist, bis es eingebläut ist. Denn das ist gerade das Charakteristische unseres Zeitalters, daß Ahriman die Schädel sehr hart und dicht gemacht hat, und daß sie sich nur langsam wiederum werden erweichen lassen. So muß schon niemand, ich möchte sagen, zurückbeben vor der Notwendigkeit, in allen möglichen Formen immer wieder und wiederum das zu betonen, was Wesen und Impuls der Geisteswissenschaft ist.

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Nun aber blicken wir auf eine andere Forderung, die gestern im Zusammenhang mit mancherlei Voraussetzungen hier geltend gemacht worden ist, die Forderung, daß in unserer Zeit wachsen müsse die Ehrfurcht vor der Wahrheit, die Ehrfurcht vor dem Wissen, nicht vor dem autoritativen Wissen, sondern vor dem Wissen, das man sich erwirbt. Die Gesinnung muß wachsen, daß man urteilen soll nicht aus dem Nichts heraus, sondern aUs dem angeeigneten Wissen über die Vorgänge der Welt.

Nun, indem wir hineingeboren werden in ein bestimmtes Zeitalter, sind wir abhängig von unserer Umgebung, ganz abhängig von dem, was in unserer Umgebung ist. Aber das hängt zusammen, wie wir gesehen haben, mit dem ganzen Strom der Entwickelung, mit dem ganzen Streben, das aufwärts führt, daß wir hineingeboren werden in Verhältnisse, die abhängig sind von den vorhergehenden Verhältnissen. Bedenken Sie nur, wie wir da hineinversetzt werden. Gewiß werden wir durch unser Karma hineinversetzt, aber wir werden doch in dasjenige hineinversetzt, was uns als etwas ganz Bestimmtes umgibt, als etwas, das einen bestimmten Charakter trägt. Und jetzt bedenken Sie, wie wir dadurch abhängig werden in unserem Urteil. Es tritt uns das nicht immer ordentlich vor Augen, aber es ist doch wirklich so. So daß wir uns sagen müssen, wenn es auch mit unserem Karma zusammenhängt: Wie wäre es denn, wenn wir nicht geboren wären zu einem bestimmten Zeitpunkte an einem bestimmten Ort, sondern fünfzig Jahre früher an einem andern Ort, wie wäre es dann? - Dann würden wir von den andern Verhältnissen unserer Umgebung ebenso die Form und die innere Richtung unserer Urteile bekommen haben, wie wir sie bekommen haben durch das, wo wir hineingeboren sind, nicht wahr?

So daß wir wirklich bei einer genaueren Selbstbeobachtung darauf kommen, daß wir in ein gewisses Milieu, in eine gewisse Umgebung hineingeboren werden, in unseren Urteilen, in unseren Empfindungen von diesem Milieu abhängig sind, daß gleichsam dieses Milieu wieder erscheint, wenn wir urteilen. Denken Sie nun, wie es anders wäre, ich will nur sagen, wenn Luther im 10. Jahrhundert geboren worden wäre und an einem ganz andern Ort! Also selbst bei

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einer Persönlichkeit, die einen ungeheuer starken Einfluß auf die Umgebung hat, können wir sehen, wie sie in ihre eigenen Urteile dasjenige aufnimmt, was aus dem Zeitalter heraus ist, wodurch die Persönlichkeit wirklich eigentlich die Impulse des Zeitalters wiedergibt. Und das ist für jeden Menschen so der Fall, nur daß eigentlich diejenigen, bei denen es am meisten der Fall ist, es am wenigsten bemerken. Diejenigen, bei denen es am meisten der Fall ist, daß sie nur die Impulse ihrer Umgebung wiedergeben, in die sie hineingeboren sind, die sprechen in der Regel am allermeisten von ihrer Freiheit, von ihrem unabhängigen Urteil, von ihrer Vorurteilslosigkeit und so weiter. Wenn wir dagegen geradezu Menschen erblicken, die nicht so gründlich abhängig sind wie die meisten Menschen von ihrer Umgebung, so sehen wir, daß sich gerade solche Menschen am allermeisten bewußt werden dessen, was sie abhängig macht von ihrer Umgebung.

Und einer derjenigen, die niemals den Gedanken der Abhängigkeit von ihrer Umgebung losbekamen, ist der, von dem wir jetzt wieder ein Stück vor unseren Augen haben vorbeiziehen sehen, ist Goethe. Er wußte im eminentesten Sinne, daß er nicht so wäre, wie er war, wenn er nicht 1749 in Frankfurt am Main geboren wäre und so weiter. Er wußte, daß gewissermaßen sein Zeitalter aus ihm spricht. Das belebte und bewegte sein Lebensverhalten in ganz außerordentlicher Weise. Er wußte: dadurch, daß er im Hause des Vaters gewisse Neigungen und Verhältnisse gesehen hatte, hat er sein Urteil geformt. Dadurch, daß er seine Studentenzeit in Leipzig verbracht hat, hat er sein Urteil geformt. Dadurch, daß er nach Straßburg gekommen ist, hat er sein Urteil geformt. Das machte es, daß er so heraus wollte aus den Verhältnissen und in ganz andere hinein wollte, daß er also in den achtziger Jahren, man möchte sagen, plötzlich in Nacht und Nebel verschwand und den Freunden erst etwas erzählte von seinem Verschwinden, als er schon über Berg und Tal weit davon war, nachdem man ihn nicht wieder zurückholen konnte bei den damaligen Verhältnissen. Er wollte heraus, damit anderes aus ihm sprechen konnte. Und wenn man viele Äußerungen Goethes gerade aus seiner Entwickelungszeit nimmt, so wird man

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überall dieses Gefühl, dieses Empfinden für die Abhängigkeit von dem Milieu bemerken.

Ja, aber was hätte denn Goethe dann anstreben müssen, wenn er in dem Moment, wo ihm das so recht zum Bewußtsein gekommen war, daß man eigentlich ganz abhängig ist von seiner Umgebung, wenn er seine Gefühle, seine Empfindungen für diese Abhängigkeit mit den Gedanken, die wir heute geäußert haben, in Zusammenhang gebracht hätte? Er hätte sagen müssen: Ja, das, was meine Um- gebung ist, das ist abhängig von der ganzen Strömung bis zu den Vorfahren hin. Ich bleibe immer abhängig. Ich müßte mich denn schon in Gedanken, im Seelenerleben in eine Zeit zurückversetzen, wo gar noch nicht die heutigen Verhältnisse waren, wo ganz andere Verhältnisse waren, dann würde ich, wenn ich mich hineinversetzen könnte in diese Verhältnisse, zu einem unabhängigen Urteil kommen, nicht nur urteilen, wie meine Zeit über meine Zeit urteilt, sondern wie ich urteile, wenn ich mich ganz heraushebe aus meiner Zeit.

Dabei kann es natürlich nicht darauf ankommen, daß sich solch ein Mensch, der dies als Notwendigkeit empfindet, gerade in seine eigene frühere Inkarnation versetzt. Aber doch im wesentlichen mUß er sich an einen Zeitpunkt hin versetzen, der mit einer früheren Inkarnation zusammenhängt, wo er in ganz andern Verhältnissen gelebt hat. Und wenn er jetzt sich zurückversetzt in diese Inkarnation, so wird er nicht abhängig sein wie früher, denn die Verhältnisse sind ganz andere geworden, die früheren Verhältnisse sind in- zwischen zerstört, zugrunde gegangen. Es ist natürlich etwas anderes, wenn ich mich jetzt zurückversetze in eine Zeit, deren ganze Umgebung, deren ganzes Milieu verschwunden ist. Was hat man denn dann eigentlich? Ja, man muß sagen: Vorher lebt man im Leben darinnen, man genießt das Leben; man ist verwoben mit dem Leben. Mit dem Leben, das zugrunde gegangen ist, mit dem Leben einer früheren Zeit kann man nicht mehr verwoben sein, dieses Leben kann man nur noch geistig-seelisch durchleben.

Dann würde man sagen können: «Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.» Ja, was müßte denn dann geschehen, wenn ein solcher

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Mensch, der dies fühlte, darstellen wollte dieses Herauskommen aus den Verhältnissen der Gegenwart und das Kommen zu einem objektiven Urteil, von einem Standpunkt aus, der heute nicht mehr möglich ist? Da müßte er das so darstellen, daß er zurückversetzt wird in ganz andere Verhältnisse. Ob das nun genau die vorhergehende Inkarnation ist oder nicht, darauf kommt es nicht an, sondern auf Verhältnisse, die auf der Erde ganz andere waren. Under müßte darnach trachten, nUn seine Seele anzufüllen mit den Impulsen, die dazumal waren. Er müßte gewissermaßen in eine Art Phantasmagorie sich versetzen, sich identifizieren mit dieser Phantasmagorie und darin leben, in einer Art Phantasmagorie leben, die eine frühere Zeit darstellt.

Dahin strebt aber Goethe, indem er seinen «Faust» fortsetzt im zweiten Teil. Denken Sie, daß er seinen Faust zunächst in die Verhältnisse der Gegenwart gebracht hat> da läßt er ihn durchleben alles dasjenige, was man in der Gegenwart erleben kann. Aber bei alldem hat er tief innen das Gefühl: Das kann ja trotzdem zu keinem irgendwie wahren Urteil führen, denn da bin ich immer angeregt von dem, was in meiner Umgebung ist; ich muß heraus, ich muß zu- rückgehen zu der Zeit, deren Verhältnisse bis in unsere Zeit hinein völlig ve`rändert worden sind, die also nicht das Urteil beeinträchtigen können. Deshalb läßt Goethe den Faust den ganzen Weg machen bis zurück in die klassische griechische Zeit und läßt ihn eintreten, zusammenkommen mit der klassischen Walpurgisnacht.

Dasjenige, was er in der Gegenwart im tiefsten Sinne erleben kann, hat er dargestellt in der nordischen Walpurgisnacht. Nun muß er zurückgehen zu der klassischen Walpurgisnacht, denn von der klassischen Walpurgisnacht bis zu der nordischen Walpurgisnacht sind alle Verhältnisse andere geworden. Das, was das Wesentliche war der klassischen Walpurgisnacht, ist verschwunden, und neue Verhältnisse sind eingetreten, die symbolisiert werden durch die nordische Walpurgisnacht. Da haben Sie die Rechtfertigung des Zurückgehens des Faust in die griechische Zeit. Der ganze zweite Teil des «Faust» ist die Realisierung dessen, was man nennen kann: «Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.»

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Zunächst der Durchgang noch durch die Verhältnisse der Gegenwart, aber diejenigen Verhältnisse, die schon die Zerstörung vorbereiten. Wir sehen dasjenige, was sich am Kaiserhof entwickelt, woder Teufel an die Stelle des Narren tritt und so weIter. Wir sehen die Erzeugung des Homunkulus, wie erstrebt wird das Herauskommen aus der Gegenwart, und wie im dritten Akt Faust nun eintritt in die klassische Zeit. Den Anfang hatte Goethe schon um die Wende des 18. Jahrhunderts geschrieben; die weiteren Szenen kamen erst 1825 dazu, aber die Helena-Szene war schon 1800 geschrieben, und Goethe nennt sie eine «Klassische Phantasmagone>, um durch die Worte anzudeuten, daß er ein Zurücksichversetzen meint in Verhältnisse, die nicht die physischen, realen Verhältmsse der Gegenwart sind.

Das ist das Bedeutsame an der Goetheschen Faust-Dichtung, daß sie, Ich möchte sagen, ein Werk des Strebens ist, ein Werk des Ringens. Ich habe wirklich klar genug betont in den letzten Zeiten, daß es eIn Unsinn wäre, die Goethesche Faust-Dichtung als ein abgeschlossenes Kunstwerk anzusehen. Ich habe genug getan, um zu zeigen, daß von einem abgeschlossenen Kunstwerke nicht die Rede sein kann. Aber als Werk des Strebens, als Werk des Ringens ist diese Faust-Dichtung so bedeutend. Dann erst kann man verstehen, was Goethe ahnend errungen hat, wenn man sich einläßt auf das, was als ein Licht fallen kann von unserer Geisteswissenschaft aus auf solch eIne Komposition, und sieht, wie Faust hineinschaut in die klassische Zeit, in das Milieu des Griechentums hinein, wo innerhalb der vierten nachatlantischen Zeit ganz andere Verhältnisse waren als in unserer funften nachatlantischen Zeit. Man bekommt wirklich die höchste Ehrfurcht vor diesem Ringen, wenn man sieht, wie Goethe in früher Jugen&eit begonnen hat, an diesem «Faust» zu arbeiten, wie er sich da überlassen hat alldem, was ihm dazumal zugänglich war, ohne daß er das eigentlich sehr gut verstanden hat. Wirklich, wenn man an den «Faust» herantritt, muß man schon diesen Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft anlegen, denn die Urteile, die manchmal die äußere Welt bringt, sind zu töricht in bezug auf den «Faust».

Wie sollte es denn dem Geisteswissenschafter nicht auffallen,

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wenn immer wieder und wiederum die Menschen, die besonders gescheit sich dünken, herankommen und anführen, wie so großartig das Glaubensbekenntnis ausgesprochen wird von diesem Faust, und sagen: Ja, gegenüber alldem, was so viele Leute sagen über irgendein Gottesbekenntnis, müßte man sich immer mehr und mehr erinnern an das Gespräch zwischen Faust und Gretchen:


. . . Gefühl ist alles;

Name ist Schall und Rauch,

Umnebelnd Himmelsglut.


Nun, Sie kennen das> was Faust da mit Gretchen verhandelt, und was immer dann angeführt wird, wenn jemand denkt, er müsse besonders hervorheben, was man nicht als religiöse Vertiefung ansehen solle, und was man als religiöse Empfindung ansehen solle. Nur bedenkt man dabei nicht, daß Faust in diesem Falle sein religiöses Bekenntnis für das sechzehnjährige Gretchen formte, und daß ei- gentlich all die gescheiten Professoren dann verlangen, daß die Menschen niemals in ihrer religiösen Auffassung über den GretchenStandpunkt hinauskommen. In dem Augenblick, wo man jenes Bekenntnis des Faust vor Gretchen als etwas besonders Erhabenes hin- stellt, in dem Augenblick verlangt man, daß die Menschheit sich niemals über den Gretchen-Standpunkt erhebe. Das ist eigentlich bequem und leicht zu erreichen. Man kann auch sehr leicht prunken damit, daß alles Gefühl sei und so weiter, aber bemerkt eben nicht, daß es der Gretchen-Standpunkt ist.

Goethe hat seinerseits ganz anders gestrebt, seinen «Faust» zum Träger eines fortwährenden Ringens zu machen, wie ich es jetzt wiederum angedeutet habe mit Bezug selbst auf dieses SichVersetzen in ein völlig früheres Zeitalter, um die Wahrheit zu bekommen. Vielleicht gerade in derselben Zeit oder etwas früher, als Goethe diese «Klassisch-romantische Phantasmagorie» geschrieben hat, dieses Versetztsein des Faust in das Griechentum, da wollte er sich noch einmal klarmachen, wie eigentlich sein «Faust» verlaufen solle, was er im «Faust» alles darstellen wolle. Und da schrieb sich Goethe ein Schema auf. Es war von seinem «Faust» damals vorhanden :

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eine Grundlage, eine Anzahl der Szenen des ersten Teiles und wahrscheinlich auch noch die Helena-Szene. Da schrieb Goethe sich auf: «Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur. »

Goethe nahm also, als das Jahrhundert zu Ende ging, auf Anregung Schillers, wie er sagte, «den alten Tragelaphen, die barbarische Komposition» wieder auf. So bezeichnete er ja, am Ende des Jahrhunderts seinen «Faust» mit Recht, denn es war Szene auf Szene geschrieben worden. Nun sagte er sich: Was habe ich eigentlich da gemacht? - Und er stellte sich vor die Seele diesen strebenden Faust, heraus aus der Gelehrsamkeit, näher hinein in die Natur.

Da schrieb er sich auf: Ich habe also hinstellen wollen:


1. «Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur.

2. Erscheinung des Geistes als Welt- und Tatengenius.»


So skizzierte er sich die Erscheinung des Erdgeistes.

Nun habe ich Ihnen dargestellt, wie nach der Erscheinung des Erdgeistes eigentlich der Wagner, der erscheint, nur sein soll ein Mittel zur Selbsterkenntnis des Faust, nur sein soll, was im Faust selbst ist, ein Teil des Faust. Was streitet denn da in Faust? Was macht jetzt Faust, indem etwas in ihm streitet? Er merkt: Du hast bis jetzt nur in deiner Umgebung gelebt, in dem, was dir die äußere Welt dargebracht hat. - Das kann er am besten sehen an dem Stück, das in ihm ist, an Wagner, der ganz zufrieden ist. Der Faust ist eben daran, sich etwas zu erringen, um freI zu werden von dem, in das man hineingeboren ist, aber der Wagner, der will ganz bleiben das, was er ist, will bleiben in dem, was er äußerlich ist. Was sich äußerlich in der Welt auslebt von Generation zu Generation, von Epoche zu Epoche, was ist es? Es ist die Form, in die das menschliche Streben hineingeprägt wird. Da arbeiten die Geister der Form draußen an demjenigen, in das wir hinein sollen. Der Mensch aber muß immer, wenn er nicht in der Form ersterben will, wenn er wirklich weiterkommen will, über diese Form hinausstreben. «Streit zwischen Form und Formlosem», schreibt sich Goethe auch auf.

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3. «Streit zwischen Form und Formlosem.»


Aber nun sieht sich Faust die Form an: der Faust in dem Wagner da drinnen. Er will frei werden von dieser Form. Das ist ein Streben nach dem Gehalt dieser Form, einem neuen Gehalt, der aus dem In- nern entspringen kann.

Wir hätten ja auch, indem wir beschlossen haben, hier einen Bau aufzurichten für die Geisteswissenschaft, alle möglichen Formen uns anschauen, alle möglichen Stile studieren, und dann daraus ein neues Gebäude bauen können, wie es viele Architekten des 19. Jahrhunderts gemacht haben, und wie wir es draußen überall finden. Da hätten wir, aus der Form, die gekommen ist in der Weltenentwickelung, nichts Neues geschaffen: Wagner-Natur. Aber wir haben es vorgezogen, eben den «formlosen Gehalt» zu nehmen, wir haben gesucht aus dem, was zunächst formlos ist, was nur Gehalt ist, die lebendig erlebte Geisteswissenschaft zu nehmen, und sie in neue Formen zu gießen.

Das tut Faust, indem er den Wagner abweist:


Sei er kein schellenlauter Tor!

Es trägt Verstand und rechter Sinn

Mit wenig Kunst sich selber vor.


«Vorzug dem formlosen Gehalt», schreibt sich auch Goethe hin. Und das ist die Szene, die er hingeschrieben hat, indem Faust ab- weist den Wagner:


4. «Vorzug dem formlosen Gehalt vor der leeren Form.»


Die Form wird aber im Laufe der Zeit leer. Wenn nach hundert Jahren wieder jemand genau einen solchen Bau aufführen würde, wie wir ihn heute aufführen, so wäre es wiederum eine leere Form. Das ist das, was wir berücksichtigen müssen. Daher schreibt Goethe:


5. «Gehalt bringt die Form mit.»


Das ist es, was ich möchte, daß wir so erleben, und das ist etwas, was wir mit unserem Bau wollen: Gehalt bringt die Form mit. Und:

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«Form», schreibt Goethe auf, «ist nie ohne Gehalt.» Gewiß ist sie nie ohne Gehalt, aber die Wagnernaturen sehen den Gehalt nicht darinnen, daher nehmen sie nur die leere Form an. Die Form ist so berechtigt wie nur irgend möglich. Aber darin besteht gerade das Fortschreiten, daß die alte Form durch den neuen Gehalt überwunden werde.


6. «Form ist nie ohne Gehalt.»


1. Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur.

2. Erscheinung des Geistes als Welt- und Tatengenius.

3. Streit zwischen Form und Formlosem.

4. Vorzug dem formlosen Gehalt vor der leeren Form.

5. Gehalt bringt die Form mit.

6. Form ist nie ohne Gehalt.


Und jetzt ein Satz, den Goethe sich hinschreibt, um seinem «Faust» sozusagen den Impuls zu geben, ein höchst charakteristischer Satz. Denn die «Wagner», die denken darüber nach: Ja, Form, Gehalt, wie kann ich das zusammenbrauen, wie kann ich das zusammenbringen? - Sie können sich ganz gut einen Menschen denken in der Gegenwart, der ein Künstler sein will, und der sich sagt: Nun ja, Geisteswissenschaft, ganz schön. Aber das geht mich weiter nichts an, was diese vertrackten Köpfe da als GeisteswIssenschaft ausdenken. Aber sie wollen sich ein Haus bauen, das, glaube ich, griechischen, Renaissance, gotischen Stil enthält; und da sehe ich, was sie sich da hinein denken, in dem Haus, das sie sich bauen, wie der In- halt der Form entspricht. - Man könnte sich denken, daß das kommen wird. Es muß ja auch kommen, wenn die Leute daran denken, Widersprüche auszumerzen, während die Welt gerade aus Widersprüchen zusammengesetzt ist, und es darauf ankommt, daß man die Widersprüche nebeneinander hinstellen kann. So schreibt Goethe sich auf:


7. «Diese Widersprüche, statt sie zu vereinigen, sind disparater zu machen.»

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Das heißt, er will sie so darstellen in seinem «Faust», daß sie möglichst stark hervortreten: «Diese Widersprüche, statt sie zu vereini gen, disparater zu machen.» Und um das zu tun, stellt er zwei Gestalten noch einmal einander gegenüber, da wo einer ganz in der Form lebt und zufrieden ist, wenn er an der Form klebt, gierig nach Schätzen des Wissens gräbt und froh ist, wenn er Regenwürmer findet. Wir könnten in unserer Zeit sagen: Gierig nach dem Geheimnis des Menschwerdens strebt und froh ist, wenn er etwa herausfindet, daß das Menschenwesen entstanden ist aus einer Tierart, welche ähnlich ist unseren Igeln und Kaninchen. Edinger, einer der bedeutendsten Physiologen der Gegenwart hat kürzlich einen Vortrag darüber gehalten, daß das Menschenwesen entstanden ist aus einer Urform, welche ähnlich war unserem Igel und Kaninchen. Nicht wahr, daß die Menschenwelt abstamme vom Affen, vom Halbaffen und so weiter, darüber ist die Wissenschaft schon weg; es muß weiter hin- aufgegangen werden, wo die Tierart schon früher absproßt. Da gab es einmal Vorfahren, die dem Igel, dem Kaninchen gleichen, und auf der anderen Seite haben wir als Nachfahren den Menschen. Nicht wahr, weil der Mensch nun in gewissen Dingen seiner Gehirnbildung am ähnlichsten ist dem Kaninchen und dem Igel, muß er von etwas Ähnlichem abstammen. Diese Tierarten haben sich erhalten, das andere ist natürlich alles ausgestorben. Also gierig nach Schätzen graben und froh sein, wenn man Kaninchen und Igel findet. Das ist das eine Streben, das Streben bloß in der Form. Goethe wollte es in Wagner hinstellen, und er weiß wohl, daß es ein gescheites Streben ist; die Leute sind nicht dumm, sie sind gescheit. Goethe nennt es: «Helles, kaltes, wissenschaftliches Streben.» «Wagner», setzt er hinzu.


8. «Helles, kaltes, wissenschaftliches Streben: Wagner.»


Das andere, das Disparate, das ist nun, was man mit allen Fasern der Seele von innen heraus erarbeiten will, nachdem man es nicht in der Form darinnen findet. «Dumpfes, warmes, wissenschaftliches Streben» nennt es Goethe; er stellt es entgegen dem andern und setzt dazu: «Schüler». Dem Faust tritt jetzt, nachdem ihm der Wagner entgegengetreten ist, auch der Schüler entgegen. Faust erinnert sich,

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wie er früher Schüler war, was er aufgenommen hat, als Philosophie, Juristerei, Medizin und leider auch Theologie, wie er zu dem gesagt hat, als er noch so war wie der Schüler: «Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.» Aber das ist ja vorbei. Auf diesen Standpunkt kann er sich auch nicht mehr zurückversetzen. Aber das hat doch alles auf ihn gewirkt. Also:


9. «Dumpfes, warmes, wissenschaftliches Streben: Schüler.»


Und so geht es dann weiter. Von da ab sehen wir Faust eigentlich wirklich zum Schüler werden und dann sich noch einmal in all das hineinbegeben, wodurch man die Gegenwart aufnehmen kann.

Den ganzen Rest des ersten Teiles, sofern er schon fertig war und noch fertig werden sollte, nennt Goethe nun:


10. «Lebensgenuß der Person von außen gesehen; in der Dumpfheit und Leidenschaft, erster Teil.»


So genau macht sich Goethe klar, was er da geschaffen hat. Nun will er sagen: Wie soll es weitergehen? Wie soll der Faust nun wirklich herauskommen aus diesem Lebensgenuß der Person in eine objektive Weltanschauung hinein? - Da muß er kommen zu der Form, aber die Form muß er jetzt mit seinem ganzen Wesen ergreifen. Und wir haben gesehen, wie weit er zurückgehen muß, dahin, wo ganz andere Bedingungen da sind. Da tritt ihm die Form dann entgegen als Abglanz des Lebens. Da tritt ihm die Form entgegen so, daß er sie jetzt aufnimmt, indem er eins wird mit der Wahrheit, die dazu- mal berechtigt war, und abstreift alles dasjenige, was zugleich hat geschehen müssen in jener Zeit. Mit andern Worten: er versucht, sich hineinzuversetzen in die Zeit, insofern sie nicht von Luzifer durchsetzt war. Er versucht zurückzugehen zu dem göttlichen Standpunkt des alten Griechenland.

Und wenn man so sich in die Außenwelt einlebt, daß man mit seinem ganzen Wesen in diese Außenwelt hineingeht, aber nichts hineinnimmt von den Verhältnissen, in die man hineingewachsen ist, dann gelangt man zu dem, was Goethe im höchsten Sinne als Schönheit bezeichnet. Deshalb sagt er: «Tatengenuß». Jetzt nicht

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mehr: Genuß der Person, Lebensgenuß. Tatengenuß, Herausgehen, allmählich sich Entfernen von sich selber. Einleben in die Welt ist Tatengenuß nach außen und Genuß mit Bewußtsein.


11. «Tatengenuß nach außen und Genuß mit Bewußtsein; zweiter Teil. Schönheit.»


Was Goethe nun In seinem Ringen nicht mehr hat erreichen können, weil seine Zeit noch nicht die Zeit der Geisteswissenschaft war, das skizziert er sich aber doch um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Denn ganz bedeutsame Worte hat Goethe am Schluß dieser Skizze, die er da hingeschrieben hat, und die in dem ersten Teil eIne Rekapitulation desjenigen war, was er gemacht hatte. Er hatte schon vor, noch eine Art dritten Teil zu schreiben zu seinem «Faust»; es sind nur die zwei Teile geworden> die nicht alles ausdrücken, was Goethe wollte. Denn er hätte dazu Geisteswissenschaft gebraucht.

Was Goethe da hat darstellen wollen, das ist nun das Erleben der ganzen Schöpfung draußen, wenn man herausgekommen ist aus dem persönlichen Leben. Dieses ganze Erleben der Schöpfung draußen, in Objektivität in der Welt draußen, so daß von innen heraus die Schöpfung erlebt wird> indem man das wahrhaft Innere nach außen getragen hat, das skizziert sich Goethe, ich möchte sagen, stammelnd mit den Worten: «Schöpfungsgenuß von innen» - das heißt nicht von seinem Standpunkt, indem er herausgetreten ist aus sich selber.


12. «Schöpfungsgenuß von innen.»


Mit diesem «Schöpfungsgenuß von innen» wäre Faust nun eingetreten nicht nur in die klassische Welt, sondern in die Welt des Geistigen.

Dann steht noch etwas am Schluß, ein sehr merkwürdiger Satz, der hinweist auf die Szene, die Goethe hat machen wollen, nicht gemacht hat, aber doch hat machen wollen, die er würde gemacht haben, wenn er bereits in unserer Zeit gelebt hätte, die ihm aber vorgeleuchtet hat. Er schrieb:


13. «Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle.»

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Ich habe sehr gescheite Leute darüber reden hören, was denn dieser letzte Satz: «Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle» bedeute. Die Leute haben gesagt: Also hat Goethe wirklich im Jahre 1800 noch die Idee gehabt, daß Faust zur Hölle fährt und im Chaos, bevor er in die Hölle eintritt, einen Epilog hält? Er ist also erst viel, viel später darauf gekommen, Faust nicht in die Hölle kommen zu lassen! - Viele, viele sehr gelehrte Gespräche habe ich darüber gehört, wie manches Gespräch! Es bedeute, daß Goethe 1800 noch nicht frei war von der Idee, Faust doch zur Hölle fahren zu lassen. Aber daran dachten sie nicht, daß nicht Faust den Epilog hält, sondern selbstverständlich Mephistopheles, nachdem ihm Faust in den Himmel entkommen!

Den Epilog halten - wir würden heute sagen - Luzifer und Ahriman auf dem Weg zur Hölle; sie würden auf dem Weg zur Hölle besprechen, was sie mit dem strebenden Faust erlebt haben.

Ich wollte Sie auf diese Rekapitulation und auf dieses Expose` Goethes noch einmal aus dem Grunde aufmerksam machen, weil es uns wirklich im eminentesten Sinne zeigt, wie Goethe mit alledem, was er in seiner Zeit gewinnen konnte, hin strebte nach dem Weg, der geradewegs aufwärts in das Gebiet der Geisteswissenschaft führt.

Man wird den «Faust» nur in rIchtigem Sinne betrachten, wenn man sich sagt: Warum ist der «Faust» eigentlich im innersten Kern doch eine unvollkommene Dichtung geblieben, trotzdem er die größte Strebensdichtung der Welt ist, und Faust der Repräsentant der Menschheit dadurch ist, daß er herausstrebt aus seinem Milieu und sogar in ein früheres Zeitalter zurückgetragen wird? Warum ist dennoch dieser «Faust» eine unbefriedigende Dichtung geblieben? Aus dem Grunde, weil er eben erst das Streben darstellte nach dem, was die Geisteswissenschaft der menschlichen Kulturentwickelung einverleiben soll.

ES ist gut, gerade auf diese Tatsache das Augenmerk zu richten, und zu bedenken, daß an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert eine Dichtung entstanden ist, in der die Gestalt, die den Mittelpunkt dieser Dichtung bildet, Faust herausgehoben werden sollte aus all den beengenden Schranken, die den Menschen umgeben müssen, da-

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durch daß er sein Leben in wiederholten Erdenleben durchläuft. Das Bedeutsame an Faust ist ja dieses, daß, so intensiv er aus seinem Volkstum herausgeboren ist, er doch über das Volkstum hinausgewachsen und ins Allgemein-Menschliche hineingewachsen ist. Nichts von den engen Schranken des Volkstums hat Faust, sondern ganz hinauf strebt er zu dem allgemeine;n Menschlichen so, daß wir ihn nicht nur finden als den Faust der neueren Zeit, sondern ihn finden im Zweiten Teil als einen Faust, der als ein Grieche unter Griechen steht. Es ist ein ungeheurer Rückschlag in unserer Zeit, wo im Laufe des 19. Jahrhunderts man wieder angefangen hat, auf die Schranken der menschlichen Entwickelung das größte Gewicht zu legen, und in der «nationalen Idee» sogar eine Idee sieht, die irgendwie für unsere Epoche noch kulturtragend sein könnte. Wunderbar könnte sich die Menschheit hinaufranken zu einem Verständnis dessen, was Geisteswissenschaft werden soll, wenn man so etwas verstehen wollte, wie es in den «Faust» hineingeheimnißt ist.

Goethe hat nicht umsonst an Zelter geschrieben, als er den Zweiten Teil seines «Faust» schrieb, daß e? in den «Faust» viel hineingeheimnißt habe, was erst nach und nach herauskommen werde.

Herman Grimm, von dem ich Ihnen auch öfter gesprochen habe, hat darauf aufmerksam gemacht, daß man Goethe erst In einem Jahrtausend völlig verstehen wird. Ich muß sagen: Das glaube ich auch. - Wenn die Menschen sich noch mehr vertieft haben werden als in unserer Zeit, dann werden sie immer mehr und mehr noch verstehen von dem, was in Goethe liegt. Allerdings vor allen Dingen das, wonach er gestrebt hat, wonach er gerungen hat, was er nicht hat zum Ausdruck bringen können. Denn, würden Sie Goethe fragen, ob das, was er da in den Zweiten Teil des «Faust» hineingelegt hat, auch in seinem «Faust» zum Ausdruck gekommen ist, er würde sagen: Nein! - Aber dessen dürfen wir uns überzeugt halten, daß er unbedingt, wenn wir ihn heute fragen würden: Sind wir mit der Geisteswissenschaft auf dem Wege, den du dazumal angestrebt hast, wie er dazumal eben möglich war? - er sagen würde: Dasjenige, was Geisteswissenschaft ist, bewegt sich in meinen Bahnen.

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Und so wird es, da Goethe bis zum Griechentum seinen Faust zu- rückgehen ließ, um ihn als einen die Gegenwart Verstehenden zeigen zu dürfen, schon erlaubt sein, zu sagen: Ehrfurcht vor der Wahrheit, Ehrfurcht vor dem Wissen, das sich herausringt aus dem Wissen des Milieus, aus den Begrenzungen der Umgebung, das ist dasjenige, was wir uns erwerben müssen. Und es ist wirklich wie ein Mahnen der Zeitereignisse, die uns gerade zeigen, wie die Menschheit nach dem entgegengesetzten Extrem hinsteuert, darnach hin- steuert, die Dinge so kurzsinnig wie möglich zu beurteilen, und am liebsten heute nur bis zu den Ereignissen des Jahres 1914 gehen möchte, um all das, was wir heute so furchtbar erleben, zu erklären.

Derjenige aber, der die Gegenwart verstehen will, muß diese Gegenwart von einer höheren Warte aus beurteilen, als diese Gegenwart selber ist.

Das ist es, was ich wiederum als eine Empfindung in diesen Tagen habe in Ihre Seelen legen wollen, als eine Empfindung, von der ich Ihnen habe zeigen wollen, wie sie aus einem wirklich inneren, lebendigen Verständnis der Geisteswissenschaft folgt, und wie sie angestrebt worden ist von den größten Geistern der Vergangenheit, wie Goethe einer ist.

Indem wir dasjenige, was in diesen Betrachtungen vor unsere Seele tritt, nicht bloß als etwas Theoretisches aufnehmen, sondern es nun in unseren Seelen verarbeiten, es leben lassen in den Meditationen unserer Seele, wird es ja erst lebendige Geisteswissenschaft. Möge es so mit diesem, mit vielem, ja mit allem, was als Geisteswissenschaft durch unsere Seele geht, von uns gehalten werden!

#G162-1985-SE070 Kunst und Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft


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VIERTER VORTRAG

Dornach, 30. Mai 1915

#TX

Wenn Sie die Betrachtung, die ich gestern hier angestellt habe, mit den andern Vorträgen, die ich vor einer Woche hier gehalten habe, zusammennehmen, dann werden Sie gewissermaßen einen wichtigen Schlüssel zu vielem in der Geisteswissenschaft bekommen. Ich will nur, damit wir uns orientieren können, die hauptsächlichsten Gedanken, die wir für unsere weiteren Betrachtungen brauchen, anführen. Ich habe vor etwa acht Tagen auf die Bedeutung der Vorgänge hingewiesen, die man vom Gesichtspunkt der physischen Welt aus Zerstörungsvorgänge nennt. Ich habe darauf hingewiesen, daß man eigentlich vom Gesichtspunkt der physischen Welt aus das Wirkliche nur in dem sieht, was entsteht, was sich gewissermaßen herausbildet aus dem Nichts und zu bemerkbarem Dasein kommt. Man spricht also von dem Wirklichen, wenn die Pflanze sich der Wurzel entringt, Blatt an Blatt bis zur Blüte hin entwickelt und so weiter. Man spricht aber nicht ebenso von dem Wirklichen, wenn man auf die Zerstörungsvorgänge blickt, auf das allmähliche Welken, auf das allmähliche Hinschwinden, auf das letztliche Hinströ men, man könnte sagen, zu dem Nichts. Für den, der nun die Welt verstehen will, ist es aber im eminentesten Sinne notwendig, daß er auch auf die sogenannte Zerstörung hinblickt, auf die Auflösung& vorgänge, auf dasjenige, was sich zuletzt für die physische Welt wie das Hineinströmen in das Nichts ergibt. Denn Bewußtsein in der physischen Welt kann sich niemals da entwickeln, wo bloß aufsprießende, sprossende Vorgänge vor sich gehen, sondern Bewußtsein beginnt erst da, wo das in der physischen Welt Ersprossene wiederum abgetragen, vernichtet wird.

Ich habe darauf hingewiesen, wie diejenigen Vorgänge, die das Leben in uns hervorruft, von dem Seelisch-Geistigen zerstört werden müssen, wenn Bewußtsein in der physischen Welt entstehen soll. Es ist in der Tat so, daß, wenn wir irgend etwas Äußeres wahrnehmen, unser Seelisch-Geistiges in unserem Nervensystem Zerstörungsprozesse

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anrichten muß, und diese Zerstörungsprozesse vermitteln dann das Bewußtsein. Immer, wenn wir uns irgendeiner Sache bewußt werden, müssen die Bewußtseinsvorgänge aus Zerstörungsvorgängen hervorgehen. Und ich habe darauf hingedeutet, wie der bedeutsamste, der für das Menschenleben bedeutsamste Zerstörungsvorgang, der Vorgang des Todes, gerade der Schöpfer des Bewußtseins ist für die Zeit, die wir nach dem Tode verbringen. Dadurch, daß unser Seelisch-Geistiges die volle Auflösung und Loslösung des physischen und Ätherleibes erlebt, das Aufgehen des physischen und Ätherleibes in der allgemeinen Physis und Ätherwelt, dadurch schöpft unser Geistig-Seelisches die Kraft, aus dem Todesvorgange schöpft unser Geistig-Seelisches die Kraft, zwischen dem Tod und einer neuen Geburt Wahrnehmungsvorgänge haben zu können. Das Jakob Böhme-Wort: Und so ist denn der Tod die Wurzel alles Lebens - gewinnt dadurch seine höhere Bedeutung für den ganzen Zusammenhang der Welterscheinungen.

Nun wird Ihnen oftmals die Frage vor die Seele getreten sein: Wie steht es denn eigentlich mit jener Zeit, die von der Menschenseele durchlaufen wird zwischen dem Tod und einer neuen Geburt? - Es ist oftmals darauf hingewiesen worden, daß für das normale Menschenleben diese Zeit eine lange ist im Verhältnis zu der Zeit, die wir hier im physischen Leibe zwischen der Geburt und dem Tode verbringen. Kurz ist sie nur bei denjenigen Menschen, welche ihr Leben in einer weltwidrigen Weise anwenden, welche, ich will sagen, dazu kommen, dasjenige nur zu tun, was in einem wirklich und wahrhaftigen Sinne verbrecherisch genannt werden kann. Da findet ein kurzer Zeitverlauf statt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Aber bei Menschen, die nicht allein dem Egoismus verfallen sind, sondern ihr Leben in einer normalen Weise zwischen Geburt und dem Tode zubringen, bei denen findet gewöhnlich eine verhältnismäßig lange Dauer der Zeit statt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Aber die Frage muß uns ja, ich möchte sagen, in der Seele brennen: Nach was richtet sich denn überhaupt das Wiederkommen einer Menschenseele zu einer neuen physischen Verkörperung? -

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Innig hängt die Beantwortung dieser Frage zusammen mit alledem, was man wissen kann über die Bedeutung der Zerstörungsvorgänge, die ich angeführt habe. Denken Sie nur einmal, daß wir mit unseren Seelen, wenn wir das physische Dasein betreten, hineingeboren werden in ganz bestimmte Verhältnisse. Wir werden hineingeboren in ein bestimmtes Zeitalter, zu bestimmten Menschen hingetrieben. Also in ganz bestimmte Verhältnisse werden wir hineingeboren. Sie müssen schon einmal recht gründlich ins Auge fassen, daß unser Leben zwischen der Geburt und dem Tode inhaltlich eigentlich angefüllt ist mit alledem, in das wir da hineingeboren sind. Was wir denken, was wir fühlen, was wir empfinden, kurz, der ganze Inhalt unseres Lebens hängt von der Zeit ab, in die wir hineingeboren sind.

Aber nun werden Sie auch wiederum leicht begreifen können, daß dasjenige, was uns so umgibt, wenn wir ins physische Dasein hineingeboren sind, von den vorangegangenen Ursachen abhängig ist, von dem, was vorangehend geschehen ist. Nehmen Sie einmal an, wenn ich das schematisch zeichnen soll, wir werden in einen bestimmten Zeitpunkt hineingeboren und laufen durch das Leben zwischen Geburt und Tod. (Es wurde gezeichnet.) Wenn Sie dazu- nehmen, was Sie umgibt, so steht das nicht isoliert da, sondern ist die Wirkung von Früherem. Ich will sagen: Sie werden zusammen- gebracht mit Früherem, mit Menschen. Diese Menschen sind Kinder von andern Menschen, diese wieder von andern Menschen und so weiter. - Wenn wir nur diese physischen Generationsfolge-Verhältnisse betrachten, so werden Sie sagen: Ich nehme, während ich in das physische Dasein trete, etwas an von den Menschen, ich nehme während meiner Erziehung vieles an von den Menschen, die mich umgeben. - Diese haben aber auch wiederum sehr vieles angenommen von den Vorfahren, von den Bekannten und Verwandten ihrer Vorfahren und so weiter. Immer weiter hinauf, könnte man sagen, haben die Menschen die Ursachen zu suchen von dem, was sie selber sind.

Wenn man dann die Gedanken weitergehen läßt, so kann man sagen, man kann also über seine Geburt hinauf eine gewisse Strömung verfolgen. Diese Strömung hat gleichsam alles das herangetragen,

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was uns umgibt in dem Leben zwischen Geburt und Tod. Und wenn wir diese Strömung weiterhin hinaufwärts verfolgen, so würden wir irgendwo dann zu einem Zeitpunkt kommen, wo unsere frühere Inkarnation lag. Wir würden also, indem wir die Zeit aufwärts verfolgen vor unserer Geburt, eine lange Zeit haben, in der wir verweilt haben in der geistigen Welt. Während dieser Zeit hat sich auf Erden vieles abgespieltz Aber das, was sich abgespielt hat, hat herangetragen die Bedingungen, in denen wir leben, in die wir hineingeboren werden. Und dann kommen wir zUletzt in der geisti gen Welt auch zu der Zeit, wo wir in einer früheren Inkarnation auf der Erde waren. Wenn wir über diese Verhältnisse sprechen, sprechen wir durchaus von Durchschnittsverhältnissen. Ausnahmen sind natürlich sehr zahlreich, aber sie liegen alle, ich möchte sagen, in der Linie, die ich vorhin angedeutet habe für Naturen, die schneller zur irdischen Verkörperung kommen.

Wovon hängt es nun ab, daß wir, nachdem eine Zeit verlaufen ist, gerade hier wiederum geboren werden? Nun, wenn wir hinblicken zu unseren früheren Verkörperungen, so haben uns dazumal während der Erdenzeit auch Verhältnisse umgeben, diese Verhältnisse haben ihre Wirkungen gehabt. Da waren wir von Menschen umgeben, diese Menschen haben Kinder gehabt, haben auf die Kinder das übertragen, was ihre Empfindungen, ihre Vorstellungen waren, die Kinder wiederum auf die folgenden und so fort. Aber wenn Sie das geschichtliche Leben verfolgen, werden Sie sich sagen: Es kommt schon einmal im Laufe der Entwickelung eine Zeit, in der man an den Nachkommen nichts mehr richtig Gleiches oder auch nur Ähnliches erkennen kann mit den Vorfahren. Es überträgt sich alles, aber der Grundcharakter, der in einer bestimmten Zeit da ist, er- scheint in den Kindern abgeschwächt, in den Enkeln noch mehr abgeschwächt und so weiter, bis eine Zeit herankommt, wo nichts mehr von dem Grundcharakter der Umgebung vorhanden ist, in der man in der vorhergehenden Inkarnation war. So daß also der Zeitenstrom an dem Zerstören dessen arbeitet, was der Grundcharakter der Umgebung einmal war. Diesem Vernichten schauen wir zu in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Und

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wenn der Charakter des früheren Zeitalters ausgelöscht ist, wenn nichts mehr davon da ist, wenn das, worauf es uns gleichsam in den früheren Inkarnationen angekommen ist, vernichtet ist, dann tritt der Zeitpunkt ein, wo wir wiederum ins irdische Dasein eintreten. So wie in der zweiten Hälfte unseres Lebens eigentlich unser Leben eine Art Abtragen unseres physischen Daseins ist, so muß zwischen dem Tod und einer neuen Geburt eine Art Abtragen der irdischen Verhältnisse stattfinden, ein Vernichten, eine Zerstörung. Und neue Verhältnisse, neue Umgebung, in die wir hineingeboren werden, müssen da sein. Also wir werden wiedergeboren, wenn all dasjenige, um dessentwillen wir vorher geboren worden sind, vernichtet und zerstört ist. So hängt diese Idee des Zerstörtwerdens zusammen mit der aufeinanderfolgenden Wiederkehr unserer Inkarnation auf Er- den. Und dasjenige, was unser Bewußtsein schafft im Momente des Todes, wo wir den Körper abfallen sehen von unserem GeistigSeelischen, stärkt sich an diesem Moment des Todes, an diesem Anschauen des Zerstörtwerdens für das Anschauen des Vernichtungsprozesses, der da verlaufen muß in den Erdenverhältnissen zwischen unserem Tod und einer neuen Geburt.

Jetzt werden Sie auch verstehen, daß derjenige, welcher gar kein Interesse hat für das, was ihn auf der Erde um gibt, der sich im Grunde genommen für keinen Menschen und für kein Wesen interessiert, sondern sich nur interessiert dafür, was ihm selbst gut bekommt, und sich einfach von einem Tag zum anderen stiehlt, daß der nicht sehr stark zusammenhängt mit den Verhältnissen und Dingen auf der Erde. Er hat auch kein Interesse, ihre langsame Abtragung zu verfolgen, sondern er kommt sehr bald wieder, um das auszubes sern, um jetzt wirklich mit den Verhältnissen zu leben, mit denen er leben muß, damit er lernt, ihre allmähliche Zerstörung zu verstehen. Wer niemals mit Erdenverhältnissen gelebt hat, versteht ihre Zerstörung, ihre Auflösung nicht. Daher werden diejenigen, welche ganz intensiv in dem Grundcharakter irgendeines Zeitalters gelebt haben, sich ganz vertieft haben in den Grundcharakter irgendeines Zeitalters, vor allen Dingen die Tendenz haben, wenn nicht sonst irgend etwas dazwischenkommt, das zur Zerstörung zu bringen, wohinein

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sie geboren worden sind, und wieder zu erscheinen, wenn e1n völlig Neues hervorgetreten ist. Natürlich finden, ich möchte sagen, nach oben hin Ausnahmen statt. Und diese Ausnahmen sind insbesondere für uns wesentlich zu bedenken.

Nehmen wir an, man lebt sich hinein in eine solche Bewegung, wie die geisteswissenschaftliche Bewegung es heute ist, in diesem Zeitpunkt, wo sie nicht stimmt mit alldem, was in der Umgebung ist, wo sie der Umgebung etwas völlig Fremdes ist. Da ist diese geisteswissenschaftliche Bewegung nicht dasjenige, in das wir hineingeboren sind, sondern erst das, woran wir zu arbeiten haben, von dem wir gerade wollen, daß es in die geistige Kulturentwickelung der Erde eintrete. Da handelt es sich dann darum vor allen Dingen, zu leben mit den dem Geisteswissenschaftlichen widerstrebenden Verhältnissen, und wiederum zu erscheinen auf der Erde dann, wenn die Erde soweit geändert ist, daß nun wirklich die geisteswissenschaftlichen Verhältnisse das Leben der Kultur ergreifen können. Also hier haben wir die Ausnahme nach oben. Es gibt Ausnahmen nach unten und nach oben. Gewiß bereiten sich gerade die ernstesten Mitarbeiter der Geisteswissenschaft heute vor, möglichst bald wiederum in einem Erdendasein zu erscheinen, indem sie zugleich arbeiten im Verlaufe dieses Erdendaseins daran, daß die Verhältnisse verschwinden, in die sie hineingeboren sind. So sehen Sie gerade, wenn Sie den letzten Gedanken ergreifen, daß Sie gewissermaßen helfen den geistigen Wesenheiten, die Welt zu lenken, indem Sie sich dem hingeben, was in den Intentionen der geistigen Wesenheiten liegt.

Wenn wir heute die Zeitverhältnisse ins Auge fassen, so müssen wir sagen: Wir haben auf der einen Seite eminent das, was in die Dekadenz, den Untergang hineingeht. - Es wurden gewissermaßen die- jenigen, die ein Herz und eine Seele haben für das Geisteswissenschaftliche, hineingestellt in dieses Zeitalter, um zu sehen, wie es untergangsreif ist. Sie werden hier auf der Erde mit demjenigen bekanntgemacht, mit dem man nur auf der Erde bekannt werden kann, tragen aber das in die geistigen Welten hinauf, sehen nun den Untergang des Zeitalters und werden wiederkommen, wenn das ein neues

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Zeitalter hervorrufen soll, was gerade in den innersten Impulsen des geisteswissenschaftlichen Strebens liegt. So werden gewissermaßen die Pläne der geistigen Führer, der geistigen Leiter der Erdenevolution durch das gefördert, was solche Menschen, die sich mit etwas befassen, was sozusagen nicht Zeitkultur ist, in sich aufnehmen.

Sie werden vielleicht die Vorwürfe kennen, die von den Menschen der heutigen Zeit Bekennern der Geisteswissenschaft sehr häufig gemacht werden, daß sie sich mit etwas befassen, was oftmals äußerlich unfruchtbar erscheint, was äußerlich nicht eingreift in die Zeitverhältnisse. Ja, es gibt wirklich die Notwendigkeit, daß sich auch Leute im Erdendasein mit dem beschäftigen, was für die weitere Entwickelung eine Bedeutung hat, aber nicht unmittelbar für die Zeit. Wenn man dagegen etwas einwendet, dann sollte man nur das Folgende bedenken. Denken Sie einmal, das wären aufeinanderfolgendeJahre: 1915, 1914, 1913, 1912.

#Bild S. 076

Wir könnten dann weitergehen. Nehmen Sie an, das wären aufeinanderfolgende Jahre und das hier wären die Getreidefrüchte (Mitte) der aufeinanderfolgenden Jahre. Und was ich hier zeichne, das wären immer die Münder (rechts), welche diese Getreidekörner verzehren. Es kann nun einer kommen und sagen: Bedeutung hat nur der Pfeil, der von den Getreidekörnern in die Münder hineingeht (~), denn das unterhält die Menschen der aufeinanderfolgenden Jahre. - Und er kann sagen: Wer real denkt, der schaut nur auf diese

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Pfeile hin, die von den Getreidekörnern zu den Mündern gehen. - Aber die Getreidekörner kümmern sich wenig um das, um diesen Pfeil. Sie kümmern sich gar nicht darum, sondern sie haben nur die Tendenz, jedes Getreidekorn zum nächsten Jahre hin zu entwickeln. Nur um diesen Pfeil ($) kümmern sich die Getreidekörner, denen liegt gar nichts daran, daß sie auch aufgegessen werden, darum kümmern sie sich gar nicht. Das ist eine Nebenwirkung, das ist etwas, was nebenher entsteht. Jedes Getreidekorn hat, wenn ich so sagen darf, den Willen, den Impuls, ins nächste Jahr hinüberzugehen, um dort wiederum ein Getreidekorn zu werden. Und gut für die Münder, daß die Getreidekörner dieser Pfeilrichtung (+ ) folgen, denn wenn alle Getreidekörner dieser Pfeilrichtung (~) folgten, dann hätte der Mund hier, im nächsten Jahr, nichts mehr zu essen!

Wenn die Getreidekörner vom Jahre 1913 alle diesem Pfeil (~) gefolgt wären, so hätten die Münder vom Jahre 1914 nichts mehr zu essen. Wenn jemand das materialistische Denken konsequent durch- führen wollte, so würde er die Getreidekörner untersuchen darauf, wie sie chemisch beschaffen sind, damit sie möglichst gute Nahrungsprodukte abgeben. Damit würde man aber keine gute Betrachtung anstellen; denn diese Tendenz liegt gar nicht in den Getreidekörnern, sondern in den Getreidekörnern liegt die Tend`enz, für die Weiterentwickelung zu sorgen und sich zum nächstjährigen Getreidekorn hinüberzuentwickeln.

So ist es nun aber auch mit dem Weltengange. Diejenigen folgen wirklich dem Weltengange, welche dafür sorgen, daß die Evolution weitergeht, und diejenigen, die Materialisten werden, folgen den Mündern, die nur auf diesen Pfeil hier sehen (~). Aber diejenigen, die dafür sorgen, daß der Weltengang weitergeht, brauchen sich in diesem ihrem Streben nicht beirren zu lassen, die nächstfolgenden Zeiten vorzubereiten> ebensowenig wie sich die Getreidekörner beirren lassen> die nächstjährigen vorzubereiten, wenn auch die Münder hier nach den ganz andersgerichteten Pfeilen verlangen.

Ich habe in den «Rätseln der Philosophie» am Schlusse auf dieses Denken hingewiesen, habe darauf hingewiesen, daß dasjenige, was man materialistische Erkenntnisse nennt, sich durchaus vergleichen

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läßt mit dem Aufessen des Getreidekornes, daß das, was wirklich in der Welt vorgeht, sich vergleichen läßt mit dem, was von einem Getreidekorn zum nächstjährigen durch die Fortpflanzung geschieht. Daher ist das, was man wissenschaftliche Erkenntnis nennt, ebensowenig von Bedeutung für die innere Natur der Dinge, wie das Essen ohne innere Bedeutung ist für das Fortwachsen der Getreidefrüchte. Und die heutige Wissenschaft, die sich nur um die Art und Weise kümmert, wie man dasjenige, was man aus den Dingen wissen kann, in den menschlichen Verstand hereinbekommt, tut genau dasselbe, wie der Mann, der das Getreide zum Essen verwendet, denn das, was die Getreidekörner beim Essen sind, hat gar nichts zu tun mit der inneren Natur der Getreidekörner, ebensowenig hat die äußere Erkenntnis irgend etwas zu tun mit dem, was sich im Inneren der Dinge entwickelt.

Ich versuchte auf diese Weise, einmal einen Gedanken in die philosophische Betriebsamkeit hineinzuwerfen, von dem man gespannt sein wird, ob er verstanden werden wird, oder ob auch einem solchen sehr plausiblen Gedanken immer wieder und wiederum begegnet wird mit dem törichten: Ja, Kant hat doch schon bewiesen, daß die Erkenntnis nicht an die Dinge herankommen kann. - Er hat es eben nur von der Erkenntnis bewiesen, welche verglichen werden kann mit dem Verzehren der Getreidekörner, und nicht von der Erkenntnis, welche aufsteigt mit der fortschreitenden Entwickelung, die in den Dingen ist. Wir müssen uns aber schon bekanntmachen damit, daß wir in allen möglichen Formen - nur nicht in voreiligen Formen und nicht in agitatorischen Formen, nicht in fanatischen Formen -, unserem Zeitalter und dem Zeitalter, das kommt, immer wieder und wiederum wiederholen müssen, was Prinzip und Wesen der Geisteswissenschaft ist, bis es eingebläut ist. Denn das ist gerade das Charakteristische unseres Zeitalters, daß Ahriman die Schädel sehr hart und dicht gemacht hat, und daß sie sich nur langsam wiederum werden erweichen lassen. So muß schon niemand, ich möchte sagen, zurückbeben vor der Notwendigkeit, in allen möglichen Formen immer wieder und wiederum das zu betonen, was Wesen und Impuls der Geisteswissenschaft ist.

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Nun aber blicken wir auf eine andere Forderung, die gestern im Zusammenhang mit mancherlei Voraussetzungen hier geltend gemacht worden ist, die Forderung, daß in unserer Zeit wachsen müsse die Ehrfurcht vor der Wahrheit, die Ehrfurcht vor dem Wissen, nicht vor dem autoritativen Wissen, sondern vor dem Wissen, das man sich erwirbt. Die Gesinnung muß wachsen, daß man urteilen soll nicht aus dem Nichts heraus, sondern aUs dem angeeigneten Wissen über die Vorgänge der Welt.

Nun, indem wir hineingeboren werden in ein bestimmtes Zeitalter, sind wir abhängig von unserer Umgebung, ganz abhängig von dem, was in unserer Umgebung ist. Aber das hängt zusammen, wie wir gesehen haben, mit dem ganzen Strom der Entwickelung, mit dem ganzen Streben, das aufwärts führt, daß wir hineingeboren werden in Verhältnisse, die abhängig sind von den vorhergehenden Verhältnissen. Bedenken Sie nur, wie wir da hineinversetzt werden. Gewiß werden wir durch unser Karma hineinversetzt, aber wir werden doch in dasjenige hineinversetzt, was uns als etwas ganz Bestimmtes umgibt, als etwas, das einen bestimmten Charakter trägt. Und jetzt bedenken Sie, wie wir dadurch abhängig werden in unserem Urteil. Es tritt uns das nicht immer ordentlich vor Augen, aber es ist doch wirklich so. So daß wir uns sagen müssen, wenn es auch mit unserem Karma zusammenhängt: Wie wäre es denn, wenn wir nicht geboren wären zu einem bestimmten Zeitpunkte an einem bestimmten Ort, sondern fünfzig Jahre früher an einem andern Ort, wie wäre es dann? - Dann würden wir von den andern Verhältnissen unserer Umgebung ebenso die Form und die innere Richtung unserer Urteile bekommen haben, wie wir sie bekommen haben durch das, wo wir hineingeboren sind, nicht wahr?

So daß wir wirklich bei einer genaueren Selbstbeobachtung darauf kommen, daß wir in ein gewisses Milieu, in eine gewisse Umgebung hineingeboren werden, in unseren Urteilen, in unseren Empfindungen von diesem Milieu abhängig sind, daß gleichsam dieses Milieu wieder erscheint, wenn wir urteilen. Denken Sie nun, wie es anders wäre, ich will nur sagen, wenn Luther im 10. Jahrhundert geboren worden wäre und an einem ganz andern Ort! Also selbst bei

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einer Persönlichkeit, die einen ungeheuer starken Einfluß auf die Umgebung hat, können wir sehen, wie sie in ihre eigenen Urteile dasjenige aufnimmt, was aus dem Zeitalter heraus ist, wodurch die Persönlichkeit wirklich eigentlich die Impulse des Zeitalters wiedergibt. Und das ist für jeden Menschen so der Fall, nur daß eigentlich diejenigen, bei denen es am meisten der Fall ist, es am wenigsten bemerken. Diejenigen, bei denen es am meisten der Fall ist, daß sie nur die Impulse ihrer Umgebung wiedergeben, in die sie hineingeboren sind, die sprechen in der Regel am allermeisten von ihrer Freiheit, von ihrem unabhängigen Urteil, von ihrer Vorurteilslosigkeit und so weiter. Wenn wir dagegen geradezu Menschen erblicken, die nicht so gründlich abhängig sind wie die meisten Menschen von ihrer Umgebung, so sehen wir, daß sich gerade solche Menschen am allermeisten bewußt werden dessen, was sie abhängig macht von ihrer Umgebung.

Und einer derjenigen, die niemals den Gedanken der Abhängigkeit von ihrer Umgebung losbekamen, ist der, von dem wir jetzt wieder ein Stück vor unseren Augen haben vorbeiziehen sehen, ist Goethe. Er wußte im eminentesten Sinne, daß er nicht so wäre, wie er war, wenn er nicht 1749 in Frankfurt am Main geboren wäre und so weiter. Er wußte, daß gewissermaßen sein Zeitalter aus ihm spricht. Das belebte und bewegte sein Lebensverhalten in ganz außerordentlicher Weise. Er wußte: dadurch, daß er im Hause des Vaters gewisse Neigungen und Verhältnisse gesehen hatte, hat er sein Urteil geformt. Dadurch, daß er seine Studentenzeit in Leipzig verbracht hat, hat er sein Urteil geformt. Dadurch, daß er nach Straßburg gekommen ist, hat er sein Urteil geformt. Das machte es, daß er so heraus wollte aus den Verhältnissen und in ganz andere hinein wollte, daß er also in den achtziger Jahren, man möchte sagen, plötzlich in Nacht und Nebel verschwand und den Freunden erst etwas erzählte von seinem Verschwinden, als er schon über Berg und Tal weit davon war, nachdem man ihn nicht wieder zurückholen konnte bei den damaligen Verhältnissen. Er wollte heraus, damit anderes aus ihm sprechen konnte. Und wenn man viele Äußerungen Goethes gerade aus seiner Entwickelungszeit nimmt, so wird man

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überall dieses Gefühl, dieses Empfinden für die Abhängigkeit von dem Milieu bemerken.

Ja, aber was hätte denn Goethe dann anstreben müssen, wenn er in dem Moment, wo ihm das so recht zum Bewußtsein gekommen war, daß man eigentlich ganz abhängig ist von seiner Umgebung, wenn er seine Gefühle, seine Empfindungen für diese Abhängigkeit mit den Gedanken, die wir heute geäußert haben, in Zusammenhang gebracht hätte? Er hätte sagen müssen: Ja, das, was meine Um- gebung ist, das ist abhängig von der ganzen Strömung bis zu den Vorfahren hin. Ich bleibe immer abhängig. Ich müßte mich denn schon in Gedanken, im Seelenerleben in eine Zeit zurückversetzen, wo gar noch nicht die heutigen Verhältnisse waren, wo ganz andere Verhältnisse waren, dann würde ich, wenn ich mich hineinversetzen könnte in diese Verhältnisse, zu einem unabhängigen Urteil kommen, nicht nur urteilen, wie meine Zeit über meine Zeit urteilt, sondern wie ich urteile, wenn ich mich ganz heraushebe aus meiner Zeit.

Dabei kann es natürlich nicht darauf ankommen, daß sich solch ein Mensch, der dies als Notwendigkeit empfindet, gerade in seine eigene frühere Inkarnation versetzt. Aber doch im wesentlichen mUß er sich an einen Zeitpunkt hin versetzen, der mit einer früheren Inkarnation zusammenhängt, wo er in ganz andern Verhältnissen gelebt hat. Und wenn er jetzt sich zurückversetzt in diese Inkarnation, so wird er nicht abhängig sein wie früher, denn die Verhältnisse sind ganz andere geworden, die früheren Verhältnisse sind in- zwischen zerstört, zugrunde gegangen. Es ist natürlich etwas anderes, wenn ich mich jetzt zurückversetze in eine Zeit, deren ganze Umgebung, deren ganzes Milieu verschwunden ist. Was hat man denn dann eigentlich? Ja, man muß sagen: Vorher lebt man im Leben darinnen, man genießt das Leben; man ist verwoben mit dem Leben. Mit dem Leben, das zugrunde gegangen ist, mit dem Leben einer früheren Zeit kann man nicht mehr verwoben sein, dieses Leben kann man nur noch geistig-seelisch durchleben.

Dann würde man sagen können: «Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.» Ja, was müßte denn dann geschehen, wenn ein solcher

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Mensch, der dies fühlte, darstellen wollte dieses Herauskommen aus den Verhältnissen der Gegenwart und das Kommen zu einem objektiven Urteil, von einem Standpunkt aus, der heute nicht mehr möglich ist? Da müßte er das so darstellen, daß er zurückversetzt wird in ganz andere Verhältnisse. Ob das nun genau die vorhergehende Inkarnation ist oder nicht, darauf kommt es nicht an, sondern auf Verhältnisse, die auf der Erde ganz andere waren. Under müßte darnach trachten, nUn seine Seele anzufüllen mit den Impulsen, die dazumal waren. Er müßte gewissermaßen in eine Art Phantasmagorie sich versetzen, sich identifizieren mit dieser Phantasmagorie und darin leben, in einer Art Phantasmagorie leben, die eine frühere Zeit darstellt.

Dahin strebt aber Goethe, indem er seinen «Faust» fortsetzt im zweiten Teil. Denken Sie, daß er seinen Faust zunächst in die Verhältnisse der Gegenwart gebracht hat> da läßt er ihn durchleben alles dasjenige, was man in der Gegenwart erleben kann. Aber bei alldem hat er tief innen das Gefühl: Das kann ja trotzdem zu keinem irgendwie wahren Urteil führen, denn da bin ich immer angeregt von dem, was in meiner Umgebung ist; ich muß heraus, ich muß zu- rückgehen zu der Zeit, deren Verhältnisse bis in unsere Zeit hinein völlig ve`rändert worden sind, die also nicht das Urteil beeinträchtigen können. Deshalb läßt Goethe den Faust den ganzen Weg machen bis zurück in die klassische griechische Zeit und läßt ihn eintreten, zusammenkommen mit der klassischen Walpurgisnacht.

Dasjenige, was er in der Gegenwart im tiefsten Sinne erleben kann, hat er dargestellt in der nordischen Walpurgisnacht. Nun muß er zurückgehen zu der klassischen Walpurgisnacht, denn von der klassischen Walpurgisnacht bis zu der nordischen Walpurgisnacht sind alle Verhältnisse andere geworden. Das, was das Wesentliche war der klassischen Walpurgisnacht, ist verschwunden, und neue Verhältnisse sind eingetreten, die symbolisiert werden durch die nordische Walpurgisnacht. Da haben Sie die Rechtfertigung des Zurückgehens des Faust in die griechische Zeit. Der ganze zweite Teil des «Faust» ist die Realisierung dessen, was man nennen kann: «Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.»

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Zunächst der Durchgang noch durch die Verhältnisse der Gegenwart, aber diejenigen Verhältnisse, die schon die Zerstörung vorbereiten. Wir sehen dasjenige, was sich am Kaiserhof entwickelt, woder Teufel an die Stelle des Narren tritt und so weIter. Wir sehen die Erzeugung des Homunkulus, wie erstrebt wird das Herauskommen aus der Gegenwart, und wie im dritten Akt Faust nun eintritt in die klassische Zeit. Den Anfang hatte Goethe schon um die Wende des 18. Jahrhunderts geschrieben; die weiteren Szenen kamen erst 1825 dazu, aber die Helena-Szene war schon 1800 geschrieben, und Goethe nennt sie eine «Klassische Phantasmagone>, um durch die Worte anzudeuten, daß er ein Zurücksichversetzen meint in Verhältnisse, die nicht die physischen, realen Verhältmsse der Gegenwart sind.

Das ist das Bedeutsame an der Goetheschen Faust-Dichtung, daß sie, Ich möchte sagen, ein Werk des Strebens ist, ein Werk des Ringens. Ich habe wirklich klar genug betont in den letzten Zeiten, daß es eIn Unsinn wäre, die Goethesche Faust-Dichtung als ein abgeschlossenes Kunstwerk anzusehen. Ich habe genug getan, um zu zeigen, daß von einem abgeschlossenen Kunstwerke nicht die Rede sein kann. Aber als Werk des Strebens, als Werk des Ringens ist diese Faust-Dichtung so bedeutend. Dann erst kann man verstehen, was Goethe ahnend errungen hat, wenn man sich einläßt auf das, was als ein Licht fallen kann von unserer Geisteswissenschaft aus auf solch eIne Komposition, und sieht, wie Faust hineinschaut in die klassische Zeit, in das Milieu des Griechentums hinein, wo innerhalb der vierten nachatlantischen Zeit ganz andere Verhältnisse waren als in unserer funften nachatlantischen Zeit. Man bekommt wirklich die höchste Ehrfurcht vor diesem Ringen, wenn man sieht, wie Goethe in früher Jugen&eit begonnen hat, an diesem «Faust» zu arbeiten, wie er sich da überlassen hat alldem, was ihm dazumal zugänglich war, ohne daß er das eigentlich sehr gut verstanden hat. Wirklich, wenn man an den «Faust» herantritt, muß man schon diesen Gesichtspunkt der Geisteswissenschaft anlegen, denn die Urteile, die manchmal die äußere Welt bringt, sind zu töricht in bezug auf den «Faust».

Wie sollte es denn dem Geisteswissenschafter nicht auffallen,

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wenn immer wieder und wiederum die Menschen, die besonders gescheit sich dünken, herankommen und anführen, wie so großartig das Glaubensbekenntnis ausgesprochen wird von diesem Faust, und sagen: Ja, gegenüber alldem, was so viele Leute sagen über irgendein Gottesbekenntnis, müßte man sich immer mehr und mehr erinnern an das Gespräch zwischen Faust und Gretchen:


. . . Gefühl ist alles;

Name ist Schall und Rauch,

Umnebelnd Himmelsglut.


Nun, Sie kennen das> was Faust da mit Gretchen verhandelt, und was immer dann angeführt wird, wenn jemand denkt, er müsse besonders hervorheben, was man nicht als religiöse Vertiefung ansehen solle, und was man als religiöse Empfindung ansehen solle. Nur bedenkt man dabei nicht, daß Faust in diesem Falle sein religiöses Bekenntnis für das sechzehnjährige Gretchen formte, und daß ei- gentlich all die gescheiten Professoren dann verlangen, daß die Menschen niemals in ihrer religiösen Auffassung über den GretchenStandpunkt hinauskommen. In dem Augenblick, wo man jenes Bekenntnis des Faust vor Gretchen als etwas besonders Erhabenes hin- stellt, in dem Augenblick verlangt man, daß die Menschheit sich niemals über den Gretchen-Standpunkt erhebe. Das ist eigentlich bequem und leicht zu erreichen. Man kann auch sehr leicht prunken damit, daß alles Gefühl sei und so weiter, aber bemerkt eben nicht, daß es der Gretchen-Standpunkt ist.

Goethe hat seinerseits ganz anders gestrebt, seinen «Faust» zum Träger eines fortwährenden Ringens zu machen, wie ich es jetzt wiederum angedeutet habe mit Bezug selbst auf dieses SichVersetzen in ein völlig früheres Zeitalter, um die Wahrheit zu bekommen. Vielleicht gerade in derselben Zeit oder etwas früher, als Goethe diese «Klassisch-romantische Phantasmagorie» geschrieben hat, dieses Versetztsein des Faust in das Griechentum, da wollte er sich noch einmal klarmachen, wie eigentlich sein «Faust» verlaufen solle, was er im «Faust» alles darstellen wolle. Und da schrieb sich Goethe ein Schema auf. Es war von seinem «Faust» damals vorhanden :

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eine Grundlage, eine Anzahl der Szenen des ersten Teiles und wahrscheinlich auch noch die Helena-Szene. Da schrieb Goethe sich auf: «Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur. »

Goethe nahm also, als das Jahrhundert zu Ende ging, auf Anregung Schillers, wie er sagte, «den alten Tragelaphen, die barbarische Komposition» wieder auf. So bezeichnete er ja, am Ende des Jahrhunderts seinen «Faust» mit Recht, denn es war Szene auf Szene geschrieben worden. Nun sagte er sich: Was habe ich eigentlich da gemacht? - Und er stellte sich vor die Seele diesen strebenden Faust, heraus aus der Gelehrsamkeit, näher hinein in die Natur.

Da schrieb er sich auf: Ich habe also hinstellen wollen:


1. «Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur.

2. Erscheinung des Geistes als Welt- und Tatengenius.»


So skizzierte er sich die Erscheinung des Erdgeistes.

Nun habe ich Ihnen dargestellt, wie nach der Erscheinung des Erdgeistes eigentlich der Wagner, der erscheint, nur sein soll ein Mittel zur Selbsterkenntnis des Faust, nur sein soll, was im Faust selbst ist, ein Teil des Faust. Was streitet denn da in Faust? Was macht jetzt Faust, indem etwas in ihm streitet? Er merkt: Du hast bis jetzt nur in deiner Umgebung gelebt, in dem, was dir die äußere Welt dargebracht hat. - Das kann er am besten sehen an dem Stück, das in ihm ist, an Wagner, der ganz zufrieden ist. Der Faust ist eben daran, sich etwas zu erringen, um freI zu werden von dem, in das man hineingeboren ist, aber der Wagner, der will ganz bleiben das, was er ist, will bleiben in dem, was er äußerlich ist. Was sich äußerlich in der Welt auslebt von Generation zu Generation, von Epoche zu Epoche, was ist es? Es ist die Form, in die das menschliche Streben hineingeprägt wird. Da arbeiten die Geister der Form draußen an demjenigen, in das wir hinein sollen. Der Mensch aber muß immer, wenn er nicht in der Form ersterben will, wenn er wirklich weiterkommen will, über diese Form hinausstreben. «Streit zwischen Form und Formlosem», schreibt sich Goethe auch auf.

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3. «Streit zwischen Form und Formlosem.»


Aber nun sieht sich Faust die Form an: der Faust in dem Wagner da drinnen. Er will frei werden von dieser Form. Das ist ein Streben nach dem Gehalt dieser Form, einem neuen Gehalt, der aus dem In- nern entspringen kann.

Wir hätten ja auch, indem wir beschlossen haben, hier einen Bau aufzurichten für die Geisteswissenschaft, alle möglichen Formen uns anschauen, alle möglichen Stile studieren, und dann daraus ein neues Gebäude bauen können, wie es viele Architekten des 19. Jahrhunderts gemacht haben, und wie wir es draußen überall finden. Da hätten wir, aus der Form, die gekommen ist in der Weltenentwickelung, nichts Neues geschaffen: Wagner-Natur. Aber wir haben es vorgezogen, eben den «formlosen Gehalt» zu nehmen, wir haben gesucht aus dem, was zunächst formlos ist, was nur Gehalt ist, die lebendig erlebte Geisteswissenschaft zu nehmen, und sie in neue Formen zu gießen.

Das tut Faust, indem er den Wagner abweist:


Sei er kein schellenlauter Tor!

Es trägt Verstand und rechter Sinn

Mit wenig Kunst sich selber vor.


«Vorzug dem formlosen Gehalt», schreibt sich auch Goethe hin. Und das ist die Szene, die er hingeschrieben hat, indem Faust ab- weist den Wagner:


4. «Vorzug dem formlosen Gehalt vor der leeren Form.»


Die Form wird aber im Laufe der Zeit leer. Wenn nach hundert Jahren wieder jemand genau einen solchen Bau aufführen würde, wie wir ihn heute aufführen, so wäre es wiederum eine leere Form. Das ist das, was wir berücksichtigen müssen. Daher schreibt Goethe:


5. «Gehalt bringt die Form mit.»


Das ist es, was ich möchte, daß wir so erleben, und das ist etwas, was wir mit unserem Bau wollen: Gehalt bringt die Form mit. Und:

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«Form», schreibt Goethe auf, «ist nie ohne Gehalt.» Gewiß ist sie nie ohne Gehalt, aber die Wagnernaturen sehen den Gehalt nicht darinnen, daher nehmen sie nur die leere Form an. Die Form ist so berechtigt wie nur irgend möglich. Aber darin besteht gerade das Fortschreiten, daß die alte Form durch den neuen Gehalt überwunden werde.


6. «Form ist nie ohne Gehalt.»


1. Ideales Streben nach Einwirken und Einfühlen in die ganze Natur.

2. Erscheinung des Geistes als Welt- und Tatengenius.

3. Streit zwischen Form und Formlosem.

4. Vorzug dem formlosen Gehalt vor der leeren Form.

5. Gehalt bringt die Form mit.

6. Form ist nie ohne Gehalt.


Und jetzt ein Satz, den Goethe sich hinschreibt, um seinem «Faust» sozusagen den Impuls zu geben, ein höchst charakteristischer Satz. Denn die «Wagner», die denken darüber nach: Ja, Form, Gehalt, wie kann ich das zusammenbrauen, wie kann ich das zusammenbringen? - Sie können sich ganz gut einen Menschen denken in der Gegenwart, der ein Künstler sein will, und der sich sagt: Nun ja, Geisteswissenschaft, ganz schön. Aber das geht mich weiter nichts an, was diese vertrackten Köpfe da als GeisteswIssenschaft ausdenken. Aber sie wollen sich ein Haus bauen, das, glaube ich, griechischen, Renaissance, gotischen Stil enthält; und da sehe ich, was sie sich da hinein denken, in dem Haus, das sie sich bauen, wie der In- halt der Form entspricht. - Man könnte sich denken, daß das kommen wird. Es muß ja auch kommen, wenn die Leute daran denken, Widersprüche auszumerzen, während die Welt gerade aus Widersprüchen zusammengesetzt ist, und es darauf ankommt, daß man die Widersprüche nebeneinander hinstellen kann. So schreibt Goethe sich auf:


7. «Diese Widersprüche, statt sie zu vereinigen, sind disparater zu machen.»

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Das heißt, er will sie so darstellen in seinem «Faust», daß sie möglichst stark hervortreten: «Diese Widersprüche, statt sie zu vereini gen, disparater zu machen.» Und um das zu tun, stellt er zwei Gestalten noch einmal einander gegenüber, da wo einer ganz in der Form lebt und zufrieden ist, wenn er an der Form klebt, gierig nach Schätzen des Wissens gräbt und froh ist, wenn er Regenwürmer findet. Wir könnten in unserer Zeit sagen: Gierig nach dem Geheimnis des Menschwerdens strebt und froh ist, wenn er etwa herausfindet, daß das Menschenwesen entstanden ist aus einer Tierart, welche ähnlich ist unseren Igeln und Kaninchen. Edinger, einer der bedeutendsten Physiologen der Gegenwart hat kürzlich einen Vortrag darüber gehalten, daß das Menschenwesen entstanden ist aus einer Urform, welche ähnlich war unserem Igel und Kaninchen. Nicht wahr, daß die Menschenwelt abstamme vom Affen, vom Halbaffen und so weiter, darüber ist die Wissenschaft schon weg; es muß weiter hin- aufgegangen werden, wo die Tierart schon früher absproßt. Da gab es einmal Vorfahren, die dem Igel, dem Kaninchen gleichen, und auf der anderen Seite haben wir als Nachfahren den Menschen. Nicht wahr, weil der Mensch nun in gewissen Dingen seiner Gehirnbildung am ähnlichsten ist dem Kaninchen und dem Igel, muß er von etwas Ähnlichem abstammen. Diese Tierarten haben sich erhalten, das andere ist natürlich alles ausgestorben. Also gierig nach Schätzen graben und froh sein, wenn man Kaninchen und Igel findet. Das ist das eine Streben, das Streben bloß in der Form. Goethe wollte es in Wagner hinstellen, und er weiß wohl, daß es ein gescheites Streben ist; die Leute sind nicht dumm, sie sind gescheit. Goethe nennt es: «Helles, kaltes, wissenschaftliches Streben.» «Wagner», setzt er hinzu.


8. «Helles, kaltes, wissenschaftliches Streben: Wagner.»


Das andere, das Disparate, das ist nun, was man mit allen Fasern der Seele von innen heraus erarbeiten will, nachdem man es nicht in der Form darinnen findet. «Dumpfes, warmes, wissenschaftliches Streben» nennt es Goethe; er stellt es entgegen dem andern und setzt dazu: «Schüler». Dem Faust tritt jetzt, nachdem ihm der Wagner entgegengetreten ist, auch der Schüler entgegen. Faust erinnert sich,

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wie er früher Schüler war, was er aufgenommen hat, als Philosophie, Juristerei, Medizin und leider auch Theologie, wie er zu dem gesagt hat, als er noch so war wie der Schüler: «Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum.» Aber das ist ja vorbei. Auf diesen Standpunkt kann er sich auch nicht mehr zurückversetzen. Aber das hat doch alles auf ihn gewirkt. Also:


9. «Dumpfes, warmes, wissenschaftliches Streben: Schüler.»


Und so geht es dann weiter. Von da ab sehen wir Faust eigentlich wirklich zum Schüler werden und dann sich noch einmal in all das hineinbegeben, wodurch man die Gegenwart aufnehmen kann.

Den ganzen Rest des ersten Teiles, sofern er schon fertig war und noch fertig werden sollte, nennt Goethe nun:


10. «Lebensgenuß der Person von außen gesehen; in der Dumpfheit und Leidenschaft, erster Teil.»


So genau macht sich Goethe klar, was er da geschaffen hat. Nun will er sagen: Wie soll es weitergehen? Wie soll der Faust nun wirklich herauskommen aus diesem Lebensgenuß der Person in eine objektive Weltanschauung hinein? - Da muß er kommen zu der Form, aber die Form muß er jetzt mit seinem ganzen Wesen ergreifen. Und wir haben gesehen, wie weit er zurückgehen muß, dahin, wo ganz andere Bedingungen da sind. Da tritt ihm die Form dann entgegen als Abglanz des Lebens. Da tritt ihm die Form entgegen so, daß er sie jetzt aufnimmt, indem er eins wird mit der Wahrheit, die dazu- mal berechtigt war, und abstreift alles dasjenige, was zugleich hat geschehen müssen in jener Zeit. Mit andern Worten: er versucht, sich hineinzuversetzen in die Zeit, insofern sie nicht von Luzifer durchsetzt war. Er versucht zurückzugehen zu dem göttlichen Standpunkt des alten Griechenland.

Und wenn man so sich in die Außenwelt einlebt, daß man mit seinem ganzen Wesen in diese Außenwelt hineingeht, aber nichts hineinnimmt von den Verhältnissen, in die man hineingewachsen ist, dann gelangt man zu dem, was Goethe im höchsten Sinne als Schönheit bezeichnet. Deshalb sagt er: «Tatengenuß». Jetzt nicht

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mehr: Genuß der Person, Lebensgenuß. Tatengenuß, Herausgehen, allmählich sich Entfernen von sich selber. Einleben in die Welt ist Tatengenuß nach außen und Genuß mit Bewußtsein.


11. «Tatengenuß nach außen und Genuß mit Bewußtsein; zweiter Teil. Schönheit.»


Was Goethe nun In seinem Ringen nicht mehr hat erreichen können, weil seine Zeit noch nicht die Zeit der Geisteswissenschaft war, das skizziert er sich aber doch um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert. Denn ganz bedeutsame Worte hat Goethe am Schluß dieser Skizze, die er da hingeschrieben hat, und die in dem ersten Teil eIne Rekapitulation desjenigen war, was er gemacht hatte. Er hatte schon vor, noch eine Art dritten Teil zu schreiben zu seinem «Faust»; es sind nur die zwei Teile geworden> die nicht alles ausdrücken, was Goethe wollte. Denn er hätte dazu Geisteswissenschaft gebraucht.

Was Goethe da hat darstellen wollen, das ist nun das Erleben der ganzen Schöpfung draußen, wenn man herausgekommen ist aus dem persönlichen Leben. Dieses ganze Erleben der Schöpfung draußen, in Objektivität in der Welt draußen, so daß von innen heraus die Schöpfung erlebt wird> indem man das wahrhaft Innere nach außen getragen hat, das skizziert sich Goethe, ich möchte sagen, stammelnd mit den Worten: «Schöpfungsgenuß von innen» - das heißt nicht von seinem Standpunkt, indem er herausgetreten ist aus sich selber.


12. «Schöpfungsgenuß von innen.»


Mit diesem «Schöpfungsgenuß von innen» wäre Faust nun eingetreten nicht nur in die klassische Welt, sondern in die Welt des Geistigen.

Dann steht noch etwas am Schluß, ein sehr merkwürdiger Satz, der hinweist auf die Szene, die Goethe hat machen wollen, nicht gemacht hat, aber doch hat machen wollen, die er würde gemacht haben, wenn er bereits in unserer Zeit gelebt hätte, die ihm aber vorgeleuchtet hat. Er schrieb:


13. «Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle.»

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Ich habe sehr gescheite Leute darüber reden hören, was denn dieser letzte Satz: «Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle» bedeute. Die Leute haben gesagt: Also hat Goethe wirklich im Jahre 1800 noch die Idee gehabt, daß Faust zur Hölle fährt und im Chaos, bevor er in die Hölle eintritt, einen Epilog hält? Er ist also erst viel, viel später darauf gekommen, Faust nicht in die Hölle kommen zu lassen! - Viele, viele sehr gelehrte Gespräche habe ich darüber gehört, wie manches Gespräch! Es bedeute, daß Goethe 1800 noch nicht frei war von der Idee, Faust doch zur Hölle fahren zu lassen. Aber daran dachten sie nicht, daß nicht Faust den Epilog hält, sondern selbstverständlich Mephistopheles, nachdem ihm Faust in den Himmel entkommen!

Den Epilog halten - wir würden heute sagen - Luzifer und Ahriman auf dem Weg zur Hölle; sie würden auf dem Weg zur Hölle besprechen, was sie mit dem strebenden Faust erlebt haben.

Ich wollte Sie auf diese Rekapitulation und auf dieses Expose` Goethes noch einmal aus dem Grunde aufmerksam machen, weil es uns wirklich im eminentesten Sinne zeigt, wie Goethe mit alledem, was er in seiner Zeit gewinnen konnte, hin strebte nach dem Weg, der geradewegs aufwärts in das Gebiet der Geisteswissenschaft führt.

Man wird den «Faust» nur in rIchtigem Sinne betrachten, wenn man sich sagt: Warum ist der «Faust» eigentlich im innersten Kern doch eine unvollkommene Dichtung geblieben, trotzdem er die größte Strebensdichtung der Welt ist, und Faust der Repräsentant der Menschheit dadurch ist, daß er herausstrebt aus seinem Milieu und sogar in ein früheres Zeitalter zurückgetragen wird? Warum ist dennoch dieser «Faust» eine unbefriedigende Dichtung geblieben? Aus dem Grunde, weil er eben erst das Streben darstellte nach dem, was die Geisteswissenschaft der menschlichen Kulturentwickelung einverleiben soll.

ES ist gut, gerade auf diese Tatsache das Augenmerk zu richten, und zu bedenken, daß an der Wende des 18. zum 19. Jahrhundert eine Dichtung entstanden ist, in der die Gestalt, die den Mittelpunkt dieser Dichtung bildet, Faust herausgehoben werden sollte aus all den beengenden Schranken, die den Menschen umgeben müssen, da-

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durch daß er sein Leben in wiederholten Erdenleben durchläuft. Das Bedeutsame an Faust ist ja dieses, daß, so intensiv er aus seinem Volkstum herausgeboren ist, er doch über das Volkstum hinausgewachsen und ins Allgemein-Menschliche hineingewachsen ist. Nichts von den engen Schranken des Volkstums hat Faust, sondern ganz hinauf strebt er zu dem allgemeine;n Menschlichen so, daß wir ihn nicht nur finden als den Faust der neueren Zeit, sondern ihn finden im Zweiten Teil als einen Faust, der als ein Grieche unter Griechen steht. Es ist ein ungeheurer Rückschlag in unserer Zeit, wo im Laufe des 19. Jahrhunderts man wieder angefangen hat, auf die Schranken der menschlichen Entwickelung das größte Gewicht zu legen, und in der «nationalen Idee» sogar eine Idee sieht, die irgendwie für unsere Epoche noch kulturtragend sein könnte. Wunderbar könnte sich die Menschheit hinaufranken zu einem Verständnis dessen, was Geisteswissenschaft werden soll, wenn man so etwas verstehen wollte, wie es in den «Faust» hineingeheimnißt ist.

Goethe hat nicht umsonst an Zelter geschrieben, als er den Zweiten Teil seines «Faust» schrieb, daß e? in den «Faust» viel hineingeheimnißt habe, was erst nach und nach herauskommen werde.

Herman Grimm, von dem ich Ihnen auch öfter gesprochen habe, hat darauf aufmerksam gemacht, daß man Goethe erst In einem Jahrtausend völlig verstehen wird. Ich muß sagen: Das glaube ich auch. - Wenn die Menschen sich noch mehr vertieft haben werden als in unserer Zeit, dann werden sie immer mehr und mehr noch verstehen von dem, was in Goethe liegt. Allerdings vor allen Dingen das, wonach er gestrebt hat, wonach er gerungen hat, was er nicht hat zum Ausdruck bringen können. Denn, würden Sie Goethe fragen, ob das, was er da in den Zweiten Teil des «Faust» hineingelegt hat, auch in seinem «Faust» zum Ausdruck gekommen ist, er würde sagen: Nein! - Aber dessen dürfen wir uns überzeugt halten, daß er unbedingt, wenn wir ihn heute fragen würden: Sind wir mit der Geisteswissenschaft auf dem Wege, den du dazumal angestrebt hast, wie er dazumal eben möglich war? - er sagen würde: Dasjenige, was Geisteswissenschaft ist, bewegt sich in meinen Bahnen.

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Und so wird es, da Goethe bis zum Griechentum seinen Faust zu- rückgehen ließ, um ihn als einen die Gegenwart Verstehenden zeigen zu dürfen, schon erlaubt sein, zu sagen: Ehrfurcht vor der Wahrheit, Ehrfurcht vor dem Wissen, das sich herausringt aus dem Wissen des Milieus, aus den Begrenzungen der Umgebung, das ist dasjenige, was wir uns erwerben müssen. Und es ist wirklich wie ein Mahnen der Zeitereignisse, die uns gerade zeigen, wie die Menschheit nach dem entgegengesetzten Extrem hinsteuert, darnach hin- steuert, die Dinge so kurzsinnig wie möglich zu beurteilen, und am liebsten heute nur bis zu den Ereignissen des Jahres 1914 gehen möchte, um all das, was wir heute so furchtbar erleben, zu erklären.

Derjenige aber, der die Gegenwart verstehen will, muß diese Gegenwart von einer höheren Warte aus beurteilen, als diese Gegenwart selber ist.

Das ist es, was ich wiederum als eine Empfindung in diesen Tagen habe in Ihre Seelen legen wollen, als eine Empfindung, von der ich Ihnen habe zeigen wollen, wie sie aus einem wirklich inneren, lebendigen Verständnis der Geisteswissenschaft folgt, und wie sie angestrebt worden ist von den größten Geistern der Vergangenheit, wie Goethe einer ist.

Indem wir dasjenige, was in diesen Betrachtungen vor unsere Seele tritt, nicht bloß als etwas Theoretisches aufnehmen, sondern es nun in unseren Seelen verarbeiten, es leben lassen in den Meditationen unserer Seele, wird es ja erst lebendige Geisteswissenschaft. Möge es so mit diesem, mit vielem, ja mit allem, was als Geisteswissenschaft durch unsere Seele geht, von uns gehalten werden!

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FÜNFTER VORTRAG Dornach, 3. Juni 1915

Es ist im Grunde genommen eine durch alle, ob geisteswissenschaftliche, ob sonstige Weltanschauungsprobleme, durchgehende Frage diese: Welchen Weg hat der Mensch überhaupt mit seiner Entwickelung im Weltall durchzumachen?

Derjenige, welcher sein Denken noch nicht geschult hat durch Geisteswissenschaft, der frägt auch mal, wenn er durchaus beseelt ist von Weltanschauungssinn, nach den letzten Zielen der menschlichen Entwickelung; er möchte am liebsten wissen, wie es mit dem Menschen bestellt sein werde, wenn er am Ende aller Entwickelung angelangt ist. Wir haben ja oft davon gesprochen, daß solch eine Frage nur aus einem ungeschulten Denken hervorgehen kann, und daß es für ein durch Geisteswissenschaft geschultes Denken darauf ankomme, den Weg richtig in irgendeinem Punkte der Entwickelung kennenzulernen; denn wenn man weiß, welchen Weg die menschliche Entwickelung eingeschlagen hat, dann kommt man eben ein Stück weiter vorwärts. Nun wollen wir heute von einem gewissen Gesichtspunkte aus die angedeutete Frage wiederum betrachten, die Frage nach der Richtung des Weges, den die menschliche Entwickelung nimmt.

Sie wissen ja, daß die menschliche Entwickelung erst nachdem sie Vorstadien durchgemacht hat, beim Erdenstadium angekommen ist, und daß diesem Erdenstadium vorangegangen ist das Mondenstadium. Nun muß gesagt werden, daß in einem gewissen Sinne in einem späteren Stadium das frühere Stadium erhalten bleibt, fortwirkt. Wir können sagen, daß wir Erdenmenschen sind, daß wir aber in einem gewissen Sinne den Mondenmenschen in uns tragen. Wir haben uns vom Monde her vervollkommnet, aber der Mondenmensch ist doch in uns, er steckt in uns drinnen, er ist gewissermaßen in uns involviert. So daß wir sagen können: Wenn wir etwa dieses schematisch als Erdenmensch bezeichnen, so steckt in diesem Erdenmenschen der Mondenmensch drinnen. - Man kann

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also sagen: Wir tragen den Erdenmenschen an uns, der Erdenmensch aber umschließt den Mondenmenschen.

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Nun werden Sie leicht aufsteigen zu dem anderen: daß der Mondenmensch wiederum den Sonnenmenschen umschließt, und der Sonnenmensch den Saturnmenschen, so daß wir also noch in uns tragen den Sonnenmenschen und den Saturnmenschen. Sie müssen sich allerdings nicht vorstellen, daß diese schematische Zeichnung irgend etwas gibt von der Wirklichkeit. Es ist ganz selbstverständlich, daß in der Wirklichkeit der Mondenmensch nicht von dem Erdenmenschen wie von einer Schale umschlossen darinnensitzt, sondern, wenn wir die Wirklichkeit bezüglich des Erden- und Mondenmenschen uns vorstellen, ist es zum Beispiel so: Dasjenige, was in spezifischem Sinne der Erde angehört, das müßten wir uns etwa so vorstellen, daß es hauptsächlich sitzt im Rumpf> den unteren und oberen Gliedmaßen bis hinein in die Halsgegend. Und wenn wir uns den Mondenmenschen vorstellen wollen, so müssen wir diesen Mondenmenschen als das darüber befindliche Haupt vorstellen; während wir uns den Sonnenmenschen als gewisse schon sehr in Zerstörung begriffene Organe im Kopfe, und den Saturnmenschen als schon kaum mehr wahrnehmbare Organe im Kopfe vorzustellen haben.

Wenn wir nun die Entwickelung unserer Erde betrachten, so können wir sagen: Die erste Erdenperiode, die zweite, dritte und die

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vierte Periode - das ist ja die atlantische - sind vorübergegangen. Jetzt leben wir in der fünften, in der nachatlantischen Erdenperiode.

Die drei ersten Erdenperioden waren in gewisser Beziehung reine Wiederholungen der Saturn-, der Sonnen- und der Mondenzeit. Dann ist eine mittlere Zeit da, eine Zeit des Ausgleiches, die in ihrer ersten Hälfte auch noch eine Wiederholung darstellt, in ihrer zweiten Hälfte Vorbereitung zu dem Kommenden darstellt. Und erst jetzt in der nachatlantischen Zeit leben wir in etwas gegenüber der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung ganz Neuem. Daher ist auch ungefähr erst seit der Mitte der atlantischen Zeit, aber vorbereitet seit der lemurischen Zeit, vollständig ausgebildet in der menschlichen Wesenheit dasjenige, was wir den Erdenmenschen nennen; vorher haben wir es noch zu tun mit sich wiederholenden Ausbildungen des Saturn-, Sonnen- und Mondenmenschen.

Erst in der nachatlantischen Zeit beginnt dann der Mensch seine Entwickelung mit dem Erdenmenschen; erst da beginnt sozusagen die richtige aktive Entwickelung des Erdenmenschen. Und daher haben auch die drei ersten Kulturperioden der nachatlantischen Entwickelung, die indische, persische, ägyptisch-chaldäische, trotzdem sie schon weitgehende Neubildungen im Menschen darstellen, noch etwas von Wiederholung in sich. Entscheidend war erst die griechisch-lateinische, die vierte nachatlantische Kulturperiode für den Menschen, und in unserer fünften nachatlantischen Kulturperiode sind wir ja in einer ganz besonders wichtigen, bedeutungsvollen Zeit.

Sie wissen ja, daß in dieser fünften nachatlantischen Zeit die Menschen angefangen haben, allmählich an die Stelle des alten, noch vom Monde herüber vererbten Hellsehens die wirklich äußere, gegenständliche Beobachtung der Dinge zu setzen, die dann allmählich zu der wissenschaftlichen Betrachtung der Dinge geworden ist, die zu einer materialistischen Weltauffassung geführt hat, und daß wir in diese materialistische Weltauffassung hineinstellen wollen die geisteswissenschaftliche Weltauffassung. Nehmen Sie all dasjenige zusammen, was wir imstande sind zu erdenken, zu wissen von der Welt, betrachten Sie all dasjenige, was der Mensch heute an Wahrnehmungen, Begriffen, Ideen haben kann. Nicht wahr, wir haben

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öfter besprochen, wie das eigentlich ist: wir haben alles dies dadurch, daß sich unser Geistig-Seelisches am Physisch-Leiblichen spiegelt. Im wachen Erdenleben stellt heute der Mensch dadurch vor, daß sein Geistig-Seelisches gewisse Vorgänge im Physisch-Leiblichen hervorruft, und daß diese Vorgänge zu einem Spiegelungsapparat werden: und dieser Spiegelungsapparat bildet dann den Inhalt unseres Bewußtseins. Indem wir also einen gewissen Inhalt unseres Erdenbewußtseins haben vom Aufwachen bis zum Einschlafen - Vorstellungen, Empfindungen, Willensimpulse, das ist alles gemeint -, ist zunächst der physische Erdenmensch richtig der Apparat für all das, fiir den Inhalt, den der Mensch während des Erdenlebens angesammelt hat.

Also während des wachen Erdenlebens erleben wir mit unserem physischen Erdenmenschen; aber wir tragen ja in uns den Mondenmenschen. Der Mondenmensch in uns, der ist nicht geeignet, uns direkt als Werkzeug für unsere Wahrnehmung zu dienen. Der Mondenmensch war geeignet, auf dem Monde die alten traumhaften Vorstellungen zu bilden; heute ist er nicht geeignet, unsere hellen Erden.Wachvorstellungen zu bilden. Aber er ist doch in uns, dieser Mondenmensch, und er tut nicht etwa nichts! Was tut er, dieser Mondenmensch? - Nun, er tut dasselbe, was er während der Mondenzeit getan hat: er träumt. Und da wir, wenn wir wach sind, in der Regel die im Unterbewußtsein wirkenden Träume nicht wahrnehmen, so bemerken wir das zunächst nicht. Sie gehen - ebenso wie Sie mit Ihrem wachen Bewußtsein durch die Welt gehen - mit dem Inhalte dieser Träume durch die Welt. Wenn Sie auch nichts wissen von diesem Träumer, so wissen doch andere Wesen davon. Diese anderen Wesen sind die Wesen der Hierarchie der Angeloi; und was dieser Träumer träumt, das wird Vorstellung in den Seelen der Angeloi, die erheben das zu ihrer Vorstellung.

Während des Mondes hat also dieser Träumer das Bewußtsein entwickelt, das man überhaupt während der Mondenzeit haben konnte. Als der Erdenmensch entstanden ist, ist dieser Träumer in ihn hineingekrochen; aber das, was er erlebt, das entwickeln nun die Angeloi zu klaren, bewußten Vorstellungen, und bei ihnen sind es

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Imaginationen. Sie wandeln unsere Träume um zu Imaginationen. Der Träumer in uns also, der wird Vorstellung für die Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, und die machen Imaginationen daraus. So daß wir also sagen können: Was der Mondenmensch träumt, imaginiert der Angelos.

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Jetzt werden Sie leicht zu dem anderen aufsteigen können, was sich schematisch Ihnen ergeben kann, aber es ist dieses Schema wahr. Der Sonnenmensch hat noch dumpfere Vorstellungen in uns, solche Vorstellungen, wie sie die Pflanzen haben. Wir tragen also nicht nur den Träumer in uns, sondern wir tragen eine Art Pflanzen- menschen in uns, der eigentlich immer schläft, wie die Pflanzen schlafen. Seine dumpfen Vorstellungen, die werden in den Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi Inspirationen. So daß man sagen kann: Was der Sonnenmensch schlafend erlebt, inspiriert der Archangelos.

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In einem noch dumpferen Schlafe ist in uns der Saturnmensch; so dumpf schläft er, wie die Mineralien schlafen. Dieser Saturnmensch, der gibt wiederum mit seinen tiefschlafenden Vorstellungen den Wesen aus der Hierarchie der Archai das Material, die Möglichkeit, zu intuitieren. So daß wir sagen können: Was der Saturnmensch tief- schlafend ist, intuitiert der Geist der Persönlichkeit, die Urkraft.

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Nun bekommen Sie aber eine richtige Vorstellung nur, wenn Sie sich klar sind darüber, daß Imaginationen, Inspirationen, Intuitionen nicht solche abstrakten Gebilde sind, wie unsere Gedanken und unsere Vorstellungen, unsere Empfindungen; sondern Imaginationen haben schon etwas Reales, Inspirationen etwas noch Realeres. Denn Inspirationen> die bleiben nicht sitzen innerhalb eines Wesens, sondern sie tönen hinaus in die Welt und werden zur Sphärenmusik und schaffen etwas in der Welt. Intuitionen gehen wesenhaft hinein, erfüllen die Welt. Was der Saturnmensch in seinem Tiefschlaf ist, das senden die Geister der Persönlichkeit hinaus in die Welt als Intuitionen.

So ist es heute. Aber nun wird die Erde in der Zukunft noch eine Entwickelung durchmachen. Und da werden die Intuitionen der Geister der Persönlichkeit immer dichter und dichter werden. Jetzt sind sie noch außerordentlich dünne Gebilde; aber indem man aus der fünften in die sechste und siebente Erdenzeit hineingeht, werden diese Intuitionen immer dichter und dichter. Die Erde wird vergehen,

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diese Intuitionen werden erhalten in den Seelen der Geister der Persönlichkeit. Wenn aber der Jupiter geworden ist, werden diese Geister der Persönlichkeit aufsteigen zum Range der Geister der Form; dann werden diese Impulse, die sie während der Erdenzeit zu bilden gelernt haben, Formen sein, und weil das Saturnformen sind, werden sie mineralische Formen sein. So daß wir sagen können: Am Ende der Erdenzeit werden diese Intuitionen dichte kosmische Impulse und später auf dem Jupiter Formen. (Siehe Zeichnung Seite 99).

Wenn sie aber nun Formen werden auf dem Jupiter, dann sind sie überhaupt die mineralische Grundlage des Jupiter. Während der zweiten Entwickelungszeit der Erde arbeiten sich fortwährend hinein in unseren Saturnmenschen die Geister der Persönlichkeit; sie erringen sich die Impulse, die sie dann ausstrahlen in die Welt; die strahlen dann Formen hinaus, aber diese Formen sind der Jupiter. Der Jupiter wird nichts anderes sein als diese Formen. Wir tragen also einen Saturnmenschen in uns; aber dadurch, daß dieser Saturnmensch eingeschaltet ist in die Tätigkeit der Geister der Persönlichkeit, ist er der Keim für den Jupiter. Der Jupiter wird alles, was er als seine mineralische Grundlage haben wird, zu erwerben haben aus demjenigen, was wir in uns tragen als Saturnmensch.

Und jetzt sehen Sie hinein in die Aufgabe der Geister der Persönlichkeit während der Erdenentwickelung. Aber Sie sehen auch, daß, wenn diese Sache so ist, wir durch all dasjenige, was wir auf diese Weise entwickeln, nur einen mineralischen Jupiter entwickeln könnten. Und dieser mineralische Jupiter wird sich unter allen Umständen entwickeln. Dafür ist gesorgt, und es steht in ganz sicherer Aussicht in der kosmischen Entfaltung, daß sich dieser mineralische Jupiter entwickelt. Aber nun bedenken Sie, daß dieser Jupiter noch nicht etwas den Pflanzen, Tieren und Menschen Entsprechendes haben würde. Wir selber als Menschen könnten nicht auf diesem Jupiter sein; denn das Verborgene in uns, der Saturnmensch, wird zu diesem Jupiter umgestaltet dadurch, daß dieser Saturnmensch in seinem Tiefschlaf träumt von dem, was der Erdenmensch in se1nem Bewußtsein vorstellt.

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Sehen Sie, der Sonnenmensch, der kann es unter solchen Umständen zu nichts Wirklichem bringen in uns. Der Archangelos, der würde nur zu Inspirationen kommen, und wenn alles so fortginge, wie es bis jetzt beschrieben ist, so würde der mineralische Jupiter entstehen und über diesem mineralischen Jupiter würden hinüberwellen Inspirationen, zwar dichte Inspirationen, aber sie würden nur so hinüberwellen. Damit etwas entstehen kann, was unserem Pflanzenwachstum entspricht, muß noch etwas hinzukommen, wir müssen außerhalb des Erdenmenschen noch etwas entwickeln. Und dieses ist nichts anderes als das, was der Erdenmensch mit seinem physischen Leib nimmermehr erfahren kann: es ist das, was wir aus der Geisteswissenschafr aufnehmen. Ich will daher diesen Menschen nennen den geisteswissenschaftlichen Menschen - so sonderbar dieser Name klingt -, den geisteswissenschaftlichen Menschen, der sich hinaufrafft zu dem, was über die Erde selber hinausgeht.

#Bild S. 101

Mit dem, was wir in der Geisteswissenschaft in uns aufnehmen, kann nun der Sonnenmensch in uns wirklich richtig etwas anfangen. Er kann seine im Schlafe befindlichen dumpfen, pflanzenartigen Vorstellungen zu Inspirationen umwandeln, und die werden immer dichter und dichter in dem Rest der Erdenzeit, und die werden bewirken, daß nicht nur unbestimmte Sphärenharmonie über den

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Jupiter hinüberweht, sondern daß diese Sphärenharmonie zu bestimmtem Pflanzenwachstum wird, wie es ja auch mit den Pflanzen auf der Erde geschehen ist: sie sind von der Sphärenharmonie geschaffen und dann von dem Lichte herausgeholt worden.

So daß wir sagen können: Würde jene Entwickelung, die die Erde von selbst hergegeben hat, die nicht zum geisteswissenschaftlichen Menschen führt, würde die allein in Zukunft die Erde erfüllen, so würde allein ein mineralischer Jupiter im Weltall hier ausgeführt werden. Daraufhin arbeiten alle materialistischen Weltanschauungen. Es ist den Materialisten eigentlich in tiefster Seele verhaßt, daß der Jupiter auch pflanzlich sein werde. Sie wollen eigentlich in tiefster Seele nichts anderes, als daß derJupiter nur mineralisch sei. Und wenn man heute alle materialistische Wissenschaft durchsucht, die Laboratorien, Kabinette und so weiter, so sieht man, wie das alles darauf hinarbeitet, daß nur ein mineralischer Jupiter entsteht. Und ohne Geisteswissenschaft würde dieser eine tote Schlacke sein, wirklich nicht einmal Pflanzenwachstum enthalten.

Dasjenige, was auf dem Jupiter die jetzigen Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi bewirken können, was dem Pflanzenwach& tum entspricht, das bereiten wir vor, indem wir uns zu der Geistes- wissenschaft aufschwingen. So daß wir sagen können: Was der Sonnenmensch schlafend erlebt, wird am Ende der Erdenzeit reif, kosmische Impulse für die Jupiterpflanzenwelt durch die Archangeloi abzugeben.

Und so wollen wir uns denn nun der kosmischen Aufgabe der Geisteswissenschaft bewußt werden: wollen wissen lernen, daß wir mit dem, was wir in unserer geisteswissenschaftlichen Arbeit treiben, wirklich den Wesen aus der Hierarchie der Archangeloi die Möglichkeit geben, zum Jupiter eine Pflanzendecke hinüberzutragen. Was der Sonnenmensch in uns erlebt durch die geisteswissenschaftlichen Vorstellungen, das können die Archangeloi benützen, um Pflanzenwachstum auf dem Jupiter zu entwickeln.

Dann wird eine Zeit kommen in der Erdenentwickelung, wo diejenigen, die Geisteswissenschafter geworden sind, sagen werden: Geisteswissenschaft ist schon alles, Geisteswissenschaft ist das letzte Heil,

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und alle diejenigen, die in ihrer Seele etwas anderes unternehmen als Geisteswissenschaft, sind Phantasten und Träumer! - Die Geisteswissenschafter werden über diese anderen reden, wie die Materialisten über uns reden. Aber geradeso wie die Geisteswissenschafter von heute stehen zu den Materialisten, so wird es in der Zukunft ein kleines Häuflein von Menschen geben, die über die Geisteswissenschaft hinausgehen werden zu etwas, was sich in dieser Zukunft zu Geisteswissenschaft als etwas so Neues verhält, wie die Geisteswissenschaft jetzt zu der bloß äußeren Wissenschaft. Das wird noch viel mehr Ansprüche stellen an die Aktivität des Menschen als die Geisteswissenschaft, die schon so unbequem gefunden wird. Es wird etwas sein, was der Träumer im Menschen, der Mondenmensch, in einer ungeheuer viel intensiveren Weise träumen wird, als heute natürlich der Sonnenmensch die geisteswissenschaftlichen Vorstellungen schlafend erleben kann. Aber das, was da der Träumer In uns erleben kann in einer zukünftigen Zeit, das wird erfaßt und erarbeitet werden von den Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, und die werden es in derselben Weise zum Jupiter hinübertragen, und auf Grundlage des mineralischen und pflanzlichen Reiches im Jupiter etwas begründen, was dem Tierreiche entspricht. So daß wir sagen können: Die Traumvorstellungen des Mondmenschen, oder des Träumers im Menschen, werden für den Jupiter zu verdichteten Imaginationen, Grundlage eines Tierreiches, durch die Angeloi.

Dann wird zuletzt noch etwas kommen während der Erdenentwikkelung. Wir sehen in eine Zukunft hinein, in der wir etwas so Wunderbares ahnen können. Das, was dann kommt, das wird erst den Keim abgeben können, daß der Erdenmensch selber auf dem Jupiter sein Reich wird aufrichten können, etwas Neues wird aufrichten können.

Also dasjenige, was heute mit Hilfe des Erden menschen entwickelt werden kann, das wird weiter fortschreiten, und dann wird nach der Zeit, welche immer Neues und Neues entwIckelt haben wird, etwas kommen, was dieser Erdenmensch nun wissen kann als die höchste Blüte der geistigen Erdenentfaltung. Und aus diesem Wissen als höchste Blüte der geistigen Erdenentfaltung wird dasjenige entstehen, wodurch der Erdenmensch auf dem Jupiter dann weiter

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kann durch sich selbst. So daß man sagen kann: Die Vorstellungen des Erdenmenschen werden durch den Seeleninhalt der höchst- entwickelten Menschen vom Ende der Erdenzeit zu Impulsen für die Menschheitsentwickelung auf dem Jupiter.

Unsere Geister der Persönlichkeit werden dann aufgestiegen sein zu Geistern der Form; unsere Archangeloi werden aufgestiegen sein zu Geistern der Persönlichkeit; unsere Angeloi werden aufgestiegen sein zu Archangeloi; der Mensch wird aufgestiegen sein zum Range der Angeloi. Dann wird er, aus den höchsten Vorstellungen des Erdenmenschen, in der Hierarchie der Jupiter-Angeloi - die er selber darstellen wird - die Jupiter-Geistesentwickelung fortsetzen können. Er wird dann an dem, was da am Ende der Erdenzeit entwickelt wird, etwas Ähnliches haben, wie man es gegen das Ende der atlantischen Zeit hatte, um eine eigentliche Erdenentwickelung zu inaugurieren.

So sehen wir, daß wir tief hineinblicken können in die Richtung, die unser Weg einschlägt im Kosmos. Und wenn man sich sagen kann: Nun haben sich die Menschen, indem sie sich bis in unsere Zeit entwickelt haben, zu dem entfaltet, was der Erdenmensch hergeben kann, und wir beginnen nun mit demjenigen, was der Erdenmensch nicht mehr hergeben kann, was man außerhalb des Erden- menschen erfahren muß -, wenn man das sich sagt, so weiß man, warum man Geisteswissenschaft treibt. Man weiß, daß dieses Betreiben von Geisteswissenschaft wirklich einen kosmischen Sinn hat; und man empfindet, wie brutal-abstrakt die Fragen sind, die die philosophischen Gemüter stellen: Was ist das letzte Ziel des Menschen? - Man hat genug zu tun, wenn man nach dem nächsten Ziele strebt.

Und man möchte fragen: Kann denn nicht wirklich eine solche Geisteswissenschaft, die sich bewußt wird dieser ihrer Aufgabe im ganzen Kosmos, kann die denn nicht wirklich unser Herz bewegen, unser Gemüt und Gefühl auch in Anspruch nehmen? Fühlen wir doch, was wir in uns tragen als Keim für die Zukunft im Kosmos! Und wir können das, was wir in uns tragen an bloßem Wissen, verwandeln in Gefühls- und Gemütsinhalt.

Und seien wir uns nur dessen klar: Alles, was physische Welt der Erde ist, das wird zugrunde gehen, das wird in eine nicht nur Schlaf-,

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sondern Zerstörungsperiode übergehen; und etwas Neues muß entstehen. Woraus muß dieses Neue entstehen?

Ja, aus den Steinen der Erde, aus den Pflanzen der Erde, aus den Tieren der Erde, aus den physischen Leibern der Erde entsteht nichts Neues. Die sind da, um sich abzuschälen. Aber aus dem Saturnmenschen, den Sie in sich tragen, entsteht der mineralische Jupiter. So wahr es ist, daß von dem Huhn, das vor Ihnen läuft, nichts in dem anderen Huhn, das als Tochterhuhn da sein wird, lebt, als nur der kleine Keim im Ei, so wahr lebt auf der ganzen Erde für den künftigen Jupiter nichts als allein die Saturnkeime, die im Menschenleibe leben. Das ist alles, was durch das Pralaya hindurch zum Jupiter geht. Alles andere fällt ab von der physischen Erde. Ich rede jetzt nicht von Seelen, sondern von der physischen Erde.

Und wenn irgend jemand die Vorstellung haben sollte, daß die physische Erde sich auch umwandle, so ist das eine nebulose Vor- stellung, denn das Konkrete ist, daß alles in die Welt hinein zerstäubt, mit Ausnahme von all diesen Saturnkeimen, die aufgenommen werden von den Archai, und aus denen die Atome, die mineralischen Atome des Jupiter werden. Ich habe ein Ähnliches einmal vor vielen Jahren in Berlin in einem kleinen Kreise angedeutet, indem ich dazumal versuchte auseinanderzusetzen, was für eine kindliche Vorstellung es ist, wenn man sich die Atome der Erde so vorstellt, wie die Physiker sie sich vorstellen. Diese Atome müssen wir uns vielmehr vorstellen als das Innerste des Mondenmenschen - das heißt des Menschen auf dem damaligen Monde -, aber verwendet von denjenigen Wesenheiten, die auf dem Monde dem Menschen voraus waren und die dieses innerste Wesen des Menschen zu Erdenatomen umgebildet haben. Heute ist es nicht mehr in dem Saturnmenschen, sondern in der Erde drinnen.

So ein Atom, das ist also in seiner Wirklichkeit etwas, wogegen das Atom des Physikers eine ganz kindische Vorstellung ist. Denn es ist tatsächlich dieses Atom auf eine ganz komplizierte Weise entstanden. Denken Sie sich, daß das Atom entstehen muß aus dem, was der Mensch auf dem Saturn entwickelt hat und sich bewahrt hat

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während Sonnen-, Monden- und Erdenzeit, und was dann durch die Geister der Persönlichkeit, die auf dem Jupiter Geister der Form sein werden, zu Atomen für den Jupiter umgewandelt werden muß. So kompliziert ist die Welt.

Ich habe auf die Vorstellungsweise, die diesen Dingen zugrunde liegt, öfter hingewiesen. Ich habe gesagt: Nehmen wir an, wir haben drei Uhr nachmittags. Da stehen um drei Uhr nachmittags zwei Menschen nebeneinander. Wir kommen dazu und sagen: Der Mensch A steht da mit dem Menschen B. Wir gehen jetzt weg und erzählen das einem Dritten. Aber nehmen wir an, der Mensch A sei von neun Uhr vormittags bis drei Uhr nachmittags hier stehengeblieben, der Mensch B aber sei bis um zwölf Uhr hierher gegangen und dann zurück, und sei um drei Uhr hier angekommen. Dann haben wir denselben Tatbestand gefunden: zwei Menschen stehen nebeneinander. Aber der Mensch, der da sechs Stunden gestanden oder gesessen hat, der wird anders dastehen als der Mensch, der da sechs Stunden hin- und hergegangen ist. Innerlich sind die Menschen grundverschieden, und darauf kommt es an; die Menschen sind nicht gleichwertig, sondern verschiedenwertig.

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Das soll Ihnen zeigen, daß es nicht auf die Beobachtung eines Tatbestandes ankommt, sondern darauf, wie der Tatbestand zustandegekommen ist. Derjenige zum Beispiel, der mikroskopisch untersucht die Lebewesen, der untersucht wirklich nicht das Innerste, sondern nur den äußern Tatbestand. Und das ist im Grunde genommen der Inhalt aller biologischen Wissenschaft: äußerer Tatbestand, wie derjenige ist, daß man um drei Uhr zwei Menschen nebeneinander konstatiert. Selbstverständlich werden die Menschen sagen: Ich konstatiere nicht nur den Tatbestand, sondern ich verfolge die Entwickelung -, aber sie verfolgen nur die Entwickelung im Physischen, das heißt, sie sehen immer auf einen Tatbestand hin.

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Dadurch ist der Irrtum entstanden, der die Erscheinungen zusammenwirft, die für die verschiedenen Reiche der Natur ganz verschiedene Bedeutung haben, zum Beispiel den Tod bei Tieren und Menschen, geschweige denn bei Pflanzen. Der Tod ist durchaus nicht dieselbe Tatsache im Tier- und im Menschenreich, weil der Tod des Menschen eintritt bei einem Wesen, das hinter sich hat die Erdenentwickelung, die Monden-, Sonnen- und Saturnentwickelung; das Tier hat hinter sich die Erdenentwickelung zum Teil, Monden- und Sorinenentwickelung. Dadurch ist der Tod bei Tieren eine ganz andere Erscheinung als beim Menschen. Wenn man so abstrakt urteilt, daß man den Tod beim Tier und beim Menschen durcheinander- wirft, so kann man auch das Verdunsten eines Quecksilbertropfens als Tod bezeichnen. Und ich habe schon gesagt, daß man in unserer Zeit wirklich so urteilt. Gewisse Biologen, die sich besonders fortgeschritten dünken, sagen: da manche Pflanze die Eigenschaft hat, Insekten aufzufressen, so haben diese Pflanzen etwas der tierischen oder menschlichen Seele Ähnliches an sich. - Nach einer äußeren Analogie sagen sie das. Die Logik darin ist nicht mehr, als wenn man sagt, daß eine Mausefalle auch eine Seele habe.

Das ist das ungeheuer Äußerliche, das allmählich in unserer Geistesentwickelung aufgetreten ist, dieses ungeheuer Äußerliche, das den Eindruck macht, ich möchte sagen, von einer gräßlich.schönen Logik, das aber nur herrührt von einem unwesenhaften, toten, ahrimanischen Denken. Zu diesem Denken werden die Menschen immer mehr und mehr kommen, wenn sie nicht befruchtet werden durch die Geisteswissenschaft.

Alle diese Betrachtungen zielen ja zuletzt darauf hinaus, uns wirklich von der Wichtigkeit des Hereintragens der Geisteswissenschaft in die menschliche Erdenentwickelung zu durchdringen. Wir müssen schon hinschauen auf das scheinbar Logische, aber in Wirklichkeit Unlebendige, Tote, zu dem es die ahrimanische Kultur der Gegenwart gebracht hat; diese ahrimanische Kultur der Gegenwart, die ja nichts anderes tun kann als den Schlüssel reichen, wie Mephistopheles. Aber wir müssen die Faustische Stimmung entwickeln gegenüber dem, was die ahrimanischen Geister das Nichts nennen, wir

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müssen die Stimmung entwickeln: «In deinem Nichts hff´ ich das All zu finden.»

Doch wir müssen uns ganz und gar von dieser Sache durchdringen. Wir dürfen nicht glauben, daß wir irgend etwas von den Denkgewohnheiten der alten Kultur in das Neue hinübernehmen können. Bewußt tun wir das ja nicht, aber unbewußt kann uns Ahriman immer wieder zum Versucher werden. Das ist das Wichtige, daß wir das Tiefeingreifende der Geisteswissenschaft in uns aufnehmen, wenn es auch unbequem ist. Die geisteswissenschaftliche Kultur erfordert wirklich Ernst, tiefen Ernst in der Hingabe.

Daher müssen schon alle, alle Kräfte der menschlichen Seelenentwickelung hineingestellt werden in die Impulse, die aus der Geistes- wissenschaft kommen können. Und es ist nichts als eine ganz sachliche, ich möchte sagen, sachlich-ermahnende Bemerkung, die ich jetzt machen will.

Ich habe in einem der letzten Vorträge etwas erwähnt von der Idee, welche zur Ausführung gelangen muß, wenn wir mit unserem Bau fertig werden sollten, von der im Osten aufgestellt werdenden Gruppe mit dem Menschheits-Repräsentanten - Sie können ihn den Christus nennen, wenn Sie wollen - in der Mitte; mit dem Luzifer oben, stürzend mit den zerbrochenen Flügeln; Ahriman unten in einer Höhle in sich kauernd, sich überwunden fühlend. So ist das eine Idee. Was aus dieser Sache werden soll, wird man wirklich erst sehen können, wenn man die fertig aufgestellte Gruppe haben wird. Denn zu dem, was da gemeint wird, gehört nicht nur dies, was da in diesen paar Worten gesagt ist, sondern gehört jeder Zug in dem Antlitz des Christus, Luzifer und Ahriman. Wenn nun jemand versuchen würde, mit dieser Idee eine Komposition auszuführen, so würde er es mit den alten Mitteln tun, und das wäre ganz falsch, das wäre eine symbolische Darstellung einer Idee, es wäre dann aus der materialistischen Kunst genommen. Oder aber es müßte aus der hellseherischen Anschauung heraus genommen werden, wie die Gruppe drüben. Jede einzelne Form muß künstlerisch, ich möchte sagen, aus den Urelementen heraus geschaffen werden. Das kann man wirklich nur, wenn man sich ganz ernst in die Impulse der Geisteswissenschaft

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vertiefen kann. Aber man muß sich Zeit lassen, man kann nicht mit den alten Kunstmitteln weiterarbeiten.

Es ist schwierig in alle Kulturimpulse Geisteswissenschaft hineinzutragen; aber aus alledem was gesagt worden ist, ergibt sich schon die Notwendigkeit dazu. Natürlich kann die Sache nicht von heute auf morgen geschehen, sondern kann nur ganz allmählich geschehen. Ein Anfang muß gemacht werden. Würde man sich nicht bewußt sein, daß mit unserem Bau nur ein Anfang gemeint ist, so würde man ihn ganz falsch ansehen. Es wird lange, lange Zeiten brauchen, um dasjenige zu erreichen, was mit ihm intendiert wurde.

ES handelt sich wirklich darum, die ganze Verfassung und Stimmung unserer Seele zu einer anderen zu machen, als sie bisher durch das, was der Erdenmensch hergegeben hat, werden konnte. Natürlich ist es ebenso unrichtig, wenn etwa jemand nun sagen würde: Dann ist also alles falsch, was der Erdenmensch hergegeben hat; darum weg damit. - Das wäre ganz falsch, denn der Erdenmensch trägt den Monden-, Sonnen- und Saturnmenschen in sich, und der neue geisteswissenschaftliche Mensch muß auch wiederum den Erden- menschen in sich tragen. Wir müssen sie in uns tragen, diese bisherige Erdenkultur. Es ist daher nicht unnötig, uns bekannt zu machen mit allem, was wir aus der bisherigen Erdenkultur wissen können und kennen können.

Aber ein wenig müssen wir uns schon in aller Demut - nicht in Stolz und Überhebung, sondern in aller Demut - von einer Art geisteswissenschaftlichem Bewußtsein durchdringen lassen. Es würde gar nicht gut sein, wenn die Leute, die zur geisteswissenschaftlichen Bewegung gehören, immer wieder und wiederum bemerken würden: Was wir machen, das ist esoterisch; was du machst, ist exoterisch! Wir machen etwas ganz Neues!

Das würde nicht gut sein, denn das ist nur vom Hochmut aufgestachelt, wie so vieles leicht vom Hochmut aufgestachelt sein mag, was innerhalb der geisteswissenschaftlichen Bewegung auftreten kann. Je weniger man so etwas hören würde, um so besser wäre es. Aber je mehr man auf der anderen Seite versuchen würde, daß die

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ganze Seelenstimmung von der Geisteswissenschaft ergriffen wird, desto besser wäre es.

Man glaubt gar nicht, wie einseitig alle Worte, alles, alles jetzt gebraucht wird, wie man reden kann, ohne daß man sich bemüht den andern zu verstehen, sich in den andern hineinzudenken. All das muß verschwinden, wenn wirklich die Impulse der Geisteswissenschaft in den Seelen der Menschen Platz greifen sollen. Und vieles ist heute auf einem Höhepunkt angelangt, was gerade ausgemerzt werden soll durch die Geisteswissenschaft. Man sieht in unserer traurigen Zeit die Menschen sich befehden mit Worten; man sieht, wie die eine Gruppe über die andere Urteile fällt. Der Geisteswissenschafter muß darauf kommen, daß solche Urteile wirklich nicht mehr wert sind, als wenn irgend jemand mit einem andern darüber streitet, was das ist. (Es wird ein Haus gezeichnet.) Der eine sagt: Das ist ein Haus. - Der andere sagt: Nee, das ist la maison!

Das ist kraß ausgedrückt, aber von diesem Werte sind durchaus die Diskussionen, die heute mit so vieler Leidenschaft geführt werden. Es sieht nur kurios aus, wenn man das, was kompliziert ist, in der einfachen, krassen Form darstellt. Aber es ist gut, über den Zusammenhang großer Weltendiskussionen heute mit diesem Einfachen einmal meditierend sich zu ergehen. Man wird dann schon sehen, was hinter diesem Vergleich eigentlich in Wirklichkeit steckt.

Und wenn wir auf manches, was in der letzten Zeit schon immer an geistigen Wahrheiten vor unsere Seele getreten ist, zurückblicken, dann werden wir uns immer wieder und wiederum festigen können in der Empfindung, die wir gegenüber den geisteswissenschaftlichen Impulsen uns erwerben können. Wenn wir daran denken, daß dasjenige, was der Erdenmensch hergibt an Geisteskultur, das innere Grundgerüst des Jupiter ergeben wird; das, was wir in der Geistes- wissenschaft treiben, den künftigen Pflanzenkeim des Jupiter bilden wird; dasjenige, was in der Zukunft kommen wird, das künftige Tierreich des Jupiter bilden wird, und wenn wir dann wirklich ernst nehmen, daß in unserem Saturnmenschen der Keim liegt zu der physischen Jupiterschale, daß in unserem Sonnenmenschen dasjenige liegt, was wir zur Pflanzendecke des Jupiter umwandeln müssen,

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und in unserem Mondenmenschen das, was zur Tierwelt des Jupiter umgewandelt wird, und daß alles, was zur Erde gehört - auch die Sterne gehören dazu, die gehen auch in das Pralaya hinein -, daß alles das vergehen wird, wenn wir dieses bedenken, dann werden wir Schüler Dessen, der gesagt hat:

«Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen!»

Denn Himmel und Erde sind dasjenige, was durch den geisteswissenschaftlichen Menschen, durch den magischen Menschen erneuert wird. Alles wird vergehen, aber «meine Worte» werden dasjenige abgeben, was zur kosmischen Weltenbildung wird.

Geisteswissenschaft muß auch dazu führen, daß man solche Worte verstehen lernt, wie es diese Worte des Christus sind:

«Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.»

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SECHSTER VORTRAG Dornach, 17. Juli 1915

Wenn der Mensch in seiner geistigen Entwickelung allmählich heraufrückt zum Wahrnehmen der höheren Welten, dann muß er, das habe ich ja öfter schon erwähnt, sich neue Vorstellungen machen über sein ganzes Verhalten zu diesen höheren Welten.

Wir sind daran gewöhnt, unser gesamtes Verhalten zur Welt so zu beurteilen, wie wir unser Verhalten zur Welt finden hier auf dem physischen Plan. Hier auf dem physischen Plane fühlen wir uns als Menschen ganz klar den anderen Geschöpfen der verschiedenen Reiche dieser Welt so gegenüberstehend, daß wir gewissermaßen auf die Wesen dieser anderen Reiche herunterschauen. Wir nehmen sie wahr; wir fühlen uns als Menschen als das höchste Glied dieser physischen Welt und nehmen die anderen Wesenheiten wahr. Wir bilden uns dann Begriffe und Ideen, Vorstellungen von diesen Wesenheiten.

Ich möchte sagen, wir stehen da, die Welt ist außer uns; wir nehmen diese Welt wahr, wir nehmen gleichsam dasjenige, was sie uns gibt, in uns herein, und wir tragen es dann in unserer Seele mit uns weiter durch die Welt. Die Gegenstände sind draußen, die Wesen sind außer uns, und dasjenige, was sie uns durch unsere Wahrnehmung, die wir von ihnen haben, mitteilen, das tragen wir dann in der Seele mit uns.

Wenn wir von dem Gesichtspunkte der anderen Geschöpfe der Erde sprechen wollten, so müßten wir sagen: Die Wesen der verschiedenen Reiche, des pflanzlichen, des tierischen, des mineralischen Reiches lassen sich von uns wahrnehmen; sie werden von uns wahrgenommen.

Nun liegt es eben so ungeheuer nahe für den Menschen, das, was er so gewohnt geworden ist als sein Verhältnis zur Welt anzusehen, das auch nun ganz unmittelbar anzuwenden, wenn es sich um Wesenheiten der höheren Ordnungen, der höheren Hierarchien zum Beispiel handelt. Der Mensch stellt sich vor: wenn er in die höheren

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Welten hinaufrückt, dann sind die Engel, Erzengel, Geister der Persönlichkeit und so weiter ebenso um ihn herum ausgebreitet, wie Minerale, Pflanzen, Tiere in der physischen Welt um ihn herum ausgebreitet sind. Ganz genau so, möchte ich sagen, ist aber die Sache nicht. Wir müssen uns gewöhnen, unser Verhältnis zu der andern, der geistigen Welt in dem Augenblicke gleich anders vorzustellen, wo wir die Schwelle in die geistige Welt hinein überschreiten. Wir müssen uns vollständig ernst sein lassen das, was öfter gesagt worden ist: daß in dem Augenblicke, wo wir nur einen Schritt in die geistige Welt hinein machen, das heißt unsere Wahrnehmungsfähigkeit erweitern, wir in gewisser Weise zusammenwachsen mit den Wesen, die um uns herum sind, daß wir uns mit unserem eigenen Wesen über sie verbreiten. Und ich habe den trivialen, ja nicht schönen, aber doch treffenden Ausdruck oftmals gebraucht: wir kriechen in die Wesen hinein, wir wachsen mit ihnen zusammen. Dem physischen Plane gegenüber fühlen wir die Wesen immer wie draußen, und das, was wir von ihnen wahrnehmen, geht in uns hinein. Den Wesen der höheren Welten gegenüber müssen wir uns so fühlen, daß wir in sie hineingehen. Und wie sich die Wesen des mineralischen, des pflanzlichen, des tierischen Reiches von uns wahrnehmen lassen, so müssen wir uns wahrnehmen lassen von den Wesen der höheren Hierarchien; das heißt, wir werden objektive Wahrnehmungsgegenstände, Wahrnehmungswesen für die Wesen der höheren Hierarchien. Ich möchte sagen: wie die verschiedenen Tiere für uns ausgebreitet sind da draußen im Raum, so daß wir sie anschauen können, so werden wir angeschaut von den Wesen der höheren Hierarchien. Die schauen auf uns herunter. Und daß sie uns anschauen, das erleben wir; darin besteht eigentlich die Wahrnehmung der höheren Wesenheiten. Man müßte also immer sagen - nicht: Ich nehme einen Engel wahr - denn das entspricht nicht ganz genau dem Erleben -, sondern man müßte sagen: Ich spüre, ich empfinde, daß ich von einem Engel wahrgenommen werde.

Dieses Erleben, das ist dasjenige, was wir genau ins Auge fassen müssen, wenn wir von den Welten sprechen, die jenseits der Schwelle der geistigen Welt liegen. Die Sprache, die gewöhnliche Volks

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sprache hat da oftmals treffende Ausdrücke, die sie, ich möchte sagen, mitten hineinmischt in das Alltagsleben. Wenn aufmerksam gemacht wird durch die Volkssprache, daß, was wir auch immer tun, beobachtet werden - entweder, wie man nach dem neueren Bewußtsein sagt: von Gott selber, oder wie man früher gesagt haben würde: von einem Wesen der nächsthöheren Hierarchie -, wie es etwa in dem schönen Volkssprichworte zum Ausdrucke kommt:

Wo ich bin und was ich tu,

sieht mir Gott, mein Vater zu,


so ist es in der Tat ein treffender Ausdruck für den Tatbestand, den die Geisteswissenschaft entdeckt. Und so könnte man, wenn man die Volkssprache absuchen würde gerade nach älteren Ausdrücken, schon aus dem Vorhandensein solcher Ausdrücke den unwiderlegbaren Schluß ziehen, daß man in früheren Zeiten mehr gewußt hat, aus einem naiven> ursprünglich elementaren Schauen heraus, von dem, was wirklich der Fall ist mit Bezug auf das Angeschautwerden des Menschen durch die Wesenheiten der höheren Welten, als heute in unserem materialistischen Zeitalter der Mensch von diesem Tatbestande weiß.

Nun liegt es nahe, zu fragen, wie das mehr im Konkreten beschaffen ist, wenn uns Wesenheiten der höheren Hierarchien zuschauen, und da ist es doch ganz interessant, einmal gerade über diesen Gegenstand eine, wenn auch vielleicht etwas abliegende Betrachtung anzustellen. Sie werden morgen sehen, daß wir gerade von dieser etwas abliegenden Betrachtung zu einem sehr nahe liegenden Gegenstand aufsteigen werden, und so müssen Sie schon verzeihen, wenn heute eine etwas abseits liegende Betrachtung angestellt wird.

Außer dem, was ich eben gesagt habe, möchte ich noch an etwas anderes erinnern, das auch schon öfter auseinandergesetzt worden ist. Wir Menschen haben als eine wichtige Seelenfähigkeit während unseres Lebens zwischen Geburt und Tod in uns ja das Gedächtnis, und ich habe öfter darauf aufmerksam gemacht, was alles an dem Gedächtnisse hängt. In dem Augenblicke, wo das Gedächtnis für unsere Erinnerungen durchbrochen sein würde, würde überhaupt unser

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ganzes zusammenhängendes Ich gestört sein. Der fortgehende Faden unseres Ich würde abreißen. Solche Menschen - ich habe öfter darauf aufmerksam gemacht -, bei denen das stattfindet, kommen in sehr unglückliche Lebenslagen. So kann es vorkommen, daß jemand plötzlich durch irgendwelche elementaren Einflüsse den Faden seines Gedächtnisses abgerissen bekommt. Das kann stattfinden, ohne daß dabei der Verstand oder die Urteilskraft im allergeringsten Maße leiden; die können ganz erhalten bleiben. Und so kann es dann eintreten, daß ein solcher Mensch, da er nun nicht mehr weiß, wer er gestern gewesen ist, den Zusammenhang nicht mehr hat mit seinen Erlebnissen von gestern, vorgestern und so weiter, aber aus dem ganz intakt gebliebenen Verstande heraus nach Basel fährt, sich dort weiter ein Billett nimmt, sich in den Zug setzt und - nun, jetzt würde es ja schwierig sein, aber die Dinge sind schon vorgekommen - plötzlich in Bombay wieder entdeckt, wer er eigentlich ist. Zwischendurch hat er alles, was notwendig war, um die Reise zu bewerkstelligen von irgendeinem Ort nach dem anderen, selbst nach dem Ort eines fernen Weltteiles, ganz gescheit gemacht. Ihm fehlte ja nicht der Verstand, noch die richtige Urteilskraft, sondern ihm fehlte nur der Zusammenhang seines Gedächtnisses. - Solche Krankheitsfälle sind viele, viele vorgekommen. Ich habe es selbst bei einem mir bekannten Manne erlebt, wie der eines Tages sein Gedächtnis abgerissen bekommen hat und weit herumgereist ist in der Welt, dann sich in einer mitteleuropäischen Stadt wiederum fand, nachdem er sich dort, noch mit abgerissenem Gedächtnis, gemeldet hatte in einem Asyl für Obdachlose. Erst nach drei Wochen kam er wieder zu sich, nachdem sein Gedächtnis wieder eingesetzt hatte.

Diese Kraft des Gedächtnisses, diese Möglichkeit des Zusammenhaltens unserer Erlebnisse, die gehört zu dem Wichtigsten, was wir haben auf dem physischen Plane. Sie verwandelt sich, diese Kraft des Gedächtnisses, in dem Augenblicke, wo wir entweder die Pforte der Initiation durchschreiten, oder aber wo wir durch den physischen Tod hindurchgehen. Ich will nur von dem letzteren Falle sprechen.

Wenn wir durch den physischen Tod hindurchgehen, so brauchen wir nicht mehr ein solches Gedächtnis, wie wir es in der physischen

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Welt hatten, denn wir sehen da dasjenige, was stehen geblieben ist von den Ereignissen, was sich eingeschrieben hat in die Akasha-Chronik der Welt. Wir brauchen nur hinzuschauen auf etwas Vergangenes; wir brauchen uns nicht zu erinnern. Aber die Erinnerungskraft ist da; sie verwandelt sich nur in eine andere, in eine aktivere Kraft des inneren Seelenlebens. Die Kraft ist da.

Es ist nun viel davon abhängig, daß wir für unser Leben auf dem physischen Plane gerade das Gedächtnis so ausgebildet haben, wie wir es haben in der Zeit zwischen der Geburt und dem Tode. Daß unser Gedächtnis für die gewöhnlichen Verhältnisse des Lebens nicht zurückreicht in Zustände, die wir durchgemacht haben zwischen dem letzten Tode und der diesmaligen Geburt, das ist von einer wesentlichen Bedeutung. Denn nur dadurch kann zustande gebracht werden, daß sich gewisse Kräfte verdichten und durch diese Verdichtung zu den Gedächtniskräften werden, die eben so funktionieren wie unser Gedächtnis zwischen Geburt und Tod.

Es ist das eine rein menschliche Eigenschaft, daß wir ein solches Gedächtnis haben, das sich im wesentlichen erstreckt auf das Leben zwischen der Geburt und dem Tode. Kein anderes Wesen der Welt hat ein solches Gedächtnis, hat gerade ein solches Gedächtnis, das so wirkt, daß, wenn dieses Wesen zu seiner Verkörperung oder - wie wir bei Engeln sagen müßten - zu seiner Atherisierung schreitet, das Gedächtnis aufleuchtet und dann bis zu einem anderen Zustande, der bei uns Menschen der Tod ist, bleibt. Andere Wesenheiten anderer Weltordnungen haben eben diese selben Kräfte, die bei uns im Gedächtnisse liegen, in einer ganz anderen Weise ausgebildet.

Nun ist es außerordentlich interessant, zu beobachten, wie erstens in bezug auf ihre Wahrnehmungsfähigkeit, und zweitens in bezug auf ihr Gedächtnis, uns ungleich sind die Wesenheiten der nächsthöheren Hierarchie, die Wesenheiten der Hierarchie der Angeloi. Diese Angeloi nehmen Verschiedenes wahr von dem, was wir Menschen vollbringen, gewiß auch von dem, was zugrunde liegt unseren Taten und Handlungen auf dem physischen Plan; sie sehen uns an, sie nehmen uns wahr. Wir sind für sie Objekte der Wahrnehmung.

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Aber unter anderem ist etwas besonders wichtig, was sie an uns wahrnehmen: das ist das ganze Wesen unseres Sprechens.

Unser Sprechen ist ja gegenüber dem, was wir als Verlauf unseres Denkens, als Verlauf unserer Ideen betrachten, etwas mehr oder weniger recht Unbewußtes. Das Denken verläuft bei uns Menschen in einem gewissen hohen Grade bewußt; das Sprechen ist nicht in demselben Grade bewußt. Es erfordert nur eine ganz geringe Selbstbeobachtung, wenn man wissen will, daß man nicht in demselben Maße bewußt spricht, wie man bewußt denkt. Wollte man so bewußt sprechen, wie man bewußt denkt - Sie können es glauben -: man würde etwas ganz Gehöriges zusammenstottern in der Welt. Nur dadurch sprechen wir so geläufig, wie wir sprechen, daß wir nicht immer

nachzudenken brauchen, wie wir den einen oder den anderen Buchstaben formen sollen. Müßten wir erst nachdenken - ich will gar nicht einmal sagen bis in den physischen> sondern nur bis in den astralischen Leib herein -, müßten wir darüber nachdenken, was wir da zu tun haben in unserem astralischen Leib, wenn wir ein t oder ein d oder ein h formen sollen, so würden wir nun wahrhaftig jenes geläufige Sprechen, das wir haben, nicht haben können. Gerade dadurch handhaben wir die Sprache als etwas Gewohnheitsmäßiges, daß sich über unsere Sprache unser Bewußtsein nicht in derselben Weise ausgießt, wie über unser Denken, über das es sich wenigstens bis zu einem gewissen Grade ausdehnt. Bis zu einem gewissen Grade, denn vollständig dehnt sich das Bewußtsein auch nicht über unser Denken aus.

Nun leben wir aber eigentlich in der Welt gerade durch unsere Sprache etwas dar. Wir Menschen beachten das nur nicht. Aber denken Sie sich einmal, Sie könnten sich in irgendein Häuschen zurückziehen, in dem Sie einen Apparat hätten, durch den Sie alles, was von den Menschen auf der Erde an einem Tage gesprochen wird, wahrnehmen könnten; und damit Sie das besser könnten, nehmen wir an, es würde das Häuschen so eingerichtet sein, daß Sie nicht gestört werden durch Wahrnehmungen von etwas anderem. Also irgendeinen Apparat hätten Sie da, der Ihnen nur alles das, was auf Er- den gesprochen würde, vermittelte. Sie würden also ganz nur in dem leben, was auf der Erde gesprochen wird.

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Vergleichen Sie das mit Ihrer Umwelt, die Sie haben als Mensch. Da haben Sie die Wesen des mineralischen, des pflanzlichen und des tierischen Reiches: das ist Ihre reale Welt. Wenn Sie so, wie ich gesagt habe, in Ihrem Häuschen sitzen würden, so würde alles das, was da gesprochen wird, Ihre Welt sein; das würde das Reich sein, das um Sie herum sich aus breitet.

Es gehört eigentlich gar nicht so viel dazu, sich durch okkulte Entwickelung in diesem Reiche darinnen zu fühlen, das dann allerdings kein Häuschen, sondern ein geistiger Entwickelungszustand ist. Man fühlt sich dann so darinnen, daß man weiß: man ist jetzt in einer Region, wo - ich möchte sagen, mit Ausschluß desjenigen, was die Menschen auf dem physischen Plane in ihre Worte durch ihre oft recht vertrackten Begriffe hineinlegen, mit Ausschluß also der Begriffswelt - die Engel zuhören, wie die Menschen sprechen. Also man ist in einer Welt, wo man weiß: Jetzt hören die Engel zu bei allem, was die Menschen sprechen.

Das ist durchaus ein reales Erlebnis; es wird nur nicht gehörig beachtet von denjenigen, die eine okkulte Entwickelung durchmachen, weil sehr bald also zuerst der Zustand eintritt, daß man wie betäubt ist von dem, was da durcheinander geschnattert wird. Das verursacht, ich möchte sagen, eine Art von Lähmung; dadurch wird es zu wenig beobachtet. Es kommt aber darauf an, daß man sich entsprechend innerlich wieder verstärkt, und dann kommt man zur Wahrnehmung von etwas ganz anderem. Man überhört all das Geschnatter und nimmt etwas ganz anderes wahr. Man ist dann in der Region, in welcher das Sprechen so gesetzmäßig lebt, wie, sagen wir, die Mineralien gesetzmäßig leben in ihren Naturgesetzen hier auf dem physischen Plan. Man nimmt dann nicht mehr das nutzlose Gerede wahr, sondern man nimmt die Gesetze wahr, nach denen gesprochen wird.

Nun hat man allerdings gewisse Schwierigkeiten zu überwinden, denn diese Wahrnehmungen reißen alle Augenblicke ab, weil man - und jetzt komme ich zu dem anderen - eben das Gedächtnis der Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi haben müßte, wenn man die Gesetzmäßigkeit, die da herrscht in der Welt, von der ich eben

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gesprochen habe, wahrnehmen wollte. Würde man nämlich hinuntersteigen in die Welt, über der wir stehen, und die wir kennen als die mineralische Welt, wo wir nur die Gesetzmäßigkeit haben, würden wir da hineinsteigen, so würden wir in der mineralischen Welt zunächst gerade so betäubt sein, wie wir betäubt sind, wenn wir all das Durcheinandersprechen der Erdenmenschheit hören. Aber wir sind schon durch unsere menschliche Entwickelung über diesen Betäubungszustand hinaus; wir nehmen nur die Gesetzmäßigkeit der mineralischen Welt wahr. So würden wir auch die Gesetzmäßigkeit des Sprechens wahrnehmen, aber es gehört das Gedächtnis der Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi dazu. Und da kann man nun in einer wirklich sehr anschaulichen Weise erleben, wie das Verhältnis, ich möchte sagen, einer Weltschicht zu einer anderen Weltschicht ist.

Das ist ja eigentlich das Wesentliche beim Wahrnehmen höherer Welten, daß, wenn man aus einer Weltschicht in eine andere Weltschicht kommt, man in ganz andere Verhältnisse sich versetzt fühlt, in ganz andere innerliche Gesetze. Das ist das Wesentliche, daß man, wenn man von einer Welt in eine andere übergeht, sich sagt: es ist nicht nur so, daß man in verschiedene Regionen einer und derselben Welt kommt, sondern man kommt in eine andere Welt hinein auf diese Weise, daß man sich versetzt in die Region, wo die Engel beobachten die Gesetzmäßigkeit der menschlichen Sprache auf der Erde. Man kommt in eine Region hinein, wo ganz andere Zeitbegriffe, möchte ich sagen, herrschen, als in unserer physischen Welt, in eine Region, in der deshalb auch ein längerer Gedächtnisfaden notwendig ist.

Und da kommt man nun darauf, ich möchte sagen, von der anderen Seite des Lebens her etwas zu entdecken, was von der physischen Seite her im Laufe des 19. Jahrhunderts einigen Leuten, zum Beispiel Jakob Grimm klar geworden ist: nämlich gewisse Gesetzmäßigkeiten in der Fortentwickelung der menschlichen Sprache. Zu außerordentlich interessanten Einblicken in den inneren gesetzmäßigen Gang des Weltenalls kommt man auf diese Weise.

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Sehen Sie, wenn man als Mensch spricht, so achtet man ja nicht - und das liegt wiederum in dem unbewußten Charakter des Sprechens - auf die innere Kraft eines Buchstabens, eines Lautes, sondern diese innere Kraft, das Spiel der inneren Kräfte des Buchstabens, des Lautes, spielt sich im Unterbewußten ab, und man ist als Mensch mit seinem Bewußtsein außerhalb dieser Region, in der das, was für uns unterbewußt ist im Sprechen, bewußt ist. Für die Region der Angeloi ist das aber bewußt. Nehmen wir einmal an, zum Beispiel, wir sprechen irgendein Wort aus, in dem der Laut s, oder auch das englische th, was lautlich gleichwertig ist mit unserem s, eine wichtige Rolle spielt. Nicht wahr, wir mit unserem menschlichen Bewußtsein denken, wenn wir ein solches Wort aussprechen, in dem das s oder ein th eine wichtige Rolle spielt, nicht an die kosmischen Kräfte, welche in dem s oder th liegen, sondern wir denken an den Begriff, der sich in diesem Zusammenhang, in dem der Laut drinnen ist, ausspricht, weil wir mit unserem Bewußtsein nicht in der Re- gion sind, wo der Laut s eine innere Wesenheit entwickelt. Für uns liegt der Laut außerhalb unseres Bewußtseins, ist kein unmittelbares Erleben; für das Bewußtsein der Angeloi ist der Laut aber unmittelbares Erleben. Der Engel erlebt in der Kraft des Lautes etwas ganz Besonderes.

Nun, wir mit unserem physischen Bewußtsein haben ein solches Wort vor uns, welches, ich will sagen, als einen wichtigen Bestandteil diesen Laut s, 55 oder th hat; das Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, indem es diesen Laut von einem Menschen ausgesprochen empfindet, erinnert sich mit seinem weitergehenden Gedächtnis an frühere Zustände des menschlichen Sprechens, an weit zurückliegende Zeiten, und es muß zusammenbringen diesen Laut, der in diesem Worte ist, mit dem Laute, aus dem er geworden ist. Und da erinnert sich bei einem s oder th ein solches Bewußtsein dieses Wesens aus der Hierarchie der Angeloi sofort an ein t; das heißt: es hat einmal eine Zeit gegeben, wo das th oder das s ein t war; und es hat eine noch frühere Zeit gegeben, in der das t ein d war.

Stellen Sie sich nun ein solches Gedächtnis einmal vor. Also ich sagte: ein Engel hört ein Wort, in dem ein s oder ein th ist; jetzt erinnert

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er sich sofort an die Form des Wortes, die einmal da war, bei der also an der Stelle, wo jetzt das s oder th steht, ein t gestanden hat; und ferner erinnert er sich, daß in noch früheren Zeiten an derselben Stelle ein d gestanden hat.

Dies kommt aus einer ganz bestimmten Tatsache heraus, aus der Tatsache, daß solche Umformungen, solche Transformationen der Laute nach einem ganz bestimmten Gesetze vor sich gehen, daß der Laut fortschreitet, und zwar so fortschreitet, daß er seine Kraft zu- erst vorzugsweise heraus entwickelt aus dem Astralischen.

Nun hat er die folgende Tendenz: wenn er eine Zeitlang so gelebt hat in dem Worte, daß er sich aus dem Astralischen heraus entwikkelt hat, das heißt, wenn der Mensch hauptsächlich sein Astralisches angestrengt hat oder anstrengt, um einen Laut hervorzubringen, so gibt es in der späteren Zeit Menschen, welche nicht mehr das Astralische, sondern vorzugsweise das Ätherische anstrengen an derselben Stelle, so daß der Laut gleichsam im Ätherischen zunächst veranlagt wird. Und wenn nun wiederum eine Zeit vergangen ist, wo der Mensch darinnen gelebt hat, im Ätherischen den Laut anzulegen, so kommt er dazu, ihn mehr in das Physische hinunter zu versetzen, ihn im Physischen anzulegen.

Dieses ist sehr regelmäßig: Wenn zum Beispiel hingeschaut wird auf irgendein Wort, das in einer Zeit so gesprochen wird, daß ein Laut, ein hauptsächlicher Laut in dem Worte im Ätherischen veranlagt wird, dann kann man in späterer Zeit finden - ganz abgesehen von der Bedeutung, denn das Wort kann selbst seine Bedeutung ändern -, daß in demselben Wort später der Laut im Physischen veranlagt wird, und noch später wiederum im Astralischen; noch später würde er wieder veranlagt werden im Ätherischen.

Die Laute haben eine Tendenz fortzuschreiten im Laufe der Entwickelung. Und so wie wir beobachten das Fortschreiten der Pflanzenwelt von dem grünenden Blatt im Frühling bis zu dem Herauf- kommen der Blüte, zu dem Entwickeln der Früchte, und wiederum zu dem Verfall, so beobachtet das Wesen aus der Hierarchie der Angeloi das Fortschreiten der Laute in dem Reiche, das ich Ihnen ja charakterisiert habe als das Reich der Sprache. Sie sind, ich möchte

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sagen, verschieden hineinpostiert in die Sprache, in das Sprachreich. Vor irgendeinem Laut, der einmal im Astralischen darinnen postiert ist, findet das Wesen aus der Hierarchie der Angeloi nach einiger Zeit, daß dieser Laut durchaus im Ätherischen erscheint, und nach einiger Zeit wieder im Physischen. Wenn es einen Laut zu irgendeiner Zeit im Physischen beobachtet: nach einiger Zeit ist er im Astralischen darinnen. So daß wirklich eine rhythmische Bewegung in der Lautentwickelung zu beobachten ist, wenn man das Reich der Sprache ins Auge faßt; eine rhythmische Bewegung geht so herum (siehe Zeichnung). Dies ist das Tieferliegende für das Gesetz der Lautverschiebung, das wohl einige von Ihnen kennen werden, das Jakob Grimm im 19. Jahrhundert in seiner Art, von einem mehr materialistischen Standpunkte aus, charakterisiert hat.

#Bild S. 122

Wenn wir gerade dieses Beispiel nehmen - die Umbildung des d in das t, dann in das s, das denselben Wert hat wie das th -, wenn wir dieses Beispiel nehmen, so sehen wir, daß das d dadurch hervorgerufen wird, daß sich der ganze Mensch mit all seinen vier Gliedern gewissermaßen einen Schwerpunkt schafft im Astralischen: dadurch bringt er das d hervor. Das t bringt er hervor dadurch, daß er sich einen Schwerpunkt schafft im Ätherischen. Das s oder th bringt er hervor, indem er sich einen Schwerpunkt verschafft im Physischen.

Sie sehen, was an Interessantem zugrunde liegt einem solchen Fortschreiten, einer solchen Wandelung eines Wortes durch die Zeiten

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hindurch. Ich möchte dies einmal an einem naheliegenden Beispiel zeigen. Nehmen wir zum Beispiel das Wort: ### dius, Tier. Das ist dasselbe Wort, nur zu verschiedenen Zeiten. Hier (griechisch) haben wir das Wort mit einem th (###); das würde dasselbe sein (###) wie unser s, dasselbe wie das englische th. Die Weiterentwickelung fände so statt, daß es die Tendenz hat, hier herüber zu gehen (gotisch): es würde aus dem th ein d werden; und wenn es sich weiter entwickelt, würde aus dem d ein t werden: es geht in das Ätherische hinein. Nun haben wir hier in der Tat ### (griechisch); hier haben wir «dius» (gotisch) und hier haben wir «Tier» (deutsch). so ist das Wort im Griechischen (###),so ist das Wort im Gotischen (dius), so ist das Wort im Deutschen (Tier). Das ist dasselbe Wort, ganz dasselbe

#Bild S. 123

Wort. Im Griechischen lag es seinem Schwerpunkte nach im Physischen. Es hatte die Tendenz, herüber zu gehen ins Astralische in der nächsten Sprache, im Gotischen; es hatte die Tendenz herüber zu gehen ins Ätherische, wurde zum Worte «Tier» im Deutschen.

Nehmen Sie ein anderes Wort, ein anderes Beispiel. Nehmen wir - das Griechische ist hier gleichbedeutend mit dem Lateinischen -, nehmen wir zum Beispiel das Wort «decem». Wir haben hier im Lateinischen das Wort im Astralischen. Würde das Wort bis zum

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Gotischen die Tendenz haben, hier zum Ätherischen herüber zu gehen, so müßte das d in ein t sich verwandeln; und «taihun» heißt es auch im Gotischen. Indem es sich aus dem Gotischen ins Deutsche entwickelt, vom Ätherischen ins Physische, würde sich verwandeln das t in z, es würde also lauten im Deutschen «zehn».

#Bild S. 124

Ein anderes Wort, das übrigens sehr interessant ist: nehmen Sie das griechische Wort «~?iva~og». Das würde, da es hier das th hat, also das Physische vor allem anschlagen. Es würde die Tendenz ha- ben, ins Astralische herüberzugehen und müßte dann im Gotischen die Tende`nz haben, weil es astralisch ist, ein d zu haben. Es heißt auch «dauthus». Und nun müßte es, indem es sich ins Deutsche hineinentwickelt, nach dem Ätherischen gehen, und ein t haben. Das hat es auch! Es heißt nämlich «Tod».

Bild S. 124

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Gehen wir nun aus von einem Worte, das hier oben im Ätherischen ist und das im Griechischen ein ~ hat: « » (treis). Das müßte im Gotischen ein th oder ein s haben. Und das hat es auch, denn es heißt «threis». Hier ist es beim Physischen, nun geht es in das Astralische, und da müßte es ein d haben im Deutschen. Das hat es auch, es heißt: «drei».

#Bild S. 125

Daraus ersehen Sie, daß, wenn Sie absehen von allem, was in der Sprache lebt> von all den Bedeutungen, die in der Sprache leben, daß es in der Sprache noch etwas Besonderes gibt: einen Dreiklang, der aber hervortritt, ich möchte sagen, ganz nach Art einer in die Zeit hinausgedehnten Melodie, einen Dreiklang, den man finden kann.

Wenn man irgendwo den Anfangspunkt hat, dann tönen mit die anderen Laute, die an derselben Stelle des Wortes standen zu einer anderen Zeit.

Nun habe ich Ihnen hier die allereinfachste Verwandlung gewählt. Aber das ist vollkommen ausreichend, denn sonst würde die Sache nur etwas zu kompliziert werden. Solche Verwandlungsgesetze liegen aller Sprachentwickelung zugrunde; bis in die letzten Einzelheiten hinein geregelt, liegen sie aller Sprachentwickelung zu- grunde; nur daß in der wirklichen Entwickelung sich die verschiedensten Entwickelungsimpulse durchkreuzen. So ist es interessant zu beobachten, wie der Fortschritt in der Entwickelung der Sprache sich kombiniert, dadurch daß gewisse Sprachen schneller fortschreiten

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oder überhaupt einen Fortschritt machen, und gewisse Sprachen ihn nicht mitmachen, diesen Fortschritt.

So nehmen Sie zum Beispiel im Griechischen das Wort «~a`va~o?» (thanatos), «Tod». Der regelmäßige Fortgang ist vom th zum d, zum t. Beim d steht das Gotische: «dauthus». Das englische «death» ist beim d, beim Gotischen stehen geblieben, hat den weiteren Fortschritt nicht mitgemacht. Im Deutschen aber findet man das Wort mit T: «Tod». Und so ist es überhaupt; wir finden überall, wenn wir darauf achten, daß das Englische in bezug auf die Entwickelung gewisser Buchstaben die Art des Gotischen beibehalten, nur die innere Lebendigkeit, die innere Seele des Gotischen abgeworfen hat. Dieses Gesetz hat es so beachtet, daß es überall auf der Stufe des Gotischen zurückgeblieben ist. Wir müssen also, wenn wir unser «Tod» schreiben, die rückwärtige Stufe des Gotischen im Englischen finden; wir müssen eine Stufe zurückgehen. Wir haben im Deutschen hier bei «Tod» ein T im Ätherischen. Wir müssen für das Englische in das Astralische zurückgehen, und da müssen wir ein d haben. Im Eng- lischen haben wir bei dem Substantiv «death» ein th am Ende. Da mussen wir zurückgehen bis zum Physischen. Würden wir das Adjektiv nehmen «dead», so hätten wir ein d am Ende. Führen wir das d weiter, wie es richtig ist, im Deutschen, so würden wir es dadurch richtig schreiben, daß wir es um eine Stufe weiter herum- führen würden (siehe Zeichnung Seite 124): dann würden wir also hier an dieser Stelle am Ende ein t haben, statt einem d. Das wird auch richtig so geschrieben, das Eigenschaftswort heißt im Deutschen «tot».

Da sehen Sie hinein in ein Reich, das ebenso ein um uns ausgebreitetes Reich ist, wie die drei Naturreiche: das mineralische, das pflanzliche und das tierische; das ebenso Gesetze hat, ebenso Entwickelungsgesetze hat, wie das mineralische, das Pflanzen- und das Tierreich; nur daß eben die Zeiträume, in denen sich der Rhythmus vollzieht - der genau durch ein Dreieck ausgedrückt ist -, nur daß diese Zeiträume lang sind, und daß, um immer anklingen zu hören beim Laut die Stufe, die er vorher hatte, das Gedächtnis eines Wesens aus der Hierarchie der Angeloi dazu gehört.

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Nun hängt aber damit noch etwas anderes zusammen. Wenn Sie dieses Gesetz ins Auge fassen, so werden Sie sich sagen müssen: Wenn wir den Blick zurückwenden auf die alten griechischen und lateinischen Sprachformen und sie betrachten gegenüber den heutigen deutschen, insofern die Worte annähernd ihre Bedeutung beibehalten haben, so sehen wir überall, daß die griechische und die lateinische Sprachform gegenüber der heutigen deutschen um zwei Stufen zurückliegt, und daß die gotische Sprachform um eine Stufe zurückliegt.

Darauf beruht sehr vieles in der Entwickelung der Welt, daß das- jenige, was sich der Zeit nach entwickelt, sich auch so entwickelt, daß es nebeneinander im Raume stehen bleibt, während es in den verschiedenen Etappen der Zeit sich entwickelt. Gerade so, wie auch in den Naturreichen stehen bleiben die niederen Tiere neben denen, die sich zu einer höheren Stufe hinaufentwickelt haben, so bleiben die älteren Sprachformen neben den neueren bestehen, oder, man kann auch sagen, wie eine Zeitlang eine wilde Bevölkerung neben der weiter entwickelten Bevölkerung bestehen bleibt. Also das, was sich auseinander entwickelt, das bleibt außerdem so, daß die ältere Form neben der, die sich weiter entwickelt, im Raume stehen bleibt. Dann kombiniert sich aber ein solches Stehenbleiben mit vielen anderen Impulsen, die da hineinwirken.

Der Impuls, der durch dieses Dreieck veranschaulicht wird, der gilt namentlich für die Entwickelung der Laute d, t, th (s, ss). Ein ähnliches Dreieck gilt übrigens auch für die Laute b, p, f und g, k, ch. Dagegen gilt ein Dreieck, das man viel größer zeichnen müßte, zum Beispiel für l und r. Und für die Vokale, wenn man den Verlauf ihrer Entwickelung verfolgen will, gelten ganz andere Figuren. Aber Gesetze gelten für alle.

Nehmen wir also an, das Zeitlich-Verlaufende bleibt räumlich ne- beneinander bestehen; dann bleibt das nicht so bestehen, daß in dem Neueren einfach das Alte fortlebt, denn da würden wir ja noch im- mer die alten griechisch-lateinischen Worte neben den neueren ha- ben, die sich aus ihnen entwickelten. Zum Beispiel das Deutsche ist in gerade fortlaufender Linie aus dem Griechischen, dem größten

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Teile seines Sprachschatzes nach, geradezu so entstanden. Sind die lateinischen Sprachen nun einfach stehen geblieben? Sie sind zwar stehen geblieben, aber nicht einfach nur stehen geblieben, sondern sie haben neben dem Stehenbleiben sehr weitgehende, bedeutungsvolle Wandlungen in sich vollzogen: sie haben die Worte umgelagert, sie haben die Worte nicht gelassen, wie sie waren. Während zum Beispiel für das Wort «~a`va~o~», «Tod» einfach das fortentwickelte Wort ist, ist dieses Wort nicht so, wie es im Griechischen war, im Lateinischen stehen geblieben, sondern da ist ein anderes Wort eingetreten, weil die Urbedeutung> die in dem Worte «Tod» geblieben ist, überhaupt nicht in den lateinischen Sprachen fortentwickelt worden ist; so daß das Wort, das man dann in der anderen Sprache hat, gar nicht dasselbe Wort ist. «Mort» ist nIcht dasselbe Wort wie «Tod», sondern es ist eine ganz schlechte Übertragung. Aber für das, was in dem Worte «Tod» eigentlich liegt, was sich entwickelt hat aus «~a`va~o? », haben die romanischen Sprachen gar kein entsprechendes Wort. Es wird mit dem Worte «Tod» etwas ausgedrückt, worin wirklich das entsprechende Ätherische nach- klingt. Bei demselben Worte etwa in den romanischen Sprachen klingt dagegen etwas ganz anderes nach, als ein Ätherisches. Das ist etwas sehr Wesentliches, zu wissen, daß da auch sehr bedeutungsvolle Wandlungen vor sich gegangen sind. Sie sehen daraus also das Fragliche, das in allen lexikographischen, grammatikalischen Übersetzungen liegt, und das Fragliche, das in dem sogenannten genauen Verstehen bei der Übersetzung von einer Sprache in die andere hinüber vorhanden ist.

Die Dinge, die hier als Entwickelungsgesetze zugrunde liegen, sind außerordentlich tiefgehende und hängen zusammen mit einer anderen Bewußtseinsschicht, als diejenige ist, in der wir mit unserem Denken, Fühlen und Wollen in der Regel leben. Aber wir leben wiederum mit unserem Denken, Fühlen und Wollen verschieden stark in einer anderen Bewußtseinsschicht. Mit unserem Denken leben wir zum Beispiel in der Sprachschicht fast gar nicht. Unser Denken hat außerordentlich wenig zu tun mit unserem Sprechen. So sonderbar es auch klingt, es ist doch zumeist so, daß wenn wir

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Gedanken haben und bei irgendeinem Gedanken ein Wort aussprechen, dies fast nicht viel mehr damit zu tun hat als das Buchstabenbild, das wir aufs Papier schreiben, das ja auch nicht der Gedanke selber, sondern nur ein Zeichen dafür ist. So ist auch das ausgesprochene Wort nicht viel mehr zusammenhängend mit unserem Denken, als wie ein Zeichen für den Gedanken.

Viel mehr als mit unserem Denken hängt das Wort mit unserem Fühlen schon zusammen, und noch sehr viel stärker mit all dem> was in unserem Wollen liegt, weil ja das Fühlen zu einem weit unterbewußteren Teile unserer Seele gehört als das Denken, und wie derum das Wollen zu noch unterbewußteren Teilen unseres SeelenIehens gehört als das Fühlen. Wenn der Mensch ein Wort aus- spricht, so steht es zum Gedanken, man möchte sagen, so, daß es nicht viel mehr ist als ein Zeichen. Zum Fühlen steht es schon in einem viel intimeren Verhältnisse, es hängt schon viel mehr mit dem Fühlen zusammen; und ganz besonders hängt es mit dem Wollen zusammen.

Würden die Menschen heute so weit sein, daß sie hauptsächlich das Verhältnis des Denkens zum Sprechen entwickelten, dann würden sie als Angehörige verschiedener Sprachen nicht in jene Kollisio nen kommen können, in die sie heute kommen; weil das Verhältnis der Sprache zum Denken eben nicht den intimen Charakter hat wie beim Fühlen und Wollen, weil das Fühlen und Wollen das erst in der Zukunft in derselben Weise entwickeln wird beim Menschen, was das Denken heute schon entwickelt hat. Wo das Fühlen und das Wollen in Betracht kommt, da kommt auch dieses Verwachsensein mit dem Sprechen in ganz ausgiebigem Maße in Betracht.

Wir sind heute daran, das Denken durch die Entwickelung der Bewußtseinsseele bis zu einer gewissen Stufe hin wie etwas für uns objektiv Lebendes zu entwickeln. Und am Ende unseres Zeitraumes wird man dann so weit sein, daß man das Verhältnis des Sprechens zum Denken gar nicht mehr als etwas besonders Intimes empfinden wird. Aber viel länger wird es dauern, bis das Verhältnis des Sprechens zum Fühlen und namentlich zum Wollen als etwas Objektives empfunden werden kann. Viel länger werden sich die Menschen einreden,

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daß sie sich zu identifizieren haben in ihrer Menschlichkeit mit ihrer Sprache, mit ihrem Sprachcharakter durch ihr Fühlen und Wollen als durch ihr Denken.

Wenn wir wirklich uns so vor Augen führen, wie ein Wort ein ei- genes innerliches Leben hat, ein so durch Gesetze geregelt es Leben hat, wie das Wort «~dva~o~», das zu «death» und später zu «Tod» wird, wenn man sich vorstellt, daß das so fortlebt, dann hat man wirklich die Möglichkeit, sich eine Vorstellung zu bilden, wie da ein Organismus lebt aus dem Griechischen durch das Gotische herauf bis ins Deutsche hinein, ein Organismus so lebt, wie wir sonst einen Organismus lebend finden von seiner Kindheitsstufe durch eine spätere Jünglingsstufe bis zu der Altersstufe. Wenn nämlich ein solcher Organismus in der Sprache die Dreiheit durchgemacht hat und wieder zurückkommt, dann geht es nicht in derselben Weise weiter, sondern dann vergeistigt sich das Ganze. Wohlgemerkt, wenn d in t, t in th (s, ss) übergeht, so kommt es nicht wieder auf seine ursprüngliche Stufe zurück, sondern es macht jet~ einen seitlichen Aufschwung. Also das Dreieck müssen Sie sich nicht in der Ebene vorstellen (Zeichnung). Indem es so herüberkommt, geht das d, t, th so herüber weiter und schreitet jetzt in der Spirale vorwärts, kommt

#Bild S. 130

also immer in andere Lagen hinein. So daß Sie

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sich nicht vorstellen dürfen, daß ein Wort, das fortgeschritten ist zum th, wiederum zum d zurückkehrt, sondern dann stirbt das Wort und gibt seine Umbildungskräfte an ein anderes Reich ab. Das Wort wird im Physischen, im Ätherischen oder im Astralischen geboren, macht seinen Umkreis, stirbt und tritt dann auf einer höhereii Stufe als andere Kraft, verwandelt, wieder auf. So daß ein Wort, das wir verfolgen können von dem Griechischen, von «~a`va~o?» zu «death», bis zu dem deutschen «Tod», jetzt die Anlage hat, als Wort zu sterben. Das Wort «Tod» wird sterben. Es wird am Ende des Zeitraumes, den wir als unsern fünften nachatlantischen Kulturzeitraum bezeichnen, nicht mehr da sein, wird gestorben sein. Aber die Kraft, die es gebildet hat> die wird übergehen auf einer höheren Stufe in die menschliche Seelenkraft und dazu beitragen, daß die Menschen es leichter haben, zu verstehen das Wesen des Todes im Sinne unserer Geisteswissenschaft. Damit also die Kraft in unserer Seele entstehen kann, um das Verstehen des Wesens des Todes im Sinne unserer Geisteswissenschaft möglich zu machen, mußte das Wort einmal im Griechischen geboren werden, mußte dann die EntwIckelung zum Jüngling durchmachen im Gotischen, im englischen «death», muß die Entwickelung im Deutschen durchmachen zum späteren Alter: «Tod», und wird an den Punkt kommen, wo es sterben wird. Es wird sterben, und seine Kraft abgeben an geistigere Potenzen der Seele.

Und so wie wir also unseren Blick hinrichten auf die Entstehung eines Lammes, oder sagen wir, einer Kuh, eines Ochsen oder Stieres, und sehen, wie sie sich nach und nach entwickeln, einen Höhepunkt erreichen und wieder sterben, so schaut der Engel hin auf die Entstehung eines Wortes, auf das Leben eines Wortes, auf das Sterben eines Wortes. Das gehört zu seiner Welt, zu seiner Beobachtung, wie zu unserer Welt gehört die Beobachtung, sagen wir, des Pflanzenreiches oder des mineralischen oder des tierischen Reiches.

Das sind Gesichtspunkte, durch die ich Sie aufmerksam machen wollte auf ein Leben, das für uns ja ein unbewußtes Leben ist, nur anschlägt an unser Bewußtsein, das aber auf seinen höheren Stufen sofort ein wirkliches Leben von sich entwickelt, da sofort ein Wesen

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wird. Ein Fenster oder ein Tor eröffnet sich uns gleichsam, um hineinzuschauen, wie sich Wesen entwickeln, elementarische Wesen, die sich dann abspiegeln in unserer Welt in der Gestalt unserer Worte. Der Engel richtet sein geistiges Auge hin nach dem alten Griechenland> sieht da ein Elementarwesen geboren werden aus dem Physischen heraus, sieht es sich ätherisieren, astralisieren und wird es sterben sehen, indem unsere fünfte nachatlantische Entwickelungsperiode dahingeht. Er sieht dies Wesen in seiner Entwickelung, und die Tatsache, daß dieses Wesen sich entwickelt, hat eine Wirkung in der physischen Welt. Und diese Wirkung besteht darinnen, daß die alten Griechen gesagt haben «~iva`;o~», die Goten sagten «dauthus», die Engländer sagen «death», und wir im Deutschen sagen «Tod». Die Verwandlung dieses Wortes ist der Abdruck eines sich entwickelnden Wesens, das fortschreitet in seiner Entwickelung in der physischen Welt, ätherischen Welt, astralischen Welt. Das, was wir in der Sprache wahrnehmen, ist die Spiegelung des Lebens höherer Wesen aus einer höheren Welt, die Spiegelung ihrer inneren Entwickelung in der Welt, in welcher wir uns befinden in der Zeit zwischen Geburt und Tod.

Davon werden wir morgen bei unseren Ausführungen den Ausgang nehmen.

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SIEBENTER VORTRAG Dornach, 18. Juli 1915

Es obliegt uns heute, uns klarzumachen, wie von einer gewissen Seite her luziferische und ahrimanische Wesenheit beschaffen ist. Wir müssen, wenn wir zu einer wenigstens in gewissem Sinne begrenzten Vorstellung derjenigen luziferisch-ahrimanischen Wesenheit kommen wollen, mit der es der Erdenmensch zunächst zu tun hat, zurückblicken nach der Mondenentwickelung unserer Erde, und diese Mondenentwickelung im Zusammenhang mit der eigentlichen Erdenentwickelung einmal ins Auge fassen.

Nicht wahr, das wissen wir, daß die eigentliche Erdenentwicke lung zustande gekommen ist dadurch, daß, wie auf eine Grundlage, auf all das, was vorangegangen ist und was gewissermaßen als Erbschaft der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung kommen konnte, eingewirkt hat die Wesenheit der Geister der Form. Und wir finden ja auch, daß diese Geister der Form eine solche Erdenbildung hervorgebracht haben, daß in dem ganzen Zusammenhang dieser Erdenbildung der Mensch sein Ich bekommen konnte, daß also zu den drei Gliedern der Menschheitsnatur, die wie eine Erbschaft sich ergaben aus der Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, das Ich als diese Glieder durchdringend dazukommen konnte. Wir können sagen: Wie eine Einwirkung - dieses konkret genommen -, wie ein Hineinwirken ihrer eigenen Wesenheit haben die Geister der Form den Menschen das Ich gegeben. Insofern wir also zu diesen Geistern der Form hinaufblicken und sie als Bringer des Ich ins Auge fassen, müssen wir zugleich uns sagen, daß, gewissermaßen wie die dienenden Organe dieser Geister der Form, all das da war, was wir nun zu zählen haben als die Wesenheiten der über den Menschen stehenden nächsthöheren Hierarchie: der Geister der Persönlichkeit, der Geister, die zu der Hierarchie der Archangeloi und der Geister, die zu der Hierarchie der Angeloi gehören.

Wenn wir von all dem, was darübersteht, zunächst absehen, so haben wir also als Schöpfer und Regenten des Erdendaseins anzusehen

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die Geister der Form und ihre Diener gleichsam: die Geister der Persönlichkeit, die Erzengelgeister und die Engelgeister. Dadurch konnte ein Erdendasein geschaffen und regiert werden, welches aus seinem Ganzen heraus wie die Blüte oder - man könnte sogar sagen -, wie die höchste Frucht dieses Erdendaseins den Menschen ergab mit seiner Ich-Natur.

Wenn wir heute das Erdendasein betrachten, so bekommen wir es nicht eigentlich in reiner Wesenheit so heraus, wie es sich hätte ergeben können, wenn die Geister der Form nur mit dieser ihrer angedeuteten Dienerschaft dieses Erdendasein eben geschaffen hätten und regieren würden. Denn in all das, was ich jetzt charakterisiert habe, wirken ja herein die luziferischen und die ahrimanischen geistigen Wesenheiten. So daß wir ein Erdendasein haben, welches gewissermaßen in seiner fortgehenden Hauptentwickelung uns das zeigt, was hervorgebracht und regiert werden kann durch die regulär entwickelten Geister der Form und ihre Diener; und dann in dieses hineingewirkt, hineinverwoben alles dasjenige, was abhängt von den luziferischen und ahrimanischen Einflüssen.

Machen wir uns zunächst dieses klar, so werden wir uns sagen können: Alles Erdendasein, das menschliche Erdendasein und das Erdendasein der anderen Reiche, würde anders sein, wenn nur die Geister der Form und ihre Diener schaffen, wirken und regieren würden. Das, was wir vor uns haben, zeigt uns also schon gewissermaßen ein getrübtes, ein verfälschtes Bild des Erdendaseins, ein durch luziferisches und ahrimanisches Dasein gefärbtes Bild des Erdendaseins. Wir könnten uns bei verschiedenen konkreten Erdenerscheinungen fragen: Was wäre denn nun aus diesem Erdendasein geworden, wenn die angedeuteten Fälschungen, die luziferischen und ahrimanischen Fälschungen nicht eingetreten wären, wenn es, mit anderen Worten, so gegangen wäre, daß nur die Geister der Form mit ihren Dienern in dem entsprechenden Grade wirken würden?

Da zeigt sich dem, der diesen Dingen nachgeht, daß unter mannigfaltigen Erscheinungen, die beobachtet werden können und denen gegenüber die eben charakterisierte Frage aufgeworfen werden könnte, zum Beispiel auch diejenige ist, die sich unmittelbar an-schließt

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an das gestern Gesagte. Ich habe gestern gesprochen von dem, was mehr wie im Unterbewußten des Menschenlebens vor sich geht als Sprachentwickelung. Ich habe auf eine gewisse Gesetzmäßigkeit der Sprachentwickelung im Flusse des menschlichen Erdendaseins und seiner Entwickelung hingewiesen. Ich habe dann auch erwähnt, daß ja das Charakteristische dieser Sprachentwickelung darin besteht, daß sie gewissermaßen ergriffen wird von dem Menschlich-Persönlichen, und daß der Mensch auch heute noch nicht so weit gekommen ist, in den Sprach-Charakteren, in den Buchstaben, Lauten und ihrer Zusammensetzung reine Zeichen zu sehen für die Gedankenentwickelung. In der Gedankenentwickelung hat es der Mensch gewissermaßen zu etwas ganz anderem gebracht als in der Sprachentwickelung. Aber gerade damit hängt zusammen dasjenige, was uns klar werden kann, wenn wir die Frage aufwerfen: Wie wäre Sprachentwickelung und wie wäre Gedankenentwickelung im Erdendasein zur Entfaltung gekommen, wenn nicht luziferische und ahrimanische Einflüsse gewirkt hätten? - Mit anderen Worten: Wie würde der Mensch denken, und wie würde er sprechen und das Gesprochene hören, wenn nur die Geister der Form und ihre Diener die Erde schaffen und leiten würden?

Wenn dies der Fall wäre, wenn kein luziferischer und ahrimanischer Einfluß in der Erdenentwickelung sich zur Geltung gebracht hätte, so würde von vornherein in dieser Erdenentwickelung ein völliger Einklang gewesen sein zwischen dem Sprechen und dem Denken. Wir müssen diesen Einklang erst wiederum durch eine gewisse Objektivität suchen. Dadurch, daß wir nach und nach die Sprache zum Zeichen machen müssen, dadurch wird das luziferischahrimanische Element überwunden werden. Wäre es aber gar nicht gekommen, so wäre ein inniger Einklang zwischen Sprechen und Denken in der Menschheit zur Entfaltung gekommen; das heißt, es wäre so gekommen, daß der Mensch eine Wahrnehmung, eine lebendige Empfindung haben würde für das, was im Sprachlaut liegt, für das, was im D, T, Th und so weiter liegt, was er ja heute nicht hat. Es geht bei ihm das Sprechen neben dem Denken einher. Sie sehen das ja schon daraus, daß wenigstens im wesentlichen die Menschen

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über die Erde hin, wenn sie eine gewisse Gestalt des Denkens in bezug auf irgend etwas erlangt haben, in ihren Begriffen sich nicht unterscheiden, wohl aber sich in ihren Worten unterscheiden.

Dies Einseitige des Denkens, das ganz und gar nicht in dem Sprechen zum Ausdruck kommt, das müssen wir ins Auge fassen; denn es ist etwas, das vom Sprechen schon abgezweigt ist. Das hätte mit dem Sprechen in einem viel innigeren Zusammenhang erscheinen müssen, wenn keine ahrimanisch-luziferischen Wirkungen in das Erdendasein eingegriffen hätten. Die Menschen würden mit ihren Innersten Lebensempfindungen durchdringen das Sprachliche; sie würden sozusagen in dem Laut drinnenstehen, aber im Laut drinnen zu gleicher Zeit den Begriff, die Vorstellung erleben; beides nicht getrennt empfinden, sondern beides als eines empfinden. So haben es die Geister der Form für den Menschen veranlagt gehabt. Denn jenes seelische Element - wohlgemerkt, jenes seelische Element, das im Menschen auftritt, wenn er sich auf der einen Seite hingibt dem, was ihm seine Vorstellungen geben, auf der anderen Seite dem, was ihm das Sprechen gibt, also wenn er in dem Vorstellen aufgeht, und wenn er im Sprechen aufgeht -, dieses Seelenelement, das haben die Geister der Form ursprünglich den Erdenmenschen gar nicht zugedacht gehabt, sondern sie haben ihm zugedacht die Einheit des Sprechens und Denkens. Das Als-Eines-Erleben des Sprechens und Denkens haben sie ihm zugedacht gehabt. Wenn wir unser heutiges Auseinandergerissensein von Sprechen und Denken ins Auge fassen, so ist das eben durchaus auf die Einflüsse Luzifers und Ahrimans zurückzuführen.

Der Mensch empfindet heute nicht den besonderen Charakter des M, des G und so weiter, sondern das ist ihm etwas geworden, das er in ganz anderer Weise mit seiner Seele verbindet, als die Weise, die Art ist, wie er seine Seele mit dem Denken verbindet. Die Geister der Form und ihre dienenden Wesenheiten haben dem Menschen ein viel selbstverständlicheres natürliches Dasein zugedacht, als es der Mensch dann auf Erden hat erringen können. Die Geister der Form haben dem Menschen zugedacht ein liebevolles Drinnen- leben - aber jetzt nicht in einem Sprechen, aus dem der Saft des Denkens

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ausgepreßt ist, sondern in einem solchen Sprechen, das in sich das Denken selber, ich möchte sagen, auf seinen Flügeln trägt. Solches haben die Geister der Form den Menschen zugedacht gehabt. Und es hätten nach den Intentionen der Geister der Form die Menschen nicht sich unterscheiden sollen nach Sprach-Charakteren auf der Erde, sondern der Unterschied der Nationen war von den Geistern der Form so gedacht, daß er sich nur gründen sollte auf NaturUntergrundlagen, auf geographische und klimatische Verschiedenheit. Der Mensch sollte sich als Nation fühlen dadurch, daß er sich im Zusammenhang gefühlt hätte mit gewissen, wie selbstverständlich in den Natur.Untergrundlagen seines Daseins wirkenden Mächten.

Dagegen wäre es, wenn die Intentionen der Geister der Form allein ausgeführt worden wären, dem Menschen möglich geworden zu verstehen, wenn er als Angehöriger der einen Nation dem Angehörigen einer anderen Nation entgegengetreten wäre, fühlend zu verstehen von vornherein, was in dem Worte liegt. Verschiedene Sprachen würde es schon gegeben haben. Aber nicht wären die Menschen in bezug auf das Verständnis der Sprachen verschieden gewesen; sondern im Empfinden dessen, was in dem einzelnen Laut, in dem einzelnen Buchstaben liegt, hätte zwar der Mensch die andere Sprache gehört, aber er hätte nicht gehört das Ausgehülste des Lautes, des Wortes; in dem Wort, in dem Laut drinnen hätte er die Vorstellung gehört, auf den Flügeln des Wortes wäre ihm die Vorstellung gekommen. Man versteht jetzt die fremde Sprache aus dem Grunde nicht, weil in dem Worte ja die Vorstellungen gar nicht drinnen liegen, weil die Worte enthülst sind von den Vorstellungen.

So ist also ein Riß zwischen Sprechen und Vorstellen entstanden. Daher ist es gekommen, daß der Mensch bis jetzt diese Fähigkeit gar nicht entwickeln konnte während seiner Erdenentwickelung: dem anderen gegenüberzutreten so, daß er ein fühlendes Verstehen hat selbst einer noch so fremden Sprache. Die Sprachen, wie sie jetzt sind, dürfen Sie dabei nicht ins Auge fassen. Die Sprachen wären natürlich ganz anders geworden; sie sind eben jetzt so geworden, daß der Angehörige des einen Sprachgebietes die Angehörigen des anderen

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Sprachgebietes nicht verstehen kann, weil die Sprachen sich nicht so entwickelt haben, wie das Gedankenleben sich entwickelte. So, daß das Gedankenleben drinnen wäre in den Sprachen, so haben sich die Sprachen nicht entwickelt. Daher ist es auch nach der heutigen Entwickelung der Sprachen unmöglich, ein solches Verständnis zu haben, wie es ursprünglich gedacht war von den Geistern der Form, und wie es dirigiert werden sollte von ihren Dienern. Die Geister der Form haben schon vorgehabt, natürlich nicht über die ganze Erde hin nach einem Schnitt - etwa so wie kosmische Schneider -, alle Menschen zu formen, sondern die Menschen sollten verschieden sein; aber sie sollten so verschieden sein, daß sie doch mit vollem Verständnis über die ganze Erde hin einander gegenüber- gestanden wären.

Und zu Regierern dieser von den Geistern der Form gedachten Menschengruppen waren ausersehen die Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi, jene Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi, die während der Mondenentwickelung ihren MondenVollkommenheitsgrad erlangt haben. Und damit der einzelne, wenn er in einer solchen Menschheitsgruppe drinnen steht, auch eine Führung hätte, die zwischen ihm als Persönlichkeit und der ganzen Menschheitsgruppe vermittelte, waren ihm als Führung zugedacht, zur Führung für ihn ausersehen die regelmäßig mit der Mondenentwickelung entwickelten Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi.

Man könnte also sagen: Wenn es nach der Absicht der Geister der Form gegangen wäre, so würde man über die Erde hingeschritten sein und die Menschen verschieden gefunden haben über die Erde hin, aber so im Zusammenhang mit der ganzen Konfiguration, mit der Umgebung der Erde, wie etwa die Vegetation, die Pflanzenwelt es ist. Man hätte sie zusammengewachsen gefunden mit dem Natur- dasein. Aber es wäre nicht in das Seelische hineingezogen dasjenige, was die Menschen nach Sprachen spaltet. Allerdings, etwas anderes wäre auch nicht gekommen: das wäre nicht gekommen, daß über das ganze Erdenrund hin gesucht wird eine einzige Wissenschaft, eine einzige Form der Erkenntnis. Es ist heute ein tiefer Glaube, aber

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ein rein luziferischer Glaube, daß es ein einziges Wissen geben kann, welches man in eine Anzahl von Dogmen faßt, und welches dann für die ganze Erdenmenschheit gelten muß. Das ist nur dadurch entstanden, daß sich das Wissen, das begriffliche Vorstellen losgetrennt hat von dem Sprechen und dadurch vereinheitet worden ist.

Wäre die Sache so gekommen, wie es in der Absicht der Geister der Form gelegen hat, dann würden die Menschen nach Menschengruppen sich über die Dinge der Welt verschieden ausgedrückt haben; aber man hätte es fühlend verstanden, man hätte auch den an- deren gelten lassen, der sich anders ausdrückt über die Dinge, als man sich selber ausdrückt; man hätte gerade in der Mannigfaltigkeit das richtige Leben der Erde gefunden.

Das alles sind Dinge, die in den Intentionen der Geister der Form lagen, die aber in bezug auf ihr Verständnis aus der Menschheit völlig herausgeschwunden sind. Denn es hat sich festgelegt in einer ganz eklatanten Weise der Glaube, daß das sogenannte Vorstellen, das Leben in Begriffen anational sein müsse im Gegensatz zum Sprechen> das national sein müsse. Der Mittelzustand ist von den Geistern der Form gerade intendiert gewesen: nicht das Getrenntsein nach Sprachen und das Verbundensein über die ganze Erde hin nach einem leichtesten, schlampigen Begriffe; sondern die Mannigfaltigkeit der Sprache mit der Mannigfaltigkeit der Vorstellungen, das ist dasjenige, was von den Geistern der Form intendiert war.

Das ist auch dasjenige, was für uns auf unserem geisteswissenschaftlichen Gebiet in gewisser Beziehung wiederum ein Ideal abgeben muß, ein richtiges Ideal abgeben muß. Aber es nistet tief in der Menschennatur heute, dieses Ideal nicht anerkennen zu wollen. Ich kann Ihnen ein Beispiel dafür sagen, wie tief es in der menschlichen Natur nistet, dieses Ideal nicht anerkennen zu wollen.

Wir waren ja, wie Sie vielleicht noch wissen, obwohl es für ein gegenwärtiges Gedächtnis schon eine lange Zeit her ist, wir waren auch einmal verbunden mit der sogenannten «Theosophical Society», mit der «Theosophischen Gesellschaft», die zu ihrem Präsidenten hatte, noch haben soll, Frau Besant. Wir waren auch - eine Anzahl von uns - in den ersten Zeiten zu den sogenannten Kongressen dieser

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Gesellschaft gegangen. Da wurden von den verschiedenen Vertretern, von den Generalsekretären der einzelnen europäischen Sektionen immer Reden gehalten. Die Verschiedenheit der Sprachen drückte sich ja so ganz besonders klar dadurch aus, daß jeder in seiner Sprache sprach, was natürlich zur Folge hatte, daß man die meisten überhaupt nicht verstand. Aber es wurde doch, um das gegenseitige Verständnis zu pflegen, eben so gehandhabt, daß man wenigstens eine kurze Rede in der Sprache des eigenen Landes hielt. Ich habe - vielleicht erinnern sich einige, die dabei waren - bei dieser Gelegenheit immer ein und dieselbe Sache durch mehrere Jahre hindurch vorgebracht. Ich weiß nicht, inwiefern es bemerkt worden ist, aber ich habe durch Jahre hindurch immer ein und dieselbe Sache vorgetragen, immer mit dem, ich möchte sagen, nicht Hintergedanken, sondern Hintergefühl: ob wohl die Sache verstanden werden würde. Es wurde nämlich immer von mir betont: Wenn wir hier aus den verschiedenen Ländern zusammenkommen, so kommen wir nicht zusammen, um eine zentrale Theosophie zu empfangen, sondern wir kommen zusammen, um dasjenige, was an Theosophischem die einzelnen Länder zu leisten haben, auf einem gemeinsamen Altar niederzulegen. - Ich betonte immer das Individuelle, das von den verschiedenen Seiten Hergekommene, das nur auf einem gemeinsamen Altar niedergelegt sein will. Von Jahr zu Jahr habe ich, wie gesagt, dasselbe betont. Die Folge davon war nur, daß die ei- nen nicht verstanden haben, was ich ausführte, obwohl es richtig war, und die anderen davon verschnupft worden sind. Es lag aber darin ein Ausdruck für das Ideal, das wir haben müssen: für das Ideal, das sich nicht so aussprechen kann, als ob wir über die ganze Erde hin ein einheitliches Dogma schaffen könnten, sondern das wir in der Richtung haben müssen, daß das Mannigfaltige auf unserer Erde im gegenseitigen Verständnis sich ausleben kann.

Es nistet eben das Vorurteil, als ob die Wahrheit nur eine einzige sein könne, so tief in den Menschenseelen, daß die Menschen schon Widersprüche wittern, wenn in einem Vortragszyklus einmal auf die eine Art, ein anderes Mal auf die andere Art etwas zum Aus- druck gebracht wird. Das soll aber gerade bei uns gepflegt werden,

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um zu zeigen, wie die Darstellung der Wahrheit die Mannigfaltigkeit fordert. Das muß also ein Ideal werden: Mannigfaltigkeit, nicht Einförmigkeit.

Was nun der ganzen Sache zugrunde liegt, das werden wir nur einsehen, wenn wir, nachdem wir ein wenig charakterisiert haben die regulär entwickelten Geister der Form und ihre dienenden Glieder, und dasjenige, was zum Beispiel in bezug auf das Konkrete des Sprechens und Denkens aus ihnen für die Erdenentwickelung hätte werden sollen, wenn wir dem nun in ganz bestimmter Weise das luziferische und das ahrimanische Element gegenüberstellen. Wenn wir dieses Element verstehen wollen, dann müssen wir nicht auf die Erdenentwickelung schauen; denn das luziferische und ahrimanische Element ist ja so, wie es geworden ist, durch die Mondenentwickelung geworden. Wir haben oft betont, daß es gerade in der Mondenentwickelung stehengeblieben ist und in die Erdenentwikkelung hereintrug, was von der Mondenentwickelung herstammt. So dürfen wir also bei diesem luziferischen und ahrimanischen Element nicht davon sprechen, daß die Geister der Form die Schöpfer dort sind; die Geister der Form sind es nur für Wesenheiten, die an- gemessen sind der Erdenentwickelung. Für diese ahrimanischen und luziferischen Wesenheiten kommen als Schöpferwesenheiten die Geister der Bewegung in Betracht, die gewissermaßen die Schöpfer und Regierer der Mondenentwickelung sind.

Was also die Geister der Form für die Menschen-Erdenentwickelung sind, das sind die Geister der Bewegung für die Mondenentwickelung und damit für das ganze ahrimanisch-luziferische Element. Und diese Geister der Bewegung, sie waren die Schöpfer während der Mondenentwickelung durch dasjenige, was sie geschaffen haben. Und was sie in Verbindung mit ihren dienenden Geistern, den damaligen Geistern der Form, den Geistern der Persönlichkeit, den Geistern aus der Hierarchie der Archangeloi, zustande gebracht ha- ben, war regelmäßig auf dem Monde ausgebildete Engelwesenheit. So wie der Mensch im Laufe der Erdenentwickelung seine sieben Glieder ausbilden soll, so sollten die Engel ihre sieben Glieder während der Mondenentwickelung ausbilden.

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Diejenigen Engel nun, welche während der Mondenentwickelung richtig ihre sieben Glieder ausgebildet haben, die traten in die Erdenentwickelung ein, und sie sind solche Geister geworden, die vermitteln sollen zwischen dem einzelnen Menschen und der Menschengruppe, die geleitet ist von einem einzelnen Erzengel. Und das ist wiederum ein Erzengel, welcher seine sieben Glieder während der Mondenentwickelung ausgebildet hat. Aber es sind unter diesen eben solche gewesen, die es sozusagen nur bis zu sechs oder zu fünf Gliedern gebracht haben, die nicht völlig während der Mondenentwickelung ihre sieben Glieder alle entwickelt haben. Daher sind sie nicht fähig geworden, während der Erdenentwickelung als Engel Leiter der einzelnen Menschen, oder als Erzengel Leiter der Gruppen von Menschen zu werden. Diese geistigen Wesenheiten, welche entweder nur ihre sechs oder ihre fünf Teile ausgebildet haben, die sind nun gleichsam die unterste Hierarchie, es gibt darüberstehende, wenn wir von Ahriman und Luzifer sprechen. Sie sind als die uns zunächststehenden luziferischen und ahrimanischen Wesenheiten anzusehen, sind also solche Wesenheiten, welche gar nicht eingehen konnten in regulärer Weise in die Erdenentwickelung, weil die Erdenentwickelung beherrscht wurde von den Geistern der Form: sie waren aber nicht dazu gekommen den Geistern der Form zu helfen, denn sie standen auf der Engelstufe. Menschen konnten sie auch nicht so ohne weiteres werden. Sie standen also zwischen den regulären Engeln und den Menschen mitten darinnen. So daß wir also folgendes haben.

Wir können sagen: Wenn ~i`:s die Erdenentwickelung darstellt mit dem Menschen unten (siehe Zeichnung), so haben wir darüber die Schöpfer, die Geister der Form, dann die Geister der Persönlichkeit, die Geister aus der Hierarchie der Archangeloi, die Geister aus der Hierarchie der Angeloi. Diese haben also ihre Entwickelung durch ihre sieben beziehungsweise neun Glieder während der Mondenentwickelung durchgemacht; sie haben nicht nötig, in das einzugehen, was die Geister der Form für den Menschen schaffen als irdische Verkörperung; sie gehen nur ein in einen ätherischen Leib - die Engel zum Beispiel -, weil sie ja der nächsten Hierarchie angehören.

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Und zwischen drinnen stehen diejenigen Wesenheiten, welche gar nicht sich die Fähigkeit erworben haben, in diesen Evolutionen hier weiterzuschreiten, sondern welche dadurch, daß sie nicht ihre entsprechenden sieben Glieder ausgebildet haben, Wesenheiten sind, die von sich sagen können: Wir sind geschaffen von den Geistern der Bewegung; wir werden regiert von gewissen Geistern der Form, Archai, Archangeloi. - Aber nun waren sie da, und waren für ihre Aufgabe, wie sie ihnen eigentlich zugefallen wäre: mitzuregieren an der fortlaufenden Menschheitsentwickelung und auch an der Entwickelung der anderen Reiche der Erdennatur, sie waren dazu nicht befähigt; das konnten sie nicht mitmachen.

So gab es also, ich möchte sagen, zwei Klassen - wenn wir zu- nächst auf die anderen nicht sehen - sowohl von Erzengeln wie von Engeln. Die regulär Entwickelten waren jene, die sich nun einreihten in die Tätigkeit, welche so hätte verlaufen sollen, wie ich sie eben charakterisiert habe zum Beispiel für die Sprache und das Denken. Wäre nur diese Veranlagung der Geister der Bewegung da, so wäre das Sprechen und das Denken in einem solchen Einklange entwickelt worden, wie ich es vorhin charakterisiert habe.

Nun entstand etwas, was trivial ausschaut, wenn man es ausspricht, aber es ist nicht so trivial. Es ist eben ein ungeheuer schwerwiegendes, großes, bedeutsames kosmisches Ereignis. Man möchte sagen: es waren jetzt im Geisterland, oder wenn wir im Sinne der Religion sprechen, es waren im Himmel, die regulär entwickelten Erzengel, die regulär entwickelten Engel und dasjenige, was sich als ein nicht fertiges Gezücht ergab. Und da stellt sich dann das heraus,

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daß die regulär entwickelten Erzengel und Engel diese nicht regulär entwickelten, die bloß ihre sechs oder fünf Glieder entwickelt hat- ten, herunterwarfen auf die Erde, aus dem Himmel auf die Erde, weil sie dort nicht zu gebrauchen waren.

Und so mischte sich vom Beginn der Erdenentwickelung an, ich möchte sagen, in die Substantialität der Erdenentwickelung herein ein unsichtbares Reich: das Reich Luzifers und Ahrimans, die her- ausgestoßen waren aus jenem Reich, von dem aus regelrecht geschaffen und regiert wird fortlaufend der Mensch, Tiere, Pflanzen, Minerale. Heruntergestoßen waren sie, die nicht fertig geworden waren. Sie waren auf der Erde da. Natürlich konnten sie mit Erdensinnen nicht gesehen werden, aber sie waren da. Die regulären Erzengel und Engel waren, wenn wir einen religiösen Ausdruck gebrauchen, im Himmel; aber auf der Erde irrten herum die zurückgebliebenen. Darauf bezieht sich das biblische Wort: «Und ihr Ort ward nicht mehr im Himmel gefunden.» Sie waren heruntergestoßen.

Nun bedenken Sie nur den wahren Sachverhalt, damit Sie über gewisse Dinge sich nicht falschen Vorstellungen hingeben. Da lebten auf der Erde die Menschen, in einer zunächst primitiven Entwickelung, so wie Sie es ja entsprechend in der «Geheimwissenschaft» dargestellt finden. Aber unmittelbar unter den Menschen, um sie herum lebten Wesenheiten - nehmen wir also nur die alleruntersten luziferischen Wesenheiten -, die auf dem Monde zurückgebliebenen Engel, die, statt daß sie nun zu regieren hatten, tatenlos zunächst waren. Aber während der Mensch erst dabei war, nach und nach seine sieben Glieder zu entwickeln, während er erst hoffen konnte, am Ende der Erdenentwickelung das siebente Glied zu entwickeln, oder in einer entsprechend näheren Zeit das sechste oder fünfte Glied, waren diese soweit, daß sie ihr sechstes oder fünftes Glied fertig hatten; nur ihr siebentes hatten sie nicht entwickelt.

Nehmen wir einmal die Sache, wie sie ist. Wir wissen ja, daß wir jetzt gerade daran sind, an der Entwickelung desjenigen zu arbeiten, was wir den Intellekt nennen. Wir leben in der fünften Periode der nachatlantischen Zeit. Ja, die Menschen in der lemurischen Zeit waren weit entfernt davon, dieses Glied ihrer Wesenheit etwa schon

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entwickelt zu haben, das erst jetzt, in der fünften, in der nachatlantischen Zeit, zum Ausdruck kommt. Was die Wesenheiten, die dazu- mal herabgestoßene Engel waren, gerade auszeichnet, das ist, daß sie von der Mondenzeit her längst das hatten, was der Mensch erst jetzt entwickelt; sie hatten schon das, was dem Menschen erst zugedacht ist in einer späteren Periode der Erdenentwickelung. Ja, das ist sogar durchaus eine Tatsache, daß lange Zeit, sogar noch in der nachlemurischen, in der atlantischen Zeit, solche unsichtbaren Wesenheiten eine große Rolle spielten, welche damals in hohem Grade das ausgebildet hatten, woran der Mensch in der atlantischen Zeit nicht denken konnte, woran er jetzt erst ist, es auszubilden: nämlich das intellektuelle Element.

Also hoch entwickelte Intelligenzen, Engelwesen schwebten gleichsam unsichtbar in dieser lemurischen und atlantischen Zeit herum als zurückgebliebene Geister. Hoch entwickelte Geister waren das, ganz außerordentlich hoch entwickelt. Wir können also sagen, wenn wir uns wieder trivial ausdrücken wollen: Es ist durchkreuzt worden die Absicht der Hierarchie der Geister der Form. Während diese Hierarchie sich gesagt hat: Wir entwickeln den Menschen nach und nach und lassen ihn leiten durch Engel, und in der fünften Zeitepoche, da soll er den Intellekt entwickeln, da soll er diesen Intellekt so entwickeln, daß er dann schon reif ist -, während es die Absicht war, es so kommen zu lassen, daß der Einklang von Intellekt und Sprache sich ausgebildet hätte, ist dies, was sonst gekommen wäre, durchkreuzt worden dadurch, daß unsichtbare Wesenheiten mitten drinnen gelebt haben unter den Menschen.

Von diesen unsichtbaren Wesenheiten betrachten wir zunächst die luziferischen Engelwesenheiten. Diese luziferischen Engelwesenheiten haben jetzt etwas getan, was man so bezeichnen kann: sie haben gewissermaßen einzelne Menschen einer früheren Erdenperiode überbefruchtet, sie sind in sie hineingefahren, sie haben sie von sich besessen gemacht. Diese Engelwesenheiten sind ja heruntergestoßen worden auf die Erde. Und so trifft man solche Menschen in alten Zeiten, die, wenn sie geworden wären, wie es ihnen von den Geistern der Form zugedacht war, einfache, ursprüngliche Menschen

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gewesen wären. So aber fuhren in sie hinein solche Engelwesenheiten. Dadurch wurden sie furchtbar gescheit, klug, wie der Mensch erst in der fünften, oder sogar sechsten Kulturepoche der Erdenentwickelung es werden sollte, und wovon man im alten Indien noch keinen Begriff hatte. Von den sieben Rishis oder Erleuchteten sprechen wir jetzt eigentlich. Das waren also solche besessene, von den luziferischen Engelwesenheiten erleuchtete Menschen. Es waren selbstverständlich solche Menschen, zu denen der naive Mensch hinauf- blicken mußte als zu etwas besonders Hohem.

Diese Wesenheiten brachten, indem sie auch später immer wieder und wieder Menschen von sich besessen machten, entweder auf ein- zelne Menschen oder Menschengruppen wirkten, diese luziferisch gearteten Engelwesenheiten brachten unter die Menschen das Vor- urteil von der Internationalität der Begriffswelt, von der sogenannten über die ganze Erde hinüberreichenden einheitlichen Dogmatik. Wo man an eine solche einheitliche Dogmatik glaubt, wo man glaubt, daß es möglich sei, nicht in der Mannigfaltigkeit, sondern in der Einheitlichkeit das Heil zu suchen, da wirken die luziferischen Geister. Sie haben losgerissen die Vorstellungswelt von der Sprachenwelt. Sie haben damit dasjenige heraufbeschworen, was unmöglich gemacht hat, daß die Vorstellungen ihren Sitz richtig in dem gesprochenen Wort drinnen behalten haben. Und so entstand die luziferische Einheitlichkeit, der luziferische Monismus oder das Streben nach dem luziferischen Monismus über die ganze Erde hinüber. Überall, wo Fanatiker auftreten, die da glauben, daß dasjenige, was sie gerade als das Richtige ansehen, nun so schnell als möglich von allen Erden menschen geglaubt werden müsse, da sind sie besessen von jenen luziferischen Engeln. Denn nicht darum handelt es sich, daß man von diesem Einheitswahn besessen ist, sondern darum handelt es sich, daß man nach Verständnis der Vielheit, der harmonisch wirkenden Mannigfaltigkeit strebt.

Und nun war die Bahn geebnet für andere Geister, nachdem diese luziferisch gestalteten Engelwesenheiten in der Form von besonders erleuchteten Individuen, namentlich innerhalb Indiens zunächst auf- traten. Diese auserlesenen Menschen, die das, was der anderen

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Menschheit überhaupt erst zugedacht war in einer viel späteren Zeit, in ihrem besonders strahlenden Erleuchtetsein früh zeigten, die brachten über die Erde den Wahn von der Einheitlichkeit alles Denkens. Und jetzt war die Bahn geebnet für die anderen, die namentlich aus der Hierarchie der Archangeloi sind, aber solcher Archangeloi, welche während der Mondenentwickelung nicht ihre volle Entwickelung bis zum siebenten Glied erlangten, sondern beim sechsten Glied stehengeblieben sind. Sie wurden nun auch, weil sie nicht zu gebrauchen waren als Lehrer von Menschengruppen, die nach geographisch-klimatisch natürlichen Verhältnissen verteilt waren, hinuntergeworfen und sind nun auch unter den Menschen der Erde mitten drinnen.

Diese Archangeloi, deren Ort nun auch nicht im Himmel zu finden war, sondern auf der Erde - das heißt, im Abgrund, in dem sie umherirrten -, sie wurden nun ausgesandt, von ihren Obersten aus- gesandt, hinaus zu den einzelnen Volksgruppen. Und diese rissennun ihrerseits auch das Sprechen um eine Stufe tiefer herunter. Während die vorhin genannten luziferischen Wesenheiten das Denken abgerissen haben vom Sprechen, ließen diese falsch entwickelten Erzengel die Sprach-Charaktere noch um eine Stufe tiefer hinuntersinken, so daß die Sprachen so geschieden waren, nun, wie sie eben auf der Erde geschieden wurden.

Diese Wesenheiten, die zurückgebliebene Erzengel sind, und die nun die Lenkung von Menschengruppen auf Erden in dem Sinne betrieben, daß sie die Menschheit spalteten, so daß die Menschen sich hassen> sich absondern, diese Sorte, die hat ahrimanische Natur. Es sind hoch entwickelte Wesenheiten; aber sie sind eben nicht dazu berufen, Völkerschaften zu leiten, aus dem einfachen Grunde, weil Völkerschaften zu leiten nach dem Sinne der Geister der Form die normal entwickelten Erzengel berufen sind, die ihre sieben Glieder ausgebildet haben. Namentlich solche, die nur ihre sechs Glieder ausgebildet haben, sind nun diejenigen, welche sich entgegenstellen den eigentlichen regulären Völkerlenkern. Ahrimanische Wesenheiten - wir haben sie jetzt einmal genauer ins Auge gefaßt -, das sind die Wesenheiten, welche es nun dahin gebracht haben, daß die Sprachen

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um eine Stufe tiefer noch hinuntergesunken sind, auf eine Stufe, auf der man eben zunächst gar nicht sieht, welche Begriffe, welche Vorstellungen in der Sprache als solcher enthalten sind. Wären nur die luziferischen Engelwesen gekommen, so wäre zwar der Einheitswahn über die Erde gekommen; aber es würden sich die einzelnen Sprachen so entwickelt haben, daß man, wenn man nur in seinem Gemüte den Einheitswahn überwindet, noch empfinden könnte in den verschiedenen Sprachen das, was in ihnen liegt. Aber nachdem einmal die Vorstellungswelt losgerissen war von den luziferischen Engeln, war es dann den ahrimanischen Erzengeln leicht, die Sprache noch um eine Stufe hinunterzutreiben; so daß dann keine Möglichkeit mehr war, die Sprache so zu entwickeln, daß in ihr die Empfindung für die unmittelbare Vorstellung geblieben wäre.

Sehen Sie, da haben wir das Zusammenwirken einer Dreiheit. Wenn Sie einmal unsere Holzplastik, nachdem sie fertig sein wird, anblicken werden, dann werden Sie die Dreiheit plastisch zum Aus- druck gebracht sehen. Wir haben die Dreiheit einer fortgehenden Entwickelung, die aber gefälscht ist: die gefälscht ist nach oben durch den Einheitswahn der Vorstellungen, gefälscht nach unten durch den falschen Differenzierungswahn, was schon kein Wahn mehr ist, sondern eine Tatsache: das Zerklüften, das Zerspalten der Menschheit in sogenannte Nationen nach den Sprachen.

So war es nun über die Erdenentwickelung gekommen; das ist im Laufe, in der Strömung der Erdenentwickelung darinnen. Und dadurch, daß das darinnen ist, entwickelte sich eben im Lauf der Zeit das, was der Glaube war, der vom Einheitswahn beherrscht ist, und auf der anderen Seite die Spaltung in Nationen. Das entwickelte sich. Das war auf seinem Höhepunkt angelangt, als nun die kosmische Wesenheit des Christus sich auf die Erde niedersenkte, in der Ihnen ja bekannten Weise, und damit der Erdenentwickelung ein Impuls einverleibt war, den wir jetzt durchaus in die Welt zu versetzen haben, welche die regelmäßige Fortentwickelung darstellt. Nur daß dieser Christus-Impuls sich die Aufgabe setzt, nachdem die Erdenentwickelung nun eine Weile gewissermaßen nach zwei Richtungen

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hin falsch gegangen ist, die Gegenimpulse zu schaffen: das heißt, den normal entwickelten Engeln eine größere Macht zu geben, damit sie den luziferisch entwickelten Engeln, welche den Einheitswahn befolgen, entgegenwirken. An die Stelle der monistischwahnhaften Einheitsnatur alles Wissens ist nun das getreten, was ei- gentlich im richtig verstandenen Christentum liegt das Verstehen, aber das Nicht-Aufdrängen desjenigen, was man selber meint, das Suchen der Wahrheit in der anderen Menschennatur. Indem das darinnen liegt, liegt in dem Impuls des Christus eine Verstärkung der normal entwickelten Engel. So daß es wieder für die Menschen und für jedes Zeitalter ein Ideal werden kann, überall, wo es sein soll, auf der Erde zu finden eine individuell gestaltete Wahrheit, jetzt nicht aus dem eben von Luzifer schon ganz in den Wahn hinein verschossenen bloßen Intellekt heraus, sondern von Seelen, von Herzen her- aus dasjenige zu finden, was wahr ist; gewissermaßen jeden Menschen auf seine eigene Art finden zu lassen, was wahr ist.

Diese Worte: daß die Wahrheit in jeder Menschenseele liegt, das ist das tief Christliche, wie ich es auch bei anderer Gelegenheit schon erklärt habe. Dem liegt zugrunde eine Verstärkung der Engelnatur, so daß diese den Sieg erringen können über diejenigen luziferischen Engel, die den Einheitswahn einer gleichmachenden Dogmatik über die ganze Erde hin verbreiten wollen als ein gleichmäßiges Netz einer gleichlautenden Intellektualität, die nicht zuläßt die Mannigfaltigkeit, die Vielheit der Auffassung. - Und geschärft nach der anderen Seite sollte werden auch die Kraft der regulär entwickelten Erzengel, so daß sie nach und nach besiegen können diejenigen geistigen Wesenheiten, welche die Differenzierung der Menschengruppen dadurch herbeiführen, daß diese Menschengruppen in ihre Sprache verliebt werden und dadurch zu einer besonderen Absonderung, in ein Fanatisches kommen. Stärker sollen die regulär entwickelten Engel und Erzengel gemacht werden durch den Christus-Impuls. Dasjenige, was durch den Christus-Impuls geschehen sollte, ist eben nicht etwas, was bloß in den Gedanken, in der Anschauung der Menschen, in dem Gefühl der Menschen da ist, sondern es geht das, was in der Erde geschieht, über das Sichtbare hinaus in das Unsicht bare

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hinein. Der Christus ist nicht nur da für die Menschen, sondern auch für die Engel und für die Erzengel. Denn der Christus gehört einer kosmischen Wesenheit an, die durch den Jesus von Nazareth in die Erdenentwickelung hereingekommen ist.

So daß man sagen muß In der Mitte der Erdenentwickelung tritt überall eine Verstärkung ein; der Christus-Impuls greift ein. Überall tritt auch für Engel und Erzengel eine verstärkende Kraft ein. Bleiben wir dabei zunächst (siehe Zeichnung, violett). Dieser verstärkende Impuls war mächtig, war gewaltig, und es war etwas über die

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Erdenentwickelung hereingekommen, was früher überhaupt nicht innerhalb der Erdenentwickelung gesehen oder erhört war. Dasjenige Prinzip, das früher da war, wollte gerade als Naturprinzip wir- ken, wollte die geistige Lenkung der Welt als Naturprinzip haben: das Jahve-, das Jehova-Prinzip. Da hätte es dem Menschen natürlich sein sollen, zusammen zu haben Denken und Sprechen. Unser Denken ist davon losgelöst, ist geistig geworden; unsere Sprache ist los- gelöst vom Naturprinzip, ist seelisch geworden. Und vom Seelischen, vom Leidenschaftlichen der Seele erfaßt ist das Sprachprinzip; von dem, was das Intellektuelle, also wiederum das Astralische umfaßt, ist einseitig das Denken erfaßt. Aber das hätte nicht so werden sollen, sondern das Denken sollte um eine Stufe tiefer liegen, der Mensch viel natürlicher denken; und er sollte auf einer viel höheren Stufe sprechen und das Gesprochene verstehen. Nachdem das

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eine Weile auseinander gegangen war - bei anderen Dingen ist es ja ebenso gegangen, ich habe nur das Sprechen und Denken diesmal besonders herausgegriffen -, mußte ein viel stärkerer Impuls kommen, als der Jahve- oder Jehova-Impuls war. Dieser war so gestaltet, daß noch nicht gerechnet war mit den luziferischen und ahrimanischen Impulsen. Jetzt haben sie aber gewirkt in der Erdenentwickelung bis zur Mitte der griechisch-lateinischen Zeit. Da kam der Christus-Impuls herein. Der mußte jetzt stärker, kräftiger sein als dasjenige, was als Jahve-Impuls da war. Und dieser kräftigere, dieser umfassendere Impuls, der ist jetzt nicht nur dazu angetan, die Erdenentwickelung so weiterzuleiten, wie sie hätte werden müssen, wenn kein Luzifer und Ahriman eingegriffen hätte, sondern sie wiederum, nachdem Luzifer und Ahriman eingegriffen hatten, in ihre alten Bahnen zurückzubringen bis zu ihrem Ende. Die Folge davon war, daß eben stark eingegriffen hat der Christus-Impuls. Und weil ihn die Menschen zunächst nicht verstehen konnten, wirkte er so, wie ich es angedeutet habe. Nennen wir als Beispiel etwa den Konstantin, die Jungfrau von Orleans. Aber es war einmal eben durch dieses Mysterium ein mächtiger Einfluß in der Erdenentwickelung geschehen; und dieser mächtige Einiluß, er. wirkt natürlich zunächst ungeheuer bedeutsam.

Jetzt ging die Erdenentwickelung so weiter, daß, um einen Vergleich zu gebrauchen, man sagen könnte: Wir nehmen an, hier läge Schnee (es wird gezeichnet); nun kommt die Lokomotive und fährt in den Schnee hinein. Bis zu einem gewissen Punkt wird sie fahren, dann aber ist der Schnee so aufgetürmt, daß sie doch zunächst gehemmt wird. In ähnlicher Weise müssen wir den ChristusImpuls beurteilen. Er wirkte mächtig herein, versuchte die Erde zu ergreifen, aber luziferische und ahrimanische Kräfte waren da, und sie türmten sich auf wie der Schnee vor der Lokomotive. Eine Weile wurden sie überwunden. Selbstverständlich werden sie auch weiter überwunden, wenn sich genügend Menschen finden, die sich von dem Christus-Impuls ergreifen lassen wollen. Aber das Auftürmen geschah. Und die Folge davon ist, daß gerade im Zeitalter der Intellektualität nun gekommen ist der Wahn von der Einheit der Wissenschaft,

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der mit besonderer Stärke aufgetreten ist. Denn wir sehen insbesondere etwas, was früher gar nicht da war: derjenige, der die Geschichte der geistigen Entwickelung kennt, der weiß, daß vom 8., 9. Jahrhundert der nachchristlichen Entwickelung an besonders stark auftritt dieser Wahn, daß man eine einheitliche Form der Wahrheit über die ganze Erde hin schaffen müßte. Das tritt da besonders stark auf. Und was da besonders stark auftritt, ist eben noch einmal ein Aufbäumen der luziferischen Engel. Sie wollen Siegen. Sie wollen die Menschen dazu verführen zu glauben, von dem Wahn sich beherrschen zu lassen, daß über die ganze Erde hin eine einförmige, gleichlautende dogmatische Wahrheit herrschen soll. Und immer wieder und wiederum kommt über die Menschen dieser furchtbare Wahn von dem Monismus der Dogmatik. So hängt die Sache zusammen.

Und wiederum, eine Weile nachher schon, nachdem das Zeitalter des Intellektualismus völlig angebrochen war, kam das große Stemmen, Sich-Stemmen der ahrimanischen Erzengel, derjenigen Wesenheiten, welche den Wahn - aber das ist jetzt ein Tatsachenwahn - des Nationalen gebracht haben. Und im wesentlichen herausgekommen ist dieses ahrimanische Prinzip im Grunde, wie das luziferische im 8., 9. Jahrhundert, so dieses ahrimanische Prinzip im 19. Jahrhundert. Und der Träger, der irdische Träger davon war Napoleon. Napoleon ist derjenige, von dem zunächst ausgegangen ist jene Verfüh rung von Europa, daß auf das nationale Prinzip alles ankomme, daß es auch darauf ankomme, die Menschen in Gruppen zu teilen nach Nationalem. Im Dienste Ahrimans wirkte Napoleon, und von da aus geht dasjenige, was in unsere Tage herein lebt: als ob es darauf ankomme, die Menschen zu gruppieren nach solchen Erdengebieten, die streng national abgeschlossen waren.

Und diesen Wahn, der ein Tatsachenwahn ist, den sehen wir heute umgehen. Es ist der umgehende Ahriman; es ist dasjenige, was die Menschen dazu verführen will, den Ruf zu erheben, daß sich abschließen müssen die Menschen nach dem Nationalitätsprinzip, indem ihr Wahn sich kleidet in den Ruf: Für Freiheit der Nationalitäten, für Freiheit und Gleichheit der Nationalitäten.

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Das ist dasjenige, was ein tiefer innerer Zusammenhang mit der ganzen kosmischen Entwickelung ist, und was in unseren Tagen in einer so furchtbaren Weise hereinspielt. Selbstverständlich gebrauchen diejenigen geistigen Wesenheiten, welche dazu berufen sind, die Erdenentwickelung zu fälschen, Ideen und Vorstellungen, welche den Menschen nicht als etwas Niedriges, sondern gerade als etwas besonders Hohes erscheinen. Mit kräftigen, gewaltigen Idealen werden die Intentionen Ahrimans verbrämt. Geradeso wie verbrämt worden ist, maskiert worden ist der luziferische Geist von dem Einheitswahn der Wissenschaft unter dem Wort, das für jeden so leicht verständlich ist, weil es so idealistisch klingt Eine Wahrheit für alle Menschen. - So aber schleicht sich mit diesem Wahnwort Luzifer in die Herzen der Menschen ein, Ahriman mit dem Wort: Die Nationen sollen sich in besonderen Gebieten auf der Erde als Nationalitäten absondern, und nur wert gefunden werden diejenigen Menschengruppen auf der Erde, die in sich geschlossene Nationalitäten darstellen.

Wie das erste ein verführerischer Ruf des Luzifer ist, der aber als ein Idealwort erscheint, so ist das zweite ein versucherischer Ruf des Ahriman, der wiederum als ein furchtbar verführerisches Ideal er- scheint. Geisteswissenschaft wäre dazu berufen, das Verführerische und Versucherische solcher Wahnworte zu durchschauen und mitzuwirken dahin, daß die Menschheit auf den rechten Weg komme, auf den Weg, der, nachdem er vorgezeichnet war mit schwächerer Kraft durch den Jahve- oder Jehova-Impuls, als der größere Impuls in die Erdenentwickelung eingegangen ist: der Christus-Impuls, der über alle luziferischen und ahrimanischen Wahngebilde in den menschlichen Seelen und den menschlichen Herzen hinweghebt.

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ACHTER VORTRAG Dornach, 24. Juli 1915

Im Grunde streben die Menschen zunächst, indem sie an die geisteswissenschaftliche Weltanschauung herankommen, nach der Beantwortung von Fragen, nach der Lösung von Rätseln. Das ist ganz begreiflich und natürlich, und man kann auch sagen, gerechtfertigt. Aber ein anderes muß noch hinzukommen, wenn die geisteswissenschaftliche Bewegung wirklich das Lebendige werden soll, das sie nach dem allgemeinen Gang der Erden- und Menschheitsentwickelung eigentlich werden muß. Es muß hinzukommen vor allen Dingen ein gewisses Gefühl, eine gewisse Empfindung, daß sich, je mehr man strebt in die geistige Welt hineinzukommen, um so mehr die Rätsel häufen; daß die Rätsel geradezu mehr werden, als sie vorher für die menschliche Seele gewesen sind, und daß sie in gewisser Beziehung heiliger werden, diese großen Lebensrätsel, deren Vorhandensein wir ja vorher schon ahnen, die uns aber, so wie sie sind, selbst erst aufgehen, auch als Rätsel, wenn wir in die geisteswissenschaftliche Weltanschauung hineinkommen.

Nun ist ja eines der größten Rätsel, die mit der Erden- und Menschheitsentwickelung zusammenhängen, das Christus-Rätsel, das Rätsel des Christus Jesus. Und in bezug auf dieses Rätsel können wir allerdings ja nur hoffen, gewissermaßen langsam vorwärts zu dringen zu seiner eigentlichen Tiefe und Heiligkeit. Das heißt, wir können hoffen, nach und nach, in unseren zukünftigen Inkarnationen immer mehr und mehr zu empfinden, in welch hohem Sinne, in welch außerordentlichem Sinne dieses Christus-Rätsel ein Rätsel ist. Wir müssen nicht nur hoffen, daß uns manches in bezug auf das Christus-Rätsel gelöst werde, sondern wir müssen auch hoffen, daß manches von dem, was wir bisher als rätselhaft empfunden haben gegenüber dem Eintreten der Christus-Wesenheit in die Menschheitsentwickelung, noch schwieriger wird, daß sich zu dem noch manches andere hinzu er- gibt, was uns in bezug auf das Mysterium von Golgatha neue Rätsel oder, wenn man lieber will, neue Seiten dieses großen Rätsels bringt.

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Nun kann auch hier immer nur darauf Anspruch gemacht werden, gewissermaßen von da oder dort her dieses große Rätsel zu beleuchten, und ich bitte Sie durchaus, sich klar zu sein darüber, daß das nur immer, ich möchte sagen, einzelne Lichtströmungen sind, die aus dem Umkreise menschlicher Anschauung auf dieses größte Rätsel des menschlichen Erdendaseins geworfen werden, und daß sie wirklich nicht dieses Rätsel erschöpfen wollen, sondern es nur von verschiedenen Seiten her beleuchten sollen. Und so sei zu dem, was schon gesagt worden ist, auch hier noch einiges hinzugefügt, das uns wiederum eine Seite des Rätsels vom Mysterium von Golgatha nahelegen kann.

Sie erinnern sich an den weithin leuchtenden Ausspruch des Jahv~Gottes, der im Beginne der biblischen Urkunde steht, nachdem der Sündenfall geschehen war. Da wird gesagt, daß nunmehr die Menschen genossen haben von dem Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen, und daß sie aus ihrem bisherigen Aufenthaltsorte deshalb entfernt werden müssen, damit sie nicht auch von dem Baume des Lebens essen. Der Baum des Lebens muß geschützt werden gewissermaßen vor dem Angefressenwerden von den Menschen, die schon von dem Baume der Erkenntnis genossen haben.

Nun verbirgt sich hinter diesem Doppelursprung von dem Genusse des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen einerseits, und von dem Genusse des Baumes des Lebens andererseits, etwas tief in das Leben Einschneidendes. Wir wollen heute einmal eine der vielen Anwendungen dieses Ausspruches auf das Leben ins Auge fassen, wir wollen uns einmal vor die Seele führen, was wir längst wis sen: daß das Mysterium von Golgatha, so wie es sich innerhalb der irdischen Geschichtsentwickelung vollzogen hat, in den vierten nachatlantischen Zeitraum hineingefallen ist, hineingefallen ist in die griechisch-lateinische Zeit.

Wir wissen ja, dieses Mysterium von Golgatha liegt so ungefähr nach der Vollendung des ersten Drittels der griechisch-lateinischen Zeit, und zwei Drittel dieser griechisch-lateinischen Zeit folgen hinterher, um der ersten Einverleibung des Geheimnisses des Mysteriums von Golgatha in die Menschheitsentwickelung zu dienen.

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Nun müssen wir zweierlei in bezug auf dieses Mysterium von Golgatha unterscheiden. Das eine ist dasjenige, was geschehen ist an reinen Tatsächlichkeiten; kurz, dasjenige, was geschehen ist als der Eintritt des kosmischen Wesens Christus in das Gebiet der Erdenentwickelung. Es wäre hypothetisch möglich, können wir sagen, es wäre denkbar, daß sich dieses Mysterium von Golgatha, das heißt der Eintritt des Impulses des Christus in die Erdenentwickelung, ab- gespielt hätte, ohne daß irgend jemand von den Menschen auf der Erde verstanden hätte oder vielleicht sogar nur gewußt hätte, was da geschehen ist. Es hätte ganz gut sein können, daß das Mysterium von Golgatha geschehen wäre> aber den Menschen unbewußt geblieben wäre, daß kein Mensch hätte daran denken können, sich zu enträtseln, was da eigentlich geschehen ist.

So sollte es ja eben nicht sein. Es sollte allmählich der Erdenmenschheit auch das Verständnis für dasjenige aufgehen, was durch das Mysterium von Golgatha geschehen ist. Aber daraus müssen wir doch ersehen, daß es zweierlei ist: dasjenige, was der Mensch als Wissen, als innere Verarbeitung in seine Seele aufnimmt, und das, was objektiv im Menschengeschlechte geschehen ist und was sich von diesem Menschengeschlechte, insofern es dem Wissen dieses Menschengeschlechtes angehört, unabhängig weiß. Nun, es versuchten die Menschen dasjenige, was da geschehen war durch das Mysterium von Golgatha, zu begreifen.

Wir wissen ja, daß die Evangelisten nicht nur aus einer gewissen Hellsichtigkeit die Aufzeichnungen über das Mysterium von Golgatha gemacht haben, die wir in den Evangelien finden, wir sollten wissen, daß auch versucht worden ist, mit den Mitteln der Erkenntnis, die die Menschen vor dem Mysterium von Golgatha gehabt haben, dieses Mysterium von Golgatha zu begreifen. Wir wissen, daß seit dem Mysterium von Golgatha nicht nur die Mit- teilungen über die Sache unter die Menschen gekommen sind, sondern auch eine neutestamentliche Theologie in ihren verschiedenen Verzweigungen. Diese neutestamentliche Theologie hat, wie das selbstverständlich ist, die Begriffe, die die Menschen gehabt haben, verwendet, um sich zu fragen: was ist da eigentlich

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geschehen mit dem Mysterium von Golgatha, was hat sich da vollzogen?

Wir haben es öfter betrachtet, wie insbesondere die griechische Philosophie, dasjenige, was als griechische Philosophie sich ausgebildet hat, namentlich in Plato und Aristoteles, wie die Vorstellungen der griechischen Philosophie bemüht waren - ebenso, wie sie bemüht waren, die Natur um sich herum zu begreifen -, auch das zu begreifen, was durch das Mysterium von Golgatha geschehen ist. Und so, können wir sagen, tritt auf der einen Seite objektiv das Mysterium von Golgatha ein, und auf der anderen Seite, ihm entgegen- kommend, sind die verschiedenen Weltanschauungen, die man seit Urzeiten ausgebildet hatte und die bis zu der Zeit, in der das Mysterium von Golgatha stattfand, eine gewisse Ausbildung erfahren haben und sich dann weiterentwickeln.

Woherwaren diese Vorstellungen denn gekommen? Wir wissen ja, daß alle diese Vorstellungen, auch noch diejenigen, die in der griechischen Philosophie lebten und von der Erde aus dem MysteriUm von Golgatha entgegengingen, von uralten Wissenschaften herrühren, von jenen Wissenschaften, welche sich den Menschen nicht hätten bieten können, wenn nicht, sagen wir, eine Uroffenbarung vorhanden gewesen wäre. Denn es ist nicht nur eine materialistische, sondern geradezu eine unsinnige Vorstellung, daß das, was in der Zeit des Mysteriums von Golgatha zur Philosophie verdünnt vorhanden war, an seiner Ausgangsstelle von den Menschen selber hätte gebildet werden können. Es ist Uroffenbarung, welche, wie wir wissen, gebildet worden ist in einer Zeit, in welcher die Menschen noch die Reste des uralten Hellsehens hatten; Uroffenbarung, welche zum großen Teile in alten Zeiten in bildhafter, in imaginativer Form den Menschen gegeben worden war, und welche sich eben zu Begriffen verdünnt hatte in der Zeit, in der das Mysterium von Golgatha eintrat, in der griechisch-lateinischen Zeit. Da konnte man entstehen sehen in uralten Zeiten einen intensiven Strom von Uroffenbarung, der den Menschen gegeben werden konnte aus dem Grunde, weil diese Menschen noch die letzten Reste des alten Hellsehens hatten, das zu dem alten Verständnisse der Menschen sprach, und das

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dann allmählich verstrohte, das heißt vertrocknete in der Philosophie.

So war also eine Philosophie eben da, eine Weltanschauung war da in vielen, vielen Schattierungen und Nuancen, und diese Schattie rUngen und Nuancen versuchten in ihrer Art, das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Wenn wir die letzten Ausläufer ins Auge fassen wollen, sehen wollen, was dazumal also zu einer Weltanschauung sich verdünnte, die mehr philosophisch war, wenn wir die letzten Ausläufer davon betrachten wollen, so kommen wir etwa auf dasjenige, was im alten Römertum, in der römischen Zeit gelebt hat.

Mit dieser römischen Zeit meine ich diejenige Zeit, die etwa mit dem Mysterium von Golgatha, also mit der Regierung des Kaisers Augustus beginnt und die allmählich über die römische Kaiserzeit hin abflutet, bis die Völkerwanderung und dasjenige, was als Wir- kung der Völkerwanderung eintritt, der europäischen Welt ein an- deres Antlitz gegeben hat. Was wir in dieser Zeit aufflackern sehen wie ein letztes großes Licht der von der Uroffenbarung herkommenden Strömung, das ist die bis in unsere Zeit im Jugendunterricht eine so große Rolle spielende lateinisch-römische Poesie; das ist alles dasjenige, was sich als Fortsetzung dieser lateinisch-römischen Poesie bis zum Untergange des alten Römertums entwickelt hat. In dieses Römertum hinein hatten sich alle möglichen Nuancen von Weltanschauungen geflüchtet. Dieses Römertum war keine Einheit. Es breitete sich aus über zahlreiche Sekten, über zahlreiche religiöse Anschauungen und konnte eine gewisse Gemeinsamkeit dieser Vielheit nur dadurch entwickeln, daß sich das eigentliche Römertum gewissermaßen bis in die äußerlichen Abstraktionen zurückzog.

Das aber ist es auch, was uns erkennen läßt, wie sich in diesem Römertum, in das sich das Christentum hineinbewegte als eIn neuer Impuls, wie sich in diesem sich hinziehenden Römertum eben etwas Verstrohendes zum Ausdrucke bringt. Wir sehen, wie dieses Römertum bemüht ist, intensiv bemüht ist, hereinzubekommen in seine Begriffe dasjenige, was hinter dem Mysterium von Golgatha steht, wie man versucht, auf jede mögliche Art heranzuholen von dem ganzen, breiten Gebiete der Weltanschauung, das man überschauen

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kann, alle möglichen Begriffe, um zu verstehen, was hinter diesem Mysterium von Golgatha steckt. Und man kann sagen, wenn man genau zusieht: es war wie ein verzweifeltes Ringen nach einem Verständnisse, nach einem eigentlichen Verständnisse des Mysteriums von Golgatha. Und dieses Ringen setzt sich im Grunde genommen in einer gewissen Strömung das ganze erste Jahrtausend noch fort.

Man sehe, wie zum Beispiel Augustinus zuerst aufnimmt alle Elemente der alten verstrohenden Weltanschauung, und wie er versucht durch das, was er so aufnimmt, zu begreifen dasjenige, was als lebendiges Seelenblut hereiniließt, da er jetzt das Christentum wie einen lebendigen Impuls in seine Seele hineiniließen fühlt. Augustinus ist eine große und bedeutende Persönlichkeit; aber man sieht es jeder Seite seiner Schriften an, wie er ringt, um in sein Verständnis hineinzubringen, was aus dem Christus-Impulse heranflutet. So geht es fort, und so ist das ganze romanische Bemühen: hineinzubekommen in die abendländische Begriffswelt, in diese WeltanschauungsweIt, die lebendige Substanz desjenigen, was in dem Mysterium von Golgatha zum Ausdruck kommt.

Was ist denn das, was sich da so bemüht, was da so ringt, was in dem Römertum, in dem Lateinertum die ganze gebildete Welt über- flutet, was im Lateinertum verzweifelt ringt, in die Begriffe, die in der lateinischen Sprache pulsieren, hineinzubringen das Mysterium von Golgatha? Was ist denn das? Das ist auch ein Teil desjenigen, was gegessen haben die Menschen im Paradiese. Das ist ein Teil des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen. Und ich möchte sagen, wir können sehen, wie ursprünglich in den Uroffenbarungen, als noch zu den Menschen alte, hellseherische menschliche Wahrnehmungen sprechen konnten, lebendig in dieser alten Zeit die Begriffe leben, die noch Imaginationen sind, und wie sie immer mehr und mehr vertrocknen und ersterben, dünner werden. Sie sind so dünn, daß um die Mitte des Mittelalters, als die Scholastik blühte, die größte Seelenanstrengung dazu gehörte, um die Begriffe, die schon so dünn geworden waren, so weit noch in sich zuzuspitzen, daß man in diese Begriffe dasjenige hereinbekam, was als lebendiges

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Leben im Mysterium von Golgatha vorhanden ist. Diesen war geblieben die destillierteste Form der alten römischen Sprache mit ihrer so außerordentlich schön in sich gefügten Logik, aber mit ihrem fast ganz verlorenen Leben. Diese lateinische Sprache wird erhalten mit ihrer strammgeschürzten Logik, aber mit ihrem innerlich fast ganz erstorbenen Leben, wie eine Erfüllung des Urgötterspruches: Die Menschen sollen nicht essen vom Baume des Lebens.

Wenn es möglich gewesen wäre, daß dasjenige, was sich aus dem alten Lateinertum ausgebildet hat, voll hätte begreifen können, was mit dem Mysterium von Golgatha sich vollzogen hat, wäre es möglich gewesen, daß das Lateinertum, einfach wie durch einen Stoß, das Verständnis hätte gewinnen können von dem Mysterium von Golgatha, dann wäre dies gewesen ein Essen vom Baume des Lebens. Das aber war verboten, nach dem Ausschluß aus dem Paradiese. Diejenige Erkenntnis, die in die Menschheit gekommen war im Sinne der alten Uroffenbarung, die sollte nicht dazu dienen, jemals lebendig zu wirken. Daher konnte sie nur mit toten Begriffen das Mysterium von Golgatha erfassen. «Ihr sollt nicht essen vom Baume des Lebens», das ist auch ein Ausspruch, der durch alle Äonen der Erdenentwickelung gilt mit Bezug auf gewisse Erscheinungen, und eine Erfüllung dieses Ausspruches war auch die, daß mit ihm gesagt war: Es wird herantreten der Baum des Lebens in seiner anderen Form als das auf Golgatha errichtete Kreuz, und es wird ausströmen von ihm das Leben. Aber diese alte Erkenntnis soll nicht essen von dem Baume des Lebens.

Und so sehen wir denn eine hinsterbende Erkenntnis sich abmühen mit dem Leben, sehen, wie sie verzweifelt ringt, das Leben von Golgatha hereinzubekommen in ihre Begriffe.

Nun gibt es eine eigentümliche Tatsache, eine Tatsache, welche hinweist darauf, daß gewissermaßen dem Ausgangspunkte, dem Orient gegenüber in Europa eine Art Uropposition gemacht war. Es gibt so etwas wie eine Art Uropposition gegen dasjenige, was verhängt war über die Menschheit in bezug auf die Uroffenbarung. Damit berührt man allerdings, ich möchte sagen, den Rand eines ungeheuer tief liegenden Geheimnisses, und man kann manches von

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dem, was darüber zu sagen ist, wirklich nur in Bildern sagen. Aber ich glaube, die Bilder können verstanden werden.

In Europa gibt es ja eine ganz andere Sage, die allerdings später Umgestaltungen erfahren hat; aber trotzdem ist auch in den Umgestaltungen ihr Wesentliches noch zu erkennen. Es gibt eine andere Sage von der Entstehung des Menschen als die in der Bibel enthaltene. Nun ist nicht das das Charakteristische, daß es diese Sage gibt, sondern daß diese Sage sich in Europa länger erhalten hat als in an- deren Gegenden der Erde. Aber das Bedeutsame ist, daß auch als im Orient drüben sich das Mysterium von Golgatha vollzogen hatte, in den Gemütern der Europäer noch lebendig war diese andersartige Sage. Da werden wir auch an einen Baum geführt, oder wenigstens an Bäume geführt, die von den Göttern Wotan, Wili, We gefunden werden am Strande des Meeres. Und aus zwei Bäumen werden die Menschen geschaffen: aus der Esche und aus der Ulme. Es werden also von der Dreiheit der Götter - wenn das auch später verchristianisiert worden ist, so deutet es doch auf die europäische Uroffenbarung hin -, es werden von der Dreiheit der Götter die Menschen geschaffen, indem die beiden Bäume umgestaltet werden zu Menschen: Wotan gibt den Menschen Geist und Leben, Wili gibt den Menschen Bewegung und Verstand, und We gibt den Menschen die äußere Gestalt, die Sprache, die Kraft des Sehens, die Kraft des Hörens.

Man beachtet gewöhnlich nicht den ganz großen Unterschied, der zwischen dieser Schöpfungssage des Menschen vorhanden ist und der biblischen. Aber Sie brauchen ja nur die Bibel zu lesen - und das ist immer nützlich, die Bibel zu lesen -, schon wenn Sie die ersten Kapitel lesen, merken Sie den ganz grandiosen Unterschied, der zwischen der Schöpfungssage des Menschen hier und dort besteht. Ich möchte nur auf das eine hinweisen, und das ist: daß in die Menschen, nach der Sage, einfließt ein dreigliedriges Göttliches. Das muß ein Seelenhaftes sein, das sich in seiner äußeren Gestalt ausdrückt und das im Grunde genommen von den Göttern herrührt, das die Götter in ihn gelegt haben. Man ist sich also in Europa dessen bewußt, daß indem man auf der Erde herumgeht, man ein Göttliches in sich trägt. Man ist sich dagegen im Orient bewußt, daß man

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e1n Luziferisches in sich trägt. Mit dem Essen vom Baume der Er- kenntnis des Guten und Bösen ist etwas verbunden, das den Menschen sogar den Tod gebracht hat, etwas, das alle von den Göttern abgebracht hat, und wofür man eine göttliche Strafe verdient hat. In Europa ist man sich bewußt, daß in der Menschenseele ein Dreifaches lebt, daß die Götter eine Kraft hineingesenkt haben in die Menschenseele. Das ist sehr bedeutsam.

Wie gesagt, man berührt damit den Rand eines großen Geheimnisses, eines tiefen Mysteriums. Aber es wird wohl verstanden werden: Es sieht ja so aus, als ob in diesem alten Europa eine Anzahl von Menschen aufbewahrt worden wären, die nicht so abgebracht worden sind von der Teilnahme am Baume des Lebens, in denen fortlebte sozusagen der Baum oder die Bäume des Lebens: Esche und Ulme. Und damit steht in innigem Einklang: daß diese europäische Menschheit - und würde man zurückgehen zur europäischen Urbevölkerung, so würde sich das mit einer großen Klarheit in allen Einzelheiten - eigentlich nichts gehabt hat von der höheren zeigen,weitgehenderen Erkenntnis, die man im Oriente und in der griechisch-lateinischen Welt hatte.

Man sollte sich nur einmal den ungeheuer einschneidenden Gegensatz vorstellen zwischen den naiven Vorstellungen der europäischen Menschheit, die noch zur Zeit des Mysteriums von Golgatha alles in Bildern hatte, und den hochentwickelten, feinen philosophischen Begriffen der griechisch-lateinischen Welt. In Europa war alles «Leben», dort war alles «Erkenntnis des Guten und Bösen». In Europa war gleichsam etwas übrig geblieben, wie ein aufbewahrt er Rest von den ursprünglichen Kräften des Lebens; aber es konnte nur übrig bleiben dadurch, daß diese Menschheit gewissermaßen bewahrt war, irgend etwas zu verstehen von dem, was in so wunderbar fein geschürzten Begriffen im Lateinertum enthalten war. Von einer Wissenschaft der alten europäischen Bevölkerung zu sprechen, wäre ein Unding. Man kann nur sprechen davon, daß diese Leute lebten mit alledem, was in ihrem Inneren, in ihrer Seele sprießte, sie durchvitalisierte. Was sie glaUbten zu wissen, war etwas, was unmittelbares Erleben war. Radikal verschieden war diese Art, in der Seele gestimmt

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zu sein, von jener Stimmung, die sich fortpilanzte im Lateinertum. Und das gehört eben zu den großen, zu den wunderbaren Geheimnissen des geschichtlichen Werdens: daß, ich möchte sagen, aus der Vollendung der Wissenskultur, der Weisheitskultur, hervorgehen sollte das Mysterium von Golgatha; allein die Tiefen dieses Mysteriums von Golgatha sollten nicht begriffen werden durch die Weisheit, sie sollten begriffen werden durch das unmittelbare Leben.

Daher war es wie ein vorbestimmtes Karma, daß, als in Europa bis zu einem bestimmten Punkte erfaßt war das Leben, ich möchte sagen, die Ich-Kultur rein naiv, rein lebendig, rein vitalistisch auftrat da, wo die tiefste Finsternis war; während dort, wo die tiefste Weisheit war, das Mysterium von Golgatha aufstieg. Das ist wie eine prästabilierte Harmonie. Aus der Wissenskultur, die da begann strohern zu werden, steigt dieses Mysterium von Golgatha auf; verstanden aber soll dieses Mysterium von Golgatha werden von denjenigen, die durch ihr ganzes Wesen und ihr ganzes Sein nicht haben kommen können bis zu dieser feinen Auskristallisierung des lateinischen Wissens. Und so sehen wir in der Geschichte der Menschheitsentwickelung sich begegnen ein lebenloses, immer mehr und mehr ersterbendes Wissen und ein noch wissenloses Leben, ein wissenloses Leben, das aber innerlich, ich möchte sagen, das Fortwirken des die Welt belebenden Göttlichen erfühlt.

Diese zwei Strömungen mußten sich begegnen, mußten aufeinander wirken in der sich fortentwickelnden Menschheit. Was wäre geschehen, wenn nur das lateinische Wissen sich fortentwickelt hätte? Nun, dieses lateinische Wissen würde sich haben ergießen können über die Nachkommen der europäischen Urbevölkerung. Das hat es auch sogar bis zu einer gewissen Zeit getan. Hypothetisch denkbar ist es, aber nicht wirklich hätte es werden können, daß die europäische Urbevölkerung die Nachwirkung des sich verstrohenden Wissens erlebt hätte. Denn dann würde dasjenige, was diese Seelen durch dieses Wissen aufgenommen hätten, allmählich dazu geführt haben, daß die Menschen immer dekadenter und dekadenter geworden wären. Mit den die Menschheit lebendig erhaltenden Kräften hätte dieses vertrocknende, dieses verstrohende Wissen sich nicht

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vereinigen können. Es hätte dies die Menschen ausgedörrt. Gewissermaßen würde unter dem Einflusse der nachwirkenden lateinischen Kultur die europäische Menschheit ausgedörrt sein, vertrocknet sein. Man würde immer mehr dazu gekommen sein, raffinierte Begriffe zu haben, immer mehr würde man spintisiert haben, immer mehr und mehr würde man gedacht haben; aber es würde das Menschenherz, das ganze menschliche Leben kalt geblieben sein unter diesen verfeinerten, raffinierten Begriffen.

Ich sage, hypothetisch wäre das denkbar, aber es hat nicht wirklich werden können. Wirklich geworden ist vielmehr ein anderes. Wirklich geworden ist dasjenige, daß der Teil der Menschheit, der ein wissenloses Leben hatte, einströmte in jene Menschen, welche sozusagen davon bedroht waren, nur die Überreste des Lateinertums zu empfangen.

Fassen wir die Frage von einer anderen Seite an. Wir treffen ja zu einer bestimmten Zeit über Europa verteilt, man kann sagen, auf der italienischen Halbinsel, auf der spanischen Halbinsel, in der Gegend des heutigen Frankreich, in der Gegend der heutigen britischen In- seln, gewisse Überreste einer europäischen Urbevölkerung an: im Norden die Nachkommen der alten keltischen Bevölkerung, im Süden die Nachkommen der alten römischen Bevölkerung. Die treffen wir dort an, in die fließt zunächst dasjenige hinein, was wir jetzt charakterisiert haben als lateinische Strömung. Dann treffen wir an, zu einer bestimmten Zeit, über verschiedene Territorien Europas verteilt: die Ostgoten, die Westgoten, die Langobarden, die Sueven, die Vandalen und so weiter. Es gibt eine Zeit, wo wir die Ostgoten finden im Süden des heutigen Rußland, die Westgoten im östlichen Ungarn, die Langobarden da, wo heute die Elbe ihren unteren Lauf hat; die Sueven in der Gegend, wo heute Mähren und Schlesien liegen und so weiter. Wir treffen da verschiedene von denjenigen Völkerschaften, von denen man sagen kann: sie haben wissenloses Leben.

Nun können wir die Frage aufwerfen: Wohin sind diese Völkerschaften gekommen? Wir wissen, sie sind verschwunden zum großen Teile aus der tatsächlichen Entwickelung der europäischen Menschheit. Wohin sind die Ostgoten, wohin die Westgoten, wohin

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die Langobarden gekommen? Das können wir fragen. In gewisser Beziehung sind sie als Völker nicht mehr vorhanden; aber dasjenige, was sie als Leben gehabt haben, ist vorhanden, ist etwa in der folgenden Weise vorhanden. Betrachten wir die italienische Halbinsel, betrachten wir sie noch besetzt von den Nachkommen der alten römischen Bevölkerung, denken wir uns, es hätte sich auf dieser alten italienischen Halbinsel dasjenige ausgebreitet, was ich als lateinisches Wissen, als lateinische Kultur gekennzeichnet habe: es wäre die ganze Bevölkerung vertrocknet.

Wenn man genau untersuchen würde, so würde man es als unglaublichen Dilettantismus ansehen müssen, zu glauben, daß heute irgend etwas von Blutsverwandtschaft mit dem alten Römertum noch vorhanden ist. Eingezogen sind Ostgoten, Westgoten, Langobarden, und über diese strömte hinüber dasjenige, was das Lateinertum war - aber bloß geistig als Wissenskeim -, über das wissenlose Leben, und das wissenlose Leben gab weiterhin die Substanz dazu. In den südlicheren Gegenden war es ein normannisch-germanisches Element. So strömte in die italienische Halbinsel das ein, was an lebentragender Bevölkerung vorhanden war> aus dem europäischen Mittelland und dem Osten. In Spanien strömte ein, um sich später mit dem rein verstandesmäßigen Elemente des Arabertums, des Maurentums zu verbinden, das Westgoten- und das Sueventum; in der Gegend von Frankreich strömte ein das Frankentum, und in der Gegend der britischen Inseln das Angelsachsentum.

Man trifft das Richtige, wenn man das Folgende sagt: Insbesondere waren die Gegenden des Südens vor der Gefahr, vollständig zu verlieren - wenn sie Nachkommen der alten Römer geblieben wären und die lateinische Kultur in ihnen fortgewirkt hätte - die Möglichkeit, ein Ich-Bewußtsein auszubilden. Daher wurde hinweggenommen die Nachkommenschaft des alten Römertums, und es wurde hineingeströmt in dieses Gebiet, wo sich ausbreiten sollte das Lateinertum, dasjenige, was von dem ostgotischen, von dem langobardischen Elemente kam. Ostgotisches, langobardisches Blut und auch Normannenblut nahm auf dasjenige, was verstrohende lateinische Kultur wurde. Vor der Gefahr wäre nämlich die Bevölkerung gewesen,

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wenn s1e römisch geblieben wäre, nicht entwickeln zu können jemals das Element der Bewußtseinsseele.

So ging in den Langobarden und in den Ostgoten nach dem Süden dasjenige, was wir nennen können: das Wotan-Element, Geist und Leben. Da wurde sozusagen getragen im Blute der Langobarden, im Blute der Ostgoten, das Wotan-Element, und das machte die weitere Entwickelung, die weitere Entfaltung dieser südlichen Kultur möglich.

Nach Westen ging mit den Franken das Wili-Element, Verstand und Bewegung, was wiederum abhanden gekommen wäre, wenn die Nachkommenschaft der europäischen Urbevölkerung, die in diesen Gegenden gesessen hatte, sich bloß weiter entwickelt hätte unter dem Einfluß des Römertums.

Nach den britischen Inseln ging dasjenige, was man nennen kann: Gestaltung und Sprache, und namentlich die Fähigkeit, zu sehen und zu hören, was dann im englischen Empirismus seine spätere Ausbildung erfahren hat: in Physiognomik, Sprache, Gesicht, Gehör.

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So sehen wir, indem wir tatsächlich im neuen italienischen Elemente das Sprechen der Volksseele in der Empfindungsseele haben, wie wir das anders ausdrücken können dadurch, daß wir sagen: das Wotan-Element strömt in die italienische Halbinsel ein. So wie wir den Zug der Franken nach Westen ausdrücken können dadurch, daß wir sagen: das Wili-Element strömt nach dem Westen, nach Frankreich. Und wie wir das in bezug auf die britischen Inseln ausdrük ken können dadurch, daß wir sagen: das We-Element strömt da hinein.

So ist auf der italienischen Halbinsel gar nichts mehr von dem Blute der europäischen Urbevölkerung vorhanden; das ist ganz ersetzt. Im Westen, in der Gegend des heutigen Frankreich, ist etwas mehr von der Urbevölkerung vorhanden, ungefähr so, daß sich die Waage halten das Frankenelement und die Urbevölkerung. Am meisten von der Urbevölkerung ist noch auf den britischen Inseln.

Das alles aber, was ich jetzt gesagt habe, ist im Grunde genommen nur eine andere Art, auf das Verständnis desjenigen hinzuweisen, was aus dem Süden kam durch Europa: hinzuweisen auf das Eingehülltsein des Mysteriums von Golgatha in eine untergehende Weisheit und auf dessen Aufgenommenwerden durch ein noch weisheitsloses Leben. Man kann Europa nicht verstehen, wenn man diesen Zusammenhang nicht ins Auge faßt; man kann aber Europa in allen Einzelheiten verstehen, wenn man dieses europäische Leben erfaßt wie einen fortlaufenden Prozeß. Denn vieles von dem, was ich gesagt habe, vollzieht sich noch bis in unsere Tage herein. So zum Beispiel wäre es interessant, selbst so etwas wie die Philosophie Kants aus diesen zwei Urgegensätzen des europäischen Lebens heraus einmal ins Auge zu fassen und zu zeigen, wie Kant auf der einen Seite das Wissen absetzen will, dem Wissen alle Gewalt nehmen will, um auf der anderen Seite dem Glauben Platz zu machen. Das ist nur ein Fortwirken des dunklen, geheimen Bewußtseins: mit dem Wissen, das da von unten heraufgekommen ist, kann man ja eigentlich nichts anfangen; man kann nur etwas anfangen mit dem, was als ursprüngliches

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wissenloses Leben von oben herunter kommt. Der ganze Gegensatz der reinen und praktischen Vernunft liegt da darinnen: Ich mußte das Wissen wegräumen, um dem Glauben Platz zu machen. - Der Glaube, für den die protestantische Theologie kämpft, ist ein letztes Überbleibsel des wissenlosen Lebens, denn das Leben will nichts wissen von einer auseinandergezogenen abstrakten Weisheit.

Aber auch ältere Erscheinungen kann man betrachten. Man kann zum Beispiel ins Auge fassen, wie gerade bei den geistig führenden Persönlichkeiten das Bemühen auftritt, gewissermaßen einen Einklang zu schaffen zwischen diesen zwei Strömungen, auf die aufmerksam gemacht worden ist. Denn das zeigt die heutige Physiognomie Europas, daß bis in unsere Tage nachwirkt das lateinische Wissen in dem europäischen Leben, und daß man geradezu die Karte Europas mit dem nach Süden und Westen ausstrahlenden lateinischen Wissen und dem in der Mitte Europas noch sich bewahrenden Leben ins Auge fassen kann. Man kann sehen, wie man einmal sich Mühe gegeben hat - ich möchte ein Beispiel anführen -, dieses ersterbende Wissen zu überwinden. Gewiß, es tritt auf den verschiedenen Gebieten des Lebens in verschieden starker Weise auf, dies ersterbende Wissen; aber es war schon im 8. bis 9. Jahrhundert die europäische Entwickelung so weit, daß diejenigen, welche die Nachkommen waren der europäischen Bevölkerung, nichts Rechtes mehr machen konnten mit dem, was noch als gewisse Bezeichnungen für kosmische oder irdische Verhältnisse gebildet war aus alten römischen Zeiten. So konnte man schon im 8. bis 9. Jahrhundert einsehen, daß es dem ursprünglichen Leben der Seele nichts besonderes gibt, wenn man sagt: Januar, Februar, März, April, Mai. Damit konnten die Römer etwas anfangen, aber die nördlichere europäische Bevölkerung konnte nicht viel damit anfangen; es ergoß sich so über diese europäische Bevölkerung hin, daß es nicht in die Menschenseele, sondern vielfach nur in die Sprache hineinfloß und daher ersterbend, verstrohend war. Daher gab man sich Mühe, namentlich über Mittel- und Westeuropa hin... über den ganzen Strich, den man bezeichnen könnte als von der Elbe angefangen bis zum Atlantischen Ozean und bis zu den Apenninen gehend Bezeichnungen

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durchzubringen für die Monate, welche erfühlt werden können von der europäischen Menschheit. Solche Monatsbezeichnungen sollten sein:


1. Wintarmanoth.

2. Hornung.

3. Lenzinmanoth.

4. Ostarmanoth.

5. Winnemanoth (auch Nannamanoth).

6. Brachmanoth.

7. Heuimanoth (zusammengesetzt mit Heu).

8. Aranmanoth (Aran = die Ernte).

9. Widumanoth (Wide = das, was stehen geblieben ist, nachdem man über den Acker gegangen ist).

10. Windumemanoth (lateinisch = vindemia: Weinlese).

11. Herbistmanoth.

12. Heiligmanoth.


Derjenige, der sich bemüht hat, diese Bezeichnungen allgemein zu machen, ist Karl der Große.

Es ist bezeichnend dafür, wie bedeutsam der Geist Karls des Großen war, denn er versuchte damit etwas einzuführen, was bis heute kaum Eingang gefunden hat. Wir haben immer noch in den Monatsbezeichnungen die letzten Reste der verstrohenden lateinischen Wissenskultur. Karl der Große war überhaupt eine Persönlichkeit, welche vieles gewollt hat, das über die Möglichkeit des zu Verwirklichenden hinausgegangen ist. Es hat sich gerade nach ihm, im 9. Jahr- hundert, die Welle des Lateinertums so recht hinübergezogen über Europa. Es wäre interessant, wenn ins Auge gefaßt würde, was Karl der Große gewollt hat, indem er die Ausstrahlungen des Wile-Elementes nach Westen bringen wollte. Denn die Latinisierung trat dort erst nachher auf.

So können wir sagen, daß derjenige Teil der Menschheit, der Rasse gewesen ist, der als Rasse die Nachfolgerschaft war des alten Europa, des Europa, aus dem das Römertum hervorgegangen ist, und der die Nachkommenschaft des Römertums selber gewesen ist, für den

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südlichen Teil ganz - und für den nördlicheren Teil zum großen Teile - einfach ausgestorben ist. Von dem ist im Blute nichts mehr vorhanden. Es hat sich in den leeren Raum, der da gelassen worden ist, hineinergossen, was von Mitteleuropa und dem europäischen Osten gekommen ist. So daß man sagen kann: das rassenhafte Element, auch des europäischen Südens und des europäischen Westens, ist das germanische Element, das nur in den verschiedenen Schattierungen in den britischen Inseln, in Frankreich, in Spanien und - aber dort auch völlig überflossen vom Lateinertum - auf der italienischen Halbinsel vorhanden ist.

Das Rassenelement ist also dasjenige, was sich von Osten nach Westen und nach Süden hin bewegt, während das Wissenselement vom Süden nach Norden sich bewegt. Das Rassenelement ist es, welches sich von Osten nach Westen und Süden und längs des europäischen Westens nach Norden bewegt und allmählich abilutet nach dem Norden zu. So daß, wenn man richtig sprechen will, von einem germanischen Rassenelement, aber nicht von einer lateinischen Rasse gesprochen werden kann. Von einer lateinischen Rasse zu sprechen ist ebenso gescheit, wie von einem hölzernen Eisen zu sprechen; weil das Lateinertum, wie es geworden ist, nichts ist, was einer Rasse anhaftet, sondern etwas, was sich als blutloses Wissen über ei- nen Teil der europäischen Urbevölkerung ergossen hat. Aber von eIner lateinischen Rasse sprechen kann nur der Materialismus, denn Latinität hat nichts zu tun mit etwas Rassenhaftem.

So sehen wir, wie gewissermaßen der Bibelspruch fortwirkt in diesem Teile der europäischen Geschichte, wie das Schicksal der Latinität Erfüllung ist des Spruches: «Von dem Baume des Lebens sollt ihr nicht essen», und wie das Leben, das der Erde gegeben worden ist mit dem Mysterium von Golgatha, nicht völlig in Einklang kommen konnte mit dem alten Wissen; sondern wie in das, was geblieben ist von der Urweisheit und was versickert war, neues Leben hineinkommen mußte. Wenn wir sachlich die Frage beantworten sollen: Wo bleibt das, was aus solchem neuen Leben sich nicht erhalten hat in seiner besonderen Eigenart, sondern in der Geschichte verschwunden ist: das westgotische, das suevische, das langobardische,

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das ostgotische Element und so weiter? - so müssen wir zur Antwort geben: Es lebt als Leben fort innerhalb der lateinischen Kultur. - Das ist der wahre Tatbestand, den man allerdings kennen muß mit Bezug auf dasjenige, was ausgeht von dem uralten Bibel-Doppelspruche und was in alten Zeiten mit Bezug auf die Entwickelung Europas wirkt, um diese Entwickelung Europas zu verstehen.

Ich mußte Ihnen heute gleichsam diese geschichtliche Auseinandersetzung geben, weil ich Ihnen Dinge zu sagen haben werde, welche voraussetzen, daß man über diese geschichtliche Entwickelung nicht die falschen Begriffe des heutigen Materialismus und Formalismus habe.

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NEUNTER VORTRAG Dornach, 25. Juli 1915

Gestern sahen wir, wie gewissermaßen verteilt ist auf die weltgeschichtlichen Völkerströmungen dasjenige, was wir bezeichnen können als den fortlaufenden Fluß des sich entwickelnden Wissens, der sich entwickelnden Weisheit auf der einen Seite, und auf der an- deren Seite das sich in einer gewissen Zeit mit dieser Weisheit vereinigen müssende Leben. Es ist dies ein Beispiel für die im Grunde genommen in ihren Konsequenzen erschütternde Tatsache von dem Zusammenwirken der verschiedenen Einseitigkeiten im Weltendasein, um ein Ganzes, um eine Harmonie hervorzubringen. Und ich habe schon darauf aufmerksam gemacht, wie bis in unsere Zeiten herein wahrzunehmen ist die Nachwirkung, sowohl auf der einen Seite des lebenlosen Wissensprinzipes, des altwerdenden Wissensprinzipes, wie auch auf der anderen Seite des wissenlosen Lebensprinzipes, das wie ein junger Trieb in der Entwickelung der Menschheit sich vereinigt mit dem aus Urzeiten heraufgebrachten und sich verstrohenden Wissensprinzipes.

Nun wollen wir heute dieselbe Tatsachenwelt einmal etwas subjektiver ins Auge fassen, wollen sie ins Auge fassen in unmittelbarer Anknüpfung an die Betrachtung des menschlichen Wesens. Die so oft an uns herangetretene Tatsache der rhythmischen Verwandlung des Menschen im täglichen Lebenslaufe wollen wir noch einmal vor unsere Seele stellen: nämlich, daß der Mensch abwechselt im Laufe seines alltäglichen Lebens zwischen dem Zusammensein seiner vier Glieder - des physischen Menschen, des ätherischen Menschen, des astralischen Menschen und des Ich-Menschen - und einem gewissermaßen Getrenntsein dieser vier Glieder zu zwei und zwei: dem Verbundensein des physischen Menschen mit dem ätherischen Menschen und des Ich mit dem astralischen Menschen.

Der Wechsel von Schlafen und Wachen beruht ja auf dieser rhythmischen Folge des gewissermaßen Vereintseins dieser vier Glieder und des gewissermaßen Getrenntseins derselben. Wir haben

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schon einmal davon gesprochen, daß man diese Tatsache, die hiermit ausgedrückt worden ist, noch genauer betrachten kann; allein für die heutige Betrachtung mag sie uns als eine hinreichende Grundlage auch so dienen.

Wenn wir das menschliche Sein, das menschliche Weben im Schlafe betrachten, so kann ja, auch ohne daß mit dem Menschen eine besondere Entwickelung eingetreten ist, doch diesem Menschen, namentlich in besonders lichten, in besonders geweckten Momenten des Aufwachens, ein deutliches Bewußtsein vor die Seele treten, daß er, als seelischer Mensch, beim Aufwachen wie heraus sich hebt aus einem Weben und Leben in einem, ich möchte sagen, feingeistigen Sein.

Es muß doch den meisten Menschen auffallen, wenn die VerhältnIsse günstig sind, daß sie aus dem Schlafe heraus aufwachen nicht wie aus einem Nichts, sondern daß sie heraustauchen aus dem Schlafe wie aus einem vollen, aber viel ätherischeren, leichteren Weben und Leben, als dasjenige ist, das wir durchmachen vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Es wird gewiß manchem schon beigefallen sein, aufgefallen sein im Aufwachen, daß er während des Schlafens in einem Elemente lebte, in dem er so darinnen steht, daß er eigentlich während dieses Schlafes gescheiter ist als während des Wachens. Das muß ja doch der größte Teil der Menschen durchgemacht haben, daß sie im Aufwachen sich gesagt haben: Ja, da kam dieses oder jenes; es stellte sich vor meine Seele. Ich weiß ganz genau, ich habe da etwas erlebt, was ich jetzt nicht deutlich genug hereinbringen kann in das Wachbewußtsein. - Und dann kann man sich gewissermaßen dumm vorkommen gegenüber der Gescheitheit, in der man war in diesem nächtlichen Weben und Leben, in diesem viel ätherischeren Elemente, als das Leben der physischen Welt ist vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Man war mit seinem ganzen Wesen - dessen muß man sich klar sein - untergetaucht in ein Weben und Leben, das in ähnlicher Art um uns herum ist wie das physische Leben und Weben vor dem physischen Bewußtsein, das nur nicht erfaßt werden kann von diesem physischen Bewußtsein, das gewissermaßen zumeist vollständig vergessen wird im Momente des Aufwachens.

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Aber ebenso kann sich der Mensch, auch ohne besondere okkulte Schulung, klar sein darüber, daß er während des Schlafes in einem solchen Elemente webend darinnen war, das er nicht voll mitnehmen kann in das wache Leben. Auch diese Tatsache, von der sich je- der im Grunde sehr leicht überzeugen kann, wird verstanden, wenn wir den wunderbaren Urdoppelspruch nehmen, auf den wir schon gestern hingewiesen haben, jenen Doppelspruch, der da besagt: Weil die Menschen gelernt haben, zu erkennen oder zu unterscheiden das Gute und das Böse, weil sie gegessen haben von dem Baume der Er- kenntnis des Guten und des Bösen, sollen sie nicht essen von dem Baume des Lebens.

Was heißt es denn: «Nicht essen von dem Baume des Lebens?» Sie werden es vielleicht nicht mehr unbegreiflich finden, was ich über diesen Ausspruch zu sagen habe, wenn Sie sich vernünftigerweise vor die Seele führen, was es denn eigentlich nur heißen kann: gegessen zu haben von dem Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen. - Jeder kann sich doch sagen: Wäre das nicht vorgekommen, was wir die luziferische Verführung nennen, so würde der Mensch offenbar anders in diesem Erdenleben dastehen müssen; denn so wie er dasteht, mischt sich hinein in sein Erdenleben die Wirkung der luziferischen Verführung. - Das heißt, wir bringen es in unserem Erdenleben bis zu einer gewissen Art von Erkenntnis, bis zu einer gewissen Art, uns durch unseren Verstand und durch unsere Vernunft zu den Dingen zu stellen, durch sie ein gewisses Wissen von den Dingen der Welt zu bekommen. Es ist doch ganz klar: wir müßten ein anderes Wissen von den Dingen der Welt bekommen, wenn die luziferische Verführung nicht stattgefunden hätte. Das besagt gerade der angedeutete Doppelspruch. Das heißt, das Wissen, das wir von der Welt und deren Erscheinungen bekommen, ist ein solches Wissen, das durch den luziferischen Einfluß eingetreten ist, ein Wissen, das darstellt die fortlaufende Entwickelung, die eingetreten ist durch den Genuß vom Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen. All unser Wissen ist ein solches, daß es eintreten mußte, so wie es geworden ist, als Folge des Genusses vom Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Hätte der Mensch nicht genossen vom Baume

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der Erkenntnis des Guten und Bösen, so müßte eben ein anderes Wissen da sein als das, welches unter den heutigen «normalen» Verhältnissen da ist, wo Luzifer in unser Dasein herein wirkt.

Wenn Sie so sich vor Augen stellen, daß im Grunde genommen unser gesamtes Tageswissen beeinflußt ist von der Tatsache der luziferischen Verfiihrung, daß unser Tageswissen die Erfüllung ist davon, daß wir genossen haben von dem Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen, so wird es Ihnen nicht mehr so unbegreiflich erscheinen, wenn ich Ihnen jetzt die aus vielen okkulten Wahrnehmungen heraus zu erkennende Tatsache vor Augen führe: daß unser nächtliches, schlafendes Nichtwissen, unsere über das Bewußtsein sich ausbreitende Finsternis des Schlafes einfach die Wirkung ist des Nicht-Essendürfens von dem Baume des Lebens. Gerade so, wie unser Alltagswissen die Wirkung ist des Gegessenhabens von dem Baume der Erkenntnis des Guten und des Bösen, so ist das Nicht-Wissen während des Schlafes die Folge des Nicht-haben-essen-Dürfens von dem Baume des Lebens. Würden wir von diesem Baume haben essen dürfen, so würde für den Schlaf etwas Ähnliches eingetreten sein wie für das Wachen. Das hat aber nicht kommen dürfen. Und so ist denn eingetreten für den Schlafzustand die Bewußtlosigkeit.

Wenn aber nun diese Bewußtlosigkeit des Schlafes überwunden wird, wenn die Möglichkeit eintritt, durch eine geisteswissenschaftliche methodische Entwickelung, etwas zu wissen von dem, was sich wirklich da vollzieht in dem vorhin angedeuteten Weben und Leben in einem ätherischen Elemente, dann werden wir gewahr, wie eigentlich wir vom Einschlafen bis zum Aufwachen unser Leben verbringen. Wir verbringen dieses Leben nämlich - es ist dies eine Tatsache, die einen erschüttern kann - vom Einschlafen bis zum Auf- wachen in den Armen Luzifers, möchte ich sagen. Und man kann verstehen, was da eigentlich geschehen ist, verstehen das tiefe Mysterium, das dieser ganzen Tatsachenwelt zugrundeliegt, dadurch daß man sieht: in demselben Momente, da der Mensch damit bestraft worden ist, nicht essen zu dürfen von dem Baume des Lebens, wurde Luzifer dazu verurteilt, fortwährend von diesem Baume zu essen. Und weil er dasjenige, was da webt und lebt vom Einschlafen bis

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zum Aufwachen, was uns, wenn es uns nachklingt im Wachen, so unendlich gescheit vorkommt, weil Luzifer das in Anspruch nimmt, so hat dieses Weben und Leben in dem, was uns nicht zum Bewußtsein kommt, eben weil er es für sich in Anspruch nimmt, eine ganz gewisse Folge.

Also wir können sagen: Unser Leben und Weben in dem feinen, ätherischen Elemente, das ich angedeutet habe, das ist etwas, dessen sich Luzifer bemächtigt. Und weil sich Luzifer dessen bemächtigt, so kommt das zustande, daß etwas nicht geschieht, was eigentlich durch die Jahve-Gottheiten den Menschen vorbestimmt war. Durch die Jahve-Gottheiten war vorbestimmt den Menschen, beim Aufwachen hereinzubekommen in den Ätherleib und in den physischen Leib dasjenige, was da webt und lebt im Schlafe. Ich muß das etwas schematisch zeichnen, damit Sie vielleicht genauer sehen können, um was es sich da handelt. Ich möchte dasjenige, was von unserem Ich außerhalb des physischen Leibes lebt während des Schlafes, schematisch etwa durch dieses bezeichnen (rot); was von unserem astralischen Leibe während des Schlafens außerhalb des physischen Leibes lebt, mit diesem (gelb); was von unserem physischen Leibe im Bette bleibt, möchte ich mit diesem bezeichnen (blau), und was von unserem ätherischen Leibe im Bette bleibt, mit diesem (ockergelb).

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Nun war folgendes von vornherein bestimmt. Es war dem Menschen durch die sich fortentwickelnden Jahve-Gottheiten bestimmt, daß beim Aufwachen jenes angedeutete ätherische Weben und Leben` untertaucht sowohl in den ätherischen Leib wie in den physischen Leib des Menschen. Sie müssen nicht erschrecken darüber, daß Luzifer es ist, der mit uns webt, während wir im ätherischen, feinen Elemente selber leben vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Ich habe ja schon in Münchner Vorträgen einmal angedeutet, daß das ganz falsch ist, wenn man glaubt, man müsse sich vor Luzifer auf allen Gebieten des Lebens nur in acht nehmen. Das ist ein materialistisches Vorurteil. Geistige Wesenheiten sind nicht dazu da, daß sie eigentlich nicht da sein sollten. Und es benehmen sich die meisten gegenüber dem Luziferischen und Ahrimanischen unrichtigerweise so, als ob sie nur ja nicht etwas zu tun haben wollten mit dem Luziferischen und Ahrimanischen. Darum handelt es sich aber gar nicht, das Leben so einzurichten, daß man nichts zu tun hat mit dem Luziferischen und Ahrimanischen. Es handelt sich darum, daß man auch diese Wesenheiten da gelten läßt, wo sie in ihrem Elemente sind, und weiß, daß sie schädlich nur wirken in den Elementen, wo sie nicht hingehören. So ist es für das Erden- leben recht, daß Luzifer lebt und webt vom Einschlafen bis zum Aufwachen in dem Elemente, von dem wir Menschen nichts wissen sollen, da wir schon das andere Wissen haben, das eine Wirkung vom Genusse des Baumes der Erkenntnis des Guten und des Bösen ist.

Aber jetzt kommt beim Aufwachen dasjenige, was man durchschauen muß, wenn man die notwendige Lebensentwickelung, die heute durch die geisteswissenschaftliche Weltanschauung kommen soll, verstehen will: Was da verwoben wird, was da eigentlich nachgefühlt wird, wenn man in besonders günstigen Momenten dieses Leben und Weben heute wie einen Nachklang hereinbekommt in das Bewußtsein, was da gewoben wird, das sollte beim Aufwachen in unseren physischen und unseren ätherischen Leib hereinkommen. Denn was da webt, ist unser astralischer Leib. Der lebt und webt im wogenden Weltenmeere; und das, was er sich da erwebt, was er da

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erlebt und erfährt, das sollte hereinkommen sowohl in unseren ätherischen Leib, wie auch in unseren physischen Leib.

Wenn ich die Absichten der die Erdenentwickelung leitenden Jahve-Gottheiten zeichnen wollte, dieses Leben und Weben, in dem

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unser Astralleib während der Nacht ist, müßte ich es so zeichnen können, daß das alles in unseren Wachzustand hereingeht sowohl in unseren ätherischen Leib, wie in unseren physischen Leib (Zeichnung a, schräge Linien, gelb). Was ich hier gezeichnet habe, würde darstellen das beim Aufwachen eintretende Aufgesogenwerden der Erlebnisse unseres astralischen Leibes von dem physischen Leibe und von dem Ätherleibe. Dies hätte eintreten sollen im Verlaufe der menschlichen Erdenentwickelung oder der irdischen Menschenentwickelung, wenn die ursprüngliche Absicht der Jahve-Götter hätte erfüllt werden können. Das aber ist nicht geschehen wegen der damaligen luziferischen Verführung. Etwas anderes ist aber geschehen, so daß wir den Tatbestand> der jetzt eintrat, etwas anders zeichnen müssen.

Wenn das der physische Leib ist (blau) und das der ätherische Leib (ockergelb) - alles natürlich schematisch gezeichnet -, so tritt das Erlebnis des astralischen Leibes beim Aufwachen nur wirklich in den ätherischen Leib ein, drückt sich höchstens im physischen Leibe ab und beeinflußt etwas den physischen Leib. In Wirklichkeit tritt es nur in den ätherischen Leib ein. Nicht weil es zurückgehalten wird,

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nicht weil es halt macht, weil es eine Grenze haben würde am physischen Leibe, muß ich das so zeichnen (Zeichnung b), sondern weil - durch einen geheimnisvollen Pakt zwischen Luzifer und Ahriman, der eben eingetreten ist infolge der in luziferische und ahrimanische

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Entwickelung hineinverflochtenen Erdenentwickelung -, weil Luzifer im Momente des Aufwachens dem Ahriman übergibt das, was eigentlich in den physischen Leib hinein sollte. Das, was also hier sein würde (Zeichnung a) von diesem nächtlichen Erleben, wird nicht unserem physischen Leibe, sondern in unserem physischen Leibe dem Ahriman übergeben. Um es als ahrimanisch zu kennzeichnen, will ich es nur so hineinzeichnen (Zeichnung c, gelbe Punkte).

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Und die bedeutsame Tatsache besteht: Ahriman erlebt in unserem physischen Leibe Luzifers Erlebnisse während unseres Schlafes. Das ist mit anderen Worten die Ursache davon, daß wir nicht selber hereinbringen können unsere nächtlichen Erlebnisse in unser Tagbewußtsein, weil sie Luzifer dem Ahriman übergibt während des Aufwachens. Nur während sie da ihren Handel miteinander abschließen, den Pakt miteinander abschließen, kommt uns in dem gewöhnlichen Traum manches zum Bewußtsein, während es so hin- übergeht aus den Händen Luzifers in die Hände Ahrimans. Das ist auch eine Seite des Schlaf- und Traumlebens.

Betrachten wir jetzt einmal das gewöhnliche Wissen, das wir während der Zeit vom Aufwachen bis zum Einschlafen haben. Dieses Wissen, das wir so haben, wie wir es haben, ist also eine Folge der Tatsache, daß eben der Genuß eingetreten ist vom Baume der Er- kenntnis des Guten und Bösen. Da liegt die Sache also so, daß wir während des Tages Wissen erwerben von den Dingen. Vom Aufwachen bis zum Einschlafen erwerben wir Wissen von den Dingen, ein Wissen, das unser Verstand auf Grundlage der Sinneswahrnehmungen kombiniert. Dieses Wissen, das wir von den Dingen erwerben, das erwerben wir ja, wie es Ihnen doch selbstverständlich sein muß, durch unser Ich. Es ist ein Wissen, das der Mensch als Erdenmensch erlebt. Der Mensch als Erdenmensch hat dadurch das Wissen erlangt, daß ihm zu seinen drei übrigen Prinzipien, die er von Saturn, Sonne und Mond herübergebracht hat, auf der Erde das Ich hinzugegeben worden ist. Als Erdenmensch, im Ich, erleben wir das Wissen, das überhaupt unser menschliches Wissen ist, also alles das, was wir über die Welt unter den Verhältnissen, unter denen wir schon einmal auf der Erde sind, erwerben können. Aber dieses Wissen, das wir auf diese Art erwerben, hat eben die Eigentümlichkeit, daß es sich verdunkelt in unserem Ich. Es verdunkelt sich in unserem Ich, sobald wir einschlafen.

Es tritt also auch diese Tatsache ein, daß wir vom Aufwachen bis zum Einschlafen Wissen erwerben; aber in dem Augenblicke, wo wir einschlafen, hört dieses Wissen auf, für uns bewußt zu sein; das heißt, es geht aus unserem Ich heraus. Philosophen, welche das Ich

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zur Grundlage der Philosophie machen und dann sagen: Dieses Ich können wir zur Grundlage der Philosophie machen, weil dieses Ich das Bleibende ist in dem Menschenleben zwischen der Geburt und dem Tode -, sagen einen ganz gewöhnlichen Unsinn, denn dieses Ich, so wie der Mensch es erlebt, wird jede Nacht ausgelöscht. Also halten wir uns diese Tatsachen vor die Seele: daß wir uns Wissen erwerben, dieses Wissen aber durch das Ich erworben wird, und dieses Ich ausgelöscht wird für den Zustand zwischen Einschlafen und Aufwachen.

Woher kommt das? Dieses Wissen wird wirklich ja erworben in jenem Gebiete des Daseins, von dem wir wissen, daß es dem Ahriman zugeteilt ist. Wir wissen ja, daß auf dem gewöhnlichen äußeren physischen Plane Ahriman sein eigentliches Reich hat, weil aller Tod ihm zugehört. Ich habe das einmal in Münchner Vorträgen besonders ausführlich charakterisiert. Wir durchmessen mit unserem Bewußtsein Ahrimans Reich vom Aufwachen bis zum Einschlafen, und indem wir unser gewöhnliches Alltagswissen entwickeln, so wie wir es durch die luziferische Verführung entwickeln, bringt uns dieses Alltagswissen immer im Leben zwischen dem Aufwachen und dem Einschlafen in das Reich des Ahriman hinein. Wir weben und leben eigentlich immer im Reiche des Ahriman, mit unserem gewöhnlichen Suchen nach äußerem Wissen, nach Wissen, das sich auf die äußere sinnliche Welt bezieht.

Luzifer - wir müssen das immer trennen - hat das bewirkt; aber es ist nicht das Reich des Luzifer, in dem wir da weben und leben vom Aufwachen bis zum Einschlafen, sondern es ist das Reich des Ahriman, in dem wir leben, weben und sind. Und zwar ist das aus dem Grunde sehr leicht einzusehen, weil Ahriman ja in unserem physischen Leibe ist. Der hilft uns fortwährend, wenn wir uns Wissen durch den physischen Leib erwerben wollen. Wir erwerben das gewöhnliche Wissen zunächst durch den physischen Leib, durch die Sinne, die gewöhnlichen Werkzeuge des physischen Leibes. Da drinnen sitzt ja Ahriman; Luzifer gibt ihm auch beim Aufwachen das, was er in uns während der Nacht erlebt hat. Während des Tages, im Zusammenhang mit Ahriman, erringen wir dasjenige, was w1r unser Wissen in der Welt nennen. Beim Einschlafen ist es so, daß Ahriman

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reichlich vergilt die Gabe, die ihm Luzifer beim Aufwachen gegeben hat.

Während Luzifer dasjenige, was er während des Schlafes mit uns durchgemacht hat, beim Aufwachen dem Ahriman übergibt für unseren physischen Leib, übergibt Ahriman dem Luzifer beim Einschlafen dasjenige, was er den ganzen Tag mit uns erlebt hat. Dieses übergibt also Ahriman beim Einschlafen dem Luzifer. Und während eigentlich unser gesamtes tägliches Erleben sich übertragen sollte auf das gesamte nächtliche Erleben, und ich dann so zeichnen müßte

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dieses nächtliche Erleben (Zeichnung a, grün), ist das so, daß in Wahrheit das durch den Tag Erworbene nur bis in den astralischen Leib hineingeht, im Ich aber von Luzifer in Empfang genommen wird (Zeichnung b, Kreise), so daß Luzifer in uns in der Zeit vom Einschlafen bis zum Aufwachen dasjenige erlebt, was in uns fortlebt und webt von dem Tageswissen, von dem was wir uns erworben haben vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Wir können also sagen: Statt unser genießt während des Tages unsere nächtlichen Erfahrungen Ahriman; statt unser genießt während unseres Schlafens, in unserem Ich, Luzifer unsere täglichen Erfahrungen. In unserem physischen Leibe genießt Ahriman, in unserem Ich genießt Luzifer; Ahriman während des Tages, Luzifer während der Nacht.

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Nun handelt es sich darum, die Folgen von diesen Tatsachen für unser menschliches Leben einzusehen. Fassen wir zunächst einmal diese Tatsache, daß Luzifer vom Einschlafen bis zum Aufwachen unser Ich in Anspruch nimmt, ins Auge. Sehen Sie, dies hindert uns, dasjenige, was wir als Wissen während des Tages erfahren, was wir uns ausdenken über die Welt, was wir urteilen, unterscheiden, verbinden in der Welt, auch während der Nacht zu durchleben. Wir würden es wirklich durchleben, wenn wir es durch die Nacht hindurch fortsetzen könnten. Nach der ursprünglichen Absicht der Jahve-Gottheiten war es so, daß wir unser Wissen während des Tages sammeln und es während der Nacht durchleben, durcharbeiten sollten. Wäre diese Absicht realisiert worden, dann würden wir eine ganz andere Wissenschaft haben als die, welche wir so haben. Wir würden eine Wissenschaft haben, die wirklich eine lebendige Wissenschaft wäre, wo jeder Begriff, den wir erfahren, in uns lebendig wäre, wo wir auch wüßten, daß Begriffe, die wir erfahren während des Tages, Schatten sind von Lebewesen, wie ich es öfter beschrieben habe; denn wir würden ja in der Nacht folgendes erfahren. Wir würden sehen: Während des Tages erleben wir, wir machen uns diesen oder jenen Begriff; in der Nacht würden alle Begriffe aufwachen, um zu leben, und wir würden erkennen, daß alles das elementarische Lebewesen wären. Das wüßten wir. Vom Einschlafen bis zum Aufwachen wüßten wir: Das, was wir uns als Wissenschaft erwerben, das ist unmittelbares Leben, welches lebt und webt in der Welt; elementarisches Wirken und Weben und Leben.

Das kann es nicht sein für uns, weil Luzifer das erfaßt, und weil Luzifer es uns wegnimmt. Und so nimmt er uns das Leben der Wissenschaft weg. Jede Nacht saugt er das Leben der Wissenschaft für sich heraus, und uns bleiben nur die abstrakten Begriffe, die toten Begriffe, die uns durch die Wissenschaft gegeben sind. Die Menschheit hat so eine Wissenschaft, die von Luzifer ausgesogen ist, richtig ausgesogen ist von Luzifer.

Das ist der Grund, warum die Wissenschaft so empfunden werden muß, als ob sie nicht heran könnte an das, was eigentlich in den Dingen lebt und webt, warum sie so erscheint, als ob man sich von

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dem Lebenden und Webenden tote Begriffe machte. Die Wissenschaft hat etwas Zusammentragendes, etwas, wobei man fühlt, man bleibt doch immer außerhalb des Lebens stehen, man kommt nicht hinein in das Leben. Alles, was die Philosophen von jeher geschwätzt - ich will sagen, philosophiert haben über die Grenzen des Wissens, über das Nicht-Hineinkommen in die Untergründe des Daseins, das rührt ja davon her, daß sie fühlten: unter dem, was man in Begriffe fassen kann, liegt das lebendige Leben, an das man nicht heran kommt aus dem Grunde, weil Luzifer an diesem Leben saugt und es für sich in Anspruch nimmt und so, mit anderen Worten, die Begriffe strohern, abstrakt macht.

Betrachten wir jetzt den anderen Fall. Was würde geschehen, wenn wir nicht der Tatsache unterlägen, daß beim Aufwachen Ahriman in Anspruch nimmt dasjenige, was nächtliches Erleben in uns ist? Was würde mit uns eintreten beim Aufwachen? Wir würden hineinbekommen in unser Tagesbewußtsein den ganzen Zusammenhang mit den Nachterlebnissen. Wir würden, mit anderen Worten, die ganze geistige Welt in unser Tagesbewußtsein hineinbekommen, und es würde sich hinein mischen in das, was wir als Tagesbewußtsein haben, dasjenige, was das nächtliche Durchleben darstellt. So zusammen würde man es nicht haben können> wie wir jetzt unser Tagesbewußtsein haben zusammen mit den nächtlichen Erlebnissen, aus dem Grunde, weil dieses Tagesbewußtsein auftritt in einer Weise, wie sie durch Luzifer gekommen ist. Aber wenn Luzifer dieses Tagesbewußtsein nicht beeinilußt hätte in der charakterisierten Weise, so würden wir in ganz anderer Weise an die Dinge heran- treten. Dann würde vereinbar sein mit diesem Herantreten an die Dinge das Hereinleben desjenigen, was wir nächtlich durchleben. Das würde eine ganz beträchtliche Veränderung hervorrufen in alledem, was wir während des Tages erleben.

Wir gehen ja so durchs Tagesleben, daß wir die Dinge anschauen, daß wir uns Ideen, Vorstellungen über die Dinge machen. Dann kombinieren wir wohl auch, aber es bleibt, möchte ich sagen, zwischen der Geburt und dem Tode immer dabei, daß wir im Grunde genommen zusammenkoppeln das eine, was wir während des Tages

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erlebt haben, mit anderem, was wir während des Tages erlebt haben. Würde der Tatbestand anders sein, würde er so sein, daß richtig hereinkämen die nächtlichen Erlebnisse in das Tagesleben, so würden wir jedes Tageserlebnis verbinden mit dem, was uns wie eine Erinnerung der Nachterlebnisse geblieben ist.

So wie es jetzt ist, treten wir einem Menschen entgegen; wir kommen diesem Menschen entgegen, wir sagen uns: diesen Menschen kenne ich. - Aber warum sagen wir uns das: diesen Menschen kenne ich? - Nur aus dem einfachen Grunde, weil wir ihn früher schon gesehen haben während der Tageserlebnisse. Wir kombinieren das eine Tagerlebnis mit dem anderen, und das drückt sich so aus, daß wir sagen: Wir kennen diesen Menschen. - Ganz anders wäre es, wenn wir die Nachterlebnisse in der angedeuteten Weise hereinbrächten. Dann würden wir bei Tage wissen: dieses oder jenes geistige Wesen entspricht ihm. Wir würden ihn in der Nacht erlebt haben, wir würden ihn identifizieren können mit seinem geistigen Hintergrund, wir würden sein Physisches vom Geistigen durchwebt haben. So würde sich uns die ganze Welt konkretisieren, durchweben mit Geistigem. So aber, durch die luziferische Verführung, kann das nicht sein. Das Geistige bleibt aus; es bleibt uns nicht. Ahriman nimmt es für sich in Anspruch und so bleibt es nur dadrinnen im Ätherleibe (Zeichnung b, Seite 182); dadrinnen im Ätherleibe sitzt es, es kommt nicht zur Konkretisierung. Es kommt nicht dazu, daß man es wirklich in den Dingen sieht. Man kann nur sagen: Ich fühle in meinem Ätherleibe, daß dieses Geistige da ist als Weben und Leben. Man fühlt es im Allgemeinen, aber man bekommt es nicht herauf in die Anschauung.

Ich hoffe, Sie merken, wie das ist. Statt daß es in den physischen Leib hineingeht, und es sich uns auf Schritt und Tritt zeigen würde, dieses Geistige, bleibt es in der Allgemeinheit stecken. Und wir fühlen es so in uns, daß wir uns sagen können: Das Geistige ist da, es lebt und webt in der Welt, aber es konkretisiert sich uns nicht. Es kann das, was wir so vom Geistigen erleben, vor allem nicht Wissen werden. Wissen würde es für uns, wenn es hereinkäme in den physischen Leib. Es bleibt Glaube, weil es bloß im Ätherleibe erlebt wird.

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Alles dasjenige, was im bloßen Glauben liegt an Ablehnung des konkreten Wissens, das kommt davon her, daß der Mensch ganz richtig fühlt: er will im normalen Leben darinnen stehen bleiben, er will nicht zu dieser Konkretisierung kommen; da fürchtet er sich vor den möglichen Irrtümern.

So sehen Sie, ist Glaube im Ätherleibe steckengebliebenes Wissen. Während dasjenige Wissen, das wir bei Tage haben, im astralischen Leibe eben steckenbleibt, also zur Nachtzeit im Astralleib steckengebliebenes Wissen ist und dadurch so unlebendig wird. Der lebendige Glaube, der wissenlos ist, weil ihm sein Wissen genommen wird von Ahriman, ist dasjenige, was gegenübertritt dem glaubenlosen Wissen, dem Wissen, dem der Glaube genommen wird durch Luzifer. So daß wir hier (Zeichnung b, Seite 182) hinzufügen können: Luzifer erlebt in unserem Ich ahrimanische Erlebnisse.

Ich möchte in diese zwei Worte zusammenfassen dasjenige, was Ihnen vielleicht im Gedächtnis bleiben kann von diesen heute angestellten so außerordentlich wichtigen Betrachtungen. Durch diese Betrachtungen nämlich zeigt sich so recht der Anteil Ahrimans und Luzifers an unserem Leben, zeigt sich, wie Luzifer und Ahriman zusammen arbeiten, damit wir nicht die Harmonie bekommen können zwischen Glauben und Wissen, sondern die unrichtige Zweiheit des wissenlosen Glaubens und des glaubeleeren Wissens.

Es ist eben durchaus falsch, wenn wir glauben, daß wir jemals Ahriman oder Luzifer entrinnen können. Richtig ist vielmehr, daß Ahriman und Luzifer wohl ihre Weltaufgabe haben, denn das Ganze, was da geschieht, das mußte ja geschehen; es mußte die Menschheit geführt werden so, wie es angedeutet worden ist; sie mußte eine Zeitlang geführt werden durch solch eine Strömung, die dann ihren Auslauf gefunden hat in dem, was gestern dargestellt worden ist: in dem allmählich sich abtötenden Wissen. Da wurden die Menschen in vorwiegender Weise so in die Welt hineingestellt, daß sie gewirkt hat dasjenige, was hier in diesem Tatbestand (Zeichnung c, Seite 179) vorgezeichnet ist. Und dem strömt entgegen, wie ich es gestern dargestellt habe, von Mitteleuropa aus eine Menschheit, die mehr

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daraufhin veranlagt worden ist, daß sie diesen Tatbestand entwickelt hatte. (Zeichnung b, Seite 179.)

Und durch das Zusammenwirken, Zusammentönen dieser beiden Menschheitsströmungen allein nur kann das lebendige Erfassen des Christus-Impulses stattfinden.

Denn es ist zugleich möglich, daß im Christus-Verständnisse, im Verständnisse des Christus-Impulses gewissermaßen auseinanderfallen diese beiden Strömungen und nicht miteinander zu rechnen haben. Nehmen wir einmal an, diese eine Strömung unterliegt, als von Europa ausgehende Strömung, der Anlage, von Ahriman während des Wachens überwältigt zu werden. Nehmen wir an, diese Strömung bildete sich besonders aus und strebte das Verständnis des Mysteriums von Golgatha an: dann bildete sie sich so aus, daß sie diejenigen Tatsachen, die mit dem äußeren Geschehen des Mysteriums von Golgatha zusammenhängen, ablehnt. Sie will nicht durch den physischen Leib hindurch. Indem sie von Ahriman überwältigt ist, will sie nicht eindringen in ein konkretes Erfassen dieses ganzen, großen kosmischen Ereignisses des Christus-Herabsteigens und so weiter. Sie will vielmehr durch das Innere des Menschen, durch das Ätherische im Menschen, sich anlehnen an den Jesus und gründet eine Jesulogie, eine Wissenschaft von Jesus; sie lehnt ab dasjenige, was hinausgreift in die Welt von dem Mysterium von Golgatha.

Das Überhandnehmen dieser (Zeichnung b) Strömung hat wenig Interesse an dem unmittelbaren Zusammenhang des menschlichen Inneren mit dem Menschen in Christus, mit dem Jesus; sie sieht vielmehr auf dasjenige, auf das sie gewohnt ist zu sehen: auf das abstrakte Erfassen dessen, was draußen im Kosmos wirkt. Es strebt diese Strömung nach einer Christologie. Jene Strömung sieht vorzugsweise auf Jesus, diese vorzugsweise auf Christus. Die Wahrheit kann man nur erkennen, wenn man den Jesus Christus oder den Christus Jesus als Einheit auffaßt, wie das die Geisteswissenschaft tut, welche die beiden Einseitigkeiten zu überwinden sucht. Sie ist sich ebenso klar darüber, daß es ein kosmisches Wesen gibt, den Christus, der vor dem Mysterium von Golgatha außerhalb der Erdensphäre war und durch das Mysterium von Golgatha in die Erdensphäre hereinkam

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und dadurch der ganzen menschlichen Entwickelung einen anderen Impuls gab, so daß ein irdisches Geschehnis aus dem Kosmos herein vorbereitet worden ist, und sich weiterhin vollzieht; aber ebenso klar ist es, daß dieses Geschehnis innig zusammenhängt mit dem Jesus von Nazareth. Das heißt, man muß sich klar darüber sein, daß der Christus, wie er vor dem Mysterium von Golgatha war, nicht hätte hereintragen können jenes kosmische Geschehen in das irdische Geschehen ohne den physischen Menschenleib des Jesus, und daß er daher durchgehen mußte durch das Mysterium von Golgatha. Es war das notwendig, es kam darauf an, daß der Christus in dem Jesus das erlebte, was er in dem Jesus erlebt hat.

Nicht auf den Jesus einseitig, nicht auf den Christus einseitig, sondern auf den Christus Jesus, auf den Christus im Jesus kommt es an. Das ist es. Das, was auf der Erde geschehen ist, ist nicht durch den Christus geschehen, sondern dadurch, daß der Christus in dem Jesus gelebt hat. Eine bloße Christologie ist ebenso unmöglich, wie eine bloße Jesulogie; sondern es ist einzig und allein möglich eine Geisteswissenschaft von dem Christus Jesus. Denn es gehört die Tatsache von dem Mysterium von Golgatha ganz notwendigerweise zu dem, was in die Erdenentwickelung hat hereintreten sollen.

Wenn also dasjenige geschehen soll, was vorgezeichnet ist durch das Mysterium von Golgatha: daß ein richtiges Verhältnis eintreten soll zwischen Luzifer und Ahriman in bezug auf das, was durch den Menschen in der Welt geschieht, dann muß erkannt werden, wie die beiden Mächte Luzifer und Ahriman im Menschen zusammenwirken. Bewußt muß sich der Mensch gegenüberstellen diesem Zusammenwirken. Und das wird er eben, wenn er durch die Geisteswissenschaft versucht, sich die beiden Strömungen zu charakterisieren und dadurch den Weg zu dem Christus Jesus zu finden.

Das ist auch dasjenige, was angedeutet werden soll in jenem Bildwerke, das an hervorragender Stelle unseres Baues, wie wir annehmen dürfen, einmal seine Stelle finden wird. Der Urmensch in der Mitte, das Ahrimanische und Luziferische an den Seiten. So daß man in der Art und Weise, wie die künstlerische Darstellung ist,

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einen unmittelbaren Ausdruck hat für dasjenige, was in der Zukunft der Menschheitsentwickelung sich abspielen soll anstelle dessen, was sich in der Vergangenheit abspielte mit Bezug auf die Trinität, die Dreiheit: Christus - Luzifer - Ahriman. Davon werden wir dann das nächste Mal weitersprechen.

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ZEHNTER VORTRAG Dornach, 31. Juli 1915

Es ist in der Tat schwer in unserer Zeit, richtig verstanden zu werden, wenn man aus den Quellen desjenigen heraus spricht, was wir in unserem Zusammenhange Geisteswissenschaft nennen.

Weniger habe ich heute zunächst im Auge die Schwierigkeit des Verstandenwerdens bei den Einzelnen, denen wir im Leben begegnen, als vielmehr bei den Kulturen, bei den verschiedenen Welt anschauungs-Gedanken und Gefühlsströmungen, denen wir in der heutigen Zeit gegenüberstehen.

Wenn wir das europäische Leben betrachten, so finden wir zunächst innerhalb desselben eine große Schwierigkeit dadurch erwachsen, daß dieses europäische Leben in dem Augenblicke, wo es aufrückt von dem bloßen Wahrnehmen durch die Sinne zum Denken über die Wahrnehmungen - und dieses Aufrücken muß ja jeder für sich in jedem Augenblicke des wachen Lebens besorgen -, daß, sage ich, dieses europäische Leben in seinem Gedankeninhalt selber im Grunde nicht fühlt, wie innig der Gedankeninhalt zusammenhängt mit demjenigen, was wir als Menschen sind.

Man denkt, man stellt vor, und man hat das Bewußtsein, daß man durch die Gedanken, die man sich bildet, durch die Vorstellungen, die man erlebt, etwas erfährt von der Welt, daß man gewissermaßen etwas wissen lernt von der Welt, daß eben die Vorstellungen etwas abbilden von der Welt. Dieses Bewußtsein hat man. Jeder, der über die Straße geht, hat ja das Gefühl, daß ihm dadurch, daß er die Bäume und so weiter anschaut, Vorstellungen aufleben> und daß diese Vorstellungen innere Repräsentanten sind desjenigen, was er wahrnimmt, daß er also durch die Vorstellungen gewissermaßen die Welt der äußeren Wahrnehmungen in sich aufnimmt und sie dann weiterlebt, diese Wahrnehmungen.

Daß daneben der Gedanke, das Denken überhaupt noch etwas Wesentliches ist in unserem inneren Selbst, in unserem inneren Selbst als Menschen, daß wir etwas tun, indem wir denken, daß das

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eine innere Tätigkeit ist, dieses Denken, eine innere Arbeit, das bringt man sich in den seltensten Fällen, man kann schon sagen, eigentlich gar nicht innerhalb der europäischen Weltanschauung so recht zum Bewußtsein.

Ich habe einmal hier darauf aufmerksam gemacht, daß jeder Gedanke noch etwas wesentlich anderes ist als dasjenige, als was man ihn gewöhnlich anerkennt. Man erkennt ihn an als ein Abbild von etwas äußerlich Wahrnehmbarem. Aber man erkennt ihn nicht an als Formbildner, als Gestalter. Jeder Gedanke, der in uns auftaucht, ergreift gewissermaßen unser inneres Leben und hat Teil zunächst,so lange wir wachsen, an unserem ganzen Aufbauen als Menschen. Er hatte schon Anteil an unserem Aufbau, bevor wir überhaupt geboren worden sind, und gehört zu den bildenden Kräften unserer Natur. Er arbeitet immer weiter und er stellt immer wieder und wie der das her, was abstirbt in uns. Also es ist nicht nur so, daß wir au- ßerhalb unsere Vorstellungen wahrnehmen, sondern wir arbeiten immer als denkende Wesen, wir arbeiten durch das, was wir vorstellen, immerfort neu an unserer Gestaltung und Bildung.

Geisteswissenschaftlich angesehen erscheint jeder Gedanke so ähnlich wie ein Kopf mit etwas wie einer Fortsetzung nach unten, so daß wir mit jedem Gedanken eigentlich in uns einschachteln etwas wie ein Schattenbild von uns selber; nicht ganz ähnlich mit uns, aber so ähnlich wie ein Schattenbild. Dieses Schattenbild von uns selber muß in uns hineingeschachtelt werden, denn es geht fortwährend von uns etwas verloren, etwas zugrunde; es bröckelt ab in Wirklichkeit. Und das, was so da der Gedanke in uns als Menschengestalt hineinschachtelt, das erhält uns überhaupt bis zu unserem Tode hin. Also der Gedanke ist zugleich eine richtige innere Tätigkeit, ein Bauen an uns selber.

Diese letztere Erkenntnis hat man innerhalb der abendländischen Weltanschauung fast gar nicht. Man verspürt nicht, man fühlt nicht in seinem Gemüte, wie einen der Gedanke ergreift, wie er sich wirklich in uns ausbreitet. Ein Mensch, der atmet, fühlt noch ab und zu, obwohl er meist jetzt auch darauf nicht mehr achtet, daß der Atem sich in ihm ausbreitet, daß der Atem etwas zu tun hat mit seinem

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Wiederaufbau, mit seiner Regeneration. So ist es auch mit dem Gedanken. Aber da fühlt es der europäische Mensch schon kaum mehr, daß der Gedanke eigentlich bestrebt ist, fortwährend Mensch zu werden oder, besser gesagt, Menschengestalt zu bilden.

Ohne dies Erfühlen von solchen Kräften, die in uns sind, kommen wir aber kaum dazu, wirklich ein richtiges Verständnis, ein inneres Gefühls- und Lebensverständnis dessen zu gewinnen, was die Geisteswissenschaft will. Denn sie arbeitet eigentlich gar nicht in dem, was der Gedanke uns liefert, indem er ein Äußeres ab bildet, sondern sie arbeitet in diesem Lebenselemente des Gedankens, in diesem fortwährenden Gestalten des Gedankens.

Es war schon seit Jahrhunderten deshalb, weil der europäischen Menschheit dieses zuletzt charakterisierte Bewußtsein immer mehr abhanden kam, recht schwierig, von Geisteswissenschaft zu sprechen, respektive verstanden zu werden, wenn man davon sprach. In der morgenländischen Weltanschauung ist dieses Gefühl, das ich eben ausgesprochen habe gegenüber dem Gedanken, in einem hohen Maße vorhanden. Es ist wirklich in einem hohen Maße vorhanden; mindestens ist das Bewußtsein vorhanden, daß man dieses Gefühl vom inneren Erleben des Gedankens suchen muß. Daher die Neigung der Morgenländer zum Meditieren; denn das Meditieren soll ja sein ein solches Sich-Hineinleben in die Gestaltungskräfte des Gedankens, soll werden ein Gewahrwerden des lebendigen Fühlens des Gedankens. Daß der Gedanke in uns etwas tut, sollte man gewahr werden während des Meditierens. Daher finden wir solche Aussprüche im Morgenlande wie: Im Meditieren Einswerden mit dem Brahma, mit dem Gestaltenden der Welt. Dieses Bewußtsein, daß man mit dem Gedanken, wenn man sich recht in ihn einlebt, nicht nur etwas in sich hat, nicht nur selber denkt, sondern sich ein- lebt in die Gestaltungskräfte der Welt, das wird in der morgenländischen Weltanschauung gesucht. Aber es ist erstarrt, erstarrt aus dem Grunde, weil die morgenländische Weltanschauung es versäumt hat, sich ein Verständnis anzueignen für das Mysterium von Golgatha.

Zwar ist die morgenländische Weltanschauung - und davon werden wir noch sprechen - in hohem Grade geneigt, sich hineinzuleben

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in die Gestaltungskräfte des Gedankenlebens, aber sie lebt sich doch dabei ein in ein ersterbendes Element, sie lebt sich ein in ein Gewebe von abstrakten, unlebendigen Vorstellungen. So daß man sagen könnte: Während das richtige Einleben darinnen besteht, daß man das Leben der Gedankenwelt erlebt, lebt sich die morgenländische Weltanschauung ein in eine Nachbildung des Lebens der Gedanken. Man sollte sich so einleben in die Gedankenwelt, wie wenn man sich hineinversetzt in ein lebendiges Wesen. Aber es ist ein Unterschied zwischen einem lebendigen Wesen und dem Nachgemachten eines lebendigen Wesens, nehmen wir an, einer Nachahmung aus Papiermache`. Die morgenländische Weltanschauung lebt sich nicht in das lebendige Wesen hinein, weder Brahmanismus, noch Buddhismus, noch das Chinesentum, noch das Japanertum; sondern sie leben sich hinein in etwas, was man bezeichnen kann wie eine Nachahmung der Gedankenwelt, wie in etwas, das sich so verhält zu der lebendigen Gedankenwelt, wie der aus Papiermache` nachgemachte Organismus zum lebendigen Organismus.

Das ist also das Schwierige sowohl im Abendlande auf der einen Seite, wie auf der anderen Seite im Morgenlande. Man wird im Abendlande weniger verstanden, weil man da überhaupt nicht viel Bewußtsein von diesen lebendigen Gestaltungskräften des Gedankens hat; im Morgenlande wird man nicht richtig verstanden, weil man da nicht so recht ein Bewußtsein hat von der Lebendigkeit der Gedanken, sondern nur von dem toten Nachgemachten, von dem steifen, im Abstrakten Webenden der Gedanken.

Nun brauchen Sie sich nur klarzumachen, woher das, was ich jetzt eben auseinandergesetzt habe, eigentlich kommt. Sie erinnern sich wohl alle an die Darstellung der Mondenentwickelung, die gegeben worden ist in meinem Buche «Geheimwissenschaft». Der Mensch hat ja in seiner eigenen Entwickelung richtig mitgemacht alles das, was sich zugetragen hat als Saturn-, Sonnen- und Mondentwickelung, und er macht weiter zurzeit das hier mit, was sich zuträgt als Erdenentwickelung. Wenn Sie sich erinnern an die Mondentwickelung, wie sie dargestellt ist in meiner «Geheimwissenschaft», so werden Sie darauf kommen, daß damals während der Mondentwickelung

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stattgefunden hat das Loslösen des Mondplaneten von der Sonne. Das trat da zum ersten Male in ausgesprochener Weise auf. So daß ein solches Loslösen wirklich stattfand. Wir können also sagen: Während vorher in gewissem Sinne da war ein Ineinander-Geschachteltsein der planetarischen Welt, war bei der Loslösung des Mondes von der Sonne der vorirdischen Zeit ein Nebeneinander-Laufen, ein zeitweiliges Nebeneinander-Laufen der Mondenentwickelung und der Sonnenentwickelung da. Ein solches Losgelöstsein war da.

Dieses Losgelöstsein hat, wie Sie ersehen können aus der «Geheimwissenschaft», eine große Bedeutung. Der Mensch hätte, so wie er jetzt ist, nicht entstehen können, wenn diese Loslösung nicht stattgefunden hätte. Aber auf der anderen Seite ist mit jedem solchen Vorgange das Hereinkommen einer Einseitigkeit in unsere Entwickelung innig verknüpft. Es ist so gekommen, daß gewisse Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, die also während der Mondentwickelung Menschen waren, dazumal, man könnte sagen, sich geweigert haben, sich antipathisch gezeigt haben gegen das WiederZusammengehen mit der Sonne. Der Mond trennte sich also ab, und bei dem späteren Wieder-Zusammengehen mit der Sonne haben sie sich geweigert, diesen Schritt mitzumachen, wieder zusammenzugehen mit der Sonne.

Alles luziferische Zurückbleiben beruht ja auf einem solchen Nicht-Mitmachen späterer Entwickelungsphasen; und so ist ein Teil des Luziferischen darin begründet, daß solche Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, die damals Menschen waren, nicht mitmachen wollten das Wieder-Zusammengehen mit der Sonne im letzten Teile der alten Mondenzeit. Gewiß, sie mußten ja wieder herunter> aber in ihrem Gemüte, in ihrem Inneren, haben sie sich die Sehnsucht für das Mondendasein erhalten. Sie waren dann deplaciert; sie waren nicht weiter zu Hause in der eigentlichen Entwickelung, sie fühlten sich eigentlich als Mondwesen. Darin bestand ihr Zurückgebliebensein. Diese Art von Wesen gehörte natürlich auch zu der Schar von luziferischen Wesen, die dann in ihrer weiteren Entwickelung gewissermaßen auf unsere Erde heruntergestiegen sind. Die leben auch in uns in der Art, wie ich es in einem der letzten Vorträge angedeutet

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habe. Und diese sind es, welche gewissermaßen in unserm Denken des Abendlandes nicht heraufkommen lassen das Bewußtsein, daß dieses Denken ein innerlich lebendiges ist. Sie wollen es mondenhaft erhalten, abgetrennt von dem inneren Lebenselemente, das mit dem Sonnenhaften zusammenhängt; sie wollen es in der Lostrennung er- halten. Und sie wirken dahin, daß man ins Bewußtsein hineinbekommt nicht ein Gefühl: das Denken hängt mit der inneren Gestaltung zusammen -, sondern ein Gefühl, wie wenn das Denken nur mit dem Äußeren zusammenhinge, eben mit dem, was losgetrennt ist. So daß sie für das Denken ein Gefühl hervorrufen: man kann nur abbilden mit dem Denken das Äußere, man kann nicht ergreifen das innerlich Gestaltende, Lebendige, man kann nur Äußeres ergreifen. Sie verfälschen also unser Denken.

Das war eben das Karma der abendländischen Menschheit, gerade Bekanntschaft zu machen mit diesen Geistern, die in dieser Form das Denken verfälschen, das Denken verändern, veräußerlichen, die bestrebt sind, ihm den Stempel aufzudrücken, als ob es nur dienen könnte, das Äußere abzubilden und nicht das innerlich Lebendige zu erfassen. Dem Karma der morgenländischen Bevölkerung war es beschieden, verschont zu bleiben von dieser Art luziferischer Elemente. Daher blieb ihr mehr das Bewußtsein, im Denken das innerlich Formende, Gestaltende des Menschen zu suchen, das ihn im Inneren Vereinigende mit der lebendigen Gedankenwelt des Universums. Den Griechen war es auferlegt, den Übergang zu bilden zwischen dem einen und dem anderen.

Die Morgenländer haben, weil sie mit jenem luziferischen Elemente, das ich eben charakterisiert habe, wenig Bekanntschaft geschlossen haben, keine rechte Ahnung davon, daß man auch in Zusammenhang kommen kann mit dem Lebendigen des Denkens über das Äußere. Es ist bei ihnen immer wie aus Papiermache` dasjenige, mit dem sie da zusammenkommen; sie haben wenig Verständnis, das Denken auf das Äußere anzuwenden. Es muß schon Luzifer mitwirken in der Tätigkeit, die ich Ihnen eben charakterisiert habe, damit der Mensch die Neigung bekommt, auch über die äußere Welt nachzudenken. Dann ist es aber gleich so wie beim Pendelausschlag,

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der nach der einen Seite hingeht: er versteift sich auf diese Tätigkeit nach dem Äußeren. Das ist überhaupt die Eigentümlichkeit alles Lebens: daß es einmal nach der einen und einmal nach der anderen Seite ausschlägt. Ausschlagen muß sein, aber man muß wieder den Rückweg finden von dem einen zum anderen, von dem Morgenländischen zu dem Abendländischen. Die Griechen sollten finden den Übergang von dem Morgenländischen zu dem Abendländischen. Das Morgenländische würde ganz in steife Abstraktionen verfallen sein - ist es ja auch zum Teil -, die sogar von manchen Menschen geliebt werden, wenn das Griechentum nicht eingegriffen hätte in die Welt. Wenn wir rein auf dem aufbauen, was wir jetzt betrachtet ha- ben, so werden wir im Griechentum die Tendenz finden, innerlich gestalthaft, lebendig zu machen den Gedanken.

Nun, verfolgen Sie sowohl die griechische Literatur wie die griechische Kunst, so werden Sie überall finden, wie der Grieche danach strebt, aus seinem inneren Erleben die menschlichen Formen herauszubringen, sowohl in der Plastik wie in der Dichtung, ja sogar in der Philosophie. Wenn Sie sich bekanntmachen mit der Art und Weise, wie noch Plato versuchte, nicht eine abstrakte Philosophie zu begründen, sondern Menschen hinzustellen, die miteinander sprechen, die ihre Ansichten austauschen, so daß eben nicht eine Weltanschauung dasteht bei Plato - wir haben ja bei ihm nur Gespräche -, sondern Menschen, die sich aussprechen, die Gedanken äußern, in denen der Gedanke menschlich wirkt, so werden Sie das bestätigt finden. Also wir haben es bis in die Philosophie hinein so, daß der Gedanke sich nicht abstrakt ausspricht, sondern sich verkleidet gleichsam in dem ihn vertretenden Menschen.

Wenn man so Sokrates sprechen sieht, kann man nicht von Sokrates auf der einen Seite und von sokratischer Weltanschauung auf der anderen Seite sprechen. Das ist Eins, eine Einheit. Man könnte sich in Griechenland nicht denken, daß, meinetwillen wie ein moderner Philosoph, einer in Griechenland aufgetreten wäre, der eine abstrakte Philosophie begründet hätte, der sich hinstellt vor die Menschen und sagt: Das ist nun die richtige Philosophie. - Das wäre unmöglich, das wäre nur bei einem modernen Philosophen möglich, denn

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dies ruht ja im Geheimen bei jedem modernen Philosophen. Der Grieche Plato aber, der stellt den Sokrates hin als die verkörperte Weltanschauung, und man muß sich denken, daß die Gedanken von Sokrates nicht so ausgesprochen werden wollen, als ob man bloß die Welt erkennt, sondern daß sie in Gestalt des Sokrates herumgehen und sich so zu den Menschen verhalten, wie er sich eben verhält. Und dieses Element, die Gedanken zu vermenschlichen, gleichsam in das äußere Formenhafte, Gestaltenhafte zu gießen, das ist das gleiche bei den Homerischen, bei den Sophokleischen, bei allen dichterischen Figuren, und ist das gleiche bei allen plastischen Figuren, die das Griechentum geschaffen hat. Deshalb sind die plastischen Götter der griechischen Bildhauerei so menschlich, weil das hineingegossen ist, was ich eben ausgesprochen habe.`

Das ist zu gleicher Zeit ein Hinweis darauf, wie die Entwickelung der Menschheit in geistiger Beziehung danach strebte, gleichsam aus dem Gedanklichen des Kosmos heraus zu erfassen das Lebendige des Menschen und es dann zu gestalten. Deshalb erscheinen uns diese griechischen Kunstwerke - Goethe haben sie ja in eminentem Sinne so geschienen - als etwas, was in seiner Art kaum mehr zu erhöhen, kaum zu vervollkommnen ist, weil man zusammengefaßt hat all das, was einem geblieben ist aus der alten Uroffenbarung an lebendig wirkenden und webenden Gedanken, die man da in die Form ausgegossen hat. Es war gleichsam das Bestreben, all das, was man als den Gedanken von innen heraus finden konnte, zusammenzuziehen zu der menschlichen Gestalt, die im Griechentum Philosophie, Kunst, Plastik geworden ist (Zeichnung a, Seite 198).

Eine andere Aufgabe hat die neuere Zeit, die Gegenwart, eine völlig andere Aufgabe. Jetzt hat man die Aufgabe, gewissermaßen das, was im Menschen ist, dem Weltall wieder zurückzugeben (Zeichnung b). Es hat alle vorgriechische Entwickelung dahin geführt, zusammenzunehmen das, was man aus der Welt heraus gewissermaßen über das Lebendige der Form des Menschen entdecken konnte, um das zusammenzufassen. Das ist das unendlich Große der griechischen Kunst, daß eigentlich die ganze Vorwelt in ihr zusammengefaßt und gestaltet ist. Jetzt haben wir die Aufgabe, umgekehrt den

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Menschen, der unendlich vertieft worden ist durch das Mysterium von Golgatha, der in seiner kosmischen Bedeutung innerlich erfaßt worden ist, wieder dem Universum zurückzugeben.

#Bild S. 198

Sie müssen sich nur wirklich ganz in die Seele einschreiben, daß diese Griechen die christliche Anschauung von dem Mysterium von Golgatha eben nicht hatten, daß bei ihnen alles aus der kosmischen Weisheit heraus zusammeniloß. Und nun denken Sie sich diesen ungeheuren, wirklich unermeßlichen Fortschritt in der Entwickelung der Menschheit dadurch, daß die Wesenheit, die früher vom Kosmos draußen gewirkt hat> die man so aus dem Kosmos heraus erkennen mußte> und darnach auf dem irdischen Schauplatze in der Form ausdrücken konnte, daß die nun aus dem Kosmos heraus in die Erde hineingeht, selber Mensch wird, in der Menschenentwickelung weiterlebt.

Das, was man gesucht hat in der vorchristlichen Zeit draußen im Kosmos> das kam jetzt herein in die Erde, und das, was man in die Form ausgießen konnte, das ist jetzt in der Menschenentwickelung selber darinnen (Zeichnung c). Natürlich - ich habe es deshalb mit Punkten angedeutet: es wird noch nicht richtig erkannt, es wird noch nicht richtig erfühlt; aber es lebt in den Menschen, und die Menschen haben die Aufgabe, es nach und nach wiederum zurückzugeben dem Kosmos. Das können wir uns ganz konkret vorstellen,

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dieses Zurückgeben desjenigen an den Kosmos, was wir durch den Christus empfangen haben. Wir müssen uns nur nicht sträuben gegen dieses Zurückgeben.

#Bild S. 199

Man kann wirklich eng sich anklammern an das wunderbare Christus-Wort: «Ich bin bei Euch alle Tage bis an das Ende der Erdenzeit.» Das heißt, was Christus uns zu offenbaren hat, ist nicht erschöpft mit dem, was im Evangelium steht. Er ist nicht als ein Toter unter uns, der einmal das, was er auf die Erde bringen wollte, in die Evangelien hinein hat ausgießen lassen, sondern er ist als ein Lebendiger darinnen in der Erdenentwickelung. Und wir können uns mit unserer Seele zu ihm durcharbeiten. Dann offenbart er sich uns gerade so, wie er sich den Evangelisten geoffenbart hat. Das Evangelium ist dann nicht etwas, was einmal dagewesen ist und dann versiegte, das Evangelium ist dann eine fortwährende Offenbarung. Man steht gewissermaßen immer dem Christus gegenüber und erwartet, zu ihm aufschauend, aufs Neue die Offenbarung.

Gewiß hat derjenige - sei er nun gewesen, wer auch immer -, der da gesagt hat: Noch vieles hätte ich zu schreiben, aber alle Bücher der Welt könnten es nicht fassen -, gewiß hat er unendlich Recht gehabt, denn hätte er alles schreiben wollen, was er hätte schreiben können, so hätte er schreiben müssen, was sich erst im Laufe der

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Menschheitsentwickelung aus dem Christus-Ereignisse nach und nach ergeben wird. Er wollte darauf hinweisen: Wartet nur, wartet nur! Es wird schon das kommen, was alle Bücher der Welt nicht fassen können. Wir haben den Christus gehört, aber die Nachgeborenen werden ihn auch weiter hören, und so empfangen wir fortdauernd, fortwährend diese Christus-Offenbarung. - Diese ChristusOffenbarung empfangen heißt: Von Ihm Aufschluß erlangen über die Welt. Und dies Empfangene müssen wir wiederum aus dem Zentrum des Gemüts dem Kosmos zurückgeben.

Daher dürfen wir das, was wir als Geisteswissenschaft erhalten haben, auffassen als lebendige Christus-Offenbarung. Er ist es, der uns wiederum sagt, wie die Erde entstanden ist, wie es sich mit der Menschennatur verhält, was die Erde für Zustände durchgemacht hat, bevor sie Erde geworden ist. Alles das, was wir als Kosmologie haben, was wir der Welt wieder zurückgeben, all das offenbart Eruns. In dieser Stimmung sich fühlen, von dem Christus gleichsam innerlich geistig den zusammengezogenen Kosmos zu empfangen und ihn so wie man ihn empfängt, verständnisvoll der Welt zuzuweisen, 50 daß man nicht mehr hinaufschaut nach dem Monde und ihn anglotzt als eine große Kegelkugel, mit der mechanische Kräfte Kegel geschoben haben im Weltall und die von diesen Unregelmäßigkeiten Runzeln bekommen hat und dergleichen, sondern erkennt, was er anzeigt, wie er zusammenhängt mit der Christus- und JahveNatur und so weiter: das ist die fortwährende Offenbarung des Christus. Wir müssen wiederum an die Außenwelt zuteilen das, was wir von ihm empfangen. Es ist zunächst ein Erkenntnisprozeß. Mit einem Erkenntnisprozeß fängt es an, später werden es schon andere Prozesse sein. Es werden Gemütsprozesse, Gefühlsprozesse sich ergeben, die von uns ausgehen und sich hinaus ergießen in den Kosmos; die werden daraus entstehen.

Aber noch ein anderes ersehen Sie aus dem, was ich eben auseinandergesetzt habe. Wenn Sie diesen Gang betrachten (Zeichnung a, Seite 201), wo man aus dem Kosmos herein zusammengefaßt hat, ich möchte sagen, die Bestandstücke des Menschen, die dann in der griechischen Weltanschauung, in der griechischen Kunst zusammen-

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geflossen sind zu dem ganzen Menschen, so werden Sie sehen: die Menschheitsentwickelung strebte im Griechentum nach plastischer Gestaltung, nach bildhafter Gestaltung; und das, was das Griechentum erlangt hat an bildhafter Gestaltung, können wir in der Tat nicht wiederum nachmachen. Wenn wir es nachahmen, so wird nichts Rechtes daraus. Das ist also ein gewisser Höhepunkt in der Menschheitsentwickelung. Man kann nämlich sagen: Die Menschheitsströmung strebt im Griechentum in der Plastik nach Konzentration aus der gesamten vorgriechischen Menschheitsentwickelung herein.

#Bild S. 201

Wenn man dagegen das nimmt, was hier geschieht (Zeichnung b), was jetzt zu geschehen hat, so ist es, ich möchte sagen, ein Aufteilen der Bestandstücke des Menschen an den Kosmos. Sie können das bis in Einzelheiten verfolgen. Wir teilen unseren physischen Leib dem Saturn zu, den Ätherleib der Sonne, den Astralleib dem Monde, unsere Ich-Gestaltung der Erde. Also wir teilen wirklich auf, wir teilen den Menschen wiederum auf in die Welt; und so können Sie sehen: der ganzen Komposition der Geisteswissenschaft liegt ein Aufteilen, ein Wieder-in-Bewegung-Bringen dessen, was im Menschen konzentriei`t ist, zugrunde. Die Grundstimmung dieser neuen Weltanschauung (Zeichnung b) ist eine musikalische, die Grundstimmung der alten

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Welt (a) war eine plastische. Die Grundstimmung der neueren Zeit ist richtig musikalisch, die Welt wird auch immer musikalischer werden. Und wissen, wie man in der richtigen Art darinnen steht in dem, wonach die Menschheitsentwickelung strebt, heißt wissen, daß man nach einem musikalischen Elemente streben muß, daß man nicht wiederholen darf das alte plastische Element, sondern daß man nach einem musikalischen Elemente zu streben hat.

Ich habe öfter erwähnt, daß an einen wichtigen Platz unseres Baues hingestellt sein wird eine Urmenschen-Gestalt, die man auch als den Christus ansprechen kann, und die auf der einen Seite Luzifer, auf der anderen Seite Ahriman haben wird. Das, was im Christus konzentriert ist, nehmen wir heraus und teilen es in Luzifer und Ahriman wieder auf, insofern es aufzuteilen ist. Wir machen das, was plastisch zusammengeschweißt wurde in die einzige Gestalt, musikalisch, indem wir es gleichsam zu einer Melodie machen: Christus-Luzifer-Ahriman.

Nach diesem Prinzip ist wirklich unser ganzer Bau geformt. Unser ganzer Bau trägt das besondere Grundgepräge in sich: die plastischen Formen in musikalische Bewegung zu bringen. Das ist sein Grundcharakter. Wenn Sie nicht vergessen, daß, indem man so etwas andeutet, man niemals hochmütig werden soll, sondern hübsch demütig bleiben soll, und wenn Sie beachten, daß mit dem, was mit diesem Bau getan ist, die unvollkommensten ersten Schritte getan worden sind, so werden Sie nicht mißverstehen, was mit all den Aussprüchen, die ich über den Bau tue, gemeint ist. Selbstverständlich ist nicht gemeint, daß irgend etwas von dem, was uns als fernes Ideal vorschwebt, auch nur im Allerentferntesten erreicht ist; aber ein Anfang soll damit gewollt sein, könnte man sagen. Mehr will damit auch nicht gesagt sein, als daß ein Anfang gewollt sein soll.

Aber wenn Sie diesen Anfang vergleichen mit dem, was eine gewisse Vollendung im Griechentum erlebt hatte, mit der unendlichen Vervollkommnung des plastischen Prinzipes, ich will sagen, in den griechischen Gestalten der Athene und anderer, oder wie es sich in der Architektur auslebt in der Akropolis und dergleichen, wenn Sie diese Vollendung mit dem Anfang vergleichen, so werden Sie neben

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allem übrigen einen polarischen, einen radikalen Unterschied finden. Dort im Griechentum strebt alles nach dem Einfrieren in der Form, nach dem Festwerden in der Form. Solch eine Akropolis oder eine griechische Plastik, sie stehen da, um ewig eigentlich in dieser Form erstarrt stehen zu bleiben, um den Menschen ein Bild dessen zu bewahren, was die Schönheit der Form sein kann.

Solch ein Werk wie unser Bau ist, es wird, auch wenn es einmal vollkommener ausgestaltet sein wird, immer dastehen so, daß man eigentlich sagen kann: man wird dadurch eigentlich immer angeregt, diesen Bau als solchen zu überwinden, um durch seine Formen hin- auszukommen ins Unendliche. Diese Säulen und namentlich die Formen, die sich an die Säulen anschließen, und selbst dasjenige, was gemalt und gebildet wird, es ist alles dazu da, um sozusagen die Wände zu durchbrechen, um zu protestieren dagegen, daß da Wände stehen, und um die Formen aufzulösen, ich möchte sagen, in einer ätherischen Lauge aufzulösen, so daß sie einen hinausführen können in die Weiten der kosmischen Gedankenwelt.

Man wird diesen Bau richtig empfinden, wenn man das Gefühl hat: dieser Bau, wenn man ihn betrachtet, löst sich auf, er überwindet seine eigenen Grenzen; alles, was da sich zu Wänden bildet, das will eigentlich hinaus in die Weiten der Welt. Dann hat man das richtige Gefühl. Mit einem griechischen Tempel fühlt man so, daß man am liebsten immer mehr eins werden möchte mit dem, was da fest durch die Wände umschlossen ist und mit dem, was nur durch die Wände herein kann. Hier bei unserem Bau wird man eigentlich das Gefühl haben: Wenn diese Wände doch nur nicht so genierlich da wären, denn sie wollen an jedem Platze, den sie darbieten, eigentlich durchbrochen werden und weiter hineinführen in die Welt des Kosmos. So sollte eben dieser Bau aus den Aufgaben unserer Zeit heraus gebildet werden, wirklich aus den Aufgaben unserer Zeit heraus.

Nachdem wir jahrelang gesprochen haben nicht nur über die Gegenstände der Geisteswissenschaft, sondern auch gesprochen haben miteinander so, wie man gesinnungsmäßig dasjenige meint, was durch die Geisteswissenschaft zum Ausdruck gebracht wird, so

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kann es auch verstanden werden, daß dann, wenn man über dieses oder jenes in der Welt etwas Abfälliges sagt, man es gar nicht absolut abfällig, absolut tadelnd meint, sondern daß man die scheinbar tadelnden Worte gebraucht, um Tatsachen zu charakterisieren in dem richtigen Zusammenhange.

Wenn man daher, ich will sagen, im Zusammenhang mit dem Gesprochenen einer welthistorischen Persönlichkeit Vorwürfe macht, so ist das nicht so gemeint, wie wenn man damit zugleich erklären wollte, daß man, wenigstens in seinem Urteil gegenüber dieser Per- sönlichkeit, so eine Art Scharfrichter sein möchte, der ihr, geistig gemeint, den Kopf abschlägt, indem man ein Urteil ausspricht. Moderne Kritiker sind so; aber derjenige, welcher von geisteswissenschaftlicher Gesinnung durchdrungen ist, ist nicht so. In dem Sinne, der durch diese Worte angedeutet ist, nehmen Sie, bitte, auch das, was ich jetzt zu sagen habe.

Es mußte einmal gewissermaßen ein Einschnitt in der Menschheitsentwickelung gemacht werden; es mußte gewissermaßen einmal gesagt werden: Nun hat es ein Ende mit dem, was da von alten Zeiten bis jetzt heraufgekommen ist; es muß etwas Neues beginnen. - Er ist nicht auf einmal gemacht worden, dieser Einschnitt; er ist so- gar in mehreren Etappen gemacht worden. Aber er tritt uns in der Geschichte ganz deutlich entgegen. Nehmen Sie einmal eine solche Persönlichkeit der Geschichte wie den römischen Kaiser Augustus, also denjenigen Herrscher Roms, dessen Herrschaft zusammenfiel mit dem Aufleben der Strömung, die wir herleiten von dem Mysterium von Golgatha. Es ist heute auch schon schwierig, den Menschen ganz klarzumachen, worin das ganz wesentlich Neue bestand, das durch den Kaiser Augustus in die abendländische Entwickelung hineinkam gegenüber dem, was bis dahin unter dem Einfluß der römischen Republik in dieser abendländischen Kultur drinnen war.

Man muß eben doch zu Begriffen greifen, die heute den Menschen wenig geläufig sind, wenn man so etwas auseinandersetzen will.

Wenn man Geschichtsbücher liest, welche die Zeit der römischen Republik bis zur Kaiserzeit darstellen, da hat man so das Gefühl, daß die Geschichtsschreiber heute so schreiben, als wenn sie die Art,

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wie die römischen Konsuln und römischen Tribunen wirkten, ungefähr so sich dächten, wie das Wirken eines Präsidenten einer modernen Republik. Viel Unterschied herrscht ja nicht, wenn Niebuhr oder Mommsen über die römische Republik oder wenn sie über eine moderne Republik sprechen, weil man heute alles durch die Brille dessen sieht, was man eben unmittelbar in seiner eigenen Umgebung hat. Man kann sich nicht vorstellen, daß dasjenige, was ein Mensch in weiter zurückliegenden Zeiten empfand und dachte, auch empfand gegenüber dem öffentlichen Leben, etwas ganz anderes war, als was der heutige Mensch empfindet. Es war aber etwas radikal anderes, und man versteht die römische republikanische Zeit wirklich nicht, wenn man sich nicht einen gewissen Begriff verschafft, der lebendig war in der Auffassung des alten republikanischen Römers, den er herübergenommen hat aus der Zeit, die man als die römische Königszeit bezeichnet.

Die alten Könige, von Romulus bis Tarquinius Superbus, die waren für den alten Römer wirklich Wesenheiten, die innig zusammenhingen mit dem Göttlichen, mit der göttlich-geistigen Weltregierung. Und nicht anders konnte der alte Römer der Königszeit die Bedeutung seines Königs begreifen als dadurch, daß er sich vorstellen konnte: bei jedem Geschehen liegt etwas Ähnliches vor wie bei Numa Pompilius, dem römischen König, der zur Nymphe Egeria ging, um zu wissen, was er zu tun habe. Von den Göttern, respektive aus dem Geisterlande empfing man die Inspirationen für das, was man auf der Erde zu tun hatte. Das war ein lebendiges Bewußtsein. Die Könige waren die Brücke zwischen dem, was auf der Erde geschah, und dem, was die Götter aus der geistigen Welt heraus mit der Erde wollten.

So war auf das öffentliche Leben ausgedehnt dasjenige, was ein Gefühl in der alten Weltanschauung überhaupt war: das, was der Mensch in der Welt wirkt, hängt zusammen mit dem, was aus dem Kosmos herein ihn gestaltet, so daß fortwährend Einströmungen aus dem Kosmos geschehen. Man machte nicht Halt bei der Menschheitsregierung. So wie man, wenn man Plato war, sich sagte: Was der Mensch wissen kann, existiert nicht dadurch, daß er es in seiner

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Seele ausziseliert als Begriffe, sondern dadurch, daß er es als Ausfluß der göttlichen Wesenheiten bekommt. - So sagte man sich auch im alten Rom nicht, ein Mensch regiert die anderen Menschen, sondern man sagte: Die Götter regieren den Menschen, und derjenige, welcher da äußerlich in Menschengestalt regiert, der ist nur das Gefäß, in das die Impulse der Götter hineinfließen. - Das war aber noch übergegangen bis in die Zeiten der römischen Republik auf die Konsul-Würde. Die Konsul-Würde ist in der alten Zeit nicht etwa jenes, ich möchte sagen, bürgerliche Element, als das sich etwa eine heutige Staatsregierung immer mehr oder weniger bildet, sondern der Römer hatte wirklich den Gedanken, das Gefühl, die lebendige Empfindung: Der kann nur Konsul sein, der noch den Sinn offen hat für das, was die Götter in die Menschheitsentwickelung hineinfließen lassen wollen.

Daß man das immer weniger glauben konnte, als die Republik vorschritt und als die großen Diskrepanzen und Streitigkeiten in der Republik kamen, das führte gerade dazu, daß die römische Republik nicht weiter bestehen konnte. Es war das etwa so. Man dachte sich, wenn die Republik eine Bedeutung in der Welt haben soll, so müssen die Konsuln gewissermaßen doch göttlich inspirierte Menschen sein; sie müssen das heruntertragen, was von den Göttern kommt.

Wenn man sich aber die späteren Konsuln der Republik ansah, so konnte man sich sagen: Die Kerle sind nicht mehr die richtigen Werkzeuge für die Götter. - Damit hängt aber auch zusammen, daß man nicht mehr so fühlen, lebendig fühlen konnte für die Berechtigung der Republik. Nun lag natürlich die Entwickelung eines solchen Gefühls hinter dem offenbaren Bewußtsein der Menschen. Das lag sehr stark im Unterbewußten und war im Bewußtsein nur bei den sogenannten Eingeweihten. Die Eingeweihten wußten in diesen Dingen völlig Bescheid. Wer daher auch in der späteren romischen Republik meinetwillen noch ein gewöhnlicher, materialistisch denkender Durchschnittsbürger war, der sagte: Na, der Konsul, der gefällt mir nicht, der ist gewiß kein göttliches Instrument! - Der Eingeweihte würde das nie zugegeben haben, er würde gesagt haben: Er ist trotzdem ein göttliches Instrument; nur mit der fortschreiten

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den Entwickelung kann die göttliche Inspiration immer weniger in die Menschheit hinein. Die menschliche Entwickelung nimmt eine solche Gestalt an, daß immer weniger das Göttliche hereinkommen kann.

Und so kam es, daß, als ein Eingeweihter, ein wirklich Eingeweihter auftrat, der das alles durchschaute, er sich sagen mußte: So können wir es nicht mehr weiter machen! Wir müssen jetzt an ein anderes göttliches Element appellieren, das mehr den Menschen entzogen ist. - So, wie sich die Menschen äußerlich, moralisch und so weiter entwickelt hatten, so konnte man denen, die Konsuln wurden> nicht mehr zutrauen, daß nun wirklich da, wo der Mensch sich durch seine eigene Entwickelung entgegenstellt dem Göttlichen, das Göttliche noch hereinkam. Daher kam man dazu, gleichsam das Hereinströmen des Göttlichen herabzudrücken auf ein Gebiet, das mehr den Menschen entzogen war. Das sah Augustus, der bis zu einem gewissen Grade ein in diese Geheimnisse Eingeweihter war, wohl ein. Daher war es sein Bestreben, die göttliche Weltregierung zu entziehen dem, was die Menschen bisher hatten, und zurückzugehen auf das, wo die Götter noch unbewußter wirken, also darauf hinzuarbeiten, daß bei der Erteilung der Konsul-Würde das Erblichkeitsprinzip in Betracht gezogen würde. Er war bestrebt, die Konsuln nicht mehr so zu wählen, wie sie bis dahin gewählt wurden, sondern so> daß die Würde durch das Blut weitergepflanzt werde, so daß dadurch die Fähigkeit weitergepflanzt werde, im öffentlichen Leben das zum Ausdruck zu bringen, was die Götter wollen. Man drückte auf eine unter der Schwelle des Bewußtseins liegende Stufe herab den Fortgang des Göttlichen im Menschen, weil man sah, daß die Menschen auf einer Stufe angekommen waren, wo sie das Göttliche nicht mehr entgegennehmen konnten.

Sie kommen nur dann zu einem wirklichen Verständnis dieser außerordentlich merkwürdigen Gestalt des Augustus, wenn Sie überall voraussetzen, daß er diese Dinge voll gewußt hat und aus vollem Bewußtsein heraus, unter dem Einiluß der dazumal namentlich athenischen Eingeweihten, die zu ihm gekommen sind, alle die Dinge getan hat, die uns von ihm berichtet werden. Seine Grenze

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lag nur darinnen, daß er kein Verständnis gewinnen konnte für das Mysterium von Golgatha, daß er nur sah, wie die Menschen herunterkommen in die Materie, und daher nur einen Sinn haben konnte für das Versenken des Göttlichen im Materiellen des Blutes. Kein Verständnis hatte er dafür, daß etwas ganz Neues nun aufging in dem Mysterium von Golgatha. Er war ein in hohem Sinne Eingeweihter in die alten Mysterien, aber er hatte kein Verständnis für das, was sich jetzt in dem Menschengeschlecht als Neues heraufentwickelte.

Nun ist es aber so, daß dasjenige, was Augustus vollbracht hat, gewissermaßen ein Unmögliches ist. Es kann sich in der irdischen Entwickelung, ohne daß die irdische Entwickelung ins Luziferische verfällt, das Göttliche nicht in der reinen Materie des Blutes versenken. Die Menschen würden sich nicht entwickeln können, wenn sie sich nur entwickeln würden, wie das Blut es will, also von Generation zu Generation das, was vorher schon da war. Damit aber, daß diese Tatsache sich vollzog, ist etwas unendlich Bedeutungsvolles verbunden. Sie müssen sich nun denken, daß in den alten Zeiten, wo die alten Mysterien gewirkt haben, man in diesen alten Mysterien immerhin ein ungeheuer stark wirkendes spirituelles Element hatte, wenn uns das auch heute nicht mehr in derselben Weise bedeutsam sein kann. Man wußte doch von den geistigen Welten. Sie kamen doch substantiell herein in das Menschengemüt, diese geistigen Welten. Und auf der anderen Seite hörte man auf in der Zeit des Augustus, etwas zu wissen von dem spirituellen Elemente der Welt; man hörte auf, etwas davon zu wissen, infolge der notwendigen menschlichen Entwickelung.

Es bestand gerade die Augustus.Einweihung darin, daß er wußte: die Menschen werden nun immer weniger geeignet sein, in der alten Weise ein spirituelles Element aufzunehmen. Es hat etwas ungeheuer Tragisches an sich, was sich da verbreitet um die Person des Augustus. Es waren in dieser Zeit die alten Mysterien noch da; aber es entstand immer mehr das Gelühl: da ist irgend etwas nicht richtig in diesen alten Mysterien. Dasjenige, was man aufnahm in diesen alten Mys:terien, war ein unendlich Bedeutsames, ein großartiges, spirituelles

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Wissen und Erkennen. Aber man fühlte auch: ein unendlich Bedeutsames kommt heran. - Wir wissen, es ist die Strömung des Mysteriums von Golgatha, das man mit dem alten Mysterienwissen nicht begreifen kann, worauf dieses alte Mysterienwissen nicht paßte. Was aber durch das Mysterium von Golgatha selber den Menschen bewußt werden konnte, war noch sehr weniges. Wir sind ja heute mit unserer Geisteswissenschaft im Grunde genommen selbst auch erst am Anfange, dasjenige zu verstehen, was mit dem Mysterium von Golgatha in die Menschheitsentwickelung eingeflossen ist.

Da war also etwas, was wie ein Abbrechen ist mit dem alten Elemente, woraus man verstehen kann, daß es Menschen gegeben hat, die sich immer wieder und wieder gesagt haben: Mit dem, was uns da kommt von dem Mysterium von Golgatha, kann man nichts anfangen. Das waren gerade Menschen, die auf einer gewissen geistigen Höhe im alten Sinne, im Sinne der vorchristlichen, der Vor-Golgatha-Zeit standen. Gerade diese sagten sich: Ja, da wird uns erzählt von einem Christus, der gewisse Lehren verbreitet hat. - Das Tiefere in diesen Lehren fühlten sie noch nicht; aber das, was sie davon hörten, war ihnen wie aufgewärmte alte Weisheiten. Es wurde ihnen er- zählt, daß da Einer verurteilt worden war, am Kreuze gestorben sei, der das und das gelehrt habe. Das alles konnten sie nicht verstehen. Das kam ihnen dann alles recht gewöhnlich vor, oder wie Lug und Trug. Dagegen kam ihnen die alte Weisheit, die ihnen überliefert worden war, ungeheuer großartig und glänzend vor. Aus dieser Stimmung heraus ist Julian der Abtrünnige, Julian Apostata zu verstehen; seine ganze Stimmung ist in dieser Weise zu verstehen.

Aber immer mehr und mehr kamen auch solche Persönlichkeiten herauf, die sich sagten: Das, was die alte Weisheit gibt, was sie über den Kosmos auseinandersetzt, ist nicht zu vereinigen mit dem, was, wie aus einem neuen Zentrum heraus, aufblüht durch das Mysterium von Golgatha. - Eine solche Persönlichkeit, die so empfand, war im 6. Jahrhundert der oströmische Kaiser Justinian, und die Taten des Justinian - er herrschte vom Jahre 527 bis zum Jahre 565 - sind gerade unter diesem Gesichtspunkte zu begreifen. Man muß ihn so

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auffassen, daß er durch die ganze Art, wie er in seine Zeit hineingewachsen war, empfand, daß etwas Neues in der Welt war. Daneben kam in diese neue Welt herein das, was überliefert war aus der alten Zeit. Nehmen wir nur drei Dinge, die überliefert waren aus der alten Zeit.

Es war ja längst, fünf bis sechs Jahrhunderte, Rom von Kaisern beherrscht gewesen. Aber es hatte fortbestanden wie ein Schatten der alten Zeit in Rom eigentlich immer die Konsulnwürde; die Konsuln waren noch immer gewählt worden. Wenn man nun mit den Augen des Justinian diese Wahlen der Konsuln anschaute, so sah man darin etwas, was keinen Sinn mehr hatte, was wohl einen Sinn gehabt hatte zur Zeit der römischen Republik, was aber jetzt ganz ohne Sinn war. Daher schaffte er die Konsulnwürde ab. Das war das erste.

Das zweite war, daß die athenischen, die griechischen Schulen noch immer vorhanden waren. In diesen lehrte man die alte Mysterienweisheit, die enthielt ein viel höheres Weisheitsgut als dasjenige war, zu dem man jetzt gekommen war unter dem Einiluß des Mysteriums von Golgatha. Aber diese alte Mysterienweisheit enthielt nichts über das Mysterium von Golgatha. Daher schloß Justinian die alten griechischen Philosophenschulen. origenes, der Kirchenlehrer, war ebenso in dem bewandert, was mit dem Mysterium von Golgatha zusammenhing, wie er auch noch darinnen stand in der alten Weisheit, wenn auch nicht als stark Eingeweihter, so doch in hohem Maße als Wissender. Er hatte amalgamiert in seinem Weltbilde das Christus-Ereignis mit dem Weltbilde der alten Weisheit; er suchte durch sie auch dieses Christus-Ereignis zu begreifen. Das ist gerade das Interessante an der Weltanschauung des Origenes, daß er einer derjenigen war, die am meisten im Sinne der alten Mysterienweisheit das Mysterium von Golgatha zu begreifen suchten. Und Justinian hat viel dazu beigetragen, daß gerade Origenes verdammt worden ist von 'der katholischen Kirche. Das war die dritte Tat.

Augustus war die erste Etappe (Zeichnung Seite 201, Strich), Justinian war die zweite Etappe in diesem Sinne. So scheidet von der alten Zeit sich die neuere Zeit, die, insofern das Abendland in Betracht

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kommt, kein Verständnis mehr hatte für die Mysterienweisheit, die ja in den griechischen Philosophenschulen noch immer fortgelebt hatte. Diese neuere Zeit mußte sich nach und nach immer weiter hineinarbeiten in ein Aufblühenmachen derjenigen Menschheitsströmung, die von dem Mysterium von Golgatha ausging. So kam es, daß der neueren Menschheit, eben mit dem Verdammen des Origenes, mit dem Schließen der griechischen Philosophenschulen wirklich Unendliches verlorengegangen ist an altem spirituellem Weisheitsgut. Die weiteren Jahrhunderte des Mittelalters haben ja dann zum größten Teile gearbeitet mit Aristoteles, der aus dem menschlichen Verstande heraus versuchte das alte Weisheitsgut umzugießen. Plato hat es noch genommen aus den alten Mysterien. Aristoteles - er ist gewiß unendlich viel tiefer als heutige Philosophen - hat seine Weisheit nicht als Mysteriengut betrachtet, sondern er wollte sie begreifen mit dem menschlichen Verstande. Es war also ein Zurückstoßen der alten Mysterienweisheit, was man damals in besonderem Maße pflegte.

Alles das hängt zusammen damit, daß sich in der neueren Zeit eben dieser Zustand herausgebildet hat, den ich, im Eingange des heutigen Vortrages geschildert habe. Würden die griechischen Philosophenschulen nicht geschlossen worden sein - solch einen Satz spricht man aus, aber selbstverständlich empfindet man es trotzdem als eine Notwendigkeit, daß die griechischen Philosophenschulen geschlossen worden sind; das ist kein Tadel, sondern hängt zusammen mit der charakterisierten Entwickelung -, würden diese griechischen Philosophenschulen nicht geschlossen worden sein, so würden wir den lebendigen Plato bekommen haben, nicht jenen toten Platonismus der neueren Zeit, den dann die Renaissance heraufgebracht hat, und der ein greuliches Mißverständnis des wirklichen lebendigen Plato ist. Obwohl dieser mißverstandene Plato noch etwas recht Schönes ist, etwas recht Großes ist, ist er dennoch ein schauerliches Mißverständnis des alten lebendigen Plato. Und wenn man in der Renaissancezeit geglaubt hat, etwas vom Plato wirklich zu besitzen, so bewies man damit nur, daß man eben gar keine Empfindung hatte für das, was der alte Plato in sich hatte, und daß man sich so

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begnügte mit jenem verstrohten Elemente, das die Renaissancezeit aus dem Plato herübergenommen hat.

Heute begnügt man sich mit noch viel weniger aus dem Platonis mus. Da sehen wir ein gewisses Wegführen unserer Gedanken- und Vorstellungswelt von dem eigenen Inneren; und dadurch entstand dieses Gefühl, das ich im Eingange des Vortrages charakterisiert ha- be: daß man bei den Gedanken das Gefühl hat, sie bilden eigentlich nur äußere Gegenstände ab, wirken nicht im Innern. Dies schreibt sich in gewissem Sinne erst davon her, daß man das alte Gefühl vom Erhalten des lebendigen Lebens und Webens der Gedanken im Menschen, mit dem Schließen der Philosophenschulen durch Justinian, weggetrieben hat.

Das ist das eine, warum es schwierig ist, verstanden zu werden, wenn man von Geisteswissenschaft heute spricht: Die europäische Menschheit hat keine richtige Stellung mehr zu ihren Gedanken.

Ein anderes aber ist nun in der Menschenseele die Gefühlswelt und die Willenswelt. Das Vorstellungsmäßige und das Gedankenmäßige ist auf der einen Seite da; das Gefühls- und das Willensmäßige auf der anderen Seite. Über dieses Gefühls- und Willensmäßige ist dann nur noch schwieriger zu sprechen. Die Gedanken sieht der Mensch an als etwas, was von da draußen etwas abbildet. Wie das lebendig mit ihm zusammenhängt, dafür hat der moderne Mensch kein richtiges Gefühl mehr. Die Gelühlswelt und die Willenswelt sieht der Mensch heute, der abendländische Mensch besonders, so etwa an, als ob sie ganz allein nur in seiner Seele wirkte, als ob sie ganz darinnen wäre. Es ist mit der Gefühlswelt das Entgegengesetzte gegenüber der Gedankenwelt: der Gedankenwelt wird man mehr sich so bewußt, als ob sie abbilden sollte ein Äußeres; bei der Gefühlswelt hat man gar nicht mehr die Empfindung, daß man mit ihr in dem darinnen steht, worin man wirklich stehen könnte, wenn man das Reale, das Seiende der Gefühlswelt erfaßte. Nämlich in dieser Gefühlswelt lebt auch der Kosmos. Und während man als Mensch der europäischen Welt vergessen hat, daß die Gedankenwelt im Innern wirkt, hat man bei der Gefühlswelt vergessen, daß das, was man fühlt und will, auch draußen ist. Beim Gedanken hat man

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das Innere verloren; bei der Gefühlswelt hat man das Äußere verloren. Man merkt keinen Zusammenhang mehr zwischen dem Gefühle und dem, was sich im Kosmos ausbreitet.

Das ist dadurch geworden, daß wiederum gewisse Geister, jetzt aus der Hierarchie der Archangeloi, schon früher nicht mitmachen wollten die Abtrennung des Mondes; sie blieben bei der fortlaufenden Sonnenentwickelung. Gewisse Erzengelwesenheiten, die wäh rend der Sonnenentwickelung es bis zur Menschheitsstufe gebracht hatten, wollten nun bei der Mondentwickelung die Abspaltung des Mondes von der Sonne nicht mitmachen: sie blieben bei der Sonne, sie gingen nicht hinaus mit dem Monde. Dadurch sind diese Geister in luziferische Entwickelungsbahnen hineingelangt. Die leben jetzt in unseren Gefühlen und machen, daß wir nicht heraus wollen aus uns; die wollen in uns bleiben, sie wollen nicht heraus aus unseren Gefühlen.

Den Punkt, den ich jetzt hiermit angedeutet habe, behalten wir bis morgen im Auge. Was wir heute gesagt haben, haben wir gesagt über die Tatsache, daß wir keine richtige Stellung finden können gegenüber der Gedankenwelt. Morgen werden wir zeigen, wie wir keine richtige Stellung finden können gegenüber der Gefühlswelt, und wie sich dann das Mysterium von Golgatha gerade zu dieser GefühlsweIt verhält, und welches wiederum unsere Aufgaben sind in bezug auf diese Gefühlswelt, wie wir sie haben: daß wir streben müssen nach einem Musikalischwerden unserer Weltanschauung durch die rechtmäßige Erfassung dessen, was unser Gedankenleben ist.

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ELFTER VORTRAG Dornach, 1. August 1915

Hinweisen konnten wir gestern darauf, wie der Intellekt, also alles dasjenige, was zusammenhängt mit unserer Begriffs- und Vorstellungsbildung, gewissermaßen losgelöst ist, namentlich für das abendländische Denken losgelöst ist von dem inneren Erquellenden, von dem inneren Schaffenden und Wirkenden, und wie dadurch der Mensch dazu kommt, in dem, was er als Vorstellungen, als Begriffe aufnimmt, bloß die Bilder von etwas Äußerem zu sehen und nicht darauf zu achten, wie mit den Vorstellungen, mit dem Denken zu gleicher Zeit in uns selber etwas geschieht, ein inneres Werden sich vollzieht, ein inneres Geschehen sich abspielt.

Und gewissermaßen als den polarischen Gegensatz habe ich gestern schon erwähnt das Gebanntsein von Gefühls- und Willensimpulsen wiederum in das Innere des Menschen, so daß der Mensch, indem er fühlt, indem er in sich Willensimpulse rege macht, dann das Bewußtsein hat, er sei in diesem Erfühlen, in diesem Willensimpulse-Regemachen ganz nur in sich selber, habe es da nur mit sich zu tun, und das, was sich im Gefühls- und Willensimpuls auslebt, beziehe sich nicht auf irgend etwas draußen in der Welt, im Kosmos. Mit unserem Gefühle glauben wir gewissermaßen nur unser Innenleben zum Ausdruck zu bringen, glauben etwas zu erleben, was nur mit diesem Inneren zusammenhängt.

Ich habe darauf aufmerksam gemacht: dies rührt davon her, daß gewisse geistige Wesenheiten aus der Hierarchie der Archangeloi dazumal, als die Trennung des alten Mondes von dem Sonnensein stattfand, diesen Schritt der Trennung nicht mitgemacht haben und gewissermaßen bei dem fortschreitenden Sonnensein geblieben sind. Das, was dadurch ihnen geworden ist, daß sie zurückgeblieben sind hinter dem Schritte des Mitmachens des Mondendaseins, das leben sie nunmehr dadurch aus, daß sie jetzt mit Anteil nehmen an unserem Erdendasein. Sie durchdringen uns, durchweben uns, diese geistigen Wesenheiten, und schließen gewissermaßen unser Fühlen und

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unseren Willen ab von der äußeren kosmischen Welt. Sie beschränken dieses unser Fühlen, dieses unser Wollen auf das Innere.

Nun entsteht dadurch aber, wie Sie leicht einsehen können, in ei- nem hohen Maße eine Art Spaltung zwischen etwas in uns, was gewissermaßen auf uns selber beschränkt sein will, was in uns nur leben will als unsere Gefühls- und Willensimpulse, und einem anderen in uns, was wenig achtgibt auf das, was es in uns ist, und was sich viel, viel mehr wendet nach außen, ganz gerichtet sein will nach außen.

Wollten wir uns schematisch aufzeichnen, was da vorliegt, so könnten wir uns vielleicht sagen: Wenn das schematisch der Mensch ist, so würden wir es zu tun haben zunächst mit unserem intellektuellen Leben (Zeichnung I, gelb), welches sich nach außen richtet, die Außenwelt aufnehmen will und nicht darauf achtet, daß es hier im Inneren ausstrahlt und unsere Gestalt fortwährend hervorruft. Dagegen haben wir ein Element des Willens und der Gefühle hier im Inneren (Zeichnung, violett), die strahlen nur in uns selber aus, und wir werden nicht gewahr, daß sie nun auch in den Kosmos hinausgehen, daß sie wirklich in sich auch etwas tragen, was ebenso vom Kosmos herrührt, wie der Inhalt unserer Gedanken vom Kosmos herrührt.

#Bild S. 215

Nun ist ja allerdings in uns Menschen eine Verbindung zwischen diesen zwei, man könnte sagen, Zentren in uns. Es ist eine Verbindung

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(Zeichnung I, hellrot), aber diese Verbindung bleibt im gewöhnlichen Dasein, im gewöhnlichen Leben eigentlich unterbewußt, kommt nicht zum Bewußtsein. Der Mensch erlebt eben als seine Innenwelt sein Fühlen und Wollen und als seine Außenwelt sein Denken, das hinüberleitet zu den Wahrnehmungen, zu den Sinnesempfindungen. Also im gewöhnlichen Leben kommt die Verbindung zwischen diesen beiden Zentren in uns nicht eigentlich zum Bewußtsein. Das hat zur Folge, daß der Mensch leicht das Bewußtsein bekommen kann, es werde ihm von zwei Seiten her die Wahrheit zuteil, es werde ihm die Wahrheit oder etwas wie die Wahrheit dadurch, daß er durch seine Sinne die Außenwelt beobachtet und die Beobachtungen mit seinem Intellekte kombiniert und so weiter.

Auf diesen Prozeß des Beobachtens der Außenwelt und des Erhaltens von gewissen Begriffswelten auf Grundlage gewisser Beobachtungen hat Kant hingesehen und hat in seinem Suchen nicht gefunden irgend etwas, worauf man da kommen könnte, wenn man dasjenige hinauserstreckte, was von dem einen Zentrum hinaus will in den Kosmos. Er kam dazu, zu sagen: Ja, nach einem «Ding an sich» muß das (Zeichnung I, gelb) wohl hinausgehen, aber man kann es nicht finden. Und auf der anderen Seite fühlte er, wie aus dem Inneren des Menschen etwas aufstößt, was im Willen und im Gefühle lebt. Aber da ihm unbewußt blieb der Zusammenhang, waren dies für ihn zwei Welten: Die Welt des Seins und die Welt des Sollens. Nur das Eine fühlte er klar: Hier kommt man nicht zu irgend etwas. Das «Ding an sich» ist unbekannt, ist im Nebulosen; aber das, was da im Menschen gewissermaßen aufstößt, das gibt eine gewisse innerliche Verbindlichkeit. Die nennt Kant den «kategorischen Imperativ», von dem er dann alle Wahrheiten, die sich auf das Innere beziehen, ableitet . . . alle höheren Glaubenswahrheiten, wie er sie nennt im Gegensatz zu den äußeren Wahrheiten, die aber von der eigentlichen Welt nichts überliefern können.

Worauf wir aber unser Hauptaugenmerk lenken müssen, ist dies, daß so der Mensch in der Tat nicht etwas bloß durch seine eigene Gesinnung, sondern daß er durch seine ganze Entwickelung, die er durchgemacht hat durch den Saturn-, Sonnen- und Mondenzustand

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hindurch, teilgenommen hat an der Spaltung, die im Mondenzustand stattfand, und dadurch zu dieser Zweigeteiltheit gekommen ist und diese auf naturgemäße Weise erleben muß.

Nun kommen wir, wenn wir noch näher diese Sache betrachten, auf eine wichtige, auf eine bedeutungsvolleWahrheit, die uns die Geisteswissenschaft auf dem Boden dessen, was hier charakterisiert worden ist, gibt. Wir können sagen: Daß dies so ist mit unserem Denken, unserem Intellekte, mit unserem Vorstellen, das hängt zusammen mit der einstigen Trennung des Mondes von der fortschreitenden Sonne. Wie wir als Menschen dieses unser Denken und dieses unser Vorstellen auffassen, das hängt zusammen damit, daß gewisse luzifensche Wesenheiten aus der Hierarchie der Angeloi, die nicht mitgemacht haben das Sich-wieder-Verbinden des Mondes mit der Sonne, durch das, was sie geworden sind, eben in unserem Intellekt leben, so daß etwas Luziferisches in unserem Intellekte lebt und uns abschließt von dem Hinschauen auf das innerlich Bewegliche und Formende. Also, es haust gewissermaßen Luzifer in unserem Denken.

Was ist denn nun das Wesentliche dieses Luziferischen? Das Wesentliche dieses Luziferischen ist, daß wir dasjenige, was von den regulär fortschreitenden göttlich-geistigen Wesenheiten in uns veranlagt ist und entwickelt wird, nicht wahrnehmen, sondern wahrnehmen das, was Luzifer gewissermaßen aus dieser normalen Entwickelung macht. Und was ist das für Luzifer selber, daß er das, was er während der Mondentwickelung hätte durchmachen sollen, aber nicht durchgemacht hat, nun in die Erdenentwickelung hineinträgt und in der Erdenentwickelung seinerseits das durch macht, was er damals nicht durchgemacht hat? Worin wird das bestehen, was er da durchmachen soll während der Erdenentwickelung? - Ich bitte, gerade auf diesen Zusammenhang recht sehr zu achten, denn er ist bedeutungsvoll, aber schwierig. Also, was will Luzifer? Was wollen diese luziferischen Engelwesen, die in unserem Intellekt sind?

Dazumal wollten sie nicht den Schritt mitmachen der Vereinigung des Mondes mit der Sonne. Hätten sie dazumal den Schritt mitgemacht, dann hätten sie gewissermaßen in richtiger Weise das Vorstellen und Denken mit der menschlichen Natur verbunden. Sie

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haben das nicht getan, und so tragen sie jetzt nichts dazu bei. Jetzt aber, während des Erdendaseins, wollen sie das machen, was sie da- zumal nicht gemacht haben: sie wollen jetzt den Intellekt mit dem Menschen verbinden, sie wollen während der Erdenentwickelung das machen, was sie eigentlich auf dem Monde, während der Mondenentwickelung, hätten machen sollen. Wenn Sie das richtig überlegen, werden Sie verstehen, daß etwas ungeheuer Bedeutungsvollesdaraus folgt.

Würden wir nämlich nicht in der angedeuteten Weise von lu~ziferischen Wesenheiten verführt werden, so würden wir das Denken nicht so auf uns beziehen, wie wir es jetzt tun, sondern wir würden zurückschauen auf die Mondenentwickelung und würden sagen: Vor urfernen Zeiten wollte sich unser Denken mit unserem Inneren verbinden, wollte uns gehören. - So sagen wir aber dies nicht, sondern wir sagen: Wir eignen uns die Gedanken der Welt an und nehmen sie jetzt in uns au? - Das aber ist richtige luziferische Verführung. Im Sinne der fortschreitenden göttlich-geistigen Wesenheiten würden wir denken: Da draußen breitet sich die Sinnenwelt aus, so wie wir sie sehen. In dem Augenblicke, wo wir nun zum Denken übergehen,~blicken wir zurück zum alten Mondendasein und führen die ganze irdische Sinnenwelt zurück auf das alte Mondendasein.

Wir würden also folgendes durchmachen: Denken Sie, wenn wir das (Zeichnung, grün) als die irdisch-wahrgenommene Sinneswelt bezeichnen, so würden wir da die Erde in uns haben, das heißt den Erdeninhalt, und wir würden nicht so, wie wir es jetzt machen, uns Begriffe von dem Erdeninhalt bilden, sondern wir würden sagen: Alles dasjenige, was wir so als Erdeninhalt haben, beziehen wir zurück auf den alten Mondinhalt, und während wir sinnlich wahrnehmen, und uns der Erdeninhalt sinnlich erscheint, leuchtet in uns auf, wie alles, was auf der Erde lebt und webt, west und wirkt und wird, auf der Grundlage des alten Mondendaseins erscheint. - Es würde uns aufleuchten etwas wie ein Zusammenhang mit einem scheinbar vergangenen Stern, der aber noch da wäre und in unserer Gedankenwelt lebte. Wir würden uns in Zusammenhang fühlen mit der gegenwärtigen Vergangenheit und würden durchschauen das luziferische

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Trugbild, das darinnen besteht, daß Luzifer uns vor das leuchtende Mondendasein einen Teppich, einen Schleier vorhält, weil er dazu- mal es unterlassen hat, sich mit dem Sonnendasein zu vereinigen. Und er gaukelt uns vor, daß wir alles dasjenige, was wir erblicken sollten als in uns hereinleuchtend vom alten Mondendasein - das heißt, vom ewig neuen Mondendasein - so aufnehmen, wie unseren Gedankeninhalt, der sich jetzt durch unser Gehirn in uns festsetzt und in uns ruht als Erdenmenschen.

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Also wir sind abgeschlossen worden von jener wunderbaren, gewaltigen Erinnerung an das alte Mondendasein durch das, was geschehen ist. Wir erblicken nicht stets im Hintergrunde, ich möchte sagen, wie in unseren Nacken hineinscheinend, die Erklärung für alles dasjenige, was uns die Sinne vorzaubern. Wir würden durch die Welt gehen, unsere Sinne hinausgerichtet auf das sinnliche Dasein, und würden erfiihlen, wie unseren Nacken und unser Hinterhaupt bescheinend, das alte, immer neue Mondendasein, das die Erklärung

böte der realen lebendigen Begriffe, die kosmisch sind und nicht von den äußeren Erdendingen in uns hineinwirken.

Durcheinandergeworfen sind also zwei Weltbilder: das Erdenbild und das Mondenbild. Wir müßten sie auseinanderhalten können: das eine, indem wir unsere Sinne nach vorn richten, das andere, indem

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wir das Scheinen von hinten empfangen, und wir müßten verhindern, daß sich dies ineinanderwebt in unserer Erkenntnis. Wir können das nicht; Luzifer wirft sie durcheinander. Begriffe, Vorstellungen, Sinnesempfindungen wirft er uns durcheinander, und die Philosophen knacken seit langem an einem entsprechenden Problem, das sie «Antinomie» nennen.

Bei Kant können Sie nachlesen: da haben Sie immer auf der einen Seite Beweise angeführt zum Beispiel dafür, daß die Welt dem Raume nach unendlich ist; auf der anderen Seite haben Sie ebenso strikte Beweise angeführt, daß die Welt dem Raume nach nicht unendlich, sondern begrenzt ist. Für beides gibt es gleich bindende Beweise. Sie müssen da sein, weil die eine Anschauung ebenso wahr ist wie die andere. Nur ist die eine die Erdenanschauung, und die andere die Mondenanschauung. Dem, der sie nicht auseinanderhalten kann, werden sie zu unauflöslichen Widersprüchen, zu Widersprüchen, die überhaupt mit dem Erdenverstande nicht aufzulösen sind.

Aber wir haben gesehen: noch älterer Art sind diejenigen Abirrungen vom fortschreitenden Gange der Weltentwickelung, die durch die Geister aus der Hierarchie der Archangeloi zustande gekommen sind, die in unseren Gefühlen und in unseren Willensimpulsen leben. Da können wir sagen, es schließt uns Luzifer ab durch sein Dasein von dem Kosmos. Er läßt uns nur dasjenige erfühlen, was in unserem Inneren lebt von Gefühlen und Willensimpulsen. Wenn er uns nicht so abschließen würde, dann würde der Mensch, statt daß er das Gefühl und den Willen wie aus seinem Unterbewußtsein, wie aus seinem Inneren da heraufkommen fühlte, alles dasjenige wahrnehmen, was durch die Sonnenzeit vom Kosmos in ihn hereinscheint, herein- leuchtet. Wie der Mensch in seinem Intellekt eigentlich wahrnehmen müßte den alten Mond hinter dem gewöhnlichen Sinnendasein, so müßte er hinter seinen Gefühlen und hinter seinen Willensimpulsen die strahlende Weltensonne aufgehen sehen. In den Gefühlen und im Willen müßte er - wie den Kern in der Frucht - das Wesen des Sonnenlebens durch das Gefühl und den Willen hindurchleuchten sehen.

Davon sind wir nun wiederum luziferisch abgeschlossen. Wir glauben, daß das Gefühl und der Wille nur etwas in uns ist; wir fühlen

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gewissermaßen nicht in uns, daß alle Gefühle und aller Wille in ihnen lebende Sonnenkräfte enthalten, Sonnenkräfte, die wirklich darinnen sind. Würden wir diese Sonnenkräfte fühlen, würden wir wirklich das Geisteslicht inmitten von Gefühl und Wille aufleuchten fühlen, dann würden wir ein Schauen des Kosmos eben durch dieses Auileuchten des Geisteslichtes der Welt in dem Gefühle und dem Willen haben. Wir würden ein Äußeres durch unser Inneres unmittelbar wahrnehmen. Das ist uns durch jene luziferischen Geister, die Erzengelnatur haben und nicht mitgemacht haben den Schritt der Abtrennung des Mondes von der Sonne, eben verdorben. Es mußte uns wiedergebracht werden dadurch, daß nun dieses Kosmisch-Sonnliche hereinkam in die Menschheits-Entwickelung. Dieses Kosmisch-Sonnliche kam herein in die Erdenentwickelung durch das Mysterium von Golgatha, durch jenes Mysterium von Golgatha, dessen ganze Realität der Mensch zunächst in sich aufnehmen muß, innerlich erleben muß: «Nicht ich, der Christus in mir.»

Und von da ausgehend, bildet sich in ihm immer mehr und mehr jenes innerlich Leuchtende, Gestaltende. Das kosmische Licht durchzieht wie das Sonnenlicht Gefühl und Wille und vereinigt sich mit dem Intellektuellen, so daß wir ein einheitliches Weltenbild dadurch erlangen, daß wir lernen, nicht bloß in Gefühl und Wille leben zu haben den Christus-Impuls, sondern ihn einiließen zu lassen in die Verstandes-, in die Vorstellungswelt. So daß uns an Stelle des bloßen Hinblickens auf den Christus Jesus wirklich eine ganze Kosmologie wird, ein durchchristeter Kosmos wird, indem wir verstehen lernen, was der Kosmos war vor dem Mysterium von Golgatha, als der Christus mit dem Sonnlichen außerhalb des Irdischen verknüpft war, und was der Kosmos ist nach dem Mysterium von Golgatha, da der Christus nun nicht mehr von der Erdenaura getrennt ist, sondern in der Erdenaura weiterlebt. Nur dadurch, daß wir uns selber zunächst identisch fühlen mit dem Christus-Impulse, daß wir gewissermaßen diesen Christus-Impuls als das Zentrum betrachten, von dem uns in der gestern angedeuteten Weise die fortwirkende, die ewige, die immerwährende Offenbarung werden kann, nur dadurch dringen wir immer mehr und mehr zu der Möglichkeit vor,

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ein konkretes, ein inhaltvolles Christentum zu erlangen, das dann durchaus eins sein wird mit dem, was der Inhalt der Geisteswissenschaft ist, auch in kosmologischer Beziehung.

Nehmen Sie den ganzen Nerv, möchte ich sagen, der Christologie, nehmen Sie das, was der Mensch eigentlich verstehen müßte, um die Christologie zu verstehen. Warum verstehen denn so viele Leute die Christologie nicht? Warum verbinden sie keine richtigen Begriffe mit dem Mysterium von Golgatha? Weil den Menschen zugemutet wird, irgend etwas als Realität zu bezeichnen, was sie nicht gewohnt sind, sonst als Realität zu bezeichnen.

In Haeckels Büchern befindet sich ein Satz, der etwa so heißt: Die Conceptio immaculata ist eine freche Verhöhnung der menschlichen Vernunft. - Aber warum der menschlichen Vernunft? Ja, der Nachsatz heißt: Weil in allen anderen Fällen, im Tier- und Menschenreiche, sich zeigt, daß eine solche Geburt nicht beobachtet werden kann. - Das ist selbstverständlich ein logischer Widerspruch in sich. Denn man müßte einen Vernunftgrund und nicht einen Beobachtungsgrund anführen. Aber gerade hier begegnen wir wieder einer Tatsache, die so ist, daß sie mit den Begriffen, die der Mensch von der äußeren Realität empfängt, nicht vereinbar ist. Alles das, was der Mensch sonst «real» nennt, kann ja nicht vereinbar sein mit der Realität dieser Tatsache, überhaupt mit der ganzen Tatsache des Mysteriums von Golgatha.

Er muß also etwas begreifen, der Mensch, was seinen Begriffen von Realität widerspricht. Nun sollte denjenigen, die der Geistes- wissenschaft immer näher- und nähertreten, sich ein Weg eröffnen zu Begriffen, die die Möglichkeit bieten, das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Man nennt im gewöhnlichen Leben und auch in der heutigen Wissenschaft das, was man äußerlich mit den Sinnen beobachtet: ein Reales oder wenigstens etwas, was auf einem Realen begründet ist. Man stützt die reale Wissenschaft auf das, was man mit den Sinnen beobachtet. Man bemüht sich aber noch, sie zu etwas anderem zu benützen, man bemüht sich auch, alles so zu begreifen, wie das verläuft, was draiißen durch die Sinne beobachtet werden kann. Es bemühen sich die Biologen, das Lebewesen, den lebendigen

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Organismus so zu begreifen, als ob er nur ein kompliziertes Zusammenwirken von lauter mechanischen Kräften, also eine komplizierte Maschine sei, weil sie nur eine Maschine als etwas Reales ansehen können.

Was liegt eigentlich dahinter? Das liegt dahinter, daß der Mensch etwas als Reales bezeichnet, und zwar durch das ganze Leben hindurch heute als real bezeichnet, was gar nichts Reales ist, was gar nicht dasjenige ist, als was es angesprochen wird. Treten Sie vor einen Leichnam. Werden Sie sagen: Dieser Leichnam ist der Mensch? - Nein, diese sich zersetzende Leiche ist nicht der Mensch, sie ist die zerbrechende Form des Menschen. Und so ist es mit der ganzen äußeren Natur. Man sucht das Tote und ahnt nicht, daß alles Tote ein Gestorbenes ist. Würde man nur wirklich den Ubergang finden von dem Begriffe der «toten Natur» zu dem Begriffe der «gestorbenen Natur», würde man nur wirklich begreifen, daß alles Tote einmal lebendig war und gestorben ist, daß das, was wir heute als Gestein finden können, während der Mondenzeit lebendig war und gestorben ist, zum toten Gestein erst durch einen ähnlichen Prozeß geworden ist wie der Leichnam des Menschen; würden wir das im lebendigen Sein erfassen, würden wir die tote Natur als einen Leichnam verstehen, so würden wir wissen, daß das, was wir das Sein nennen, nichts ist, was Sein enthält, sondern etwas ist, aus dem eigentlich das Sein schon entflohen ist. Das ist unendlich wichtig. Die Menschen begreifen nicht, daß sie sich heften an das Tote, ohne zu verstehen, daß es ein Gestorbenes ist; und sie verstehen nicht, daß sie das Lebendigenicht begreifen sOllen durch das Gestorbene.

Wenn die Menschen den lebendigen Organismus ansehen, der noch nicht gestorben ist, sondern vor ihnen lebt, und ihn zurückführen auf einen Mechanismus, der nur ein Abbild ist des Gestorbenen, so wollen sie das Lebendige aus dem Gestorbenen begreifen und erklären. Das ist das Ideal, das Ziel der ganzen heutigen Weltanschauung: das Lebendige aus dem Gestorbenen zu begreifen. Die Geisteswissenschaft muß sich Mühe geben, innig Mühe geben, an die Stelle eines Begreifens durch das Gestorbene ein Begreifen durch das Lebendige zu setzen. Die ganze Richtung der heutigen Wissenschaft

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muß verschwinden, weil sie allein darauf hinzielt, das Lebendige durch das Gestorbene, nicht bloß durch Totes, Unorganisches, sondern durch das Gestorbene zu begreifen. Diese ganze Wissenschaft muß verschwinden. An ihre Stelle muß treten das Begreifen der Welt aus dem Lebendigen heraus. Und von allem in der Gegen- wart Unlebendigen, Unorganischen muß begriffen werden, daß es in der Vergangenheit ein Lebendiges war.

Würden wir nicht luziferisch verführt sein, würden wir hinter den Sinneswahrnehmungen erblicken dasjenige, was vorhin charakterisiert wurde als das dahinterstehende Mondendasein, dann würden wir verstehen: da liegt der Leichnam desjenigen, was uns noch von dem alten Monde erscheint. Wir würden ebenso, wie wir beim Anblicke des Leichnams des Menschen uns zurückerinnern, wie er war im Leben, wie er war einmal, als er mit uns lebte, vor uns wandelte und mit uns sprach. So würden wir zurückschauen beim An- blicke der Erde auf das, was sie war, als sie noch lebte während des alten Mondendaseins.

Daß wir also herausgeführt werden aus dem Toten in das Lebendige, das muß das Bestreben der Geisteswissenschaft sein, das muß ein lebendiges, ehrliches, wenn auch schwer zu erringendes Ziel sein; denn alles, was in unserer heutigen Wissenschaft lebt als Weltanschauung, als Weltanschauungsstimmung, ist diesem Ziele durchaus fremd und feindlich. Darüber sollen wir uns wirklich keinen Nebel vormachen, daß alles, was in der heutigen Wissenschaft als Weltanschauungsstimmung lebt, diesem Ziel durchaus widerstrebt.

Ungeheuer schwierig wird es sein, an Stelle der toten Weltauffassung die lebendige Weltauffassung zu setzen. Wenn wir aber dann lebendige Begriffe haben, dann werden wir nicht mehr, mit diesen lebendigen Begriffen, ermangeln des Verständnisses des Mysteriums von Golgatha. Da werden wir wissen, daß dasjenige, was überhaupt dem Tode unterworfen ist> vom Mondendasein herrührt, daß der Christus aber vom Sonnendasein ist. Er hat sich bewahrt, um uns das Sonnenhafte wiederzubringen. Er hat nichts zu tun mit all den Begriffen, die die toten Begriffe sind, sondern wird an die Stelle der toten Begriffe die lebendigen Begriffe setzen. Daher ist es notwendig,

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sich lebendig mit ihm zu verbinden, nicht durch eine tote Wissenschaft. Daher ist es notwendig, einzusehen, daß nur unter ganz besonders abnormen Verhältnissen eingehen konnte dasjenige, was nicht sterben kann, was nicht tot werden kann, in eine irdische Laufbahn.

Wenn Sie die besondere Verbindung studieren, in welcher durch drei Jahre hindurch die Christus-Wesenheit mit dem Leibe des Jesus von Nazareth war, so werden Sie darauf kommen, daß in der Tat in diesen verschiedenen Gliedern, die da vereinigt waren durch das Zusammengefügtsein der beiden Jesusknaben, dadurch daß Zarathustra in dem nathanischen Jesus lebte, etwas ganz Besonderes geschaffen war - ich habe in anderen Vorträgen darauf schon hingedeutet - etwas, was während dieser drei Jahre diesen ganzen Leib anders machte als einen gewöhnlichen Menschenleib. Ein gewöhnlicher Menschenleib ist wahrhaftig nicht dasselbe wie dieser Leib. Dieser Leib war schon durch die besondere Art der Verbindung mit der Zarathustra-Wesenheit die drei Jahre hindurch etwas anderes, als es die Erdenleiber sind. Als die Erde das Mondendasein zu wiederholen begonnen hat, da blieb ja zurück, wie ich auseinandergesetzt habe, diejenige Wesenssubstanz, die dann durch den Lukas-Jesusknaben, durch den nathanischen Jesusknaben erschien: etwas, was nicht in den Tod eingegangen war und durch das Scheinbild des irdischen Todes hindurch, der im Laufe der irdischen Erscheinungen über den Christus Jesus verhängt wurde, sich bewahrte. Das war in diesem Christus Jesus und führte ihn schon in anderer Weise durch diese drei Jahre und in anderer Weise als andere Menschen durch den Tod, durch das Scheinbild des Todes hindurch.

Diese außerordentliche Zentralerscheinung der irdischen Entwikkelung muß aber verstanden werden, muß wirklich begriffen werden, so daß sie außerhalb alles desjenigen steht, was nur von dem Mondendasein herrührt; es muß verstanden werden, daß sie innig zusammenhängt mit dem regelmäßig fortwirkenden Sonnendasein. Daher kann, nachdem das Mysterium von Golgatha sich vollzogen hat, diese Christus-Wesenheit auch mit nichts zusammenhängen von dem, was nur vom Mondendasein herrührt, und zwar vom Mondendasein so herrührt, daß eben dazumal die Trennung eingetreten

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ist des Mondes von der Sonne, und während dieser Trennung eine Anzahl luziferischer Wesenheiten die Trennung, aber nicht nachher die Wieder-Verbindung mitgemacht hat.

Von alledem, was durch diese Verirrung der luziferischen Geister in der Erde ist, bleibt die Christus-Wesenheit richtig unberührt. Sie würde sogleich berührt werden davon, wenn sie in einem gewöhnlichen Menschenleibe sich verkörpern würde. Sie konnte sich daher nur unter diesen besonderen, abnormen, nicht durch die gewöhnlichen Erdengesetze gedeckten Vorgänge physisch auf der Erde befinden. Und als sie vom Erdenleib Besitz ergriffen hatte durch das Mysterium von Golgatha, ist sie nun geistig auf der Erde und nicht unterworfen jenen Gesetzen, die in das Erdendasein hineinkamen durch die Mondenentwickelung. Das sind namentlich die Raum- und Zeitgesetze.

Also Raum und Zeit: Ich habe das schon in der «Geheimwissenschaft» angedeutet - und Sie werden an der betreffenden Stelle der «Geheimwissenschaft» die Andeutung finden -, daß es schwierig ist, das alte Saturn- und Sonnendasein sich vorzustellen, weil man die Raum- und Zeitbegriffe noch draußen lassen muß, weil das, was man als Raum- und Zeitbegriffe von diesem alten Dasein sich vorstellt, nur ähnlich, nur wie ein Bild ist, noch nicht stimmt mit der Wirklichkeit. Beim Mondendasein fängt das Bild erst einigermaßen an zu stimmen, wenn man es räumlich und zeitlich vorstellt. Für die vorherige Entwickelung ist diese Vorstellung noch nicht zu gebrauchen. Aber das, was durch den Christus in das Räumlich-Zeitliche hineinkommt, ist auch nicht an Raum- und Zeitgesetze gebunden. Daher würde es vor einer wirklichen Geisteswissenschaft der größtdenkbare Unsinn sein, sich vorzustellen, daß der Christus, so wie er jetzt mit dem Erdendasein vereinigt ist, in einem einzelnen Menschen räumlich begrenzt vor die Menschheit hintreten könnte. Es wäre das größte Mißverstehen des Christus, wenn man behaupten wollte, es könnte eine Wiederverkörperung des Christus in der jetzigen Zeit eintreten, und der Christus müßte sich etwa, wenn er zu einem Menschen in Europa in der Zukunft sprechen wollte und dann zu einem Menschen in Amerika, auf die Eisenbahn und dann

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auf das Dampfschiff setzen, um von Europa nach Amerika zu reisen. Das wird nimmermehr der Fall sein. Er wird immer über die Raum- und Zeitgesetze erhaben sein. Und seine Erscheinung im 20. Jahrhundert müssen wir uns auch so vorstellen, daß er über Raum- und Zeitgesetze erhaben ist. Niemals wird der richtig verstandene Christus in einem einzelnen Menschen verkörpert sein können.

Es war also, oder besser gesagt, es ist überall da ein Faustschlag in das Gesicht der wirklichen Geisteswissenschaft, wo behauptet wird,

daß es eine menschliche Wiederverkörperung des Christus Jesus jemals geben könnte. Damit ist aber auch gezeigt, daß die Christologie, dasjenige, was der Christus wirklich ist, mit allen Trennungen der Menschen und der Menschheit nichts zu tun hat.

Wir sehen da sich einen Weg eröffnen, wie das Kosmische, das Sonnenhafte, doch wiederum in unsere gesamte Menschheit herein- kommt, wie wieder aufgeht das durch Luzifer verlorene Sonnliche im Gefühl und im Willen, wie es wiederum aufgeht durch den Christus in diesem Gefühl und Willen, und wie es von da aus unseren Intellekt ergreifen kann. Das ist der Weg, den in der Zukunft alles geistige Verständnis der Welt nehmen muß. Aber es wird noch lange Verirrungen geben, denn - ich habe es ja oft betont - nur langsam und allmählich kann das Mysterium von Golgatha in seinen Tiefen sich in den ganzen Gang der Menschheitsentwickelung hineinleben.

Nur ganz langsam und allmählich kann das geschehen. Und indem es sich vollzieht nach und nach, wird es immer mehr einen Einklang schaffen zwischen der Intellektualität des Menschen und seinem Gefühle und Willen. Das wird immer mehr und mehr den Menschen ausfüllen mit einem inneren Menschen, mit einem zweiten Menschen.

So wie der Mensch ist ohne diese Ausfüllung durch den ChristusImpuls, so ist mit Bezug auf den Kopf des Menschen, ich möchte sagen, das Innere verhüllt. Wenn man den Kopf spürt, hat man ja schon Kopfschmerzen. Das Innere ist, ich möchte sagen, physisch

ganz verhüllt in bezug auf den Kopf. Den Kopf trägt man mit sich, ohne daß man ihn im normalen Leben eigentlich fühlt, man verwendet ihn dazu, um hineinzupressen die Eindrücke von außen.

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Das andere vom Menschen, das der Sitz der niederen Begierdenwelt zugleich ist, das ist in uns; das nimmt zunächst nichts von außen auf, lebt in sich. Und die Jahve-Gottheit hat eingehüllt in eine dem Menschen unbewußt bleibende Gesetzlichkeit alles dasjenige, was da unten im Menschen als die Summe der Begierdenwelt lebt, damit das luziferische Rumoren des Egoismus nicht allzu groß werde. Durch Luzifer wären wir wirklich nur dazu veranlagt, als Erden- menschen unsere vom Intellekt absehende niedere Natur einzig und allein für uns zu gebrauchen. Wir würden keinen einzigen altruistischen Trieb entwickeln, aber lauter egoistische Triebe. Es würde keine natürliche Anlage zu einer Liebe in der Welt geben. Der Mensch würde die Triebe, die in seiner niederen Natur leben, lediglich gebrauchen, um sich in der Welt zu verwirklichen, um sich in Szene zu setzen. Daher ist diese niedere Natur abgedämpft und abgedämmert worden durch die Jahve-Gottheit.

Die Jahve-Gottheit lebt selber in dieser niederen Natur und pflanzt hinein die Instinkte der Liebe und des Altruismus, aber auf eine mehr oder weniger für das gewöhnliche Menschenleben unbewußte Art. Bewußt sollen diese Triebe werden wiederum durch den Impuls des Mysteriums von Golgatha. Aber es liegt in diesem ganzen Unbewußten der Triebwelt, ich möchte sagen, verborgen ein Zweifaches. Zunächst bleibt da die Verbindung des Intellektuellen, des Vorstellungsmäßigen mit dieser Triebwelt, im Unterbewußten. Aber sie wirkt doch herauf, wirkt richtig herauf, und zwar wirkt sie herauf dadurch, daß das eintritt, was ich öfter schon auseinandergesetzt habe.

Diese ganze Triebwelt, die eigentlich eine egoistische, nur dem Menschen angehörige Triebwelt ist, die kann sich gewissermaßen emanzipieren von der in ihr lebenden Jahve-Gottheit. Dann wirkt sie herauf; aber unbewußt, ohne daß es der Mensch merkt, drängt sie sich durch und durchsetzt die Vorstellungswelt mit ihren Imaginationen. Der Mensch wird, wie man oftmals sagt, hellseherisch, das heißt, er hat Visionen. Er erlebt alles dasjenige, was in seiner Triebwelt ist, als Imaginationen. In Wahrheit erlebt er eigentlich nur seine Triebwelt; die stellt sich ihm als imaginative Welt dar. Aber da in

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dieser ganzen Triebwelt, wie wir sie haben, eigentlich verschleiert fär den Menschen nur der Kosmos lebt, so täuschen ihm die Imaginationen, die aufsteigen aus seiner Triebwelt wie ein Dunst, einen ganzen Kosmos vor. Er kann nun einen ganzen Kosmos erleben, der aber aus nichts anderem besteht, als daß da unten das Feuer der niederen Triebe brennt und das Feuer dieser niederen Triebe dann heraufsteigt, und daß hier nun ein Kosmos entsteht, hier oben, in dem intellektuellen System. Das ist im wesentlichen der Vorgang der Selbstmedialität, der Mediumschaft. Das Medium, das durch seine eigenen Begierden zum Medium wird, unterliegt diesen Vorgängen. Solche Medien sind gewöhnlich sehr stolz auf ihre Imaginationen. Sie sehen hochmütig auf die herab, die keine Imaginationen haben; während die, welche keine Imaginationen haben, oft sehr gut durchschauen können, daß solche Imaginationen, die ihnen zuweilen als wunderbare Gebilde beschrieben werden, nichts anderes sind als dasjenige, was in den Instinkten, in den Verdauungsprozessen kocht und brodelt und sich als kosmische Gebilde herauf verirrt, indem es heraufdünstet in die Vorstellungswelt und zu kosmischen Scheingebilden sich ausgestaltet, in solchen sich auslebt.

Aber es kann noch in einer anderen Weise das zutage treten, was von dieser Zwiespältigkeit der menschlichen Natur herrührt. Denn nehmen wir an, ein zweiter Mensch träte dem ersten entgegen, ein zweiter Mensch, der nun selbstverständlich als Mensch wiederum so

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aufgebaut wäre, daß er in sich die den Kosmos verbergende innere Natur des Willens und der Gefühle hat und die Intellektualität, welche das eigene Innere verbirgt (Zeichnung 11, Mensch). Nehmen wir nun an, ein solcher zweiter Mensch käme durch irgendwelche Vorgänge, über die wir auch noch im weiteren sprechen werden, dazu, mehr oder weniger Bewußtsein zu erlangen. - Also hier wäre der Mensch I (Zeichnung S. 215) und der Mensch 11 (Zeichnung S. 229) käme dazu, ein Bewußtsein zu erlangen von diesen Zusammenhängen. Nehmen wir nun an, es wäre dieser Mensch 11 nicht geneigt, alles, was ihm durch ein solches Bewußtsein wird, im reinen Sinne der universellen Geisteswissenschaft zu verwenden, im reinen Sinne auch der verchristeten Geisteswissenschaft zu verwenden, sondern er hätte seine Sonderzwecke in der Welt; nehmen wir an, dieser Mensch gehörte einem Erdgebiete an, das eine besondere Welt anschauung ausgestaltet hätte im Laufe einer geschichtlichen Entwickelung, und dieser Mensch wäre innerhalb dieses Erdengebietes verwachsen mit dieser Weltanschauung; nehmen wir auch an, er hätte nun noch besondere, egoistische Gründe, diese Weltanschauung ganz intensiv in der Welt zur Geltung zu bringen. Der wirkliche Okkultist hat ja keine andere Sehnsucht, als dasjenige zur Geltung zu bringen, was allen Menschen gegenüber zum Heile gereichen kann, er hat keine Herrschaftsgelüste. Aber nehmen wIr an, eIn solcher Mensch 11 hätte solche Herrschaftsgelüste und hätte das Bedürfnis, dasjenige, was Weltanschauung eines beschränkten Territoriums ist, zur Herrschaft über andere Territorien zu bringen. Wenn er nun einfach hingeht und also in seiner Art die Weltanschauung vertritt, die er zur Herrschaft bringen will, so wird das Folgende eintreten: Die einen werden ihm glauben, die anderen werden ihm nicht glauben. Die, welche anderer Ansicht sind, werden ihm nIcht glauben, werden ihn zurückprallen lassen. Wir wissen ja aus Erfahrung, wie bei anderen Völkerschaften oftmals die europäischen Missionare zurückgewiesen werden, wenn sie den Leuten Dinge sagen, die diese nicht verstehen oder nicht zu verstehen die Absicht haben. So könnte es diesem Menschen 11 auch gehen. Aber er kann einen anderen Weg einschlagen. Dadurch, daß ihm dieser ganze Prozeß

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bewußt ist, dadurch hat er die Macht, auf einen anderen, zum Beispiel auf den Menschen I zu wirken (Zeichnung S. 215), und wenn er jetzt nicht bloß durch seinen Intellekt wirkt, sondern durch seine ganze Persönlichkeit, so kann er auf den Intellekt des anderen wirken.

Wenn der andere nun so veranlagt ist, daß er etwas Mediales in sich hat> das heißt, etwas aufnehmen kann, ohne in normaler Weise sich zu dem Aufgenommenen zu stellen, sodaß er es einfach so aufnimmt als Wahrheit, weil es ihm von dem zweiten dargeboten wird, dann strömt von dem zweiten in den ersten dasjenige hinein, was der zweite als Weltanschauung hat, und der erste läßt es durch seinen unverdorbenen Intellekt hindurchgehen. Tritt dann der erste vor die Menschheit hin, dann tritt das, was zum Vorschein kommen soll, auf ganz andere Weise heraus. Bei dem Menschen II würden die Menschen merken: Er vertritt nur sich selbst in der Welt, und er hat die Macht, dasjenige, was ihm aus seinem Inneren aufsteigt, in ein intellektuelles System zu kleiden, denn er hat zugleich das, was er von sich gibt, als sein eigenes Besitztum in sich. Das Ich des Menschen I hat es nicht als sein eigenes Besitztum in sich, sondern nimmt es von dem anderen als etwas Objektives auf und vertritt es mit seinem Intellekte so - weil er es eben nicht als sein Persönliches hat -, daß es mehr den Charakter eines Universellen hat. Es sieht aus dem unverdorbenen Intellekt des Menschen Iso aus, als wenn es ein Universelles wäre.

Hier haben Sie das Faktum, wie von einer gewissen grauen oder schwarzen Richtung her einseitige Mitteilungen in die Welt getragen werden. Die werden nicht so in die Welt getragen, daß sich die betreffenden, einseitig grauen oder schwarzen Geisteswissenschafter hinstellen und ihre Anschauung vertreten; sonder~`sie ilößen sie einer medialen Persönlichkeit ein. Eine solche` übernimmt sie, gibt sie weiter und läßt sie durch ihren Intellekt auf die anderen Menschen wirken. Daher bleiben solche grau oder schwarz wirkenden Geheimwissenschafter oftmals als Mahatmas im Hintergrund, und diejenigen, die auftreten in der Welt, reden davon, daß hinter ihnen der Mahatma steht und verkünden dasjenige, was sie verkündigen, als eine Botschaft des Mahatma.

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Dieses Phänomen führt uns zu vielem hin, was, man könnte sagen, in einer furchtbaren, psychologisch-tragischen Weise mit der armen Helena Petrowna Blavatsky geschehen ist, die im eminentesten Sinne eine mediale Persönlichkeit war, deren Intellekt niemals geeignet gewesen ist, hinunterzuschauen in dasjenige, was ihr über- liefert worden ist von Personen, die nicht immer ehrliche Personen waren, die aber gerade durch die Blavatsky wirken konnten und die zusammengezimmert haben das, was nicht immer einwandfrei war, die das in egoistischem Sinne durch den medialen Intellekt der Blavatsky zusammengezimmert haben zu etwas, was dann in einer suggestiven Weise auf die Menschen wirkte. Für diejenigen aber, die in ehrlicher Weise auf dem Boden der Geisteswissenschaft stehen wollen, fließen daraus ganz bestimmte Regeln, ganz bestimmte Verhaltungsmaßregeln.

Sie sehen aus alledem, was jetzt auseinandergesetzt worden ist, daß unter allen Umständen ein Satz gelten muß, wenn es sich um die Verbreitung der Geisteswissenschaft handelt. Selbstverständlich ist alles dasjenige, was durch irgendwelche Art Medialität in die Welt hereintritt, interessant, bedeutsam, denn es kommt selbstverständlich aus einer anderen Welt herein. Aber es darf niemals so hingenommen werden, wie es unmittelbar ist. Sonst ergeht es der Menschheit so, wie es ihr ergangen ist mit der ganzen Entwickelung des Spiritismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Dieser ganze Spiritismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war ja, im Grunde genommen, von einer gewissen Seite her unternommen, um die Menschen zu prüfen, wie weit sie reif sind eInzusehen, daß um sie herum eine geistige Welt lebt, nicht nur die materielle sinnliche Welt, die die Menschen mit ihren Sinnen wahrnehmen, und deren einziges Dasein die moderne materialistische Weltanschauung des 19. Jahrhunderts unter ahrimanischer Suggestion in so hohem Maße verbreitet.

Es war wirklich schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine große Frage unter den Okkultisten, ob sie von ihrer Seite aus dieser ganzen spiritistischen Bewegung etwas entgegenhalten sollten. Man hat sich damals entschlossen, zunächst nichts entgegenzuhalten, weil

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man erwartet hat - was aber eine Kurzsichtigkeit war -, daß, wenn die Menschen sehen, wie durch das Medium aus der geistigen Welt heraus allerlei zum Vorschein kommt, sie dann vor allen Dingen darauf verfallen werden, daß es eben Dinge und Kräfte gibt in der Welt, die auf geistige Art von einem zum andern wirken. Statt dessen tauchte der ganze Spiritismus in ein sehr egoistisches, materialistisches Fahrwasser unter. Die Medien haben zumeist überall gesagt, daß sie mit diesem oder jenem Toten in Verbindung ständen. Sie brachten dadurch allerlei zum Vorschein, indem sie sagten: diese oder jene Seele, die da oder dort gestorben ist, verkündet durch das Medium das eine oder das andere. Gewiß, sie brachten manches zum Vorschein. Aber in den allerallermeisten Fällen war da ein kolossaler frrtum zugrunde liegend. Der bestand darinnen, daß wir, wenn wir uns das Medium als den Menschen I hier (siehe Zeichnung) vorstellen, wir uns den Experimentator oder Hypnotiseur, also denjenigen, der alles arrangierte, als den Menschen II vorzustellen haben.

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Nun ist ja in jedem Menschen, wenn er hier lebt, schon dasjenige in ihm, was all sein Totes ist. Aber das rumort unten; wahrend des wachen Tageslebens rumort es unten in den sinnlichen Empfindungen. Der tote Mensch rumort unten in den sinnlichen Empfindungen.

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Jetzt stellen Sie sich vor: das Medium ist da, der Experimentator ist auch da. Der Experimentator überträgt eigentlich das, was in seinen sinnlichen Empfindungen und oftmals niederen Trieben pulsiert - und was dann zum Vorschein kommen wird, wenn er selber einmal tot sein wird -, auf das Medium oder auf dasjenige, was sich sonst in den Veranstaltungen manifestiert. Darinnen können Wahrheiten enthalten sein; aber man muß verstehen, wie der ganze Zusammenhang dessen ist, was da zum Vorschein kommt; man darf nicht auf das Medium hinhören, wenn es erklärt: was da kommt, was sich ihm offenbart, seien Mitteilungen der Verstorbenen.

Die Leute, welche sich nicht gleich gewehrt haben gegen den Spiritismus, die haben sich gesagt: Man wird schon sehen, was das ist. - Sie wollten eigentlich die Wirkung des Lebendigen auf das Medium, dessen, was im Lebendigen lebt, was im verkörperten Menschen lebt, das wollten sie gefördert wissen. Die Medien haben das vollständig mißverstanden, haben immer geglaubt, mit den Toten in Verbindung zu stehen. So sehen wir, wie die Medialität zwar eine Verbindung schafft mit der anderen Welt, aber eine trügerische Verbindung. Luzifer wird nicht etwa hinweggeschafft von dem Wege der Normalität zur Medialität, sondern er wird noch mehr hineingezogen, der Trug wird noch größer. Das, was im Innern ist, wird nicht losgelöst und in das Kosmische hinaus verteilt, sondern das, was im Innern ist, das dunstet in die Vorstellungswelt hinauf und wird zu einer imaginativen Welt. Das, was so im Inneren des Menschen ist, kann von dem Menschen selber kommen oder von dem Einfluß eines anderen Menschen im Menschen aufsteigen.

Daraus aber wird folgen als ein unendlich bedeutungsvolles und wichtiges Gesetz für die Verbreitung der geisteswissenschaftlichen Wahrheiten und für das Arbeiten in der geisteswissenschaftlichen Strömung: man beachte, daß alles unmittelbare Glauben an die Autorität eines Menschen in dem Maße geringer werden muß, je mehr dieser Mensch Züge der Medialität annimmt, je mehr dieser Mensch die Merkmale eines Mediums zeigt. Je mehr solch ein Mensch damit kommt, zu sagen: ich habe da oder dort dieses oder jenes als Eindruck empfangen -, und er nicht mit seiner vollbewußten Vernunft

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bei diesem Empfangen ist und die Dinge prüfen kann, um so weniger Autorität muß gerade die Medialität geben.

Man hätte daher, als H. P. Blavatsky gewisse Lehren in die Welt brachte, von Rechts wegen sich sagen müssen: Diese Persönlichkeit zeigt starke Züge von Medialität, daher ist es unmöglich, ihr eine Autorität beizumessen, oder wenigstens nur möglich, ihr eine solche Autorität in sehr geringem Grade beizumessen. Die Autorität müßte schwinden, in dem Maße, als die Persönlichkeit Züge von Medialität an sich zeigt.

Ebenso ist es ein, ich möchte sagen, Axiom in der Verbreitung geisteswissenschaftlicher Wahrheiten, daß bei dieser Verbreitung niemals irgendwie eine Berufung stattfindet, wenn die Wahrheiten veröffentlicht werden, auf ungenannte Meister oder Mahatmas. Hinter einer solchen Bewegung mögen so viele ungenannte Wesen und Persönlichkeiten stehen, als irgendwie stehen können; dasjenige, was Bedeutung hat als ausgehend von solchen Wesenheiten, hat nur Bedeutung im Verein mit demjenigen, der ihnen unmittelbar gegenübersteht. Seine Sache ist es nun, an sie zu glauben oder nicht zu glauben, seine Sache ist es, ihre Vertrauenswürdigkeit zu prüfen. Aber seine Sache kann es niemals sein, sich bei dem, was er öffentlich verbreitet, irgendwie darauf zu berufen, daß er es von ungenannten Meistern oder Mahatmas erhalten hat. In dem Augenblicke, wo es um die Veröffentlichung einer Lehre geht - nicht da, wo es sich etwa im kleinen Kreise darum handelt, daß einer einfach sagt: es ist mir dieses oder jenes mitgeteilt worden und ich glaube daran; das sind Dinge, die von Persönlichkeit zu Persönlichkeit gehen, und das ist etwas anderes -, in dem Augenblicke aber, wo es sich darum handelt, eine Lehre vor der Welt zu vertreten, hat derjenige, der sie vertritt, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Und nur derjenige, der durch die Art seines Wesens klarmacht, daß er sich nicht auf unwahre oder unbekannte Mahatmas beruft, wenn er begründen will dasjenige, was er verbreitet, der vielmehr begreiflich macht, anschaulich macht, daß er als Persönlichkeit, wie er dasteht auf dem physischen Plan, durch sich selbst mit voller Verantwortung für seine Lehre eintritt, der lebt in seiner vollen Pflicht. Und wer das nicht

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vermag, der kann sich dann berufen auf einen solchen, den man auf dem physischen Plane mit Namen finden kann oder, wenn er schon gestorben ist, unter den Verstorbenen finden kann auf historischem Wege.

Für die Überlieferung der Lehre ist es daher recht wichtig, daß derjenige, der die Lehre aus den Quellen heraus mitteilt, mit seiner eigenen Persönlichkeit, so wie er dasteht in der physischen Welt, die volle Verantwortlichkeit für die Lehren übernimmt, und er darf sich nicht berufen auf unbekannte Meister. Und wer die Lehre weiter verbreitet, darf sich auch nur berufen auf physische Persönlichkeiten, die wiederum als physische Persönlichkeiten die volle Verantwortung für die Lehre zu übernehmen bereit sind. Damit ist der gewisse Weg geschaffen für die Verbreitung der Lehre in einem weiteren Umkreis, aber Tür und Tor verschlossen allem Ungenannten, allen Andeutungen. Wer sagt, daß er von da oder dort her dies oder jenes habe, von unbekannten Meistern oder Verstorbenen, wodurch man sich selber so an seinem eigenen Hochmut laben kann, dem ist Tür und Tor verschlossen. Denn es handelt sich bei der Verbreitung der Geisteswissenschaft darum, daß man weiß, in welcher Weise die Fäden des Vertrauens gehen, die hinführen zu den Ursprüngen.

Daher war es ein Unfug in der sogenannten Theosophischen Gesellschaft, als man anfing, gewisse Gesellschaftsvorgänge auf Aussprüche unbekannter Mahatmas zu begründen. Das hätte niemals sein dürfen. Für dasjenige, was auf dem physischen Plane geschieht und verbreitet wird, hat eine physische Persönlichkeit einzutreten, also auch dafür, wenn Lehren verbreitet werden. Derjenige, der die Lehren anderer weiterverbreitet, hat ebenso zu zeigen, daß er sich nicht beruft auf irgendwelche unbekannten Mächte oder Einwirkungen, die auf medialem Wege zustande gekommen sind, sondern auf geschichtliche oder lebendige Persönlichkeiten, das heißt, auf solche, die den ganzen Hergang des Hereinkommens geistiger Wahrheiten in die physische Welt schauen, die wiederum die volle Verantwortung für ihre Lehren übernehmen und auch zeigen durch ihr Verhalten, daß sie die Verantwortung übernehmen. Das ist es vor allem. Das letztere ist es vor allem.

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Das sind zwei sehr wichtige Regeln. Die erste ist diese, daß wir im Gefühle es haben müssen, wie die Autorität schwindet, wenn Medialität auftritt bei der Mitteilung von Veröffentlichungen von Persönlichkeiten, und die zweite ist, daß die Verantwortung niemals hingelenkt wird zu Wesen, die man als unbekannt der Welt gegenüber vorgibt. Man kann selbstverständlich von solchen unbekannten Wesen sprechen, aber man darf sich nicht auf sie als auf Autoritäten berufen. Das ist ein großer Unterschied.

Nur diese Andeutungen wollte ich zunächst heute einmal vor Sie hingestellt haben, weil es wichtig ist, daß man den ganzen Geist und das ganze Wesen, wie geisteswissenschaftliches Streben in uns leben soll, in der richtigen Weise erfühle. Man muß doch in der ganzen geisteswissenschaftlichen Bewegung in der richtigen Weise darinnen stehen. Sonst wird dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung unendlich geschadet gerade dadurch, daß sie vermengt wird mit der Berufung auf allerlei irgendwo dahinterstehende Mahatma-Wesenheiten und dergleichen. Alles dasjenige, was, ich möchte sagen, wie in einen doch im Grunde genommen aus sinnlichen Trieben hervorgehenden Zauberhauch des Geheimnisvollen so gern eingehüllt wird von denen, die in der geisteswissenschaftlichen Bewegung stehen, all das muß allmählich heraus aus dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung, sonst kommen wir nicht wirklich auf dem Gebiete der geisteswissenschaftlichen Bewegung vorwärts.

Wenn jedes Anprallen eines krankhaften Magensaftes an die Magenwände einen Trieb verursacht, der hinaufdunstet in die Intellektualität und sich dort in der Intellektualität in der Form der Imagination eines Engels manifestiert, und der Betreffende dann von diesem Engel seinen Mitmenschen erzählt, so kann das selbstverständlich eine sehr schöne Erzählung sein. Aber dasjenige, was dadurch angestiftet wird, das ist nur Schaden, unendlicher Schaden für eine geisteswissenschaftliche Bewegung. Denn das ist ja das Bedeutsame bei diesen Dingen, daß sie nicht nur durch das schaden, was man sagt, sondern daß sie auch schaden durch das, was sie sind; denn sie sind ja Realitäten. In dem Augenblicke, wo man ihnen ein falsches Gewand anzieht, läßt man sie eben in einer falschen Gestalt vor der Welt auftreten.

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Selbstverständlich würde niemand einen besonderen Eindruck machen, wenn er sagen würde: Du, ich habe da etwas Schiefgehendes im Magen gehabt. Das Anprallen meiner kranken Magensäfte an die Magenwände ist mir als Engel erschienen. - Wer so sagte, der würde keinen besonderen Eindruck machen auf seine Mitmenschen. Wenn er aber das erstere wegläßt, dann macht er einen besonderen Eindruck. Das ist außerordentlich wichtig, daß man von der Möglichkeit, daß solches geschehen kann, durchaus weiß. Selbstverständlich kann man nicht so ohne weiteres überall unterscheiden zwischen dem, was wahre Imagination ist, und dem, was nur falsche Imagination ist. Aber es ist ja auch nicht nötig, daß man seine Imaginationen sogleich an die Menschen heranbringt. Das ist dasjenige, was durchaus berücksichtigt werden muß. Es ist überhaupt notwendig, wirklich ernsthaft notwendig, daß wir dazu kommen, nachzudenken, wie die Verbreitung der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung in der Welt geschehen muß. Nicht wahr, wir haben bisher - vielleicht auch weiterhin - das Instrument unserer Anthroposophischen Gesellschaft, der Gesellschaft überhaupt, gehabt. Aber wir müssen wirklich diese Anthroposophische Gesellschaft, oder sagen wir in loserem Sinne unser Darinnenstehen in der geisteswissenschaftlichen Bewegung schon so auffassen, daß wir darüber nachdenken, in 'welcher Weise diese Gesellschaft, oder dieses Darinnenstehen in der g`eisteswissenschaftlichen Bewegung, ein Instrument ist für etwas, was geistig in der ganzen Erdenevolution geschehen soll.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, es geschieht allzu oft, daß man Mitglied wird der Anthroposophischen Gesellschaft, aber all die verschiedenen Gewohnheiten, all die Neigungen, die Sympathien und Antipathien, die man auch hätte, wenn man nicht Mitglied wäre, nun in die Gesellschaft hineinträgt und darinnen weiter auslebt. Notwendig ist es schon, daß man darüber nachdenkt. Ich habe deshalb heute etwas recht Naheliegendes, Reales zum Gegenstande der Betrachtungen gemacht, nämlich das Reale: wie es möglich ist, daß Betrüger auftreten, die irgendeine einseitige Weltanschauung propagieren wollen und sich einermedialen Persönlichkeit bedienen, um diese einseitige Weltanschauung in die Welt zu bringen. So wie derjenige, der an die Stelle

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des Meisters Koot Hoomi getreten ist, als Betrüger dasteht und eine einseitige Weltanschauung verpflanzt hat in die Blavatsky, wie es möglich war, daß man nicht einsah, daß hinter ihr ein grauer Magier stand> der im Solde war einer engbegrenzten menschlichen Gesellschaft und eine bestimmte menschliche Weltanschauung propagieren wollte.

Das ist etwas sehr, sehr Reales, das uns zeigt, wie man richtig achtgeben muß, wenn es sich darum handelt, dieses hehre, der Menschheit so notwendige Gut der Geisteswissenschaft zu hegen und zu pflegen; wie man da wirklich bis in die innersten Fasern des Gemütes hinein, man kann nur sagen, nach Ehrlichkeit streben muß - selbstverständlich können Fehler vorkommen -, aber auch wirklich nach reinster Ehrlichkeit streben muß, nicht durch Bequemlichkeit sich rasch zufrieden stellen soll damit, daß man an irgend jemanden glauben kann, der einem etwas Wertvolles gibt, sondern wirklich jeden Schritt prüft; prüft, was da alles in Betracht kommt. Das ist schon einmal notwendig. Es ist also etwas Reales, was in die Menschheit hineinströmt in dieser Geisteswissenschaft, wirklich nicht eine bloße Theorie, sondern etwas Reales, was hereinströ mt durch die geisteswissenschaftliche Weltanschauungsströmung in die Menschheitsentwickelung.

Daher müssen wir uns bewußt werden, daß wir uns in einer andern Weise auf die Erde stellen müssen, als wir sonst auf der Erde stehen, wenn wir uns nicht eingliedern in eine solche geisteswissenschaftliche Strömung.

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ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 7. August 1915

Heute möchte ich Verschiedenes zusammenstellen, das uns die Möglichkeit bieten wird, morgen auf einiges Bedeutungsvolle einzugehen, das wir in unserm jetzigen Zusammenhang besprechen wollen.

Nehmen wir einmal an, hier wäre etwa die Oberfläche der Erde, ein Stück Acker oder irgendwie ein Stück Wiese, oder was es immer ist (siehe Zeichnung), und in dieser Wiese wurzelten Pflanzen, irgendwelche Pflanzen, und hier sei etwa ein Wurm oder irgendein kleines Tier, das eben da unter der Erde lebt und wühlt, und das seinen Aufenthalt so unter der Erde hat, daß es niemals über die Erde hinaufkommt, also immer innerhalb der Erde lebt. Diese, sagen wir, Made, Raupe, oder was es sonst ist, die kriecht also da drinnen her- um und lernt bei ihrem Herumkriechen die Wurzeln dieser Pflanzen kennen. Selbstverständlich, da dieses Tier niemals über die Obeffläche der Erde herauskommt, lernt es immer nur kennen die Wurzeln der Pflanzen, nichts anderes, kriecht herum und lernt nur die Wurzeln der Pflanzen kennen. Und dasjenige, was geschehen wird, nicht wahr, das ist ja das Folgende.

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Es werden - wenn es gerade die richtige Zeit ist, in der diese Raupe da herumkriecht - da droben in den Pflanzen, überhaupt in den ganzen Pflanzen, Vorgänge vor sich gehen, die abhängig sind davon,

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daß die Sonne scheint, daß die Sonne eine gewisse Wärme ausbreitet. Diese Vorgänge, die da mit den Pflanzen vorgehen, die werden selbstverständlich auch bewirken, daß in den Wurzeln drinnen Veränderungen vor sich gehen. Wenn die Pflanze oben anfängt, frische Triebe zu bekommen, anfängt, Blüten zu tragen, so gehen unten in den Wurzeln auch Veränderungen vor sich, selbstverständlich. Es werden alle Vorgänge in den Wurzeln veranlaßt, anders vor sich zu gehen, wenn da oben irgendwie etwas vor sich geht. Wir können also sagen: Wenn da dieser Wurm unten herumkriecht, so geschieht mittlerweile das, daß da oben durch dasjenige, was die Sonne bewirkt, hervorgeholt werden Triebe, Blätter, Früchte; und dann werden dadurch auch Vorgänge bewirkt in den Wurzeln. Die Raupe kriecht aber nur herum in der Erde; sie kriecht von Wurzel zu Wurzel.

Nun nehmen wir einmal an - hypothetisch können wir das ja an- nehmen -, diese Raupe oder Made sei ein Wurm- oder ein Raupenphilosoph und bilde sich eine Weltanschauung. Also sie kriecht herum da unten unter der Erde und bildet sich eine Weltanschauung. In dem Bilde, das sie sich da als Weltanschauung zurechtmacht, kann selbstverständlich niemals das eine Rolle spielen, was da durch den Einfluß der Sonne kommt und die Triebe hervorlockt; denn davon kann ja die Raupe nichts wissen; sie kriecht herum, diese Raupe, die- ser Wurm, und studiert die Veränderungen an den Wurzeln, und merkt ganz gut, daß da etwas vor sich geht, daß die Wurzeln anders werden, und auch in dem umliegenden Erdreich etwas vor sich geht. Und dieser Wurm drückt jetzt alles aus in seiner Weltanschauung, was er weiß. Das drückt er alles aus, aber es kommt niemals in dem Weltbild, das sich dieser Wurm macht, davon etwas vor, daß die Sonne hervorkommt, die Pflanzen hervorkommen. Das ist ja ganz selbstverständlich. Das heißt, es entsteht in diesem Wurmphilosophen eine Weltanschauung, welche ein entsprechendes Bild geben wird über den Zusammenhang der Tatsachen, ob da unten die Erde feuchter wird, wärmer wird und so weiter. Er weiß zwar nicht, der Wurm, woher diese Wärme kommt; daß es wärmer wird, daß in den Wurzeln allerlei Vorgänge vor sich gehen, das alles faßt er zusammen.

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Und nehmen wir nun an, der Wurm wäre nicht ein gewöhnlicher Wurmphilosoph, sondern er wäre sogar inspiriert von irgendeinem modernen Philosophen mit der heute ja so gangbaren Anschauung, daß alles zusammenhängt nach Ursache und Wirkung, alles der Kausalität unterstellt ist, wie man das wissenschaftlich philosophisch- technisch ausdrückt: Da wird dieser Wurm da unten herumkriechen und wird das eine die Ursache nennen, das andere die Wirkung, und wird also sagen: Nun, die Erde wird von oben herunter etwas wärmer; das bewirkt, daß die Wurzeln sich verändern. - Er wird dann die weiteren Vorgänge in den Wurzeln darstellen, und es wird ein zusammenhängendes Bild entstehen, welches alle die Vorgänge unter der Erde nach Ursache und Wirkung gliedert. Aber nichts wird darin stehen davon, daß die Sonne scheint und die Pflanzen herauslockt, und damit die Vorgänge in den Wurzeln sich ändern. Aber das Weltbild dieses Wurmphilosophen wird ein ganz zusammenhängendes sein. Es wird ein richtiges Kausalitätsbild sein können; nirgends wird etwas in der Kette von Ursache und Wirkung zu fehlen brauchen.

Nun sehen Sie, es ist Ihnen ganz klar, glaube ich, daß diese Wurmphilosophie ein einheitliches Weltbild hat, das ganz richtig ist, aber daß ihm eben dasjenige fehlt, was wir Menschen als das Wichtigste anschauen müssen, nämlich daß die Sonne mit ihrer Wärme, ihrem Licht kommt, und das bewirkt, was der Wurm da unten beobachtet. Seine ganze Kausalität hängt eben nur davon ab, daß er nicht über die Oberfläche der Erde heraufkommt und daher nicht wissen kann, was über der Erde vor sich geht.

Sehen Sie, solche Würmer sind im Grunde genommen doch die Menschen, welche an der Kette der Kausalität, der Ursachen und Wirkungen, heute Philosophien machen. Das Bild ist ein vollkommen zutreftendes: die Menschen untersuchen das, was ihre Sinne sehen; sie gehen herum unter den Dingen und bewegen sich eben in dem, was ja jetzt nicht räumlich nach oben abgeschlossen ist, aber was durch die Sinnesanschauung begrenzt ist, und nehmen einfach das Geistige nicht wahr, das sich um sie ausbreitet, und das in Wirklichkeit die Vorgänge bewirkt, die sie der Kette von Ursache und

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Wirkung zuschreiben. Es ist wirklich vergleichsweise genau dasselbe. Wenn der Wurm nun plötzlich herausgezogen würde, die Sonnesehen könnte, und merken könnte, daß alles, was er da unten ausgeklügelt hat, im Grunde genommen nicht die Ursache, sondern die Wirkung von dem ist, was die andern Wesen da oben sehen und was da als Sonne, Licht, Wärme, Luft, Wasser existiert: er müßte wahrnehmen, daß sein Weltbild einfach nicht gilt; er müßte erkennen, daß oben die Ursache für dasjenige ist, was er selber unten wahrgenommen hat. Gerade dasselbe ist es, wenn man sich erhebt von der gewöhnlichen Menschenanschauung zu Geistesanschauungen; denn man merkt, wie da dasjenige in die Sinnenwelt hereinkommt, was eben unter gewöhnlichen Umständen nicht wahrgenommen werden kann.

Sie sehen daraus auch, daß die viel gerühmte innere Geschlossenheit einer Weltanschauung nichts bedeutet für deren Richtigkeit. Derjenige, der sich so richtig mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele in dieses Wurmdasein hinein zu versetzen vermag, der kann die Versicherung abgeben, daß nichts irgendwie in diesen Wurmanschauungen auf einem logischen Fehler beruhen muß. Da kann alles logisch in sich richtig und geschlossen sein, da braucht gar kein logischer Fehler drinnen zu sein, das kann eine vollständig innerlich haltbare Weltanschauung sein. Daraus aber ersehen Sie, daß es gar nicht darauf ankommt, ob man irgend etwas eben mit den Mitteln der Welt, in der man ist, beweisen kann oder nicht. Ich habe das öfter von anderen Gesichtspunkten aus erwähnt. Es kann sich da nicht darum handeln, ob man etwas mit den Mitteln der Welt, innerhalb welcher man sich aufhält, beweisen kann oder nicht. Weltanschauungen können noch so schöne Beweise für sich haben, sie bleiben eben doch, sagen wir, Wurmanschauungen.

Wenn man dies wirklich auf seine Seele wirken läßt, so merkt man, was dahinter sehr bedeutsam steht: man merkt, wie, wenn man nur einmal ahnt, daß es noch andere Welten gibt, eine Art allgemeiner Weltenverpflichtung entsteht, sich einzulassen auf diese anderen Welten. Denn man braucht ja eben, wenn man eine noch so geschlossene Weltanschauung hat, über die wirklichen Vorgänge

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mit dieser geschlossenen Weltanschauung gar nichts zu wissen. Und das ist es in der Tat, was man zumeist bei den Philosophien der Gegenwart und der unmittelbaren Vergangenheit hat: sie sind Wurmanschauungen. Sie sind wirklich außerordentlich logisch in sich geschlossen, sie haben für die Welten, in denen man sich aufhält, außerordentlich viel für sich; aber sie sind eben aufgebaut mit den Mitteln der Welten, in denen man sich aufhält.

Sie sehen daraus, daß Sie nichts geben können auf sogenannte Beweise, sondern daß Sie erst darauf sehen müssen, woher diese Beweise genommen sind. Für unsere Gegenwart handelt es sich wirklich darum, ein Gefühl zu bekommen für das Sich-Aufgehen-Lassen von anderen Welten, für das Offenbar-Werden-Lassen von anderen Welten. Gewiß, schwierig ist dieses. Denn, nicht wahr, des Wurmes Bedingungen sind, unter der Erde zu wohnen; so wird er es oben nicht gut aushalten, wenn er heraufgedrängt wird; er müßte sich erst an die neuen Bedingungen anpassen. So ist es natürlich auch schwierig für den Menschen, wenn er sich als Seele abtrennt von seinem Leiblichen, sich anzupassen an die neuen Bedingungen.

Nun können Sie eine Frage aufwerfen, meine lieben Freunde. Sie können sagen: Na schön, du hast uns jetzt die Welt, in der der Mensch mit seinen Sinnen ist, verglichen mit dem, was da unter der Erde ist. Zeige uns irgend etwas, was unsere gewöhnlichen Sinnesanschauungen eben in irgendeiner Weise begrenzt, richtig begrenzt. - Darauf kann man auch strenge hinweisen. Dadurch daß die Aufeinanderfolge des Werdens von Saturn, Sonne, Mond vor sich gegangen ist, ist eigentlich erst eingetreten, und zwar während des Mondendaseins, die Zeit in die Anschauungen, die der Mensch hat, und während des Erdendaseins eigentlich erst der Raum. Wenn wir von Saturn, Sonne und Mond sprechen, und dabei räumliche Vorstellungen zu Hilfe nehmen, so reden wir wirklich nur bildlich, nur in Imaginationen, und wir müssen uns durchaus bewußt sein, daß, wenn wir von diesen drei Welten in Raumesvorstellungen sprechen, diese Raumesvorstellungen so viel zu tun haben mit dem, was da früher sich vollzogen hat, sagen wir, wie die Formen unserer Buchstaben mit dem Sinn des Wortes. Wir dürfen nicht die heutigen Vorstellungen

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als solche nehmen, sondern müssen sie als Zeichen, als Bilder nehmen für dasjenige, was daraus folgt. Denn der Raum hat nur eine Bedeutung für das, was sich innerhalb des Erdendaseins entwickelt, und die Zeit hat eigentlich erst eine Bedeutung seit der Loslösung des alten Mondes von der Sonne. Das ist der strikte Punkt, in welchem sich ablöst der Mond, der alte, von der Sonne. Da erst ist es möglich, von solchen in der Zeit verlaufenden Vorgängen zu sprechen, wie wir heute davon sprechen.

Damit aber, daß wir unsere geistigen Vorstellungen im Raum und in der Zeit haben - denn nicht wahr, alles Äußerliche, was wir vor- stellen, ist im Raum, alles Innerliche, was wir zum Bewußtsein bringen, innerlich aufleben lassen, verläuft in der Zeit -, dadurch sind wir gewissermaßen zwischen Geburt und Tod, aber eben nur zwischen Geburt und Tod, in Raum und Zeit eingeschlossen, wie der Wurm da unten in seiner Erde wohnt. Raum und Zeit grenzen uns ebenso ein, wie diesen Wurm die Erdensubstanz eingrenzt. Wir sind Würmer des Raumes und Würmer der Zeit; wir sind es wirklich in einem ganz hohen, in einem ganz richtigen Sinne. Denn wir bewegen uns, so wie wir sind als inkarnierte Menschen, im Raume> schauen die Dinge im Raume an; und dasjenige, was anschaut, ist unsere Seele, die selber in der Zeit lebt. Zwischen Geburt und Tod geht Zeit vor sich, vom Einschlafen bis zum Aufwachen geht Zeit vor sich. Der Vergleich ist gar nicht einmal ein so schlechter, wenn man auf die Realität selbst schaut. Insofern unsere Seele im Leibe eingeschlossen ist, ist sie mit ihrem Bilden eines Weltbildes so richtig ein Wurm, der im Raume kriecht und der, wenn er zu den Realitäten kommen will, aus dem Raume heraus muß; dann sich auch daran gewöhnen muß, nicht mehr bloß unter den Bedingungen der Zeit die Dinge anzuschauen, sondern unter solchen Bedingungen, für die das, was in der Zeit verläuft, eben nur ein äußeres Zeichen ist, gleichsam ein Buchstabe.

Nun will ich, nachdem ich auf dieses aufmerksam gemacht habe, diese Betrachtungen überleiten auf das geistig-seelische Gebiet. Wie wirklich in dem Keime schon die folgende Pflanze enthalten ist, so war natürlich dasjenige, was sich heute auf Erden in Raum- und

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Zeitwahrnehmungen entwickelt, für den Menschen entwickelt, im Keim schon enthalten in den früheren Zuständen. Ich habe darauf schon in einem Zusammenhange hier aufmerksam gemacht, daß in Saturn, Sonne und Mond eben schon Keime enthalten sind. So daß, wenn wir hier auf der Erde dem, was um uns herum geschieht, einen gewissen Sinn beilegen, wir diesen Sinn gewissermaßen in den alten Vorgängen des Mondes, der Sonne, des Saturns schon drinnen sehen müssen. Mit der Bildung der Zeit und der Bildung des Raumes muß sich in irgendeiner Weise der Sinn des Lebens auf unserer Erde zubereitet haben. Es muß gleichsam das Bilden von Zeit und Raum so geschehen sein, daß dann wie eine Art von Blüte dazu gekommen ist der Sinn des Erdenlebens.

Nun können wir uns ja von diesen Vorgängen auf Saturn, Sonne und Mond folgendes Bild machen. Wir können sagen: Wir haben ein altes Saturndasein (I), das ist umgeben von dem Kosmos; wir haben ein altes Sonnendasein (II), wiederum umgeben von dem Kosmos; wir haben ein altes Mondendasein (III), aber aus dem Mondendasein heraus sich schon entwickelnd eine Art Nebenplanet - das brauchen Sie ja nur in meiner «Geheimwissenschaft» nachzulesen -; und wir haben dann das Erdendasein (IV) so kennen gelernt, daß sich die Erde abtrennt vom Sonnendasein, und wiederum abtrennt vom Mondendasein.

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Wenn ein materialistisch denkender Mensch - ich will das Günstigste für unsere Geisteswissenschaft annehmen - selbst sich überwinden könnte, an diese Vorgänge zu glauben, so würde er aber noch immer den nächsten Schritt zu überwinden haben, der darin besteht, sich zu überzeugen, daß im Grunde genommen die ganzen Vorgänge - Saturnentstehung, Sonnenentwickelung, dann Heranentwickelung zum Mond, Abtrennung des Mondes, Abtrennung von Erde, Sonne und Mond -, daß alle diese Vorgänge eigentlich geschehen, um den Menschen möglich zu machen, so wie er auf der Erde ist. So wie bei einer Pflanze die Vorgänge in den Wurzeln, in den Blättern geschehen, um die Blüte, die Frucht möglich zu machen, so geschehen alle diese Vorgänge, ich möchte sagen, diese makrokosmischen Vorgänge, um unser Leben auf der Erde möglich zu machen; sie geschehen, damit wir auf Erden gerade so leben können, wie wir eben leben. Man könnte auch sagen: Diese Vorgänge sind die Wurzeln unseres Lebens auf Erden; das ist deshalb da, damit wir so, wie wir auf Erden uns entwickeln, uns entwickeln können.

Fassen wir genau ins Auge, daß wir es zu tun haben mit der Abtrennung der Sonne auf der einen Seite, der Abtrennung des Mondes auf der andern Seite, daß wir es also zu tun haben - damit unsere Erde als Erde zustandekomme - mit Trennungen. Das heißt, wir werden zurückgelassen auf dem Erdenplaneten, und abgetrennt ha- ben sich von uns Sonne und Mond, und wirken nun von außen auf die Erde herein. Das mußte sich so ereignen, sonst könnte sich nichts in uns so entwickeln, wie es sich auf Erden entwickelt. Daß alles sich so entwickelt, wie es sich auf Erden entwickelt, dazu ist nötig, daß einmal in Urzeiten Sonne und Mond mit der Erde verbunden waren, und daß sie sich dann getrennt haben und von außen nun ihre Wirkungen hereinscheinen lassen auf die Erde. Das ist durchaus notwendig.

Nun möchte ich darauf hinweisen, daß unser inneres seelisches Leben ganz bestimmte Konfigurationen angenommen hat dadurch, daß dies geschehen ist. Unter den mannigfaltigsten Begriffen, die wir haben - ich könnte ja viele Begriffe als Beispiel anführen - und die im ganzen Zusammenhang unseres Erdendaseins eine gewisse Rolle

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spielen, ist auch der Begriff des «Etwas-Besitzens», des «Etwas-Habens», was zusammenhängt damit, daß sich unsere Person mit etwas verbindet, was ebensogut außerhalb der Person ist. Wir sprechen in den seltensten Fällen davon, daß wir unsern Arm oder unsere Nase besitzen, denn nicht wahr, die meisten Menschen empfinden ihren Arm oder ihre Nase so sehr zu sich gehörig, daß sie da nicht von einem Besitz sprechen. Aber dasjenige, was auch getrennt sein könnte, und was dann zu uns gehört, bezeichnen wir lediglich im juristischen Sinne als einen Besitz, als einen richtigen Besitz.

Nun könnte sich in uns das gar nicht bilden, was wir die Vorstellung nennen: etwas von dem besitzen, was da draußen ist -, wenn nicht eingetreten wäre die Trennung desjenigen, was früher zur Er- de gehört hat, und das Wiederbezogenwerden von Sonne und Mond zur Erde. Unser Leben noch auf der alten Sonne war ganz anders. Da waren Sonne und Mond eben mit dem, was Vorgänge der Erde waren, als Sonne verbunden; da waren sie mit dem ganzen Menschendasein innig verbunden. Da konnte der Mensch sagen: «Sonnenwirkung in mir», oder «Ich-Sonnenwirkung» - wenn er dazumal schon hätte «Ich» sagen können, die Erzengel konnten es aber - «Ich Sonnenwirkung»; nicht: die Sonne bescheint mich, es kommt das an mich heran, was Sonnenwirkung ist. - Das mußte vor sich gehen, daß abgetrennt wurde dieser Planet oder dieser Fixstern Sonne, da- mit wir als Erden menschen eben diese besondere Konfiguration der Besitzesvorstellung entwickeln konnten.

Nun hängt das noch mit etwas anderem zusammen. Stellen Sie sich vor, noch auf dem alten Sonnendasein sagte der Erzengel: Ich Sonne. - Daß wir etwas sehen, das beruht darauf, daß die Sonnenstrahlen oder Lichtstrahlen auf den Gegenstand scheinen und zu uns zurückgeworfen werden. Würde die Sonne mitten in der Erde scheinen, so würden wir nichts sehen von den Gegenständen, die auf der Erde sind. Wir würden dann zwar sagen: Ich Sonne, Ich Licht, aber wir würden nicht die einzelnen Gegenstände unterscheiden, wir würden nicht die Gegenstände sehen. Also, Sie sehen, noch weiteres hängt damit zusammen. Während die Erde sich entwickelt von Saturn, Sonne, Mond zur Erde herüber, entsteht erst durch die Konstellation

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im Makrokosmos die Möglichkeit, die Gegenstände so zu sehen und wahrzunehmen, wie wir sie jetzt wahrnehmen. Solche Wahrnehmungen, die gab es natürlich während des Sonnendaseins nicht; wenn auch die ersten Anlagen unserer Sinnesorgane auf dem alten Saturn schon vorbereitet worden sind, aufgeschlossen wurden sie erst auf der Erde, erst da wurden sie zu Wahrnehmungsorganen gemacht. Diese Anlagen auf dem alten Saturn, das waren, ich möchte sagen, blinde und Unwahrnehmende Sinnesorgane. Aufgeschlossen wurden diese Sinnesorgane erst dadurch, daß die Sonne aus- schied, und der Mond aus der Erde herausgegangen ist.

Damit sehen Sie, daß zwei Vorgänge parallel gehen: Wir bilden unsere Sinneswahrnehmungen und sehen draußen eine Welt; und damit parallel gehend entwickeln wir die Besitzesvorstellung. Denn wie kommen wir zu der Besitzesvorstellung? Sie könnten während des alten Sonnendaseins sich nicht denken, daß irgendein Erzengel etwas besitzen will. Er sieht ja auf nichts; er ist ja alles. Wären alle Gegenstände und Wesen der Erde so, würden sie niemals den Drang bekommen, etwas besitzen zu wollen. Mit der Entwickelung der Sinne entwickelt sich erst die Besitzesvorstellung; die Bes1tzesvor- stellung ist nicht trennbar von der Entwickelung der Sinne; diese beiden Dinge gehen parallel. Die Sinne waren auf der einen Seite, und so etwas wie die Besitzesvorstellung auf der andern Seite. Es können auch andere Vorstellungen genommen werden.

Und wenn wir in umfassenderem Sinne bedenken dasjenige, was in der religiösen Urkunde, der Bibel, steht - denn hinter solchen Dingen, wie sie in den religiösen Urkunden stehen, liegt immer noch sehr vieles verborgen -,50 können wir sagen: Das, was im An- fang der Bibel steht von der luziferischen Verführung, hängt damit zusammen, daß Luzifer dem Menschen verheißen hat seine Sinnesentwickelung: «Die Augen werden euch aufgeschlossen», - damit meint er, überhaupt alle Sinne werden aufgeschlossen. Das Auf- schließen der Augen steht nur für die Sinne im allgemeinen. Damit hat er die Seele hingelenkt auf die äußeren Dinge und damit zu gleicher Zeit die Besitzesvorstellung hervorgerufen. Wollten wir das etwas ausführlicher sagen, was da Luzifer dem Weibe verheißen hat,

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so müßten wir sagen: «Ihr werdet Gott-gleich sein» heißt soviel wie: Eure Sinne werden aufgeschlossen sein. Ihr werdet unterscheiden zwischen demjenigen, was euch gefällt und was nicht gefällt, was ihr Gut, was ihr Böse nennt, und ihr werdet das alles besitzen wollen, was euch gefällt, was ihr gut nennt. - Das müßte man alles verbinden mit dieser luziferischen Verheißung.

Nun müssen wir allerdings, wenn wir solch eine Vorstellung, wie ich sie eben jetzt entwickelt habe, so recht erfassen wollen, uns auf etwas besinnen. Da ist einer der Punkte, wo es notwendig ist, daß man im geisteswissenschaftlichen Vortrag appelliert an die Selbstbesinnung jedes Einzelnen, der die Dinge aufnehmen will. Man muß sich auf etwas besinnen: Indem ich Ihnen dieses entwickelt habe von der Entstehung der Sinne, von dem Wahrnehmen der Dinge und von der Entwickelung der Besitzesvorstellung, haben wir nicht nötig gehabt, irgendwo eine Raumes- oder eine Zeitvorstellung einzufügen. Gewiß, wenn sich der Mensch diese Dinge versinnlichen will, wie ich es auch getan habe, indem ich sie auf die Tafel gezeichnet habe, so nimmt man Raum- und Zeitvorstellungen zu Hilfe. Aber um zu begreifen, was es heißt die Sinne werden aufgeschlossen -, und um zu begreifen, was es heißt: die Besitzesvorstellung entwickelt sich -, dazu braucht man nicht Raum- und Zeitvorstellungen. Diese Dinge sind unabhängig von Raum und Zeit. Sie haben nicht nötig daran zu denken, daß ich raumgemäß von irgendeiner Sache entfernt bin, wenn ich sie besitzen will; auch an die Zeitvorgänge brauchen Sie nicht zu appellieren. Wie gesagt, hier muß man an die Selbstbesinnung appellieren. Denn es kann jeder einwenden: ich kann`s nicht -> aber wenn er sich genügend zusammennimmt, so kann er solche Dinge sich vorstellen: daß er keine Raum- und Zeitvorstellung zu Hilfe nimmt. Ja, noch etwas anderes ist richtig: wenn Sie versuchen, solche Vorstellungen sich klar zum Bewußtsein zu bringen, also darüber zu meditieren, wie ich jetzt gleichsam mit Ihnen meditiert habe, so kommen Sie allmählich hinaus über das Raumes- und Zeitvorstellen. Sie kommen hinaus in eine Welt, wo Raum und Zeit in Ihren Erlebnissen wirklich nicht mehr die eminente Rolle spielen, die sie im Alltagsleben spielen.

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Nun besteht in der Menschheitsentwickelung eine eigentümliche Sehnsucht. Uberall, wo wir das Menschengeschlecht in seinem innersten Streben in der Geschichte antreffen, treffen wir eine bestimmte Sehnsucht schon an; und das ist die Sehnsucht, auch Vor- stellungen zu haben, die von Raum und Zeit unabhängig sind, die nichts zu tun haben mit Raum und Zeit. Geschichtliche Vorgänge werden in Mythen verwandelt, oder es wird in dem geschichtlichen Vorgang auf das hineingedeutet, was das Geistige ist, um möglich zu machen> daß man auf dem Hintergrunde von geschichtlichen Vorgängen Mythen sich gestalten sieht. Und je weiter wir in der Geschichte zurückblicken, desto mehr finden wir als geschichtliche Überlieferungen die geschichtlichen Tatsachen in den Mythus gehüllt. Denken Sie sich, wie schon in bezug auf die ältere griechische Geschichte alles in den Mythus gehüllt ist; auch viel von der älteren mitteleuropäischen Geschichte ist in den Mythus gehüllt. Je weiter man zurückgeht, desto mehr wird man entfernt von dem äußeren, rein sinnlichen Fühlen der Tatsachen, und es taucht ein die Darstellung in ein sinnvolles Erfassen. Wenn Sie Mythen studieren, da werden Sie ganz deutlich sehen, daß man bei der Entstehung der Mythen, sich aus Raum und Zeit herausarbeiten will. Nicht nur, daß schon, ich möchte sagen, die elementarsten Mythen, die Märchen oftmals darstellen, wie irgendein menschliches Wesen - ich erinnere nur an Dornröschen - aus der Zeit herausgeht und ins Zeitlose hin- eingeht> sondern wenn Sie bei den Mythen nachschauen, so werden Sie sehen: Sie wissen nicht recht, welche geschichtlichen Tatsachen gemeint sind. Es kann etwas, was jahrhundertelang früher liegt, als etwas Späteres erzählt werden. Manchmal werden auch Tatsachen, die in der historischen Entwickelung Jahrhunderte auseinanderliegen, zusammengeschmiedet im Mythus. Der Mythus sucht über Raum und Zeit sich zu erheben. Das heißt, es lebt im Menschendasein die Sehnsucht, sich über diese Alltäglichkeit hinaus, die uns anweist, im Raum und in der Zeit zu denken und vorzustellen, auch sich hineinzuleben in solche Vorstellungen, welche raumlos und zeitlos diejenigen Realitäten darstellen, die jenseits des Nebeneinander und des Hintereinander unseres Raumes- und Zeitendaseins als

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die ewigen Dinge walten, oder wenn sie sich einmal gebildet haben, als die ewigen Dinge bleiben.

Wenn Sie das, was ich jetzt gesagt habe, zusammennehmen mit etwas, was ich das letzte Mal gesagt habe, so wird sich Ihnen eine schöne Verbindung ergeben. Ich habe gesagt, wir sollten sehen: wenn nicht ein Luziferisches in uns wirkte, wäre unsere Vorstellungswelt eigentlich im alten Monde drinnen. - Daraus geht aber nun hervor, daß eigentlich dieser alte Mond noch da ist, geblieben ist, und daß nur Luzifer uns vorzaubert, unsere Vorstellung sei jetzt in uns drinnen. Also die Zeit wird da zu einem Mittel des Truges, der Täuschung für Luzifer. Das alte Mondendasein ist dauernd, und so sind auch die Dinge dauernd, die entstehen. Unsere Besitzesvorstellungen sind etwas Dauerndes, das heißt, dasjenige, was der Erdenmensch durch seine Besitzesvorstellung als soziale Erdenordnung entwickelt, das bleibt, das wird auch noch bestehen, wenn der Jupiter- und der Venuszustand einmal da sind. Und wenn dann nicht entsprechende Verführungen als luziferische und ahrimanische Verführungen kommen, so wird man sehen, wie auf Erden durch den Besitzesbegriff soziale Ordnungen sich gebildet haben. Die werden dann etwas wie physische Ordnungen darstellen. Denn das gehört zum Maja-Sein, zu der Täuschung, daß die Dinge vorübergehen; in Wirklichkeit sind sie dauernd, in Wirklichkeit bestehen sie. Und schon, wenn man richtig das Dasein versteht, findet man hinter dem eigentlich Vergangenen das Dauernde. Sie können es gleichsam erfassen in dem, was ich jetzt erzählt habe.

Nun aber blicken wir, wenn wir das so recht erfassen, was ich gesagt habe, eigentlich in tief bedeutsame Untergründe unseres ganzen Erdendaseins hinein. Sehen wir denn nicht, wie unter dem zeitlich- räumlichen Erdendasein das ewig dauernde Erdendasein oder Da- sein überhaupt sich förmlich aus breitet? Wie einen Schleier haben wir das Zeitlich-Räumliche oben, und darunter die Dauerverhältnisse, die Verhältnisse der Dauer. Und nun kommt unsere Anschauung, wenn sie im Raum und der Zeit verläuft, unsere Anschauung, die in Raum und Zeit lebt. Denken Sie nur einmal, wie man das, ich möchte sagen, konkret im einzelnen sich vorstellen kann. Denken

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Sie einmal bloß - heute fassen das die Menschen gar nicht mehr ordentlich -, denken Sie sich irgendwo, irgendwie «rot». Um «rot» zu denken, brauchen Sie keinen Raum, brauchen Sie keine Zeit; Sie können sich «rot» irgendwie denken; es braucht nicht im Raum, nicht in der Zeit zu sein, weil es bloß als Eigenschaft gedacht ist (I). Es ist dies schwer für den Menschen, weil er das Rot durchaus räumlich begrenzen will. So schwer war es nicht auf dem alten Mond für die Engel, denn die hatten keine Sehnsucht, das Rot auf einzelne Gegenstände zu verteilen. Die Zeit hatten sie schon, aber räumlich stellten sie nicht vor. Zeitlich stellten sie vor; daher empfanden sie «rot» oder «grün» oder irgendeine Farbe als fließenden Strom. Wenn Sie sich das lebhaft vorstellen: Blau als fließenden Strom, Rot als fließenden Strom, wenn Sie auch die anderen Sinnesempfindungen strömend vorstellen, aber nur zeitlich, ohne daß eine richtige Raumesvorstellung sich hineinmengt, so können wir sagen: Da kann man empfinden beim Übergang vom Monden- zum Erdendasein, wie das bloß Zeitliche hereingespannt wird in das Räumliche. Was macht denn eigentlich das Wesentliche des Erdendaseins aus? Daß so ein Rot abgegrenzt wird und hereingespannt wird. Auf dem Monde wäre es unmöglich gewesen, ein abgegrenztes «Rot» zu sehen: auf der Erde ist es uns möglich, abgegrenztes «Rot» zu sehen (II). Das

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aber hängt zusammen, innig zusammen mit der Abtrennung der Sonne von der Erde, und mit dem Hereinfallen des Sonnenstrahls von außen. Schon daß ich sagen kann im wirklichen Sinne: der Sonnenstrahl fällt von außen herein -, schon das weist Sie darauf hin,

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daß unser jetziges Dasein ohne die Raumesvorstellung nicht zu denken ist. Ja, für dieses unser jetziges Wahrnehmen und Leben bedeutet dieses Außerhalb-Stehen der Sonne etwas Reales.

Nun werden Sie leicht aus dem, was ich vorgebracht habe, entnehmen können, daß wir wirklich sagen könnten: die Farben sind in den Raum hereingespannt, und die anderen Sinneswahrnehmungen auch. «Fließenden Reiz» habe ich in der «Theosophie» dasjenige genannt, was nach dem Tode in dem Menschen lebt, weil er da nicht in den Raum eingespannt ist. Daher sprach ich schon von der ersten Welt, die er durchlebt, als «fließender Reizeswelt». Da sind die Sinneswahrnehmungen nicht in den Raum hereingespannt. Auf der Erde sind sie das. Hier muß der Sonnenstrahl von außen kommen, muß die Sinneswahrnehmungen in den Raum hereinspannen (III). Damit hängt zusammen - wie ich auseinandergesetzt habe -, daß der Mensch Besitzesvorstellungen entwickelt; denn niemals kann der Mensch in einer Welt des fließenden Reizes an Besitz denken; da ist höchstens Zeit vorhanden, und da würde er schon das Vergebliche einsehen, wenn er an Besitz denken wollte. Es wäre da ungefähr so, wie wenn er an den Besitz eines Stücks Wasser denken würde, das im Bach dahinfließt. Diese Vorstellung entsteht also erst, indem die aus der Erde herausgehende Sonne die Sinneswahrnehmungen in den Raum hineinspannt.

Sehen Sie, so etwas, wie ich jetzt auseinandergesetzt habe, muß man in eine Empfindung, in ein Gefühl verwandeln. Man kommt nicht zurecht, wenn man bei einer bloß theoretischen Vorstellung bleibt; man muß sie in ein Gefühl, in eine Empfindung verwandeln, man muß wirklich eine innerlich lebendige Empfindung davon bekommen, wie man als Mensch, als Mikrokosmos, in den Makrokosmos hineingestellt ist, und wie selbst dieses Sich sehnen, etwas zu besitzen, zusammenhängt mit der ganzen Entwickelung des Makrokosmos, mit dem Hergange, wie sich die sinnliche Anschauung entwickelt hat. Wenn man das so recht fühlt, wenn man beginnt, ich möchte sagen, kosmisch zu fühlen, wenn man beginnt, zu fühlen, wie so etwas, wie die einfache Vorstellung: du möchtest dies besitzen, was du siehst und was dir im Anschauen gefällt -, wie das aus

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dem Makrokosmos herausgeboren ist: dann bekommt man wirklich erst die recht lebendige Vorstellung, daß zusammenhängt das menschlich Seelische mit dem ganzen Makrokosmos; dann geht einem ein innerlich lebendiges, ein ernst lebendiges Gefühl auf, wie man in dem einzelnen, was man im alltäglichen Leben vorstellt, mit dem Makrokosmos zusammenhängt, und wie eigentlich in allem, was wir so vorstellen, was wir in der Seele erleben, der Makrokosmos in uns lebt. Und in dem Menschen besteht eine fortwährende Sehnsucht, solche wirklich auf dem Grund des Lebens ruhende geheime Zusammenhänge zu empfinden, und die Empfindung auszudräcken. Diese Sehnsucht besteht in den Menschenseelen, in den Menschenherzen.

Und so denken wir uns einmal, es entstünde in einer Menschenseele so recht das Gefühl, so recht das Empfinden, ich will den kosmischen Zusammenhang dieses Einzelseelenerlebnisses ausdrücken: «Da fällt mein Auge auf einen äußeren Gegenstand; ich will ihn besitzen; ich will ihn mir aneignen», dann wird man, ich möchte sagen, die Tragik des Naturdaseins von einer solchen Empfindung aus eifühlen können. Die Tragik des Naturdaseins, sage ich. Wir nehmen ja im Grunde genommen einer ganzen Welt, die bis zum Monde geht, und die ja noch in unserer Welt als Grundlage vorhanden ist, wir nehmen ihr wirklich dasjenige, was wir besitzen wollen. Was wir zu besitzen streben, nehmen wir weg dieser Welt, die auf dem Grund unserer natürlichen Welt ruht. Das nehmen wir von ihr weg. Und das ist es, was die wirklich mit der Natur empfindende Menschenseele fortwährend fühlen muß daß da auf dem Untergrund der Natur wirklich etwas enthalten ist, was fortwährend dulden muß; daß der Mensch dieser Natur, die allen Alles geben will, widerspricht und sagt: Dies gehört mir. - Und denken Sie sich jetzt hinein in diesen Widerspruch zwischen der Natur, die allen Alles geben will, und dem ganzen menschlichen Fühlen: Dies will ich für mich haben> und daß ich es für mich haben will, ist hervorgerufen dadurch, daß meine Sinne es als für mich gut oder weniger gut, sympathisch oder antipathisch empfinden können. - Da kann man seine eigene Seele hineinvertiefen in das Naturdasein, kann mit der Natur

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mitfühlen, wie ihr etwas weggenommen wird; schon dadurch weggenommen wird, daß der Mensch den Gedanken faßt, unter dem Eindruck seiner Sinne den Gedanken faßt: er will das haben, was die Natur allen geben will.

Ich habe einmal, ich möchte sagen, ganz besonders gründlich plötzlich in meiner Seele gefühlt, wie man dieses ganze Verhältnis, das ich jetzt zu charakterisieren versuchte, durchempfinden kann, wie man lernen kann mitzufühlen mit der Natur, die da sagt: Ich mag mich wehren, wie ich will, die Weltentwickelung ist soweit gekommen, daß der Mensch erklärt, meine Dinge seien seine Dinge. - Ich sage, ich habe das in einem besonderen Augenblicke in der Seele vor Jahren einmal so recht warm und innig auch fühlend empfunden, als einmal in einer Gesellschaft - es war vor vielen Jahren - eine Rezitation gepflegt werden sollte, ein Rezitationsprogramm war. Und wie es ja zuweilen vorkommt, besonders bei Rezitationsprogrammen, daß die betreffenden Persönlichkeiten verhindert sind, absagen lassen, so war es auch hier: eine Rezitatorin mußte absagen lassen. Es mußte also ein Ersatz gefunden werden und er hatte sich auch gefunden. Man mag nun über den Wert der Deklamation, die nun folgte, über diesen Ersatz denken wie man will - darauf will ich jetzt nicht eingehen -, aber der Ersatz war von ganz besonderer Art. Es fand sich nämlich einer der reinsten katholischen, edelsten katholischen Priester, die ich jemals in der Welt kennengelernt habe, bereit, das Programm zu rezitieren, welches die betreffende Schauspielerin wegen ihres Verhindertseins nicht rezitieren konnte. Und man hatte da ein ganz besonders Bedeutsames, man konnte ein besonders bedeutsames Erlebnis haben, das sich für mich verdichtete zu dem, was ich Ihnen eben aussprach.

Denn dieser, wirklich seine Katholizität mit allem, was für den wirklich wahren und aufrichtigen Priester die Katholizität mit sich bringt, ernst nehmende Priester hatte dem Programm gemäß zu rezitieren das «Heidenröslein» von Goethe. Und man konnte an die- ser Rezitation wirklich etwas erleben, weil der Mann nicht nur eben ein Priester im gewöhnlichen Sinne war, sondern so gelehrt war und so rein nur hingegeben geistigen Betrachtungen, daß viele sagten:

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der Betreffende - ich will jetzt seinen Namen nicht nennen - kennt die ganze Welt und außerdem noch drei Dörfer. So weise und erfahren in den Dingen, die man wissen kann, empfand man ihn. Nun war die Rezitation nicht besonders gut, trotzdem aber lag in der Art und Weise, wie er das «Heidenröslein» vorbrachte, etwas so ungeheuer Bedeutsames, weil man fühlen konnte, daß seine Empfindung der Welt aus seinem, ich möchte sagen, allem Sinnlichen abgekehrten Empfinden der Welt her kam; man konnte fühlen, wie gerade durch diesen Vorgang, daß eben ein Priester statt einer Schauspielenn eintrat, die ganze kosmische Gewalt, die ungeheure kosmische Gewalt dieses einzigartigen Gedichtes das «Heidenröslein» in den Vortrag hereinkam, und die ungeheure Feinheit, die in diesem Gedichte liegt.

Dieses Gedicht hat ja, ich möchte sagen, eine Vorgeschichte. Es ist ein altes Volkslied. Und ich sagte schon: die Menschen hatten immer die Sehnsucht, dasjenige zu empfinden, was als kosmisch auf dem Untergrund des Daseins lebt. Und gerade in diesem Gedichte das «Heidenröslein» kommt so etwas von diesem ganz grandiosen kosmischen Untergrunde in unendlich einfache Vorstellungen hinein. Daher muß man das «Heidenröslein» zu den allerschönsten Per- len der Poesie zählen, die überhaupt jemals in der Welt hervorgebracht worden sind. Ich habe dann vor Jahren auch von Leuten gehört, die irgend etwas, ich weiß nicht was, von alltäglichen, untergeordneten Menschheits-, menschlich-allzu-.menschlichen Beziehungen in das «Heidenröslein» gelegt haben; allein das rührt ja bloß aus verdorbenen Untergründen der Gemüter her. Wenn man das kann, in das <Heidenröslein» irgend etwas herein zu interpretieren, was nicht ganz rein ist, so gehört dazu ein Gemüt, das aus sinnlichem Dunste heraus fortwährend schweIgen will in allerlei «heiliger» Liebe. Man kann nämlich aus seinem Sinnesdunst-Empfinden heraus fortwährend in «heiliger» Liebe schwelgen; aber man kann dasjenige, was als kosmischer Untergrund einem solchen Gedichte, wie das <Heidenröslein» zugrunde liegt, nur mit reinem, mit keuschem Herzen selbst empfinden, und jede Verkennung würde auf eine wirkliche Verdorbenheit des Gemüts hinweisen.

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Denn nehmen wir das Wunderschöne, was - gerade dadurch, daß dieses Volksgedicht übergegangen ist in die jugendlich lyrische Tiefe Goethescher Kunst -, was dieses «Heidenröslein», so wie es uns von Goethe vorliegt, eigentlich geworden ist. Etwas ganz Wunderbares ist es geworden; in jeder Zeile stets dasjenige, was da sein soll! Bedenken Sie einmal: fühlte man, wie dasjenige wirkt, was im Laufe der kosmischen Entwickelung als Sinneswahrnehmung für die Augen auftritt und wollte man dies beschreiben -, wie könnte man es besser tun, als indem man das Rot nimmt, indem man, ich möchte sagen, dem Objekt, dem Gegenstande es noch anfügt, ohne die räumliche Begrenzung, es anklingen läßt in «Röslein, Röslein, Röslein», indem man das Rot schon anklingen läßt in «Röslein rot!» Gleich steht vor uns das ganze Mysterium, wie es aus dem Kosmos heraus vor uns hin gestellt wird. Die Sinneswelt steht also da:


Röslein, Röslein, Röslein rot,


in dem fortdauernden


Röslein, Röslein, Röslein rot.


Nun werden wir gleich in der ersten Zeile darauf hingewiesen, daß es sich um dieses Mysterium handelt: daß man hinausschauen kann durch seine Sinne


Sah ein Knab` ein Röslein stehn,

Röslein auf der Heiden.


Dann wird in der nächsten Zeile schon in einer wunderbaren Steigerung, die selten so schön in der Poesie da ist, eine Nuance herauf- geholt, daß nun das rote Röslein anfängt, sympathisch zu werden:


War so jung und morgenschön,


Es wird also etwas hingestellt, was die Sympathie rechtfertigt mit dem, was aus den Sinnen erscheint, und gleich in der nächsten Zeile das, was dazu gehört:


Lief er schnell, es nah zu sehn.

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Darin haben Sie die ganze Korrespondenz der Sinne mit dem, was sich den Sinnen darbietet: er lief schon, es nah zu sehn! Und nun die nächste Zeile wieder eine Steigerung, die Steigerung jetzt in ihm. Draußen war die Steigerung: zunächst

Röslein auf der Heiden


einfach da das Objekt; dann:


War so jung und morgenschön


die Steigerung draußen. Und bei ihm:


Lief er schnell, es nah zu sehn;


indem er lief, es nah zu sehn:


Sah`s mit vielen Freuden.


Sie sehen, wie hier das Äußere mit dem Inneren korrespondiert. Nun kommt der Refrain:


Röslein, Röslein, Röslein rot,

Röslein auf der Heiden,


um uns ganz besonders hinzuweisen darauf, wie da die Korrespondenz ist zwischen dem, was imAuge, und dem, was da draußen als das Objekt «rot» erscheint. Und der mysteriöse Zusammenhang mit dem Besitz:


Knabe sprach: Ich breche dich.


Er will`s besitzen, er will das Röschen pflücken, er will`s mit nach Hause nehmen. Nichts anderes ist drinnen; aber dies was drinnen ist, ist wunderbar kosmisch vertieft:


Knabe sprach: Ich breche dich,

Röslein auf der Heiden!

Röslein sprach: Ich steche dich.


Wir können in diesem Satz «Ich steche dich» nun das ganze Mysterium der Natur drinnen sehen, die abwehren will, daß der Mensch ihr entgegenschleudert: Ich will deine Dinge nach Hause tragen. - Sie,

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die Natur, will, wie sie das Röslein für alle lassen will, daß all die Vorübergehenden es anschauen, so will sie es mit all ihren Gegenständen gerade gemacht haben.

Da in diesem


Röslein sprach: Ich steche dich


ist schon allein beschlossen, das, was ich als Mitempfinden der Tragik der Natur bezeichnet habe.


Daß du ewig denkst an mich:


er muß der Natur entgelten, daß er hinausreißen will, was vereinigt ist. Er bringt hinein das, was erst in Raum und Zeit entstanden ist, das Besitzen-Wollen; denn nur dadurch, daß der Mensch die Dinge der Natur für sich haben wollte, entstanden die Besitzesverhältnisse.

Dafür muß der Mensch entgelten> daß er etwas herausreißt aus dem Dauernden, so daß er wenigstens ewig daran denken muß. Es muß verewigt werden; es darf nicht das Unwahre bestehen, daß es nicht verewigt wird. Dann wiederum in den Worten


Und ich will`s nicht leiden


steht einfach das Röslein als Repräsentant der ganzen Natur - jedes Naturobjekt sagt eigentlich das, wenn man es besitzen will. Und dann folgt wiederum, damit das Gefühl so recht geheftet wird an das, um was es sich handelt:


Röslein, Röslein, Röslein rot,

Röslein auf der Heiden.


Die nächste Strophe wiederum eine wunderbare Steigerung. Er läßt sich nicht abhalten:


Und der wilde Knabe brach

's Röslein auf der Heiden.


Also er will es doch besitzen! Röslein wehrte sich und stach.

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Das Röslein ist wiederum Repräsentant der ganzen Natur.


Half ihm doch kein Weh und Ach:


So geht es überhaupt der Natur, und wir empfinden jene Tragik, die sich ausdrückt wie eine Stimmung in der Natur, wenn der Mensch sie besitzen will:


Mußt` es eben leiden.


Unendlich tief ist dieses Wort. So muß die Natur sagen gegenüber alledem, was der Mensch aus ihr begehrt. Zu alledem sagt die Natur: Mußt` es eben leiden.

Aber dieses mikrokosmische Mysterium hat sogar ein makrokosmisches Gegenbild, und wenn man jetzt aus dem Mikrokosmos in den Makrokosmos hinausgeht, so darf man sagen: Wer ist denn nun im Makrokosmos der wilde Knabe, der das Röslein auf der Heide bricht? Es ist der Sonnenstrahl, der sich mit der Sonne von der Erde abgetrennt hat, und der nun auf die Erde fällt von außen, der wirklich zwar hervorruft, auf der einen Seite hervorruft das Röslein auf der Heiden, aber dann, wenn er es sieht, wenn es da ist, auch gleich wieder bricht, es verdorren macht.

So ist es überall in der Natur. Die Natur gibt uns noch eine Erinnerung an das «mußt` es eben leiden»: neben der Rose die Dornen, die vertrockneten Dornen, die ein Wahrzeichen dafür sind, daß die Natur sich doch merkt, wie der Sonnenstrahl ihr dasjenige, was sie besitzt, nimmt. Aber es ist auch der Dorn neben der Rose. Wenn wir nicht bloß so betrachten, wie ein Materialist es tut, sondern wenn wir das ganze kosmische Fühlen hineinlegen, dann ist der Dorn an der Rose der Ausdruck der Trauer der Natur gegenüber der großen Freude der Natur, gegenüber dem Aufjauchzen der Natur, das dann entsteht, wenn sich die Rosenblüte öffnet, wenn der Rosenstrauch mit Rosen in der Natur dasteht. Wenn dann der wilde Knabe, der Sonnenstrahl kommt, und die Rosen zum Verdorren bringt, ist dies das makrokosmische Gegenbild. Und man kann nur sagen: Wenn irgend etwas geeignet ist, esoterische Empfindungen zu erregen, so sind es solche Gedichte, bei denen man nicht daran zu

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denken braucht, allerlei stroherne Allegorien in sie hineinzulegen, sondern bei denen man sich eben nur an eine große Wahrheit zu er- innern braucht: Wenn der wahre Dichter hinausgeht über die Natur, tut er es so, daß er dasjenige, was über Raum und Zeit hinaus er- fühlt werden kann hinter der Oberfläche der Tatsachen, versucht, mit Worten zum Ausdruck zu bringen. Und wenn ein Dichter in solch einfachen Vorgängen, wie es das Abpflücken einer Rose auf der Heide durch einen Knaben ist, etwas anschlägt, was immerhin so tief zu unseren Herzen spricht, so ist es deshalb, weil dies unser Herz seine Anlage erhalten hat, als wir selber noch nicht mit der Erde vereint waren, als wir selber noch mit dem alten Sonnendasein vereinigt waren, und weil wir damit die Möglichkeit in uns erhalten haben, mit der ganzen Welt zu fühlen.

Wenn auch durch die luziferisch-ahrimanische Täuschung wir unsere Gefühle jetzt, wie ich geschildert habe, uns selber zuschreiben, so entstanden sie doch aus dem Kosmos; und darauf beruht es, daß wir so mitgehen können, so innig mitgehen können mit dem wahren Dichter, wenn er auch den einfachsten Vorgang des Abpflückens einer Rose schildert. Weil in dem, was aus der Menschenseele bei dem einfachsten Vorgange heraufkommt, der ganze Kosmos vor uns dasteht. Und man braucht es gar nicht auszusagen, man. braucht es nicht auszudenken, aber man fühlt es. Wenn man ein so wundervoll feines Gedicht wie das «Heidenröslein» auf sich wirken läßt, dann fühlt man, daß da die ganze Welt hineingeheimnißt ist, Weltgeheimnisse da hineingelegt sind, so daß in der Tat auch die Geheimnisse der Kunst nach und nach dadurch sich uns enthüllen, daß wir aufsteigen von dem rein äußerlichen Wahrnehmen und Empfinden der Dinge zu dem innerlichen, daß wir aufsteigen vom Mikrokosmos zum Makrokosmos und versuchen, die verborgenen, aber in unserer Seele wirksamen Geheimnisse nach und nach kennen zu lernen. Davon morgen weiter.

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DREIZEHNTER VORTRAG Dornach, 8. August 1915

Bedenken wir, daß der Mensch in langer, komplizierter Entwickelung aufgebaut ist durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzustände und die bis jetzt abgewickelten Erdenzustände. Wir haben betont, daß die erste Anlage zu Sinnesorganen des Menschen schon in der alten Saturnzeit gewesen ist, daß diese Sinnesorgane selbstverständlich in jener alten Zeit nicht dazu geeignet waren, Wahrnehmungen nach Art der heutigen menschlichen Wahrnehmungen zu machen, sondern daß sie eben als während der Saturnzeit noch unlebendige Organanlagen vorhanden waren, sich dann verwandelt haben und eigentlich erst durch die verschiedenen Vorgänge, die vom Kosmos aus auf den Menschen gewirkt haben, wahrnehmungsfähig geworden sind.

Das erste aber, was sich uns mit besonderer Deutlichkeit ergibt, wenn wir den ganzen Hergang der Menschenentwickelung beachten, das ist, daß diese Sinnesorgane als solche zu tun haben mit dem, was wir nennen können, physikalische Wirkungen. Auf dem alten Saturn ist ja schon die erste Anlage der Sinnesorgane als eine bloß physikalische Anlage entstanden, und immer wieder und wieder schreitet die Entwickelung der Sinnesorgane des Menschen dadurch fort, daß physikalisches Geschehen sich eingliedert in dasjenige, was sich sonst beim Menschen ausbildet; so daß also im wesentlichen die Sinnesorgane, wie sie heute sind, physikalische Organe sind. Es wird Ihnen ja unschwer auffallen können, daß die Augen physikalische Organe sind, daß die Ohren physikalische Organe sind und so weiter. Gewiß, die niederen Sinne sind wie chemische Organe, aber trotzdem hat das alles mit dem Physikalisch-Chemischen zu tun.

So müssen wir die Sache auffassen, daß gewissermaßen als das äußerste seiner Entwickelungsglieder der Mensch in die Welt hinein dasjenige vorstreckt, was man nennen kann sein Physikalisches. Dieses Physikalischsein der Sinnesorgane geht auch schon daraus hervor, daß während des Schlafens die Ohren selbstverständlich genau

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so beeinflußt werden wie während des Wachens, nur daß sich das Ich und der astralische Leib nicht damit befassen. Würden wir die Au- gen während des Schlafens offen haben, so würde selbstverständlich ganz genau dasselbe geschehen in unserem Auge, wie während des Wachens.

Wir können uns jetzt zusammenfassend so ausdrücken: Der Mensch streckt sein ußeresWahrnehmungsvermögen der Welt vor.

#Bild S. 264

Was ich also hier schematisch zeichnete, das ist aufzufassen als die Eingliederung der sämtlichen Sinnesapparate in unseren Organismus. Und es ist tatsächlich so, daß, wenn ich jetzt den Ätherleib einfüge, er selbstverständlich gewissermaßen die Sinnesapparate durchdringt, sonst wären sie nicht Lebensapparate; aber es bleibt einiges außerhalb des ätherischen Bereichs als etwas, was ganz physisch ist.

#Bild S. 264

265

So daß das Verhältnis so gezeichnet werden muß, daß etwas außerhalb des Ätherleibes bleibt.

In einer ähnlichen Weise müßte ich dann zeichnen das Verhältnis des Astralleibes in seiner Wirksamkeit zu den anderen Organen. Ich müßte das so zeichnen:

#Bild S. 265

Und wollte ich das Ich noch einfügen, so müßte ich das schematisch in der folgenden Weise tun. Dieses Ich würde sich da nach den Weiten des ganzen Makrokosmos öffnen.

#Bild S. 265

Natürlich ist das schematisch gezeichnet, und wir müssen uns klar darüber sein, daß, wenn wir nicht ein Schema zeichnen, sondern wirklich ein Bild des Menschen entwerfen würden, sich das dann viel komplizierter ausnehmen würde.

266

Nun können Sie aber daraus entnehmen> daß gewissermaßen eine dünne Zone, eine dünne Außenzone aus dem Physikalischen heraus der Sinn ist; aus dem, was eben als die Außenwelt wirkt. Sie können das ja mit einem physikalischen Geschehen vergleichen: das Auge kann wie eine Dunkelkammer betrachtet werden, wo die Gegenstände von außen herein ihre Abbilder erzeugen wie in einem photographischen Apparat; und das, was da drinnen erzeugt wird, das wird erst aufgefangen von dem Ätherleib, Astralleib und dem Ich. Wir haben also mit der Außenwelt eine physikalische Wechselwirkung, die in unserer Peripherie stattfindet. Und auf diese Wechselwirkung mit der Außenwelt bauen wir erst unseren Seelenprozeß auf, insofern dieser Prozeß Wahrnehmung der Außenwelt ist und Verarbeitung der Wahrnehmung in der Seele.

So wie ich das jetzt dargestellt habe, müßte die Sache beim Menschen sein, wenn er sich rein fortentwickelt hätte, so wie ihn die göttlich-geistigen Wesenheiten veranlagt haben. Aber wir wissen, daß sich luziferisch-ahrimanische Wesenheiten geltend gemacht ha- ben. Und wir können hier an einer Stelle klar und deutlich die ahrimanischen und luziferischen Geister abfangen, richtig abfangen, möchte ich sagen.

Den Ätherleib durfte ich nur bis hierher (Zeichnung unten S. 265) zeichnen. Das ist der Ätherleib, wie er sich gebildet hat vom Sonnendasein angefangen, durch das Monden- und Erdendasein hindurch. Da bleibt also außerhalb dieses Ätherleibes, der sich regelrecht fortgebildet hat durch Sonnen-, Mond- und Erdendasein hindurch, die physikalische Sinneszone gleichsam außen. Würde aber das wirklich so sein beim Menschen (wie auf der Zeichnung), würde er sich wirklich nur so entwickelt haben, dann würde ja der Mensch gewissermaßen immer abwarten müssen, wie die physischen Prozesse in seinem Auge, in seinem Ohr entstehen, und er würde diese physischen Prozesse mit seinem Astralleib und seinem Ich erfassen. Er würde immer ein Vorstellungsbild haben: in meinem Auge ist eine Farbe, in meinem Ohr ist ein Ton und so weiter; er würde nicht nach außen seine Sinne geöffnet haben, er würde nur das, was in seinem Inneren ist, wahrgenommen haben, er würde die Empfindung

267

haben: in mir ist eine Zone, die ist ganz durchsetzt von Wirkungen des Makrokosmos, und die nehme ich wahr.

Es ist interessant, daß in den ersten Kinderjahren das Kind, wenn auch schwach und traumhaft, wirklich dieses Bewußtsein hat. Es achtet nicht auf die Außenwelt, sondern merkt auf dasjenige, was es als Wahrnehmungen in seinem eigenen Inneren hat. Das hört später immer mehr und mehr auf. Die Kinder sind vorzüglich an dem eigenen Leibe interessiert, achten nicht der Außenwelt, sondern haben eben ein traumhaftes Bewußtsein, so daß sie da eingeschlossen sind wie in einer Sphäre, die wirklich die Wirkungen der Außenwelt wie Bilder da herein bringt. Das Kind fühlt wirklich die Haut als eine Art Umhüllung und achtet auf dasjenige, was als Gemälde und Töne dadrinnen stattfindet.

Wir könnten nun fragen: Warum bleibt das nicht so das ganze Leben lang? - Weil der luziferische Einfluß stattgefunden hat und weil er eben dasjenige, was sich als rechtmäßiger Fortgang im Ätherleib von der alten Sonne an gebildet hat, ausfüllt. Das heißt, die luziferischen Geister strecken ihren Einfluß von außen nach innen her. (Zeichnung S. 268.) Während der Ätherleib so vom Menschen nach der Innenperipherie heraus wirkt, wirkt Luzifer so herein. Und es ist auch wahr: in den physikalischen Apparat der Augen streckt sich etwas wie Äther-Fühlarme von Luzifer herein, ebenso in den Apparat der Ohren und so weiter. Überall stopft -Luzifer in die Sinne seine Arme hinein, die er von außen herein erstreckt. Und in unseren Sinnen ist die Begegnung zwischen unserer eigenen Äthertätigkeit, das heißt Lebenstätigkeit, und derjenigen Luzifers, der seine Arme da hineinerstreckt. So daß wir sagen können: Des Kindes Unschuld hört schon allein dadurch auf, daß Luzifer allmählich die Sinne durchdringt er nimmt Besitz von dem Physischen unserer Sinne, schließt die Augen auf, schließt die Ohren auf, so daß wir nicht mehr Bilder als die Wirkung des von den Göttern uns Gegebenen wahrnehmen, sondern unsere Sinne nach außen aufgeschlossen sind, und wir die Welt selber sehen.

Es ist außerordentlich wichtig, dieses ins Auge zu fassen. Denn erst, wenn die Wissenschaft einmal wirkliche Geisteswissenschaft

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sein wird und das, was jetzt gesagt worden ist, verstanden sein wird, erst dann wird die Zeit gekommen sein, wo man auch einsehen wird, daß Luzifer ziemlich frech war, als er auch hinter die Sinne seine Wirkungen vorstreckte. Da wo die Nerven einmünden ins Gehirn, da begegnet sich die luziferische Wirkung mit der auch den Nervensträngen entlang gehenden göttlich-geistigen Wirkung. Man muß geradezu, wenn man von außen nach innen gehend zeichnen will den Verlauf eines Nerves, so zeichnen, daß Luzifer sich vorstreckt und sich begegnet und verschlingt mit den normalen göttlich- geistigen Wirkungen. So strahlt von außen nach innen die luziferische Wirkungsrichtung hinein.

#Bild S. 268

Sie sehen daran, daß es in der ursprünglichen göttlich-geistigen Absicht lag, den Menschen sich selbst so zu geben, daß - indem er sich selbst durchschaute - er die Welt innerlich verarbeitet hätte. Luzifer hat gemacht, daß der Mensch in dieser Beziehung sich selbst entrissen wurde, und nun die Welt rings herum anschaut und wahrnimmt. Das heißt, Luzifer hat den Menschen der Welt gegeben, er hat ihn hineingestellt in das Erdendasein, er hat ihn aus sich heraus- geführt. Tief, tief bedeutsam ist das biblische Wort: Ihr werdet den Göttern gleich sein, Eure Sinne werden aufgeschlossen werden -, denn es war nicht beabsichtigt, sie aufzuschließen, sondern sie so zu lassen> daß der Mensch in seinem Denken zurückschaut zum alten Mondendasein und in diesem Denken dasjenige einfängt, was an seiner

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Peripherie der Makrokosmos bewirkt, das was da herein von den Göttern gegeben war.

Nun ist aber auch der Mensch als ein ethisch-moralisches Wesen dadurch in die Welt hereingestellt; denn wir könnten so manches nicht erleben als Menschen, wenn wir nicht dieses Hervorstrecken der Wirksamkeit Luzifers in uns hätten. Wir wären zum Beispiel niemals zornig oder ängstlich, wir würden nicht hassen, uns n1cht verfolgt glauben, keine Antipathie gegen einen Menschen entwikkeIn: das alles würden wir nicht können. Es würde dem Menschen niemals gelungen sein> wenn Luzifer ihm nicht vorgearbeitet hätte, irgendein Schimpfwort oder ein dem anderen Menschen abträgliches Wort der Sprache einzuverleiben. Nur durch die Wirkungen Luzifers ist es möglich, daß wir zornig oder ängstlich sind, daß wir Haß oder abträgliche Gesinnung gegen den anderen Menschen entwickeln, oder daß wir ihn beschimpfen und so weiter.

Und man muß sich durchaus mit Bezug darauf nicht der geringsten Illusion hingeben. Derjenige, der glaubt, wenn er den anderen haßt, das sei gerecht, der mag das sagen, es mag gerecht sein, aber Luzifer steht doch daneben. Es gibt keine andere Ursache für Zorn und Haß und Antipathie als den lUziferischen Einfluß.

Und dadurch, daß dieses möglich geworden ist, ist wiederum ein anderes möglich geworden. So zum Beispiel ist es nur dadurch, daß Luzifer so seine Fangarme von außen hereinstreckt, möglich geworden, daß die normal fortschreitenden Götter den Ahriman von der

#Bild S. 269

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anderen Seite zugelassen haben, so daß er von der anderen Seite eingreift. Nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken durchsetzt er, und aus dieser Mischung heraus entsteht dasjenige, was Heuchelei, gewollte oder nicht gewollte Lügenhaftigkeit geworden ist. Wir dürfen uns niemals schmeicheln, daß, wenn wir irgend jemandem gegenüber heucheln, es von irgendwo anders herkommt als von dem Bündnis des Luzifer mit Ahriman.

Man ist allerdings geneigt, über solche Dinge leicht hinwegzugehen. Denn wie oft sagt der Mensch: Ich tue dieses oder jenes nicht um meinetwillen, sondern im Dienste der Welt. Ich habe oftmals die Anekdote erzählt von der «Gesellschaft für Selbstlosigkeit». Darinnen war eine esoterische Sektion, und in dieser Sektion sollten alle nur ganz objektiv, niemals in bezug auf sich selber denken. Die Folge war, daß einmal ein Mitglied zu einem anderen Mitglied kam und sagte: Ich darf ja nicht von mir sprechen, denn das wäre persönlich und gegen die Regeln unserer Gesellschaft. Aber von den anderen darf ich sprechen; da bin ich ja ganz selbstlos, wenn ich dir erzähle, wie die anderen sind, und was sie alles Böses tun! - Und nun zog er über die andern her. Weil die Mitglieder dieser Gesellschaft nicht von sich sprechen durften, sprachen sie immer von den anderen, und was die anderen ihnen antaten. Sie wurden dadurch nicht selbstloser.

Ich will damit sagen, daß es nicht darauf ankommt, was man glaubt. Man kann glauben, alle Mittel anzuwenden, um Luzifer und Ahriman zu entrinnen; man ist dann nur in der Lage, etwas unwahrhaftiger zu sein durch dieses Bestreben, als man vor diesem Bestreben war. Man sprach es wenigstens vorher nicht aus, daß man das Beste will und so weiter. Nachher spricht man es auch noch aus, indem man sich aber täuscht über die wahre Lage, in der man ist.

Über alle diese Dinge wird man sich klar, wenn man den wirklichen Sachverhalt ins Auge faßt, wenn man sich ganz klar ist, daß in unserem Erdendasein Luzifer und Ahriman nötig sind, und man ihnen nicht entrinnen kann, sondern nur dazu kommen kann, sie richtig zu beherrschen, wirklich richtig zu beherrschen.

Klar muß man sich darüber sein, daß mit Bezug auf das Zusammenwirken von Luzifer und Ahriman, gerade wenn man geisteswissenschaftlich

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vorschreitet, die mannigfaltigsten Komplikationen möglich sind. Ein sehr häufig vorkommender Fall ist der folgende. Irgend jemand hat eine Antipathie gegen einen anderen Menschen. Es kann sein, daß der Zorn auf diesen Menschen, der im Unbewußten sitzt, ins Oberbewußtsein heraufdrängt, nach außen drängt; und die Folge davon ist, daß während man einen nicht zum Bewußtsein gekommenen Grund für seine Antipathie hat, und zum Bewußtsein nur der Zorn kommt, der Haß oder die Antipathie nach außen drängt, in die Sphäre des Luzifer herauf drängt; und da, in der Sphäre des Luzifer, entstehen die einleuchtendsten Visionen und Imaginationen von allem Möglichen, was einem der betreffende Mensch antut. Und nun kann im Unterbewußten, im Unterbewußtsein, der Zorn herausdrängen und es entstehen dann alle möglichen erphantasierten Dinge, die von der gehaßten Persönlichkeit ausgehen könnten. Und man verbirgt die wahren Gründe für die Antipathie hinter dem, was man also vorgibt, erfahren zu haben.

Es ist selbstverständlich, daß gegenüber solchen Tatsachen der geistigen Welt gefragt werden kann: Wie hütet man sich vor solchen Dingen? - Die Antwort wäre nur dadurch gegeben, daß die betreffende Persönlichkeit verwiesen würde auf ein allmähliches Hinaus- arbeiten aus den Illusionen des Lebens, in denen sie nur allzu tief darinnen steckt. Man kann alle die Gründe des Sich-selbst-etwasVormachens am allermeisten in sich haben, wenn man glaubt, sich gar nichts vorzumachen, sondern nur auf die Tatsachen zu achten. Also, dieser gute Wille, wirklich an seine Selbstvervollkommnung von diesem Gesichtspunkte aus zu denken, nur der hilft über diese Dinge hinweg. Eines ist vor allen Dingen notwendig, meine lieben Freunde: zu verstehen, wie die Impulse der Geisteswissenschaft wirken, wenn wir nach einer Selbstvervollkommnung streben, wie sehr wir aber geneigt sind, uns viel mehr zuzuschreiben an Selbstlosigkeit, als wozu wir schon befugt sind. Dabei will ich eine goldene Regel angeben.

Vor allem sollen wir uns ganz klar darüber sein, daß indem wir vorschreiten in der geisteswissenschaftlichen Selbsterziehung, wir durchaus uns zunächst herausarbeiten müssen aus unserem Zusammenhang

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mit der Außenwelt. Luzifer hat uns in die Außenwelt hin- eingestellt. Dadurch kommen wir nicht weiter, daß wir das, was wir sonst wollen, uns verwandeln lassen von Ahriman, indem wir sagen: Wir wollen jetzt Missionen ausführen und so weiter. Der nächste Schritt, den wir machen müssen> das ist ein Ablenken der Welt von uns, so daß wir dadurch vor der Gefahr stehen, wirklich egoistischer zu werden, als wir vorher waren. Diese Gefahr ist nicht gering. Selbstverständlich soll man sich dadurch nicht abhalten lassen, den Weg in die geistige Welt hinein zu betreten, aber die Versuchung zum Egoismus ist da. Und wir sollen nicht so ohne weiteres hochmütig sein gegenüber denjenigen, die - man muß sagen, leider - noch nicht einsehen können, daß die geisteswissenschaftliche Weltanschauung für unsere Zeit notwendig ist und die draußen stehend, sagen: Liebevoll nehmen sich diese Geisteswissenschafter wahrhaftig nicht aus -; und wir sollten wirklich nicht über diesen Einwand immer hinweggehen, sondern seine Berechtigung, seine relative Berechtigung schon einsehen.

Ich weiß nicht, meine lieben Freunde, ob der Recht hatte, der vor kurzem einmal behauptet hat: es komme sogar vor, daß - durch diese Steigerung des Egoismus in einer geisteswissenschaftlichen Strömung - als Tatsache festzustellen wäre, daß sich in geisteswissenschaftlichen Gesellschaften Menschen finden, die, nachdem sie einige Zeit darinnen sind, noch viel mehr streiten, als sie vorher gestritten ha- ben. Manches spricht doch schon leise dafür, daß die Diskrepanzen in solchen Gesellschaften durchaus nicht so ohne weiteres aufhören wollen! Wenn es wirklich so wäre, daß jeder über den anderen nur Gutes sagen würde, dann würde sich das Bild darbieten, daß... au- ßerhalb des Ringes, der diesen Kreis umgibt, Luzifer mit seiner Schar wohl lauerte, aber nicht so recht hinein könnte!

Wenn also der Mensch in seinem gewöhnlichen wachen Verhalten ist, so treffen sich in seiner Sinnesperipherie das Ätherische seiner eigenen Wesenheit und das Ätherische der Luzifer-Wesenheit. Das ist dasjenige, was den Worten zugrundeliegt Eure Augen werden aufgetan werden. - Von allen okkulten Schulen wird von jeher ganz besonders auf diesen Grundsatz verwiesen.

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Erkenntnis ist schon dasjenige, was uns auf der einen Seite ganz genau zum Bewußtsein bringen soll, das, was da vorliegt, auf der anderen Seite aber uns dazu anleiten soll, die Dinge hinzunehmen, so wie sie sind. Solange wir nicht in unsere Gedanken diese Dinge auf- nehmen können, solange bleiben sie in dem Gebiete der Sympathie und Antipathie, da wühlen sie. Sie sind nicht etwa nicht da, wenn wir von ihnen nicht wissen: sie sind immer da. Und besonders zu dieser Zeit ist die Menschheit an dem Punkte ihrer Entwickelung angekommen, wo solche Dinge bewußt werden müssen.

So haben wir uns einiges Genauere verschafft an Erkenntnis über unsere Sinnesperipherie. Gestern haben wir von dieser Sinnesperipherie so gesprochen, wie sich in die Sinnesanschauung das Begehren mischt. Jetzt haben Sie den realen Grund dafür. Denn Luzifer kommt heran und läßt die Sinnesempfindungen nicht wie neutrale objektive Geschehnisse an uns herankommen, sondern mischt sein Wesen herein.

Und schreiten wir von der Sinnesperipherie nach innen, so kommen wir da auf das Denken, das Vorstellungsleben. Wir wissen, daß dieses Vorstellungsleben uns wiederum durch Luzifers Einfluß als uns gehörend erscheint, während wir in Wirklichkeit dasjenige, was wir denken, in der Sphäre des alten Mondes, der dauernd ist, er- blicken müssen. Damit haben wir den ganzen Sinn erfaßt von dem Abtrennen des alten Mondes von dem Sonnen-Erdendasein. Denn daß der Mensch heute überhaupt jemals Gedankliches in die Seele hat hineinbringen können, das hängt zusammen mit der Abtrennung des alten Mondes von der Sonne. So daß wir sagen können: Gedankliches, so wie wir Menschen es erfassen können, kommt da- her, daß sich etwas abgetrennt hat als alter Mond von dem fortlaufenden Saturn-, Sonnen-, Mondendasein. Aber wie ist es mit dem, was da geschehen ist, mit dem, was sich da abgetrennt hat?

Das können wir Menschen als sinnlich inkarnierte Wesen nur erfassen durch Geisteswissenschaft. Es handelt sich darum, wie diese Gedanken auf das, was sich da abgetrennt hat, auf das Außergedankliche, wirken. Unser Gedankliches wird angeregt von unserem Astralleibe, aber es wirkt hinunter in den Ätherleib. Nun kann man

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folgendes beobachten: Wenn das ein Stück unseres Ätherleibes ist, auf den man das geschulte geistige Auge richtet, so findet man, wenn man nun im Astralleib Gedanken anregt, daß diese Gedanken dann im Ätherleib gleichsam hinunterströmen, so einströmen in den Ätherleib. - Sie müssen sich das nicht räumlich, sondern als Kräfte

#Bild S. 274

vorstellen; dann sieht man, daß diese Gedanken im Ätherleib Bewegungen, Tätigkeit hervorrufen. Die Gedanken lösen sich gleichsam auf, und im Ätherleib entsteht Bewegung. Es rinnt gleichsam der Gedanke aus dem Astralleib in die Äthersubstanz hinein und ruft im Ätherleib Bewegungen hervor.

Nehmen wir an, jemand sagt: Ich will jetzt weggehen, - da würde der Hellseher den Gedanken zunächst sehen: «Ich will jetzt weggehen!

#Bild S. 274

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Aber er würde wahrnehmen, wie der Gedanke in den Ätherleib strömt und in dem Ätherleib Bewegungen, innere Bewegungen hervorrUft, nur solche Bewegungen zunächst - (Zeichnung unten S. 274). Dadurch kann der Ätherleib wiederum auf den physischen Leib wirken. Und diese Wirkung auf den physischen Leib ist jetzt so, daß (Lücke im Stenogramm). Nun, denken Sie sich einmal, hier diese Bewegung wird immer reger und reger, und dadurch geht gewissermaßen die Äthersubstanz weg aus der Umgebung, sie zieht sich zusammen; da wird sich das stark bewegen, das ist von dem umgebenden Äther herausgenommen.

#Bild S. 275

Der Gedanke strömt also ein, ruft in der Äthersubstanz Bewegung hervor, und die Äthersubstanz ruft in ihrer Umgebung hier Hohlheit hervor. Denn das, was die Äthersubstanz da braucht, das nimmt sie von ihrer Umgebung, und es entstehen Hohlräume. Und diese Hohlräume entstehen, wenn der Mensch denkt, oder wenn die höheren Wesenheiten, Angeloi, Archangeloi, ihre Gedanken in ihn hereinlassen> was ja fortwährend geschieht.

#Bild S. 275

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Das heißt, wir stehen da, wir sehen sich bewegen den Äther durch die Gedankenwirkung, und dazwischen sind Hohlräume. Und diese Hohlräume sind eigentlich im Grunde der physische Leib. Es ist schon wirklich so, daß das Reale überall dort ist, wo das Physische nicht ist, und das Physische, das ist überhaupt nichts, das ist eine Hohlheit in der Welt.

Dasjenige, was der gewöhnliche materialistische Physiologe an unserem Kopf studiert, das ist natürlich nicht das Gedankenmäßige im Astralleib, nicht die Gedankenbewegung im Ätherleib, sondern das ist in Wahrheit der Hohlkopf. Und nur deshalb kann man nicht in diese Hohlräume hinein, weil man nur so weit vordringen kann, als das Reale geht, und man hier an den Hohlraum stößt. So kann man da nicht hinein in die Hohlräume. Es ist gerade so, wie wenn Sie sich eine Säule Selterswasser vorstellen und darin die leeren Luft-

#Bild S. 276

perlen sind. Das Dünnere erscheint dem Wesen, das in dem dichteren Elemente lebt, furchtbar hart. So können wir auch in die eigentlichen Hohlräume nicht hinein, aber nur deshalb, weil da nichts ist, weil es hohl ist. So daß eigentlich, wenn man okkultistisch den Menschenkopf zeichnen wollte, man ihn nicht so zeichnen müßte (Zeichnung I), sondern im Negativ, und das, was da drinnen hohl bleibt, das wäre der Mensch (Zeichnung II). Das heißt, wo der Maler gewöhnlich die Farben anlegt, und meint, er malt den Menschen, da müßte er eigentlich

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aussparen: dann würde man spirituell-realistisch malen, denn sonst malt man, wo nichts ist, und läßt frei, wo etwas ist.

Das tut man aber schon im ganz gewöhnlichen menschlichen Sinnesanschauen, denn nicht anders verläuft das menschliche Sinnes- anschauen.

Sie sehen, wie wir eine Änderung unserer Begriffe vornehmen müssen, wenn wir zu den Realitäten vordringen wollen.

#Bild S. 277

#G162-1985-SE263 Kunst und Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft


#TI

DREIZEHNTER VORTRAG

Dornach, 8. August 1915

#TX

Bedenken wir, daß der Mensch in langer, komplizierter Entwickelung aufgebaut ist durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzustände und die bis jetzt abgewickelten Erdenzustände. Wir haben betont, daß die erste Anlage zu Sinnesorganen des Menschen schon in der alten Saturnzeit gewesen ist, daß diese Sinnesorgane selbstverständlich in jener alten Zeit nicht dazu geeignet waren, Wahrnehmungen nach Art der heutigen menschlichen Wahrnehmungen zu machen, sondern daß sie eben als während der Saturnzeit noch unlebendige Organanlagen vorhanden waren, sich dann verwandelt haben und eigentlich erst durch die verschiedenen Vorgänge, die vom Kosmos aus auf den Menschen gewirkt haben, wahrnehmungsfähig geworden sind.

Das erste aber, was sich uns mit besonderer Deutlichkeit ergibt, wenn wir den ganzen Hergang der Menschenentwickelung beachten, das ist, daß diese Sinnesorgane als solche zu tun haben mit dem, was wir nennen können, physikalische Wirkungen. Auf dem alten Saturn ist ja schon die erste Anlage der Sinnesorgane als eine bloß physikalische Anlage entstanden, und immer wieder und wieder schreitet die Entwickelung der Sinnesorgane des Menschen dadurch fort, daß physikalisches Geschehen sich eingliedert in dasjenige, was sich sonst beim Menschen ausbildet; so daß also im wesentlichen die Sinnesorgane, wie sie heute sind, physikalische Organe sind. Es wird Ihnen ja unschwer auffallen können, daß die Augen physikalische Organe sind, daß die Ohren physikalische Organe sind und so weiter. Gewiß, die niederen Sinne sind wie chemische Organe, aber trotzdem hat das alles mit dem Physikalisch-Chemischen zu tun.

So müssen wir die Sache auffassen, daß gewissermaßen als das äußerste seiner Entwickelungsglieder der Mensch in die Welt hinein dasjenige vorstreckt, was man nennen kann sein Physikalisches. Dieses Physikalischsein der Sinnesorgane geht auch schon daraus hervor, daß während des Schlafens die Ohren selbstverständlich genau

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so beeinflußt werden wie während des Wachens, nur daß sich das Ich und der astralische Leib nicht damit befassen. Würden wir die Au- gen während des Schlafens offen haben, so würde selbstverständlich ganz genau dasselbe geschehen in unserem Auge, wie während des Wachens.

Wir können uns jetzt zusammenfassend so ausdrücken: Der Mensch streckt sein ußeresWahrnehmungsvermögen der Welt vor.

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Was ich also hier schematisch zeichnete, das ist aufzufassen als die Eingliederung der sämtlichen Sinnesapparate in unseren Organismus. Und es ist tatsächlich so, daß, wenn ich jetzt den Ätherleib einfüge, er selbstverständlich gewissermaßen die Sinnesapparate durchdringt, sonst wären sie nicht Lebensapparate; aber es bleibt einiges außerhalb des ätherischen Bereichs als etwas, was ganz physisch ist.

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So daß das Verhältnis so gezeichnet werden muß, daß etwas außerhalb des Ätherleibes bleibt.

In einer ähnlichen Weise müßte ich dann zeichnen das Verhältnis des Astralleibes in seiner Wirksamkeit zu den anderen Organen. Ich müßte das so zeichnen:

#Bild S. 265

Und wollte ich das Ich noch einfügen, so müßte ich das schematisch in der folgenden Weise tun. Dieses Ich würde sich da nach den Weiten des ganzen Makrokosmos öffnen.

#Bild S. 265

Natürlich ist das schematisch gezeichnet, und wir müssen uns klar darüber sein, daß, wenn wir nicht ein Schema zeichnen, sondern wirklich ein Bild des Menschen entwerfen würden, sich das dann viel komplizierter ausnehmen würde.

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Nun können Sie aber daraus entnehmen> daß gewissermaßen eine dünne Zone, eine dünne Außenzone aus dem Physikalischen heraus der Sinn ist; aus dem, was eben als die Außenwelt wirkt. Sie können das ja mit einem physikalischen Geschehen vergleichen: das Auge kann wie eine Dunkelkammer betrachtet werden, wo die Gegenstände von außen herein ihre Abbilder erzeugen wie in einem photographischen Apparat; und das, was da drinnen erzeugt wird, das wird erst aufgefangen von dem Ätherleib, Astralleib und dem Ich. Wir haben also mit der Außenwelt eine physikalische Wechselwirkung, die in unserer Peripherie stattfindet. Und auf diese Wechselwirkung mit der Außenwelt bauen wir erst unseren Seelenprozeß auf, insofern dieser Prozeß Wahrnehmung der Außenwelt ist und Verarbeitung der Wahrnehmung in der Seele.

So wie ich das jetzt dargestellt habe, müßte die Sache beim Menschen sein, wenn er sich rein fortentwickelt hätte, so wie ihn die göttlich-geistigen Wesenheiten veranlagt haben. Aber wir wissen, daß sich luziferisch-ahrimanische Wesenheiten geltend gemacht ha- ben. Und wir können hier an einer Stelle klar und deutlich die ahrimanischen und luziferischen Geister abfangen, richtig abfangen, möchte ich sagen.

Den Ätherleib durfte ich nur bis hierher (Zeichnung unten S. 265) zeichnen. Das ist der Ätherleib, wie er sich gebildet hat vom Sonnendasein angefangen, durch das Monden- und Erdendasein hindurch. Da bleibt also außerhalb dieses Ätherleibes, der sich regelrecht fortgebildet hat durch Sonnen-, Mond- und Erdendasein hindurch, die physikalische Sinneszone gleichsam außen. Würde aber das wirklich so sein beim Menschen (wie auf der Zeichnung), würde er sich wirklich nur so entwickelt haben, dann würde ja der Mensch gewissermaßen immer abwarten müssen, wie die physischen Prozesse in seinem Auge, in seinem Ohr entstehen, und er würde diese physischen Prozesse mit seinem Astralleib und seinem Ich erfassen. Er würde immer ein Vorstellungsbild haben: in meinem Auge ist eine Farbe, in meinem Ohr ist ein Ton und so weiter; er würde nicht nach außen seine Sinne geöffnet haben, er würde nur das, was in seinem Inneren ist, wahrgenommen haben, er würde die Empfindung

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haben: in mir ist eine Zone, die ist ganz durchsetzt von Wirkungen des Makrokosmos, und die nehme ich wahr.

Es ist interessant, daß in den ersten Kinderjahren das Kind, wenn auch schwach und traumhaft, wirklich dieses Bewußtsein hat. Es achtet nicht auf die Außenwelt, sondern merkt auf dasjenige, was es als Wahrnehmungen in seinem eigenen Inneren hat. Das hört später immer mehr und mehr auf. Die Kinder sind vorzüglich an dem eigenen Leibe interessiert, achten nicht der Außenwelt, sondern haben eben ein traumhaftes Bewußtsein, so daß sie da eingeschlossen sind wie in einer Sphäre, die wirklich die Wirkungen der Außenwelt wie Bilder da herein bringt. Das Kind fühlt wirklich die Haut als eine Art Umhüllung und achtet auf dasjenige, was als Gemälde und Töne dadrinnen stattfindet.

Wir könnten nun fragen: Warum bleibt das nicht so das ganze Leben lang? - Weil der luziferische Einfluß stattgefunden hat und weil er eben dasjenige, was sich als rechtmäßiger Fortgang im Ätherleib von der alten Sonne an gebildet hat, ausfüllt. Das heißt, die luziferischen Geister strecken ihren Einfluß von außen nach innen her. (Zeichnung S. 268.) Während der Ätherleib so vom Menschen nach der Innenperipherie heraus wirkt, wirkt Luzifer so herein. Und es ist auch wahr: in den physikalischen Apparat der Augen streckt sich etwas wie Äther-Fühlarme von Luzifer herein, ebenso in den Apparat der Ohren und so weiter. Überall stopft -Luzifer in die Sinne seine Arme hinein, die er von außen herein erstreckt. Und in unseren Sinnen ist die Begegnung zwischen unserer eigenen Äthertätigkeit, das heißt Lebenstätigkeit, und derjenigen Luzifers, der seine Arme da hineinerstreckt. So daß wir sagen können: Des Kindes Unschuld hört schon allein dadurch auf, daß Luzifer allmählich die Sinne durchdringt er nimmt Besitz von dem Physischen unserer Sinne, schließt die Augen auf, schließt die Ohren auf, so daß wir nicht mehr Bilder als die Wirkung des von den Göttern uns Gegebenen wahrnehmen, sondern unsere Sinne nach außen aufgeschlossen sind, und wir die Welt selber sehen.

Es ist außerordentlich wichtig, dieses ins Auge zu fassen. Denn erst, wenn die Wissenschaft einmal wirkliche Geisteswissenschaft

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sein wird und das, was jetzt gesagt worden ist, verstanden sein wird, erst dann wird die Zeit gekommen sein, wo man auch einsehen wird, daß Luzifer ziemlich frech war, als er auch hinter die Sinne seine Wirkungen vorstreckte. Da wo die Nerven einmünden ins Gehirn, da begegnet sich die luziferische Wirkung mit der auch den Nervensträngen entlang gehenden göttlich-geistigen Wirkung. Man muß geradezu, wenn man von außen nach innen gehend zeichnen will den Verlauf eines Nerves, so zeichnen, daß Luzifer sich vorstreckt und sich begegnet und verschlingt mit den normalen göttlich- geistigen Wirkungen. So strahlt von außen nach innen die luziferische Wirkungsrichtung hinein.

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Sie sehen daran, daß es in der ursprünglichen göttlich-geistigen Absicht lag, den Menschen sich selbst so zu geben, daß - indem er sich selbst durchschaute - er die Welt innerlich verarbeitet hätte. Luzifer hat gemacht, daß der Mensch in dieser Beziehung sich selbst entrissen wurde, und nun die Welt rings herum anschaut und wahrnimmt. Das heißt, Luzifer hat den Menschen der Welt gegeben, er hat ihn hineingestellt in das Erdendasein, er hat ihn aus sich heraus- geführt. Tief, tief bedeutsam ist das biblische Wort: Ihr werdet den Göttern gleich sein, Eure Sinne werden aufgeschlossen werden -, denn es war nicht beabsichtigt, sie aufzuschließen, sondern sie so zu lassen> daß der Mensch in seinem Denken zurückschaut zum alten Mondendasein und in diesem Denken dasjenige einfängt, was an seiner

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Peripherie der Makrokosmos bewirkt, das was da herein von den Göttern gegeben war.

Nun ist aber auch der Mensch als ein ethisch-moralisches Wesen dadurch in die Welt hereingestellt; denn wir könnten so manches nicht erleben als Menschen, wenn wir nicht dieses Hervorstrecken der Wirksamkeit Luzifers in uns hätten. Wir wären zum Beispiel niemals zornig oder ängstlich, wir würden nicht hassen, uns n1cht verfolgt glauben, keine Antipathie gegen einen Menschen entwikkeIn: das alles würden wir nicht können. Es würde dem Menschen niemals gelungen sein> wenn Luzifer ihm nicht vorgearbeitet hätte, irgendein Schimpfwort oder ein dem anderen Menschen abträgliches Wort der Sprache einzuverleiben. Nur durch die Wirkungen Luzifers ist es möglich, daß wir zornig oder ängstlich sind, daß wir Haß oder abträgliche Gesinnung gegen den anderen Menschen entwickeln, oder daß wir ihn beschimpfen und so weiter.

Und man muß sich durchaus mit Bezug darauf nicht der geringsten Illusion hingeben. Derjenige, der glaubt, wenn er den anderen haßt, das sei gerecht, der mag das sagen, es mag gerecht sein, aber Luzifer steht doch daneben. Es gibt keine andere Ursache für Zorn und Haß und Antipathie als den lUziferischen Einfluß.

Und dadurch, daß dieses möglich geworden ist, ist wiederum ein anderes möglich geworden. So zum Beispiel ist es nur dadurch, daß Luzifer so seine Fangarme von außen hereinstreckt, möglich geworden, daß die normal fortschreitenden Götter den Ahriman von der

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anderen Seite zugelassen haben, so daß er von der anderen Seite eingreift. Nicht nur die Sprache, sondern auch das Denken durchsetzt er, und aus dieser Mischung heraus entsteht dasjenige, was Heuchelei, gewollte oder nicht gewollte Lügenhaftigkeit geworden ist. Wir dürfen uns niemals schmeicheln, daß, wenn wir irgend jemandem gegenüber heucheln, es von irgendwo anders herkommt als von dem Bündnis des Luzifer mit Ahriman.

Man ist allerdings geneigt, über solche Dinge leicht hinwegzugehen. Denn wie oft sagt der Mensch: Ich tue dieses oder jenes nicht um meinetwillen, sondern im Dienste der Welt. Ich habe oftmals die Anekdote erzählt von der «Gesellschaft für Selbstlosigkeit». Darinnen war eine esoterische Sektion, und in dieser Sektion sollten alle nur ganz objektiv, niemals in bezug auf sich selber denken. Die Folge war, daß einmal ein Mitglied zu einem anderen Mitglied kam und sagte: Ich darf ja nicht von mir sprechen, denn das wäre persönlich und gegen die Regeln unserer Gesellschaft. Aber von den anderen darf ich sprechen; da bin ich ja ganz selbstlos, wenn ich dir erzähle, wie die anderen sind, und was sie alles Böses tun! - Und nun zog er über die andern her. Weil die Mitglieder dieser Gesellschaft nicht von sich sprechen durften, sprachen sie immer von den anderen, und was die anderen ihnen antaten. Sie wurden dadurch nicht selbstloser.

Ich will damit sagen, daß es nicht darauf ankommt, was man glaubt. Man kann glauben, alle Mittel anzuwenden, um Luzifer und Ahriman zu entrinnen; man ist dann nur in der Lage, etwas unwahrhaftiger zu sein durch dieses Bestreben, als man vor diesem Bestreben war. Man sprach es wenigstens vorher nicht aus, daß man das Beste will und so weiter. Nachher spricht man es auch noch aus, indem man sich aber täuscht über die wahre Lage, in der man ist.

Über alle diese Dinge wird man sich klar, wenn man den wirklichen Sachverhalt ins Auge faßt, wenn man sich ganz klar ist, daß in unserem Erdendasein Luzifer und Ahriman nötig sind, und man ihnen nicht entrinnen kann, sondern nur dazu kommen kann, sie richtig zu beherrschen, wirklich richtig zu beherrschen.

Klar muß man sich darüber sein, daß mit Bezug auf das Zusammenwirken von Luzifer und Ahriman, gerade wenn man geisteswissenschaftlich

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vorschreitet, die mannigfaltigsten Komplikationen möglich sind. Ein sehr häufig vorkommender Fall ist der folgende. Irgend jemand hat eine Antipathie gegen einen anderen Menschen. Es kann sein, daß der Zorn auf diesen Menschen, der im Unbewußten sitzt, ins Oberbewußtsein heraufdrängt, nach außen drängt; und die Folge davon ist, daß während man einen nicht zum Bewußtsein gekommenen Grund für seine Antipathie hat, und zum Bewußtsein nur der Zorn kommt, der Haß oder die Antipathie nach außen drängt, in die Sphäre des Luzifer herauf drängt; und da, in der Sphäre des Luzifer, entstehen die einleuchtendsten Visionen und Imaginationen von allem Möglichen, was einem der betreffende Mensch antut. Und nun kann im Unterbewußten, im Unterbewußtsein, der Zorn herausdrängen und es entstehen dann alle möglichen erphantasierten Dinge, die von der gehaßten Persönlichkeit ausgehen könnten. Und man verbirgt die wahren Gründe für die Antipathie hinter dem, was man also vorgibt, erfahren zu haben.

Es ist selbstverständlich, daß gegenüber solchen Tatsachen der geistigen Welt gefragt werden kann: Wie hütet man sich vor solchen Dingen? - Die Antwort wäre nur dadurch gegeben, daß die betreffende Persönlichkeit verwiesen würde auf ein allmähliches Hinaus- arbeiten aus den Illusionen des Lebens, in denen sie nur allzu tief darinnen steckt. Man kann alle die Gründe des Sich-selbst-etwasVormachens am allermeisten in sich haben, wenn man glaubt, sich gar nichts vorzumachen, sondern nur auf die Tatsachen zu achten. Also, dieser gute Wille, wirklich an seine Selbstvervollkommnung von diesem Gesichtspunkte aus zu denken, nur der hilft über diese Dinge hinweg. Eines ist vor allen Dingen notwendig, meine lieben Freunde: zu verstehen, wie die Impulse der Geisteswissenschaft wirken, wenn wir nach einer Selbstvervollkommnung streben, wie sehr wir aber geneigt sind, uns viel mehr zuzuschreiben an Selbstlosigkeit, als wozu wir schon befugt sind. Dabei will ich eine goldene Regel angeben.

Vor allem sollen wir uns ganz klar darüber sein, daß indem wir vorschreiten in der geisteswissenschaftlichen Selbsterziehung, wir durchaus uns zunächst herausarbeiten müssen aus unserem Zusammenhang

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mit der Außenwelt. Luzifer hat uns in die Außenwelt hin- eingestellt. Dadurch kommen wir nicht weiter, daß wir das, was wir sonst wollen, uns verwandeln lassen von Ahriman, indem wir sagen: Wir wollen jetzt Missionen ausführen und so weiter. Der nächste Schritt, den wir machen müssen> das ist ein Ablenken der Welt von uns, so daß wir dadurch vor der Gefahr stehen, wirklich egoistischer zu werden, als wir vorher waren. Diese Gefahr ist nicht gering. Selbstverständlich soll man sich dadurch nicht abhalten lassen, den Weg in die geistige Welt hinein zu betreten, aber die Versuchung zum Egoismus ist da. Und wir sollen nicht so ohne weiteres hochmütig sein gegenüber denjenigen, die - man muß sagen, leider - noch nicht einsehen können, daß die geisteswissenschaftliche Weltanschauung für unsere Zeit notwendig ist und die draußen stehend, sagen: Liebevoll nehmen sich diese Geisteswissenschafter wahrhaftig nicht aus -; und wir sollten wirklich nicht über diesen Einwand immer hinweggehen, sondern seine Berechtigung, seine relative Berechtigung schon einsehen.

Ich weiß nicht, meine lieben Freunde, ob der Recht hatte, der vor kurzem einmal behauptet hat: es komme sogar vor, daß - durch diese Steigerung des Egoismus in einer geisteswissenschaftlichen Strömung - als Tatsache festzustellen wäre, daß sich in geisteswissenschaftlichen Gesellschaften Menschen finden, die, nachdem sie einige Zeit darinnen sind, noch viel mehr streiten, als sie vorher gestritten ha- ben. Manches spricht doch schon leise dafür, daß die Diskrepanzen in solchen Gesellschaften durchaus nicht so ohne weiteres aufhören wollen! Wenn es wirklich so wäre, daß jeder über den anderen nur Gutes sagen würde, dann würde sich das Bild darbieten, daß... au- ßerhalb des Ringes, der diesen Kreis umgibt, Luzifer mit seiner Schar wohl lauerte, aber nicht so recht hinein könnte!

Wenn also der Mensch in seinem gewöhnlichen wachen Verhalten ist, so treffen sich in seiner Sinnesperipherie das Ätherische seiner eigenen Wesenheit und das Ätherische der Luzifer-Wesenheit. Das ist dasjenige, was den Worten zugrundeliegt Eure Augen werden aufgetan werden. - Von allen okkulten Schulen wird von jeher ganz besonders auf diesen Grundsatz verwiesen.

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Erkenntnis ist schon dasjenige, was uns auf der einen Seite ganz genau zum Bewußtsein bringen soll, das, was da vorliegt, auf der anderen Seite aber uns dazu anleiten soll, die Dinge hinzunehmen, so wie sie sind. Solange wir nicht in unsere Gedanken diese Dinge auf- nehmen können, solange bleiben sie in dem Gebiete der Sympathie und Antipathie, da wühlen sie. Sie sind nicht etwa nicht da, wenn wir von ihnen nicht wissen: sie sind immer da. Und besonders zu dieser Zeit ist die Menschheit an dem Punkte ihrer Entwickelung angekommen, wo solche Dinge bewußt werden müssen.

So haben wir uns einiges Genauere verschafft an Erkenntnis über unsere Sinnesperipherie. Gestern haben wir von dieser Sinnesperipherie so gesprochen, wie sich in die Sinnesanschauung das Begehren mischt. Jetzt haben Sie den realen Grund dafür. Denn Luzifer kommt heran und läßt die Sinnesempfindungen nicht wie neutrale objektive Geschehnisse an uns herankommen, sondern mischt sein Wesen herein.

Und schreiten wir von der Sinnesperipherie nach innen, so kommen wir da auf das Denken, das Vorstellungsleben. Wir wissen, daß dieses Vorstellungsleben uns wiederum durch Luzifers Einfluß als uns gehörend erscheint, während wir in Wirklichkeit dasjenige, was wir denken, in der Sphäre des alten Mondes, der dauernd ist, er- blicken müssen. Damit haben wir den ganzen Sinn erfaßt von dem Abtrennen des alten Mondes von dem Sonnen-Erdendasein. Denn daß der Mensch heute überhaupt jemals Gedankliches in die Seele hat hineinbringen können, das hängt zusammen mit der Abtrennung des alten Mondes von der Sonne. So daß wir sagen können: Gedankliches, so wie wir Menschen es erfassen können, kommt da- her, daß sich etwas abgetrennt hat als alter Mond von dem fortlaufenden Saturn-, Sonnen-, Mondendasein. Aber wie ist es mit dem, was da geschehen ist, mit dem, was sich da abgetrennt hat?

Das können wir Menschen als sinnlich inkarnierte Wesen nur erfassen durch Geisteswissenschaft. Es handelt sich darum, wie diese Gedanken auf das, was sich da abgetrennt hat, auf das Außergedankliche, wirken. Unser Gedankliches wird angeregt von unserem Astralleibe, aber es wirkt hinunter in den Ätherleib. Nun kann man

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folgendes beobachten: Wenn das ein Stück unseres Ätherleibes ist, auf den man das geschulte geistige Auge richtet, so findet man, wenn man nun im Astralleib Gedanken anregt, daß diese Gedanken dann im Ätherleib gleichsam hinunterströmen, so einströmen in den Ätherleib. - Sie müssen sich das nicht räumlich, sondern als Kräfte

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vorstellen; dann sieht man, daß diese Gedanken im Ätherleib Bewegungen, Tätigkeit hervorrufen. Die Gedanken lösen sich gleichsam auf, und im Ätherleib entsteht Bewegung. Es rinnt gleichsam der Gedanke aus dem Astralleib in die Äthersubstanz hinein und ruft im Ätherleib Bewegungen hervor.

Nehmen wir an, jemand sagt: Ich will jetzt weggehen, - da würde der Hellseher den Gedanken zunächst sehen: «Ich will jetzt weggehen!

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Aber er würde wahrnehmen, wie der Gedanke in den Ätherleib strömt und in dem Ätherleib Bewegungen, innere Bewegungen hervorrUft, nur solche Bewegungen zunächst - (Zeichnung unten S. 274). Dadurch kann der Ätherleib wiederum auf den physischen Leib wirken. Und diese Wirkung auf den physischen Leib ist jetzt so, daß (Lücke im Stenogramm). Nun, denken Sie sich einmal, hier diese Bewegung wird immer reger und reger, und dadurch geht gewissermaßen die Äthersubstanz weg aus der Umgebung, sie zieht sich zusammen; da wird sich das stark bewegen, das ist von dem umgebenden Äther herausgenommen.

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Der Gedanke strömt also ein, ruft in der Äthersubstanz Bewegung hervor, und die Äthersubstanz ruft in ihrer Umgebung hier Hohlheit hervor. Denn das, was die Äthersubstanz da braucht, das nimmt sie von ihrer Umgebung, und es entstehen Hohlräume. Und diese Hohlräume entstehen, wenn der Mensch denkt, oder wenn die höheren Wesenheiten, Angeloi, Archangeloi, ihre Gedanken in ihn hereinlassen> was ja fortwährend geschieht.

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Das heißt, wir stehen da, wir sehen sich bewegen den Äther durch die Gedankenwirkung, und dazwischen sind Hohlräume. Und diese Hohlräume sind eigentlich im Grunde der physische Leib. Es ist schon wirklich so, daß das Reale überall dort ist, wo das Physische nicht ist, und das Physische, das ist überhaupt nichts, das ist eine Hohlheit in der Welt.

Dasjenige, was der gewöhnliche materialistische Physiologe an unserem Kopf studiert, das ist natürlich nicht das Gedankenmäßige im Astralleib, nicht die Gedankenbewegung im Ätherleib, sondern das ist in Wahrheit der Hohlkopf. Und nur deshalb kann man nicht in diese Hohlräume hinein, weil man nur so weit vordringen kann, als das Reale geht, und man hier an den Hohlraum stößt. So kann man da nicht hinein in die Hohlräume. Es ist gerade so, wie wenn Sie sich eine Säule Selterswasser vorstellen und darin die leeren Luft-

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perlen sind. Das Dünnere erscheint dem Wesen, das in dem dichteren Elemente lebt, furchtbar hart. So können wir auch in die eigentlichen Hohlräume nicht hinein, aber nur deshalb, weil da nichts ist, weil es hohl ist. So daß eigentlich, wenn man okkultistisch den Menschenkopf zeichnen wollte, man ihn nicht so zeichnen müßte (Zeichnung I), sondern im Negativ, und das, was da drinnen hohl bleibt, das wäre der Mensch (Zeichnung II). Das heißt, wo der Maler gewöhnlich die Farben anlegt, und meint, er malt den Menschen, da müßte er eigentlich

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aussparen: dann würde man spirituell-realistisch malen, denn sonst malt man, wo nichts ist, und läßt frei, wo etwas ist.

Das tut man aber schon im ganz gewöhnlichen menschlichen Sinnesanschauen, denn nicht anders verläuft das menschliche Sinnes- anschauen.

Sie sehen, wie wir eine Änderung unserer Begriffe vornehmen müssen, wenn wir zu den Realitäten vordringen wollen.

#Bild S. 277

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ANHANG

Zu Seite 239 (Schlußworte nach dem Vortrag vom 1. August 1915)

Daher müssen wir uns bewußt werden, daß wir uns in einer anderen Weise auf die Erde stellen müssen, als wir sonst auf der Erde stehen, wenn wir uns nicht eingliedern in eine solche geisteswissenschaftliche Strömung. Mancherlei ist zutage getreten, was zeigt, daß wohl immer wieder und wieder betont werden muß, daß ein solches Bewußtsein entsteht, und ich bitte Sie ganz herzlich, meine lieben Freunde, betrachten Sie das, was ich sage, absolut unpersönlich; betrachten Sie es nicht so, daß Sie hinterher den Glauben haben, das, was ich ausspreche, das treffe nur den einen oder anderen. Es ist leider auch das schon passiert, daß man gesagt hat: «Er hat diesen oder jenen treffen wollen». Ich will nie einen einzelnen treffen, ich charakterisiere immer unpersönlich. Also es möge das nicht in irgendeiner Weise persönlich verstanden werden. Es möge aber bitte auch nicht in der anderen Weise verstanden werden - wie es auch oftmals geschah -, daß keiner es auf sich bezieht, sondern daß man es immer nur auf die anderen bezieht. Es ist schon viel, viel häufiger vorgekommen, daß das, was gesagt wurde, keiner auf sich bezogen hat, aber immer auf den anderen, so daß immer der andere derjenige ist, den ich charakterisiere.

Es ist manches zutage getreten, meine lieben Freunde, in den Jahren, die unserem Bau vorangegangen sind, manches auch während der Arbeiten an unserem Bau. Mit großer Dankbarkeit muß ja gesagt werden, daß der weitaus größte Teil unserer am Bau arbeitenden Freunde wirklich mit inniger Selbstlosigkeit arbeiten, mit aufrichtiger Hingabe arbeiten, und daß schon in der Seele, in dem Geist der lieben Freunde, die arbeiten, der Grundsatz lebt, der unbedingt bei einer solchen Sache in uns leben muß: daß es uns aufrichtigst und ehrlichst in unserer Seele ebenso lieb sein muß,

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wenn ein anderer etwas macht, wie wenn wir es selber machen. Solange wir nicht durchdrungen sind von dem Grundsatz, daß es uns ebenso lieb ist, wenn ein anderer etwas macht, wie wenn wir es selber machen, solange stehen wir nicht in der richtigen Weise zu der Sache. Ich meine das aber nicht so, meine lieben Freunde, wie das im gewöhnlichen, äußeren Leben ist, daß man andere arbeiten läßt und selber lieber faulenzt. Sie werden das schon verstehen. Es ist von dem Gesichtspunkt aus gesagt, daß uns im Grunde genommen vorschweben muß, wenn wir unsere Arbeit im Zeichen geisteswissenschaftlicher Weltanschauung verrichten, daß wir die sogenannte geringere Arbeit - es ist das schon ein unmögliches Wort unter uns -, daß wir die geringere Arbeit ebenso wichtig finden wie die scheinbar größte und umfassendste und geistigste, daß wir wirklich jede Arbeit als gleich, als sich in den Organismus der gesamten Arbeit einfügend betrachten und daß wir weit davon entfernt sein müssen, jemals das Gefühl zu haben, daß wir einen anderen in irgendeiner Weise beneiden oder seine Arbeit haben wollen statt der unseren, und was alles damit zusammenhängt.

Bei der weitaus größten Zahl der unter uns arbeitenden Freunde ist ja wirklich ein solches anthroposophisches Bewußtsein richtig vorhanden, und es war selbstverständlich immer auch ein solches rechtes Bewußtsein vorhanden, als wir noch nicht genötigt waren, manches mitzunehmen, was nicht mitgenommen zu werden braucht, wenn man bloß als Gesellschaft dasteht und noch nicht eine gemeinsame Arbeit hat, wo jeder neben dem anderen angreifen muß. Es kommen viel ärgere Kollisionen des Lebens heraus, wenn einer neben dem anderen angreifen muß; da kommen dann Dinge heraus, meine lieben Freunde, die schon erwähnt werden müssen. Es sei noch einmal gesagt: Nicht im allerentferntesten ist in dem, was ich sage, irgendeine persönliche Richtung genommen. Aber es darf und sollte nicht vorkommen unter uns, bei unserer Arbeit, daß der eine über die Arbeit des anderen abfällig spricht, daß der eine mit der Arbeit des anderen in irgendeiner Weise unzufrieden ist, unzufrieden ist aus Gefühlen und Emotionen heraus. Höchstens kann man die Anschauung haben, daß man helfen soll, um etwas

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besser zu machen. Aber etwas Abfälliges zu sagen über irgend etwas, was jemand von uns macht, das sollte nicht unsere Art sein. Etwas Abfälliges zu sagen, nur um etwas zu sagen, Unzufriedenheit mit der Arbeit des anderen - das ist etwas, was wir auf jede Weise überwinden sollten, das ist etwas, was wir ablegen sollten.

Es hängt vieles mit dem zusammen, was ich da berühre. Es ist gewiß nicht allzu verbreitet, aber es ist immerhin Grund vorhanden, über solche Dinge einmal ernstlich nachzudenken, mit uns zu Rate zu gehen, wie manches auf diesem Gebiete noch verbessert werden kann. Denn ich kann Ihnen die Versicherung geben: Unsere Gesellschaft kann nicht gedeihen und nicht vorwärtskommen, wenn ich selbst genötigt bin, immer wieder Klagen anzuhören, die das eine Mitglied über das andere Mitglied vorzubringen hat. Man müßte ja gewiß einen großen Sarg haben, wenn unsere Bewegung zu Grabe getragen werden sollte; aber jedes An-mich-Heranbrin- gen einer Klage über eines unserer Mitglieder ist ein Nagel zum Sarge unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung. Und ich bin am wenigsten dazu berufen, Frieden zu stiften oder auf dasjenige, was man das Recht nennt, zu schauen, denn, selbstverständlich, wenn zwei streiten, hat jeder recht, und keiner wird so leicht anerkennen, daß auch der andere recht haben könnte. Es kann sich ja wirklich nicht darum handeln, Persönliches zwischen den Mitgliedern in irgendeiner Weise an die Geisteswissenschaft heranzubringen. Vieles, vieles würde anders werden, wenn wir nur einmal die Möglichkeit fänden, folgenden Grundsatz als unseren obersten Grundsatz anzuerkennen: Dadurch, daß jemand in unsere Gesellschaft hineintritt oder überhaupt in unsere geisteswissenschaftliche Strömung sich eingliedert, dadurch bekennt er sich zu etwas, was es eben nur in dieser geisteswissenschaftlichen Strömung allein gibt. Daher treten wir ihm nicht nur so entgegen, wie wir sonst einem uns entgegenkommenden Menschen entgegentreten, indem wir unsere Sympathien und Antipathien spielen lassen, sondern wir treten ihm unter allen Umständen als einem Mitglied unserer Gesellschaft entgegen. Das soll für uns etwas sein und das soll in erster Linie für uns in Betracht kommen, daß er sich zu der geisteswissenschaft-

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lichen Weltanschauung bekennt. Es ist ein großer Fehler, wenn die Usancen, die sonst in der Welt existieren und die Sympathien und Antipathien bildend sind, hereingetragen werden in unsere Gesellschaft, wenn Rivalitäten entstehen, wie sie draußen entstehen. Begreiflich sind sie ja gewiß, diese Rivalitäten. Aber wenn jemand zu mir kommt und sagt: Da ist diesem oder jenem wieder das und jenes passiert, und damit kann ich nicht einverstanden sein -, ja, der könnte sich die Antwort selber geben, und die besteht einfach darin: Braucht man denn unbedingt mit allem einverstanden zu sein? Läßt es sich denn nicht auch leben, ohne daß man mit allem einverstanden ist, was Menschen tun, die neben einem arbeiten? - Das ist eine ganz selbstverständliche Antwort. Es kann doch niemand in der Welt verlangen, daß man mit allem einverstanden sein muß, was ein anderer tut, oder daß man dasjenige, was er tut, als etwas Minderwertiges betrachtet.

Ich deute damit auf vieles, indem ich solche Dinge andeute. Aber es muß durchaus sein, daß wir denjenigen, der unserer Gesellschaft angehört und in derselben Richtung strebt wie wir, wirklich betrachten als uns nahestehend. Das wollen wir niemals vergessen. Denn nur so werden sich niemals Cliquenverhältnisse bilden, die heute entstehen und morgen wieder vergehen, mit der Nebenwirkung, daß die, welche außerhalb dieser Cliquen stehen, immer unrecht haben.

Glauben Sie nicht, meine lieben Freunde, daß es mir sehr leicht fällt, daß ich diese Dinge sagen muß. Es ist nicht unmöglich, daß nach dem Kriege etwas ganz anderes an die Stelle der Gesellschaft gesetzt werden muß, wenn manche Dinge nicht aufhören. Und Sie werden begreifen, daß um des Fortbestehens der Gesellschaft willen schon einmal auf solche Dinge gedeutet werden muß. Man muß wirklich das, was man als Vorliebe empfindet, ablegen und suchen, sich ehrlich dazu zu bekennen, die Sache höher zu stellen als das, was man in dem gewöhnlichen Leben Sympathie und Antipathie nennt.

Überzeugen Sie sich nur einmal von dem folgenden: Wenn Sie nur ein paarmal, wenn in Ihnen die Galle über einen Mitmenschen

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aufsteigen will, diese Galle hinunterfressen und nicht gleich in Wut auszubrechen, so werden Sie bemerken, daß Sie ein Stückchen weitergekommen sind in dem Grundsätze, die Sache über das Persönliche zu stellen; überzeugen Sie sich, indem Sie den entsprechenden Versuch anstellen. Dann kann nicht irgend etwas unwahr sein in unserer Bewegung. Man kann nicht unwahr sein in bezug auf das, was man sagt und in bezug auf das, was man tut. Wenn es allgemein Übung würde, viel Unwahres hineinzutragen in die Bewegung, so müßte sie einfach aufhören, so könnte sie nicht bestehen bleiben. Wenn ein Mensch zu mir kommt und über einen anderen Menschen etwas sagt, was er morgen wieder zurücknimmt, wenn er sich heute in ganz anderer Weise zu dem Menschen stellt, als er sich drei Monate vorher zu ihm gestellt hat, nur weil das aus seinen Sympathien und Antipathien fließt, so ist das etwas, was als Kraft nicht vereinbar ist mit der unbedingt notwendigen Wahrheitsliebe, mit dem Herrschen des Prinzips der Wahrheit, die da sein muß heute unter uns.

Ich hoffe, meine lieben Freunde, daß Sie wirklich diese Dinge ganz unpersönlich nehmen und auch, gerade im Anschluß an die tief einschneidenden Wahrheiten, die ich heute mitgeteilt habe, diese Dinge sich überlegen, damit nicht vielleicht in der Zukunft dennoch - weil die Unwahrheit aus Launen, aus Sympathien und Antipathien überhandnimmt in unserer Gesellschaft —, es einmal notwendig werden möge, darüber nachzudenken, welche andere Form des Zusammenwirkens man als Instrument für die geisteswissenschaftliche Weltanschauung wählt anstelle unserer Gesellschaft.

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HINWEISE

#G162-1985-SE279 Kunst und Lebensfragen im Lichte der Geisteswissenschaft

#TI

HINWEISE

#TX

Textunterlagen: Die meisten der in diesem Band abgedruckten Vorträge wurden offiziell von Franz Seiler und nichtoffiziell von Helene Finckh mitstenographiert, die beiden Vorträge vom 23. 5. und vom 18. 7. 1915 nur von H. Finckh, diejenigen vom 29. 5. und vom 24. 7. nur von F. Seiler. Die Nachschrift des Vortrags vom 3. 6. 1915 ist von E. Vreede. Vom 8. 8. 1915 Iiegt nur eine mangelhafte private Mitschrift vor, deren Text Lücken und auch einige unsichere Stellen enthält. Hierauf machte Frau Marie Steiner bei der Erstveröffentlichung ausdrücklich aufmerksam.

Für die vorliegende Erstausgabe innerhalb der Gesamtausgabe wurden alle vorhandenen Nachschriften nochmals vergleichen und bei unklaren Stellen die Stenogramme überprüft. Dadurch konnten einige kleinere Verbesserungen gegenüber den Erst&ucken vorgenommen werden; soweit dies lnhaltliches betrifft, ist es in den Hinweisen erläutert.


Die Zeichnungen im Text wurden nach den Unterlagen in den Vortragsnachschriften ausgeführt von Leonore Uhlig. Die Tafelzeichnungen Rudolf Steiners sind nicht mehr vorhanden.


Veröffentlichungen

Dornach, 23. Mai 1915 «Pfingsten im Jahreslauf», Berlin 1917; in «Geisteswissenschaft als Welt-Pfingstgabe», Dornach 1935

Dornach 24. Mai 1915 in «Geisteswissenschaft als Welt-Pfingstgabe», Dornach 1935

Dornach 30. Mai 1915 in «Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes <Faust>. Band I. Faust, der strebende Mensch», Bibl.-Nr. 272; ungekürzte Sonderausgabe Dornach 1982

Dornach 3. Juni 1915 «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen», Dornach i935

Dornach 17. Juli 1915 «Das Reich der Sprache. Die Sprache als Spiegelung des Lebens höherer Wesen», Dornach 1935

Dornach 18. Juli 1915 «Der verlorene Einklang zwischen Sprechen und Denken. Die Zerklüftung von Menschengruppen nach Sprachen», Dornach o.J. (i938)

Dornach 24., 25., 31. Juli, 1., 7., 8. Aug. 1915 «Der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. Die Geheimnisse der Kunst», Dornach i936


Werke Ruio!j(~ Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.


z, Seite


23 «Trtffl es euch, so seid ihr t<`ub!»: Worte des Ariel in »Faust» Teil ll, 1. Akt, i. Szene (Vers 4678).


23 Wir hahen iaits ja dargestellt: Bezieht sich auf die eurvthmisch-dramatische Darstellung der Ariel-Szene in Dornach. Sie fand statt am 22. Mai (Pfingsten) 1915, auf der Bühne des provisorischen Saals der Schreinerei neben dem im Bau befindlichen Goetheanum. Siehe dazu Rudolf Steiner, »Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes <Faust>», GA Bibl.-Nrn. 272 und 273, insbesondere das Vorwort von Marie Steiner im ersten und die Zeittafel auf S. 277 f. im zweiten Band.

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26 Ich habe das gestern... angedeutet: Am Anfang des Pfingstvortrages vom 22. Mai, der im Anschluß an die im Hinweis zu S. 23 erwähnte Aufführung gehalten wurde; S. 96 ff. in GA Bibl.-Nr. 272.


was noch Goethe empftn~ als er sagte: Gemeint ist wohl der Satz aus «Sprüche in Prosa«: «Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben.« Ein ähnlicher Ausspruch findet sich in der «Italienischen Reise«, unter dem Datum «Rom, 6. September 1787«: «Die hohen Kunstwerke sind zugleich als die höchsten Naturwerke von Menschen nach wahren und natürlichen Gesetzen hervorgebracht worden. Alles Willkürliche, Eingebildete fällt zusammen; da ist Notwendigkeit, da ist Gott.»


27 Auf dem Erhenntnisgebiete: Dieser Satz ist in einem der Stenogramme folgendermaßen erweitert: «Auf dem Erkenntnisgebiete sehen wir ja überall, wie sich die Wissenschaft nur hält an die Bildeprozesse und nicht an die Abtrageprozesse. Und wenn sie glaubt, daß sie sich auch an die Abtrageprozesse hält, so täuscht sie sich.«


Ro`nain Rollam~ 1866 - 1944, französischer Schriftsteller. Sein Roman «Jean Christophe» erschien erstmals in 10 Bänden in den Jahren 1904 - 12, die endgültige Ausgabe in 3 Bänden wurde 1931 - 33 veröffentlicht. In der Hauptgestalt wollte er «Beethoven in der heutigen Welt» darstellen. Er gab ihr aber auch Züge anderer von ihm besonders geschätzter Musiker. Neben einigen weiteren Romanen und mehreren Dramen schrieb er vor allem musikgeschichtliche Bücher und politische Essays.


Man mußschon: Der erste Teil dieses Satzes lautet in einem der Stenogramme so: «Man muß schon auf verschiedenen Gebieten hinschauen auf die Art, wie Verkehrtheit in unserer Gegenwart die Seelen ergreift, um das ganz Bedeutungsvolle..


32 im vierten Mysteriendrama: Die Worte beziehen sich auf das 5. und 6. Bild des Dramas «Der Seelen Erwachen» in «Vier Mysteriendramen» (1910 - 13), GA Bibl.-Nr. 14.


die Worte des Capesius: In der ersten Szene des zweiten Dramas «Die Prüfung der Seele» in «Vier Mysteriendramen», GA Bibl.-Nr. 14.


33 die zwei Dichtungen: In der Abteilung «Gott und Welt» von Goethes Gedichten endet das Gedicht «Eins und Mles» mit den Worten:


Das Ewige regt sich fort in allen,

Denn alles muß in Nichts zerfallen, Wenn es im Sein beharren will.


Das unmittelbar folgende Gedicht «Vermächtnis« beginnt dann mit den Worten:


Kein Wesen kann in Nichts zerfallen!

Das Ewige regt sich fort in allen, Am Sein erhalte dich beglückt


34 «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» (1904/05), GA Bibl.-Nr. 10.


35 in einem der Münchner Vorträge: Am 26. August 1913 innerhalb des Zyklus «Die Geheimnisse der Schwelle», GA Bibl.-Nr. 147, der in München im Anschluß an die Aufführung des vierten Mysteriendramas gehalten wurde.

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38 1769 erschien in London eine Broschüre: Hier und in den folgenden Ausführungen stützt sich Rudolf Steiner auf einen Artikel, der 1875 erschienen ist in dem Buch «Neue Studien» von Karl Rosenkranz, S. 534 - 542, mit dem Titel «Dom Deschamps, ein Vorläufer des Hegelianismus in der französischen Philosophie des 18. Jahrhunderts«.


Baron Holhach, französischer Philosoph deutscher Herkunft, geboren 1723 in Heidesheim, gestorben 1789 in Paris. Sein Hauptwerk, gegen das sich Deschamps wendet, heißt: «Systeme de la nature, ou des lois du monde physique ei du monde moral«, erschienen 1770.


Em»leJacques-Ar`nand Beaussire, 1824 - 1889, Philosoph und Politiker, Professor der Philosophie in Lille.


LeogarMaria Deschamps: Über ihn ist sehr wenig bekannt. In deutschen Lexika wird er nicht erwähnt. In den französischen Enzyklopädien wird als sein Geburtsjahr 1716 angegeben, nicht 1733, wie Rudolf Steiner dem genannten Artikel entnimmt. Als Geburtsort ist Poitiers, Rouen oder Rennes genannt. Daß er als Prior eines Benediktiner-Klosters in der Provinz Poitou im Jahre 1774 gestorben ist, darin stimmen alle Lexika überein. Der Titel der zweiten erwähnten Broschüre lautet vollständig «La voix de la raison contre la rsison du temps, les prole`gome`nes d`un vaste traite`: La Ve`n.te`, ou le Vrai Systeme».


39 Jean-Jacques Routai`, geboren 1712 in Genf, gestorben 1778 in Ermenonville.


Jean-Baptiste Ren6 Rohinei, 1735 - 1820, Materialistischer Philosoph und Grammatiker. Hauptwerk: «De la nature» 1761.


Voltaire (Fran~ois Marie Arouet), 1694 - 1778.


Claude Y`onö 1714 - 1791, Mitarbeiter an der Encyclopedie.


Jeanjacqus Bartbelemy, 1716 - 1795, Altertumsforscher, Numismatiker, Schriftsteller. Sein berühmtestes Werk: «Le Voyage du jeune Anacharsis en Gre`ce» (Paris 1788, 4 Bände).


Denis Düiero~ 1713 - 1784, französischer Aufklärungs-Philosoph, Mathematiker, kunsttheoretischer Schriftsteller. Er gilt als Haupt der Enzyklopädisten. Goethe schätzte ihn sehr und übersetzte sein Traktat «Rameaus Neffe» ins Deutsche.


43 Ich habe dies schon einmal hier... ausnnavuleigeseizt: Siehe «Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung», GA Bibl.-Nr. 161, Vortrag Dornach 2. Mai 1915; desgleichen «Okkultes Lesen und okkultes Hören«, GA Bibl.-Nr. 156, Vortrag Dornach 4. Oktober 1914.


am letzten Phiiosophenkongreflö Der im April l911 in Bologna abgehaltene «Vierte Internationale Pl`ilosophie-Kongreß». Rudolf Steiner hielt innerhalb desselben am 8. April einen Vortrag unter dem Titel «Die psychologischen Grundlagen und die erkenntnistheoretische Stellung der Anthroposophie». Dieser Vortrag ist zusammen mit zwei kürzeren Autoreferaten Rudolf Steiners über den gleichen Vortrag und die anschließende Diskussion abgedruckt in «Philosophie und Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze 1904-1924», GA Bibl.-Nr. 35.


Paul Leuflen, 1845 - 1919, Philosoph und Indologe, Herausgeber der kritischen Sch~ penhauer-Ausgabe. Hauptwerke: «Das System der Vedanta» 1883; «Allgemeine Geschichte der Philosophie» 1894. Er führte die indische Philosophie in die Philosophiegeschichte ein.

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43 eine Broschüre, die Franz Hartmann gegen die Theosophie geschrieben hat: Franz Hartmann (1838 - 1912) war ein deutscher Theosoph. Er gründete nach dem Tode von Helena Petrowna Blavatsky (1891) im Jahre 1897 eine theosophische Vereinigung unter dem Namen «Internationale Theosophische Verbrüderung» (ITV). Der Ausdruck «gegen die Theosophie« beruht eventuell auf einem Hörfehler des Stenographen und sollte heißen «über die Theosophie«. Möglich wäre auch, daß Rudolf Steiner die Worte von Deußen genau wiedergab, um dessen mangelnde Kenntnis in bezug auf die Theosophie zu charakterisieren.


46 gestern und auch vorgestern: Im ersten Vortrag dieses Bandes und im fünften Vortrag des Bandes «Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes <Faust>«, Band I, CA Bibl.-Nr. 272.


47 «Ihr seid das Salz der Erde», Matthäus V, 13.


49 Wir haben uns öfter klar gemacht: Über das Gedächtnis handelt besonders der Vortrag vom 12. Dezember 1914 in Dornach. Er ist abgedruckt in dem Band «Okkultes Lesen und okkultes Hören«, GA Bibl.-Nr. 156.


59 «Nur der verdient sich Freiheit ,vic das Lehen/Der täglich sie erobern mufl«: «Faust« Teil 11, Fünfter Akt, vorletzte Szene (Großer Vorhof des Palastes), Verse 11 575 und 11 576.


Hegel hat ein Naturrecht geschrieben: Georg Wilhelm Hegel (1770 - 1831), gab 1821 die «Grundlinien der Philosophie des Rechts, Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse« heraus. Bei der nach seinem Tode erfolgten Herausgabe seiner «Sämtlichen Werke« wurde dieser Band durch Hegels Schüler Eduard Gans erweitert und ergänzt anhand von Notizen zu seinen Vorlesungen über Philosophie des Rechts.


Fichte hat ein Naturrecht geschrieben: Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814) schrieb 1796 als Fortsetzung seiner 1794/95 erschienenen «Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre« das Werk «Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre«.


Schelling hat ein Journalfür Medizin herausgegeben: Friedrich WiIhelm Joseph Schelling (1775 - 1854) gab in den Jahren 1805 - 1808 zusammen mit dem Mediziner Marcus die «Jahrbücher der Medizin als Wissenschaft« heraus. Er schrieb dazu selbst die Vorrede und veröffentlichte darin einige längere Artikel über die Naturphilosophie.


70 gestern... vor einer Woche: Siehe den ersten und den dritten Vortrag in diesem Band.


71 das Jakob Böhme- Wort: Jakob Böhme (I575- 1624). In seinem Werk «Sex Puncta Theosophica« heißt es auf S. 34l: «Also ist der grimmige Tod eine Wurzel des Lebens.« Sämtliche Werke hrsg. von K. W. Schiebler, 6. Band.


77 in den «Rätseln der Philosophie»: «Die Rätsel der Philosophie in ihrer Geschichte als Umriß dargestellt« (1914), GA Bibl.-Nr. 18. Die angeführte Stelle steht auf den Seiten 623-625, Ausgabe 1985.


80 ein Stück vor unseren Augen haben vorbeiziehen sehen: Siehe 2. Hinweis zu S. 23.


85 die barbarische Komposition: Goethe schrieb an Schiller am 27. Juni 1797: «Ihre Bemerkungen zu Faust waren mir sehr erfreulich. Sie treffen, wie es natürlich war, mit meinen Vorsätzen und Plänen recht gut zusammen, nur daß ich mir`s bei dieser barbarischen Komposition bequemer mache und die höchsten Forderungen mehr zu berühren als zu erfüllen denke.«

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85 Da schrieb er sich auf Goethes Werke, Sophien-Ausgabe. I. Abteilung, 14. Band, Seite 287.


Nun habe ich Ihnen dargestellt: In dem Vortrag vom 11. April 1915, abgedtuckt im ersten Band von «Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes <Faust>», GA Bibl.-Nr. 272.


88 Edinger... hat kürzlich einen Vortrag darüber gehalten: Ludwig Edinger (1855 - 1918) war Direktor des neurologischen Instituts der Senckenbetg-Gesellschaft. Er schrieb l909 eine «Einführung in die Lehre vom Bau und den Verrichtungen des Nervensystems». - In den Stenogrammen lautet die Stelle: «Edinger, einer der bedeutendsten Phü losophen der Gegenwart». Dabei beruht das Wort «Philosophen» wohl auf einem Hörfehler. Es handelt sich bei ihm nicht um einen Philosophen, sondern um einen Naturwissenschafter und Forscher. Wir haben deshalb die Bezeichnung «Philosophen» durch <Physiologen» ersetzt, was sinngemäß zutreffender ist.


92 Goethe hat nicht umsonst an Zelter geschrieben: Ursprünglich stand hier: «... zu Eckermann gesagt«. Das Wort «hineingeheimnißt« kommt jedoch in Eckermanns «Gesprächen mit Goethe» nicht vor; hingegen findet es sich in einem Brief, den Goethe am 26./27.Juli 1828 an Zelter geschrieben hat. Es heißt dort: «Wenn dies Ding [der «Faust«] nicht fortgesetzt auf einen übermütigen Zustand hindeutet, wenn es den Leser nicht auch nötigt, sich über sich selber hinauszumuten, so ist es nichts wert. Bis jetzt, denk ich, hat ein guter Kopf und Sinn schon zu tun, wenn er sich will zum Herrn machen von allem dem, was da hineingeheimnisset ist.« Artemis-Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche Johann Wolfgang Goethes, 21. Bd., Zürich 1951, S. 807.


Hei,nan ....... hat darauf auftnerksam ge>nacht: Herman Grimm (1828 - 1901), Sohn und Neffe der bekannten Sprachforscher und Märchensammler WilheIm und Jakob Grimm; Literatur- und Kulturhistoriker, Professor der Kunstgeschichte in Berlin. Der erwähnte Ausspruch entstammt seinen Goethe-VorIesungen, Berlin 1874/75. In der ersten Vorlesung heißt es: «Goethes erstes Jahrhundert ist abgelaufen, keinem der folgenden aber, soweit wir die Zukunft ermessen dürfen, wird die Mühe erspart bleiben, Goethes Gestalt immer wieder neu sich aufzubauen. Das deutsche Volk müßte seine Natur ändern, wenn das ausbleiben sollte. Es gibt seit Jahrtausenden eine Wissenschaft, welche Homer heißt und die in nicht abreißender Kontinuität ihre Vertreter gefunden hat; seit Jahrhunderten eine, die Dantes, eine, die Shakespeares Name trägt: so wird es von nun an eine geben, welche Goethe heißt.«


105 durch das Pralaya hindurch: In «Die Geheimwissenschaft im Umriß«, GA Bibl.-Nr. 13, schildert Rudolf Steiner in dem Kapitel «Die Weltentwickelung und der Mensch« das Hindurchgehen der Erde und der Menschheit durch verschiedene Verkörperungen (alter Saturn, alte Sonne, alter Mond, Erde). Je zwischen zwei solchen Entwicklungsstadien liegt ein rein geistiger Zustand, der als «Ruhepause« oder auch als «WeltenschIaf« bzeichnet wird. Auf den gleichen Tatbestand weist hier Rudolf Steiner hin mit dem alten Ausdruck «Pralaya«.


in Berlin in eine>n kleinen Kreise: Siehe «Die Tempellegende und die Goldene Legende«, GA Bibl.-Nr. 93, Vortrag Berlin 21. Oktober 1905 (Notizen) «Der Logos und die Atome im Lichte des Okkultismus«.


106 Ich habe gesagt: Zum Beispiel in «Die Offenbaiungen des Karma«, GA Bibl.-Nr. 120,

9. Vortrag.

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107 ich habe schon gesagt: Siehe Raoul H. France` (1874 - 1943): «Das Sinnesleben der Pflanzen», Stuttgart 1905.


108 «In deinem Nichts hoffl ich das All zu finden. »: «Faust«, Zweiter Teil, 1. Akt, Finstere Galerie, Vers 6256.


in einem der letzten Vorträge: Vortrag vom 3. April 1915, abgedruckt in «Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung», GA Bibl.Nr. 161.


111 «Him,nel und Erde 'terden ve,`gehen»: Matthäus, Kap. 24, Vers 35; Markus, Kap. 13, Vers 31; Lukas, Kap. 21, Vers 33.


Denn Him,nel und Erde: Dieser Satz ist im Stenogramm so verstümmelt, daß er keinen Sinn ergab. Er wurde durch Frau Marie Steiner für die Erstausgabe dieses Vortrages in die Form gebracht, in der wir ihn hier auch abdrucken.


115 ich habe öfter daraufaufineriisiim geinacht Siehe z. B. den Vortrag Wien 6. April 1914 in «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt«, GA Bibl.Nr. 153, Dornach 1978, S. 15 f.


jetzt 'iu~rde esja schrrierig sein: Anspielung auf die durch den Krieg erschwerte Situation.


116 die AItasha-Cbronik: Was Rudolf Steiner mit diesem Ausdruck bezeichnen will, wird ausführlich dargestellt im Vorwort zu seiner Schrift «Aus der Akasha-Chronik« (1904), GA Bibl.-Nr. 11.


119 Jakob Grimm, 1785 - 1863, Begründer der germanischen Altertums- und Sprachwissen

schaft; zusammen mit seinem Bruder Wilhelm (1786 - 1859) Herausgeber der «Kinder- und Hausmärchen», 1812- 15, und des «Deutschen Wörterbuches«. Das von Rudolf Steiner besprochene Gesetz der Lautverschiebung stellte Jakob Grimm erstmals dar in seinem 1819 erschienenen Werk «Deutsche Grammatik».


127/128 dem gröflten Teile seines Sprachschaizes nach: Im Manuskript steht: dem «geistigen« Teil, was wohl auf einem Hörfehler beruht und vom Herausgeber abgeändert wurde.


135 das gestern Gesagte: Siehe den vorhergehenden Vortrag dieses Bandes.


139 Annie Besan4 1847 - 1933, wurde, nach dem Tode des Präsident-Gründers H. S. Olcott, im Mai 1907, zur Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft gewählt.


144 das hibliscbe Wort: Die Offenbarung Johannis, Kap. 12, Vers 8.


in der «Geheimsztte»schaft> daigestellt: «Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910), GA Bibl.-Nr. 13, in dem Kapitel «Die Weltentwickelung und der Mensch».


148 unsere Holzplastik: Von Rudolf Steiner geschaffen, für den Bühnenraum des Ersten Goetheanum bestimmt und heute in einem besonderen Raum des Zweiten Goetheanum aufgestellt.


152 Napoi6on&naparte, 1769-1821.


155 den... Auss;rruch des Jah~-Gottcs: Erstes Buch Moses, Kap. 3, Vers 22-24.


157 ~?r haben es öfter betrachtet: Zum Beispiel in dem Vortrag vom 28. Dez. 1913, abgedruckt in «Christus und die geistige Welt», GA Bibl.-Nr. 149.

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159 Augustinus, 354 - 430. Sein Ringen um ein Verstehen des Christentums wird ausführlich dargestellt im letzten Kapitel des Buches «Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums« (1902), GA Bibl.-Nr. 8.


161 diese anderartige Sage: Die Sage von der Erschaffung des Menschen durch die drei erwähnten Götter wird erzählt in der «Völuspa«, dem ersten Lied der «älteren Edda«, einer altnordischen Sammlung von Gesängen mythischen Inhalts.


163 eineprästahnerre Harmonie: Eine von Leibniz eingeführte Auffassung, um das Problem der Zweiheit von Leib und Seele zu lösen. Nach dieser These hat Gott die beiden Substanzen getrennt konzipiert und geschaffen, aber in vollkommener Entsprechung, so daß Leib und Seele sich unabhängig voneinander, aber parallel entwickeln wie zwei Uhren, die genau gleich gehen und al50 stets dieselbe Zeit anzeigen.


167 Im,nanuei ~t 1724 - i804. Der Gedanke vom Absetzen des Wissens, um «dem Glauben Platz zu machen», ist ausgesprochen in der Vorrede zur 2. Ausgabe seiner «Kritik der reinen Vernunft». Es heißt dort wörtlich: «Ich mußte also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen.»


169 Karl der Groji«;, 742 - 814, ab 768 König des Frankenreichs, im Jahre 800 als erster deutscher Fürst in Rom zum Kaiser gekrönt.


172/173 ll`;r haben schon einmal davon gesprochen: Zu der Bedeutung der Bewußtseinszustände von Schlafen und Wachen hat sich Rudolf Steiner immer wieder geäußert, z. B. in den Vorträgen vom 21. August 1910 in «Die Geheimnisse der Biblischen Schöpfungsgeschichte», GA Bibl.-Nr. 122; vom 29. Mai 1908 in «Das Johannes-Evangelium«, GA Bibl.-Nr. 103; und vom 7. Mai 1912 in «Erfahrungen des Übersinnlichen«, GA Bibl.Nr. 143.


177 ich habe ja ....... einmal angedeutet: Im 6. Vortrag des Zyklus «Die Geheimnisse der Schwelle», GA Bibl.-Nr. 147.


181 in Münchner Vorträgen: Besonders im 2. Vortrag des im vorhergehenden Hinweis genannten Zyltlus.


183 wie ich es öfler beschrieben habe: Zum Beispiel im 2. Vortrag dieses Bandes.


I85 Man Jiih lt esöi,n Ailgenteinen: In einem anderen Stenogramm heißt es statt «im Allgemeinen»: «im Atherleibe». Im Hinblick auf die folgenden Sätze wurde die erstere Version gewählt, obwohl im ganzen Zusammenhang auch die zweite sinnvoll wäre.

191 kh habe einmal hier darauf aufteeritsam gemacht: 1m Vortrag vom 24. Mai 1915, abgedruckt als zweiter Vortrag dieses Bandes.


194 in einem der letzten Vorträge: Im 9. Vortrag dieses Bandes.


196 PLato, 427-347 vor Chr.


Sokrates, ca. 470 - 399 vor Chr.


199 das wunderbare Christus-Wort: Die Schlußworte des Matthäus-Evangeliums, Kap. 28, Vers 20.


der da gesagt hat Wohl eine Anspielung auf die Schlußworte des Johannes-Evangeliums,

Kap. 21, Vers 25.

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202 eine Urrnenschen-Gestalt: Die von Rudolf Steiner geschaffene Holzplastik. Siehe Hin- weis zu S. 148.


204 KaiserAugustinus, 63 vor Chr. - 14 nach Chr.


205 Barthold Georg Niebuhr, 1776-1831, Althistoriker und preußischer Staatsmann. Sein Hauptwerk: «Römische Geschichte«; die ersten beiden Bände erschienen 1811/12, ein dritter wurde nach seinem Tode aus den erhaltenen Vorlesungen zusammengesteIlt.


7heodor Mommsen, 1817- 1903, Althistoriker, Jurist und Politiker. Außer der «Römischen Geschichte« (1854-85 in 4 Bänden) schrieb er ein «Römisches Staatsrecht« (1871 - 88) und ein «Römisches Strafrecht« (1899).


Numa Pompilius, der zweite der sieben römischen Könige (nach Romulus).


209 Julian der Abtrünnige, auch Julian Apostata genannt, weil er das bereits zur Staatsreligion erhobene Christentum wieder durch eine griechisch-neuplatonische Götter-Verehrung ersetzen wollte. Er war Kaiser von 355 - 363.


der oströmische Kaiser J,<stinian, 482 - 565; war Kaiser des oströmischen Reiches vom Jahre 527 an.


210 Crigenes, ca. 185-254.

211 Aristoteles, 384-322 vor Chr.

216 Kant: Siehe den Hinweis zu S. 167.


221 «Nicht ich, der Christus in mir.»: Brief des Paulus an die Galater, Kap. 2, Vers 20. In der Lutherschen Bibelübersetzung heißt die Stelle: «Ich lebe aber; doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.«


222 In Haeckels Büchern befindet sich ein Satr In «Anthropogenie oder Entwickelungsgeschichte des Menschen. Keimes- und Stammes-Geschichte«, 5. Aufl., Leipzig 1903, S. 956, Anm. 45; wörtlich: «Das berühmte <Dogma von der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria>, das in der neuesten Kulturgeschichte eine so wichtige Rolle spielt, und an das so viele <Gebildete> glauben, ist gleich dem <Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit> eine Verhöhoung der menschlichen Vernunft.«


225 der beiden Jesushnöiben: In den Vorträgen über «Das Lukas-Evangelium«, GA Bibl.-Nr. 114, spricht Rudolf Steiner erstmals vor Mitgliedern ausführlich über die beiden Jesusknaben. Weitere Vorträge mit wichtigen Bemerkungen über die beiden Jesusknaben hat Hella Wiesberger zusammengestellt in der «Zeitlichen Übersicht der wichtigsten [christologischen] Daten von 1901/02 - 1914« in den «Nachrichten der RudolfSteinerNachlaßverwaltung« (jetzt «Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe«), Nr. 8, Weihnachten 1962, Seite 36. Die erste öffentliche Darstellung gab Rudolf Steiner in der 1911 erschienenen Schrift «Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit«, GA Bibl.-Nr. 15. Man vergleiche hierzu auch die Zusammenfassung der Ergebnisse der Forschungen Rudolf Steiners über die beiden Jesusknaben in der Schrift von Adolf Arenson, «Die Kindheitsgeschichte Jesu. Die beiden Jesusknaben«, Stuttgart 1921. Schließlich sei noch auf die Ausführungen von Lic. Emil Bock in «Kindheit und Jugend Jesu«, Stuttgart 1939 (5. Aufl. 1980), und von Hella Krause-Zimmer in «Die zwei Jesusknaben in der bildenden Kunst«, 2. Aufl., Stuttgart 1977, hingewiesen.

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226 An der betreffenden Stelle der « Geheim wissenschaft». Die Geheimwissenschaft im Umriß (1910), GA Bibl.-Nr. 13, 1977, S. 170.


227 eine menschliche W,e~verkö~perung des Christus Jesus: Dieser Satz bezieht sich auf die Tatsache, dzß im Jahre 1912 innerhalb der Theosophischen Gesellschaft die Meinung verbreitet wurde, in einem Inderknaben werde der Christus sich wieder verkörpern. Dies führte zur Trennung der von Rudolf Steiner geführten Deutschen Sektion von der Theosophical Society und zur Giündung der Anthroposophischen Gesellschaft. - Diese Vorgänge werden beschrieben im Vorwort Marie Steiners zur ersten Buchausgabe des Bandes «Die Bhagavad Gita und die Paulusbriefe« (1912/13), GA Bibl.-Nr. 142. Im Band der Gesamtausgabe ist dieses Vorwort als Anhang abgedruckt.


228 was ich öfter schon auseinandergesetzt habe: Zum Beispiel im 12. Vortrag des Bandes «Wege der geistigen Erkenntnis und der Erneuerung künstlerischer Weltanschauung» (1915), GA Bibl.-Nr. 161.


232 Helena Pretrowna Blavatsky: Über sie und über ihr Leben spricht Rudolf Steiner ausführlich im 2. Vortrag des Zyklus «Die okkulte Bewegung im 19. Jahrhundert« (1915), GA Bibl.-Nr. 254.


239 des Meisters Koot Hoomi: In dem im vorigen Hinweis erwähnten Vortrag wird auch die Rolle dieses Meisters im Leben von H. P. Blavatsky ausführlich dargestellt.


246 Ich habe darauf schon... hier aufnerksam gemacht: 1m 5. Vortrag dieses Bandes. 249 was im Anfang der Bibel steht: 1. Buch Moses, 3. Kapitel.


254 in der «1heosophie»: «Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung<> (1904), GABibl.-Nr. 9. Im Kapitel «Die drei Welten« beschreibt Rudolf Steiner im ersten Teil die Seelenwelt als in sieben Regionen gegliedert. Die zweite dieser Regionen wird genannt die der «fließenden Reizbarkeit«.


256 das «Heidenröslein» von Goethe: Im Hinblick darauf, daß Rudolf Steiner im folgenden von diesem Gedicht als einem alten Volkslied spricht, sei hier zitiert, was Eduard von der Hellen in der Jubiläums-Ausgabe «Goethes sämtliche Werke« zu dem Thema anmerkt (Bd. 1, S. 304f.): «Die Autorschaft dieses Gedichtes wurde vielfach umstritten. Der Tatbestand ist in der Hauptsache folgender: Herder veröffentlichte 1773 ein <Fabelliedchen>, das von Goethes <Heidenröslein> nur in Vers 3 - 5

<Er sah, es war so frisch und schön,

Und blieb stehn es anzusehn,

Und stand in süßen Freuden>

und 18, 19

<Aber er vergaß darnach

Beim Genuß das Leiden>

bemerkenswerte Abweichungen zeigt. Herder nannte es <ein älteres deutsches Lied für Kinder> und gab an, mit besonderem Bezug auf den ihm unsicheren Vers 5, daß er es nur <aus dem Gedächtnis> aufzeichne; als er es 1779 im 2. Teil seiner <Volkslieder> wieder abdruckte, setzte er hinzu: <aus der mündiichen Sage>. Dann erschien das Gedicht 1789 in der uns geläufigen Gestalt, ohne jede Bemerkung über die Herkunft, im 8. Band von Goethes Schriften.

War es dennoch in seiner ganzen Anlage und im wesentlichen seiner Form wie seines Ausdrucks ein Volkslied? In der Tat: schon in der 1602 erschienenen Anthologie des

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Paul v. d. Aelst steht ein inhaltlich verwandtes Gedicht mit dem Kehrreim <Röslein auf der Heiden>, und so konnte recht wohl irgendein unbekannter Volksdichter dem Liede ungefähr die Gestalt gegeben haben, in der es Herder oder dessen Gewährsmann hörte. Dann muß man allerdings annehmen, daß Goethe die oben vermerkten und einige weitere kleine Änderungen für hinreichend hielt, um das Gedicht seinen eigenen einreihen zu dürfen.


262 wie ich geschihH habe: Im 11. Vortrag dieses Bandes.


268 das hihliss:be Wort: 1. Buch Mose, Kap. 3, Vers 5.

272 Eure Augen werden aufgetan werden: i. Buch Mose, Kap. 3, Vers 5.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.