GA 157

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Menschenschicksale und Völkerschicksale

#G157-1960-SE008 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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Menschenschicksale und Völkerschicksale

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Während der Kriegsjahre wurden Von Rudolf Steiner vor jedem von ihm innerhalb der Anthroposophisdhen Gesellschaft gehaltenen Vortrag in den vom Kriege betrof­fenen Ländern die folgenden Gedenkworte gesprochen:

Wir gedenken, meine lieben Freunde, der schützenden Geister derer, die draußen stehen auf den großen Feldern der Ereignisse der Gegenwart:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Erdenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und zu den schützenden Geistern derer uns wendend, die infolge dieser Leidensereignisse schon durch des Todes Pforte gegangen sind:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Sphärenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und der Geist, dem wir uns zu nahen suchen durch unsere Geisteswissenschaft seit Jahren, der Geist, der zu der Erde Heil und zu der Menschheit Freiheit und Fortschritt durch das Myste-rium von Golgatha gegangen ist, Er sei mit Euch und Euren schweren Pflichten!

ERSTER VORTRAG Berlin, 1. September 1914 Um Menschenschicksale und Völkerschicksale

#G157-1960-SE012 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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ERSTER VORTRAG

Berlin, 1. September 1914

Um Menschenschicksale und Völkerschicksale

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Meine lieben Freunde, Ihr wißt, daß eine ursprüngliche Absicht bestand, den Bau, den wir als eine Warte für das geistige Leben der neueren Zeit errichten wollen, wie es unseren Seelen vorschwebt, im August dieses Jahres fertig zu haben. Das Karma hat es anders gewollt. Und wir mußten uns, gelassen selbstverständlich, in dieses Karma fügen. Wir dachten eine Weile, daß es gerade in dieser Zeit sein könnte, daß in diesem Bau Worte gesprochen werden dürften von jener Siegeszuversicht des geistigen Lebens, von der wir uns durch unsere Geisteswissenschaft immer mehr und mehr über­zeugen konnten. Nun steht oder stand in dieser Zeit unser Bau in Dornach bei Basel nicht fertig da. Aber seine Umhüllung steht da. Die Säulen, die seine, die geistigen Himmelswelten repräsentieren­den Kuppeln tragen sollten, sind an ihren Orten und sind ver­bunden mit diesen Symbolen des Himmelsdaches. Die Vollendung wartet noch auf sich. Im Juli war es, wo ich in einem bestimmten Stadium unseres Baues ahnen konnte, daß das eintreten werde, um was ich mich bemüht habe: daß dieser Bau auch sein sollte eine Probe dafür, daß man durch Form und Zusammenstellung ein wirklich gutes Hören, einen wirklich akustischen Raum erreichen könne. Hoffen, sage ich, durfte man das. Denn von den Stellen aus, wo ich durch Worte prüfen konnte, wie die ganze Umschalung den Ton behandelt, da klang es so, daß man hoffen kann, daß die Ab­sicht erreicht werden wird, daß es auch an den richtigen Stellen richtig tönen werde. Daß die Worte, die unserer Gesinnung geweiht sind, also in diesem Raume tönen mögen, das ist unsere Hoffnung.

Die ersten Töne, die unsere in Dornach arbeitenden Freunde hörten, waren der Widerklang des Feuers, das in unserer unmittel­baren Nähe stattfand, das heraustönte aus den ersten Unterneh­mungen der ernsten Ereignisse, innerhalb deren wir jetzt leben. Denn unser Bau sieht hinunter auf dasjenige Feld im Oberelsaß, an

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dessen nach der Schweiz hin gerichteten angrenzenden Gefildungen er steht. Und es waren nicht nur die Signale der ernsten Ereignisse unserer Zeit zu hören, sondern zu sehen war auch von den ver­schiedenen Punkten unseres Baues aus das Feuer der Kanonen im Oberelsaß. Was dort geschah, das sprach zuerst als Echo in unseren Gegenden. In uns lebte, wenn wir uns inmitten der Arbeit zu unseren Besprechungen trafen, der Gedanke, daß aus den ernsten Ereignissen, innerhalb welcher wir leben, der Menschheit erstehen möge ein Friedensboden, auf dem erblühen kann Heil und Segen der Entwickelung der Menschheit.

Wie bricht, zuweilen zu dem einzelnen symbolisch sprechend, ein solches Ereignis herein, wie wir es jetzt erleben! Vielleicht ist in den Händen einiger von Euch, meine lieben Freunde, der erste Band meines Buches «Die Rätsel der Philosophie>, in dem ich dar­stellen wollte den Entwickelungsgang der Menschheit im Suchen nach den großen Weltenrätseln, in dem ich darstellen wollte den Zug des Gedankens durch Menschen- und Völkerherzen. Der zweite Band ist, wie Ihr wißt, noch nicht erschienen; aber er ist im Drucke fertig bis in den dreizehnten Bogen hinein. Dieser dreizehnte Bogen behandelt auf den letzten Seiten, die noch gedruckt sind, die Philo­sophie Boutroux' und Bergsons und geht dann über zu Preuß, um als Letztes, was noch gedruckt worden ist, bevor das große Ereignis begonnen hat, zu behandeln den, nach meinem Empfinden das­jenige, was der Philosoph Bergson will, unendlich tiefer ergreifen-den, in der deutschen philosophisch-naturwissenschaftlichen Ent­wickelung stehenden Einsiedler Preuß. Mit wuchtiger Kraft findet man bei dieser Denkerpersönlichkeit Preuß dasjenige, was ein natur-wissenschaftlich Denkender über das Geistesleben sagen konnte. So schloß sich zusammen in diesem dreizehnten Bogen dasjenige, was Gedanken behandeln sollte, die im Westen Europas und solehe, die im Herzen Europas ersprossen sind. Mitten im Satze schließt mein Druck ab, gleichsam symbolisch spaltend das Geistesleben der­jenigen Menschen, zwischen denen jetzt auf dem physischen Plan der schwere Kampf entbrannt ist, der uns so viel bewegt. Und in den ersten Augusttagen mußte ich oft die weißen Seiten des unbedruckt

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gebliebenen Bogens mir anschauen, denn auch das wirkte wie ein merkwürdiges Symbolum auf mein Gemüt

Meine lieben Freunde, wir stehen nicht in einer Zeit, in der untergeordnete Ereignisse des Menschenlebens entschieden werden. So schnell auch diese Ereignisse hereingebrochen sind: tief eingrei­fend sind sie und aus einer Notwendigkeit hervorgegangen, die gleich derjenigen ist, mit der sich einmal Europens Geschicke in den Zeiten der Völkerwanderung aus harten, schweren Kämpfen heraus entwickelt haben. Was in diesen Zeiten bei dem Bekenner der Geisteswissenschaft sein muß, das ist die Zuversicht in den Sieg und in die Sieghaftigkeit des geistigen Lebens und die Festigkeit in dem Glauben, daß die Welten lenkenden Geister die Dinge so ent­scheiden werden, wie es zum Heile der Mensehheit notwendig ist.

Derjenige, der heute einen Trost braucht dafür, daß durch die Geisteswissenschaft eng befreundete Menschen im Feuer einander gegenüberstehen, der versuche sich diesen Trost zu holen aus den Worten, die uns klingen aus der Bhagavad Gita. Sie weisen uns in alte Zeiten der Menschheitsentwickelung, dahin, wo aus einem ur-sprünglichen primitiven Leben der Menschheit ein späteres Leben hervorgetreten ist, in welchem nach den geistigen Gesetzen, die wir ja kennen, vereint waren solche, die früher als Brüder mit Brüdern, Schwestern mit Schwestern gelebt haben. Der Übergang war ge. schehen zu einem andern Leben der Menschheit, zu einer Verbrei­terung der Menschheit, so daß innerhalb jener Neuordhung der Menschheit kämpfend sich gegenüberstanden diejenigen, die sich Brüder wußten. Aber der Geist, der durch die Menschheitsentwicke­lung geht, findet die rechten Worte, um Zuversicht und Glauben und Sicherheit in die Seelen zu gießen, die sich also gegenüberstehen.

Wiederum erleben wir heute Zeiten, in denen sich aus verschie­densten Gegenden der Erde durch jene Geistesströmung, die wir die unsrige nennen, Menschen zusammengefunden haben, die durch ihre Empfindungen, durch das, was sie aus der Seele Tiefen heraus tief verbindet, sich Brüder, sich Schwestern nennen. Und wiederum müssen sie einander gegenüberstehen. Das Menschheitskarma will es so. Aber, meine lieben Freunde, die Gewißheit müssen wir

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gewonnen haben durch das, was wir von unserer geistigen Strö­mung in unsere Herzen und in unsere Seelen aufgenommen haben, daß der Geist, der durch die Menschheitsentwickelung wallt, uns in diesen Sturmeszeiten kräftige und mit Zuversicht erfülle, so daß wir den Glauben in uns tragen können, daß im Weltenkarma das Rechte geschehen werde, daß gekämpft werden muß, daß Blut über Blut fließen muß, damit erreicht werden könne, was der Welten Schicksalsienker mit der Erdenmenschheit erreichen will. Auch ein Opferblut wird dieses sein, ein heiliges Opferblut! Und die­jenigen unserer Lieben, die dieses Opferblut vergießen werden, sie werden in den geistigen Reichen starke Helfer der Menschheit wer­den nach den schönsten, nach den hehrsten Zielen. Denn auf viele Arten sprechen die Weltengeister zu uns Menschen. Sie sprechen zu uns auf die Art, wie wir es gewohnt sind innerhalb unserer Kreise durch die Worte, die entnommen sind unserer geistigen Forschung und unserer geistigen Gesinnung. Sie sprechen aber auch zu uns durch die ernsten Zeichen des Kriegesdonners. Und so sehr es man­cher Seele naheliegen möchte, mit Bedauern darauf hinzublicken, daß auch diese Sprache in der Weltenlenkung der Menschheit ge­führt werden muß - geistergriffene Seelen müssen bedenken kön­nen, daß solche Sprache im Weltenkarma notwendig ist. Es ist die Sprache, deren richtigen Sinn zu verstehen für den einzelnen Fall erst den folgenden Zeiten auferlegt ist, die auf dasjenige zurück­blicken können, was ihnen dadurch geworden ist, daß ihre Vor­fahren ihren Leib zum Opfer gebracht haben, um aus diesem Opfer des Kriegsfeldes heraus die verklärte Seele zum Heile der Mensch­heit in die geistigen Sphären hinaufzuschwingen. Und mit diesem Funken geistiger Ergriffenheit im Herzen können wir uns gestärkt hineinstellen in alle die Sorgen, in alle die tiefen Beküsnmerm.sse und Betrübnisse, aber auch in alle die Hoffnungen und in alle die Zuversichten, welche Ereignisse solch ernster Art, wie die gegen­wärtigen, vor unsern äußeren Augen darstellen und offenbaren.

Meine lieben Freunde, am 26. Juli konnte ich in Dornach zu unseren dort versammelten Freunden, anschließend an einen Vor­trag, der die Angelegenheiten unseres Baues betraf, die Worte sprechen,

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die hinwiesen auf die ernsten Zeiten, die uns bevorstehen. Unter den Zuhörern dieses 26. Juli waren auch diejenigen unserer damals dort befindlichen Freunde, die jetzt schon draußen stehen auf dem Felde der ernsten, der ernstesten Ereignisse. Damals durfte ich neben unserem Bau in Dornach, der eine Geisteswarte werden soll, unseren Freunden die Worte ins Herz rufen: Möge dasjenige, was wir uns durch unsere geistige Strömung und durch unsere gei­stige Gesinnung angeeignet haben, in jedem einzelnen von uns da­hin wirken, daß er die Möglichkeit finde in dem, was jetzt kommen werde, kraftvoll, zuversichtlich an dem Orte in der Welt zu stehen, auf den ihn das Schicksal hinstellt.

Es waren Beweisstücke dafür da, daß unsere geistige Bewegung Kraft zu geben vermag, rechte Kraft auch in solchen Zeiten, in denen wir jetzt leben, und in solchen ernsten Ereignissen, in denen wir jetzt stehen. Und vielleicht gehört es auch zu dem Schmieden dieser Kraft, daß diejenigen, an denen draußen die Kugeln vorbei pfeifen, die im Sturmesgebraus des Kriegesdonners leben müssen, daß diese wissen dürfen, wie wir in treuer Liebe, und in uns hegend alle die Gedanken, die ihnen stärkend helfen wollen, ihrer ge­denken, uns mit ihnen zusammengehörig fühlen. Wie stünde es um unsere Bewegung, wenn sie nicht geeignet wäre, Seelenkräfte auf­rechtzuerhalten dort, wo diese Seelerl:räfte starken Prüfungen der Welt ausgesetzt sind! Möge uns die Kraft, die wir selber gewonnen haben, dauernd fest zusammenhalten mit den lieben Freunden, die draußen stehen, und möge diese Kraft so stark sein, daß sie in der geistigen Welt etwas ist, daß der Geist, den wir in uns aufzunehmen versuchten, im Weltenwirken selber etwas sein könne; und möge die Liebe, die wir vereint wissen mit unserem geistigen Streben, sich insbesondere dort stark erweisen, wo unsere Freunde draußen in der physischen Welt ein heiliges Opfer zu bringen haben!

Meine lieben Freunde, vieles wird uns noch vor Augen treten im Gefolge desjenigen, was jetzt begonnen hat. Wir aber haben es oft ausgesprochen, das Wort von der kraftvollen Gelassenheit. Möge es sich an unseren Seelen jetzt erfüllen. Nicht sei es das Wort von jener bequemen Gelassenheit, die den Dingen zusieht in Gleichgültigkeit,

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sondern es sei das Wort von jener tatkräftigen Gelassen­heit, die Mittel und Wege sucht, und durch treues geistiges Suchen auch findet - um am rechten Orte das Rechte zu tun. Oftmals mußte ich mich in diesem August fragen, ob es recht sei, unsere Freunde an unserem Bau in Dornach zurückzuhalten, und ob nicht mancher an einem anderen Platz in dieser Zeit Bedeutungsvolleres leisten könne. Doch es scheint, daß es gut ist, daß es zusammen­hängt mit gewissen Kräften, die der Geist in unseren Zeiten braucht, daß dieser Bau nicht stillesteht. So wird denn treulich an ihm auch in diesen schweren Zeiten fortgearbeitet. So soll er denn lebendig erhalten werden in dem Gedanken, daß er ja gerade ein Wahr­zeichen sein soll für das richtige Verständnis der großen Taten, die in unserer Zeit geschehen, ein Wahrzeichen für das Verständnis, daß bei allem, was in unserer Zeit geschieht, auch des Geistes Kraft sein müsse. Und den Glauben hegen wir, daß alle die Freunde, die bei ihrer Pflicht in Dornach ausharren, weil dieses ihr Karma zu sein scheint, auch in alledem, was sich an Wichtigem ergeben wird aus den gewaltig bewegenden Ereignissen, in denen wir stehen, ihre Stelle werden ausfüllen können, jeder an dem Platze, an den ihn das Karma hinstellt. Versuchen wir es, meine lieben Freunde, so wie es uns erscheint nach dem, was der Tag an unsere Seelen heran-bringt, was der Tag uns beobachten läßt als unsere etwaige Pflicht in dieser Zeit, versuchen wir das alles zu tun; versuchen wir jede Pflicht zu tun, die wir ansehen müssen als eine Pflicht selbstloser Menschenliebe, als eine Pflicht der Opferwilligkeit in der Zeit, wo von den Menschen so viele Opfer verlangt werden müssen. Betei­ligen wir uns an dem Opferdienst der Menschheitsentwickelung nach der Art, wie es unseren Kräften vom Karma zugeteilt erscheint, helfen wir überall, wo wir helfen können. Suchen wir die Möglich­keiten auf, wo uns gestattet ist, zu helfen, und vergessen wir nicht, daß wir die Überzeugung in uns aufgenommen haben, daß der Geist ein wirksames Werkzeug im menschlichen Helfen, in der menschlichen dienenden Liebe hat.

Als unsere Freunde in Dornach auch etwas zu verstehen verlang­ten von äußeren Hilfeleistungen, von ersten Verbänden, da wurde

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nicht nur in einer Reihe von Stunden Anleitung zu solchem Ver­binden innerhalb unseres Baues zu geben versucht für den Fall, daß einstmals einen von uns sein Karma dazu rufen sollte, solche Kennt­nis anzuwenden, sondern es lag mir am Herzen, unseren Freunden auch die Worte zu sagen, welche aus geistiger Anschauung heraus, in der helfenden liebenden Seele erfühlt, die werktätige geistige Liebe hinübertragen können aus der verbindenden Hand, aus dem helfenden Leibe - auf geistige Art - in denjenigen, dem geholfen werden soll. Wie in der menschlichen Organisation selber heilende Kräfte liegen, wie in dem Blute, das aus der Wunde fließt, zugleich dasjenige lebt, was heilend auf die Wunde wirkt, darauf wurde zu­erst aufmerksam gemacht. Und dann wurde gesagt, daß es gut ist, das Herz beim Heilen gegenüber dem hilfebedürftigen Menschen zu erfüllen mit den Worten:

Quelle Blut,

Im Quellen wirke,

Regsamer Muskel

Rege die Keime,

Liebende Pflege

Wärmenden Herzens,

Sei heilender Hauch.

Ich glaube zu wissen, daß die Seele, die sich mit solcher Gesin­nung erfüllt, der Hand, die helfen will, eine helfende Kraft zu geben in der Lage ist. Und wie sollten wir nicht nach allem, was durch die Jahre durch unsere Seelen gezogen ist, davon überzeugt sein, daß die Erfüllung mit dem Christus-Geist in dieser Zeit uns die Fähigkeit erteilen wird, in rechter Art dort einzugreifen, wo es das Schicksal fordert, wo uns das Schicksal hinstellt. Wie oft können wir Gelegenheit erhalten, in dem, was uns die nächsten Zei­ten bringen können, zu erproben, ob wir von dem Christus in der richtigen Weise durchdrungen sind, der von unseren eigenen Her­zen hinüberwirkt in die Herzen der anderen Menschen, der den leidenden, den schmerzertragenden Menschen in eine Einheit mit

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uns selber verwebt. Wie oft wurde davon gesprochen, daß es zur Entwickelung der Menschenseelen in die geistigen Welten hinein gehöre, das eigene Gefühl verbinden zu können mit dem Schmerz, der in dem andern lebt. Und gerade an den Stellen, wo die Ereig­nisse unserer Zeit Schmerz wirken werden, da wird oftmals des einen oder des andern Platz von uns sein; da werden wir erproben können, ob wir stark genug sind, um das rechte Gefühl mit dem Schmerz des andern zu verbinden, ob der Schmerz, der drüben in der anderen Seele lebt, unser Schmerz, unser gefühlter Schmerz sein kann.

Daß es so sein kann, daß die Menschheit allmählich dazu kom­men kann, daß der Schmerz, der in dem andern lebt, uns nicht sel­ber meidet, sondern in uns fortschwebt, dazu ist Christi Blut auf Golgatha geflossen. Darum suchen wir auch die Gesinnung, die hiermit angedeutet ist, gerade in diesen Zeiten in unseren Seelen zu verstärken. Das kann geschehen mit Worten wie diesen, die man ganz wie zu sich selber spricht, möglichst oft in den Gedanken, die uns verbinden mit dem Ernst dieser Zeit, indem man in der ersten Zeile sich an den Mitmenschen wendet. Die Worte lauten:

So lang du den Schmerz erfühlest,

Der mich meidet,

kt Christus unerkannt

Im Weltenwesen wirkend.

Denn schwach nur bleibet der Geist,

Wenn er allein im eignen Leibe

Des Leidesfühlens mächtig ist.

Ja, meine lieben Freunde, jetzt sind die Zeiten, in denen eine jede Seele, die gelernt hat in die geistige Welt aufzuschauen, die bittenden Gedanken an die Geister richten muß, von denen sie sich geschützt glaubt, daß diese Geister helfen mögen, uns in der rich­tigen Weise in die Zeit hineinzuführen. Und empfinden werden wir das Rechte in unserem Herzen, die rechten Kräfte in unserer Seele, wenn wir uns zu dem Geiste wenden, der uns führen soll durch

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unsere Erdeninkarnationen hindurch zu unserm eigenen Rechten. Und wie können wir wissen, daß unsere Bitten sich an den rechten Geist wenden? Wir können es empfinden, wenn wir uns an diesen Geist so wenden, wie es im Sinne des wahren Christus-Impulses ist.

Denn der Geist, der uns zum Rechten führt - dessen können wir sicher sein, meine lieben Freunde -, er ist mit dem Christus ver­bunden. Er hält Zwiesprache mit dem Christus. Er hält solche Zwie­sprache mit dem Christus in der geistigen Welt, daß aus dem, wofür jetzt gekämpft wird, wofür jetzt Blut vergossen wird, das Rechte zum Heil der Menschheit geschehe. Im Geiste des Christus wenden wir uns an den Geist, von dem wir beschützt sein wollen. Dann wird es der richtige Geist sein.

Was das Wesen eines Geistes ist, das nennt man in der Sprache der Geisteswissenschaft das Alter eines Geistes. Darum kommt dieses Wort in der Formel vor, von der jetzt Euch Mitteilung ge­schehen soll. Das Wort Alter bedeutet darin etwa dasselbe wie das Wesen des Geistes. Denn danach, wie die Geister alt sind, haben wir sie ja unterscheiden gelernt. Wir sprechen von luziferischen und ahrimanischen Geistern gerade in diesem Sinne, daß wir wissen:

sie entwickeln in einem ihnen unrecht zukommenden Alter das, was im richtigen Zeitalter das der Welt Angemessene in der Entwicke-lung ist. Daher sprechen wir von dem Alter eines Geistes, wenn wir von seiner Wesenheit sprechen. Die Formel, die jetzt mitgeteilt werden soll, heißt:

Du, meines Erdenraumes Geist,

Enthülle deines Alters Licht

Der Christ-begabten Seele,

Daß strebend sie finden kann

Im Chor der Friedenssphären

Dich, tönend von Lob und Macht

Des Christ-ergebenen Menschensinns.

Ja, versuchen wir fruchtbar zu machen dasjenige, was sich in unsere Seelen pflanzen konnte im Laufe unseres geistigen Strebens,

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versuchen wir, dieses so fruchtbar zu machen, daß wir erhoffen können, unseren Prüfungen gewachsen zu sein. Versuchen wir den Glauben, daß Liebe die Seele unseres geistigen Strebens ist, zu erweisen in einer Zeit, in welcher Liebe, Liebe, Liebe notwendig ist!

Meine lieben Freunde, das war es, was mir am Herzen lag, zu Euren Seelen gerade am heutigen Abend zu sprechen. Möge die Liebe, an die wir so oftmals appelliert haben, in uns kräftig Wurzel fassen. Mögen wir die Möglichkeit finden, in ernsten Zeiten treu zusammenzuhalten selber und zusammenzuhalten mit allen heiligen Gütern der Menschheit. Dieses, meine lieben Freunde, mit meinen Empfindungen zu verbinden und immer wieder und wieder auch meine Gedanken mit den Eurigen zu vereinigen in den nächsten Zeiten, das verspreche ich Euch. Und möge uns beschieden sein nach dem Erleben der Symbole, von denen in den Eingangsworten des heutigen Abends gesprochen worden ist, nachdem in unserem Dornacher Bau widergehallt hat der Ton des Krieges, widergeschie­nen hat der Lichtschein des Krieges, möge uns beschieden sein, daß gesprochen werden dürfe in kürzerer oder längerer Zeit in diesem Bau das Wort von der Zuversicht in den Sieg und die Sieghaftigkeit des Geistes, gesprochen werden dürfe in dem Bewußtsein, daß dieser Bau von seiner erhöhten Stelle aus herabschaut auf eine Mensch­heit, welche durch die schweren Prüfungen und durch die schwe­ren Kämpfe dieser Zeiten sich ein Rechtes, ein Gutes, ein Schönes, ein Wahres innerhalb der Menschheitsentwickelung erkämpft hat. Mögen die Tage des Kampfes so verlaufen, daß in den künftigen Tagen des Friedens mit Befriedigung auf die Opfer zurückgeschaut werden darf, welche diese Zeiten gefordert haben.

Hoffen möchte ich, daß diese Worte, die ich am heutigen Abend zu sprechen versuchte, Eure Seelen mit derjenigen Tiefe berühren, von der ich glaube, daß sie aus ihr entsprungen sind. Mögen sie Euch einiges sein in den Zeiten, in denen mancher von uns so viel zu ertragen hat. Mögen sie aber auch Euch dasjenige sein können, was alle die Herzen, die jetzt mit edler Begeisterung und mit frohem Kampfesmute erfüllt sind, so erfüllt mit dieser edlen Begeisterung und mit diesem Kampfesmute, daß die Geister, die da wissen, was

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das Rechte ist, in diese Herzen mit Befriedigung schauen werden. Erfüllen wir uns mit solchen Gesinnungen, und wir werden die Möglichkeit haben, am rechten Orte das Rechte zu tun. Das ist es, wozu uns unsere geistige Arbeit, die wir nun schon seit Jahren zu vollbringen versuchten, Kraft geben soll und Kraft geben möge.

Auf Wiedersehen, meine lieben Freunde, in dieser Gesinnung und aus diesen Empfindungen des Herzens heraus!

ZWEITER VORTRAG Berlin, 31. Oktober 1914 Nationalitäten und Nationales im Lichte der Geisteswissenschaft

#G157-1960-SE023 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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ZWEITER VORTRAG

Berlin, 31. Oktober 1914

Nationalitäten und Nationales im Lichte

der Geisteswissenschaft

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Mehr als zu anderen Zeiten muß in diesen Tagen, in diesen Wochen schwerer Ereignisse der Ernst unseres geistigen Strebens unsere Seelen durchweben, der Ernst, aus dem heraus wir empfinden kön­nen, wie mit allem wahrhaft Menschlichen dasjenige zusammen-hängt, was wir durch unsere geistige Strömung erstreben. Wir stre­ben das an, was nicht allein zu dem vorübergehenden Sein des Menschen spricht, zu demjenigen Sein, welches hingeht mit des Menschen physischem Leibe; wir sprechen von Weistümern, wir sprechen von Seelen- und geistigen Kräften, welche sich unmittel­bar an jenes höhere Selbst im Menschen richten, welches mehr ist als dasjenige, das hinwelken kann mit dem Leibe und seinem Da­sein. Wir haben oftmals das Wort Maja gebraucht von den äußeren Erscheinungen, und wir haben es oft betont, daß die äußeren Er­scheinungen, die Zusammenhänge des physischen Lebens dadurch eine Maja werden, daß der Mensch sie eben mit seiner Erkenntnis, mit seinem Erkenntnisvermögen nicht richtig durchdringt, durchschaut und dadurch nicht empfindet, nicht vernimmt, was als das Bedeutungsvolle, als das eigentlich Wesenhafte aus den äußeren Erscheinungen zu uns spricht; sondern daß mit seinem Erkenntnisvermögen dieser Mensch selber einen Schleier, ein Gewebe der Täuschung über die äußeren Ereignisse hinzieht. Dadurch werden sie zur Maja.

Ein Weistum darf vor allem in diesen Tagen vor unsere Seele treten, weil wir ja verstehende Liebe, liebendes Verständnis des­jenigen suchen, was um uns herum vorgeht, ein Weistum kann ins-besondere vor unsere Seele treten, eine Erkenntnis, die ja im Grunde genommen im Mittelpunkte steht von alledem, was wir erkenntnis mäßig erstreben. Aber sie muß eben in diesen Tagen vor unsere Seele treten mit all dem tiefen Ernst und der sittlichen Würde, die

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in ihr ist. Das ist die Erkenntnis - sie ist uns ja schon zur ein­fachsten, elementarsten Erkenntnis des geistigen Lebens geworden -von der Wiederkehr der Erdenleben, die Wahrheit, daß unsere Seele im Laufe der Zeiten von Leib zu Leib schreitet. Dem gegenüber, was da als das Ewige im Menschen von Leib zu Leib eilt in der Aufeinanderfolge der irdischen Inkarnationen des Menschen, steht das, was mit dem leiblich-physischen Dasein des Menschen zu­sammenhängt, steht das auf dem physischen Plan, was diesem äuße­ren physisch-leiblichen Dasein des Menschen die Konfiguration,. die Formation, das Gepräge gibt. Und zu alledem, was dieses äußere Gepräge gibt, was gleichsam den Charakter des Menschen bedingt, insofern er in einem physischen Leibe auf dem physischen Plan lebt, gehört insbesondere dasjenige - wir dürfen in keinem Augenblicke, besonders in dieser Zeit, das vergessen -, was man zusammenzu­fassen hat unter dem Ausdruck der Nationalität. Wenn wir den Seelenblick auf das richten, was wir als des Menschen höheres Selbst bezeichnen, da verliert der Ausdruck Nationalität seine Bedeutung. Denn zu alledem, was wir ablegen, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen, gehört der ganze Umfang desjenigen, was sich befaßt mit dem Ausdruck der Nationalität. Und wenn wir im Ernste das­jenige sein wollen, als was wir uns als geistig strebende Menschen wissen wollen, so geziemt es sich für uns, daran zu denken, daß der Mensch, indem er durch seine aufeinanderfolgenden Inkarnationen geht, nicht einer, sondern verschiedenen Nationalitäten angehört, und daß das, was ihn mit der Nationalität verbindet, eben zu dem­jenigen gehört, was abgelegt wird, in dem Augenblicke abgelegt werden muß, da wir durch die Pforte des Todes gehen.

Wahrheiten, die in das Gebiet des Ewigen gehen, brauchen nicht leicht zu begreifen zu sein. Sie können schon solche sein, gegen die sich auch zu gewissen Zeiten das Gefühl sträuben mag; die man sich besonders in schwierigen Zeiten schwierig erringen und in diesen schwierigen Zeiten schwierig auch in ihrer vollen Stärke und Klarheit bewahren kann. Aber der wahre Anthroposoph muß das, und er wird gerade dadurch zum rechten Verständnisse dessen kom­men, was ihn in der äußeren physischen Welt umgibt. Die Bausteine

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zu diesem Verständnisse sind ja bereits in unserem anthropo­sophischen Streben dargebracht worden. In dem Vortragszyklus über die Volksseelen finden Sie gewissermaßen alles das enthalten, was Verständnis geben kann über den Zusammenhang der Men­schen, insofern diese Menschenwesen im Ewigen sind, mit ihren Nationalitäten. Diese Vorträge wurden allerdings inmitten des Frie­dens gehalten, wo die Seelen geeigneter und bereiter sind, um objek­tive, ungeschminkte Wahrheiten voll aufzunehmen. Vielleicht ist es schwierig, diese Wahrheiten heute in derselben objektiven Weise zu bewahren, wie sie damals hingenommen worden sind. Aber gerade dadurch werden wir unsere Seelen in der allerbesten Weise zu der Stärke bereiten, die sie heute brauchen, wenn wir auch heute diese Wahrheiten in der objektiven Weise hinnehmen können.

Stellen wir vor unser Seelenauge das Bild des auf dem Schlacht-felde durch die Pforte des Todes gehenden Kriegers. Begreifen wir, daß dies ein ganz besonderer Fall ist, durch die Pforte des Todes zu gehen. Begreifen wir, daß der Eintritt erfolgt in eine Welt, welche wir mit allen Fasern unseres seelischen Lebens durch die Geistes­wissenschaft suchen, damit sie uns Klarheit hereinbringt auch in das physische Leben. Bedenken wir, daß durch den Tod der Eintritt in diese geistige Welt erfolgt, in die nicht unmittelbar andere Lebens-impulse mitgenommen werden können - weil sie sonst nicht frucht­bar wären - als diejenigen, die unser geistiges Streben beleben und die doch zuletzt darauf ausgehen, ein brüderliches Band zu schlin­gen um alle Menschen des Erdenrundes. In einem höheren Lichte erscheint uns dann ein Volksausspruch, der einfach ist, wenn wir ihn mit anthroposophischer Weisheit beleuchten, der Volksaus­spruch: Der Tod macht alle gleich. Er macht sie alle gleich: Fran­zosen und Engländer und Deutsche und Russen. Das ist doch wahr. Und stellen wir dagegen dasjenige, was uns heute auf dem phy­sischen Plan umgibt, so werden wir wohl den Grund empfinden, um auf diesem Felde über die Maja hinüberzukommen und in den Ereignissen ihr Wesenhaftes zu suchen. Stellen wir dem gegenüber, mit welchen Haß- und Antipathiegefühlen Europas Völker in dieser Stunde erfüllt sind. Stellen wir dem gegenüber alles das, was von

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den einzelnen Gebieten der europäischen Erde die einzelnen Völker gegeneinander empfinden und in dem, was sie reden und schreiben, zum Ausdruck bringen. Stellen wir auch einmal vor unser Seelen­auge alles dasjenige hin, was da an Antipathien sich seelisch auslebt in unserer Zeit.

Wie sollen wir in der Wahrheit diese Dinge ansehen? Wo liegt auf diesem Gebiete das, was hinüberführt über die Maja, über die große Täuschung? Wir lernen auf der Erde einander nicht kennen, wenn wir uns so ansehen, daß wir in dem allgemein Menschlichen ein Abstraktes anschauen, sondern wir lernen uns nur dadurch ken­nen, daß wir in die Lage kommen, wirklich die Eigentümlichkeiten der Menschen, die über die Erde verbreitet sind, zu verstehen, in ihrer Konkretheit zu verstehen, in dem, was sie im einzelnen sind, wie man einen Menschen im Leben nicht dadurch kennenlernt, daß man einfach sagt: er ist ein Mensch wie ich, und er muß alle Eigen­schaften haben wie ich auch, sondern daß man von sich absieht und auf seine, des anderen Eigenschaften eingeht.

Nun ist in dem Vortragszyklus über die Volksseelen gezeigt, wie das, was als Seelenglieder in uns vorhanden ist - Empfindungsseele, Verstandes- oder Gemütsseele, Bewußtseinsseele, Ich und Geist-selbst - verteilt ist auf die europäischen Nationen; wie jede Na­tionalität im Grunde genommen eine Einseitigkeit repräsentiert. Und weiter ist dort ausgesprochen, daß so, wie die einzelnen Seelen-glieder in uns selbst zusammenzuwirken haben, so haben in Wahr­heit die einzelnen Nationalitäten zusammenzuwirken zu der gesamt-europäischen Seele. Wenn wir auf die italienische, auf die spanische Halbinsel hinblicken, so finden wir, daß dort das Nationale sich aus­lebt als Empfindungsseele. In Frankreich lebt es sich aus als Ver­standes- oder Gemütsseele. Wenn wir auf die britischen Inseln gehen, so sehen wir, wie es sich als Bewußtseinsseele auslebt. In Mitteleuropa lebt sich das Nationale aus als Ich. Und wenn wir nach dem Osten hinüberblicken, so ist dies die Gegend, wo es sich auslebt - obwohl der Ausdruck nicht ganz richtig ist, wie wir nach­her sehen werden - als Geistselbst. Was sich so auslebt, steht im Nationalen darinnen. Aber das, was im Menschen das Ewige ist, das

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geht über das Nationale hinaus, das sucht der Mensch, wenn er sich geistig vertieft. Dem gegenüber ist das Nationale nur ein Kleid, eine Hülle, und der Mensch erhebt sich um so höher, je mehr er sich zu dieser Einsicht durchringen kann. Insofern aber der Mensch in der physischen Welt lebt, lebt er eben in der nationalen Hülle, in dem, was seiner äußeren Leiblichkeit die Konfiguration gibt, was im Grunde genommen auch gewissen Eigenschaften, Charaktereigen­tümlichkeiten seiner Seele die Konfiguration gibt.

Und nun sehen wir in Abneigung, in Haß die Angehörigen der verschiedenen Nationalitäten gegeneinander. Ich spreche jetzt nicht von dem, was im Waffenkampfe vor sich geht. Ich spreche von dem, was in den Gefühlen, in den Leidenschaften der Menschenseelen vor sich geht. Da haben wir eine Seele: die hat sich darauf vorzu­bereiten, nun empfangen zu werden von einer geistigen Welt, durch welche sie nun zwischen dem Tode und der nächsten Geburt durch-zugehen hat, und welche sie führen wird zu einer Inkarnation, die einer ganz anderen Nationalität angehören wird als der, welche sie verläßt. Gerade an dieser Tatsache sehen wir am besten, am klar­sten, am stärksten, wie sich der Mensch gegen das sträubt, was sein eigenes höheres Selbst in ihm ist. Blicken wir heute auf irgendeinen #SE157-028

vorliegt, daß ein großer Teil ihrer Angehörigen mit der nächsten Inkarnation überzugehen hat in jene andere Nationalität.

Das ist der Ernst unserer Lehre, das ist die sittliche Würde, die dahintersteckt. Vieles im Menschen sträubt sich gegen die Anerken­nung seines höheren Selbstes, seines Ewigen; vieles, unendlich vieles. Daher ist es in der Gegenwart ungeheuer schwierig, objektiv zu reden. Es ist immerhin eine eigentümliche Erscheinung, eine ganz eigentümliche Erscheinung, daß, bevor dieser Krieg begonnen hat, unendlich anerkennende Stimmen von England herübergekommen sind gegenüber deutschem Charakter, deutscher Tüchtigkeit, nament­lich aber gegenüber deutschem Geistesleben. Eine Probe dafür ver­suchte ich im letzten öffentlichen Vortrage zu geben. Diese Bei­spiele könnten ins Ungeheure vermehrt werden, und sie sollen auch noch vermehrt werden. Was war das?

Okkultistisch angesehen, war es das Gefühl dafür, daß tatsächlich in dem, was im letzten öffentlichen Vortrage gesagt worden ist über den faustischen Seelencharakter, der in Mitteleuropa angestrebt wird, etwas Sichverjüngendes liegt, etwas das Spirituelle Suchendes, etwas zum Spirituellen Vorbereitendes, etwas, zu dem sich ganz Europa hinwenden wird, wirklich hinwenden wird. Das wurde in den Zei­ten, welche den unsrigen vorangegangen sind, instinktiv erfühlt. Man wollte etwas verstehen von dem, was da in Mitteleuropa vor­geht. Man wird aber, da man im Nationalen steht, ganz verständ­nisvoll damit verbunden sein können erst im Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Da wird man verständnisvoll damit verbunden sein können; da wird man den Weg hinfinden zu den mitteleuro­päischen Lehrern. Es ist sogar unangenehm, dies jetzt zu sagen, weil es von dem Angehörigen Mitteleuropas wie eine Renommisterei aussieht; aber man muß schon die objektiven Wahrheiten sagen. Was aber so instinktiv empfunden wird, was gesucht werden wird im Leben zwischen Tod und neuer Geburt: die Vereinigung mit Seelen, die so nach dem allgemein Menschlichen gestrebt haben, mit der Goethe-Seele, mit der Schiller-Seele, mit der Fichte-Seele

- was da empfunden wurde von der Tatsache, daß man, wenn man durch die Pforte des Todes gegangen ist, aufsuchen wird vor allem

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die Goethe-Seele, die Fichte-Seele, die Schiller-Seele und andere Seelen, die in Mitteleuropa ihre letzte Inkarnation hatten -, gegen diese Tatsache, die sich so instinktiv ausgesprochen hat, sträubt sich noch ein letztes Mal unendliches nationales Leidenschaftliches. Wenn wir dieses Sträuben in die Worte gekleidet empfinden, die jetzt von Westen und Nordwesten so häufig zu uns herübertönen, so haben wir an die Stelle der Maja, der Täuschung, die verstandene Wirklichkeit gesetzt. Dann verstehen wir, wie der Erdenmensch, der in sich den ewigen Menschen hat, nicht will, was der ewige Mensch in ihm will; wie sich ihm die Liebe, die er im Ewigen empfinden muß, in Haß umwandelt im Zeitlichen.

Wir werden am besten zur verstehenden Liebe, zum liebevollen Verständnis kommen, wenn wir uns in dem Sinne, wie es unsere geistige Wissenschaft uns geben kann, über die Charaktere der europäischen Menschheit unterrichten. Wir dürfen das, denn wir sprechen ja stets zum höheren Selbst des Menschen. Und wer mit uns denken und fühlen will, der anerkennt dieses höhere Selbst und kann daher alles hören, was über die äußere Hülle gesprochen wer­den muß; denn er weiß, daß die Rede von der äußeren Hülle ist.

Es ist ja im gewissen Sinne jedem Volke eine bestimmte Mission auferlegt. Wir werden einmal, wenn wir den Bau in Dornach be­treten, in der Aufeinanderfolge der Säulen, ihrer Kapitäle und der Architrave darüber, in den Formen ausgedrückt finden, was in den europäischen Impulsen zum Ausdruck kommt. Doch darüber will ich jetzt nicht sprechen, weil es gut ist, darüber zu sprechen, wenn man den Bau vor sich hat. Das habe ich vor einigen Tagen dort getan. Wenn wir aber das, was ohne dieses auf unsere Seele Ein­druck machen kann, uns vor Augen halten, dann erkennen wir vor allen Dingen in den Bewohnern der südlichen Halbinseln - Italien und Spanien - Völker, die gewissermaßen in ihrer modernen Mis­sion alles wiederkehren lassen, was in alten Zeiten während der dritten nachatlantischen Kulturperiode sich abgespielt hat, in der ägyptisch-chaldäischen Kultur. Sobald wir dies verstehen, blicken wir erst richtig in die Seele des italischen oder spanischen Nationa­len. Das läßt sich bis in die Einzelheiten hinein verfolgen. So daß

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man sagen kann: was sich uns geistig darstellt, wir finden es in der Wirklichkeit. Und was ist denn das Charakteristische - wir haben es so oft besprochen - der ägyptisch-chaldäischen Kultur gewesen? Das war es, daß große, kosmische Astrologie empfunden wurde! Daß man Sterne und Sternbilder nicht in der Weise ansah, wie wir heute dieselben ansehen, sondern daß man geistige Wesen sah, welche in diesen Sternbildern ihre äußeren Verkörperungen hatten; daß man überall Geistiges ausgebreitet sah. Wenn sich das wieder­holen soll als nationale Aufgabe in der Zeit nach dem Mysterium von Gelgatha, so muß es sich so wiederholen, daß es seelisch ver­innerlicht ist, daß ihm das große kosmische Tableau der Ägypter und Chaldäer wie aus der Seele neugeboren entgegentritt. Wo wäre das klarer der Fall als dort, wo die Kultur der italischen Halbinsel ihren Höhepunkt erreicht hat, in Dantes «Göttlicher Komödie>? Aber bis in die Einzelheiten ist es so, daß, wie aus der Seele heraus-geboren, innerlich wiedererstanden das zutage tritt, was in der alten ägyptisch-chaldäischen Kultur vorhanden war.

Was in der griechischen Kultur das Wesentliche war, tritt im französischen Volke zutage, sogar bis in die Charaktere der füh­renden Persönlichkeiten. Voltaire zum Beispiel wird man nur ver­stehen, wenn man ihn mit einem wirklichen Griechen vergleicht. Und wenn man sich die Formen der Kunstwerke Corneilles, Racines ansieht, so wird man sehen, wie gerungen wird mit der griechischen Form. Das hat ja eine große kulturhistorische Bedeutung. Das Rin­gen mit der äußeren Form, mit dem, was Aristoteles über die Form erkundet hat, das lebt in Racine und Corneille fort. Und wenn wir das, was in der vierten nachatlantischen Kulturperiode tonangebend war als Kultur der Verstandes- oder Gemütsseele, wiedersuchen in der französischen Kultur, dann müssen wir dort das finden, was sich in ihr als Größtes ausspricht, was sich, indem sich die Verstandes-oder Gemütsseele hermacht über die Welt, damit gerade befassen kann. Der größte Dichter also, der nicht seinesgleichen finden kann in solcher Form, muß ein solcher sein, daß er aus der Verstandes-oder Gemütsseele heraus gestaltet. Da erreicht ein Volk seine Größe wo es seine Unvergleichlichen an die Oberfläche bringt. Wer ist in

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der französischen Dichtung der, der nicht übertroffen werden kann? Das ist Moliére! Da erreicht die französische Seele ihre eigentliche, charakterisierte Höhe; da kann sie nicht übertroffen werden. Ein Abglanz davon wirkt noch in Voltaire.

Was nun nicht eine Wiederholung von Altem ist, sondern herein-gehört in den fünften nachatlantischen Zeitraum, was gleichsam eine Neuschöpfung dieses Zeitraumes ist, das ist die britische Seele. Dieser fünfte nachatlantische Zeitraum strebt ja vorzugsweise nach der Entfaltung der Bewußtseinsseele; stellt diese heraus. Die Be­wußtseinsseele ist besonders ausgeprägt in der britischen Volks-eigentümlichkeit. Das Eigentümliche der britischen Seele ist dieses Stehen gegenüber den Ereignissen. Schon vor vierzehn, fünfzehn Jahren, als ich die erste Auflage der «Rätsel der Philosophie» schrieb, habe ich danach gerungen, einen Ausdruck zu finden für die britischen Philosophen; und damals ergab sich mir: Sie sind Zuschauer des Lebens; sie stellen sich hin, wie sich die Bewußtseins-seele als Zuschauer dem Leben gegenüber hinstellt. Und wer ist der größte Schöpfer der britischen Seele, der sich hinstellt und die bri­tischen Charaktereigentümlichkeiten bis in die tiefste Seele hinein zum Ausdruck bringt? Das ist Shakespeare! Da ist die britische Seele unvergleichlich im Zuschauerzustande.

Gehen wir jetzt hinüber nach Mitteleuropa, so finden wir, #SE157-032

Beachten wir, wie noch Friedrich der Große, der deutscheste Fürst, eigentlich nur französisch spricht und schreibt, wie er auch beson­ders die französische Kultur schätzt, was sich zum Beispiel in seinem Verhältnis zu Voltaire zeigt. Ebenso sehen wir, wie der deutsche Philosoph Leibniz seine Werke in der französischen Sprache schreibt. Das ist gerade so, wie es das Ich mit der Verstandes- oder Gemüts-seele macht. Und wenn das Ich aus den Tiefen der Seele heraus nach dem sucht, wonach es strebt, da drängt sich etwas aus den Tiefen des Ich, aus unergründlichen Tiefen des Ich herauf: die Bewußtseinsseele sucht es zu erfassen. Wir sehen es an Goethe. Ich habe oft auseinandergesetzt, daß er zu ergreifen sucht, wie die Orga­nismen auseinander hervorgehen; eine große umfassende Lehre der Organismen stellt er auL Das geht aus der Tiefe des Ich hervor. Doch das kann man nicht gleich verstehen; die Menschheit braucht einen leichteren Verstand; sie braucht die Dinge so, wie sie sich aus der Bewußtseinsseele ergeben. Sie nimmt nicht das, was Goethe gegeben hat, sondern sie nimmt dasselbe in der Überset­zung in die Bewußtseinsseele an, sie nimmt Darwin an. Heute sind wir noch nicht so weit, daß man Goethes «Farbenlehre> anerken­nen kann, aber die Übersetzung derselben in die Bewußtseins-seele, die man bei Newton findet, gilt heute allgemein als physi­kalische Lehre.

Diese Dinge weisen uns hinein in die Art und Weise, wie sich die einzelnen, jetzt aber nationalen Charaktere gegenüberstehen, und wir erheben uns von der äußeren Maja, in welcher die Men­schen befangen sind, zur Wahrheit, wenn wir die Dinge geistes-wissenschaftlich betrachten lernen, zu jener Wahrheit, die uns zei­gen kann, daß so, wie die einzelnen Seelenkräfte im Menschen Krieg führen, auch die einzelnen in den Volksseelen inkorporierten Seelenkräfte miteinander den Krieg führen. Und es ist kein Zufall, daß in unserer Zeit - wo das, was eben gesagt worden ist, als Lehre hervorgetreten ist - der große Lehrmeister, der Krieg auftritt, der auf so blutige, auf so furchtbare Weise zu den Menschen spricht, was wir auch geistig zu den Menschen sprechen. Es ist kein Zufall, daß, während wir dieses hier so besprechen dürfen, draußen vielleicht

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eines der blutigsten Ringen waltet, und daß es im Grunde genommen denselben Wahrheiten entspricht, die man nur durch­dringen muß in der Maja, um sie in der Wirklichkeit zu verstehen.

Wir müssen einmal, um über diese Dinge zu sprechen, von den Worten hinwegfegen alle Empfindungsnuancen von Antipathie und Sympathie und sie nur als Charakteristika gebrauchen, dann werden wir die Sachen in der richtigen Weise verstehen. Denn es handelt sich um Dinge, die das Selbst des Menschen in sich trägt, insofern es eingehüllt ist in das Nationale. Das können wir nun bis in die Einzelheiten verfolgen. Ich will zunächst, um vorzubereiten zu dem, was wir verstehen sollen, eines sagen.

Nehmen wir den Angehörigen Mitteleuropas, der in der Ich-Kultur lebt. In dem öffentlichen Vortrage habe ich gesagt: der Bewohner Mitteleuropas strebt so nach seinem Gott, daß er mit dem Gotte verbunden ist; er will mit seinem Gott zusammensein. Wenn wir auf das Denken schauen, können wir den allgemeinen Satz aussprechen: der Mensch denkt. Aber mit dem allgemeinen Satze «der Mensch denkt> ist eigentlich ungemein wenig gesagt, ist recht wenig gesagt. Man muß gerade durch die Geisteswissen­schaft lernen genauer zu schauen. Man muß allmählich lernen, an die Stelle desjenigen, was so gedankenlos hingesprochen wird, das Richtige zu setzen. Für die, welche sich nicht besonders um die realen Verhältnisse kümmern, ist es ja richtig, was so hingesprochen wird. Aber richtig ist es, wenn man sagt: der Bewohner Mittel­europas oder Skandinaviens denkt - «denkt> als Tätigkeit betrach­tet, weil es auf die Entfaltung des Denkens ankommt. Daß das Seelenwesen denkt, darauf kommt es in Mitteleuropa bis in die nordischen Länder hinauf an. Das Verbundensein des Menschen mit dem Gedanken ist so, daß dieser Gedanke das ureigenste Tätigkeits­produkt der Seele ist, daß die Tätigkeit der Seele nichts anderes ist als das Sichverfangen der Seele im Gedanken.

Vom Franzosen in derselben Weise zu sprechen, ist nicht richtig. Da müssen wir sagen: er hat Gedanken. Denn «denken> und «Gedanken haben> ist im feineren Unterschiede nicht dasselbe. Zum Verständnis der Sache kann das helfen, was in den «Rätseln

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der Philosophie» ausgesprochen ist. Im Westen Europas hat man Gedanken; die Gedanken sind etwas, was kommt, was einem ge­geben wird, wie einem auch die Sinnesempfindungen gegeben wer­den. So ist es auch mit den Gedanken: sie treten herein in die Seele, sie leben sich in ihr aus, man hat sie, man berauscht sich auch an ihnen, man ist beglückt, sie zu haben. Dem Deutschen wirft man sogar vor, daß seine Gedanken etwas Kaltes haben. Das kann viel­leicht schon sein, weil er sie erst bilden muß in seiner individuellen Seele; sie müssen erst dort warm gemacht werden, und sie bleiben nur solange warm, als sie in der unmittelbaren Tätigkeit sind.

Das nur zur Vorbereitung. Denn in der Tat: in den einzelnen nationalen Äußerungen nehmen wir überall das Ausleben dessen wahr, was in den Prinzipien der Geisteswissenschaft gegeben ist, welche Sie in den Vorträgen über die Volksseelen finden. Nehmen wir einzelne Äußerungen der nationalen Charaktere.

Der italienische, der spanische Charakter ist bestimmt durch die Empfindungsseele. Bis in die Einzelheiten können wir das im Leben verfolgen. Wir finden überall - das bezieht sich natürlich nicht auf das Leben im höheren Selbst - die Empfindungsseele. Sobald sich der Mensch dieser Länder im Nationalen auslebt, lebt er sich aus in der Empfindungsseele. Diese ist insbesondere anhänglich an alles, was Heimat ist, und empfindet als einen Gegensatz dazu die Fremde. Suchen Sie nun zu verstehen, was zum Beispiel alles im italienischen Nationalen lebt, so werden Sie finden, daß der Italiener den anderen, der Nicht-Italiener ist, als den Fremden empfindet, der in der Fremde lebt. Und alle Kämpfe, welche im neunzehnten Jahrhun­dert in Italien geführt worden sind, wurden im ausgesprochensten Maße um die Heimat geführt. Das ist die Wiederholung der ägyp­tisch-chaldäischen Kultur.

Sehen wir jetzt auf den Bewohner Westeuropas, des französischen Gebietes. Wie gesagt, wir müssen dabei alles abstreifen, was Sym­pathien und Antipathien sind! Er wiederholt die griechische Kultur. Er wird daher den Auswärtigen auch so empfinden, wie ihn der Grieche empfunden hat: er nennt ihn Barbar. - Eine Wiederholung des Griechentums! - Man kann es verstehen, trotzdem es gegossen

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ist in die wutendsten Antipathiegefühle. Und es ist immer etwas von der Nuance dabei, wie man im alten Griechenland von der nichtgriechischen Menschheit gesprochen hat.

Dem englischen Volke ist besonders übertragen die Pflege der Bewußtseinsseele, die sich auslebt im Materialismus. Da muß man besonders alles abstreifen, was Antipathien sind. Die Pflege des Materialismus bringt hervor, was die Menschen einfach im Raume nebeneinander hinstellt. Darin zeigt sich etwas, was in den Zeiten vorher gar nicht in dieser Weise empfunden wurde: man empfindet den Konkurrenten. Die Bewußtseinsseele empfindet den anderen als Konkurrenten im physischen Dasein.

Wie ist es bei den Bewohnern Mitteleuropas, bis zu den Skandi­naviern? Es würde zu anderen Zeiten ungemein verlockend sein, dies in seinen Einzelheiten durchzuführen. Was empfindet der Deutsche, wo er dem anderen gegenübersteht, da, wo der Italiener den Fremden, der Franzose den Barbaren, der Engländer den Kon­kurrenten empfindet? Man muß überall die prägnanten Worte da­für finden: der Deutsche hat den Feind, dem man gegenübersteht, zum Beispiel auch im Duell, wobei gar nichts damit verbunden zu sein braucht von irgendeiner Antipathie sogar, sondern wo man kämpft um die Existenz oder um etwas, was mit der Existenz zu­sammenhängt. Der Feind braucht nicht in der geringsten Weise herabgemindert zu sein. Es läßt sich dies wieder bis in die Einzel­heiten verfolgen. Gerade dieser Krieg zeigt, daß der Deutsche dem Feind gegenübersteht wie im Duell.

Blicken wir nun nach Osten. Wir haben davon gesprochen, daß auf den südlichen zwei Halbinseln die Empfindungsseele sich aus-lebt, bei den Franzosen die Verstandes- oder Gemütsseele, auf den britischen Inseln die Bewußtseinsseele; in Mitteleuropa bis hinauf nach Skandinavien lebt das Nationale sich aus im Ich, wobei es sich in den einzelnen Gebieten differenziert, aber im ganzen von dem, was man Ich-Seele nennt, empfunden wird. Als Geistselbst, sagte ich, lebt es sich aus im Osten. Was ist der Charakter des Geistselbst? Es kommt heran an den Menschen, senkt sich auf ihn herunter. Im Ich strebt man; in den drei Seelengliedern strebt man auch;

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das Geistselbst senkt sich herunter. Es wird schon einmal über den Osten als wirkliches Geistselbst sich heruntersenken. Die Dinge sind wahr, die wir oft betont haben. Aber dazu gehört Vorbereitung, Vorbereitung von der Art, daß die Seele empfängt, daß sie sich einarbeitet in dem Empfangen. Was hat denn das russische Volk bis jetzt im Grunde genommen anderes getan als empfangen? Wir haben innerhalb unserer Bewegung den größten russischen Philo­sophen, Solovjeff, übersetzen lassen. Wenn wir uns in ihn hinein-vertiefen - es ist alles westeuropäisches Geistesleben, westeuro­päische Kultur. Es ist etwas anderes dadurch, daß es aus der rus­sischen Volksseele herausgeboren ist. Aber was schwebt da, im Gegensatz zur westeuropäischen Kultur, im russischen Volke heran? Italien, Spanien ist die Wiederholung der dritten nachatlantischen Kulturepoche, das französische Volk die Wiederholung der Kultur des alten Griechenland. Der Brite zeigt das, was neu hinzugekom­men ist, aber was man ganz gewiß auf dem physischen Plan erwirbt In Mitteleuropa ist es das Ich, das aus sich herausarbeiten muß. In Rußland haben wir das Empfangende. Empfangen worden ist zu­nächst das byzantinische Christentum, das sich wie eine Wolke niedergelassen hat und sich dann ausbreitete; und empfangen wor­den ist schon unter Peter dem Ersten die westeuropäische Kultur. Erst das Material, möchte man sagen, ist da zum Empfangen. Das, was da ist, ist Spiegelung des Westeuropäischen, und die Arbeit der Seele ist Vorbereitung zum Empfangen. Erst dann wird das Russen-rum in seinem rechten Elemente sein, wenn es so weit ist, daß es erkennt: es muß das, was in Westeuropa ist, empfangen werden, wie etwa die Germanen das Christentum empfangen haben, oder wie die Germanen in Goethe das Griechentum in sich aufgenom­men haben. Das wird noch eine Weile dauern. Und weil sich gegen das, was der Mensch im Osten aufnehmen muß, sein Physisches sträubt, so sträubt sich noch der Osten gegen das, was zu ihm kom­men muß. Das Geistselbst muß herunterkommen. Nun ist das, was da von dem Westen herüberkommt, zwar nicht das Geistselbst. Aber die Seele verhält sich so dazu, bereitet sich gleichsam schon vor, um zu empfangen. Als was sieht daher der Russe den anderen

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an? Als den, der «gegenübersteht>, als den auf sein Bewußtsein Herabschwebenden. Daher ist der andere, der beim Italiener der Fremde, beim Franzosen der Barbar, beim Briten der Konkurrent, beim Deutschen der Feind ist, er ist dort der Ketzer. Daher hatte bis jetzt der Russe im Grunde genommen nur Religionskriege! Alle Kriege sind bisher nur Religionskriege gewesen. Alle Völker sollten befreit werden oder zum Christentum gebracht werden, die Balkan-völker und so weiter. Und jetzt auch empfindet der russische Bauer den anderen als das Der Mensch ist gewissermaßen, wie er im physischen Leben da-steht, ungerecht gegen sein eigenes höheres Selbst. Wer in der Ver­standes- oder Gemütsseele lebt, bei dem sich insbesondere die Phan­tasie ausbildet, der «hat» die Gedanken, dem stellt sich das, als was er sich selber vorkommen muß, insofern er ein Nationaler ist, hin vor sein höheres Selbst. Das empfindet er als seine Glorie, als das, was gleichsam ein drittes Selbst ist, ein nationales Selbst, das sich zwi­schen ihn, wie er als höheres Selbst ist und als nationaler Mensch, hineinstellt. Aus dem heraus kämpft er. Und nach dem Tode hat er zunächst dies zu überwinden, wenn er es nicht schon vorher durch die Geisteswissenschaft überwunden hat. Er muß durch das hindurch, was sich ihm zunächst vor die Seele stellt wie die Inspi­ration desjenigen, als was er sich selber vorstellt.

Und der, welcher als Nationaler in der Bewußtseinsseele lebt? Er hat vor allem den Hang zu dem, was sich die Bewußtseinsseele in der physischen Welt aneignet. Das steht da wie eine wehtuende Erinnerung in der Welt, die sich ausbreitet im Leben zwischen Tod und neuer Geburt.

Der Bewohner Mitteleuropas sucht. Das tritt sogar zutage, wo er von den Gegnern abfällig besprochen wird, wenn gesagt wird, er sei nur dazu da, den Acker zu pflügen und in den Wolken zu

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suchen. Mag er immer wie weit gekommen sein: er sucht schon hier das geistige Selbst. Daher sucht er in gewissem Sinne schon in seinem Streben während der Erdenlaufbaim das hinwegzuschaf­fen, was immer hinweggeschafft werden muß, wenn man durch die Pforte des Todes eintritt in die geistige Welt.

Wer seine letzte Inkarnation in einem Russenleibe durchgemacht hat, hat zunächst, wenn er die Pforte des Todes durchschreitet, das Bewußtsein eines Angelos anzunehmen, wie in den Schoß eines Angelos einzugehen - wenn er sich nicht durch Geisteswissenschaft anders vorbereitet hat -, hat in das sich einzuleben, was von den nächsten Stufen der höheren Hierarchien herunterkommt.

Aus allen diesen Gründen können wir sagen: Schauen wir nach Westen, so finden wir es naturlich, daß aus dem Wesen der Men­schen, sofern sie Nationale sind, Kampf entsteht, denn der Natio­nale ist dort verbunden mit dem, was eben die äußere Hülle ist. Es ist ganz natürlich, daß Kampf entsteht. In der geistigen Welt kann das, was in dieser berechtigt ist, sich ungehindert ausbreiten. Das, als was man sich selber in seiner Phantasie erscheint, muß sich durch äußere Mittel geltend machen. Das bedarf, um hervorzutre­ten, daß es sich ausbreiten kann. Was die Konkurrenz sucht, muß sich selbstverständlich ausbreiten wollen. Wir finden es nicht unver­ständlich, daß von den Vertretern der Bewußtseinsseele Kampf her-überkommt. Wenn wir wirklich in Mitteleuropa das Ich suchen, so wollen wir sehen, ob die Eigenschaften des Ich schon anwendbar sind. Ich habe zum Beispiel schon hervorgehoben, daß das Ich jeden Morgen von neuem angefacht werden muß. Wenn wir in die Schla­fenssphäre mit dem Ich hineingehen, so ist es in derselben unan­gefacht; jeden Morgen beim Aufwachen muß es aufs neue angefacht werden. Wenn ich von Österreich sprechen darf: schon in meiner Jugend wurde davon gesprochen, daß Österreich einmal bei dieser oder jener Gelegenheit zerfallen werde. Wir haben etwas anderes gewußt: es mag in sich noch so viel Zentrifugalkraft haben, es wird von außen zusammengehalten, es konnte nicht auseinanderfallen. Sehen wir auf Deutschland. Hat es einen Ich-Charakter in seinem Äußeren, in seiner Form? Es ist doch eine weithin sprechende Tatsache,

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daß durch einen großen Teil des Jahrhunderts die Deutschen getrieben haben zur Einigung. Im Innern haben sie dieselbe nicht geschaffen. Durch einen äußeren Anstoß, ja sogar nicht einmal in Deutschland, sondern im Äußeren, mitten in Frankreich, ist das heutige Deutschland zustande gekommen, wie es dem Ich-Charakter entspricht. Man versteht die Welt nur, wenn man sie geisteswissen­schaftlich versteht. Das Ich hat im Grunde genommen nicht die Tendenz, um sich zu schlagen; denn die überschüssigen Kräfte des physischen Planes gehen dann über in das Geistige. Dieses könnte ja an der deutschen Geschichte, an der Geschichte Österreichs, an der Geschichte der skandinavischen Völker immer und immer wie-der nachgewiesen werden. Daher das Bewußtsein ein richtiges ist: der Deutsche oder der Bewohner Mitteleuropas muß zum Kriege erst sozusagen herausgeholt werden; er kann ihn im Grunde genommen nicht aus sich selbst heraus beginnen. Wenn er einen Krieg aus Initiative führt, dann macht er es so, wie die Initiative es im Ich macht, und diese Kriege sind ja auch genügend im Innern geführt worden. So muß man das empfinden, was das Verhältnis Mittel­europas zum Kriege ist.

Aber was bildet sich für den, der Volkscharaktere empfinden kann, denn dann im Osten? Das ist überhaupt das Allerunnatür­lichste, wenn der Russe Krieg führt. Und würde er sich selbst er­kennen, so würde er es auch als das Allerunnatürlichste empfinden, Krieg zu führen. Wir im Westen, wenn wir auch alles Russische noch so gut verstehen, wir können keine Tolstoianer werden. Aber dem Russen ist es unnatürlich, Krieg zu führen. Ihm muß erst der Krieg aufgedrängt werden, denn er ist etwas für den tiefsten Volks­charakter Unnatürliches. Der Russe steht dem Krieg so gegenüber wie einem Religionskrieg, wie etwas, was von außen kommt Man kann ihm den Krieg nicht plausibel machen; denn vielmehr m&hte er erbeten, was an ihn herankommen soll. Daher ist es ganz selbst­verständlich, daß man gar nicht im innersten russischen Volks­charakter die Motive zum Kriege sucht, sondern in dem, was ihm von außen als solche aufgedrängt wird. Und mehr als irgendwo anders muß in diesem Falle gesagt werden: dort ist es nicht das

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Volk, das den Krieg macht - das Volk ist es nur äußerlich und nur seinem Glauben nach -, aber es ist das, wogegen sich das Volk am meisten wenden muß. In Rußland ist ein Krieg immer im ärgsten Sinne eine Maja, eine Täuschung. Aus diesem Grunde ist es, daß man so klar und präzise sagen kann, was ich im öffentlichen Vortrage als Frage aufwarf: Wer hätte den Krieg verhindern können? wenn man überhaupt davon sprechen will, daß er hätte verhindert werden können. Den Franzosen war der Krieg seit dem Jahre 1871 natürlich, und davon zu sprechen, daß sie ihn hätten verhindern können, wäre nicht natürlich. Wem ein Konkurrenzkampf auf-gedrungen ist, der hat selbstverständlich kein Recht, darüber ent­rüstet zu sein, wenn irgendwo eine Neutralitätsverletzung statt­gefunden hat, und man muß in diesem Falle die Entrüstung umdeuten in das nationale Element hinein; aber daß er den Krieg führt, ist selbstverständlich. Das kann ihm nicht verübelt werden. Da ist der Krieg ebensowenig von der Hand zu weisen, wie man, wenn man die Natur der Lebewesen interpretiert, aus dem Element der Bewußtseinsseele heraus ein anderes Wort finden muß als vom Ich-Standpunkte aus, und deshalb vom Kampf ums Dasein spricht. Goethe hat dieses Wort nicht geprägt, weil es vom Ich-Standpunkte aus nicht anwendbar ist. Aber wo es sich darum handelt, daß der Krieg eine Unwahrheit ist, daß er sogar erst uminterpretiert wer­den muß in einen Religionskrieg, da ist zu sagen, daß er, weil er äußerlich aufgetreten ist, auch äußerlich hätte verhindert werden können. Wenn man in alle Tiefen blickt, in die man blicken kann -es ist nun der Krieg selbstverständlich eine Notwendigkeit gewesen, aber das ist eine andere Sache -, so muß gesagt werden: Wahr ist es, Rußland hätte Zuschauer bleiben können, und der Krieg hätte verhindert werden können. Wäre es Zuschauer geblieben, so hätte der Krieg verhindert werden können. Denn hier ist der Krieg auf­gepfropft auf einen Volkscharakter, wo er im Grunde genommen ganz unnatürlich ist.

Wenn man über solche Dinge spricht, dann hat man sie aus der geistigen Welt heraus, dann gehen sie daraus hervor; aber sie kön­nen immer bewahrheitet, bestätigt gefunden werden in der äußeren

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Welt, und was man aus dem Geistigen heraus findet, bestätigt sich in der äußeren Welt.

Wir würden sagen: eine natürliche Geste wäre es für den rus­sischen Nationaicharakter, betend zu warten auf das, was zu ihm kommen soll. Es ist sehr eigentümlich: die russischen Intellektuel­len - ich habe darauf auch schon hingewiesen - erwarten auch, und sie empfinden auch, daß etwas Zukünftiges an sie herankom­men muß. Nun ist zwar das noch sehr weit in der Zukunft, was an sie herankommen muß, und wir haben gesehen, wie abgelehnt wurde, was jetzt aufgenommen werden soll. Es ist vielleicht mehr als ein äußeres Symbolum, daß, während jetzt die Kämpfe im Schwarzen Meer vor sich gehen, der Russe noch immer dort hin­untersieht, um gleichsam auf eine Verkörperung dessen zu schauen, was er geistig erwarten soll, indem er hinweist auf die Hagia Sophia. Mereschkowski erzählt uns von zwei Reisen, die er zur Hagia Sophia gemacht hat. Er hat in der Hagia Sophia gleichsam ein äußeres Symbolum für das empfunden, was er in seinen Gefühlen nicht kennt, aber was er erwartet, und er hat es das an die Russen herankommende Christentum genannt. Er würde es aber richtig erkennen, wenn er wüßte, daß das durch die faustische Natur durch-gegangene Christentum den Russen ergeifen muß. Das weiß er aber noch nicht. Er glaubt, es in der Hagia Sophia vor sich zu haben. Wie steht er dem Christentum gegenüber? Wenn wir auf das bllk­ken, worüber Solovjeff spricht, so ist das etwas, worüber ich sagen kann, daß er ein gewisses Verständnis dafür hat. Denn als ihm wieder einmal von Petersburg und dem Heiligen Synod Schwierig­keiten gemacht worden sind, da meinte er: Ja, so geht es einem schon einmal, wenn man schwierig durchdringt mit dem, was man sagen will. Die einen klagen mich an als einen liberalen westeuro­päischen Atheisten, die andern als einen Orthodoxen, und wieder andere schauen mich gar an als einen Jesuiten. - Und er schließt damit, daß er sagt: Ja, was kann man noch alles werden, wenn man beurteilt wird von den Petersburger Halunken! - Das sind nicht meine Worte, sondern die Worte eines guten Russen, eines Russen, an dem man sehen kann, wie es nicht leicht ist, die Gefühle der

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Sympathie oder Antipathie so ohne weiteres abzustreifen. Aber nehmen wir an, der russische Intellektuelle überläßt sich sich selbst. Wir haben gesagt: es ist die Welt erwartungsvoller Stimmung, die natürlich ist für das, was kommen soll, und das nicht mit Schwer­tern und Kanonen zu erkämpfen ist. Deshalb ist der Panslawismus so verlogen. Wenn er sich sich selbst überläßt, dann überläßt sich Mereschkowski dem, was er empfand, als er der Hagia Sophia gegenüberstand. Er hat es nur verwechselt mit dem westeuro­päischen Christentum, das durch das faustische Streben durch­gegangen ist. Aber wie spricht er davon?

Ich habe versucht, das was man bei den einzelnen Völkern gegen­über dem Kriege empfinden kann, auf die prägnante Formel zu bringen, und habe gesagt: der Russe glaubt Krieg zu führen um die Religion, der Engländer um die Konkurrenz, der Franzose um die Gloire, der Italiener und Spanier um die Heimat, der Deutsche führt den Kampf um die Existenz. Und wir werden nun sagen können: Italien will die Heimat bewahren; Frankreich empfängt dasjenige als seine eigene Vorstellung für das nationale Ideal, was es von sich vorstellt; der Engländer handelt; der Deutsche strebt; der Russe betet - und das ist natürlich. Ich meine nicht das äußere Gebet, sondern die Herzensstimmung. Was sagt denn Meresch­kowski am Schlusse des Buches, das ich vorgestern angeführt habe? «Die Hagia Sophia - hell, traurig und durchflutet von bernstein-klarem Lichte des letzten Geheimnisses - hob meine gefallene, erschreckte Seele. Ich blickte auf zum Gewölbe, das dem Himmels-dome gleicht, und dachte: da steht sie, von Menschenhand erschaf­fen, sie - die Annäherung der Menschen an den dreieinigen Gott auf Erden. Diese Annäherung hat bestanden, und mehr noch wird dereinst kommen. Wie sollten, die an den Sohn glauben, nicht zum Vater kommen, der die Welt bedeutet? Wie sollten die nicht zum Sohne kommen, die die Welt lieben, welche auch der Vater also liebte, daß er seinen Sohn für sie hingab? Denn sie geben ihre Seele hin für ihn und für ihre Freunde; sie haben den Sohn, weil sie die Liebe haben, nur den Namen kennen sie nicht.» Den ganzen Zu­sammenhang haben sie nicht! Und dann schließt er: «Und es trieb

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mich, für sie alle zu beten, in diesem zur Stunde heidnischen, aber einzigen Tempel der Zukunft zu beten um die Verleihung jener wahren, sieghaften Kraft an mein Volk: um den bewußten Glauben an den dreieinigen Gott.» Nun, da haben Sie das Gebet! Da haben Sie die ganze Unnatur eines Kampfes, der von Ost nach West geht!

Wenn wir so versuchen, zum inneren Verständnisse desjenigen zu kommen, was uns jetzt entgegentritt, wenn wir versuchen aus der Maja herauszukommen und in die Wahrheit hineinzukommen, dann dürfen wir uns auch sagen, daß wir nicht eine abstrakte Anthroposophie treiben, die sich fürchtet vor dem Erkennen. Denn es hieße Furcht haben vor dem Erkennen, wenn man wegen unseres ersten Grundsatzes davor zurückbeben würde, die Volkscharaktere in ihren wahren Grundlagen zu erkennen. Gerade dann befolgen wir ihn, wenn wir uns dem Menschen nähern, wie er ist, und wirk­lich in seine Seele blicken wollen. Und dann sprechen wir am mei­sten zu dem Unvergänglichen des Menschen, und dann finden wir auch das, was über das Nationale hinausgeht, was zu dem Ewigen hingeht, und finden die Gefühle und Empfindungen, die sich an das Ewige im Menschen richten können. Und dann finden wir die Möglichkeit, dasjenige herbeizuführen, was doch herbeigeführt wer­den muß. Denn denken Sie, Menschenheil und Menschenfortschritt leiden nicht, wenn die Stimmungen, die jetzt die europäischen Völ­ker durchdringen, bleiben sollten? Stimmungen, die ja außerdem nur aus der Maja herausgeboren sind! Von dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit, die darin besteht, daß sich die Menschen wieder verstehen lernen, daß eine Fortsetzung desjenigen da ist, was im gewissen Sinne von Mitteleuropa aus schon angebahnt war, ist es erforderlich, daß diese Atmosphäre, in der wir leben - diese geistige Atmosphäre, die heute so furchtbar tumultuarisiert ist -, auch noch andere Einschläge habe als die tumultuarischen. Wie könnten wir es nicht empfinden, wenn wir im geistigen Leben darinnenstehen, wie tumultuarisch heute die geistige Atmosphäre ist! Je tiefer man darinnensteht, desto mehr muß man das empfinden. Wahrhaftig Erschütterndes könnte sich erschließen aus dem geistigen Leben heraus. Der Okkultist konnte vieles erfahren. Aber so vieles, so

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Erschütterndes, so Eindringliches war nicht zu erfahren wie in den letzten drei Monaten.

Wie oft habe ich die okkultistische Wahrheit betont, daß Dinge, die in der physischen Welt so sind, in der geistigen den entgegen­gesetzten Charakter zeigen. Einige unserer Freunde werden sich auch erinnern, wie oft ich davon gesprochen habe, daß der Krieg in der geistigen Luft hänge und eigentlich nur durch etwas zurück­gehalten werde, was auch im physischen Leben einen geistigen Impuls bedeutet: die Furcht. Die Furchtkräfte haben ihn zurück­gehalten, solange er astralisch war. Furcht hat ihn zurückgehalten, daß er nicht früher zum Ausbruch kam. Nun, äußerlich geht ja der Krieg von dem Attentat von Serajewo aus. Das hat ja auch seine bedeutungsvolle Seite. Das ist das Erschütternde an der Sache. Und da wir ja hier unter uns zusammen sind, muß es auch möglich sein, solche Dinge auszusprechen. Die Individualität, welche damals hin-gemordet worden ist und dann durch die Pforte des Todes ging, zeigte nachher einen Anblick, wie ich ihn vorher weder selber ge­sehen, noch ihn von anderen habe schildern hören. Ich habe ver­schiedentlich geschildert, wie Seelen aussehen, wenn sie durch die Pforte des Todes gehen. Diese Seele aber zeigte etwas Merkwür­diges. Sie war wie ein Kristallisationszentrum, um das sich bis zum Ausbruch des Krieges alles wie herumkristallisierte, was Furcht-elemente waren. Nachher zeigte sie sich als etwas ganz anderes. War sie vorher eine große kosmische Kraft, die alle Furcht anzog, so ist sie jetzt etwas Entgegengesetztes. Die Furcht, die hier auf dem physischen Plan gewaltet hatte, hielt alle zurück. Nachdem aber dann diese Seele in den geistigen Plan hinaufgekommen war, wirkte sie in entgegengesetzter Weise und brachte den Krieg.

Diese Dinge zu erleben, das erschüttert die Seele. Und so gibt es viele Dinge, die jetzt darinnenstehen in dem Auf- und Abwogen jener astralischen Impulse, die aus den Gemütern der Menschen in die geistige Welt hinaufziehen. Und Ihnen darf ich es sagen: ein Gleiches wie in den letzten Monaten habe ich vorher nicht erlebt; etwas, was die Seelen in so furchtbare Wogen gebracht hat Daraus aber ist auch zu entnehmen, was dort in der geistigen Atmosphäre

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spielt. Und es müssen, wenn das kommen soll, was in der geistigen Atmosphäre kommen muß, in dieselbe Gedanken hinein, die nur von Seelen kommen können, welche die geistige Welt begriffen haben. So intensiv und so inbrünstig man nur bitten kann, werden daher Ihre Seelen gebeten, Gedanken zu fassen, die wir anzuregen versuchen durch Betrachtungen wie die heutigen, oder die wir das letztemal gepflogen haben, die also in dieser Weise aus der geistigen Erkenntnis hervorgehen, und die nur Seelen, welche durch die Gei­steswissenschaft hindurchgegangen sind, in die geistige Welt hinauf-senden können. Denn schon während des Krieges und nachher erst recht, werden die Seelen solche Gedanken brauchen. Denn die Ge­danken sind Realitäten! Man möchte sein heißestes Gebet in die geistige Welt senden, daß das, was aus diesem Kriege und nach diesem hervorgehe, unter keinen anderen Auspizien hervorgehe als durch Gedanken, die nicht aus der menschlichen Maja, sondern aus der Wahrheit und der spirituellen Wirklichkeit herrühren. Je mehr Sie solche Gedanken in die geistige Welt hinaufsenden, desto mehr tun Sie für das, was aus diesen Weltenkämpfen hervorgehen soll, und desto mehr tun Sie für das, was für die ganze Evolution der Menschheit notwendig ist.

In dieses Gebet also möchte ich ausklingen lassen, was ich durch diese Betrachtung an Ihre Seelen heranbringen wollte. Und wenn das, was wir betrachtet haben, wirklich in unsere Seelen übergegan­gen ist, wenn unsere Seelen als Seelen, die jetzt in der Geisteswissen­schaft gelebt haben, in die geistige Welt hinaufströmen lassen das die Menschen Befriedende, dann hat sich unsere Geisteswissenschaft in diesen schicksalschweren Zeiten bewährt! Dann hat sie sich so bewährt, daß unsere Kämpfer draußen ihren Mut nicht umsonst ausgelebt haben; daß das Blut der Schlachten nicht umsonst ge-flossen ist! Dann ist nicht umsonst in der Welt das Leid der Leid­tragenden, dann waren nicht umsonst die Opfertaten, die gebracht worden sind. Dann wird Geistesfrucht erwachsen aus unseren schick­salschweren Tagen, wird erwachsen um so mehr, als die Menschen imstande sein werden, solche Gedanken, wie die angedeuteten, in die geistige Welt hinaufzusenden.

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Ich bemerke ausdrücklich, daß die Worte, die ich jetzt sprechen werde, siebengliederig sind und eine Art Mantram bilden, wobei zu beachten ist, daß in der vorletzten Zeile zu lesen ist: wenn Seelen lenken.

Darüber wollte ich sprechen, daß diese Ereignisse, die so von der Wirklichkeit sprechen, sich uns dadurch ins rechte Licht rücken, daß wir uns erheben von der Maja zur rechten Wirklichkeit. Oh, die Seelen werden sich finden, die also unsere Gegenwart anzuschauen verstehen werden. Die Seelen werden sich finden, wenn sie sich finden werden im Sinne der Lehren, welche Krishna gibt auch über kämpfende Seelen. Und wenn es wirklich möglich ist, daß sich in unserer harten, schicksalschweren Zeit bewährt, daß die Seelen, die durch Geisteswissenschaft gegangen sind, in der Lage sind, geist-befruchtende Gedanken in die geistige Welt hinaufzusenden, dann wird die rechte Frucht hervorgehen aus dem, was in so schweren Kämpfen und mit so harten Opfern geschieht. Daher kann ich, was ich zu Ihren Seelen heute sprechen wollte, ausklingen lassen in das, was ich so gern sehen würde als Bewußtsein, als innerstes Bewußt-sein derjenigen Seelen, die durch Geisteswissenschaft gegangen sind:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

DRITTER VORTRAG Berlin, 28. November 1914 Vom Wesen der euro päischen Volksseelen

#G157-1960-SE047 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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DRITTER VORTRAG

Berlin, 28. November 1914

Vom Wesen der euro päischen Volksseelen

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Ich weiß nicht, wie viele von den Freunden es empfunden haben werden, daß es in unsern gegenwärtigen Tagen in öffentlichen Vorträgen, wie sie gestern und vorgestern gegeben werden mußten -und insbesondere in öffentlichen Vorträgen von der Art, wie gestern einer gegeben werden mußte -, noch schwerer ist als sonst, zu spre­chen, weil gar leicht das, was gesprochen werden muß, dem Miß­verständnis ausgesetzt sein kann. Gerade wenn wir mit Herz und Sinn innerhalb unserer Bewegung stehen, müssen wir das Wort, von dem ich auch das letztemal, als ich hier sprechen durfte, An-deutungen gemacht habe, wirklich immer mehr zur Vertiefung in unserer Seele bringen, das Wort, daß im Grunde genomtnen das äußere Leben, das Leben des physischen Planes, so wie es dem Menschen gewöhnlich entgegentritt - nicht an sich - Maja ist, eine Art Phantasmagorie ist, und daß die Wahrheit, die Wirklichkeit erst dahinter steht. Wir müssen uns klar sein, daß diese Wahrheit von der Maja nicht nur mit unseren Theorien oder überhaupt nur mit unserm Verstande erfaßt werden kann, sondern daß sie erfaßt wer­den muß mit allen unsern Seelenkräften, mit unserm ganzen Seelen-leben, vor allen Dingen auch mit unseren Gefühls- und Empfin­dungsimpulsen. Denn ebenso wie unser Verstand, der sich auf das Sinnliche richtet, es unbegreiflich findet, daß diese uns umgebende Welt nicht die wahre, wirkliche sein soll, so finden mehr noch unsere Gefühle, unsere Willensimpulse diese Wahrheit unbegreif­lich. Man muß nicht nur durch das Sicheinleben in die Geistes­wissenschaft anders denken lernen, man muß auch anders fühlen lernen und anders zu den Quellen seines Wollens herabsteigen lernen.

Wie leicht könnte so etwas, wie es gestern vorgebracht wor­den ist, weil es ja schwierig ist, diese Dinge, da für die Verhältnisse der geistigen Welt eine Sprache nicht geprägt ist, ganz adäquat

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zum Ausdruck zu bringen, wie leicht könnte das zum Beispiel gestern Gesprochene so aufgefaßt werden, daß diese Charakteristik auf diese oder jene Volksseele mehr oder weniger sympathisch oder antipathisch ansprechend gefällt ist, in unserer Zeit, wo so viel von Sympathien und Antipathien, selbstverständlich von der Zeit her­ausgefordert, im menschlichen Denken und Fühlen mitspricht. Und dennoch, wenn Geisteswissenschaft aus rechter Gesinnung heraus spricht, dann muß schon einmal geglaubt werden, daß diese Dinge, wenn sie auch scharf charakterisiert werden müssen, wie zum Bei­spiel die Charaktere der Volksseelen, nicht mit Sympathie und Anti­pathie im gewöhnlichen Sinne des Wortes gesprochen werden dür­fen. Wenn sie mit Sympathie und Antipathie gesprochen werden, dann könnten sie nämlich nicht wahr sein, dann müßten sie un­wahr, müßten verlogen sein. Warum dieses?

Man glaubt so leicht, daß der, welcher durch entsprechende Ent­wickelung seiner Seele zu der Anschauung der geistigen Welten aufzusteigen versucht, zu der objektiven Anschauung dieser geistigen Welten, ein innerlich gefühls- oder willenstrockener Mensch wer­den könnte. Das kann er wahrhaftig nicht werden. Der Mensch, der sich erst ausdörren würde in bezug auf sein Gefühls- und Willens-leben, in bezug auf diejenigen Impulse, die sonst in der mensch­lichen Gefühls-, Empfindungs und Leidenschaftswelt zurn Vor­schein kommen, der Mensch, der sich erst ausdörren würde von diesem inneren Feuer, würde ganz gewiß nicht zu einer objektiven Anschauung der geistigen Welt aufsteigen können. Im Gegenteil: alles an innerem Gefühlsleben, alles an innerem Willensleben muß zusammengenommen werden, muß gerade so feurig als möglich werden. Aber es muß umgewandelt werden in der Seele; es kann nicht so bleiben, wie es im gewöhnlichen Leben ist. Es muß erst so umgewandelt werden, daß der Mensch durch dieses Gefühls- und Willensimpulsleben etwas bekommt wie einen Neuaufbau seiner Gefühls- und Willenswelt. Gerade dadurch muß sich das entwik­keln, was inneres Auge, inneres Ohr genannt werden kann. Ein innerlich ausgedörrter Mensch kann man nicht werden, wenn man die geistige Welt sucht. Aber dann, wenn sie angeschaut wird, wenn

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man durch alle inneren Kämpfe, durch alle inneren Uberwindun­gen zu dieser geistigen Welt hingekommen ist, dann allerdings bietet sie sich als geistige Welt so dar, daß sie zum Beispiel in uns zwar noch Sympathie und Antipathie hervorrufen kann, daß aber in der Charakteristik, die von ihr gegeben wird, so wenig lebt aus eben entstehender Sympathie und Antipathie, als in der Rose lebt von eben entstehender Sympathie, wenn wir sie anschauen. Wir können mit ihr Sympathie und Antipathie empfinden, aber sie selbst steht in ihrer Objektivität da, und wir können sie, wenn wir sie in ihrer Wesenheit erfassen wollen, nur charakterisieren. Bei dem­jenigen, der gewissermaßen dazu gezwungen ist, die geistige Welt zu charakterisieren, bei ihm ist in jedem einzelnen Falle im Grunde genommen die Unmöglichkeit gegeben, aus Sympathie und Anti­pathie heraus zu sprechen.

Gestern wurde versucht, die italienische, die französische, die britische, die deutsche Volksseele zu charakterisieren. Gewiß wird es unter den Zuhörern solche gegeben haben, die geglaubt haben, daß da nicht objektive Charakteristik, sondern Sympathien und Antipathien sprechen. Wenn aber Sympathie und Antipathie spre­chen würden, so müßte die Charakteristik selber verlogen sein, so würde sie niemals verläßlich sein können. Das können Sie aus diesem einzelnen Falle wohl begreifen, wenn ich das Folgende sage. Sie wissen alle, daß der Mensch nicht nur dieses Wesen ist, als welches er vor uns steht, wenn wir ihn mit Tagesaugen betrachten. Da lebt er seiner eigentlichen Wesenheit nach in seinem physischen Leibe, da blickt er uns gleichsam durch seinen physischen Leib an. Diejenige Wesenheit aber, deren er sich aus bestimmten Gründen

- die Sie kennen - im gewöhnlichen Erdenleben nicht bewußt ist, diese Wesenheit, die eigentlich innerhalb des Ich und des astra­lischen Leibes lebt, lebt er ganz abgesondert vom physischen Leib und Ätherleib vom Einschlafen bis zum Aufwachen durch. Beim Geistesforscher ist es ja so, daß er dadurch zu den Ergebnissen seiner Forschung kommt, daß er sich dasjenige durchleuchtet, was sonst zwischen Einschlafen und Aufwachen unbewußt bleibt. Er erlebt dadurch - durch innere Erlebnisse - dasjenige, was sonst hinter den

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äußeren Eindrücken der Welt, hinter der Phantasmagorie der Welt verborgen bleibt.

Nun ist gestern im öffentlichen Vortrage gesagt worden, daß der Volksgeist, die Volksseele, im Leibe des Menschen lebt. Heute kann ich sagen: Insbesondere lebt die Volksseele im Ätherleibe des Men­schen, in dem wir sind in der Zeit vom Aufwachen bis zum Ein-schlafen. Beim Aufwachen tauchen wir mit unserem Untertauchen in den Leib zugleich in die Volksseele ein. Schlafend sind wir nicht in der Volksseele, sondern nur vom Aufwachen bis zum Einschlafen.

Nun entsteht die Frage: Wenn nun der Geistesforscher dasjenige gerade innerlich belebt und durchleuchtet, was nicht im physischen Leibe lebt, wie ist es dann mit seinem vom Leibe abgesonderten Leben in der Volksseele? Da wirkt die Volksseele trennend, wenn wir in den Leib untertauchen. Da kann der Geistesforscher ja nicht in der Volksseele leben, wenn er das bewußt durchlebt, was der Mensch im Schlafe durchlebt. Das Eigentümliche ist, daß es zu jeder Zeit, in jeder Gegenwart eine gewisse, man möchte sagen, regie­rende Anzahl von Volksseelen gibt, und die Art, wie sich diese Volksseelen zueinander verhalten, macht überhaupt das gesamte Erdenleben der Menschheit aus, insofern es physisch verläuft. Wenn man in den physischen Leib untertaucht, taucht man damit in die Volksseele unter. Kommt man aus seinem physischen Leib heraus und erlebt bewußt außerhalb desselben, dann taucht man ebenso

- unter all den anderen Erlebnissen, die man durchmacht - jetzt nicht in die eigene, sondern in die anderen Volksseelen unter, mit Ausnahme der eigenen, in der man während des Tageslebens im physischen Leibe lebt. Nehmen Sie im vollen Gewicht, was ich eben gesagt habe. Daß wir mit dem Einschlafen also nicht in eine ein­zelne Volksseele untertauchen, sondern daß wir untertauchen in das Zusammenwirken, gleichsam in den Reigen der anderen Volksseelen, nur daß in dieses Reigenspiel nicht diejenige Volksseele hineinspielt, in die wir untertauchen, wenn wir in den physischen Leib kommen. Der Geistesforscher durchlebt tatsächlich innerhalb seiner Forschung mit den anderen Volksseelen - nur in ihrem Zusammenklang - dasselbe, was man sonst auf dem physischen Plane

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gegenüber der einzelnen Volksseele erlebt, die dem Volke angehört, in welchem man sonst darinnensteht

Nun frage ich Sie: Wenn nun der Geistesforscher tatsächlich das kennt, wie man nicht nur in der eigenen Volksseele lebt, sondern wie man in den anderen Volksseelen lebt, wenn er das durchzu­machen hat, hat er dann einen besonderen Grund, mit anderer Objektivität die eigene Volksseele zu schildern als andere Volksseelen? Das hat er nicht. Und hier liegt die Möglichkeit, über die Vorurteile der Sympathien und Antipathien hinüberzukommen und objekn.y zu schildern. Es ist selbstverständlich, daß nicht nur der Geistesforscher, der das einfach bewußt durchinacht, was alle Men­schen durchmachen, sondern daß jede Menschenseele vom Ein­schlafen bis zum Aufwachen in allen Volksseelen in ihrem Zusam­menspiel lebt, mit Ausnahme derjenigen, in welcher die Seele lebt während des Tagwachens. Das ist das, was uns die Geisteswissen­schaft gibt, damit der Horizont unseres Fühlens und Empfindens wirklich erweitert wird. Oftmals sprechen wir ja davon, daß die Geisteswissenschaft geeignet ist, eben durch die Art von Erkennt­nis, die sie gibt, die Liebe ohne Unterschied von Volk, Rasse, Stand und so weiter wirklich zu geben. Dieser Satz ist so tief begründet, daß der, welcher einsieht, daß er, wenn er sich in dem Teile als Mensch nimmt, der geistig in ihm ist, sich ja gar nicht ausschließen kann in Haß und Antipathie von dem, was Menschtum ist, sich sagen muß: Es ist eigentlich ein Unsinn, nicht zu lieben! Um aber zu sagen: es ist eigentlich ein Unsinn, nicht zu lieben, muß uns eben die Geisteswissenschaft ergreifen wie ein Leben, nicht bloß wie ein Wissen. Deshalb treiben wir diese Geisteswissenschaft auch nicht wie ein bloßes Wissen, sondern so treiben wir sie, daß sie in jahre-langem Zusammenleben in unseren Zweigen wie eine geistige Nah­rung, die wir aufnehmen und in uns verarbeiten, wirklich mit uns eins wird.

Ich sagte: Das Gewöhnliche ist das, daß der Mensch vom Ein­schlafen bis zum Aufwachen in dem Zusammenspiel der Volksseelen lebt, der anderen als derjenigen, die seine Volksseele gerade ist. Das ist das Gewöhnliche. Aber es gibt auch ein Mittel, um

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gewissermaßen in Einseitigkeit in der einen oder in der anderen Volksseele zu leben. Es gibt ein Mittel, daß man gezwungen wird, in dem Zustande zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen nicht mit dem ganzen Zusammenspiel, nicht mit dem ganzen Reigentanz gleichsam der anderen Volksseelen zu leben, sondern mehr oder weniger gebannt zu sein, mit einer oder mit mehreren anderen Volksseelen zusammenzuleben, die herausgehoben werden aus dem ganzen Zusammensein aller Volksseelen Ein solches Mit­tel gibt es, und es besteht darin, daß wir eine oder mehrere Volks seelen - Völker - besonders hassen. Dieser Haß nämlich, den wir aufbringen, gibt die besondere Kraft, in unserem Schlafzustande mit denjenigen Volksseelen leben zu müssen, die wir am meisten hassen oder die wir überhaupt hassen. Man kann sich also nicht besser dazu vorbereiten, in dem unbewußten Zustande zwischen Einschlafen und Aufwachen völlig in eine Volksseele aufzugehen und mit ihr so leben zu müssen wie mit der, mit welcher man im physischen Leibe lebt, als dadurch, daß man sie haßt, aber ehrlich haßt, mit dem Gefühl haßt, und sich nicht bloß einredet, sie zu hassen.

Wenn solche Dinge ausgesprochen werden> dann merkt man, wie tief und ernst die Wahrheit von der Maja genommen werden muß. Denn nicht nur, daß unser Verstand, so wie er einmal konstruiert ist, nicht einsehen will, daß die Dinge in ihren Tiefen anders sind als in ihrer äußeren Phantasmagorie, sondern es bäumt sich unser Fühlen, unser Wollen auf gegen das, was wahr ist für die geistige Welt. Wenn man solche Wahrheiten nimmt, wie die von dem Leben in den andern Volksseelen und besonders in der, welche man haßt, dann wird man sich sagen müssen, daß die größte Anzahl der Menschen die geistige Wahrheit nicht nur aus dem Grunde von sich weist, weil sie der Verstand nicht einsehen kann, sondern des halb, weil sie sie gar nicht haben wollen, weil sie sie stört auch in dem Empfinden, dem sich der gewöhnliche Erdenmensch hingibt. Sobald man tiefer und ernsthafter auf die Wahrheiten der geistigen Welt eingeht, dann sind sie gar nicht bequem, dann sind sie gar nicht das, was der Mensch, wenn er auf dem physischen Plan allein

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leben will, eigentlich liebt. Sie sind unbequem. Sie durchrütteln und durchschütteln uns und fordern, je tiefer sie sind, eigentlich in jedem Augenblicke von uns, daß wir anders sein sollen, als wir gewohnt sind auf dem physischen Plan zu sein. Und dies, daß sie als ein lebendiges Inneres etwas anderes von uns fordert, als wir auf dem physischen Plane sind, das ist zumeist einer der Gründe, warum die Menschen die geistige Wahrheit zurückweisen. Wir kön­nen gar nicht anders, als nicht bloß mit einem Teile der Welt oder der Menschheit verbunden zu sein, sondern wir müssen verbunden sein mit der ganzen Welt und mit der ganzen Menschheit. Unser physisches Sein bedeutet im Grunde genommen nur den einen Pendelausschlag, der andere Pendelausschlag ist das Entgegen­gesetzte in vieler Beziehung; man kennt ihn nur nicht im gewöhn­lichen Leben. Man kann sagen, es wird Ernst, sobald man nur auf die tieferen Wahrheiten vom geistigen Leben eingeht. Und unend­lich richtunggebend können diese tieferen Wahrheiten vom geisti­gen Leben für dasjenige werden, was Menschheitsentwickelung, was Menschheitsfortschritt gerade in unserer Zeit von uns fordert. Las­sen Sie uns aus der geistigen Forschung ein Beispiel herausheben, das insbesondere für die Gegenwart wichtig sein kann.

Sie sehen leicht ein, wenn die Dinge so stehen, wie ich jetzt eben von ihnen gesprochen habe, wenn wir also beim Untertauchen in den physischen Leib und Ätherleib das Miterleben mit dem haben, was man im gewöhnlichen Sinne den Volksgeist, die Volksseele nennt, so gehört dieses Miterleben der Schicksale des einzelnen Volksgeistes zu den Erlebnissen nach dem Tode, die wir nach und nach abstreifen. Oft wurde in bezug auf viele Dinge gesprochen, die der Mensch nach dem Tode abstreift; aber zu diesen Dingen gehört auch das Verbundensein mit dem Volksgeist. Der Volksgeist wirkt im Fortschritt der Erdenentwickelung, er wirkt in dem, wie sich von Generation zu Generation die Menschheit auf der Erde fortentwickelt. Nach dem Tode, zwischen Tod und neuer Geburt, müssen wir uns, wie wir aus anderen uns herausentwickeln, so auch aus dem Volksgeist herauslösen. Das begründet zugleich das Bedeut-Same des Heldentodes, des Todes auf dem Schlachifelde zum Beispiel,

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das empfunden wird. Wer ihn richtig fühlt - und es fühlen ihn sicher richtig die, welche mit der richtigen Gesinnung durch diesen Tod gehen -, der weiß, daß dieser Tod ein Tod der Liebe ist, daß er erlitten wird nicht für das Persönliche, nicht für das, was man mitbehalten kann in der ganzen Zeit zwischen Tod und neuer Geburt für sich; sondern daß er erlitten wird für die Volksseele, in­dem selbstlos hingegeben wird dieser physische Leib und Ätherleib Man kann sich den Tod auf dem Schlachtfelde nicht denken, ohne ihn durchdrungen zu wissen von wirklicher innigster Liebe, vom Getragenwerden der Menschen von dem, was zum Heile der Mensch­heit in der Zukunft beiträgt. Das ist das Große, das Bedeutsame, das Ungeheure gerade dieses Todes auf dem Schlachtfelde, wenn er in richtiger Gesinnung erlebt wird. Denn er ist undenkbar, ohne ver­bunden zu sein mit der Liebe.

Aber das Zusammensein mit dem einzelnen Volksgeist müssen wir zwischen Tod und neuer Geburt abstreifen. Es muß von uns abfallen. Wir müssen in eine Region hineinkommen, wo wir nicht mit dem einzelnen Volksgeiste als solchem leben. Allerdings ist es dann nicht so, daß wir unmittelbar in andere Volksgeister über. gehen können. Das ist zwischen dem Einschlafen und dem Auf­wachen der Fall. Wir müssen überhaupt frei werden von dem, was bloß irdisch ist, und müssen eingehen in das Leben, das sich loslöst von dem, was die Entwickelung der Menschheit auf der Erde aus­macht. Also loslösen müssen wir uns auch von alledem, was uns mit den Volksgeistern verbindet. Und das ist wieder das, was, wenn wir es uns als Erkenntnis aneignen, unseren Empfindungshorizont er­weitert, vergrößert, indem es uns hinblicken läßt auf das andere, das wir suchen, und das nicht um uns herum ist, wenn wir auf dem Horizont des physischen Daseins leben.

Nun ist es - das können Sie schon aus der gestrigen Charakteri­stik der einzelnen Volksgeister entnehmen - im Bewußtsein dieser Volksgeister gelegen, daß der eine mehr hinneigt zu der Indi­vidualität des Menschen, zu dem, was der Mensch als Individualität ist, der andere neigt weniger dazu hin. Ich habe es damit verglichen, daß der eine Mensch mehr in sein Inneres hineinschaut, der andere

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mehr mit der Außenwelt lebt. Bei den Volksgeistern ist es so, daß der eine sich mehr, der andere sich weniger mit den einzelnen Menschenindividuen beschäftigt. Das bedingt wieder, indem wir dem einen oder dem andern Volksgeist angehören, wie wir mit dem zusammenhängen, was der Volksgeist besonders in unserem Äther-leibe stiftet, was er dort zubereitet. Daher gibt es gewisse Unter­schiede in dem Abstreifen, in dem nach und nach Sichherausstrei­fen aus dem, was der Volksgeist mit uns macht nach dem Tode.

Da haben wir zum Beispiel den französischen Volksgeist. Es ist ein Volksgeist, dessen Inspirationen mit einer hochentwickelten Kultur zusammenhängen, mit einer Kultur, die nur dadurch denk­bar ist, daß dieser Volksgeist zurücksieht auf das alte Griechentum, wie ich es auch schon auseinandergesetzt habe. Dieser Volksgeist arbeitet nun so an den Menschen, die dem betreffenden Volke an­gehören - das ist gerade die Natur derjenigen Volksgeister, die hochentwickelten Kulturen entsprechen -, daß tiefe Eindrücke im menschlichen Ätherleib entstehen, daß sich die Signatur des Volks-geistes scharf einprägt in den Ätherleib Das hängt mit dem zusam­men, worauf ich gestern aufmerksam gemacht habe, daß der Fran­zose an dem Bilde hängt, das er sich von sich selber macht. Denn daß solche von den Einwirkungen des Volksgeistes in den Ätherleib herrührende Eindrücke geschehen, das hat wieder zur Folge, daß, wenn die Seele den Leib im Tode verläßt, scharfe Ausprägungen im Ätherleibe und auch noch im astralischen Leibe des Menschen vorhanden sind. Gerade wenn man einem solchen Volke angehört wie dem französischen, kommt die Seele mit scharf ausgeprägtem astralischem Leib aus dem physischen Dasein heraus. Die Folge da­von ist, daß man viel zu tun hat im Abstreifen desjenigen, was vom Volksgeiste nach dem Tode bleibt.

Vergleichen wir nun ein solches Abstreifen der Natur des Volks geistes, wie es durch das französische Volk bedingt wird, mit dem, was zum Beispiel durch die russische Volksseele bedingt wird, so haben wir bei der letzteren eigentlich das Entgegengesetzte. Die russische Volksseele ist gleichsam jung, und sie beschäftigt sich noch weniger mit den Menschenindividuen, die ihr anvertraut sind. Daher

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sind die Menschenindividuen, wenn sie durch die Pforte des Todes gehen, in bezug auf den ätherischen und astralischen Leib durch die russische Volksseele wenig geprägt. Wenn wir nun die ganze Situation ansehen in der geistigen Welt, so finden wir, wenn wir auf die Seelen hinblicken, die durch die Todespforte gegangen sind, daß wir die Seelen des französischen Volkes mit scharf aus­geprägten Ätherleibern wie auch mit scharf ausgeprägten astra-lischen Leibern antreffen, daß wir dagegen die russischen Seelen mit durch den Volksgeist wenig ausgeprägten Äther- und astra­lischen Leibern wiederfinden. Die Folge davon ist, daß diese ver­schiedenen Seelen von den leitenden Geistern, welche die Mensch­heitsevolution vorwärtsbringen müssen, zu Verschiedenem gebraucht werden können.

Nun stehen wir in einer Zeit, die wirklich nicht vorwärtskom­men kann, wenn sich nicht für die Menschheit eine gewisse Summe von spirituellen Wahrheiten offenbart. Das ist ja oftmals ausein­andergesetzt worden, ist bis zu dem Grade auseinandergesetzt wor­den, daß gesagt worden ist, daß bis zu einem gewissen Zeitraume unseres Jahrhunderts die Offenbarung des Christus sich in der gei­stigen Welt dem Menschen eröffnen wird. Aber wir können es so nehmen, daß wir sagen: Es muß Spirituelles hereinkommen in die Welt. Dieses Spirituelle, das in die Menschheitsentwickelung herein­kommt, erkämpfen zuerst die Geister in der übersinnlichen Sphäre; und in dieser übersinnlichen Sphäre kämpfen für das Hereindrin­gen der spirituellen Strömung in die Menschheitsentwickelung höhere Geister, Geister höherer Hierarchien. Aber sie bedienen sich bei ihrem Kampfe als mitspielender Kräfte derjenigen, welche von den Menschen kommen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind. Der Mensch im Leben zwischen Tod und neuer Geburt arbei­tet und wirkt ja immer mit an dem, was in der Welt geschieht. Und da er in verschiedener Weise gestaltet ist, so wirkt er ganz ver­schieden mit, je nachdem er zum Beispiel aus einem französischen oder aus einem russischen Leibe kommt. Daher können sich die Geister der verschiedenen höheren Hierarchien dieser Seelen in ver­schiedener Weise bedienen.

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Was in der Menschheitsentwickelung bevorsteht, das hängt aller­dings damit zusammen, daß gegenwärtig in der geistigen Welt ein mächtiger Kampf stattfindet. Nur bedeutet Kampf in der geistigen Welt etwas anderes als Kampf in der physischen Welt. Ein Kampf in der geistigen Welt bedeutet ein Zusammenwirken zur Ausgestal­tung eines Fruchtbaren. Es ist dieser Kampf etwas, was für die Menschheitsentwickelung notwendig ist; kurz, es ist ein Kampf, der zu etwas führt. Ihn kämpfen gewisse Geister der höheren Hier­archien aus. Und sie kämpfen ihn so aus, daß sie sich gewisser junger, aus dem östlichen Kulturgebiete kommender Seelen und gewisser aus den westlichen Kulturen herauskommender Seelen bedienen. Es ist ein Kampf, der noch lange dauern wird, ein Kampf der russischen Seelen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, und der französischen Seelen, die durch den Tod gegangen sind; ein Krieg des geistigen Rußland gegen das geistige Frankreich. Es ist ein furchtbarer Krieg, wenn wir die Worte des physischen Planes gebrauchen. Wer heute den Blick in die geistige Welt richtet, der erblickt diesen Kampf des geistigen Rußland gegen das geistige Frankreich, und voll ist die geistige Welt davon. Es ist ein erschüt­ternder Kampf!

Und nun erblicken wir, wenn wir dieses voraussetzen, das, was auf dem physischen Plan vor sich geht: da wird ein Bündnis ge­schlossen. Das ist das Spiegelbild des Kampfes in der geistigen Welt. Diese Dinge gehören zu den Schwierigkeiten, welche die Geistesforschung durchzumachen hat. Glauben Sie nur nicht, daß man nun etwa generalisieren könne, indem man eiufach sagt: Man kann leicht die geistigen Wahrheiten ableiten, wenn man immer das Ent­gegengesetzte von den Dingen denkt, die auf dem physischen Plane vor sich gehen. Man würde zu dem Falschesten und Törichtsten kommen, wenn man dies als Regel anwenden wollte. Denn es ist dies vielleicht unter hundert Fällen fünfmal der Fall, in fünfundneunzig Fällen aber nicht. Alle geistigen Wahrheiten sind indi­viduell und müssen immer individuell angeschaut werden; sie kön­nen nicht durch bloße Dialektik gefunden werden. Aber die Wahr­heit, die ich ausgesprochen habe, gehört zu denjenigen, die heute

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ganz besonders erschütternd sind, denn sie kann uns wieder einmal darauf aufmerksasn machen, wie anders die Welt gestaltet ist, wenn wir hinter den Schleier der Maja sehen, und wie in dem, was äußere Menschentaten sind, das Entgegengesetzte von dem gegeben sein kann, was eigentlich die Realität, das Geistige ist.

Wenn wir die Dinge so betrachten, dann ist es ja ganz unmög­lich, daß sich nicht auch unsere Gefühle in der Betrachtung des­jenigen, was äußerlich vor sich geht, umändern. Denn wir kommen zu dem Begriff, daß in den äußerlichen Vorgängen eigentlich erst unterschieden werden muß, um das Wahre zu schauen. So wie irgendein Wolkengebilde, wenn wir es in der Ferne sehen, undeut­lich ausschaut, in der Nähe aber ganz anders ist, so nehmen sich auch die Dinge im Völkergeschehen in Wahrheit aus. Und mitten darinnen, ich möchte sagen, zwischen den kämpfenden Parteien im Osten und Westen, liegt nun geistig das deutsche Gebiet, das dazu da ist, nach beiden Seiten hin zu vermitteln, wirklich nach beiden Seiten hin zu vermitteln - was es auch tut. Und während nach bei­den Seiten hin die Vermittlung im Geiste geschieht, sehen wir in der physischen Welt das Losschlagen von beiden Seiten und nach bei­den Seiten.

In einem gewissen Sinne hängt das, was wir jetzt erleben, zusam­men mit dem tiefsten Impulse der Menschheitsentwickelung in unserer Zeit. Ich habe ja oftmals gesagt: Warum treiben wir eigent­lich Anthroposophie? Wir treiben sie, weil sie eine Weltaufgabe ist, eine Forderung, die von der geistigen Welt aus an die Mensch­heit gestellt wird. Es muß eine Anzahl von Imaginationen sich der Menschheit mitteilen; die Menschen müssen im Laufe der nächsten Zeit eine Anzahl von geistigen Wahrheiten aufnehmen. So ist es, möchte ich sagen, vorgezeichnet im Gange der Menschheitsent­wickelung. Es besteht demgegenüber natürlich der Widerspruch, der wirkliche Widerspruch, der Widerstreit, daß die Menschen erst nach und nach reif werden müssen, und daß dies langsam geht. Aber die Imaginationen wollen herein in die Menschheitsentwicke-lung. Es will etwas herein in die Menschheitsentwickelung, was, ich möchte sagen, ein Stück über dem physischen Plan darüber, was

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höher liegt. Die Menschen weisen das heute noch zurück, weisen es im umfänglichsten Sinne zurück. Daher erscheint das Gegenbild. Und das Gegenbild der Imaginationen sind Leidenschaften, sind Gefühlsausbrüche, die aus der Tiefe der Menschennatur herauskom­men, die ebenso tief unter dem physischen Plan liegen wie die Imaginationen über demselben. Wenn wir heute die Menschen mit Haß, mit wirklicher Unwahrheit sich begegnen sehen, was sind dann dieser Haß und diese Unwahrheit? Es sind die Spiegelbilder der herausquellenwollenden Imaginationen, die nun in solcher Form herauskommen, weil sich die Menschen gegen sie sträuben. Was eine gewisse Strecke über dem physischen Plane liegt, das kommt als sein Verwandlungsprodukt heraus, als das, was ebenso weit unter dem physischen Plane liegt; das muß sich herausarbeiten. Auch das können wir aus dem allgemeinen Menschenkarma begründet finden, was auf diese Weise auf so unerfreuliche Art geschieht.

Warum muß es denn geschehen, daß die Menschen gerade jetzt, in unserem Zeitalter, eine gewisse Summe von spirituellen Wahr­heiten empfangen? Darüber können wir uns in folgender Weise Antwort geben.

Es sind zwei Fälle möglich. Der eine ist der, daß der Mensch einen gewissen Sinn hat für spirituelle Wahrheiten, daß er ihnen nicht ein taubes Ohr entgegenbringt, sondern sie aufnimmt in seine Seele und in sein Herz, daß er gewissermaßen Anthroposoph wird, wie man in unserer Zeit Anthroposoph werden kann. Oder es ist der andere Fall möglich, daß der Mensch die spirituellen Wahr­heiten abweist, daß er etwa sagt, das ist alles törichtes, dummes Zeug; das alles entspringt aus den Köpfen von ein paar törichten Phantasten, die gescheiter fäten, wenn sie etwas anderes vorneh­men würden.

Nun, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht, so tritt er damit selbstverständlich in die geistige Welt ein. Und wenn etwa jemand sagen würde: Tritt man denn nur dadurch in die geistige Welt ein, daß man sich zwischen Geburt und Tod ein Wissen er­wirbt von dieser geistigen Welt? so könnte man ihm in gewissem Sinne sagen: Selbstverständlich kommt in die geistige Welt auch

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der, welcher nichts von ihr weiß; ganz selbstverständlich tritt auch der in die geistige Welt ein. Aber was ist für ein Unterschied zwi­schen diesen beiden Menschentypen? Der Unterschied ist beträcht­lich. Ich rede jetzt immer nur von unserer Zeit, denn die geistigen Wahrheiten sind individuell. Und wenn etwa jemand gegenüber dem ersten, was ich angeführt habe, sagen würde: Also verwandeln sich Imaginationen, die nicht herauskommen können, immer in einen Lästerkrieg, wie er jetzt herrscht? so wäre das eine falsche Ansicht; denn zu andern Zeiten können sie sich ganz anders ver­halten. Die geistigen Wahrheiten sind immer individuell, und das, was ich jetzt sagen will, bildet eben nur eine individuelle Wahrheit für unsere Zeit.

Der Mensch, der durch die Pforte des Todes geht, ohne sich um die Möglichkeit, Spirituelles in unserer Zeit aufzunehmen, geküm­mert zu haben, übergibt seine Seele den höheren Welten, wenn er durch die Pforte des Todes schreitet, fast so, wie er sie empfangen hat, als er durch die Geburt in das physische Dasein hereingegangen ist, und die höheren Welten haben nichts von ihm, als was sie ihm bei seiner Einkörperung übergeben haben. Wer sich aber, nicht bloß durch Glauben, sondern durch das Einleben in die geistigen Welten hier aneignet, was aus der geistigen Welt heraus zu bekom­men möglich ist, der übergibt seine Seele bei seinem Tode den gei­stigen Welten nicht so, wie er sie bei der Geburt empfangen hat, sondern er übergibt den übersinnlichen Wesenheiten auch das, was er sich hier erarbeitet hat an Begriffen, Vorstellungen und Empfin­dungen, und das gehört nicht bloß ihm an, sondern das gehört den übersinnlichen Wesenheiten. Wer das nicht mitbringt, lebt selbst­verständlich auch in die geistige Welt hinein, aber er trägt nichts bei zum Menschheitsfortschritt. Würde man also immer so gelebt haben oder würde man von einem bestimmten Zeitpunkt an so leben, so würde kein Fortschritt zustande gekommen sein, oder von einem bestimmten Zeitpunkt an würde die Menschheit immer so geblieben sein, wie sie war. Daß Fortschritt, daß Weiterentwicke­lung geschieht, daß die Seelen immer etwas Neues finden können, wenn sie in neuen Inkarnationen die Erde betreten, hängt davon

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ab, daß sie Gelegenheit finden, das, was die besondere Mission der Zeit ist, in sich aufnehmen zu können. Es ist also letzten Endes eine Art Entschluß, ob man sich zur geistigen Welt in ein Verhältnis bringt oder nicht. Es könnte ja zum Beispiel jemand sagen: Was liegt mir am ganzen Menschheitsfortschritt? Was liegt mir an der Erdenentwickelung? Mag die Erde stillestehen! Ich lebe darüber hin­weg. - Wer keine rechte Liebe, kein Interesse zum Erdenfortschritt hat, der kann ja so reden. Wer aber Liebe zum Menschheitsfort­schritt als höchste Pflicht in sich trägt, der kann diesen Weg nicht wählen. Freiheit liegt auch auf diesem Gebiete. Daher werden selbstverständlich nur durch Freiheit und Liebe zum wahren Men­schenfortschritt und Menschenheil die Seelen zur Anthroposophie kommen. Man kann also auch nicht einmal aus bloßem Egoismus Anthroposoph werden; denn wird man es, so trägt man etwas zum Fortschritt bei, dem man sich sonst entzieht. Man wirkt also in Liebe, nicht bloß für sich, sondern für etwas anderes.

Das ist das, was ich immer durchleuchten lassen möchte durch alle Auseinandersetzungen derjenigen Geisteswissenschaft, die wir suchen: daß diese Wissenschaft eine lebendige, eine tätige Kraft ist. Ich rede nicht vom Schauen, ich rede von dieser Wissenschaft; das Schauen bringt nur die Resultate hervor. Ich rede von dem Einleben der Resultate im Menschen. Geisteswissenschaft ist ein Leben­diges, ein Tätiges, etwas, was sich einlebt in die Seelen, was wirkt und schafft an unseren Seelen. Deshalb habe ich oft den Vergleich gebraucht: Von der Liebe bloß zu reden - und das Reden nun be­sonders in der theosophischen Bewegung betrachtet - ist so, als wenn man sich vor einen Ofen hinstellen und predigen würde, er solle warm werden, denn das wäre seine Pflicht als Ofen. Er wird durch die schönste Predigt über seine Ofenaufgabe nicht warm wer­den. Aber er wird warm werden, wenn man Holz in ihn hineinlegt und es anzündet So ist es im Grunde genommen mit allem Pre­digen von der Menschenliebe, und dieses Predigen hat auch gegen­über den Menschen kaum mehr Erfolg als das Predigen gegenüber dem Ofen, daß er warm werden soll. Schließlich ist dieses Predigen zu allen Zeiten gemacht worden und der Erfolg, er kann ja beobachtet

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werden. Aber das, was nicht bloß Wissen ist von der geistigen Welt, was nicht bloß Vorstellung, Wort ist, sondern was im Worte ein Lebendiges, ein Wirkendes ist, das ist das Holz, das wir unserer Seele geben, und das brennt, wenn es richtig von unserer Seele auf­genommen wird. Gerade aus solchen Auseinandersetzungen, wie die heutige ist, kann man das entnehmen; da brennt Erkenntnis auf, da wird Erkenntnis Liebe, denn der Mensch wird umgewandelt durch das in seinen Tiefen, in seinen Fundamenten erkannte Geistesleben. Es ist ihm sogar diese tiefe Umwandlung recht unbequem; er weist die spirituelle Wahrheit von sich und möchte lieber bei der Maja stehenbleiben.

Das ist aber auch im Grunde genommen der nächste Grund da­für, weshalb so oft gesagt wird, man solle die geistigen Wahrheiten nicht allzuviel der Öffentlichkeit übergeben. Es sind ja schließlich nicht Wahrheiten, die, wenn sie ausgesprochen werden, so neutral wirken wie Physik oder Chemie, sondern es sind Wahrheiten, denen gegenüber die Menschenseele nicht ganz neutral bleiben kann, die sie entweder ablehnen muß oder aufnehmen wird. Aber zum Auf­nehmen muß sie sich in einer gewissen Weise aus demjenigen um-ändern, was sie im gewöhnlichen physischen Leben ist. Daher wird die Welt schon etwas erregt, aufgeregt durch die Mitteilung der tieferen geistigen Wahrheiten. Aber unsere Zeit ist dazu berufen, diese Aufregung nicht zu scheuen, diese Aufregung wirklich durch­zumachen. Denn nur dadurch kann das Feld bereitet werden für ein neues Geistesleben, dem wir entgegenleben müssen und an dessen Ausgangspunkt wir doch stehen. Und die Zeichen der Zeit weisen uns darauf hin, wie notwendig es ist, gewisse Dinge zu ver­stehen. Denn man kann gegenüber vielem, was gerade heute in der äußeren Welt geschieht, unverständlich und unverständig stehen. Versuchen Sie, einmal Verschiedenes zusammenzufassen. Ich habe ja hier gleichsam die Aufgabe, zu Ihnen intimer zu sprechen, als es im öffentlichen Vortrage geschehen kann. Ich habe die Aufgabe, das, was ich in den öffentlichen Vorträgen, die mit den Zeitereig-nissen zusammengehangen haben, sagte, so zu formulieren, daß es wirksame Wahrheit werden könnte; so zu prägen, daß es jetzt in

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unserer Zeit richtig geredet ist. Versuchen Sie, da manches zusam­menzunehmen, so werden Sie sehen, daß eine Bemühung durch alles hindurchgegangen ist: ein wenig richtigere Begriffe, richtigere Emp­findungen und Gefühle über den Zusammenhang auch der unmit­telbaren Zeitereignisse hervorzurufen, als sie sonst so leicht ver­breitet sind.

Versuchen Sie zum Beispiel das festzuhalten, daß ich mich in dem ersten öffentlichen Vortrage bemüht habe, nachzuweisen, wie wirk­lich dieses deutsche Volk im Grunde genommen ganz erfüllt war von der Tendenz nach Frieden, nach friedlicher Entwickelung, und wie wi?klich das vorliegt, daß man sagen kann: das deutsche Volk hat als solches den Krieg nicht gewollt. Aber wenn wir links und rechts hinhören, das sagen sie alle, das betonen sie alle: sie haben den Krieg nicht gewollt! Die Franzosen haben den Krieg nicht gewollt, die Engländer haben den Krieg nicht gewollt, sie mußten ihn aus «moralischen Gründen» unternehmen. Aber die mora­lischen Gründe sind nur in achtzehn Stunden entstanden! Alle betonen: sie haben den Krieg nicht gewollt. Halten wir uns an das - es ist nämlich in diesem sehr, sehr viel Wahrheit darin - und verfolgen Sie einmal, wie ich vorgegangen bin, indem ich darauf hingewiesen habe: das deutsche Volk hat den Krieg nicht gewollt. Aber daraus habe ich nicht folgen lassen: also hat ihn der andere gewollt. Sondern ich habe im ersten öffentlichen Vortrage ausdrück­lich gesagt: höchstens könnte man eine Frage aufwerfen, nämlich die Frage: Wer hätte den Krieg verhindern können? und habe da­mit auf den russischen Osten gedeutet; denn der hätte den Krieg verhindern können.

Aber das ist es, worauf ich besonders aufmerksam machte, daß die richtige Antwort von der richtigen Fragestellung abhängt. Wenn irgend jemand betont, er habe den Krieg nicht gewollt, so folgt dar­aus nicht: also habe ihn der andere gewollt. Beide können ihn nicht gewollt haben, und doch ist er entstanden. Wenn man von den eigentümlichen Verhältnissen Rußlands absieht, so kann man im Grunde genommen sagen: Es ist wirklich der Krieg nicht gewollt worden, was man «wollen» nennt auf dem physischen Plan. Sondern

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dieser Krieg ist mit einer elementaren Notwendigkeit durch einander entgegengesetzte Kräfte, durch elementar einander wider­strebende Kräfte auf unbegreifliche Weise entstanden. Denn noch nie war im Grunde genommen ein solches weithistorisches Ereignis in so wenigen Tagen wie aus einer Kiste heraus entsprungen und hat gezeigt, daß das, was in den äüßeren Ereignissen sich abspielt, etwas ist, was aus den geistigen Verhältnissen heraustritt und sich physisch kundgibt.

So betrachtet, sind die heutigen Ereignisse etwas, was wie ein Exempel dasteht, um dem Menschen den Gedanken zu Gemüte zu führen: Wenn die Frage aufgeworfen wird, hat es der gemacht, hat es jener gemacht?, so wirst du nie das Richtige zur Antwort bekom­men. Sondern du mußt einmal voraussetzen, daß da noch etwas anderes mitgewirkt hat, du mußt dich einmal bequemen, etwas tie­fer zu gehen. Erst dann wird man lernen, richtig über die Ereignisse zu sprechen.

Noch aus einem anderen Grunde wird man sich zu einer tieferen Ansicht über die Dinge aufraffen müssen. Wir erleben es, wie im Widerspruche mit sich die heutige Welt sich zeigt. Die Menschen können noch nicht anders, als die Dinge so aufzufassen, daß sie durchaus dem anderen die Schuld geben. Wird einmal eine Zeit kommen, in welcher die tieferen Wahrheiten über das Karma in die Menschengemüter übergegangen sein werden, dann wird diese Art, dem anderen die Schuld zu geben in bezug auf das, was zu durch-leben ist, nicht mehr stattfinden. Denn dann wird man wissen, daß jedes Volk dasjenige in seinem Karma durchlebt, was es um seinet­willen zu durchleben hat. Das Volk erlebt die Notwendigkeit, die Kräfte im Kampfe zu stärken, nicht wegen des anderen, sondern um seinetwillen, um vorwärtszukommen; der andere ist in gewis­ser Beziehung nur der Vollstrecker. Dadurch wird die Betrachtung abgelenkt auf das Volksseelenkarma. Und die Aussage: Hier stehe ich und dort steht der andere, der hat die Schuld, der macht es, daß ich durch diese Ereignisse, durch diese Kämpfe hindurch muß, der hat sie angezettelt, das erscheint gegenüber einer höheren Betrach­tung so, wie wenn ein fünfzigjähriger Mann ein Kind ansieht - das

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Kind ist jung, und er ist alt; als das Kind noch nicht da war, war er noch nicht alt, und indem das Kind heranwächst, wird er alt - und wenn er nun sagen wollte: Das Kind, das hat die Schuld, daß ich alt werde; denn würde das Kind nicht heranwachsen und älter werden, so würde ich nicht alt werden! Aber das Kind kann ihn nur auf­merksam machen auf das Altwerden.

Das ist zu beachten, daß jedes Volk dasjenige, was es erlebt, und wenn es die schwersten Ereignisse sind, aus seinem Karma heraus erleben muß. Sagen Sie nicht, wenn eine solche Wahrheit in die Menschengemüter übergehe, wird es etwas Untröstliches sein, was so in die Gemüter übergeht; sondern das wird gerade zu einer heroischen Lebensauffassung, zu einer tapferen Lebensauffassung führen, zu einer Lebensauffassung, welche die Evolution in sich schließt. Man wird, wenn eine solche Lebensauffassung die Men­schen ergreift, es als verschwendete Kräfte ansehen, die Schuld immer im anderen zu sehen und immer nach dem gewöhnlichen Schluß zu verfahren. Man wird an die Kräfte appellieren, die einen selber vorwärtsbringen können. Man wird lernen, sich auf jedem Gebiete mit seinem Schicksal zu identifizieren. Wir haben ja im öffentlichen Vortrage gesehen, daß dieses Schicksal, das man so gern als etwas Äußeres ansieht, erst dann richtig begriffen wird, wenn wir in dieses Schicksal ausfließen. So ist es auch mit dem Volks­karma. Wenn die Liebe auf die Erde kommt, dann wird diese Gesin­nung unter die Menschen kommen.

An Sie aber, meine lieben Freunde, die Sie sich einer geistigen Bewegung gewidmet haben, möchte ich auch heute wieder appellie­ren - wie es auch früher geschehen ist -, zu bedenken, daß es in der Zukunft notwendig ist, daß der geistige Horizont, in dem wir leben, nicht bloß mit solchen Gedanken angefüllt werde, die früher auch schon da waren, sondern daß er angefüllt werde mit neuen Gedanken. Das können aber nur diejenigen sein, welche aus der spirituellen Welt entspringen. Es wird nicht gleichgültig sein, ob in der nächsten Zeit eine Anzahl von Menschen da sind oder nicht, welche Gedanken in die geistige Welt hinaufsenden, wie diejenigen sind, die aus einer solchen Betrachtung stammen, wie sie heute angestellt

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worden ist. Wenn Sie sich entschließen, zu meditieren über diese Wahrheiten, dann tragen Sie dazu bei, daß das, was sich in der Zukunft ergeben soll, sich in richtiger Weise und zum Men­schenheil ergibt. Nicht untätig sind Sie für den Fortschritt der Menschheit, wenn Sie diejenigen Gedanken meditieren, welche die gegenwärtige Zeit fordert, damit die Menschheit wirklich vorwärts-schreite. Möge es recht vielen unter uns gelingen, neben die Arbeit, die mit Blut und Tod getan wird, auch die geistige Arbeit hinzu­stellen, welche darin besteht, daß wir die Welt mit richtigen Ge­danken erfüllen, mit solchen Gedanken, die im Sinne der Mission unserer Zeit liegen. Und dann werden wir fühlen, daß dies die wah­ren Gedanken der Liebe sind. Oh, gar mancher, der heute nach Zita­ten sucht und dabei nach dem so viel beliebten Büchmann greift, um etwas Rechtes zu sagen, hat in diesen Tagen das Wort des alten Heraklit angeführt, welches den Krieg den «Vater aller Dinge» sein läßt. Heraklit hat es berechtigt gesagt, und die es nachsagen, sagen es auch berechtigt Aber aus dem Vater allein entsteht kein Kind. Zu dem Kind gehört die Mutter. Wie der Krieg der Vater ist, so ist das, was in friedenvoller Arbeit geschieht, die Mutter. Damit der Vater nicht steril bleibe, wird die Mutter da sein müssen. Und sie wird hervorgehen müssen aus den Gemütern derer, die in geistiger Weise die Aufgaben unserer Zeit begreifen und welche aus der Erkenntnis sich die Liebe zu erringen wissen.

Das ist das, was ich in diesem gegenwärtigen Zusammensein in Ihre Seelen legen möchte, damit gemäß den Forderungen unserer Gegenwart unsere Geisteswissenschaft nicht eine Befriedigung unserer Neugier oder unseres Wissensdurstes bleibe, sondern damit sie die rechten lebendigen Kräfte gebe, die, indem wir sie ausbilden, der wahre Trost werden für das Leid, das unsere Zeit mit sich bringt. Denn der wahre Trost ist der, der nicht Schwäche nach sich zieht, sondern der Stärke in seinem Gefolge hat, der sich aufrafft

- ob zum geistigen oder leiblichen - jedenfalls aber zum Tun. Im­mer wieder und wieder muß man schon daran denken, wie es in unserer Zeit notwendig ist, daß eine Anzahl von Menschen einen freien Drang nach spiritueller Vertiefung haben. Denn der bedeutet

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schon, daß nicht der einzelne Mensch, sondern daß die ganze Menschheit vorwärtsschreitet. Und indem wir diese Gesinnung haben, erinnern wir uns am Schlusse noch einmal der Gedanken, die wir hinaussenden in dem angedeuteten Sinne zu denjenigen, die draußen stehen:

Geister eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Erdenmenschen,

Daß, mit eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und mit Hinsicht auf die, welche schon durch die Pforte des Todes gegangen sind:

Geister eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Sphärenmenschen,

Daß, mit eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

VIERTER VORTRAG Berlin, 17. Januar 1915 Das Wesen des Christus-Impulses und seines dienenden michaelischen Geistes I

#G157-1960-SE068 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

VIERTER VORTRAG

Berlin, 17. Januar 1915

Das Wesen des Christus4mpulses und seines

dienenden michaelischen Geistes

I

#TX

Was ich insbesondere bei unserer letzten Betrachtung hier fließen lassen wollte durch die Worte, die damals gesprochen worden sind, das war die geisteswissenschaftlich zu erkennende Wahrheit, wie man gerade an den großen, ernsten Ereignissen des Lebens zu sehen in der Lage ist, daß die äußeren Erscheinungen in dem Lichte be­trachtet werden müssen, das uns die Geisteswissenschaft gibt. Dann erst erscheinen sie uns nicht mehr als Maja, als die große Täu­schung, sondern dann erscheinen sie uns in ihrer tiefen Wahrheit. Nicht als ob diese äußeren Erscheinungen selber Maja oder Täu­schung wären, was eine orientalisierende Weltanschauung leicht als Mißverständnis an die Seelen heranbringen könnte, sondern so ist es, daß unsere Sinne und unser Verstand in der Auslegung, in dem Begreifen der äußeren Ereignisse irren, wenn wir diese äußeren Ereignisse nicht beleuchten mit dem Licht, das uns durch die Er­kenntnis der geistigen Welt kommt.

An einzelne Tatsachen möchte ich heute ankuüpfen, die in den Jahren unseres anthroposophischen Strebens schon berührt worden sind und die ich heute in eine etwas unserer Zeit entsprechende Perspektive rücken möchte.

Wir sind ja davon durchdrungen, daß, seitdem das Mysterium von Golgatha in die Erdenereignisse eingegriffen hat, diejenigen Impulse, diejenigen Kräfte und Wesenheiten, welche durch dieses Mysterium von Golgatha gegangen sind, als lebendige Kräfte ein­gegriffen haben in alles Geschehen der Menschheitsentwickelung auf der Erde. Mit andern Worten, ich möchte, konkreter ausgespro­chen, sagen: In allen maßgebenden Ereignissen, in alledem, was sich als wichtig und wesentlich zugetragen hat, ist der Christus-Impuls

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darinnen tätig durch die, welche seine Diener, seine spiri­tuellen Gehilfen sind. Gegenwärtig nennt man ja so häufig Christentum nur dasjenige, was von den Menschen hat verstanden wer­den können. Aber ich habe es öfter betont: Was durch das Christen­tum in die Welt gekommen ist, das ist so groß, so gewaltig, daß die menschliche Vernunft, der menschliche Verstand, bis zu unserer Gegenwart keineswegs in der Lage waren, auch nur das Elemen­tarste aus den Kräften des Christus-Impulses wirklich zu begreifen. Wenn der Christus nur durch das hätte wirken sollen, was die Men­schen von ihm haben begreifen können, dann würde er wenig haben wirken können. Aber nicht auf das kommt es an, was durch die menschlichen Vernunftbegriffe in die Menschheit eingegangen ist, was die Menschen sich haben vorstellen können von dem Christus, sondern daß er seit dem Mysterium von Golgatha da ist, unter den Menschen unmittelbar wirksam und in ihren Handlungsweisen tätig. Nicht darauf, inwiefern er von den Menschen begriffen wor­den ist, kommt es an, sondern daß er als lebendiges Wesen da war und sich hat hineinfließen lassen in das, was als maßgebende Tat­sachen in der Entwickelung geschehen ist. Gewiß, wir sind durch unsere Geisteswissenschaft auch heute nur imstande, ein wenig von der Tiefe des Christus-Impulses zu begreifen; kommende Zeiten werden immer mehr und mehr davon begreifen und schauen. Zum Hochmut kann uns das nicht veranlassen, was wir heute von dern Christus-Impuls begreifen können. Die Geisteswissenschaft will einiges mehr begreifen, als man in verflossenen Zeiten von dem Christus hat begreifen können. In verflossenen Zeiten hat man über den Christus nur nachdenken können mit den Mitteln, die der äußere Verstand, die äußere Vernunft, die äußere Forschung geben. Jetzt bekommen wir dazu die Geisteswissenschaft, sehen dadurch in die übersinnlichen Welten hinein, und aus den übersinnlichen Welten können wir uns manche Antwort geben über die Bedeutung des Mysteriums von Golgatha. Am wenigsten waren in der Lage, gleich zu begreifen, was der Christus ist, und was diejenigen spiri­tuellen Mächte sind, welche als die Volksseelen und dergleichen in seinem Dienste stehen, diejenigen Menschen, in deren Gebiet sozusagen

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der Christus zuerst einziehen mußte. Dennoch mußte der Christus-Impuls hineinfließen - zum Beispiel in die römische Welt. Und gerade an einem Beispiele, das wir in einem andern Zusam­menhange schon angeführt haben, können wir am allerbesten sehen, wie der Christus als eine lebendige Macht tätig ist und seine spiri­tuellen Diener anführt, wenn es sich darum handelt, diejenigen Tatsachen zu bewirken, die einfließen müssen in die Entwickelung zum rechten Fortschritt der Menschheit.

Auf die Tatsache, die ich meine, möchte ich noch einmal hin­weisen. Im Jahre 312 unserer Zeitrechnung ist es geschehen, daß derjenige, durch den innerhalb des Römischen Reiches das Christen­tum zur Staatsreligion wurde, Konstantin, Sohn des Konstantius Chlorus, mit seinem Heere dem damaligen Beherrscher von Rom, Maxentius, gegenüberstand. Gewiß, so wie die beiden Heere sich gegenüberstanden, mußte man sagen: so ungünstig wie möglich standen die Bedingungen für Konstantin, denn sein Heer war fünf­mal kleiner als das des Maxentius. Wir können uns aber vorstellen, daß nach dem Stande der damaligen Kriegskunst in beiden Heeren ganz bedeutende Heeresleiter waren. Aber es kam gerade damals nicht auf Menschenkunst an, sondern darauf, daß dem fortfließen­den Christus-Impuls die Möglichkeit gegeben wurde, auf die auch von der damaligen Zeit geforderte Weise in die Menschheit einzu­greifen. Was man damals vom Christus-Impuls verstehen konnte, was die Herzen der Menschen vorn Christus-Impuls aufgenommen hatten aus dem damaligen Zeitbewußtsein heraus, davon können wir uns überzeugen, wenn wir uns anschauen, was ein paar Jahr­zehnte später sich um Rom und aus Rom vollzogen hat: wenn wir sehen, wie Julian, der Apostat, aus der ehrlichen Überzeugung des­sen, was man damals aus Menschenwissen gewinnen konnte, das Christentum bekämpft hat. Und wer sich auf die Art einläßt, wie Julian und die Seinigen das Christentum bekämpften, der wird sich sagen: Ganz gewiß, vom Menschenwissen aus waren Julian und seine Anhänger auf der Höhe ihrer Zeit; von diesem Standpunkte aus waren sie viel aufgeklärter als die Christen ihrer Zeit, trotzdem sie wieder zum Heidentum übergegangen waren. Von ihnen kann

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man sagen: sie vertraten, was man als Menschenwissen damals ver-treten konnte. Aber was Menschenwissen ist, das durfte nicht im Jahre 312 das Entscheidende sein, sondern es mußte die Möglich­keit gegeben sein, daß der Christus und seine Diener in die ge­schichtliche Entwickelung der Menschheit eingriffen. Aber wenn Maxentius und die Seinigen sich noch so sehr auf die Feldherrn­kunst der Ihrigen hätten stützen können wie auch auf das, was man sonst mit Menschenwissen und Menschenweisheit damals hätte erreichen können, und weiter nichts geschehen wäre, dann würde ganz zweifellos nicht das zum Vorschein gekommen sein, was da­mals hatte zum Vorschein kommen müssen. Was geschah also?

Was geschah, war folgendes: Der fortlaufende Christus-Impuls floß hinein in diejenigen Tätigkeiten der Seelen, die nicht im Be­wußtsein der Menschen lagen, von denen die Menschen nichts wuß­ten. Und er lenkte tatsächlich die Menschen so, daß das zustande kam, was zustande kommen sollte. Denn es wurde die Schlacht zwischen Konstantin und Maxentius, die am 28. Oktober 312 am Saxa Rubra stattfand, nicht entschieden durch Menschenkunst; son­dern sie wurde entschieden - so sehr sich auch die heutige Aufklä­rung dagegen sträuben mag, das anzuerkennen - durch Träume, das heißt, was man so «Tfäume» nennt, aber was sie für uns nicht sind. Denn alles dasjenige floß durch die Träume in die Seelen der beiden Feldherren hinein, was durch die menschliche Vernunft nicht in sie fließen konnte. Maxentius träumte vorher, daß er seine Stadt verlassen müßte. Er wandte sich auch noch an das Sibyllinische Orakel; das sagte ihm, er werde das, was geschehen sollte, erreichen, wenn er nicht innerhalb, sondern außerhalb der Stadt den Kampf wagen würde. Es war das Unklügste, was er hatte tun können, ins-besondere noch dadurch, daß sein Heer um so viel stärker war als das des Konstantin. Er hätte wissen müssen, daß er das, was er aus den höheren Welten bekam, erst hätte deuten müssen, und daß der Orakeispruch ihn irreführen würde. Konstantin wieder hatte einen Traum, der ihm sagte, er werde siegen, wenn er unter dem Zeichen Christi sein Heer in den Kampf führen würde, und so richtete er seine Taten dementsprechend ein. Was auf dem Umwege des Traumes

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in die Seelen hineinfloß, das ging in die Tat über, und das führte das herbei, was damals die Welt so verändert hat, so daß man nur ein wenig nachzudenken braucht, um sich zu sagen: Was wäre aus der Welt des Abendlandes geworden, wenn eben nicht übersinnliche Mächte in einer so anschaulichen Weise in die Ereig­nisse eingegriffen hätten?

Aber nun sehen wir uns die Ereignisse näher an. Seelen waren damals im Westen und Süden Europas inkarniert, die das Christen­tum annehmen sollten, die zum Träger des Christentums werden sollten. Durch ihren Verstand, durch ihre Vernunft konnten gerade die erleuchtetsten Seelen damals nicht dazu kommen, Träger des Christus-Impulses zu werden, weil die Zeit nicht dazu angebahnt war. Sie mußten durch das, was äußerlich um sie herum geschaffen worden ist, zum Christentum kommen. Man kann von diesen Men­schen sagen: sie zogen das Christentum gleichsam als ein Kleid an, und sie wurden gar nicht in ihrem tieferen Wesen allzu sehr davon ergriffen. Sie wurden mehr dienende Glieder, als daß sie unmittel­bar in ihrem tiefsten Wesen von dem Christus-Impuls wären ergrif­fen worden. So war es im Grunde genommen noch lange Zeit hin­durch mit den besten Seelen im westlichen Gebiet Europas, bis ins achte, neunte Jahrhundert hinein und noch weiter. Es war für sie nötig, das Christentum als ein Kleid anzunehmen, dieses Kleid des Christentums so zu tragen, daß sie es in ihrem Ätherleibe trugen und nicht in ihrem astralischen Leibe. Sie ermessen, was es bedeutet, wenn ich sage, sie trugen das Christentum im Ätherleibe. Das heißt, sie nahmen es so an, daß sie Christen waren im Wachzustande, daß sie das Christentum aber nicht mitnehmen konnten, wenn sie aus dem physischen und ätherischen Leibe heraus waren. Und so gingen sie auch durch die Pforte des Todes, daß wir von ihnen sagen kön­nen: sie konnten aus dern Reiche, das der Mensch durchzumachen hat zwischen Tod und neuer Geburt, hinunterschauen auf das, was sie in dern verflossenen Erdenleben waren. Aber die christlichen Impulse, die aus dern damaligen Leben hervorgingen, mitzunehmen für ihr weiteres Leben, das war ihnen damals nicht unmittelbar möglich. Sie trugen eben das Christentum mehr als ein Kleid.

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Merken wir uns für eine Betrachtung, die ich gleich nachher an­stellen will, diesen Zusammenhang: wie die Seelen das Christen­tum im äußeren Leben annahmen, und wie dieses Christentum nicht zu demjenigen gehörte, was die Seelen, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht, durch die geistige Welt hindurch mit hinüber-nehmen konnten, um sich zu einem neuen Erdendasein vorzuberei­ten. Merken wir uns, daß diese Seelen in ein neues Erdendasein nur so kommen konnten, daß sie das Christentum vergessen hatten. Denn man erinnert sich in einem späteren Erdenleben nicht bewußt an das, was man im früheren Leben als Kleid getragen hat. Wenn das der Fall wäre, brauchten unsere Gymnasialschüler das Grie­chische nicht wieder zu lernen, da viele von ihnen in Griechenland verkörpert waren; sie erinnern sich aber nicht an ihre griechische Inkarnation und müssen daher das Griechische neu lernen. Aber durch das Leben, das jene im Westen Europas inkarniert gewesenen Seelen durchgemacht hatten zwischen Tod und neuer Geburt, konn­ten sie das Christentum nicht forttragen, weil sie diese Impulse nicht innerlich verwoben hatten mit dern Ich und dern astralischen Leib. Das war das Eigentümliche, wie sich diese Seelen in spätere Verkörperungen hinüberlebten. Merken wir uns das, und betrachten wir nun eine andere Tatsache, auf die ich auch schon hingewiesen habe.

Wir wissen, daß die Zeit, in der wir jetzt leben, der fünfte nach atlantische Kulturzeitraum, hauptsächlich so um das fünfzehnte, sechzehnte Jahrhundert begonnen hat, damals, als sich für die euro­päische Welt das vorbereiten sollte, was vorzugsweise in unserer Zeit zur Entwickelung der Bewußtseinsseele führen sollte. Das ist ja das, um was es sich in unserm fünften Kulturzeitraum handelt. Was da bewirkt werden sollte, das mußte bewirkt werden im Hin­blick darauf, daß auch äußerlich im Erdendasein diejenigen Erden-verhältnisse eintraten, welche gerade dem Entwickeln der Bewußt­seinsseele günstig waren, jener Seele, die sich entwickeln kann, wenn sie sich hinlenkt auf das materielle Erdendasein, auf die äuße­ren Tatsachen des physischen Daseins. Das mußte beginnen, und das begann auch. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, wie der

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Gesichtskreis Europas über die Erde hin durch die großen Ent­deckungen und durch das, was sie im Gefolge hatten, erweitert wurde, so daß die Bewußtseinsseele sich vorzugsweise unter mate­riellem Einfluß entwickeln mußte. Wir brauchen dabei nur an eines zu denken, worauf wir auch hingewiesen haben: zur Entfaltung und Entwickelung der Bewußtseinsseele ist besonders berufen, einseitig berufen, was zum Gebiete der britischen Volksseele gehört. Und man kann sich kaum denken, wenn man alle Einzelheiten prüft, daß irgend etwas so planvoll vor sich gegangen war, wie dieses Hin-lenken der britischen Volksseele zu diesen materiellen Aufgaben des Lebens. Das lag im Bereiche der Entwickelung der Menschheit durchaus vorgezeichnet.

Stellen wir uns nun einmal vor, daß England im fünfzehnten Jahrhundert abgelenkt worden wäre von seinem Hinneigen gerade zu denjenigen Gebieten der Erde, auf die es durch die Entdeckung der großen außereuropäischen Gebiete hingelenkt worden war, und daß die britische Volksseele im fünfzehnten Jahrhundert dahin ge­kommen wäre, bedeutende Gebietserweiterungen auf dem euro­päischen Kontinent zu erleben. Stellen wir uns vor, daß also die Landkarte Europas in dieser Weise verändert worden wäre. Unmög­lich wäre es dann gewesen, erstens das zu erreichen, was eben auf dem Gebiete der materiellen Kultur erreicht werden mußte, und zweitens das zu erreichen, was in Europa erreicht werden mußte durch jene Verinnerlichung des Lebens, die unter mancherlei Hin­dernissen gerade von jenem Zeitpunkte an vor sich gegangen ist unter der Mitwirkung des ja doch durch die deutsche Mystik viel­fach beeinflußten Protestantismus. Griff aber der Christus-Impuls in die Entwickelung ein, so mußte er dafür sorgen, daß die briti­schen Interessen ferngehalten wurden von dem Gebiete, wo die Seelen noch vorbereitet werden sollten, um äußere, äußerliche Trä­ger des Christus-Impulses zu sein.

Der Christus-Impuls mußte einfließen in die Taten des euro­päischen Kontinentes. Er mußte so wirken, daß er viel mehr be­wirkte als das, was durch die Menschheit, durch ihre Menschheits­künste, geschehen konnte. Und was geschah?

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Das Wunderbare geschah, daß alles dasjenige, was diejenigen nicht haben leisten können, die auf der Höhe ihrer Zeit standen, das arme Hirtenmädchen von Orleans, Jeanne d'Arc, leistete. Da­mals war es wirklich der durch seinen michaelischen Diener in der Jeanne d'Arc wirkende Christus-Impuls, der verhinderte, daß Frankreich etwa mit England zusammenfließen würde, und der bewirkte, daß England auf seine Insel zurückgedrängt wurde. Und das Dop­pelte wurde damit erreicht: einmal, daß Frankreich die Hände in Europa frei behielt, was wir studieren können, wenn wir die folgen­den Jahrhunderte in Frankreichs Geschichte verfolgen, und daß dasjenige, was im französischen Volksgeiste noch lag, durchaus un­gehindert auf die europäische Kultur wirken konnte; und das andere, was erreicht wurde, war, daß England sein Gebiet angewiesen bekam außerhalb des europäischen Kontinentes. Diese Tat, welche so durch die Jeanne d'Arc hingestellt wurde, war nicht etwa bloß ein Segen für die Franzosen, sondern auch für die Engländer selbst, indem sie auf ihr Gebiet gedrängt wurden.

Wenn wir es aber im Zusammenhange betrachten mit dem, was dennoch im Fortschritt des Christus-Impulses auf der Erde liegt, so wurde durch die Tat der Jeanne d'Arc etwas bewirkt, von dem wir sagen können: Was sie davon mit einem wirklichen menschlichen Verstande verstanden hat, das ist gleich Null gegenüber dem, was der Karte von Europa die heutige Gestalt gegeben hat. So mußten eben die Ereignisse verlaufen, damit der Christus-Impuls in der rich­tigen Weise sich ausbreiten konnte. Da sehen wir, hereinbrechend in die geschichtlichen Ereignisse aus den unterirdischen Gr ünden der Menschennatur heraus, was der lebendige Christus ist; nicht der, den die Menschen verstehen. Denn wir können den Christus-Impuls in zweifacher Weise betrachten. Einmal können wir uns fragen: Was verstanden damals die Menschen von dem Christus-Impulse? Wenn wir die Geschichte aufschlagen und die Menschheitsgeschichte verfolgen, so finden wir in den verflossenen Jahrhunderten strei­tende Theologen, die alle möglichen Theorien verteidigen oder bekämpfen, die darzulegen versuchen, wie man die menschliche Freiheit, die göttliche Trinität und so weiter aufzufassen habe. Unzählige

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Theologen sehen wir so sich streiten, indem sie sich gegen­seitig als rechtgläubige Theologen anerkennen oder im anderen Falle verketzern. Daher sehen wir eine christliche Lehre sich aus­breiten, ganz nach den Möglichkeiten der damaligen Zeit. Das ist das eine. Aber darauf kommt es nicht an, ebensowenig wie es jetzt darauf ankommt, was die Menschen mit dem gewöhnlichen Ver­stande tun können. Sondern darauf kommt es an, daß der Christus unsichtbar unter den Menschen lebt als lebendiges Wesen und aus den unsichtbaren Gründen herauf in die Taten der Menschheit ein­fließen kann. Und das tat er an einer Stelle, wo er eben gar nicht einzufließen brauchte durch den menschlichen Verstand, durch die menschliche Vernunft, sondern wo er einfließen konnte durch die Seele einer «Unverständigen», durch die Seele der Jungfrau von Orleans. Und als er einfloß, wie verhielten sich da diejenigen, welche das Christentum als die offizielle Lehre begreifen konnten? Nun, sie fanden, daß sie den Träger des Christus-Impulses verbrennen muß­ten! Es hat einige Zeit gebraucht, bis diese offizielle Lehre zu einer anderen Ansicht gekommen ist. Für die offizielle Lehre mag das von seinem Wert sein, aber für die damaligen Ereignisse ist die Heilig­sprechung der Jungfrau von Orleans nicht gerade die rechte Repu­tation.

Das ist so recht eines der Beispiele, an denen wir sehen können, wie der Christus durch seine Diener - ich sagte, durch die Jungfrau von Orleans wirkte er durch seinen michaelischen Geist - in die Menschheitsentwickelung eingriff als lebendiges Wesen, nicht bloß durch das, was die Menschen von ihm verstehen. Aber wir können auch noch etwas anderes gerade an diesem Beispiel sehen. Das Chri­stentum war ja da. Die Leute nannten sich ja Christen, die gewisser­maßen herum waren um die Jungfrau von Orleans. Sie verstanden ja etwas unter ihrem Christentum. Aber man müßte von dem, was sie verstanden, sagen: Der, den ihr sucht, der ist nicht da, und der da ist, den suchet ihr nicht, denn den kennt ihr nicht. Trotzdem müssen wir uns klar sein, daß es wichtig, daß es wesentlich war, daß die Christus-Entwickelung auch in diesem äußerlichen Ge­wande, in dem sie dort auftrat, durch die Entwickelung von Europa

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ging. Seelen gehörten dazu, die eben in diesem äußeren Gewande das Christentum annehmen konnten, die es gleichsam äußerlich tragen konnten. Sie waren noch immer die Nachzügler derjenigen Seelen, die früher dort verkörpert waren, Seelen also, die den Christus noch immer nicht in ihr Ich aufnahmen, sondern immer noch nur in den Ätherleib aufnahmen. Und der große Unterschied zwi­schen der Jungfrau von Orleans und den andern war der, daß sie in die tiefsten Gründe ihres astralischen Leibes den Christus-Impuls aufnahm und von den tiefsten Kräften des astralischen Leibes aus für den Christus-Impuls wirkte. Gerade hier haben wir einen der Punkte, wo wir uns klarmachen können, was uns klar werden muß: den Unterschied zwischen der fortlaufenden Entwickelung der Völ­ker und der fortlaufenden Entwickelung der einzelnen mensch­lichen Individualitäten.

Wenn wir zum Beispiel die heutigen Franzosen betrachten, so leben natürlich innerhalb des französischen Volkes eine Anzahl menschlicher Individualitäten. Diese Individualitäten sind nicht etwa diejenigen, welche zum Beispiel in ihrer früheren Inkarnation innerhalb des Volkes gelebt haben, das da im Westen von Europa das äußere Kleid des Christentumes angenommen hat. Denn gerade dadurch, daß im Westen von Europa eine Anzahl von Menschen das Christentum als äußeres Kleid annehmen mußte, gingen diese Menschen so durch die Pforte des Todes, daß sie angewiesen waren, unter anderen Bedingungen im nächsten Leben in ihrem astralischen Leib und Ich mit dem Christentum vereinigt zu sein. Gerade da­durch, daß sie im Westen von Europa verkörpert waren, war für sie die Notwendigkeit gegeben, ihre nächste Verkörperung nicht in dem Westen von Europa zu haben. Es ist überhaupt sehr selten der Fall - selten sage ich, es braucht aber darum nicht immer so zu sein -, daß eine Seele aufeinanderfolgend in mehreren Inkarna­tionen etwa derselben Erdengemeinschaft angehört. Die Seelen gehen aus einer Erdengemeinschaft in die andere hinüber.

Aber ein Beispiel haben wir - ich sage das, ohne Sympathien oder Antipathien erregen zu wollen, noch um etwa jemandem schmei­cheln zu wollen -, ein Beispiel haben wir, wo Seelen in der Tat

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mehrmals durch ein und dasselbe Volkstum durchgehen. Das ist der Fall beim mitteleuropäischen Volke. Dieses mitteleuropäische Volk hat viele Seelen, welche heute darin leben, und die auch frü­her innerhalb der germanischen Völker verkörpert waren. Solcher Tatsache können wir nachgehen. Wir können sie oftmals mit den Mitteln der okkulten Forschung, wie wir sie bis jetzt haben, gar nicht völlig erklären; aber sie steht da. Eine solche Tatsache, wie sie zum Beispiel im öffentlichen Vortrag am letzten Donnerstag «Die germanische Seele und der deutsche Geist» gezeigt wurde, bekommt Licht, wenn wir wissen, daß Seelen wiederholt innerhalb der mitteleuropäischen Volksgemeinschaft erscheinen. Das ist die Tatsache, daß wir gerade innerhalb dieser Volksgemeinschaft ab­gerissene Kulturepochen haben. Man soll sich nur vorstellen, was es bedeutet, daß innerhalb der Morgenröte der germanischen Kultur es eine Epoche gegeben hat, wie sie da war bei den Dichtern des Nibelungenliedes, bei Walther von der Vogelweide und anderen; und man soll sich vorstellen, daß später eine Zeit begann, in wel­cher eine neue Blütezeit der germanischen Kultur einsetzte, und wo die erste Blüte ganz vergessen war. Denn zur Zeit, als Goethe jung war, wußte man sozusagen nichts von der ersten Blüte germani­schen Kulturlebens. Gerade weil die Seelen innerhalb dieser Volks­gemeinschaft wiederkehren, mußte vergessen werden, was schon einmal da war, damit die Seelen etwas Neues fanden, wenn sie wiederkehrten, und nicht unmittelbar an das anknüpfen konnten, was aus den früheren Zeiten geblieben war. Bei keinem andern Volke ist es so, daß gewissermaßen solche Metamorphose durch­gemacht worden wäre, wie beim mitteleuropäischen Volke: von jener Höhe, welche vorhanden war im zehnten, elften, zwölften Jahrhundert, zu jener andern Höhe, die wieder da war um die Zeit vom Ende des achtzehnten und Beginn des neunzehnten Jahrhun­derts und deren Fortwirken wir erhoffen dürfen. Von dem ersten zum zweiten Zeitpunkt geht kein fortlaufender Strom, was nur erklärlich wird, wenn wir wissen, daß gerade auf diesem Gebiete der Geisteskultur Seelen wiederkommen. Vielleicht hängt es auch mit dern zusammen, was ich Ihnen gegenüber schon einmal eine

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erschütternde Tatsache genannt habe: daß eben wirklich nur zu bemerken war bei den mitteleuropäischen Kämpfern der Gegenwart, daß sie, wenn sie durch die Pforte des Todes gehen, weitet mitkämpfen; daß, bald nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen sind, zu schauen ist, wie sie mitkämpfen. Daher kann man nach dieser Tatsache die schönsten Hoffnungen für die Zukunft haben, wenn man eben sieht, daß nicht nur die Lebendigen, im physischen Sinne Lebendigen, sondern auch die Toten, die Verstor­benen, mithelfen an dem, was geschieht.

Werfen wir nun die Frage auf: Wie ist es etwa mit denjenigen Seelen, die in den Zeiten, als das Christentum wie eine äußere Ge­wandung angenommen worden ist, namentlich in der Zeit des sech­sten, siebenten, achten, neunten Jahrhunderts in Westeuropa ver­körpert waren und dort, oder auch unter den Römern, das Christen­tum angenommen haben, es aber noch nicht vereinigen konnten mit ihrem astralischen Leib und ihrem Ich? Wie ist es mit diesen Seelen?

Ja, so grotesk es für die materialistisch denkenden Menschen der Gegenwart ist, so bedeutungsvoll werden die Lehren der Geistes­wissenschaft für das Leben, wenn man auf die konkreten Tatsachen eingeht. Das betrachten die Menschen noch als das Hirngespinst einiger närrischer Träumer, wenn man von wiederholten Erdenleben spricht. Man nimmt diese Idee nicht an; aber man findet es verzeihlich, nachdem ja auch der große Lessing in einer schwachen Stunde seines Lebens die Idee der wiederholten Erdenleben ange­nommen hat, wenn auch heute wieder davon gesprochen wird. Aber wenn wirklich eingegangen wird auf die Ergebnisse der okkulten Forschung, dann ist man kein Verzeihung erheischender Nart mehr für die Menschen der großen Aufklärung. Dennoch aber müssen wir eingehen auf einiges, was uns die okkulte Forschung gibt; denn dadurch erst kommt Licht hinein in das, was sonst die große Täu­schung bleiben muß.

Da ist das Merkwürdige, daß uns von den Seelen, die während der auslaufenden Römerzeit, als das Christentum allmählich Ein­fluß gewann und dann zur Staatsreligion wurde, damals im Westen

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lebten, jetzt eine ganz große Anzahl vom Osten entgegenkommt, Seelen also, die im Osten aufwachsen und unter den Kämpfern Rußlands sind. Ich sagte: merken wir uns die Tatsache, die wir vorhin anführten. Denn wir finden unter den Menschen, die im Osten getötet werden, die dort kämpfen oder gefangen genommen werden, solche Seelen, die in den letzten Römerzeiten im Westen Europas gelebt haben. Die kommen uns jetzt vom Osten entgegen, die damals das Christentum in den Ätherleib haben fließen lassen und die jetzt in den Leibern einer verhältnismäßig niedriger stehen­den Kultur, durch das eigentümliche Leben des Ostens, im Wach­zustande das Christentum so in ihre Seelen hereinnehmen, daß sie sich gefühlsmäßig, instinktmäßig mit ihm verbinden. Also gerade in ihren astralischen Leibern verbinden sie sich mit dem Christus-Impuls und holen dadurch dasjenige nach, was sie in ihren vorher­gehenden Inkarnationen nicht haben erreichen können. Das ist eine sehr merkwürdige Tatsache, die uns die okkulte Forschung in unseren Tagen zeigen kann. Unter den vielen erschütternden Tat­sachen, die, angeregt durch unsere Zeitereignisse, in das okkulte Feld hereintreten können, ist auch diese. Was können wir uns nun aus diesen Tatsachen klarmachen?

Wir müssen uns das Folgende klarmachen. Wir müssen uns erinnern, wie es im geraden Fortschritt des mitteleuropäischen Gei­steslebens liegt, das germanische Seelenleben ganz bewußt mit dem Christentum zu verbinden, es hinaufzuführen zu den Höhen einer geraden christlichen Kultur. Dazu sind ja die Strömungen, die Wege in wunderbarer Weise seit Jahrhunderten vorgezeichnet. Das sehen wir sich anbahnen. Gerade wenn wir unsere Zeit mit allen ihren Fehlern und Irrtümern in Betracht ziehen, da sehen wir, daß keim-haft veranlagt ist in der mitteleuropäischen Kultur, daß mit allen Kräften Vorbereitungen gemacht sind im deutschen Volksgeist, in der germanischen Volksseele, damit bewußt nun ergriffen werde der Christus-Impuls.

Das ist eine Tatsache von unendlich höherer Bedeutung noch als diejenige des fünfzehnten Jahrhunderts, als das Mädchen von Orleans Frankreich zu retten hatte, weil Frankreich damals eine

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bedeutende Mission hatte. Wir stehen also vor der bedeutsamen Tatsache, daß in der Zukunft der deutsche Geist dazu berufen ist, im vollen Wachzustande mit den Tatsachen, die in das deutsche Geistesleben eingeflossen sind, den Christus-Impuls immer bewußter aufzunehmen. Er mußte wirken, dieser Christus-Impuls, durch die Jahrhunderte so, wie wir stets gezeigt haben, indem er sich in den Seelen durch die unterbewußten Vorgänge ankündigte. Und er muß sich in der Zukunft mit den Seelen in der Weise verbinden, daß es Menschen gibt - die es in Mitteleuropa geben muß -, die im Wach zustande, unter Anstrengung ihrer bewußten Geisteskräfte, nicht nur derjenigen, die im physischen Leibe und Ätherleibe sind, auch ihr Ich und ihren astralischen Leib mit dem Christus-Impuls ver­binden. Wir sehen es bei den Besten angestrebt. Nehmen wir den Allerbesten: Goethe. Aber was bei Goethe als ein besonderes Bei­spiel angeführt werden kann, das liegt in allen Seelen, wenn sie es auch nur dunkel erstreben.

Wir sehen, wie Goethe den Repräsentanten der Menschheit, den Faust, hinstellt, den er streben läßt nach dem Höchsten. In die griechische Kultur hinein führt er ihn im zweiten Teile der Dich­tung, führt ihn hinein in alles, was Völker erleben, führt ihn so hinein, daß Faust in bedeutsamer Weise die Zukunft vorauslebt da, wo er Land dem Meere abringen und etwas begründen will, was ihm eine ferne Zukunft ist. Und wozu läßt er ihn zuletzt kommen? Goethe hat es selbst einmal in einem Gespräche zu Eckermann gesagt: er mußte die anschaulichen Vorstellungen des Christentumes zu Hilfe nehmen, um zu zeigen, wie Faust in die geistige Welt hinaufschwebt. Und wenn Sie das wunderbar schöne Bild nehmen, wie die Mater gloriosa Fausts Seele empfängt, so haben Sie das Gegenbild zu jenem, was Raffael angeregt hat zu seinem bekann­testen Bilde, der Sixtinischen Madonna: da bringt die jungfräuliche Mutter die Seele herab. Am Ende des sehen wir, wie die Jungfrau-Mutter die Seele hinaufträgt: es ist die Todes-Geburt der Seele. So sehen wir ganz bewußt aus dem Menschengeist heraus das intimste Streben, das, was aus dem Christentum zu erringen ist, sich immer so zu erringen, daß es durch die Todespforte hindurch hineingetragen

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werden kann in das Leben, das der Mensch nach der Vor­bereitung zwischen dem Tode und der nächsten Geburt in einem neuen Erdenleben durchlebt. Was wir so bei Goethe selbst sehen können, ist ein Charakterzug der deutschen Nation. Und an diesem können wir ermessen, welche Aufgabe für die Menschen da ist. Das ist die Aufgabe, und das können wir uns ganz klar vor die Seele hinschreiben: daß es zum wirklichen Segen des Menschheitsfort­schrittes nur werden kann, wenn nun in einem bestimmten Kreise ein harmonisches Verhältnis geschaffen wird zwischen Mitteleuropa und Osteuropa.

Man könnte sich denken, daß Osteuropa durch brutale Kraft sich ausdehnen könnte nach Westen hin, über Mitteleuropa. Man könnte sich denken, daß es dahin kommen könnte. Das würde aber genau dasselbe bedeuten, wie wenn im fünfzehnten Jahrhundert die Tat der Jeanne d'Arc nicht geschehen wäre und England damals Frank­reich annektiert hätte. Wenn es dahin gekommen wäre, das sagte ich ausdrücklich, so wäre damit etwas geschehen, was nicht nur zum Unheile Frankreichs gewesen wäre, sondern auch England zum Unheil gereicht hätte. Und würde jetzt die deutsche Geistes-kultur beeinträchtigt werden vom Osten herüber, so würde das nicht bloß die deutsche Geisteskultur schädigen, sondern auch den Osten mit. Das Schlimmste, was den Osten treffen könnte, wäre, daß er zeitweilig sich ausbreiten und die deutsche Geisteskultur schädigen könnte. Denn ich sagte: die früher in Westeuropa oder auf der italienischen Halbinsel verkörperten Seelen, die jetzt im Osten auf­wachsen, sie vereinigen sich in den unterbewußten Untergründen des astralischen Leibes wie instinktiv mit dem Christus-Impuls. Was aber der Christus-Impuls in ihnen werden soll, das kann er nie wer­den durch eine gerade Fortentwickelung dessen, was da instinktiv unter dem Namen des orthodoxen Katholizismus, der ja im wesent­lichen byzantinisch ist, in den Seelen lebt und der ein Name, nicht ein Impuls ist. Es ist ebenso unmöglich für ihn, das zu werden, was er werden soll, wie es unmöglich ist, daß eine Frau ohne einen Mann ein Kind haben könnte. Und wenn aus dem Osten selbst heraus, wie er jetzt ist, etwas werden soll, so gliche das dem törichten

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Bestreben, wie wenn eine Frau ohne einen Mann ein Kind bekom­men wollte. Was im Osten sich vorbereitet, das kann nur dadurch etwas werden, daß in Mitteleuropa in kräftiger Weise, bewußt - das heißt im vollen Wachzustande - aus dem, was die Seelen aus der Ich-Natur heraus erstreben, die menschliche Ich-Kraft und die menschlichen Erkenntniskräfte verbunden werden mit dem Christus­Impuls. Nur dadurch, daß der deutsche Volksgeist Seelen findet, welche so den Christus-Impuls in den astralischen Leib und in das Ich hineinverpflanzen, wie er hineinverpflanzt werden kann eben im vollen Wachzustande, nur dadurch kann für eine Kultur der Zu­kunft das entstehen, was entstehen muß. Und es muß entstehen durch eine Harmonisierung, durch eine Verbindung mit dem, was in Mitteleuropa bewußt, immer bewußter und bewußter erreicht wird.

Dazu werden nicht nur ein, zwei Jahrhunderte, sondern noch lange Zeiten notwendig sein. So lange Zeiten werden dazu gehören, daß ungefähr gerechnet werden kann, ich will sagen, vom Jahre vierzehuhundert an etwa zweitausendeinhundert Jahre. Rechnet man zum Jahre vierzehuhundert zweitausendeinhundert Jahre hinzu, dann bekommt man den Zeitpunkt, der annähernd in der Erdenentwicke­lung das erscheinen lassen wird, was sich keimhaft veranlagt hat im deutschen Geistesleben, seit es ein solches Geistesleben gibt. Daraus aber ersehen wir, daß wir hinblicken müssen auf eine Zu­kunft von nicht nur Jahrhunderten, sondern von mehr als einem Jahrtausend, in welchem der mitteleuropäische, der deutsche Volks­geist seine Aufgabe hat, seine Aufgabe, die schon daliegt und die darin besteht, daß immer mehr und mehr solche Pflege des Geistes­lebens da sein muß, durch welche im Wachbewußtsein aufgenommen wird - bis in den astralischen Leib und das Ich hinein - das Ver­ständnis dessen, was früheren Zeiten unbewußt, lebendig als der Chnstus-Impuls durch die europäischen Völker gegangen ist. Wenn aber die Entwickelung diesen Gang nehmen wird, dann kann nach und nach durch das Hinaufranken zu dem, was in Mitteleuropa also erreicht wird, im Osten diejenige Stufe erstiegen werden, die dort vermöge der besonderen Veranlagungen erstiegen werden kann.

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Das ist der Wille der Weltenweisheit. Diesen Willen der Welten-weisheit interpretieren wir nur dann im richtigen Sinne, wenn wir uns sagen: Das größte Unglück auch für den Osten Europas wäre es, wenn er diejenige geistige Macht schädigen würde, an der er sich gerade hinaufranken muß, die er gerade verehrend, freund­schaftlich verehrend hegen und pflegen müßte. Er muß eben noch dazu kommen. Vorläufig fehlt ihm noch sehr, sehr vieles dazu; gerade den Besten fehlt dort noch sehr vieles dazu. In ihrer Kurz­sichtigkeit lassen sie sich noch immer nicht ein auf das, was gerade das mitteleuropäische Geistesleben dem Osten geben kann.

Ich habe das im ersten öffentlichen Vortrage hier in Berlin bereits auseinandergesetzt. Sie können am heutigen Abend sehen, welche tieferen okkulten Gründe hinter dem liegen, was ich im öffentlichen Vortrage nur äußerlich, exoterisch habe sagen können. Aber das ist ja immer so, daß berücksichtigt werden muß, daß im öffentlichen Vortrage in den Formen zu sprechen ist, die dem Verständnis der Zuhörer naheliegen, und daß die eigentlichen Impulse, warum dieses gesagt, jenes ausgelassen wird, warum dieser oder jener Zusammen­hang gesucht wird, bei den okkulten Tatsachen liegen. Aber jeden­falls kann aus dem, was heute auseinandergesetzt worden ist, das ersehen werden: wenn wir so äußerlich die Dinge überschauen, dann bieten sie uns die große Täuschung, die Maja dar. Nicht als ob die Außenwelt an sich eine Täuschung wäre, das ist sie nicht; aber sie wird erst für uns verständnisvoll, wenn wir sie mit den Tatsachen, die aus der geistigen Welt kommen, beleuchten. Und für unseren Fall können uns die Tatsachen, die aus der geistigen Welt fließen, zeigen, daß es notwendig ist, daß heute Mitteleuropa eben­sowenig überwältigt werden darf von Osteuropa, wie Frankreich nicht überwältigt werden durfte von England im Jahre 1429/1430. Selbstverständlich zeigt das, was angeführt worden ist, daß im Osten Europas gar nicht verstanden werden kann, um was es sich handelt, sondern daß es im Grunde genommen nur in Mitteleuropa verstan­den werden kann und daß wir dies also begreiflich finden müssen. So daß wir in aller Demut, ohne alle Überhebung diese unsere Auf­gabe ins Auge zu fassen haben und daß wir es verständlich finden

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müssen, wenn man uns mißversteht. Ganz verständlich müssen wir es finden. Denn was sich im Osten vorbereitet, das kann eben im Osten selber erst in der Zukunft richtig verstanden werden.

Das ist das eine, was sich aus unseren Betrachtungen ergibt. Das andere ist das, daß wir den großen Übergang in der Menschheits­entwickelung für unsere Zeit gerade durch solche Dinge ins Auge fassen - wir haben ihn schon früher von den verschiedensten Seiten aus ins Auge gefaßt -, daß wir sehen können, wie dasjenige, was durch das Mysterium von Golgatha in die Erdenentwickelung der Menschheit eingeflossen ist, in unserer Zeit von denen, die es kön­nen nach dieser Inkarnation, bewußter und immer bewußter erfaßt werden muß. In den Zeiten des Konstantin oder der Jeanne d'Arc zum Beispiel wäre es unmöglich gewesen, daß der Christus-Impuls bewußt hätte bewirken können, was er unbewußt wirken mußte. Aber einmal muß die Zeit kommen, in welcher er ganz bewußt wirken kann. Deshalb bekommen wir durch die Geisteswissenschaft das, was wir immer bewußter und bewußter in unsere Seelen auf­nehmen können. Auch da dürfen wir - wirklich ohne sich wegen der Sympathien oder Antipathien, die etwa entstehen können, zu erregen und ohne irgendwie jemandem schmeicheln zu wollen -auf eine Tatsache hinweisen. Und besser ist es ja immer, sich seine Meinungen nach Tatsachen zu bilden als nach dem, wonach sie heute vielfach gebildet werden. Denn wenn wir heute ein wenig hinausschauen in die Welt, so sehen wir, daß die Meinungen wahr­haftig nicht immer nach Tatsachen, sondern nach Passionen, nach nationalen Leidenschaften gebildet werden. Aber man kann sich die Meinungen, die zur menschlichen Seelengesinnung werden, auch nach Tatsachen bilden.

Während wir in Anatole France einen Menschen haben, der vom aufklärerischen materialistischen Standpunkt der Gegenwart auf die Jeanne d'Arc hinblickt, ist es dern deutschen Geistesleben seit Schillers großer Tat natürlich, das Mädchen von Orleans aus dem Milieu des Übersinnlichen heraus zu begreifen. Selbst innerhalb Deutschlands gibt es noch Menschen, die das als einen großen Fehler Schillers betrachten; aber diese Menschen sind die Literarhistoriker,

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und bei denen ist es zu begreifen. Denn ihre Aufgabe ist es ja, die Literatur und die Kunst zu «verstehen> - und deshalb können sie es nicht. Aber was wesentlich ist: wir haben dieses Werk, das es unternimmt, aus den Untergründen des spirituellen Lebens heraus wie in Glorie auferstehen zu lassen die Gestalt, von der Schiller sagt: «Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabne in den Staub zu ziehn.>

So haben wir gerade an dieser Anerkennung des Eingreifens des Christus-Impulses in eine menschliche Persönlichkeit, da wo es nicht unser Volk selbst betrifft, eine Tatsache, die uns Vertrauen em­flößen kann zu dem, was ich im öffentlichen Vortrage ausgeführt habe: daß man sehen kann im deutschen Geistesleben, daß es in der Art, wie es sich entwickelt hat, hintendiert nach der Spiritualität, nach der Geisteswissenschaft und daß es zu seiner besonderen, nicht ausschließlichen Aufgabe gehört, dasjenige, was im deutschen Gei­stesleben durch die Jahrhunderte errungen und angestrebt worden ist, hinaufzuführen zu der Geist-Erkenntnis. Und dieser Aufgabe, welche die Seelenaufgabe des deutschen Volkes ist, müssen die anderen Aufgaben dienen, die gleichsam leibliche Ausgestaitungen dieser Seelenaufgabe sind, müssen ihr zur Hand gehen. Und was durch die Weltenweisheit geschehen muß, das wird geschehen. Aber notwendig ist, was schon einmal vorgebracht worden ist, daß, wenn wir heute in einer Art von Dämmerung leben, sich eine wirkliche Sonnenzeit für die Zukunft entwickeln wird. Dazu ist aber nötig, daß es Menschen geben wird in der Zukunft, die ihren Zusammen­hang haben werden mit den geistigen Welten, damit der Boden, der zubereitet wird mit dem Blut und dem Leid so vieler, nicht umsonst zubereitet worden ist. Denn dadurch, daß Seelen da sind, die ihren Zusammenhang mit den geistigen Welten in sich tragen können, wird gerechtfertigt - und wäre es das Greulichste, das Furchtbarste, das Schreckenerregendste - alles, was geschieht, wenn die mitteleuropäische Mission im Geistesleben erreicht wird. Das aber wird davon abhängen, daß einzelne Seelen, die durch ihr Karma an dieses Geistesleben herankommen können, sich damit durchdringen und dann, wenn wieder die Sonne des Friedens leuchten

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wird über die Gefilde Mitteleuropas, Geisteserkennen, Geistes-erfühlen in sich tragen. Dann wird durch die Hinneigung einiger Seelen, denen es durch die jetzige Inkarnation möglich ist, dasjenige sich vollziehen können, was ich in diese Worte zusammenziehen möchte, darin zusammenfassend, was ich zu Ihnen sprechen wollte, damit wir uns die Devise in die Seelen schreiben, unter welcher Seelen in rechter Weise demjenigen entgegenwachsen können, was aus unserer schweren Zeit werden kann:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

FÜNFTER VORTRAG Berlin, 19. Januar 1915 Das Wesen des Christus-Impulses und seines dienenden michaelischen Geistes II

#G157-1960-SE088 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Berlin, 19. Januar 1915

Das Wesen des Christus-Impulses und seines

dienenden michaelischen Geistes

II

#TX

Es scheint in bezug auf den Spruch, der eben gesprochen worden ist, * nicht überall Klarheit zu herrschen, wie mir mitgeteilt worden ist. Ich bemerke ausdrücklich, daß die rechte Lesung ist: « Geister eurer Seelen.» Der Spruch ist so eingerichtet, daß er sowohl ge­braucht werden kann, wenn viele für einen, als auch, wenn einer für viele, oder viele für viele - wie wir es jetzt eben gemacht haben - den Spruch anwenden. Wenn er sich auf einen bezieht, ist dann nur das zu ändern, daß man sagt: «Geist deiner Seele, wirkender Wäch­ter» und so weiter. Es scheint, daß ich mich das erstemal, als ich vor Wochen hier den Spruch gebraucht habe, versprochen habe, so daß die Meinung hat entstehen können, als ob die Worte «Gei­ster eurer Seelen» nicht ganz richtig wären. Sie sind aber doch so richtig. Es ist die erste Zeile gleichsam eine Ansprache an die Gei­ster der schützenden Seelen; und mit dem Worte «eurer» sind die­jenigen gemeint, auf die man die Gedanken dabei hinrichtet, wäh­rend man in der zweiten Zeile das «eure» auf die «Wächter» hin-lenkt. Ich bemerke, daß solche Sprüche immer von dem Charakter sind, der manchmal dem rein grammatischen Bau Schwierigkeiten macht, daß sie aber eben aus der geistigen Welt heraus gegeben sind zu dem Ziele, dem sie dienen sollen, und es handelt sich darum, daß bei solchen Sprüchen zuweilen die Worifügung etwas Schwie­rigkeiten macht.

Meine lieben Freunde, es war wohlerwogen und außerdem den Aufgaben unserer Zeit im spirituellen Sinne entsprechend, daß wir vorgestern den Blick auf Erscheinungen innerhalb der Menschheits-entwickelung wendeten, die uns zeigen, wie die spirituellen, die

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* Siebe Seite 11

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geistigen Impulse - namentlich diejenigen, die sich ankhüpfen an das Mysterium von Golgatha, an den Christus-Impuls -, wie diese Impulse als lebendige in der Menschheitsentwickelung leben, wie sie in der Menschheitsentwickelung gelebt haben, auch ohne daß die Menschen mit ihrem Verstande, mit ihrer Vernunft dieses Wesen des Christus-Impulses einsehen konnten. Und es war der Sache ent­sprechend, hinzudeuten neben anderen Erscheinungen namentlich auf diejenige der Jungfrau von Orleans, durch welche dieser Chri­stus-Impuls durch seinen dienenden michaelischen Geist in der Zeit des fünfzehnten Jahrhunderts eine große Aufgabe gelöst hat zum Heile und zum Fortschritt der Menschheit Es war aus dem Grunde ganz besonders notwendig, auf diese Tatsache hinzuweisen, weil es ja selbstverständlich auch für unsere Zeit gilt, daß alles, was die großen Zusammenhänge regeln soll, aus den spirituellen Welten heraus geordnet und geregelt wird, und daß wir uns bewußt sein müssen, daß uns die Kräfte, die Impulse zu dem, was geschehen soll, aus den spirituellen Welten kommen. Also in dieser Beziehung gilt heute dasselbe, was - wenn wir so sagen dürfen - zur Zeit der Jungfrau von Orleans gegolten hat. Aber die Zeiten sind verschie­den. Und das, was zur Zeit der Jungfrau von Orleans in einer gewissen Weise hat geschehen können, das muß für unsere Zeit und für die folgenden Zeiten in einer andern Art sich vollziehen, muß anders verlaufen. Denn unsere Zeit ist seither eine ganz andere geworden. In ganz anderer Weise wird die Menschheit seit dem fünfzehnten, sechzehnten Jahrhundert, vor welchen ja das Ereignis der Jungfrau von Orleans liegt, geführt. Und auf diesen Unterschied und dadurch besonders auf den Grundcharakter unserer Zeit wollen wir heute einmal etwas hinweisen.

Wenn wir mit unserer Seele in dem Zustande zwischen Ein-schlafen und Aufwachen sind, so sind wir ja mit unserer eigent­lichen Wesenheit außerhalb unseres physischen Leibes und unseres Ätherleibes. Wir leben dann schlafend in unserem astralischen Leibe und in unserem Ich. Wir müssen uns das ganz deutlich vor­stellen, daß wir mit dem, was wir eigentlich sind, dann außerhalb unseres Leibes sind. Wir sind zunächst, weil wir ja zwischen Geburt

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und Tod in einer außerordentlichen Weise an unseren Leib gebun­den sind, räumlich nicht sehr weit entfernt von unserem Leibe; wir sind gewissermaßen mit unserem Seelischen ausgebreitet in unserer Umgebung, aber in alle dem, was eben die Eigentümlichkeit unserer Umgebung ist.

Nun machen wir uns einmal klar, wie - wenigstens für die weit­aus größte Zahl derjenigen Menschen, die bei den Geschicken der Gegenwart in Betracht kommen - unsere Umgebung sich gerade seit den letzten Jahrhunderten, seit dem fünfzehnten, sechzehnten Jahrhundert verändert hat. Man braucht sich nur vorzustellen, was von den Maschinerien der Gegenwart, von den Mechanismen der Gegenwart zur Zeit, als die Jungfrau von Orleans wirkte, vorhan­den war. Wir können geradezu sagen, seit jener Zeit hat sich in mechanischer Beziehung die Erde vollkommen verändert, denn alles, was wir an Maschinen erleben, ist erst nachher gekommen. Die­jenigen von Ihnen, die einmal aufmerksam nachts in einem Schlaf­wagen gefahren sind, können eine merkwürdige Erfahrung gemacht haben, die Erfahrung, daß im Aufwachen - und man kann ja bei einer solchen Gelegenheit recht oft aufwachen - etwas nachrumpelt von dem, was ringsherum in der Maschinerie des Zuges ist, und daß gewissermaßen im traumhaften Aufwachen etwas vernommen werden kann von diesem Gekrächze und Gequietsche des Zuges oder des Dampfschiffes, wo man dann ist, wenn man aufwacht. Das kommt davon her, daß unsere Seele eigentlich nicht in unserem Leibe, sondern in der Umgebung des Leibes ist und hineinversetzt ist in diese Mechanismen.

Nun sind wir nicht nur bei so außerordentlichen Gelegenheiten in das ganze Getriebe unserer Zeit hineinversetzt, sondern man darf sagen: das maschinelle Leben erstreckt sich ja in der heutigen Zeit auch hinaus auf das Land, und wir sind im Grunde genommen immer in dieses maschinelle Leben der Zeit hineinversetzt. Unsere Seele im schlafenden Zustande geht auf in alles, was Mechanismen sind. Solche Mechanismen haben wir aber auferbaut. Ein Mecha­nismus, den wir auferbaut haben, ist aber etwas ganz anderes als die Natur draußen, die auferbaut ist von den Elementargeistern.

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Draußen, wenn wir zum Beispiel im Walde sind, wo alles auf­gebaut ist von den Naturgeistern, da sind wir in einer ganz anderen Umgebung, als wenn wir in der Umgebung der Mechanismen sind, die wir auferbaut haben. Denn was tun wir, indem wir das, was wir der Natur entnehmen, mechanisch zusammenfügen in unserem Leben zu Maschinen und Geräten? Da fügen wir nicht nur die Teile der Materie zusammen. Sondern dadurch, daß wir Teile der Materie zusammenfügen, geben wir jedesmal Gelegenheit, daß ein ahri­manisch-dämonischer Diener sich mit der Maschine vereinigt. Bei jeder Maschine, bei jedem Mechanismus, bei allem, was in dieser Beziehung zum heutigen Kulturleben gehört, vollziehen wir das, daß wir dämonischen Elementargeistern, den ahrimanischen Natu­ren angehörenden Dienern den Ausgangspunkt geben. Und indem wir in dieser Umgebung der Maschinen leben, leben wir dann zu­sammen mit diesen dämonisch-ahrimanischen Elementargeistern. Wir durchdringen uns mit ihnen; wir durchdringen uns nicht nur mit dem Gequietsche und Geknarre der Mechanismen, sondern auch mit dem, was im eminentesten Sinne für unseren Geist, für unsere Seele etwas Zerstörendes hat.

Wohl gemerkt - ich habe bei ähnlichen Gelegenheiten oftmals eine ähnliche Bemerkung gemacht -, es soll das, was ich sage, nicht eine Kritik unseres ahrimanischen Zeitalters sein. Denn das muß so sein, daß wir überall Dämonen hineinströmen lassen und uns von ihnen umgeben lassen. Das liegt in der Entwickelung der Menschheit. Und weil wir es einfach als notwendig anerkennen müssen, deshalb werden wir, wenn wir den eigentlichen Impuls der Geisteswissenschaft verstehen, nun nicht etwa ein Lob anstim­men auf die, welche da sagen: Also muß man sich möglichst schüt­zen vor den Dämonen und die Kultur fliehen, muß sich möglichst in der Einsamkeit eine Kolonie erbauen, so daß man nichts mit diesen dämonisch-ahrimanischen Elementargeistern zu tun hat. Das ist nie der Tenor gewesen, den ich bei meinen Ausführungen an-geschlagen habe, sondern ich habe immer gesagt, daß das, was die Notwendigkeit der Entwickelung über uns bringt, voll hingenom­men werde, daß man sich nicht zur Flucht vor der Welt dadurch

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verleiten läßt. Aber ins Auge gefaßt, verstanden muß es werden, daß unser Zeitalter dazu angetan ist, daß wir unsere Umgebung immer mehr mit dämonischen Naturen durchdringen, daß wir im­mer etwas zu tun haben mit dem, was unsere Kultur mechanisiert. Ein solches Zeitalter erfordert etwas ganz anderes, als jenes Zeit-alter erfahren hat, aus dem die Jungfrau von Orleans zu ihrer Wirk­samkeit berufen worden ist. Dieses Zeitalter der Jungfrau von Orleans forderte, ich möchte sagen, daß aus den sanftesten, den subtilsten Kräften der Menschenseele herausgeboren wurde der Im­puls, aus dem die Jungfrau von Orleans wirken sollte, aus den sanf­testen Kräften der Seele. Man bedenke: ein Hirtenmädchen war sie, also umgeben von der einfachsten, idyllischsten Natur. Früh kam es über sie in Gesichten, so daß sie durch die Imaginationen, die ihr gegeben waren, den unmittelbaren Zusammenhang mit der geistigen Welt hatte. Alles sollte sie aus ihrem Innern herausbrin­gen, aus ihrem Innern heraussprießen lassen, was sie zur Grund-lage ihres Wirkens haben sollte. Ja, nicht nur das, sondern die ganz besonderen Umstände mußten herbeigeführt werden, um in ihre Seele, in ihr intimstes Inneres hinein durch die zartesten Kräfte, welche die menschliche Seele hat, ihre Mission zu prägen.

Wir wissen ja, daß in der Welt alles zyklisch vor sich geht, daß sich die Dinge so abspielen, daß sich nach bestimmten Zyklen wichtige Ereignisse ergeben. Wenn wir das Geburtsjahr - 1412 -der Jungfrau von Orleans nehmen, so können wir uns da eine be­Stimmte Frage stellen. Wir können sagen: das Geburtsjahr dieser Jungfrau von Orleans hat selbstverständlich die Sonne an einem bestimmten Ort - astronomischen Ort - gesehen, bedeckend eines der Sternbilder des Tierkreises. Ein wichtiger Zeitabschnitt verläuft nun, indem die Sonne von einem solchen Sternbilde zum nächsten weiterschreitet. Indem sie ganz im Tierkreis herumgeht, geht sie durch die zwölf Sternbilder; aber ein wichtiger Zeitraum von unge­fähr 2160 Jahren verläuft, wenn die Sonne von einem Sternbilde des Tierkreises zum andern geht, also ein Sternbild weit vorrückt. Wenn wir nun von der Geburt der Jungfrau von Orleans ungefähr 2160 Jahre zurückgehen, so kommen wir zur Gründung Roms.

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Wenn man zur Zeit der Gründung Roms über wichtige Angelegen­heiten des eben sich begründenden Roms Aufschluß erhalten wollte, dann begab man sich zur Nymphe Egeria; da konnte man Auf­schluß erlangen, von einer Seherin Aufschluß erlangen. Das war aber, wie gesagt, einen Sonnenzyklus zurück. So erneuern sich die Zeiten, und so beruht alles auf zyklischen Vorgängen. Also, wenn wir uns vorstellen: die Sonne stand an einem bestimmten Punkte des Sternbildes des Widders zur Zeit der Gründung Roms, sie schreitet dann fort, schreitet bis zu den Fischen hin, so daß sie damit ein Zwölftel des Tierkreises vorgeschritten ist, so kommen wir durch den Zyklus, der notwendig in der Entwickelung der Menschheit vor sich gehen muß, von der Nymphe Egeria zu der inspirierten Tat der Jungfrau von Orleans. Aber im alten Rom haben wir es zu tun mit heidnischer Inspiration, mit heidnischen Taten. Wenn wir uns vorstellen, daß dasselbe Seherische, das zur Zeit der Gründung Roms wirksam war, in einem christlichen Zeit­alter wirken sollte, und von innen heraus durch die zartesten menschlichen Kräfte wirken sollte, was mußte dann geschehen? Sie können sich vorstellen, daß etwas geschehen mußte, was wieder mit den intimsten, mit den feinsten Kräften des Christentums irgendwie zusammenhängt.

Nun werden sich die meisten von Ihnen erinnern, daß ich öfter auseinandergesetzt habe, wie das Jahr in seinem Verlaufe verschie­den ist in bezug auf die Kräfte, durch die man mit den geistigen Welten zusammenhängt. Im Sommer, zu Johanni, wenn die Son­nenstrahlen die größte äußere Kraft haben, dann kann man viel-leicht durch äußere Ekstase, wie es in den alten keltischen Mysterien der Fall war, zu irgendeinem, ebenso auch ekstatischen Aufsteigen zur geistigen Welt kommen. Da aber, wo die Tage am kürzesten sind, wo die Sonnenstrahlen ihre geringste äußere Kraft haben und die Winternächte die finstersten sind, um die Weihnachtszeit also, da ist auch die Möglichkeit gegeben, im intimen Seelenleben sich zu den geistigen Welten durchzuringen. Daher haben alle die, welche von diesem Zyklus des Jahres etwas gewußt haben, immer mit Recht behauptet, daß man, wenn man dazu veranlagt ist, in den

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Tagen vom 21., 23. Dezember bis etwa zum 6. Januar - in diesen Tagen und insbesondere in diesen Nächten - das Intimste des Zu­sammenhanges mit den geistigen Welten erleben kann. Legenden gibt es - hier ist einmal die Legende von Olaf Ästeson aus Nor­wegen vorgelesen worden -, die zeigen, wie die Menschen in diesen Tagen ihre tiefste Inspiration gehabt haben. Das hängt wieder da­mit zusammen, daß um diese Zeit das Weihnachtsfest gefeiert wird, die Geburt des Geistes, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist, der mit den intimsten Kräften der menschlichen Seelenentwickelung zusammenhängt. Sollte also die Inspiration des alten heidnischen Roms wieder auferstehen, einen Sonnenzyklus darnach, 2160 Jahre darnach, so mußte die Inspiration den Weg nehmen durch das Allerallerkindlichste des Menschen. Das heißt, es mußte die Seele der Jungfrau von Orleans da angepackt werden, wo die Seelen am tiefsten angepackt werden, wo sie gegenüber dem Irdischen am schwächsten sind, und wo der Christus-Impuls noch nicht durch irdische Eindrücke gehindert wird, weil die Seelen noch nicht das Irdische ergriffen haben, und er so allein in das Seelische hineindringen kann. Es wäre also die günstigste Zeit gewesen, wenn die Jungfrau von Orleans unmittelbar vor ihrer Geburt, bevor sie den ersten Atemzug getan hat, noch die Zeit der dreizehn Nächte im Leibe der Mutter durchgemacht hätte. Das hat sie! Denn sie ist am 6. Januar geboren.

Daran sehen wir, wie die tieferen Kräfte, die aus den geistigen Welten hereindringen in unsere physische Welt, wirken, wie sie sich die Wege suchen, die geheimnisvollsten Wege. Für den, der in solche Zusammenhänge hineinsieht, kann es nichts Wunderbareres und aus der Geisteswissenschaft heraus Erklärlicheres geben, als daß die Jungfrau von Orleans den ersten physischen Atemzug tut um die Weihnachtszeit, am 6. Januar, nach der Weihnachtszeit, die sie noch durchgemacht hat, bevor sie den physischen Plan betreten hat. So sehen wir, daß die, welche mit neunzehn Jahren durch den Tod gegangen ist, angefaßt wurde da, wo des Menschen zarteste Kräfte, des Menschen intimste Kräfte liegen, und daß wir damit in die Zeit blicken, in welcher es notwendig war, daß die göttlich-geistigen

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Kräfte sich einen Weg suchten durch die intimsten Intimitäten der menschlichen Seele. Das war aber eben die letzte Zeit, in der so etwas sein sollte. Es war die Zeit, in der durch den Christus-Impuls Europa geordnet worden ist, wie ich es das letztemal angedeutet habe, und in der es in jener wunderbaren Weise geschah, wie es eben durch die Jungfrau von Orleans geschehen ist. Aber es ist die Zeit eben seither anders geworden. Die Zeit ist heute nicht dazu da, daß in so intimer Weise die göttlich-geistigen Kräfte an die mensch­liche Seele herantreten.

Was war eigentlich die Aufgabe der Jungfrau von Orleans, wenn wir eine Begleiterscheinung ins Auge fassen, eine Begleiterscheinung ihres ganzen Lebens? Von innen aus wurde sie angepackt mit den Kräften der göttlich-geistigen Welt. Was diese Kräfte in der Seele antrafen, waren die luziferischen Kräfte. Diese luziferischen Kräfte waren in der damaligen Zeit mächtig und stark. Durch das, was die Jungfrau von Orleans in sich trug, wurde sie die Besiegerin der luzi­ferischen Kräfte. Sie wurde diese Besiegerin der luziferischen Kräfte für jeden, der sehen will, ganz sichtlich. Wir haben auf ihre wunder­bare Geburt einen Blick geworfen und haben gesehen, wie sie gewis­sermaßen die unbewußte Initiation durchmachte bis zum Tage der Epiphanien, bis zum Tage der sogenannten Offenbarung Christi. Wir können aber auch auf ihren Tod hinweisen, der dadurch ein­getreten ist, daß alle luziferischen Kräfte ihrer Feinde sich zusum­mengetan und diesen Tod herbeigeführt hatten. Ihr Unglück in einer Schlacht wurde herbeigeführt durch die Eifersucht derjenigen, die als offizielle Leiter diese Schlacht zu lenken hatten. Dann aber tat sich alles auf, was eifersüchtig war auf solche Offenbarungen geistiger Kräfte und geistiger Mächte, wie sie durch sie zur Erschei­nung kamen. Man machte ihr den Prozeß. Die Prozeßakten sind vorhanden, und es kann jeder durch das Studium dieser Prozeßakten

- wenn er nicht gerade so vernagelt ist wie Anatole France - sehen, daß diese Jungfrau von Orleans, so wie sie auf eine wunderbare Weise, durch die dreizehn Nächte, in die physische Welt herein­gekommen ist, auch aus ihr hinausging. Denn in den Prozeßakten steht es, es kann also historisch belegt werden, daß sie gesagt hat,

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daß sie zwar sterben werde, aber die Engländer werden nach ihrem Tode eine viel größere Schlappe erleiden, als sie vorher erlitten haben, und innerhalb der nächsten sieben Jahre werde es geschehen. -Wenn wir solches im richtigen spirituellen Sinne verstehen, so bedeutet es nichts anderes, als daß die Seele der Jungfrau von Orleans, als sie durch die Pforte des Todes ging, ihre Bereitschaft erklärt hat, auch mitzuarbeiten an der weiteren Gestaltung der Er­eignisse nach ihrem Tode, in jeder Form ihres Daseins daran mitzu­arbeiten. Das hat sie getan! Was die geistigen Kräfte auszuführen haben, das geschieht, wie auch die äußeren Verhältnisse sich gestal­ten. Den physischen Tod herbeiführen, also sozusagen die stärkste Attacke ausführen, das konnten die Gegner der Jeanne d'Arc ihr gegenüber; ihre Mission verhindern konnten sie nicht.

In jener feinen Art, in der die Kräfte der Jeanne d'Arc wirkten, konnten sie aber nur wirken in ihrer Zeit. In allem, was sie tat, hatte sie die luziferischen Kräfte gegen sich. Wir in unserer Zeit haben es auch mit gegnerischen Kräften zu tun, aber vorzugsweise mit ahrimanischen Kräften, mit jenen ahrimanischen Kräften, die durch das materialistische Zeitalter heraufgekommen sind und die sich schon im äußeren Gefüge unseres ganzen Zeitalters zeigen, wenn wir die Mechanismen, das Mechanische unseres Zeitalters ins Auge fassen, wenn wir bedenken, daß wir im Grunde genommen, indem wir unsere Mechanismen fabrizieren, Dämonen die Wohn-stätte anweisen und uns mit einer ganzen ahrimanisch-dämonischen Welt umgeben. Aber wir sehen ja auch an anderen Dingen, wie in unserer Zeit ahrimanische Kräfte überall am Werke sind. Wir sehen, wenn wir zum Beispiel einige Jahre nur zurückschauen und ein wenig die okkulten Untergründe unseres Erdendaseins ins Auge fassen, daß hereinwirken in unser physisches Erdendasein überall ahrimanische Kräfte; nicht nur diejenigen, die von der Art sind wie jene Dämonen, die wir in unseren Maschinen erzeugen, sondern auch sonstige ahrimanische Kräfte wirken in unser Erdendasein herein. Und der Okkultist muß aussprechen, was ich ja oft vor die­sem oder jenem Kreis unserer Freunde ausgesprochen habe, daß im Grunde genommen die schmerzlich traurigen Ereignisse, die jetzt

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durch Europa und einen großen Teil der Erde gehen, sich längst vorbereitet haben, daß in der astralen Welt sozusagen der Krieg längst da war, daß er aber zurückgehalten wurde wieder durch etwas Astrales, nämlich durch die Furcht, die alle Menschen hatten. Furcht ist ein astrales Element; das konnte den Krieg zurückhalten, konnte ihn verhindern; das konnte bewirken, daß er so lange ausblieb.

Denn Furcht war überall da! Furcht ist überhaupt etwas, was auf dem Grunde der Seelen unseres Zeitalters in der furchtbarsten Weise grassiert. Da kam aber eine Zeit, die zeitlich äußerlich andeutete etwas, wovon man oftmals spricht, wenn man von den Ausgangs-punkten dieses Krieges spricht Aber dieses Äußere ist nicht das Wichtigste, es ist nur ein Symbolum. Es kam - ich habe das hier schon einmal auseinandergesetzt - die Ermordung jenes öster­reichischen Erzherzoges, und da stellte sich jenes schon einmal erwähnte, furchtbar erschütternde Ereignis heraus. Ich habe es nie­mals früher erfahren, nicht auf direktem Wege, nicht durch andere Okkultisten. Wir wissen ja, was die Seele durchmacht, wenn sie durch den Tod gegangen ist. An dieser Seele, die damals durch den Tod gegangen ist, zeigte sich ganz besonders, daß sich um sie, wie um einen Mittelpunkt, alle Furchtelemente anfingen zu gruppieren, und nun hatte man in ihr etwas wie eine kosmische Macht vor sich. Nun wissen wir, daß etwas, was auf dem physischen Plan einen ganz bestimmten Charakter hat, den umgekehrten Charakter in der geistigen Welt hat. So war es auch in diesem Falle: was erst den Krieg zerstreuend gewirkt hatte, das wirkte jetzt als das Gegenteil, wirkte sozusagen anspornend, anfeuernd. So sehen wir, daß gewis­sermaßen eine Metamorphose der Furchtelemente, der ahrimani­schen Elemente mit hineingemischt ist in alles, was nun doch schließlich die schmerzlich traurigen Ereignisse unserer Zeit herbei­geführt hat. Ahrimanisches wirkt eben durchaus überall in unserer Zeit. Nicht auflehnen können wir uns dagegen, nicht kritisieren können wir es, nicht davor schützen sollen wir uns wollen, sondern es als eine Notwendigkeit unserer Zeit ansehen, als etwas, was da sein muß in unserer Zeit. Es fragt sich nur: Wie finden wir dem­gegenüber die rechte Stellung? Wie finden wir dasjenige, was uns

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anweist, wie wir uns zu verhalten haben gerade in unserem Zeit­alter, wenn wir den göttlich-geistigen Kräften und Mächten den Eingang in unsere Handlungen möglich machen wollen?

Da muß ich auf ein Ereignis der geistigen Welt hinweisen, das einige Jahrzehnte hinter uns liegt. Ich habe es öfter in den ver­schiedensten Zusammenhängen erwähnt: jenes Ereignis, das statt­gefunden hat hinter den Kulissen unseres Daseins, in der geistigen Welt, im November ungefähr des Jahres 1879. Wir wissen ja, daß von Epoche zu Epoche immer gewissermaßen ein anderer Regent des Erdendaseins da ist; ein Regent löst den andern ab. Bis zum Jahre 1879 war aus den geistigen Welten heraus wirkend der Geist, den wir den Geist Gabriel nennen, um einen Namen zu haben. Seit dem Jahre 1879 war es jener Geist, den wir Michael nennen. Er ist derjenige, der die Zeitereignisse in unserer Zeit dirigiert; und wer bewußt in die geistigen Welten hineinzuschauen vermag, der emp­findet den Geist Michael als den eigentlich dirigierenden, anführen­den Geist unserer Zeit. Michael ist in einer gewissen Weise der stärkste der einander stets ablösenden führenden Geister der Zeiten. In einer gewissen Weise, sagte ich, ist er der stärkste dieser Geister. Die anderen waren vorzugsweise geistig im Geistigen wirksam. Michael hat die Stärke, den Geist durchzupressen bis in die phy­sische Welt hinein. Er war derjenige Geist, der, bevor das Myste­rium von Golgatha herangekommen ist, gleichsam dem Christus voranschreitend zur Erde hinunterstieg und damals - etwa durch vier bis fünf Jahrhunderte - die Führung der Erde hatte. Er ist wieder in unserer Zeit der führende Geist der Erde. Man möchte vergleichsweise sagen: Was das Gold unter den Metallen ist, das ist Michael unter den Geistern, die der Hierarchie der Archangeloi an­gehören. Wie alle anderen Metalle vorzugsweise auf den Ätherleib wirken, das Gold aber zugleich auf unseren physischen Leib wirkt als Arzneimittel, so wirken alle anderen führenden Geister in die Seele hinein, Michael dagegen ist der, welcher zugleich auf den physischen Verstand, auf die physische Vernunft wirken kann. Wenn sein Zeitalter gekommen ist, dann kann von dem Geist aus auf den physischen Verstand, auf die physische Vernunft gewirkt werden. Er

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mußte sich, weil er im fünfzehnten Jahrhundert nicht der eigent­liche führende Geist war, bei der Jungfrau von Orleans den Weg suchen ohne menschlichen Verstand, ohne menschliches Begreifen, ohne menschliches Vorstellungsvermögen, einen gewissermaßen ganz inneren Weg durch die intimsten menschlichen Seelenkräfte. Der Christus hat ja durch seinen michaelischen Geist auf die Jung­frau von Orleans gewirkt; aber durch alles andere konnte er eher wirken als durch die Verstandes- und Vernunftkräfte.

Luziferische Geister sind heute auch da, die den Menschen vor zugsweise von innen angreifen. Sie wollen alle möglichen Leiden­schaften erzeugen, aber nicht den Irrtum des Verstandes, den Irrtum der Vernunft, mit dem wir in unserem heutigen Zeitalter so zu kämpfen haben. Wir müssen also sagen: Was wir erreichen wollen im Geistigen, das müssen wir erreichen angemessen den Kräften, die Michael, der führende Geist des Zeitalters, innehat Und mit Michael im innigen Bunde steht das, was wir zu begreifen ver­suchen, wenn wir seine Erscheinung zu begreifen versuchen, wie wir es in den letzten Tagen gemacht haben; wenn wir nämlich das zu begreifen versuchen, was wir den deutschen Volksgeist nennen -zwei Kräfte: Michael und der deutsche Volksgeist, die durchaus im Einklange sind, und denen es übertragen ist, den Christus-Impuls gerade in unserer Zeit zum Ausdruck zu bringen, wie es dem Charakter unseres Zeitalters entsprechend ist. Denn nicht kann unser Zeitalter irgendwie glauben, daß dieselbe intime Art des Wirkens, die für das fünfzehnte Jahrhundert richtig war, seit dem Heraufkommen des fünften nachatlantischen Zeitraumes auch noch richtig sein könnte. In unserem Zeitalter handelt es sich darum, daß wir vor allem be­greifen die Notwendigkeit des Gekettetseins an Ahriman, an Ahri. manisches, das wir selber in unseren Mechanismen erzeugen, und die Notwendigkeit, diese Zusammenhänge richtig zu erkennen; denn sonst leben wir in Furcht vor vielem, was in unserem Zeitalter vorhanden ist

Daher entsteht die Frage: Wodurch bieten wir diesem Ahrimani­schen in unserem Zeitalter Widerstand, wie Widerstand geboten wurde dem Luziferischen in dem Zeitalter der Jungfrau von Orleans? Wir bieten dem Ahrimanischen dadurch Widerstand, daß wir

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gerade jenen Weg gehen, der immer wieder und wieder innerhalb unserer geisteswissenschaftlichen Strömung betont wird: den Weg der Spiritualisierung der menschlichen Kultur, des menschlichen Begriffs- und Vorstellungsvermögens. Daher haben wir es immer wieder und wieder betont: Es gibt eine Möglichkeit, alles, was uns die Geisteswissenschaft bringt, wenn es auch zunächst und zumeist aus der geistigen Welt heraus gegeben ist, wirklich mit dem der Menschheit heute seit dem sechzehnten Jahrhundert zugeteilten Verstande, mit der Vernunft restlos zu begreifen. Und wenn wir sagen, wir begreifen es nicht, so ist das nur aus dem Grunde der Fall, weil wir hinhören auf die Vorurteile, die uns aus dem land­läufigen Materialismus der Zeit geboten werden. Wer nicht immer wieder und wieder auf das hinhört, was zum Teil laut, zum Teil aber auch im feinsten leisen Flüstern aus dem Materialismus unserer Zeit heraustönt, sondern wer streng ins Auge zu fassen versucht, was wir in den Verstehenskräften haben, für den erscheint eines Tages das, was die Geisteswissenschaft hervorbringt, als etwas durchaus Begreifliches, als etwas, was ebenso begriffen werden kann, wie irgendein Ereignis der äußeren Welt begriffen werden kann. Aber nur dadurch erzeugen wir in uns die starke Kraft, die wir brauchen, um den ahrimanischen Kräften Widerstand zu leisten, daß wir jetzt nicht bloß durch die intimsten Offenbarungs- und Glaubenskräfte, wie bei der Jungfrau von Orleans, an den Geist herankommen, sondern daß wir versuchen, unsere Verstehenskraft in der intensivsten Weise auf das zu konzentrieren, was aus der Geistes­wissenschaft kommt Wenn wir das tun, dann kommt die Stunde, der Augenblick, wo wir uns sagen müssen: Was uns aus der Geistes-wissenschaft entgegentritt, ist das einzig Vernünftige und zugleich das, was uns die Welt um uns herum begreiflich und lichtvoll macht. Und wenn wir also ergriffen werden, dann werden wir so ergriffen werden von dem, was der Geist uns in unserer Zeit gibt, daß wir wirklich stark genug sind gegenüber den ahrimanischen Kräften.

Eine Natur wie die Jungfrau von Orleans, in unsere heutige Zeit hineinversetzt, würde nichts vermögen. Sie würde eine interessante Persönlichkeit sein, würde manches Wunderbare prophetisch und

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sonstwie offenbaren können. Aber wie eine solche intime Offen­barungsnatur wirksam den luziferischen Kräften begegnen kann, so muß heute der Mensch den ahrimanischen Kräften Widerstand leisten, muß sich stark machen gegen diese Kräfte, so stark, wie es dem Zeitalter des Michael geziemt. Dem Zeitalter des Michael ziemt eben das Sonnenhafte, das, was wir in uns aufnehmen durch eine Spiritualisierung derjenigen Kräfte, die wir innehaben vom Auf­wachen bis zum Einschlafen: der Kräfte unserer Vernunft, unseres Begreifens, unseres Verstehens. Denn diese unsere Kräfte des Be­greifens und Verstehens, sie wandeln sich um in unserer Seele, wenn wir dazu nur Geduld genug haben. So wandeln sie sich um, daß aus dem, was sich uns entpuppt in der Geisteswissenschaft, die Gewiß­heit herausspringt: was wir da begreifen, das ist unmittelbar der Ausdruck der Gedanken der geistigen Welt. Also nicht um ein Zurückziehen von der ahrimanisch durchsetzten äußeren Welt kann es sich heute handeln, sondern um ein notwendiges Darinnen­stehen in dieser Welt, aber zugleich um ein Sichstarkmachen gegen­über diesen ahrimanischen Kräften.

Da handelt es sich dann darum, daß wir den Weg finden, um durch dasselbe Begreifen, durch welches wir die Außenwelt begrei­fen, auch die geistige Welt zu begreifen. Aber diesen Weg haben wir ja gerade in diesen Tagen angegeben als den Weg, der innerlich verbunden ist mit der ganzen Mission des deutschen Volkes, ins-besondere mit dieser Mission seit dem Ende des achtzehnten und dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts. Aber in den vorher­gehenden Jahrhunderten hat diese Mission sich vorbereitet. Das ist das Eigentümliche, daß dasjenige, was der deutsche Geist getrieben hat in seinen Dichtern, seinen Künstlern und Philosophen, innig verbunden ist mit dem spirituellen Leben. Es handelt sich da wirk­lich darum, ohne Sympathie und Antipathie den Tatsachen kühn ins Auge zu schauen, wie sie sich vorbereitet haben, wie sie sich nach und nach herausgestaltet haben. Wir selber haben es ja erleben können, wie wir eines Tages eben einfach diese Notwendigkeit betonen mußten, im kontinuierlichen Fortschritt des Geisteslebens zu wirken. Denn warum?

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Versuchen wir einmal hinzublicken auf jene theosophische Be­wegung, mit der wir äußerlich eine Zeitlang verbunden waten, auf die englische theosophische Bewegung. Versuchen Sie da einmal eine Brücke sich zu bauen zwischen dem, was sonst englisches Gei­stesleben ist, bis in die Philosophie herein, und demjenigen, was englische Theosophie ist: sie stehen äußerlich nebeneinander, sind zwei äußerlich nebeneinander laufende Strömungen, und eine Brücke zwischen beiden ist etwas, was auch nur in ganz äußerlicher Weise gezogen werden kann. Versuchen Sie dagegen das deutsche Geistesleben ins Auge zu fassen, wie es sich durch die deutschen Mystiker vorbereitet hat in Meister Eckhart und Johannes Tauler, und dann in Jacob Böhme und Angelus Silesius weiter sich entfaltet hat, wie es in Lessing zu der Anerkennung der Idee der wiederhol­ten Erdenleben geführt hat, und wie es in Goethes «Faust» geradezu eine Glorifizierung des Hinaufsteigens in die geistigen Welten dar­stellt, da haben Sie den geraden Weg von den äußeren Welten aus in die geistige Welt. Und wenn Sie nun dazu nehmen, was von Goethes «Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie» geführt hat bis zur Dramatisierung der Grundkräfte der Ein­weihung, und beide Strömungen zusammenhalten, dann haben Sie darin den innerlichen Zusammenhang. Es ist ein innerlicher Zu­sammenhang zwischen dem, was zuletzt als Geisteswissenschaft er­scheint, und dem, was ganz exoterisch in der physischen Welt als Geistesleben erstrebt wird. Denn selbstverständlich wird dieses Geistesleben, das außerhalb der Geisteswissenschaft entfaltet wird, mit den Kräften des Gehirns erstrebt, aber es drängt hin zu dem, was außerhalb des Leibes gefunden wird. Man möchte sagen: es ist die Mission des deutschen Volkes, daß es gar nicht anders kann als mit dem, was es erstrebt, zuletzt einzumünden in das spirituelle Leben. Das heißt aber nichts anderes, spirituell gesprochen, als daß das deutsche Volk dazu berufen ist, innerlich sich zu verbinden mit dem, was in die Welt kommt durch die Auführerschaft des Michael. Ein solches Sichverbinden wird nicht dadurch erreicht, daß man sich passiv, wie fatalistisch, den Schicksalsmächten überläßt, sondern daß man erkennt, welches die Aufgabe der Zeit ist.

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Und nicht nur innerlich durch den Gang der deutschen Mystik, sondern auch äußerlich durch den ganzen Gang des deutschen Lebens in Verbindung mit dem europäischen Leben hat sich das­jenige gezeigt, was ich da sagen will. Ich habe es im ersten der beiden letzten öffentlichen Vorträge, «Die germanische Seele und der deutsche Geist», auseinandergesetzt, wie die germanische Seelen­haftigkeit gleichsam in den Vorposten der germanischen Völker - durch die Goten, Longobarden, Vandalen - hineingeströmt ist in die Völker des Westens, des Südens, wie da hingeopfert worden ist am Altare der Menschheit dasjenige, was germanische Seelenhaftig­keit ist. Aber das hat sich später wiederholt, nur weniger auffällig. Blicken wir zunächst hin nach dem äußersten Osten Österreichs, zu den sogenannten Siebenbürger Sachsen. Ausgewandert sind sie vom Rhein her, wo das Siebengebirge ist, das läßt sich auch äußerlich nachweisen. Nach und nach haben sie ihre Eigenart verloren. Die Seelensubstanz hat sich hingegeben, um in jenes andere Volks-element einzufließen, und einst wird von ihnen kaum etwas anderes vorhanden sein als einiges ihrer Sprache; aber als Volkssubstanz sind sie dort hineingeflossen. Gehen wir dann hinunter in das Banat: Schwaben sind es, die dort eingewandert sind; das Magyarische schlingt sich darüber. Ebenso ist es in den Gegenden des ungari­schen Berglandes, der Karpathen. Alle diese Einwanderungen sind heute äußerlich fast verschwunden, aber überall in den heute dort vorhandenen Volksschichten darinnen lebend und dann manchmal wie Gerinnsel sich zeigend wie zum Beispiel in der wunderbaren Sprachinsel der Gottschee'er in Krain. Aber sonst auch. Wir sehen - wir könnten das viel weiter noch verfolgen -, wie dieses germa­nische Seelenhafte hinausgeschickt wird in die Welt, wie es wirkt. Das geschieht durch eine innere Notwendigkeit. Das geschah so durch die früheren Zeitalter, namentlich auch durch das Zeitalter des Gabriel. Und durch das Zeitalter des Gabriel geschah es in der Weise, daß mehr, ich möchte sagen, das Blut, Blut und Blut-mischung wirkte und alles, was mehr mit den äußeren Verhält­nissen des Lebens zusammenhängt, aber dennoch nicht äußerlich greifbar ist, sondern wieder intimer sich vollzieht.

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Nun ist das Zeitalter des Michael gekommen, das Zeitalter, in dem begriffen werden muß, wie durch den ganzen Hergang des Geisteslebens der deutsche Geist sich in die Sonnenkraft des Michael stellen kann. Das muß eben eingesehen werden. Das kann aber nur dadurch eingesehen werden, daß man es durch die Anerkennung der spirituellen Wissenschaft einsieht, daß man allmählich durch die Betrachtungen der spirituellen Wissenschaft, der Geisteswissen­schaft, die Ahnung und das Bewußtsein erhält von der Wirksam­keit geistiger Kräfte, von der Realität geistiger Kräfte. So daß man allmählich begreift, wie unsinnig es ist, wenn die Leute sagen: Es gibt keine geistigen Kräfte, ich kann sie nicht anerkennen; und wenn hier ein hufeisenförmiger Eisenstab ist, so ist das eben ein Stück Eisen, und ich sehe nichts als Eisen. - Es kann aber Magnetis­mus darinnen sein! So ist in der ganzen äußeren Welt noch etwas ganz anderes als Magnetismus darinnen. Die Anerkennung erwirbt man sich, indem man eingeht auf das, was über die eigentümliche Gestalt der Dinge geboten wird. Dadurch erwirbt man sich im Michael-Zeitalter diejenigen geistigen Kräfte, die notwendig sind, um den ahrimanischen Mächten zu widerstehen, wo es eben unsere Aufgabe ist, den ahrimanischen Mächten zu widerstehen. Denn im Grunde genommen ist alles, was wir im Studium der Geistes­wissenschaft haben, nur Vorbereitung. Eines Tages springt aus dem Studium der Geisteswissenschaft das Erwachen der Seele hervor, durch das die Seele weiß: Es lebt in dir die geistige Welt, von dem Christus-Impuls herunter durch den Michael bis zum Volksgeist, der das auswirkt, was ausgewirkt werden soll.

Ich sagte, das Zeitalter der Jungfrau von Orleans war dazu geeignet, an die allerschwächsten, physisch allerschwächsten Kräfte des Menschen heranzudringen. Unser Zeitalter muß an die stärksten Kräfte des Menschen herandringen, muß den Willen dort ergreifen, wo dieser Wille am wenigsten geneigt ist, wirklich seine Kräfte zu entfalten. Wir sehen es ja immer wieder und wieder: den Willen dort entfalten, wo es darauf ankommt, diejenigen Kräfte, die unsere irdischen Kräfte sind, unsere Vorstellungskräfte sind, innerlich rege zu machen, das wird dem Menschen das Schwerste. Äußerlich den

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Willen anzuwenden, das wird ihm verhältnismäßig noch leicht. Aber es ist ein anderer Wille notwendig, wenn die Gedanken so gelenkt werden sollen, daß sie die geistige Welt umfassen. Dieser starke Wille ist es, an den die Geisteswissenschaft als solche appel­lieren muß, der da sein muß, wenn die Geisteswissenschaft wirklich in unserem michaelischen Zeitalter zu dem führen soll, wozu sie führen muß. Denn nicht dazu sind wir berufen, zu reden über das Mechanische unseres Zeitalters; nicht dazu sind wir berufen, darauf hinzuweisen, daß dieses Mechanische unseres Zeitalters die Men­schen ergriffen hat; sondern zu etwas anderem sind wir berufen. Man kann ja allerdings, wenn man ein wenig die Tatsachen preßt, sogar ein bis zu einem gewissen Grade großer Philosoph sein, das sei rückhaltlos anerkannt, man kann auf den Mechanismus unseres Zeitalters hinblicken und dann anfangen, gerade in diesem Mecha­nismus, den man ganz besonders seinen äußeren Feinden zuschreibt, das Allerverderblichste zu sehen. Und hat man dann eine Anlage - wenn man auch als ein großer Philosoph gilt - zu schimpfen wie eine Hökerfrau, dann kann man es machen wie der Philosoph Bergson, der es jüngst erst wieder zuwege gebracht hat, in einseiti­ger Weise hinzudeuten - und, in einseitiger Weise vorgebracht, ist vieles oft ganz richtig - auf das Zusammenhängende der mecha­nischen Wirkung der Kräfte mit dem deutschen Volkswesen. Aber nicht nur darauf kann man hinweisen, daß deutscher Verstand schon in gewissen Gebieten in der Anwendung der mechanischen Kräfte durch den Verstand es zu etwas gebracht hat; man kann auch auf etwas anderes hinweisen. Man braucht aber nicht in dem Tone einer Hökerfrau zu schimpfen, wenn man über solche Zusammen­hänge sprechen will, sondern man kann sagen: Vielleicht ist gerade dort, wo der Verstand am stärksten war, um das Mechanisch-Dämo-nische auszugestalten, auch zugleich der Ort, um diese mechanisch-dämonischen Kräfte zu überwinden durch die besondere spirituelle Mission. Dann aber kann sich der Deutsche leicht mißverstehen lassen, wenn er im Zusammenhange mit dem Hergange seines Geisteslebens versteht, daß er nicht etwa die Aufgabe hat, stehen-zubleiben bei dem bloß Mechanischen, das ihm auch in der heutigen

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Zeit bei den Kriegsaufgaben so große Dienste leistet, nicht bloß stehenzubleiben bei den Mechanismen, weil er sonst bloß Dämonen schaffen würde, sondern daß er jene starken Kräfte im Innern zu entwickeln hat, welche sich diesen Dämonen kühn gegenüberstellen können. Dazu gehört aber nicht das blinde, sondern das durch Über-zeugung geleitete Stehen in der geistigen Welt. Wenn wir darauf eingehen, einzusehen, daß wir ja für alle Zukunft uns mit einer Dämonenwelt, mit einer wahren Hölle umgeben, indem wir Maschi­nen über Maschinen konstruieren, so können wir es zwar verstehen, wie die Menschen aus dem materialistischen Geist unserer Zeit her­aus immer wieder und wieder sagen: dieses naturwissenschaftlich-materialistische Zeitalter hat uns auf die höchste Höhe gebracht, auf der die Menschheit bisher gestanden hat - wir können das zwar ver­stehen, denn das gehört sich so für den heutigen materiell denken­den Menschen, aber wir müssen wissen, daß wir durch unsere Maschinen in die Menschheit lauter Dämonen hineinbringen, und wir müssen außerdem wissen, wie wir diesen Dämonen gegenüber die richtigen Widerstände entwickeln können. Nur dadurch stellen wir uns in das richtige Verhältnis zur geistigen Welt, daß wir diese ahrimanisch-dämonischen Kräfte erkennen, daß wir bewußt wissen, daß sie da sind. Denn dadurch nur sind die schädlichen Mächte schädlich, daß wir unbewußt über sie bleiben, daß wir nichts von ihnen wissen. Ich möchte das durch einen Vergleich anschaulich machen.

Sie wissen, daß wir nach einiger Zeit, hoffentlich, wenn einiges gelingt, was bis jetzt noch nicht gelungen ist, in Dornach bei Basel einen Bau haben werden, wo wir in einer entsprechenden Um­gebung unsere geistige Strömung werden pflegen können. Nun handelt es sich bei der Aufführung dieses Baues nicht darum, irgendwie die Notwendigkeit der Gegenwart zu fliehen, sondern ihn aufzuführen ganz aus den Notwendigkeiten der Gegenwart heraus. Da mußte zum Beispiel die Beleuchtung geschaffen werden aus den allerahrimanischesten Kräften der Gegenwart heraus, und diese sind: elektrische Beleuchtung, elektrische Beheizung und so weiter. Nun handelt es sich darum, durch die architektonische Form selber

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unschädlich zu machen, was dabei in Betracht kommt. Wäre man später einmal in den Bau hineingegangen, so hätte man um sich alles, was die ahrimanische Kultur der Gegenwart mit sich bringt. Aber nicht darauf kommt es an, daß es da ist, sondern daß man es nicht bemerkt. Man soll es eben bemerken. Um das zu erreichen, haben sich einige Freunde gefunden, die dieses in einem abgeson­derten Bau daneben aufführen, um ihm eine besondere Form zu geben, so daß die ahrimanisch-dämonischen Kräfte dahinein gebannt werden. Für jeden, der zu dem Bau kommen wird, auch für die, welche hineingehen, wird dadurch ins Bewußtsein heraufgehoben werden, daß dort die ahrimanischen Kräfte walten. Sobald man das aber weiß, sind sie nicht mehr schädlich. Denn es handelt sich darum, daß die dem Menschen abträglichen Kräfte ihre Abträglichkeit verlieren, wenn wir aufmerksam hinschauen auf die Orte, wo sie wirksam sind, wenn wir nicht gedankenlos hinschauen auf eine Ma­schine und sagen: eine Maschine ist halt eine Maschine, sondern eine Maschine ist ein Ort für ein dämonisch-ahrimanisches Wesen.

Wenn wir uns so in die Welt hineinstellen, daß das Wissen in unserer Seele ist, dann stellen wir uns richtig in das michaelische Zeitalter hinein. Das heißt aber: wir ,,ringen uns in ein solches Ver­hältnis zur geistigen Welt, daß auch Michael in uns wirksarn wer­den kann, Michael mit dem, was seine gegenwärtige Mission ist, wie wir sie charakterisiert haben. Überall handelt es sich darum, daß wir uns in das, was die Menschen unbewußt aufbauen als Mechanis­men, heute entweder gedankenlos hineinstellen können oder daß wir es durchschauen können. Wenn wir es durchschauen, wenn wir gewahr werden, wie dämonisch-elementarische Kräfte in unseren Mechanismen walten, dann werden wir auch den Weg finden zu den geistig wahren, rechten Inspiratoren. Und diese stehen im Zu­sammenhange eben mit demjenigen Geist, der sich zu den übrigen Geistern der Menschheitsführung so verhält wie das Gold zu den Metallen: zu Michael.

So versuchte ich heute klarzumachen, daß unser Zeitalter eine andere Aufgabe hat, wenn es die göttlich-geistigen Kräfte sucht, welche zum Heile der Erdenmenschheit wirken sollen, als für diejenigen

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Menschenseelen bestand, die im Zeitalter der Jungfrau von Orleans lebten. Damals handelte es sich viel eher darum, alles Ver­standesmäßige, alles Vernunftmäßige zurückzudrängen. Heute da­gegen handelt es sich darum, alles Verstandes- und Vernunftrnäßige bis zum Hellseherischen emporzukultivieren, denn es läßt sich bis zum Heliseherischen kultivieren. Wenn es solche Menschen geben wird, die also die Menschenseele pflegen werden, dann wird sich aus der Dämmerzeit, die wir jetzt durchmachen, das entwickeln, was sich entwickeln soll. Was sich äußerlich auf dem physischen Plan entwickelt, das kann doch nur das Kleid sein für das, was gei­stig für die Erdenmenschheit aus der jetzigen Zeit hervorgehen soll. Und wahr ist es, daß diejenigen, die in jungen Jahren ihre Kräfte jetzt hingeben, daß diese herunterschicken wollen diese Kräfte in unser Erdendasein. Denn diese Kräfte sind unverloren, sind unzer­störbar; nur sollen sie fortwirken in geistiger Weise, wie sie fort-gewirkt hätten in physischer Weise, wenn die Betreffenden nicht durch die Pforte des Todes auf dem Kampfplatze gegangen wären. Aber heruntersenden werden sie ihre Kräfte auf die Erde in unsere Zeit weiter, damit wir etwas anzufangen wissen mit diesen Kräften. Herunterfließen werden müssen diese Kräfte in eine Menschheit, die in der Friedenszeit, die auf den Krieg folgen wird, diese Kräfte so anwenden wird, daß sich auf der Erde immer mehr und mehr das spirituelle Leben ausbreiten wird. Wie sich aus jeder Nacht das Licht des Tages entwickelt, so muß sich aus unserer uns oft wie eine Nacht erscheinenden Gegenwart eine lichtvolle Zukunft ent­wickeln; aber diese lichtvolle Zukunft wird durchdrungen sein müs­sen von dem, was das seit dem Jahre 1879 angebrochene michaelische Zeitalter der Menschheit zu bringen hat. Wenn es Seelen geben wird, die einen so innigen Bund mit der geistigen Welt zu schließen vermögen, wie es heute angedeutet ist, dann dürfen wir hoffen, daß mit Rücksicht auf die heutigen Zeitereignisse dasjenige sich erfüllt, was in dem siebenzeiligen Sprache zum Ausdruck gebracht ist; hof­fen dürfen wir, daß das alles sich erfüllen wird, wenn seine ersten fünf Zeilen mit den beiden letzten in der Realität wirklich zusam­menhängen:

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Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

SECHSTER VORTRAG Berlin, 26. Januar 1915 Einige Eigentümlichkeiten der geistigen Erkenntnis

#G157-1960-SE110 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

SECHSTER VORTRAG

Berlin, 26. Januar 1915

Einige Eigentümlichkeiten der geistigen Erkenntnis

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Da verschiedene Umstände mich erst morgen abreisen lassen, so können wir heute noch hier zusammen sein. Ich will den heutigen außerordentlichen Abend gewissermaßen zu einigen abgerissenen Bemerkungen benutzen, die uns nach der einen oder anderen Rich­tung nützlich sein können. Zuerst möchte ich darauf hinweisen, wie trotz des Materialismus unserer Zeit oder vielleicht gerade wegen des Materialismus unserer Zeit die Seelen gerade der forschenden Leute, der auf gewissen Gebieten forschenden Leute, man möchte sagen, trotzdem sie es nicht recht wollen, hingelenkt werden nach dem Vorhandensein einer geistigen Welt. Ich möchte an Bestimm­tes anknüpfen. Man könnte natürlich von dem Gesichtspunkte aus, den ich eben angedeutet habe, an sehr, sehr vieles anknüpfen; aber ich möchte auf eine Broschüre zurückgreifen, die vor ganz kurzer Zeit erschienen ist, eine der Broschüren, die anknüpfend an den Krieg jetzt erscheinen, an das zwölfte Heft, das von dem bekann­ten Psychiater Professor Dr. O. Binswanger geschrieben ist und den Titel trägt: «Die seelischen Wirkungen des Krieges.» Ich will aber nicht an die Ausführungen anknüpfen, welche Binswanger im enge­ren Sinne über die seelischen Wirkungen des Krieges geschrieben hat, sondern an einige Bemerkungen, die er auch in dieser Bro­schüre gemacht hat. Ein Forscher wie Binswanger fühlt sich gewis­sermaßen heute gedrängt, nicht mehr nur so leise auf das Vor­handensein eines geistigen Lebens hinzuweisen, indem er sich gleich­sam bemüßigt fühlt, sich zu entschuldigen und darauf hinzuweisen, wie unsere Zeit gar nicht geneigt ist, von seiten der aufgeklärten Leute so etwas wie ein geistiges oder seelisches Leben anzunehmen. Binswanger spricht in seiner Broschüre über die ja sattsam bekannte Tatsache, daß in unserer Zeit die nervösen Krankheiten sich wesent­lich vermehrt haben. Er spricht über verschiedene Ursachen, die dazu beigetragen haben, und sagt dann sehr bezeichnend auf

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Seite 10: «Es wird manchem von Ihnen befremdlich erscheinen, daß ich bei diesen nervösen Krankheitszuständen das Seelische so stark in den Vordergrund stelle.» Also, er ist ja ein Psychiater ganz nach materialistischer Art, muß aber doch unter den Ursachen gerade derjenigen Erkrankungen, die ihm naheliegen, das Seelische an-führen. «Was hat das Seelische mit einem nervösen Magenleiden, mit einem nervösen Herzen, mit nervösen Schinerzen im Rücken, in den Armen und Beinen zu tun? Da kann ich Ihnen nach über­einstimmenden ärztlichen Urteilen nur sagen, daß im letzten Grunde der Dinge die krankhafte nervöse Reaktion in den verschiedensten Körperorganen und Körpergebieten größtenteils auf Störungen see­lischer Vorgänge beruhen. »

Also wir sehen, wie die Tatsachen demjenigen, der durch seine Forschung genötigt ist, sich mit den seelischen Tatsachen zu be­schäftigen, das Geständnis abringen, daß die Ursachen dessen, was man so vielfach nur materialistisch betrachtet: nervöse Magen­leiden, nervöse Herzbeschwerden, nervöse Schmerzen im Rücken, ja selbst in den Gliedmaßen, in den Störungen des seelischen Lebens liegen.

Nun aber bleibt allerdings der heutige Forscher bei einem sol­chen Eingeständnis gewöhnlich stehen; er geht nicht weiter, geht ganz und gar nicht weiter. Denn was zunächst zugestanden werden muß, das ist, daß man nicht damit auskommt, nur im Körperlichen die Ursachen solcher Vorgänge, wie der angeführten, zu sehen, aber den Mut und die Kraft, nun wirklich auf irgend etwas Geistes-wissenschaftliches einzugehen, den haben die Menschen noch nicht. Denn in dem Augenblick, wo sie irgend etwas Positives aus dem Gebiete der Geisteswissenschaft hören, da fühlen sie sozusagen, wie wenn sie keinen sicheren Boden mehr unter den Fußen hätten, wie wenn alles schwankend wäre, was man so nach den Methoden der Geistesforschung aus der geistigen Welt hervorholen kann. Für den Psychiater ist das, man möchte sagen, eine doppelt fatale Tatsache. Denn wenn die Ursachen für gewisse körperliche Zustände in den Vorgängen des seelischen Lebens liegen, dann muß man zugeben, daß die besten Mittel zur Beseitigung solcher Zustände auch in

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einer seelischen Behandlung liegen. Wie soll man aber eine Seele behandeln, wenn man sich keine Ahnung davon verschafft, wie die Seele mit dem Körper zusammenhängt? Es können sozusagen die Rezepte für die Wegbringung der geistigen Störungen ja nur aus der geistigen Welt entlehnt werden. Aber den Zusammenhang zwi­schen der geistigen Welt und der äußeren materiellen Welt erken­nen, das kann man nur, wenn man etwas von der geistigen Welt weiß. Daher das Merkwürdige, das merkwürdig Unbestimmte, Un­logische, Sonderbare, was dann eintritt, wenn nun solche Leute wirklich positiv über den Zusammenhang des Körperlichen mit dem Seelischen sprechen wollen. Und das können wir bei demsel­ben Forscher konstatieren. Ein paar Seiten weiter - Seite 23 - sagt derselbe Forscher etwas höchst Merkwürdiges; denn wo er davon sprechen will, welche Zuversicht er selber nach seinen Anschau­ungen über die Seelenkonstitution des Menschen für einen glück­lichen Ausgang des deutschen Feldzuges hat, da sagt er: «Nach meiner Überzeugung wird das Heer siegen, dessen Soldaten die besseren Nerven haben, oder in anderer Fassung: den größeren moralischen Widerstand besitzen. »

Nehmen wir die Sache nur ganz ernst: Der Forscher, der also anerkennt, daß die Ursachen selbst für körperliche, sogenannte ner­vöse Störungen in seelischen Zuständen liegen, der sagt, daß die­jenigen Soldaten sicher siegen werden, welche «die besseren Nerven haben, oder» - nun sagt er - «in anderer Fassung: den größeren moralischen Widerstand besitzen». Man kann sich kaum denken, daß jemand gewissermaßen einen größeren Unsinn zustande brin­gen kann - obwohl beide Sätze selbstverständlich absolut wahr sind - als zu sagen: Das eine ist eine andere Fassung des anderen. Denn man stelle sich nur einmal vor, jemand bilde sich eine ganz klare Vorstellung vom Nervensystem, könne dieses Nervensystem bis in seine geringsten Verzweigungen hinein verfolgen, und er nenne dann die stärkeren Nerven eines Menschen in anderer Fas­sung: den größeren moralischen Widerstand. Das heißt also: rein physischmaterielle Stränge sollen in anderer Fassung moralischer Widerstand sein! Über solche Dinge liest selbstverständlich der

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Leser der Gegenwart hinweg. Man macht die merkwürdigsten Ent­deckungen, über was alles er hinwegliest, was er oft ungeheuer geistreich findet; aber solche Dinge sind nicht minder ein wirklicher reeller Unsinn, solange sie nicht auf das zurückgeführt werden, was die Geisteswissenschaft darüber zu sagen hat. Wie hat man nun geisteswissenschaftlich diese Dinge anzusehen?

Wenn wir die moralische Kraft eines Menschen, was ihn mora­lisch beseelt und durchseelt, ins Auge fassen, so ist dies zunächst etwas rein Geistiges, etwas, was nichts mit einem Materiellen zu tun hat. Und was wir die moralische Kraft der Seele nennen, das hat sie als geistige Kraft, insofern diese Seele der geistigen Welt angehört. Wenn nun diese Seele, wie es ja immer beim Aufwachen geschieht, in ihren Leib zurückkehrt, dann bedient sie sich des Lei­bes vom Aufwachen bis zum Einschlafen als eines Werkzeuges für die physische Welt. Vom Einschlafen bis zum Aufwachen lebt die Seele in der rein geistigen Welt, abseits vom Leibeswerkzeug, und sammelt auch dort ihre moralische Kraft. Aber in der physischen Welt können sich die Moralkräfte nur durch das Werkzeug des phy­sischen Leibes betätigen. Da betätigen sie sich auch als geistige Kräfte. Im Ich und astralischen Leib des Menschen ist dasjenige tätig, was wir moralische Kraft nennen; das ist da drinnen etwas rein Geistiges. Aber was hat das, was da als rein Geistiges an mora­lischer Kraft im astralischen Leibe und Ich des Menschen ist, mit dem Nervensystem zu tun? Nun, ich will einen Vergleich gebrau­chen. Genau so viel hat die moralische Kraft des Menschen mit sei-nem Nervensystem zu tun, als ich zu tun habe mit dem Beden, auf dem jetzt meine Füße stehen. Wenn der Boden nicht da wäre und darunter ein weiterer Boden, auf dem der erste ruht, so könnte ich als physischer Mensch nicht hier stehen. Der Boden muß da sein, aber er hat mit dem, was in mir selber ist, physisch nichts zu tun. Damit ich mich aufstellen kann, muß der Boden da sein. Ebenso müssen im physischen Leibe die Nerven da sein als bloßer Wider­stand, damit die moralischen Kräfte des astralischen Leibes und des Ich in der physischen Welt Widerstand haben, erscheinen können, da sein können. Ich werde noch einen andern Vergleich gebrauchen,

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der aber schon ganz auf den Kern der Sache geht, obwohl es eines genaueren Durchdenkens wird bedürfen, um ganz einzusehen, was dahinter steckt. Ich werde einen Vergleich gebrauchen, der wiederum vom physischen Leben ausgeht.

Nehmen wir den Prozeß der Verdauung. Bei der Verdauung ge­schieht das, daß ein Teil des aufbewahrten Nahrungsstoffes in unseren Organismus übergeht, der andere Teil dagegen abgesondert wird. Wenn ein gewisser Teil der Nahrungsstoffe nicht abgesondert wer­den könnte, dann würde unsere Verdauung unmöglich sein. Diese Absonderung muß ganz regelmäßig vor sich gehen. Aber keinem Menschen wird es einfallen, zu sagen, er ernähre sich von dem, was er absondert. Die Nervenprozesse, die nun in unserem Organismus vor sich gehen, wenn wir eine moralische Kraft in uns entwickeln, verhalten sich zu dem, was fruchtbar für uns ist, was wirklich in uns als eigentliches Menschenwesen ist, wie Absonderungen, richtig wie Absonderungsprozesse. Wenn wir einen bestimmten morali­schen Impuls in der Seele geltend machen, dann ist das verbunden mit einem Absonderungsprozeß. Dieser Absonderungsprozeß, das was herausfällt, was wir sozusagen als Abfall in uns erzeugen müs­sen, das ist der Nervenprozeß. Und dieser Nervenprozeß verhält sich zu dem, was wir eigentlich tun, genau so, wie sich der Ab­sonderungsprozeß bei der Verdauung verhält zu dem Aneignungs­prozeß der Nahrungsmittel. Also diejenigen, welche den geistigen Prozeß des Bildens moralischer Impulse einen Nervenprozeß nen­nen, tun im Grunde genommen nichts anderes, als daß sie, nur auf einem anderen Gebiete, sagen, das menschliche Ernähren besteht im Absondern, und die dann die Absonderungsprodukte unter­suchen, damit sie finden können, was eigentlich dem Menschen besonders zuträglich ist. So verkehrt verfährt eigentlich die materia­listische Wissenschaft, indem sie das, was der Geist absondern muß, damit er sich entfalten kann, als das eigentliche Wesen betrachtet. Gerade das, was der Geist nicht brauchen kann, untersucht die moderne Wissenschaft, um hinter den Geist zu kommen. Sie ver­fährt dadurch ungefähr so, wie jemand verfahren würde, der den Darminhalt untersuchen würde, um zu erkennen, welche Stoffe der

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Mensch in seine Muskeln aufnimmt. Man muß sich manchmal hart aussprechen, wenn man die ganze Absurdität des modernen Ma­terialismus ins Auge fassen will, weil das Trugbild, welches durch den modernen Materialismus entsteht, eine so überwältigende Über­zeugungskraft für die verkehrten Anschauungen der Gegenwart hat, so daß man schon mit starken Worten darauf hinweisen muß, worinnen eigentlich die furchtbare Verkehrtheit besteht.

Nun werde ich von etwas ganz anderem ausgehen, um nachher wieder an das anzuknüpfen, was ich vorausgeschickt habe. Wir wer­den uns einmal die Frage vorlegen: Wie ist es denn mit den im Verlaufe der Menschheitsentwickelung nach und nach erschienenen verschiedenen Religionssystemen? Da sind im Verlaufe der Mensch­heitsentwickelung verschiedene Religionslehrer aufgetreten und haben dies oder jenes über die Verhältnisse der geistigen Welt den Menschen mitgeteilt. Es gehört wirklich nicht besonders viel dazu, um im Hinblick auf diese Religionssysteme zu einem sehr geschei­ten Urteile zu kommen, denn Gescheitsein - das haben wir an ver­schiedenen Urteilen aus unserer Zeit gesehen - ist nicht besonders schwer in unserer Zeit. Sie verstehen, wie das aufzufassen ist und daß nicht eine Kritik unseres Zeitalters damit gemeint ist. Es kann leicht ein sogenannter gescheiter Mensch darauf hinweisen, daß die verschiedenen Religionslehrer alle Verschiedenes gelehrt haben, und er kann daher zu der Ansicht kommen: also müßte alles nicht die Wahrheit sein; denn wenn es der Wahrheit entsprechen sollte, müßten sie alle dasselbe gelehrt haben. Und daraus könnte man dann wieder den Schluß ziehen, daß eigentlich alles Reden über die höheren Welten - durch die vielen Widersprüche, die sich dabei herausgestellt haben - nicht auf irgend etwas, von der Wahrheit den Menschen Gegebenes zurückgeführt werden könnte.

Nun kann man sich die angedeutete Frage aber nur dann richtig beantworten, wenn man sich eine Vorstellung davon bildet, was man durch die Pforte des Todes mitnimmt von dem, was man hier auf der Erde durchlebt hat. Sie können sich leicht eine Vorstellung über das bilden, was man sich mitnimmt, wenn Sie daran denken:

sobald Sie die Augen schließen und die Ohren sich zuhalten, so

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hören und sehen Sie nichts von Ihrer sinnlichen Umgebung. Und nun fragen Sie sich einmal: wieviel von dem, was vom Morgen bis zum Abend die Seele an Eindrücken in sich birgt, und wieviel von dem, was sie an Vorstellungen in sich trägt, die Seele im Grunde genommen den Augen und Ohren verdankt? Wenn man also keine Augen und Ohren hätte, so würde der weitaus größte Teil der Inhalte der menschlichen Seele überhaupt wegfallen. Aber nach dem Tode hat der Mensch ganz gewiß keine Augen und keine Ohren. Was er also durch Augen und Ohren aufnimmt, das kann er nicht anders als durch die Erinnerung durch die Pforte des Todes tragen. Darüber sollte es weiter kein Nachdenken geben, daß man das, was durch Augen und Ohren, überhaupt durch die Sinne auf­genommen wird, nur als Erinnerung durch die Pforte des Todes tragen kann. Ebenso ist es mit allem, was wir uns als Vorstellungen bilden, die durch die Sinneseindrücke veranlaßt sind. Und nun brau­chen Sie nur darüber nachzudenken, was alles beim Eintritt in die geistige Welt zurückgelassen werden muß: alles wird zurückgelas­sen, was durch äußere Eindrücke an den Menschen herankommt.

Was muß also eine Vorstellung, die man durch die Pforte des Todes tragen soll, für eine Eigenschaft haben? Sie darf ganz gewiß nicht von irgendeinem äußeren Eindrucke hergenommen sein, und sie muß ganz gewiß die Eigenschaft haben, daß der materialistisch Gesinnte sagen kann: Was du dir da vorstellst, das ist ja gar nicht vorhanden; denn das kann man nicht mit Augen sehen, nicht mit Ohren hören. Also es muß eine solche Vorstellung die Eigenschaft haben, daß man ihren Gegenstand nicht äußerlich wahrnehmen kann, denn was man äußerlich wahrnehmen kann, das kann als Vorstellung nicht durch die Pforte des Todes gehen. Ich möchte hierbei bemerken, daß der Materialismus schon dadurch zu solchen Einwendungen verführt wird, daß er immerfort von Sein oder Nichtsein spricht und nicht recht weiß, was es eigentlich mit diesem Sein und Nichtsein auf sich hat. Es genügt für uns jetzt, daß wir bei der deutschen Sprache stehenbleiben. «Sein» ist von «sehen» hergenom­men, kommt überhaupt von «sehen» her. Üher dasjenige also, was mit dem Seinsbegriff belegt wird, wird überhaupt nichts anderes

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gesagt, als: ich habe es einmal gesehen. Und alles sonstige Gerede über das Sein ist überhaupt nichts anderes als eine Verständigung über das, was gesehen worden ist. Daraus sollte man den Schluß ziehen, daß man in bezug auf die Dinge, welche man durch die Pforte des Todes trägt, nicht von Sein sprechen soll, denn das würde heißen: man muß diese Dinge mit physischen Augen gesehen haben.

Was wollten denn eigentlich die Religionsstifter den Menschen mit ihren Vorstellungen geben?

Sie wollten den Menschen solche Vorstellungen geben, welche den Geist innerlich stark machen, innerlich mit Leuchtekraft aus­statten, so daß der Mensch, wenn er durch die Pforte des Todes in die übersinnliche Welt geht, in diese so eintritt, daß er sein eigener Leuchter ist, daß er die Dinge dort von sich aus zu beleuchten in der Lage ist. Es kommt den Menschen sehr leicht an zu sagen: Wenn ich mir da von den übersinnlichen Welten erzählen lasse, wie kann ich dann wissen, daß alle diese Vorstellungen wirklich richtig sind? Denn nehmen wir einmal an, es verbreite jemand Vorstellungen über die übersinnliche Welt, diese Vorstellungen wür-den von einer Anzahl von Menschen angenommen - und sie wären falsch, oder einseitig, oder sie entsprächen nicht in demselben Sinne dem Richtigen, wie man so vom Richtigen spricht, wenn man über die äußere physische Welt spricht. Nehmen wir also an, diese Vor­stellungen wären falsch, und eine Anzahl von Menschen hätten sie angenommen. In solchem Falle wäre es noch immer besser, wetin die Menschen diese falschen Vorstellungen angenommen hätten, als wenn sie gar keine Vorstellungen über die übersinnliche Welt auf­genommen hätten. Denn warum? Es ist deshalb besser, weil unsere Seele sich anstrengen muß, wenn sie überhaupt Vorstellungen über die übersinnliche Welt annimmt. Ob man richtige oder falsche Vor­stellungen annimmt, man muß sich anstrengen, und diese Anstren­gung zählt in der geistigen Welt, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen. Diese Anstrengung ist es, die uns nach dem Tode zugute kommt, oder die uns überhaupt zugute kommt, wenn wir in die geistige Welt hineingehen. Denn nehmen wir an, wir hätten uns mit einer ganz verkehrten Anschauung über die geistige Welt

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durchdrungen, so haben wir dadurch, daß wir sie in uns aufgenom­men haben, so wie ein Turner die Glieder ausbildet, unsere Seelen-kräfte ausgebildet. Und was wir ausgebildet haben, das haben wir dann, das tragen wir hinein in die geistige Welt. Indem wir das hineintragen in die geistige Welt, haben wir dann dort etwas Ähn­liches, wie wir hier dadurch haben, daß wir Augen haben. Wir sind dann nicht mehr blind in der geistigen Welt Selbst wenn der Fall eintreten sollte, daß alles falsch wäre, was wir so aufgenommen haben, und wir uns überhaupt nur angestrengt haben, so haben wir dadurch unser seelisches Auge ausgebildet und haben nun die Möglichkeit, zu sehen, was in der geistigen Welt vorhanden ist.

Nun liegen die Dinge so, daß dasjenige, was die verschiedenen Religionslehrer mitgeteilt haben, nicht etwa total falsch ist, son­dern es ist von verschiedenen Standpunkten aus die Wahrheit über die übersinnliche Welt dargestellt worden und nur scheinbar sich widersprechend. Man muß das eine durch das andere ergänzen. Aber das Wesentliche, was allen diesen Religionssystemen gemeinschaft­lich ist, das ist, daß alle diese Religionssysteme der menschlichen Seele Vorstellungen liefern, durch welche die Seele sich stark macht, um in die geistige Welt einzutreten, daß die Seele auferweckt wird in ihren geistigen Untergründen. Was dann die einzelnen Religions­lehrer den Seelen geben, das geben sie nach den Fähigkeiten der Seelen, nach den, ich möchte sagen, Bedingungen der einzelnen Menschenrassen, nach den klimatischen Verhältnissen oder den son­stigen Verhältnissen des Landes und der Zeit, in der sie aufzutreten haben. Aber allen ist das gemeinsam, daß sie die Seelen der Men­schen stark und kräftig machen, man kann auch sagen, innerlich leuchtend machen, damit die Seelen nicht nur in der physischen Welt real sind, sondern auch in der geistigen Welt real sein können. Seelenstärkung ist das, was als ein Universell-Wahres nach den ver­schiedenen Möglichkeiten in allen Religionssystemen gegeben wor­den ist.

Unsere Zeit ist nun in die Notwendigkeit versetzt, die geistige Welt nach und nach immer mehr und mehr anders aufzunehmen, als verflossene, vergangene Zeiten das konnten. Gewisse Vorstellungen,

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die sich seit dem Aufblühen der neueren Naturwissenschaft einmal gebildet haben, muß unsere Zeit innerlich erstarken, inner­lich erkraften, so daß die Seele gerade durch solche Vorstellungen fähig wird, in der geistigen Welt nicht tot, sondern lebendig zu sein. Dadurch kommt von selbst etwas Tieferes, etwas die Seele aller­dings mehr Anstrengendes, aber Tieferes zustande, als die verschie­denen Religionssysteme zustande gebracht haben. Ich habe im Laufe der Jahre verschiedene Gründe angegeben, warum unsere Zeit zur Geisteswissenschaft berufen ist. Aber ich möchte sagen: Für den, der dem geistigen Leben nahesteht, zeigt sich gerade heute auf Schritt und Tritt, und das gehört eben überall zu dem Erschüttern­den unserer Zeit, daß zu den Einschlägen, zu den Fermenten, welche das Leben unserer Zeit bekommen muß, die Geisteswissenschaft gehört.

Es sind ja in den letzten Monaten viele, viele Seelen durch die Pforte des Todes gegangen, in Jugendkraft durch die Pforte des Todes gegangen. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge jene Menschenwesen, deren Seelen so durch die Pforte des Todes gegangen sind, alle die Anwartschaft gehabt hätten, noch länger auf Erden zu leben. Wenn nun ein Mensch durch die Pforte des Todes geht, so wissen wir, er legt zuerst den physischen Leib ab, dann nach verhältnismäßig kurzer Zeit den Ätherleib. Dieser Ätherleib gehört dann der äußeren Äther-welt an, und der astralische Leib und das Ich gehören dem Men­schen weiter an. Uber diesen Ätherleib sagt man gewöhnlich, er löse sich auf in der geistigen Welt. Aber die Zeit, in welcher er sich auflöst, ist sehr verschieden. Wenn ein Mensch uralt geworden ist im physischen Leben, also sozusagen ein normales Alter erreicht hat, dann hat er die Kräfte seines Ätherleibes verbraucht, und es löst sich dieser dann rasch auf. Geht aber ein Mensch in Jugend-kraft durch die Pforte des Todes, so hätte ihm sein Ä therleib noch durch Jahrzehnte dienen können. Dieser Ätherleib ist eine zusam­menhängende, in sich gefügte Organisation. Der löst sich im zwei­ten Falle nicht sogleich auf. Er trennt sich ab vom astralischen Leib und vom Ich. Diese gehen in der geistigen Welt ihre eigenen Wege;

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der Ätherleib jedoch trennt sich zwar ab, löst sich aber nicht so-gleich auf. Es wird Ihnen nur natürlich erscheinen, daß der Mensch einen gewissen Zusammenhang mit dem Ätherleibe behält, der sich zunächst abgetrennt hat, aber auch in der geistigen Ätherwelt vor­handen bleibt. Deshalb kann man sagen: In dieser geistigen Äther-welt - absolut genommen, in der Erden-Aura-Nähe - sind eine außer­ordentlich große Anzahl von unverbrauchten Ätherleibern, von Ätherleibern mit frischen Kräften. Das ist das ganz besonders Ein­drucksvolle in der gegenwattigen Beobachtung der geistigen Welt, daß wir einer solchen großen Anzahl unverbrauchter Ätherleiber gegen­überstehen. Aber überall, wo wir an die Empfindungen herantreten können, welche die Toten in bezug auf diese ihre Ätherleiber haben, merken wir wiederum eines. Selbstverständlich sind diese Dinge so, daß Sie sie glauben können oder nicht; denn Anspruch auf Glaul> würdigkeit kann ich ja nur durch das haben, was den Ausführungen vieler Jahre, die ich Ihnen gemacht habe, an Wahrheitskraft inne-wohnte. Was man an Empfindungen der Verstorbenen gegenüber ihren Ätherleibern bemerkt, das ist, daß durch alle die Menschen, welche jetzt das Opfer des Todes gebracht haben, einem gewisser­maßen geistig zugeflüstert wird: Die Zeit ist gekommen! Und recht anwenden wird die Menschheit das, was an unverbrauchten Kräften in unseren Ätherleibern ist, nur dann, wenn diese Menschheit sich bewußt wird, wie sie mit der geistigen Welt zusammenhängt! -Denn von diesen unverbrauchten Ätherleibern strahlen viele, viele Kräfte aus. Die kommen herein in unsere Welt, und diese Kräfte wird die Menschheit nur dann richtig anwenden, wenn sie die Ge­danken auf die geistige Welt hinlenkt. Dann werden diese Kräfte der geopferten Ätherleiber der Menschheit fördernde Kräfte sein. Das ist es gewissermaßen, was die Toten uns heute zurufen: Ver­braucht unsere Ätherleiber nicht umsonst; laßt nicht die Zeit vor­übergehen, in welcher die Kräfte unserer unverbrauchten Ätherleiber dem geistigen Fortschritt der Menschheit dienen können!

Und das Besondere möchte ich noch sagen: Ich habe einmal oder vielleicht öfter ausgeführt, wie man den Verstorbenen zu Hilfe kom­men kann. Besondere Umstände machen es ja möglich, daß die

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Verstorbenen etwas davon haben, wenn wir das, was wir uns als Geisteswissenschaft erobern, ihnen vorlesend zugänglich machen. Ich habe darauf hingewiesen, daß es für den, der durch die Pforte des Todes gegangen ist, viel bedeutet, wenn wir im Geiste ihm Geisteswissenschaftliches vorlesen, wenn wir ihn uns lebendig, lebensvoll geistig vorstellen und, selbstverständlich nicht laut, son­dern wie in Gedanken - es können auch mehrere, können viele sein - ein Kapitel der Geisteswissenschaft ihm vorlesen. Das er­scheint denjenigen absurd, die da glauben, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes tritt, ist die ganze geistige Welt um ihn herum, also brauchte er nicht von uns vorgelesen zu bekommen. Ganz so absurd ist es nicht. Selbstverständlich hat der Verstorbene die gei­stige Welt um sich herum, ist in ihr darinnen. Aber gerade so wenig, wie hier ein Mensch die Welt - die Sinneswelt - versteht, trotzdem er in ihr darinnen ist, wenn er nicht die Wissenschaft von ihr hat, so hat auch der Verstorbene nicht durch das Durchschreiten der Todespforte die Wissenschaft von der geistigen Welt, wenn er auch in ihr darinnen ist. Diese Wissenschaft muß vielmehr hier erworben werden. Wie etwas, was er als Nahrung empfängt, ist es für den Toten, wenn wir ihm vorlesen; das strömt in ihn ein. Und recht viel stärkende Kräfte kann die Menschheit für die nächsten Zeiten in bezug auf das Spirituelle dadurch bekommen, daß gerade jenes Mantram, welches ich jetzt immer am Beginne unserer Betrach­tungen anwende, «Geister eurer Seelen, wirkende Wächter> und so weiter, mit der Veränderung «Sphärenmenschen> in bezug auf die Gefallenen, gebraucht wird. Wir können auch, während das sonst nur möglich ist bei solchen Verstorbenen, die wir selbst ge­kannt haben, gerade dieses Mantram an uns persönlich unbekannte Verstorbene richten; können, nachdem wir dieses Mantram recht andächtig gebraucht haben, vorlesen, ich möchte sagen, ins Un­bekannte hinaus; und Tote, welche jetzt gerade durch unsere Ereig­nisse in den Tod gegangen sind, können es empfangen. Dann wer­den sie mit dem, was sie aus dem Zusammenhange mit uns schöp­fen können, zurückwirken auf dem Umwege durch ihre Ätherleiber auf die Erdenkultur und werden mit den auf der Erde lebenden

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Menschen zusammenwirken, um das spirituelle Leben vorwärts-zubringen.

Durch solche Dinge werden wir aber noch etwas anderes errei­chen. Es ist ja ganz richtig, daß wir gewissermaßen in einer Zeit des trübseligsten Materialismus gelebt haben, und daß diese krie­gerischen Ereignisse etwas ausgelöst haben, was einen wirklichen Anstrich von spirituellem Leben hat. Es ist in bezug auf das Geistige ein großer Unterschied gewesen, wenn man zum Beispiel im Juli des vergangenen Jahres noch, oder sonst früher durch Deutschland gereist ist und geistig die Menschen beobachtet hat, und wenn man im August, September, oder überhaupt jetzt es getan hat oder tut. Was als ein Unterschied hervortritt, das ist der, daß gewissermaßen früher jeder seine eigene egoistische Aura hatte, die sich eng ab-schloß, die sich gleichsam anlegte an den Menschen. Jetzt ist eine gemeinschaftliche Aura vorhanden, in welche die Gedanken als etwas Einheitliches hineinfließen. Daß alles an Gedanken nach einer Richtung hin zielt, ist auch in geistiger Beziehung etwas ungeheuer Bedeutungsvolles. Dadurch ist für die Zeit der kriegerischen Ereig­nisse etwas Spirituelles geschaffen, was vorher nicht da war. Das ist ganz unleugbar. Aber nun stellen Sie sich vor, wie es ja sein muß, daß wieder der Friede kommt. Dann würden die Seelen um so mehr veröden, wenn sie nicht aus ihrem Innern heraus etwas an spirituellem Gut finden könnten; denn das ist für jede Zeit dem Menschen notwendig, daß er an irgend etwas seine Gedanken hinrichtet, was nicht mit einer äußeren Realität etwas zu tun hat. Das stärkt ihn für die geistige Welt in irgendeiner Form. Wenn es Vorstel­lungen über die übersinnliche Welt sind, so stärkt es ihn in bezug auf die guten Kräfte der übersinnlichen Welt; wenn es nicht über­sinnliche Vorstellungen sind, oder wenn es etwas ist, was in bezug auf das Übersinnliche nicht gerechtfertigt ist, so stärkt es ihn auch für die übersinnliche Welt, allerdings dann für die luziferische oder ahrimanische Welt. Aber der Mensch ist einmal so veranlagt, daß das Geistige in ihm sprechen will. Man könnte sagen: der Mensch muß etwas haben, was für die äußere Welt nicht wahr ist; und wenn er sich lange nicht darauf eingelassen hat, etwas in seine Seele aufzunehmen,

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was für die äußere Welt nicht wahr ist, dann kommt eine Reaktion, eine Reaktion in der Weise, daß er an etwas, was für die äußere Welt nicht wahr ist, glauben muß. In merkwürdiger Weise können dann solche Glaubensvorstellungen die menschliche Seele ergreifen. Gewisse, vom Materialismus überwältigte Seelen können ja äußerlich sogar fromm sein. Solche Seelen können diese Reaktion in einer besonderen Art erleben. Sie können sich zum Beispiel, man möchte sagen, unisono die Vorstellung bilden: irgend­ein Volk, das eine Kultur in sich hat, sei ein Volk von Barbaren, und können das zum Glaubensattikel machen. Von gewissen anderen Gesichtspunkten abgesehen, ist dieses nichts anderes als das Lechzen der Seele nach einem Glauben, nach irgend etwas, was in der phy­sischen Welt keine Realität hat. Weil die Menschen nicht nach dem wahrhaft Übersinnlichen mehr die Blicke hinzulenken gewohnt sind, deshalb füllen sie die Seele mit dem Glauben aus: irgendein Volk sei ein Barbaren-Volk. Das ist ein Glaube, ein Dogma gewor­den, dem man ebenso fanatisch anhängt, wie man einmal irgend­welchen religiösen Dogmen angehangen hat. Es ist ein Ersatz für einen lange entbehrten Glauben. Aber nun stelle man sich vor, daß dies nicht auf die Dauer geht. Wenn wieder Friede eingetreten sein wird, werden die Menschen nicht diesen realen Ersatz haben kön­nen, der sich in dem Glauben ausdrückt: irgendein Volk sei ein Barbaren-Volk. Dann kommt die furchtbare Öde, die ganz furcht­bare Öde. Und das ist etwas, was in Aussicht steht für diejenigen Gebiete, die heute in solcher zuweilen richtig abschealich-verloge­nen Weise sich einen Glauben schaffen, sich Dogmen schaffen. Für diese Gegenden wird furchtbare Seelenöde eintreten. Und diese Seelenöde wird nur bekämpft werden können, wenn in solcher Weise, wie es geschildert worden ist, die unverbrauchten Ather­kräfte der dem Todesopfer Geweihten in der richtigen Weise ver­braucht werden, in der richtigen Weise angewendet werden. Daher sagen uns alle, gleichsam uns über den richtigen Verbrauch ihrer Ätherkräfte ermahnend, wie eine spontane, eine jetzt nach dem Tode getane Entdeckung ausdrückend: Es ist an der Zeit! Die Menschheit muß eine geistige Entwickelung durchmachen, und

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diese jetzigen Ereignisse mussen ein Dämmerungszustand sein, aus dem ein neuer Sonnenzustand hervorgeht.

Das ist das, was diejenigen durchdringen muß, welche schwere Verluste erleiden: daß in dem starken Maße, wie es notwendig ist, daß unsere Zeit spirituell wird, dies nur dadurch möglich ist, daß sie Hilfe bekommt aus der geistigen Welt. Aber die Mittel zu dieser Hilfe müssen durch solche schmerzlichen Ereignisse gewonnen wer­den, wie wir sie jetzt eben in unserer Gegenwart erleben. Für den Geistesforscher wird dadurch ganz von selbst klar, daß diese Ereig­nisse rein materialistisch nicht betrachtet werden dürfen. Aber man findet fast nur eine rein materialistische Betrachtung dieser Ereig­nisse. Man kann es erleben - was wir ja erlebt haben -, daß eine Anzahl von Leuten des einen Erdgebietes, die sich angefeindet füh­len, irgendeinen Aufruf erlassen, daß dieser Aufruf in andere feind­liche Gebiete kommt; von diesen feindlichen Gebieten aus stellt man die Frage: Wer hat diesen Krieg gewollt? Oder man beschul­digt den anderen, er habe den Krieg gewollt. Dabei vergißt man immer und immer wieder, was für die tiefere Betrachtung der Ver­hältnisse klar sein muß, und von dieser tieferen Betrachtung der Dinge aus wird auch einiges Heil für die Zukunft kommen können: daß aus der geistigen Welt heraus alle diese Ereignisse wirklich gewollt sind, weil die geistige Welt diejenigen Kräfte braucht, die als Früchte aus diesen Saaten der unverbrauchten Ätherleiber kom­men können. Und wenn man anschuldigen wollte, so müßte man zu gleicher Zeit die geistige Welt selber anschuldigen. Aber da wird einem das Beschuldigen vergehen. Denn da wird man aufmerksam auf die eherne Notwendigkeit, welche besteht, auf jene eherne Not­wendigkeit, welche wirklich von dem Gesichtspunkte geistiger Wel­ten aus auf unsere Erdenwelt herunterschauen muß, etwa wie wir auf etwas hinschauen müssen, wenn es notwendig wird, so und so­viel zu verbrauchen, zu töten, aus einem Zusammenhang zu reißen, um irgend etwas anderes aufzubauen. Wir können kein Haus auf­bauen, ohne daß wir so und so viele Felsgebiete zerstören; da kön­nen wir nicht von irgendeiner Schuld sprechen, da müssen wir von der Notwendigkeit sprechen. Also, es ist der geistigen Welt notwendig,

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diejenigen Opfer zu fordern, welche jetzt gefordert werden, weil Saaten notwendig sind. Diese Saaten sind eben die unver­brauchten Ätherleiber, die dann lebendig alles Werden der Mensch­heit durchdringen, und die da sein müssen, wenn die Entwickelung weitergehen soll, weil sonst der Menschheit die Kräfte fehlen wür­den, um weiterzukommen. Neben allem, was die heutigen Ereig­nisse äußerlich bedeuten, müssen wir, um die Ereignisse wirksam innerlich zu verstehen, dies voll ins Auge fassen.

Wenn wir so die Dinge betrachten, dann sagen wir uns: Wenn ich auch nicht von vornherein überschauen kann, ob alles richtig ist, wie man sagt, was ich aus der geistigen Welt aufnehme, das ist jedenfalls der Fall, daß ich dadurch, daß ich diese Offenbarungen aus der geistigen Welt mit meiner eigenen Seele vereinige, diese Seele anstrenge, ihr dadurch Kräfte zuführe, und daß dadurch meine Seele leuchtend wird für die geistige Welt, Augen bekommt für die geistige Welt. Nur sind die Bedingungen für die geistige Welt andere, als die Bedingungen für die physische Welt sind. Für die physische Welt können wir zufrieden sein, wenn wir einen Ge­danken einmal gefaßt haben und wir seine Wahrheit einsehen. Im praktischen Leben der physischen Welt ist es auch hinreichend, wenn wir die Wahrheit eines Gedankens einmal eingesehen haben. Ich meine es so: Wenn ein Richterkollegium herausfinden will, ob ein Mensch schuldig ist in einer Sache, dann ist die Angelegenheit abgetan, wenn einmal die Vorstellung gefunden ist, dieser Mensch ist schuldig einer Tat. Dann ist alles getan, was nötig ist. In der geistigen Welt dagegen ist gar nicht alles getan, wenn man einmal einen Gedanken gefaßt hat, sondern da ist es notwendig, daß er immer wiederkehrt. Daher kommt es für die geistigen Verhältnisse auf die Wiederholung an. Es kommt nicht bloß darauf an, etwas von den Dingen zu wissen, sondern es immer wieder und wieder in der Seele gegenwärtig zu machen. Darauf beruht auch das medi­tative Leben, daß wir den Inhalt der Meditation im Wiederholen in der Seele gegenwärtig sein lassen. Dadurch wird das, was so immer gegenwärtig ist, in seiner Kraft wirklich so wirkend, wie wenn ein Tropfen immerfort auf einen Stein fällt und ihn zuletzt doch höhlt.

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Wenn der Tropfen einmal auf den Stein fällt, so macht er gar kei­nen Eindruck; wenn er zehnmal oder hundertmal darauffällt, auch nicht; zuletzt aber höhlt er doch den Stein aus. Wenn wir so etwas in die Seele aufnehmen, dann könnte es scheinen, als ob es, einmal aufgenommen, gar nichts für die Seele bedeutet, zehnmal aufgenom­men auch nicht; aber wenn wir Geduld haben, dann können wir es dahin bringen, daß wir den ewigen Wesenskern des Menschen gewahr werden. Denn auf die Kraft, die wir dabei entwickeln, kommt es an; und diese Kraft wird vielfach von den Menschen geflohen, sie wollen sie nicht haben. Warum wollen sie diese Kraft nicht haben?

Warum die Menschen diese Kraft nicht haben wollen, warum sie heute noch eine Scheu haben vor der Geisteswissenschaft, das können wir uns dann beantworten, wenn wir ein wenig gerade wieder vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft aus auf die Bedeutung geisteswissenschaftlicher Vorstellungen für das Leben nach dem Tode sehen. Diejenigen Vorstellungen sind die wichtig­sten nach dem Tode, die nichts abbilden, was in der äußeren Welt vorhanden ist, die sich nicht auf ein äußeres Sein beziehen und von denen der derb-materialistische Mensch sagen kann: sie bedeuten ja nichts im Leben. Aber diese Vorstellungen sind die wichtigsten nach dem Tode. Denn das Bilden solcher Vorstellungen erfordert jene starke Kraft des Nachsinnens, des Nachdenkens, des Nachfühlens, welche die Seele stark macht, sie so macht, daß sie sich erlebt, sicher fühlt in der geistigen Welt. Solche Vorstellungen braucht also die Seele, wenn sie durch die Pforte des Todes geht

Wodurch kann man nun solche Vorstellungen gewinnen? Das wissen wir schon: nur dadurch, daß man die Seele in stärkerem Maße anstrengt, als sie sich gewöhnlich sonst anstrengt. Denn um die Vorstellungen aufzunehmen, welche der heutige Naturforscher aufnimmt, dazu braucht man nur zu schauen, eventuell durch das Mikroskop oder durch das Teleskop. Da kann man sich hübsch pas­siv verhalten, bekommt dann die Eindrücke von der Welt und kann sie registrieren. So ist es ja oft: man liebt es nicht, innerlich sich anzustrengen. Denn was man nicht sieht, darüber muß man sich

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doch stärker anstrengen als über das, was man sieht; und dieses stärkere Anstrengen des Denkens scheut man, das flieht man. So ist man eigentlich - verzeihen Sie den harten Ausdruck - innerlich faul, innerlich bequem. Und das tiefste Charakteristikum des gegen­wärtigen wissenschaftlichen Strebens ist diese innerliche Faulheit, diese Bequemlichkeit, dieses Die Kräfte aus der Seele nicht hervor holen Wollen. Wenn man es aber nun tut, wenn man diese Kräfte aus der Seele herausholt, was bewirkt das nach dem Tode? Ja, man hat gewissermaßen für das Leben nach dem Tode etwas von diesen herausgeholten Kräften, was man, weil man meistens in einer gewissen Illusion lebt, gewöhnlich gar nicht gern hat. Aber ich will gleich auf den Grund hindeuten, weshalb man es gewöhnlich nicht gern hat. Wenn man nämlich durch den Tod oder durch die In­itiation in die geistige Welt eintritt, dann handelt es sich darum, daß man da hinter dem Tode etwas erleben muß, was gewisser­maßen ein zweiter Tod ist. Eine Art zweiter Tod ist es. Sie wissen, man muß sich später auch wieder von seinem astralischen Leib ab­trennen, und man kann das entweder bewußt durchmachen oder man kann es verschlafen. Aber es lebt in der Menschenseele eine geheime Sehnsucht, dies zu verschlafen, es nicht bewußt durchzu­machen. Es lebt im Menschen eine gewisse Furcht, die nicht richtig interpretiert wird, nach dem Tode so stark aufzuwachen, daß man dann die Dinge alle bemerkt, die um einen sind. Diese Furcht ist allerdings ganz gleich derjenigen, die es dem Menschen hier an-genehm machen würde, dieses physische Leben nicht gar so stark zu leben, nicht immer aufzuwachen, sondern etwas betäubt durch das Leben zu gehen. Das Leben ist dann angenehmer. Und wenn man gar immer im Bette liegen könnte, das Leben so im Halbschlaf verbringen könnte, dann wäre es am allerbequemsten. Aber es läßt sich nicht immer machen. Der Mensch muß aufwachen. Und wenn er bis zu dem Zeitpunkt, den ich andeutete, betäubt sein konnte über die Dinge nach dem Tode, so darf er jetzt nicht weiter betäubt sein nach dem Tode. Der Mensch muß aufwachen. Er. hat aber noch Furcht davor. Daher sträuben sich selbst die, welche so nahe daran sind, die Geisteswissenschaft haben zu müssen, wie ein Forscher, der

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da sagt: selbst die nervösen Störungen im Rücken, in den Armen und Beinen beruhen auf Seelischem. Er sträubt sich, die Geisteswis­senschaft anzunehmen, weil er heillose Angst davor hat. Er gleicht dann jemandem, der sagt: Da ist mir etwas abhanden gekommen, gestohlen worden; der Wind wird es schon nicht fortgetragen haben, also durch äußere Naturkräfte wird es nicht abhanden gekommen sein, also wird es ein Mensch weggetragen haben! Aber jetzt bleibt er dabei stehen. Er geht nicht weiter, weil er sich fürchtet, daß er dann durchgeprügelt werden könnte. So verhalten sich gewisse For­scher, wie zum Beispiel Binswanger. Sie sagen: Gewisse nervöse Störungen in den Armen, Beinen und so weiter haben ihre Ursache im Seelischen. Aber dann bleiben sie dabei; sie gehen nicht weiter, weil sie dann fürchten müssen, man könnte sie durchprügeln, par­don! weil sie gern verschlafen, was in der geistigen Welt vor sich geht.

Es ist eine Empfindung, die wir uns aneignen müssen, daß gerade heutige Forscher mit der Nase auf die Wirksamkeit der gei­stigen Welt gestoßen werden, aber nicht an sie heranwollen. Wenn aber diese Forscher einmal an die geistige Welt heranwollen, so werden sie sich klar sein müssen, daß man nicht so im allgemeinen über die Verhältnisse der geistigen Welt reden darf, sondern daß man in positiver Weise auf die Geisteswissenschaft eingehen muß und daß dieses Eingehen auf die Geisteswissenschaft selbst schon eine Art von Heilungsprozeß wird. So hängen ja die Dinge zusam­men. Nicht die eigentlichen Geisteskrankheiten haben sich ver­mehrt; das zu glauben, wäre ein Irrtum. Aber in der Tat ist das­jenige in der neueren Zeit besonders stark ausgebreitet, was man nervöse Störungen nennen kann. Und wenn die Dinge so weiter­gehen, wie sie bis jetzt gingen, dann wird man erst finden, wie der Entwickelungsgang der Menschheit uns zeigt, daß die nervösen Stö­rungen, wenn die alten Verhältnisse vorhanden bleiben, immer stär­ker und stärker werden müssen.

Es könnte da auf ganz interessante Tatsachen hingewiesen wer­den. Nehmen wir einmal eine sehr einfache Tatsache. Es gibt einen österreichischen Dichter: Robert Hamerling - ein ausgezeichneter

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Dichter, von dem ja auch in unserem Kreise einiges schon vor­getragen worden ist. Dieser Mann hat einen großen Teil der zwei­ten Hälfte seines Lebens im Bette zugebracht. Er war schwer krank; immer mehr und mehr verfiel er einer schweren Krankheit. Aber nervös ist er nicht geworden. Nichts zeigt an seinen Dichtungen einen nervösen Charakter. Selbst in Zeiten, in welchen er nur auf einer Seite des Leibes liegen konnte und unter den furchtbarsten Schmerzen schreiben mußte, schrieb er nicht im eigentlichen Sinne nervös. Warum? Er gehörte jener mitteleuropäischen Kultur eben an, welche noch nicht in demselben Maße in die Nervosität über­gegangen ist wie das geistige Leben anderer europäischer Völker. Dieses geistige Leben verkleinert man ja dadurch nicht, aber man muß sich doch klar sein über die Tatsachen. Ich habe es erlebt, wie, nachdem in den siebziger, achtziger Jahren des vergangenen Jahr­hunderts noch ein Verständnis vorhanden war für solche Dinge, wie sie zum Beispiel Robert Hamerling darbietet, dann plötzlich in den achtziger Jahren eine ungeheure Begeisterung einschlug für Dostojewski. Ich will Dostojewski damit selbstverständlich nicht verkleinern, aber was er uns vor allem darbietet, ist eine ganz ner­vöse, zappelige Kunst, bei aller Größe. Eine solche nervöse Kunst würde kommen, wenn der Materialismus - und materialistisch ist es, was Dostojewskische Kunst ist, wenn es auch «Psychologie> ist -weiterströmt und immer weiter.

Soll das nicht kommen, so müssen die starken Kräfte kommen, welche die Menschenseele aufwenden muß, wenn sie sich wirklich hineinfinden soll in Gedankengänge wie: Saturn, Sonne und Mond sind Vorstadien der Erdenentwickelung. Denn man soll einmal einem richtigen Menschen der Gegenwart mit solchen Vorstellun­gen wie Saturnentwickelung, Sonnenentwickelung und so weiter kommen und soll ihm zumuten, jene Gedankenanstrengung zu machen, um solche Dinge notwendig natürlich zu finden. Man kann solche Vorstellungen als notwendig natürlich finden; aber dazu müs­sen von der Seele stärkere Anstrengungen gemacht werden, und die Folge ist: die Nervosität wird ausgetrieben! Man muß zwar Geduld dabei haben, aber die Nervosität wird ausgetrieben. Und was sonst

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über die ganze Kultur der Menschheit kommen würde als eine all­gemeine Nervosität, das wird geheilt werden, wenn dasjenige von der Menschheit ergriffen wird, was von der Geisteswissenschaft, durch die Verbreitung der geistigen Strömung ausgeht. Während sonst die Menschheit zappelig werden würde, kommt die Geistes­wissenschaft von der anderen Seite und bringt zugleich die Heilung. Und während der Psychiater, bevor er in die Geisteswissenschaft ein­gedrungen ist, sich zugestehen muß: die nervösen Erscheinungen nehmen zu, wird er sich vielleicht nachher gestehen müssen, daß es das beste Heilmittel gegen die nervösen Erscheinungen ist, wenn er dem Kranken sagt: Nimm dir einmal ein Buch über Geisteswissen­schaft, jeden Tag dreiviertel Stunden, und versuche es einmal zu verarbeiten; dann werden deine Nerven stärker werden. - Sie wer­den es auch. Aber glauben wird man die Sache erst dann, wenn man sich klar sein wird, daß nach dem zu Anfang des Vortrages herangezogenen Vergleich das Seelenleben nichts anderes zu tun hat mit dem Nervenleben, als daß es Absonderungsprozesse hervor­ruft; daß man das Seelenleben nicht kurieren kann, indem man auf die Absonderungsprozesse einen besonderen Wert legt, sondern indem das, was nichts mit den Absonderungsprozessen zu tun hat, von innen heraus gestärkt wird, durchdrungen wird von der Seele aus dadurch, daß die spirituellen Kräfte in die Seele einströmen. Die Zeit wird kommen, wo man nach der Geisteswissenschaft Rezepte schreiben wird, die darin bestehen werden, daß man dieses oder jenes, was nur von der Geisteswissenschaft gewonnen werden kann, besonders bei den Krankheiten der neueren Zeiten verwenden wird. Vorläufig sind wir natürlich noch lange nicht so weit; denn vor­läufig wird man es noch lange als hinlänglich bewiesen halten, daß irgendeine Therapie ein Unsinn ist, wenn man sie mit der Vignette mystischer Methoden belegen kann, wobei man um so freigebiger ist mit dem Namen «Mystik», je weniger man weiß, was eigentlich Mystik ist. Denn den Ausdruck «Mystik» brauchen wir am wenig­sten; wir brauchen ihn nur, wenn wir etwas technisch bezeichnen wollen; aber die brauchen ihn am allermeisten, die keine Ahnung haben, was Mystik ist.

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Gerade wenn wir diese Dinge überschauen, werden wir uns nicht verhehlen, daß wir in einer sehr bedeutungsvollen Krisenzeit leben. Ich habe öfter gesagt: es ist nicht meine Art, zu sagen, wir leben in einer Übergangszeit; denn ein jeder Zeitraum hat etwas Voran-gegangenes und etwas, was ihm folgt. Aber es handelt sich eben darum, das, worin eine Zeit eine «Übergangszeit» ist, das Konkrete des Überganges zu erkennen. Für unsere Zeit besteht dies Konkrete darin, daß alles, was in unserer Zeit geschieht, uns darauf hinweist:

Es müssen die Menschen den Übergang finden zu einem Erfassen der spirituellen Welten. Dann werden sie in den spirituellen Wel­ten Ruhe, innere Festigkeit, innere Sicherheit finden. Das ist das, was die Menschen unbedingt brauchen.

Wenn Sie sich so recht in der Seele beleben wollen, wie durch Geisteswissenschaft eine neue Art von Ruhe der Seele errungen werden muß, so ist es gut, folgenden Stoff zur Meditation zu neh­men: Es ist wirklich bedeutungsvoll, daß seit drei bis vier Jahr­hunderten die Menschen sich allmählich der Vorstellung an-bequemen mußten, daß sie durch den Weltenraum rasen, richtig durch den Weltenraum rasen. Gewiß, daß er es weiß, kann jeder sagen; aber die Menschen denken gewöhnlich nicht darüber nach, daß sie schon in der Schule lernen, daß sie mit einer riesigen Ge­schwindigkeit durch den Weltenraum rasen. In dieser Beziehung könnte man fast an den erinnern, der einmal in einem Graben lag, zwar ganz bequem lag, doch furchtbar unzufrieden war; und als er gefragt wurde, warum er so unzufrieden sei, da er doch nichts zu tun habe, antwortete er: ja, er müsse doch die Umdrehungen der Erde um die Sonne mitmachen, und er fände es bequemer, zurück­zubleiben. Das war also einer, der das Denken der Umdrehung ernst genommen hatte. Daran denken ja die Menschen gewöhnlich nicht, aber es lebt ja auch das in dem Menschen, woran man gewöhnlich nicht denkt. Also, um den Gedanken fortzusetzen: In den letzten drei bis vier Jahrhunderten haben sich die Menschen gewöhnt, mit ihren Vorstellungen mitzugehen mit der durch den Weltenraum rasenden Erde. Dem muß aus dem Weltenraum Wider­stand geboten werden. Es ist wirklich wahr, daß etwas Beruhigendes

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in dem alten Glauben war, daß die Erde stille stehe, und daß die Sonne sich bewege. Nun wird es noch lange bis dahin sein, daß man das Unrichtige der kopernikanischen Weltansicht einsehen wird; denn so ist die Sache nicht, wie sie heute gelehrt wird. Aber dahin kann man kommen, daß man gewissermaßen durch die Be­lebung der Vorstellungen der geistigen Wissenschaft sich in die Lage versetzt, in der ein Mensch ist, der in einem Eisenbahnwagen sitzt oder auf einem Schiffe fährt und der nun gegen das Poltern sich innerlich anstrengen kann, daß er nichts davon hört, sondern ganz «bei sich» ist. Das kann man heute nur mit den geisteswissen­schaftlichen Vorstellungen. Aber man muß berücksichtigen, daß immer wiederkehrende Wiederholung dazu notwendig ist, weil es auf die Kraft ankommt, die daraus entsteht. Dann bleibt man gleichsam in sich, bei sich, ruhig und sicher. Und dies möchte ich als eine gute Meditationsvorstellung bemerken: Zu uns einsteigen können die Mächte der geistigen Welt, wenn wir ihnen diese Ruhe richtig entgegenbringen. Nur dadurch können sie uns bewußt wer­den, daß wir ihnen durch solches Vorstellungsleben, wie es charak­terisiert worden ist, entgegenkommen.

Das charakterisiert die Übergangszeit, in der wir leben; in diesem Übergang sind wir wirklich darinnen. Die Sehnsucht nach der gei­stigen Welt ist in den Seelen durchaus vorhanden, wenn es auch die meisten heute noch nicht wissen. Aber aus dem, was jetzt als ganz besondere Ereignisse einen so großen Teil der Erde ergriffen hat, wird sich eine bewußte Sehnsucht nach der geistigen Welt ent­wickeln. Dies kann man als Geistesforscher heute schon wissen: daß alle die hingeopferten unverbrauchten Ätherleiber die tiefste Sehn­sucht nach der geistigen Welt loslösen werden. Diese tiefste Sehn­sucht wird kommen, Sehnsucht nach einer Wahrheit, die nicht durch äußere Beobachtung, sondern innerlich durch die Anstren­gung der Seele errungen werden muß. Darauf ist in der Tat der deutsche Geist vorbereitet. Er ist vorbereitet auf solche Wahrheit, die durch sich wahr erscheint und nicht dadurch, daß sie äußerlich bewahrheitet wird. Dazu ist der deutsche Geist vorbereitet. Und überall findet man die Beweise dafür. Diejenigen, die so recht im

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Wesen des deutschen Geistes gestrebt haben, sie haben ja immer in ihren Gedankenformen die Art gehabt, über die Wahrheit als einer innerlichen Gabe der Menschenseele zu sprechen. Wie wäre es denn, was heute ein solcher sagen würde gegenüber manchem, was wir in unsern Tagen erleben? In den ersten Augusttagen konnte man in ausländischen Zeitungen lesen: Hamburg ist ein Trümmerhaufen; die Russen sind in Stettin, sogar in Köln eingezogen. Noch ganz andere Dinge waren verbreitet. Kaiser Franz Joseph starb bekannt­lich am 8. September. Was wäre es, was ein solcher oben Charak­terisierter demgegenüber sagen würde?

«Messing statt Goldes, nachgemachte Würfel statt echter mögen von einzelnen verkauft, eine verlorene Schlacht als eine gewonnene mehreren aufgeheftet, und sonstige Lügen über sinnliche Dinge und einzelne Begebenheiten auf eine Zeitlang glaubhaft gemacht wer­den, aber in dem Wissen von dem Wesen, worin das Bewußtsein die unmittelbare Gewißheit seiner selbst hat, fällt der Gedanke der Täuschung hinweg. »

Das würde tief aus dem heraus, was man heute erfahren mußte, geschrieben sein. Hegel hat es geschrieben, und er ist im Jahre 1831 gestorben. Es ist das Eigentümliche: wenn jemand tief ergriffen ist von der inneren Natur der Wahrheit, dann sagt er Dinge, die für alle Zeiten wahr sind; dann kann man das, was also aus dem Be­wußtsein der Wahrheit herausgesprochen worden ist, zu allen Zeiten anführen. Das ist das, was man über die Eigentümlichkeit des mitteleuropäischen Geistes sagen muß, über sein ganz besonderes Verhältnis zur Wahrheit, und was unleugbar ist für den, der sich Mühe gibt, die Dinge kennenzulernen. Heute hat man ja das Ge­fühl, daß man oft sagen muß: Wozu haben die Menschen Ge­schichte gelernt? Sie haben sie vielleicht auch nicht gelernt. Es ist ja doch so, als ob die Seelen erst nach dem 1. August 1914 geboren worden sind und gar nicht das, was früher geschehen ist, zu Hilfe nehmen, um ein Urteil zu gewinnen. Aber alles das ist zuletzt nur dazu da, um die Reaktion um so stärker und intensiver zu machen, um so stärker und intensiver in den Seelen das Bedürfnis nach innerlich wahrhaftiger Wahrheit zu erzeugen. Das ist die Natur des

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Überganges in unserer Zeit, in der so vielfach fehlt und sich als so fehlend zeigt dieses innerliche Verbundensein mit der Wahrheit. Es wird als Reaktion entstehen eine tiefste Sehnsucht nach der Wahr­heit. Dann werden die Seelen, die hier in Leibern verkörpert sind, hören, was jene Seelen zu ihnen sprechen, die sich durch den Opfertod der jetzigen Zeit bereitet haben, von der Wahrheit mehr zu erkennen, als man heute gemeiniglich erkennt.

Das ist es, was ich in dieser Stunde habe sagen wollen, um von neuem zu bekräftigen, was ich öfter gerade in dieser Zeit ausgespro­chen habe über das lebendige Sprechen der Zeitereignisse zu uns. Denn wirklich: diese Zeitereignisse sprechen davon. Sie sprechen denjenigen, die murvoll sich ihnen widmen, die opferfreudig sich ihnen widmen, die trauernd heute schon auf die Zeit hinsehen, sie sprechen ihnen Mut und Trost zu - und Mut und Trost zu neuer Kraft:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

SIEBENTER VORTRAG Berlin, 22. Februar 1915 Persönlich - Übersinnliches

#G157-1960-SE135 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

SIEBENTER VORTRAG

Berlin, 22. Februar 1915

Persönlich - Übersinnliches

#TX

Am heutigen Abend möchte ich einiges von den Erkenntnissen über den Zusasnmenhang unserer physischen Welt mit der geistigen Welt zur Betrachtung bringen, indem ich anknüpfe an etwas intimere Ereignisse innerhalb unserer eigenen Bewegung. Innerhalb dieses intimen, geschlossenen Kreises ist ja solches möglich. Und vor allen Dingen weiß ich, daß ich die Mitteilungen verantworten kann vor denjenigen, welche während ihres physischen Lebens unsere Mitglieder geworden sind, die sie auch während ihres weiteren Lebens bleiben werden, und auf welche sich einige der Tatsachen beziehen sollen, von denen ich heute zu sprechen gedenke.

Es war gerade in den letzten Wochen, meine lieben Freunde, wo Karma das gebracht hat, daß ich, weil ich an dem betreffenden Orte, wo die Einäscherung lieber Freunde stattfand, gerade verweilen konnte, bei dieser Einäscherung zu sprechen hatte. Und es hing dies Ganze wohl auch zusammen mit einer anderen Tatsache, mit der Tatsache, daß es mir gerade nahelag, in Anknüpfung an diese Per­sönlichkeiten gewisse bemerkenswerte Eindrücke aus ihrem Sein in der geistigen Welt zu erhalten, nachdem sie kurz vorher, eben tage­lang vorher nur, durch die Pforte des Todes gegangen waren.

Ich habe es ja öfter erwähnt: ob man von dieser oder jener Tat­sache der geistigen Welt Eindrücke bekommt, das hängt von man­cherlei Umständen ab. Es hängt vor allen Dingen davon ab, wie stark es möglich ist, einen wirklich inneren Zusammenhang, einen starken inneren Zusammenhang mit den betreffenden Seelen aus­zugestalten. Das kann sich so herausstellen, daß manchmal man in dem Glauben lebt, mit dieser oder jener Seele müsse man einen ganz besonderen Zusammenhang haben. Und dennoch ist dann das weniger der Fall. Bei manchen Seelen lernt man erst durch dasjenige, was man dann erfährt, kennen, daß eben ein solcher Zusammen­hang leichter herzustellen war.

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Nun stellte sich gerade in den drei Fällen, von denen ich zuerst sprechen möchte, meine lieben Freunde, das intensivste Bedürfnis ein, Eindrücke zu empfangen unmittelbar nach dem Tode, welche mit dem ganzen Wesen dieser Seelen zusammenhingen. Ich möchte sagen, das ergab sich eben in diesen Fällen wie von selbst. Nicht wahr, man kann ja, wenn man bei einer Grabesfeier zu sprechen hat, selbstverständlich in Anknüpfung an das Mannigfaltigste spre­chen, aber in diesen drei Fällen ergab sich wie eine innere Not­wendigkeit, wirklich intensiv anzuknüpfen an das Wesen der betreffenden Seelen, gleichsam bei der Einäscherungsfeier dieses Wesen der betreffenden Seelen in Wotte zu kleiden. Das war aber nicht so, als ob ich mir vorgenommen hätte, gerade bei diesen Todes­feiern das Wesen dieser betreffenden Seelen zu charakterisieren, son­dern es ergab sich wie eine erleuchtende Notwendigkeit, daß es so sein müsse. Ich will damit gar nicht sagen, daß es in anderen Fällen ebenso sein müsse. Diese erleuchtende Notwendigkeit, die ergab sich deshalb bei einer der Seelen, weil mir - das sage ich also nicht als Gesetz, sondern als Erfahrung, als Erlebnis - weil mir eben nach dem Tode von der geistigen Welt her die Impulse kamen, dieses Wesen der Seele zu charakterisieren. Ich brauchte keine Worte zu machen; die Worte ergaben sich, die Worte kamen. Und wir werden nachher sehen, meine lieben Freunde, warum das gerade so war, aus einigen Andeutungen, die schon gemacht werden können über das weitere Leben der betreffenden Seele nach dem Tode.

Zunächst muß ich, damit das Ganze verstanden werden kann, einiges eben bemerken über die besondere Natur solcher Erlebnisse. Wenn man hier in der physischen Welt Eindrücke haben will, dann stellt man sich den Dingen gegenüber. Man macht sich Gedanken, je nachdem man die Dinge sieht, hört oder betastet, man weiß, man ist es selbst, der sich diese Gedanken macht. Wenn man mit einer Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen ist, zu tun hat, dann merkt man sogleich, daß alles, was man selbst macht vielleicht an Gedanken, an Worten, eigentlich einen entfernt von dem betreffen­den Wesen; daß da notwendig ist, sich ganz dem hinzugeben, was sich in einem macht. Und wenn man die Eindrücke in Worte prägen

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will, so muß man in der Tat in sich selbst die Möglichkeit haben, daß sich diese Worte in einem bilden, daß man nichts dazu tun kann, damit sich diese Worte so gerade bilden. Man muß innerlich hinhören können auf die Worte. Und indem man innerlich hinhört, hat man zugleich die Gewißheit: diese Wotte sind nicht von einem selbst ausgesprochen, sondern von der Wesenheit, die durch die Pforte des Todes gegangen ist.

So war es, als in den letzten Wochen ein an Jahren älteres Mit­glied von uns von dem physischen Plan hier gegangen ist. Ein älteres Mitglied, das sich durch eine längere, größere Anzahl von Jahren wirklich tief herzlich in unsere Bewegung eingelebt hat, für ihr Gefühl, für ihr Gemütserlebnis in sich belebt hatte dasjenige, was an Ideen, an Vorstellungen unsere Geisteswissenschaft geben kann. Mit ungeheurer Hingebung hatte sich die betreffende Persönlichkeit identifiziert in ihrer Seele mit alldem, was durch unsere Geistes­wissenschaft wellt und wallt. Nun kam es darauf an, gewissermaßen sich diesem Eindrucke zu überlassen, der von dieser Seele ausging. Und merkwürdigerweise war es da, das konnte konstatiert werden, daß sogar wenige Stunden, nachdem der physische Tod eingetreten ist, gewisse Worteindrücke, in Worte schon geprägte Eindrücke, also nicht bloß in hörbare wirkliche Worte sich prägende Eindrücke wie eine Charakteristik der betreffenden Seele sich ergaben. Zu diesen Worten konnte nichts anderes getan werden als nur, daß möglichst der Versuch gemacht werde, rein aufzufassen dasjenige, was durch das eigene Innere die betreffende Seele sprach, denn man muß es durchaus ein solches Sprechen nennen. Und da waren es dann eben die Worte, die ich dann auch bei der Einäscherung sprach. Es waren die Worte, die, wie gesagt, nicht meine Worte waren, sondern die die Worte waren - und ich bitte genau die Worte zu erwägen, die ich nun gebrauche -, die von der betreffenden, durch den Tod ge­gangenen Seele herkamen:

In Weltenweiten will ich tragen

Mein fühlend Herz, daß warm es werde

Im Feuer heil'gen Kräftewirkens;

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In Weltgedanken will ich weben

Das eigne Denken, daß klar es werde

Im Licht des ew'gen Werdelebens;

In Seelengründe will ich tauchen

Ergebnes Sinnen, daß stark es werde

Für Menschenwirkens wahre Ziele;

In Gottes Ruhe streb' ich so

Mit Lebenskämpfen und mit Sorgen

Mein Selbst zum höhern Selbst bereitend.

Nach arbeitsfreud'gem Frieden trachtend,

Erahnend Weltensein im Eigensein

Möcht' ich die Menschenpflicht erfüllen;

Erwartend leben darf ich dann

Entgegen meinem Seelensterne,

Der mir im Geistgebiet den Ort erteilt.

Und dann, als ich die Worte noch einmal sprach am Ende der Leichenrede, dann mußte ich sie, ohne daß ich das vorher gewußt hatte, am Schlusse umändern und so sprechen:

Erwartend leben darf ich dann

Entgegen meinem Schicksalssterne,

Der mir im Geistgebiet den Ort erteilt.

Nun war es klar, was das war. Es war der Versuch bei der be­treffenden Persönlichkeit, dasjenige, was sie aufgenommen hatte durch Jahre in den geisteswissenschaftlichen Gedanken, Ideen, Ge­fühlen und Empfindungen in das eigene Wesen, das nun durch den Tod gegangen war, so einzuprägen, daß die Ideen, die Empfindun­gen Kräfte wurden, die diese Persönlichkeit, dieses Wesen nach dem Tode gestalteten und prägten. Also diese Persönlichkeit hatte die Ideen und Vorstellungen der Geisteswissenschaft verwendet, um das eigene Wesen gleichsam zu zeichnen, zu prägen; aber so zu prägen,

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wie dieses Wesen dann wirklich seelisch weitergeht in der geistigen Welt.

Kurz darauf verloren wir für den physischen Plan eine andere Freundin unserer Bewegung, ein anderes Mitglied. Und bei diesem Mitglied war wiederum die intensive Notwendigkeit da, das Wesen zu charakterisieren. Aber es konnte nicht so geschehen, wie es in dem eben erwähnten Falle geschehen war. In dem eben erwähnten Falle war wirklich in den Worten, wie sie geprägt waren, das ganz so, daß man sagen konnte: Eine Seele, die da durch die Pforte des Todes gegangen ist, sprach sich aus, als was sie sich fühlte und was sie werden wollte; sie sprach sich selbst aus. In diesem zweiten Falle, da war es so, daß man sich mit der eigenen Seele wie gegenüberzu­stellen hatte und zu betrachten hatte geistig das Wesen der betreffen­den Seele. Dann sprach sich diese Seele auch aus, aber sie sprach sich in solchen Worten aus, die eben doch aus der betrachtenden Seele heraus das Material zur Selbstcharakteristik nahmen. So daß dasjenige, was da die Seele tat, die durch die Pforte des Todes ge­gangen war, nur eine Anregung war, um dasjenige, was man ihrem Wesen gegenüber jetzt, nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen war, fühlen mußte, auszusprechen. Und da entstanden dann die folgenden Worte, die nachgesandt werden mußten bei der

Einäscherungsfeier:

Du tratest unter uns,

Deines Wesens bewegte Sanftmut

Sprach aus deiner Augen stiller Kraft -

Ruhe, die seelenvoll belebt,

Floß in den Wellen,

Mit denen deine Blicke

Zu Dingen und zu Menschen

Deines Innern Weben trugen.

Und es durchseelte dieses Wesen

Deine Stimme, die beredt

Durch des Wortes Art mehr

Als in dem Worte selbst

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Offenbarte, was verborgen

In deiner schönen Seele weset,

Doch das hingebender Liebe

Teilnahmvoller Menschen

Sich wortlos auch enthüllte:

Dies Wesen, das von edler, stiller Schönheit,

Der Welten-Seelen-Schöpfung

Empfänglichem Empfinden kündete.

Als nun diese Worte am Beginn und am Ende der Leichenrede gesprochen waren, begann die Einäscherung. Und es war nun mög­lich, zu beobachten, meine lieben Freunde, daß dieser Moment -also wohlgemerkt, nicht der Moment, während dem gesprochen worden ist, sondern der Moment, wo die Wärme des Ofens den Körper ergriff -, daß dieser Moment derjenige war, wo - ich werde darüber genauer nachher sprechen - eine Art ersten bewußten Augenblickes nach dem Tode eintrat. Ich sage «bewußten Augen-blickes» und meine das so: gleich nach dem Tode ist ja eine Rück­schau vorhanden auf dasjenige, was im ätherischen Leibe als ein Lebenstableau erscheint. Das geht aber nach einigen Tagen hinweg. Nun war gerade damals die Notwendigkeit gegeben, daß die Zeit ziemlich lang dauerte zwischen dem Tod und der Einäscherung. Mittwoch abends um sechs Uhr trat der Tod ein; am nächsten Mon­tag um elf Uhr fand die Einäscherung statt. Da war also bereits ein­getreten das Hinweggehen dieses Bildes, dieses Lebenstableaus. Also der erste Moment von einiger Bewußtheit nach dem Lebenstableau trat dann ein, als die Hitze des Feuerofens den Leib ergriff. Und da zeigte sich denn klar, daß die Art des Anschauens, die Art der ganzen Weltbetrachtung für ein solches geistgewordenes Wesen eine andere ist, als sie ist für die Menschenseele, solange sie im physischen Leibe ist. Im physischen Leibe sehen wir die Dinge des Raumes so, daß sie stehenbleiben, wenn wir uns von ihnen ent­fernen. Wenn hier ein Stuhl steht und ich sehe ihn, und ich gehe dann ein Stückchen weiter weg und ich schaue mich um, dann ist der Stuhl noch da. Ich schaue auf ihn zurück. Wenn ich weitergehe,

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so ist der Stuhl immer noch da, er bleibt stehen. Während wir im physischen Leibe leben, ist das für die Ereignisse, die sich in der Zeit abspielen, nicht so. Die Ereignisse, die wir in der Zeit haben an uns vorüberziehen lassen, die bleiben nicht stehen. Ein Ereignis, das an uns vorübergezogen ist, das ist vergangen, und wenn wir zurückblicken, so können wir nur in der Erinnerung zurückblicken. Nur unsere Vergangenheit verbindet uns mit dem Ereignis. So ist es nicht für ein Geistwesen. Das sieht die Ereignisse als stehengeblieben, so wie wir hier die Dinge im Raume als stehengeblieben sehen. Und so war der erste Eindruck, den die Seele hatte, von der ich sprach, der von der Leichenfeier mit alledem, was da getan und gesprochen worden ist. Diese Leichenfeier war ja eben schon fünf bis zehn Minuten vorüber, aber für die Tote war sie noch da, stand sie da, wie sonst für den physischen Menschen nur die Dinge im Raum dastehen. Und der erste Eindruck war das Zurückblicken auf das­jenige, was da gesprochen worden war; also vor allen Dingen auf die Worte, die ihr jetzt ertönten, auf die Worte, die ich eben vor­gelesen habe. Es ist da wirklich so, wie Wagner aus einer tiefen Intuition gesagt hat: «Die Zeit wird zum Raum>. Es ist dasjenige, was vergangen ist, nicht vergangen für das geistige Erleben, sondern es steht da, wie für die physischen Menschen die Dinge im Raum dastehen. Das war also der erste Eindruck nach dem Tode, diese Leichenfeier und was dabei gesprochen worden ist. In diesem Falle war das nun so, daß man dieses Zurückblicken und dieses gleichsam Anschauen dessen, was bei der Leichenfeier geschehen war, nicht nennen kann ein endgültiges Aufleuchten des Bewußtseins, denn nachher trat wiederum der Dämmerzustand ein, von dem ich spre­chen werde, und erst nach einiger Zeit trat wiederum ein solches Aufleuchten des Bewußtseins ein. Wiederum, langsam und allmäh­lich, tritt das Aufleuchten des Bewußtseins ein. Das dauert Monate, bis es so völlig da ist, daß wir davon sprechen können, daß der Tote die geistige Welt voll um sich hat. Aber später, eben durch ein spä­teres Aufleuchten des Bewußtseins, zeigte sich gerade bei dieser Per­sönlichkeit ein intensives Bedürfnis, immer wiederum zu diesem Momente, gerade zu diesem Momente hinzuschauen, diesen Moment

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klar ins Auge zu fassen. Dieses steht in vollem Einklange, wie ich gleich auseinandersetzen werde, mit dem, was man wissen kann über das ganze Verhalten des Menschen nach dem Tode.

Ein dritter Fall ist ja derjenige, welcher insbesondere unsere lieben Berliner Mitglieder auch intensiv berühren wird, es ist der Fall unseres kürzlich verstorbenen Freundes und Mitgliedes Fritz Mitscher. Fritz Mitscher ging ja durch die Pforte des Todes kurz vor seinem dreißigsten Jahr, vor der Vollendung seines dreißigsten Lebensjahres. Er wäre dreißig Jahre alt geworden am 26. Februar, der jetzt kommt.

Bei Fritz Mitscher traten ja mit der Hinlenkung der Gedanken auf sein Wesen nach dem Tode vor allen Dingen die Anregungen in die eigene Seele, die betrachtende Seele hinein, die ausgingen von seiner so intensiven Hingabe an unsere geistige Bewegung. Er war ja in dieser Beziehung geradezu eine musterhafte Persönlichkeit. Eine musterhafte Persönlichkeit in der Weise, daß er, der ja eine zur Aus­bildung von Gelehrsamkeit neigende Natur war, wirklich aus einer inneren Notwendigkeit, einem tieferen inneren Bedürfnis heraus, die Anlage immer mehr und mehr entfaltete, seine ganze Gelehrsam­keit, die er sich aneignen mochte, in den Dienst der geisteswissen­schaftlichen Bewegung zu stellen. Er war damit gerade eine von denjenigen Persönlichkeiten, welche so notwendig sind im Gang unserer geisteswissenschaftlichen Weltanschauung. Das bedarf die Gegenwart, daß die äußere Wissenschaft, das äußere wissenschaft­liche Streben durch die Seele so verwendet werde, daß dieses äußere wissenschaftliche Streben gleichsam einläuft in die aus der geistigen Welt heraus gewonnenen Erkenntnisse, zu denen wir uns hinneigen wollen. Und das beseelte die jugendliche Seele Fritz Mitschers. So daß das Gefühl vorhanden sein mußte, schon indem man ihn hier im Leben betrachtete: Er ist auf einer sehr, sehr rechten Bahn gegenüber unserer Bewegung.

Nun werden sich die Freunde erinnern an etwas, was ich bei Gelegenheit eines anderen Todes vor Jahren gesagt habe: Gerade bei solchen Persönlichkeiten, die gewissermaßen dasjenige, was in der Gegenwart physische Wissenschaft geben kann, in sich auf­genommen haben, stellt sich heraus, wenn sie frühzeitig durch die

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Pforte des Todes gehen, daß sie bedeutsame Mitarbeiter werden nach dem Tode an unserer geistigen Bewegung, die ja nicht ange­wiesen ist bloß auf diejenigen Seelen, die hier im Leibe weilen. Hät­ten wir nicht die Kräfte der Seelen, die mit Erdenwissen durch die Pforte des Todes gegangen sind und dort verbleiben in Verbindung mit dem Willen, der durch unsere Bewegung strömen soll, so könn­ten wir ja gewiß in unserer jetzigen materialistischen Zeit die Hoff­nung nicht hegen, die wir hegen müssen in so starkem Maße, wie sie eben berechtigt ist, daß wir vorwärtskommen.

So ging denn von Fritz Mitschers Seele aus etwas, was sich zu­sammenfassen läßt in Worte, die ich nicht anders als eben so zum Ausdruck bringen konnte, wie ich sie Ihnen jetzt vorlesen will, und die auch bei der Einäscherung gesprochen worden sind:

Eine Hoffnung, uns beglückend,

So betratest du das Feld,

Wo der Erde Geistesblüten

Durch die Kraft des Seelenseins

Sich dem Forschen zeigen möchten.

Lautrer Wahrheitsliebe Wesen

War dein Sehnen urverwandt;

Aus dem Geisteslicht zu schaffen,

War das ernste Lebensziel,

Dem du rastlos nachgestrebt.

Deine schönen Gaben pflegtest du

Um der Geist-Erkenntnis hellen Weg,

Unbeirrt vom Welten-Widerspruch,

Als der Wahrheit treuer Diener

Sichern Schrittes hinzuwandeln.

Deine Geistorgane übtest du,

Daß sie tapfer und beharrlich

An des Weges beide Ränder

Dir den Irrtum drängten,

Und dir Raum für Wahrheit schufen.

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Dir dein Selbst zur Offenbarung

Reinen Lichtes zu gestalten,

Daß die Seelen-Sonnenkraft

Dir im Innern machtvoll strahle,

War dir Lebenssorg' und -freude.

Andre Sorgen, andre Freuden,

Sie berührten deine Seele kaum,

Weil Erkenntnis dir als Licht,

Das dem Dasein Sinn verleiht,

Als des Lebens wahrer Wert erschien.

Eine Hoffnung, uns beglückend,

So betratest du das Feld,

Wo der Erde Geistesblüten,

Durch die Kraft des Seelenseins,

Sich dem Forschen zeigen möchten.

Ein Verlust, der tief uns schmerzt,

So entschwindest du dem Feld,

Wo des Geistes Erdenkeime

In dem Schoß des Seelenseins,

Deinem Sphärensinne reiften.

Fühle, wie wir liebend blicken

In die Höhen, die dich jetzt

Hin zu andrem Schaffen rufen,

Reiche den verlassnen Freunden

Deine Kraft aus Geistgebieten.

Höre unsrer Seelen Bitte,

Im Vertrau'n dir nachgesandt:

Wir bedürfen zu dem Erdenwerk

Starker Kraft aus Geistes-Landen,

Die wir toten Freunden danken.

Eine Hoffnung, uns beglückend,

Ein Verlust, der tief uns schmerzt:

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Laß uns hoffen, daß du ferne-nah,

Unverloren unsrem Leben leuchtest,

Als ein Seelenstern im Geistbereich.

Auch solche Worte, meine lieben Freunde, sind ja so geprägt, daß sie betrachtet werden müssen als hervorgegangen aus der Identifizierung mit der durch den Tod gegangenen Seele. Sie ergeben sich als eine Notwendigkeit, wenn sie auch nicht von der Seele selber gesprochen sind, wenn auch von der Seele selber nur die Anregung ausgeht, sie ergeben sich als eine Notwendigkeit durch die Kräfte, die von der Seele ausgegangen sind, gerade so, bis ins einzelne hinein gerade so gesprochen zu werden, wie sie gespro­chen worden sind. Ich hatte wirklich nichts, nichts anderes bei diesen Worten im Sinne als die Worte, so wie ich sie Ihnen jetzt gelesen habe. Daher hatte es für mich etwas im höchsten Grade Erschüttern-des, als in der Nacht, die der Bestattung folgte, die Seele unseres Fritz Mitscher, noch nicht aus seiner Bewußtheit heraus, wohl aber aus seinem Wesen heraus, gewissermaßen antwortete auf dasjenige, was also bei der Bestattung gesprochen war; antwortete, indem von ihr, also jetzt von der durch den Tod gegangenen Seele, die folgen­den Worte kamen:

Mir mein Selbst zur Offenbarung

Reinen Lichtes zu gestalten,

Daß die Seelen-Sonnenkraft

Mir im Innern machtvoll strahle,

War mir Lebenssorg' und -freude.

Andre Sorgen, andre Freuden,

Sie berührten meine Seele kaum,

Weil Erkenntnis mir als Licht,

Das dem Dasein Sinn verleiht,

Als des Lebens wahrer Wert erschien.

Daß man diese beiden Strophen auch so sagen kann, daß jedes «dir» in «mir» und «dein» in «mein» verwandelt werden kann, das

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dachte ich nicht im eniferntesten, als ich diese Strophen niederzu­schreiben hatte. Es war mir nur lebendig:

Dir dein Selbst zur Offenbarung

Reinen Lichtes zu gestalten,

Daß die Seelen-Sonnenkraft

Dir im Innern machtvoll strahle,

War dir Lebenssorg' und freude.

Andre Sorgen, andre Freuden,

Sie berührten deine Seele kaum,

Weil Erkenntnis dir als Licht,

Das dem Dasein Sinn verleiht,

Als des Lebens wahrer Wert erschien.

Und jetzt waren die Worte eben so umgesetzt, und sie konnten so umgesetzt werden, daß, ohne irgend etwas grammatikalisch zu ändern, nur das «Dir dein Selbst» in «Mir mein Selbst» und «Dir im Innern machtvoll strahle» in «Mir im Innern machtvoll strahle» und so weiter geändert werden konnte.

Da haben Sie einen merkwürdigen Zusammenhang zwischen dem, was hier gesprochen worden ist, mit der Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen war; ein Zusammenhang, der ergibt, daß eben wirklich das, was hier gesprochen worden war, aus der Seele nun nicht als ein bloßes Echo etwa zurückkam, sondern als sinn­gemäß umgestaltet zurückkam. Bemerken möchte ich nur, daß, als diese Worte geprägt wurden, wirklich durch meine Seele wie durch eine Notwendigkeit eine gewisse Empfindung ging, die die Grund-nuance abgab für dies. Das war die Empfindung, wie wenn es mir eine Notwendigkeit wäre, gerade dieser Seele bei ihrem Gehen durch die Pforte des Todes einen gewissen Auftrag zu geben. Wir wissen ja, wie vieles in der heutigen materialistischen Zeit unserer geistigen Bewegung widerstrebt; wie wenig die Welt heute schon geeignet ist für diese geistige Bewegung. Und man kann wirklich, gerade wenn man durchschaut dasjenige, was möglich ist im Erdenleibe zu

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leisten, man kann wirklich sagen: Es bedarf der Unterstützung! Und diese Empfindung war es, die durch die Worte zum Ausdruck kam:

Höre unserer Seelen Bitte,

Im Vertrau'n dir nachgesandt:

Wir bedürfen hier zum Erdenwerk

Starker Kraft aus Geistes-Landen,

Die wir toten Freunden danken.

Gleichsam wie diese Seele auffordernd, die Keime, die sie sich hier angeeignet hat, nun weiter zu verwenden gerade zur Förderung unserer geisteswissenschaftlichen Bewegung, das erschien mir eine notwendige Empfindung eben bei dieser Seele.

Nun werden Sie gesehen haben, daß in diesen drei uns so nahe­liegenden Fällen trotz aller Verschiedenheit etwas Gleiches waltet. Das Gleiche waltet, daß vor der betrachtenden Seele, vor derjenigen Seele, die durch das Karma eben gerade zu einer Betrachtung be­sonders angeregt war, weil sie bei der Leichenfeier zu sprechen hatte, Gedanken angeregt wurden über das Wesen; daß gleichsam die Notwendigkeit vorlag, dieses Wesen auszusprechen.

Bei der ersten Persönlichkeit, von der ich gesprochen habe, war es wirklich so - Sie wissen ja, in welchem Sinne ich solche Dinge sage: nur um der Erkenntnis zu dienen, nicht um in irgendeiner Weise eine Renommisterei zu treiben -, daß ich die Persönlichkeit eben auch kennengelernt habe auf dem physischen Plan, nachdem sie in die Gesellschaft eingetreten war. Man erlebt ja einiges mit, was sich abspielt, während die Persönlichkeiten hier in unserer Ge­sellschaft sind; aber unsere Freunde werden wissen, daß es nicht meine Art ist, mich irgendwie über die Lebensverhältnisse oder der­gleichen besonders zu erkundigen oder das oder jenes zu fragen, was die betreffenden Persönlichkeiten im physischen Leben hier gelebt haben und so weiter. Nicht eine persönliche, aber, ich möchte sagen, eine Erkenntnisbefriedigung war es mir, als ich nun die eine Persönlichkeit in einer kleinen Leichenrede weiterhin auch charak­terisierte, wie sie ihrer Seele nach war, wie sie das Leben hier auf Erden durchlebt hatte. Ich hatte nichts dabei vor mir als die Seele

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nach dem Tode. Nicht nur, daß sie diese Worte aussprach, die ich zuerst gelesen habe, sondern die Seele hatte ich vor mir, wie sie nun war nach dem Tode, wie die Eigentümlichkeit war nach dem Tode. Ich hatte nichts anderes vor mir. Ich kannte eigentlich kaum irgend etwas, was mit ihr geschehen war, bevor sie in unsere Gesellschaft eingetreten war, und auch nicht besonders viel von dem Leben, was nicht in Versammlungen und so weiter verlaufen war oder den Ge­legenheiten, wie man sonst ab und zu unsere Mitglieder trifft. Ich kannte nichts weiteres. Dennoch hatte ich gerade in diesem Falle, wie einer inneren Notwendigkeit gehorchend, bei der Bestattung mich veranlaßt sehen müssen, über bestimmte Lebensverhältnisse zu sprechen, Verhältnisse, die sich auf das ganze Leben bezogen; das Verhältnis der verstorbenen Persönlichkeit, die ein hohes Alter erreichte, zu ihren Kindern und zu ihrer Arbeit im Leben. Und wie gesagt, es war mir nicht eine persönliche, sondern eine Erkenntnis-befriedigung, als dann die Verwandten mir sagten: Wir haben eigentlich die betreffende Persönlichkeit so recht erkannt aus dem, was da gesprochen wurde, denn jedes Wort charakterisiert sie ganz intensiv. Es war also das Bild auch des individuellen Lebens wäh­rend des physischen Lebensganges getroffen, zu dem nur die Mög­lichkeit vorhanden war - nun nachdem sich dieses Leben zusam­mengezogen hatte in der Seele -, die in der Seele zusammengezoge­nen Resultate zu sehen. Was uns aber für die Erkenntnis besonders interessiert, ist dieses, daß wir gerade an dieser Seele die intensive Notwendigkeit wahrnehmen, nach dem Tode den Geistesblick hin­zurichten auf das eigene Leben. Denn es war wirklich nicht mein Verdienst, dieses eigene Leben der betreffenden Persönlichkeit charakterisieren zu können, sondern der Vorgang war der, daß, ob­wohl die Persönlichkeit damals nicht bewußt war, sie dennoch ihr Seelenwesen hinlenkte - sich vorbereitend dadurch für ihr späteres, bewußtes Nach dem Tode Leben -, hinlenkte die Kräfte, die später bewußt werden sollten, auf das eigene Leben, auf das eigene Er­leben. Und dasjenige, was ich zu sagen hatte, das war dann in die­sen Gedankenbildern, die im Hinlenken der eigenen Seele auf die eigenen Erlebnisse bestanden, zu sehen. Also ich hatte zu schildern

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dasjenige, was die Persönlichkeit unbewußt über sich dachte nach dem Tode. Und dasjenige, was uns wichtig dabei ist, was hervorzu­heben ist, das ist, daß eben die Persönlichkeit nach dem Tode die intensive Notwendigkeit fühlte, unbewußt gerade den Blick hinzu­richten auf die eigene Wesenheit.

Bei der zweiten Persönlichkeit, die gewissermaßen erwacht ist als die Hitze den Leib ergriff, da zeigte es sich dann später - bei einem solchen sporadischen Wiedererwachen - an der Art, wie sie sich benahm zu dem, was gerade Charakteristik ihres Wesens war, daß sie das Bedürfnis hatte, zu diesem Wesen, wie ich schon sagte, zu diesen Worten, die ihr Wesen charakterisierten, wie zurückzu­langen, wie zurückzugreifen. Und eben in der Sprache - wenn man Sprache nennen kann, was sich in den Beziehungen von Seelen, seien sie im Leibe oder seien sie nicht im Leibe und schon geistige Wesen, schon Tote, ausdrückt - in der Art, wie man von jenem Verkehr sprechen kann, muß man durchaus sagen: ich habe, als ich dann ein späteres Erwachen wahrnehmen konnte bei dieser Persön­lichkeit, gewissermaßen empfinden müssen ein beseligendes Gefühl darüber, daß sich mir diese Worte, die ich da prägen konnte, er­geben haben. Denn es zeigte sich, daß das wirklich ein gutes Zusam­menwirken mit der Toten war. Man konnte entnehmen, daß die Seele dieser Toten - Sie wissen, das ist vergleichsweise gesprochen -etwa so sich aussprach, daß sie sagte: «Es ist gut, daß das da ist. Es ist gut, daß das an diesem Orte ist.» Solch ein Gefühl zeigte sich bei diesem zweiten Erwachen, wie wenn die Tote zeigte, daß etwas da gleichsam zur Verstärkung gebracht ist in der geistigen Welt, da-durch daß es auch hier auf der physischen Erde im Menschenworte ausgesprochen ist, und daß das für sie etwas ist, was sie braucht, und bei dem es gut ist, daß es durch das physische Erdenwort noch mehr fixiert ist, als sie es selbst hat fixieren können. Also, es bestand bei ihr die Notwendigkeit, dies zu fixieren. Und es ist ihr eine Er­leichterung, daß es auf diese Weise erstarkt worden ist in der Fixierung.

Und bei unserem lieben Freunde Fritz Mitscher sehen Sie es ja ganz deutlich, daß er in der Nacht, die der Feuerbestattung folgte,

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unmittelbar anknüpfte und das benützte, was hier gesprochen wor­den ist, um sich vor sich selbst sein eigenes Wesen klarzumachen, um über sich selbst ins klare zu kommen, über sein eigenes Wesen.

In allen drei Fällen also haben wir ein Hinblicken auf das eigene Wesen. Selbstverständlich sind solche Dinge zunächst diejenigen, die an unsere Seele, an unser Herz herandringen durch ihren rein menschlichen Wert, durch ihre rein menschliche Beziehung. Aber geistige Erkenntnisse gewinnt man überhaupt nur aus der unmittel­baren Welt heraus, wenn sie sich einem geben wollen durch Gnade. Man kann sie nicht erzwingen; man muß sie erwarten. Und gerade bei diesen Dingen sieht man, wie merkwürdig die karmischen Zu­sammenhänge wirken.

Als ich, einen Tag nachdem die zweite der genannten Persön­lichkeiten in Zürich verstorben war, selbst in Zürich war, da gingen wir an einer Buchhandlung vorbei, und ich sah in der Buchhand­lung ein Buch, das ich vor Jahren gelesen hatte. Wie es bei meiner Art des Lebens geht, würde ich das Buch in meiner angeblichen Bibliothek, die aber durch das Wohnen an vielen Orten in einem sonderbaren Zustande ist, nicht so leicht wieder konstatieren kön­nen. Vielleicht ist es überhaupt nicht mehr vorhanden. Vor Jahren hatte ich also ein Buch gelesen von dem Wiener Philosophen Dr. Ernst Mach, und das war gerade da in der Buchhandlung anti­quarisch zu haben. Ich wollte es wiederum lesen, wenigstens wie­derum anschauen. Und als ich auf die dritte Seite kam, da kam mir gleich etwas vor Augen, das mir längst aus den Augen verloren war, nämlich eine ganz interessante Bemerkung Ernst Machs über die Selbsterkenntnis des Menschen, über die Schwierigkeit der Selbst­erkenntnis beim Menschen. Ich zitiere fast wörtlich das, was auf Seite 3 in der Anmerkung über die «Analyse der Empfindungen» des Universitätsprofessors Ernst Mach steht:

Als junger Mensch ging ich einmal auf der Straße, und es begeg­nete mir ein Mensch, dem gegenüber ich die Empfindung hatte:

Was für ein unangenehmes, widerwärtiges Gesicht hat doch der Mensch, der mir da begegnet. Und da erschrak ich nicht wenig, als ich entdeckte, daß es mein eigenes Gesicht war, das mir da begegnete,

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das mir da aus einem Spiegel entgegensah. - Er ging also die Straße entlang, und durch gegeneinandergeneigte Spiegel wurde ihm sein eigenes Spiegelbild entgegengeworfen. Und er sagte, als er sich sah: Was für ein Mensch mit einem unangenehmen, wider­wärtigen Gesicht begegnet mir da. - Und gleich daran fügt er eine andere solche Bemerkung über mangelnde Selbsterkenntnis. Er sagt: Ich kam eines Tages ermüdet von einer Reise zurück und bestieg einen Omnibus. Ich sah gegenüber einen anderen Mann einsteigen und dachte: Welch ein herabgekommener Schulmeister steigt denn da ein! Und siehe da, ich war es selbst. Der Spiegel im Omnibus hatte mir mein eigenes Bild gezeigt. - Und Professor Mach fügt noch hinzu: Also kannte ich meinen Standeshabitus besser als mei­nen eigenen.

Es ist das etwas, was wie ein Fingerzeig ist, wie schwer schon die menschliche Selbsterkenntnis mit Bezug auf die rein äußerliche Gestalt ist Nicht einmal das, wie man räumlich aussieht, weiß man, selbst wenn man Universitätsprofessor ist. Sie sehen das an diesem sehr aufrichtig gegebenen Beispiel.

Es ist ja interessant, daß gerade dieses Beispiel in Anknüpfung an diese Fälle gegeben werden kann, denn, nicht wahr, hier im physischen Leibe zeigt Ihnen ja das Beispiel selbst, daß einem die Selbsterkenntnis nicht gerade in dem, was man für die Erde zu er­reichen hat, allzu hinderlich zu sein braucht. Man kann ein berühm­ter Professor sein und so wenig Selbsterkenntnis haben, wie der Mann das zum Ausdruck brachte. Aber ich erwähnte dieses Beispiel aus dem Grunde, weil es merkwürdig ist, daß dieses Beispiel aus dem physischen Leben mir vor Augen trat, als die Seele hingelenkt wurde, von neuem ins Auge zu fassen, wie der Tote die Notwendigkeit fühlt, sein eigenes Wesen zu erfassen, anzuschauen. Hier in der physischen Welt, da kann man nämlich wirklich, ich möchte sagen, auskommen ohne Selbsterkenntnis für all dasjenige, was im rein Materiellen un­seres Lebens aufgeht. Erkenntnis der geistigen Welten kann man ja nicht gewinnen - wir werden davon heute über acht Tage noch sprechen - ohne Selbsterkenntnis. Aber für die rein äußerlichen materiellen Verhältnisse kann man auskommen ohne Selbsterkenntnis.

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Sobald aber die Seele durch die Pforte des Todes gegangen ist, ist Selbsterkenntnis das allererste, was sie braucht, und das zeigen uns besonders die Erlebnisse, die ich angeführt habe. Selbsterkennt­nis ist dasjenige, wovon ausgegangen werden muß.

Sehen Sie, der materialistische Denker bleibt gewöhnlich haften an der Frage: Ja, bleibt das Bewußtsein über den Tod hinaus vor­handen? - Nun ist es ein Ergebnis der Geistesforschung, daß die Seele, wenn sie durch die Pforte des Todes gegangen ist, wirklich nicht an einem Mangel des Bewußtseins leidet, sondern daß sie ge­rade zuviel Bewußtsein hat. Daß später erst eine Art Erwachen auf­tritt, rührt nicht davon her, daß man sich nach dem Tode ein neues Bewußtsein aneignen muß, sondern davon, daß man zu blendendes Bewußtsein, daß man zuviel Bewußtsein hat und dieses erst nach und nach abgedämpft werden muß. Näheres darüber finden Sie in dem Wiener Zyklus, der ja auch gedruckt ist. Zuviel Bewußtsein, überwältigendes Bewußtsein hat der Mensch nach dem Tode, und er muß sich erst orientieren in dieser Welt des überwältigenden Bewußtseins. Und indem er nach und nach so weit kommt, wird er in einem geringeren Grade bewußt als vorher. Er muß das Bewußt­sein erst abdämpfen, wie man das zu starke Sonnenlicht erst ab-dämpfen muß. Also ein Abdämpfen nach und nach des Bewußtseins ist es, was man zu tun hat. Man kann also nicht von einem Erwachen sprechen wie in der physischen Welt, sondern von einem Erholen von der Überfülle des Bewußtseins zu dem Grade, den man ertragen kann, je nachdem, was man hier in der physischen Welt erlebt hat. Dazu ist etwas notwendig: Um nun in diesem alles überflutenden Lichtesbewußtsein sich nach dem Tode zurechtzufinden, dazu gehört als Ausgangspunkt die Erkenntnis des eigenen Wesens; dazu gehört, daß wir zurückblicken können auf das eigene Wesen, um gleichsam die Richtlinien zu finden, um uns in der geistigen Welt zu orientie­ren. Der Mangel an Selbsterkenntnis ist eben das Hindernis für das Bewußtsein nach dem Tode. Wir müssen in dem überflutenden Licht uns selbst finden. Und jetzt sehen Sie, warum das Bedürfnis kommt, den Toten zu charakterisieren, um ihm entgegenzukommen in dem Sich-finden.

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Dies ist etwas, was sich uns ergibt wie eine Art allgemeiner Er­kenntnis aus solch intimen und uns nahegehenden Erlebnissen. Nach dem Tode, nachdem das ätherische Lebenstableau verschwunden ist, tritt eine Entwickelung, eine allmähliche Entwickelung ein, die da­durch entsteht, daß wir mit unserem Leben, das wir aus den geistigen Welten nach und nach sich herausdämmernd empfinden, daß wir mit unserem eigenen Leben hier auf der Erde bekannt werden. Denn das ist uns das einzige Streben nach dem Tode, nachdem das Tableau vorbei ist. Dasjenige, was in der geistigen Welt ist, das ist um uns. Womit wir aber vorzugsweise bekannt werden müssen, das ist unser eigenes Wesen. Und dabei kommen uns die Vorstellungen im wesent­lichen zugute, die wir nur aus der Geisteswissenschaft kennen, denn die geben uns Orientierungsmittel für die geistige Erkenntnis. Daher können Sie es sehen an dem ersten Falle: Was als Selbstkritik auf-trat, es war nur möglich mit dem aus der Geisteswissenschaft Auf­genommenen; so auf das eigene Wesen hinzuschauen, daß solche Worte sich erprägen konnten: «In Weltgedanken will ich weben das eigene Denken, daß klar es werde im Licht des ew'gen Werde-lebens.» Das ist ja zusammengedrängt aus dem vielen, was in der Geisteswissenschaft ausgebreitet und was hier verwendet ist, um Selbstcharakteristik des eigenen Wesens zu geben. Oder «In Seelen-gründe will ich tauchen ergebnes Sinnen, daß stark es werde für Menschenwirkens wahre Ziele. »

Dasjenige aber, was man eigentlich mit diesen Dingen will, das ist: unsere geisteswissenschaftliche Bewegung aus dem bloßen Theo­retischen herauszuheben und sie zu etwas von der Seele lebensvoll zu Erfassendes allmählich zu machen, gleichsam zu einem Strom, in dem wir wirklich darinnen leben, weben und sind; so daß wir wissen, was in der geistigen Welt um uns herum vorgeht, so wie wir in der physischen Welt wissen, daß um uns die Luft ist, in der wir atmen, die ja von dem Ungebildeten abgeleugnet werden kann und wird. Das ist die zukünftige Bestimmung der Menschheit: etwas zu wissen davon, daß ebenso, wie die Luft für und um den physischen Körper ist, für das seelische Erleben die geistige Welt ringsum da ist, die mehr mit der Seele - wie die Luft mit dem Körper - gleichsam

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korrespondiert, die Seele bildet, die Seele webt, die Seele durch west.

Nun ist es uns ja auch möglich, im einzelnen gewissermaßen auf das Schicksal der Seele nach dem Tode hinzuweisen. Und eben aus diesem Grund werden gerade in unserer Zeit solche Dinge, ich möchte sagen intimer auseinandergesetzt, weil ja durch unsere großen, aber auch schmerzlichen Zeitereignisse gewissermaßen der Tod seinen Hauch durch die Welt leitet, und unsere Zeit eben so zahllose Todesopfer fordert. Das ist eine besondere Aufforderung dazu, sich gerade mit dem Ereignis des Todes in unserer Zeit zu befassen.

Nun wissen wir, meine lieben Freunde, daß ja der Mensch, indem er durch die Pforte des Todes geht, so da durchgeht, daß er seinen physischen Leib der Erde zu übergeben hat, den Elementen der Erde; dann ist aus dem physischen Leib herausgetreten Ich und Astralleib. Wir haben ja im zweiten Falle gesehen, daß bei der Ver­brennung schon der Ätherleib abgelegt war; schon nach Tagen geht der Ätherleib weg. Aber nun liegt es uns gerade in unserer Zeit ja unendlich nahe, eine Frage aufzuwerfen. So viele Menschen gehen in unseren Tagen im blühendsten Alter durch die Pforte des Todes. Wir können uns, indem wir übertragen eine rein physische Vor­stellung in das Geistige, wo sie noch mehr gilt als im physischen Leben, die Frage aufwerfen: Wie ist es mit dem Atherleib dieser durch die Pforte des Todes Gegangenen, der sich nach Tagen ablöst? Wie ist es mit einem solchen jugendlichen Ätherleib? Der betreffende Mensch, der im zwanzigsten, fünfundzwanzigsten, dreißigsten, fünfunddreißigsten Jahre, oder noch früher, durch die Pforte des Todes geht, der legt seinen Ätherleib ab, aber einen Ätherleib, der noch durch Jahrzehnte hätte seinem physischen Leben dienen können, der noch hätte arbeiten können hier im phy­sischen Leben, der noch Kräfte gehabt hätte für Jahrzehnte. Nach dem Karma konnte er nicht die Kräfte verwenden, aber die Kräfte sind dennoch in ihm. Sie hätten hier im physischen Leben noch Jahrzehnte wirken können. Der Physiker denkt mit Recht: Keine Kräfte gehen verloren; sie verwandeln sich hier. Im Geistigen gilt

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das noch mehr. Die Kräfte hier bei einem jugendlichen auf dem Schlachtfeld Gefallenen, die noch jahrzehntelang das physische Leben hätten versorgen können, diese Kräfte gehen ja nicht in nichts über; sie sind da. Und schon jetzt können wir sagen, gerade durch die Ereignisse unserer Zeit veranlaßt: diese Kräfte gehen über in das Wesen der Volksseele des betreffenden Volkes. Sie nimmt diese Kräfte auf, und in der ganzen Volksseele wirken diese Kräfte des Ätherleibes. Das sind wirkliche geistige Kräfte, die außerdem vom Menschen noch da sind, außer dem, was er mit seinem Ich und seinem Astralleibe, seiner Individualität, durch die Zeit trägt zwi­schen dem Tode und einer neuen Geburt. Es wird sich nur darum handeln, daß möglichst verstanden werde in der Zukunft, daß in der Volksseele auch diese Kräfte darinnen sind, daß sie darinnen sind in dem allgemeinen Wirken, das diese Volksseele entfalten wird, als Kräfte, nicht als Wesenheiten. Sie werden da die fruchtbarsten, ich möchte sagen, die sonnenstrahlendsten Kräfte sein.

Ich möchte dazu ein nun wiederum uns naheliegendes Beispiel anführen, das ja zunächst natürlich nichts zu tun hat mit den Zeit-ereignissen, das aber durch die Art, wie es sich zugetragen hat und was aus ihm geworden ist, uns zugleich einen Ausblick geben kann auf alle die Fälle, wo ein unverbrauchter Ätherleib nach dem Tode, der nach einem jugendlichen Leben eingetreten ist, abgelegt wird. Wir haben ja im Herbst den Tod erlebt des Kindes eines Mitgliedes von uns, das siebenjährig war. Der Tod dieses Kindes ist gerade auf eigentümliche Weise eingetreten. Es war ein liebes Kind und ein, soweit das eben bei einem siebenjährigen Kinde möglich ist, mit sieben Jahren schon außerordentlich geistig regsames Kind; ein liebes, gutes und geistig sehr regsames Kind. Nun kam es dadurch zum Tode, daß es gerade in dem Augenblick an der Stelle war, wo ein Möbelwagen umfiel, der im Fallen das Kind erdrückte, so daß es den Erstickungstod erlitt; an einer Stelle, wo vielleicht überhaupt nicht vorher ein Wagen gefahren ist, nachher auch wieder nicht, sondern nur in diesem Augenblick. Außerdem kann man selbst äußerlich feststellen, daß dieses Kind durch allerlei Verhältnisse, die man in der äußeren materialistischen Weltanschauung Zufälle nennt,

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gerade in der Zeit, als der Wagen umfiel, an der Stelle war. Es holte etwas Speisevorräte für seine Mutter und ging gerade an jenem Abend etwas später weg, weil es aufgehalten worden ist. Wäre es fünf Minuten früher gegangen, so wäre es längst über die Stelle gewesen, wo der Wagen umfiel. Außerdem ging es zu einer anderen Türe hinaus, als es gewöhnt war; nur das einemal aus einer anderen Türe hinaus! An der anderen Türe wäre es rechts von dem Wagen gegangen. Der Wagen ist nach der anderen Seite gefallen. Es ist, wenn man den ganzen Fall wirklich geisteswissenschaftlich-karmisch verfolgt, einer jener Fälle, wo man so recht bestätigt finden kann, wie die äußere Logik, die man mit Recht im äußeren physischen Leben anwendet, fadenscheinig ist, nicht anwendbar ist. Ich habe ein Beispiel dafür schon öfter angewendet. Das Beispiel von dem Men­schen, der an einem Fluß vorbeigeht und ins Wasser fällt gerade an der Stelle, wo ein Stein liegt. Die äußere Betrachtung wird selbst­verständlich annehmen, daß der Mann über den Stein gestolpert und ins Wasser gefallen ist und dadurch den Tod gefunden hat; man wird auch bei der Meinung bleiben, er sei ertrunken. Aber wenn er seziert worden wäre, so würde sich herausgestellt haben, daß ihn der Schlag getroffen hat, und daß er dadurch tot ins Wasser fiel. Daß er also ins Wasser fiel, weil er tot war, und nicht tot wurde, weil er ins Wasser fiel. Ursache und Wirkung sind verwechselt. Solche Urteile finden Sie in der Wissenschaft auf Schritt und Tritt, wo Ursache und Wirkung verwechselt wird. Dasjenige, was ganz be­rechtigt logisch im äußeren Leben zu sein scheint, kann vollsfändig falsch sein. Nun wird man selbstverständlich im äußeren Anschauen den Fall des kleinen Theodor Faiß auch so beschreiben, daß man sagt: Nun ja, das ist ein unglückseliger Zufall! In Wahrheit aber war das Karma des Kindes so, daß das Ich, klar ausgedrückt, den Wagen bestellt hat, daß der Wagen umgefallen ist, um das Karma des Kindes zu erfüllen. Da haben wir einen ganz besonders jugend­lichen Ätherleib. Das Kind hätte ja auch ein Mann werden können und hätte siebzig Jahre alt werden können. Die Kräfte waren im Ätherleib, die auch für siebzig Jahre ausgereicht hätten, sie waren nach sieben Jahren durch die Pforte des Todes gegangen. Das Ganze hat

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sich ja abgespielt in Dornach. Der Vater, der damals in das deutsche Heer eingerückt war, war gar nicht anwesend, während dies ge­schehen ist; er ist ja auch ganz kurz darauf gestorben, nachdem er im Kriege verwundet worden war. Der ganze Fall hat sich unmittelbar in der Nähe des Baues abgespielt, und seit jener Zeit haben wir in der Aura des Dornacher Baues die Kräfte des Ätherleibes dieses Kindes. Und derjenige, der zu arbeiten hat für diesen Bau und wahr-nehmen kann die geistigen Kräfte, die an diesem Bau walten, der findet darin die Kräfte dieses Kindes. So daß also, ganz abgesehen von dein, was nun als Ich und Astralleib in die geistige Welt über­gegangen ist, um zu wirken in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, der Ätherleib, der übriggeblieben ist, nun sich mit der gan­zen geistigen Aura des Dornacher Baues vereinigt hat. Solche Dinge sind Erkenntnisse, die zugleich verbunden sind mit tiefen, bedeu­tungsvollen Gefühlen, mit wichtigen, bedeutungsvollen Gefühlen. Denn es sind nicht Erkenntnisse, die man trocken, wie zahlenmäßige Erkenntnisse empfängt, sondern die man empfängt mit innig dank­barer Seele. Denn selbstverständlich werde ich, solcher Erkenntnis eingedenk, niemals außer acht lassen auch nur einen Augenblick im Bewußtsein, wenn ich selbst nur irgend etwas zu leisten habe für den Dornacher Bau, daß diese Kräfte für den Bau mir mitwirkende, mir helfende Kräfte sind. Da vereinigt sich eben dasjenige, was theoreti­sche Erkenntnis ist, mit dem unmittelbaren Leben. Eingedenk solcher Erkenntnis, meine lieben Freunde, wird es einleuchtend sein, daß jetzt, wo so unzählige hier auf der Erde unvollendete Ätherleiber durch die Pforte des Todes gehen, wir erahnen können, was ge­schehen wird, wenn die Friedenssonne wieder da sein wird, nach der Dämmerung des gegenwärtigen Krieges. Da werden wirklich auch die Kräfte, die Ätherkräfte derjenigen da sein und sich ver­einigen wollen zum Erdenheil und Erdenfortschritt mit denjenigen Seelen, die hier auf Erden wirken - die Ätherkräfte derer, die die Todespforte, die die Leidenspforte durchgemacht haben. Aber not­wendig dazu wird sein, daß auf Erden Menschen sind, die für diese Dinge Verständnis haben, die bewußt sein können der Tatsache: da oben in der geistigen Welt sind in den zurückgebliebenen Ätherleibern

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diejenigen, die der Zeit das Opfer gebracht haben. Die wollen hier auf diese Erde hereinwirken. Ganz fruchtbar werden sie nur wirken können, wenn hier empfängliche Seelen sind, die selbst sich verbinden wollen in Gedanken mit dem, was ihnen aus der geistigen Welt kommt. So daß es für die Früchte dieser unserer ja großen, aber schweren und schmerzlichen Zeit unendlich wichtig ist, daß eine geistbejahende Erkenntnis Gedanken schafft, die dann sich ver­einigen können mit den Gedanken, die von den Ätherleibern der Todesopfer herunterkommen. Also ist es eben, was uns darauf hin­weist, daß wir schon in diesen schweren Ereignissen, die im Zeichen auch von Leiden und Tod stehen, auch im Zeichen der Größe stehen, daß wir von diesen schweren Ereignissen die Mahnung empfangen, daß sie uns heraufführen sollen eine Zeit, welche dem Geist geneigter ist, als es die verflossene Zeit war, damit nicht das eintrete, daß gewissermaßen die gebrachten Opfer herabzuschauen haben auf eine Erdenwelt, der sie sich selbst hingegeben haben, um für ihren Fortschritt und für ihr Heil zu wirken, und auf der sie nicht die Möglichkeit finden, einzugreifen, weil die Seelen nicht da sind, die ihnen die empfänglichen Gedanken entgegensenden. So müssen wir schon auch Geisteswissenschaft als etwas Lebendiges erfassen, als etwas Lebendiges, das notwendig ist für die Zeit, die da kommen soll, gerade in Anbetracht der Ereignisse unserer Tage. Und das ist es, was ich immer wiederum und wiederum zusammenfaßte im Geiste und im Sinne unserer Betrachtungen in die Worte:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

ACHTER VORTRAG Berlin, 2. März 1915 Die drei Entscheidungen des imaginativen Erkenntnisweges

#G157-1960-SE159 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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ACHTER VORTRAG

Berlin, 2. März 1915

Die drei Entscheidungen des imaginativen Erkenntnisweges

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Wir haben vor acht Tagen hier im einzelnen betrachtet uns nahe­stehende Seelen, die, wenn sie jetzt aufgefunden werden sollen, in geistigen Welten aufgesucht werden müssen. Und wir haben so hin­geschaut zu diesen uns nahestehenden Seelen, daß wir gerade von ihnen uns haben das oder jenes sagen lassen, was uns Licht ver­schaffen kann über den Aufenthalt von Wesen in der geistigen Welt. Heute möchte ich die Betrachtung mehr auf den Weg len­ken, den die Menschenseele nehmen kann, wenn sie hier im Leibe weilt, in die geistigen Welten hinein, um eben diejenigen geistigen Gefilde zu finden, von denen wir das letzte Mal als dem Aufenthalt der sogenannten verstorbenen Seelen gesprochen haben. Es muß ja immer wieder und wiederum betont werden, daß derjenige Weg in die geistigen Welten hinein, welcher nach der ganzen Entwickelung der Menschheit der Seele der Gegenwart ziemt, ein Weg ist, der durch mannigfaltige Vorbereitungen geht, die zum Teil eben schwierig sind, aber überwunden werden müssen. Und ich möchte heute von einem Gesichtspunkt, den man nennen kann den Gesichts­punkt der imaginativen Erkenntnis, auf einiges im Erkenntniswege hindeuten.

Das ist Ihnen ja ganz geläufig, meine lieben Freunde, daß die Menschenseele wirklich in der geistigen Welt nur Erfahrungen, Beobachtungen machen kann, wenn sie sich nicht bedient des Instrumentes des Leibes. Alles dasjenige, was wir durch das Instru­ment des Leibes gewinnen können, alles das kann uns ja nur Er­fahrungen, Erlebnisse geben, die in der physischen Welt vorhanden sind. Wollen wir Erlebnisse der geistigen Welten haben, so müssen wir die Möglichkeit finden, sie mit unserer Seele außerhalb unseres physischen Leibes zu machen. Nun steht wirklich dem Menschen der Gegenwart diese Möglichkeit offen, wenn sie auch schwierig ist, außerhalb seines Leibes die Beobachtungen der geistigen Welt zu

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machen. Außerdem ist es immer möglich, daß solche Beobachtun­gen der geistigen Welt, wenn sie gemacht werden, wenn sie einmal da sind, von dem anderen, der sie nicht machen kann, nach der wirklich gesunden Vernunft beurteilt werden können, nicht nur der Vernunft, die man eine gesunde nennt, sondern nach der wirklich gesunden Vernunft. Aber es soll heute gesprochen werden von dem Wege selbst, von der Art, wie die Menschenseele, man kann auf der einen Seite sagen, herauskommt aus dem physischen Leibe, und auf der anderen Seite, wie sie hineinkommt in die geistige Welt. Und da ich, wie gesagt - heute vor acht Tagen haben wir es von einem anderen Gesichtspunkte aus betrachtet -, diesen Weg heute vom imaginativen Erkenntnisstandpunkt aus betrachten will, so wird manches bildlich zu erörtern sein, was dann Ihrer Meditation überlassen bleibt, weiter zu verfolgen. Wenn Sie das tun, dann werden Sie sehen, daß dieser Erkenntuisweg ganz besonders von Bedeutung ist.

Durch drei Tore kann man gewissermaßen in die geistige Welt eintreten. Das erste kann man nennen das Tor des Todes, das zweite Tor kann man nennen das Tor der Elemente und das dritte kann man nennen das Tor der Sonne. Derjenige, der den vollen Erkennt­nisweg gehen will, der muß durch alle drei Tore den Erkenntnis-weg nehmen.

Das Tor des Todes ist seit uralten Zeiten immer wiederum da, wo man von Mysterienwahrheiten gesprochen hat, wirklich besprochen worden. Dieses Tor des Todes kann nicht erreicht werden, wenn wir es nicht zu erreichen suchen durch dasjenige, was uns ja hin­länglich bekannt ist unter dem Namen Meditation, das heißt Hin­gabe an irgendwelche, gerade für unsere Individualität geeignete Gedanken oder Empfindungen, die wir so in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins hineinstellen, daß wir uns ganz mit ihnen identifizieren. Natürlich erlahmt sehr leicht gerade auf diesem Wege die menschliche Anstrengung, weil es ja wirklich Unbequemlichkeit und Überwindung von inneren Hemmnissen gibt und geben muß, wenn man immer wiederum die stillen intimen Anstrengungen zu machen hat, sich den gegebenen Gedankenmassen, den gegebenen Empfindungen so hinzugeben, daß man die ganze Welt vergißt und

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nur in diesen Gedanken, in diesen Empfindungen lebt. Aber man wird eben, wenn man das immer wiederum zustandebringt, in die Lage kommen, in dem Gedanken, den man in den Mittelpunkt des Bewußtseins rückt, nach und nach etwas wahrzunehmen wie eine Art selbständigen Lebens dieses Gedankens. Man wird das Gefühl bekommen: bisher hast du diesen Gedanken immer nur gedacht; du hast den Gedanken in den Mittelpunkt des Bewußtseins gestellt; jetzt fängt er aber an, ein eigenes Leben, eine eigene innere Reg­samkeit zu entwickeln. Es ist, wie wenn man in die Lage käme, ein Wesen wirklich in sich hervorzubringen. Der Gedanke fängt an, ein innerliches Gebilde zu werden. Das ist der wichtige Moment, wenn man merkt, daß dieser Gedanke, diese Empfindung ein Eigenleben hat, so daß man sich gleichsam wie die Hülle dieses Gedankens, dieser Empfindung fühlt. So daß man sich sagen kann: deine An­strengungen haben dich dazu gebracht, einen Schauplatz abzu­geben, auf dem sich etwas entwickelt, was jetzt durch dich zu einem eigenen Leben kommt.

Dieses eigene Erwachen, dieses Sichbeleben des meditativen Ge­dankens, das ist ein bedeutungsvoller Moment im Leben des Me­ditanten. Dann merkt er, daß er von der Objektivität des Geistigen ergriffen ist, daß sich gewissermaßen die geistige Welt um ihn küm­mert, daß sie an ihn herangetreten ist. Natürlich ist es nicht so ein­fach, bis zu diesem Erleben zu kommen, denn man muß, bevor man zu diesem Erleben kommt, mancherlei Empfindungen durchmachen, die der Mensch aus einem natürlichen Gefühl heraus nicht ganz gerne durchmacht. Ein gewisses Gefühl der Vereinsamung zum Bei­spiel, ein Gefühl der Einsamkeit, ein Gefühl der Verlassenheit muß man durchmachen. Man kann nicht die geistige Welt ergreifen, ohne sich vorher gewissermaßen von der physischen Welt verlassen zu fühlen, zu fühlen, daß diese physische Welt manches tut, was uns wie zermürbt, wie zermalmt. Aber durch solches Gefühl der Ver­einsamung hindurch müssen wir dahinkommen, erst ertragen zu können diese innere Lebendigkeit, zu der der Gedanke erwacht, ich möchte sagen, sich gebiert. Vieles, vieles widerstrebt nun dem Men­schen; im Menschen selbst widerstrebt vieles dem Menschen, was

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zur richtigen Empfindung führen kann von diesem innerlichen Be­leben des Gedankens. Namentlich ist es ein Gefühl, zu dem wir kommen, ein inneres Erlebnis, zu dem wir kommen und das wir eigentlich nicht haben wollen. Aber wir gestehen uns zugleich nicht, daß wir es nicht haben wollen, sondern wir sagen: ach, das kannst du doch nicht erreichen! Dabei schläfst du ein. Dabei verläßt dich dein Denken, die innere Spannkraft will nicht mitgehen. Kurz, man wählt unwillkürlich allerlei Ausreden, denn das, was man erleben muß, das ist, daß der Gedanke, indem er sich so belebt, eigentlich wirklich wesenhaft wird. Er wird wesenhaft, er bildet sich zu einer Att von Wesen aus. Und man hat dann die Schauung - nicht bloß das Gefühl, der Gedanke ist zuerst wie, man möchte sagen, ein kleiner Keim, rundlich, und wächst sich dann aus zu einem bestimmt ge­stalteten Wesen, das von außen in unser Haupt hinein sich fortsetzt, so daß der Gedanke einem diese Aufgabe stellt: du hast dich mit ihm identifiziert, nun bist du in dem Gedanken drinnen, und nun wächst du mit dem Gedanken in dein eigenes Haupt hinein; aber du bist im wesentlichen noch draußen. Der Gedanke nimmt die Form an wie ein geflügelter Menschenkopf, der ins Unbestimmte ausläuft und sich dann hineinerstreckt in den eigenen Leib durch das Haupt. Der Gedanke wächst sich also aus wie zu einem geflügel­ten Engelskopf. Dies muß man tatsächlich erreichen. Es ist schwierig, dieses Erlebnis zu haben, deshalb will man wirklich glauben, in die­sem Moment, wo der Gedanke sich also auswächst, alle Möglichkeit des Denkens zu verlieren. Man glaubt, man werde sich selbst ge­nommen in diesem Augenblick. Das aber fühlt man wie einen zurückgelassenen Automaten, was man als seinen Leib bisher ge­kannt hat und wo hinein der Gedanke sich erstreckt. Außerdem sind in der objektiven geistigen Welt allerlei Hindernisse vorhanden, uns dieses sichtbar zu machen. Dieser geflügelte Engelskopf wird wirklich innerlich sichtbar, aber es sind alle möglichen Hindernisse da, uns das sichtbar zu machen. Und vor allen Dingen ist der Punkt, den man da erreicht hat, die wirkliche Schwelle der geistigen Welt. Und wenn es einem gelingt, also zu sich zu stehen, wie ich es geschildert habe, dann ist man an der Schwelle der geistigen Welt,

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wirklich an der Schwelle der geistigen Welt. Aber da steht, zu­nächst ganz unsichtbar für den Menschen, diejenige Gewalt, die wir immer Ahriman genannt haben. Man sieht ihn nicht. Und daß man das, was ich jetzt auseinandergesetzt habe als das ausgewachsene Gedankenwesen, nicht sieht, das verhindert Ahriman. Er will nicht, daß man das sieht. Er will das verhindern. Und weil es ja vorzugs­weise der Weg der Meditation ist, auf dem man bis zu dem Punkte kommt, so wird es immer dem Ahriman leicht, einem gewisser­maßen das, wozu man kommen soll, auszulöschen, wenn man hängt an den Vorurteilen der physischen Welt. Und wirklich, man muß sagen: der Mensch glaubt gar nicht, wie sehr er eigentlich an die­sem Vorurteil der physischen Welt hängt; wie er sich gar nicht vor-stellen kann, daß es eine Welt gibt, die andere Gesetze hat als die physische Welt. Ich kann nicht alle Vorurteile, die man mitbringt an die Schwelle der geistigen Welt, heute erörtern, aber ein haupt­sächlichstes will ich doch erörtern, ein etwas intimeres Vorurteil.

Sehen Sie, die Menschen reden, wenn sie von der physischen Welt reden, von monistischer Weltanschauung, von Einheit, und sagen sich sehr häufig: Ich kann die Welt nur dann begreifen, wenn mir die ganze Welt als eine Einheit erscheint. Wir haben da zu­weilen gerade mit Bezug auf solche Dinge recht sonderbare Erfah­rungen durchmachen müssen. Als wir hier in Berlin unsere geistes-wissenschaftliche Bewegung begonnen haben mit wenigen Mitglie­dern vor jetzt doch schon recht vielen Jahren, da haben sich manche Menschen hereingefunden, die dann doch nach ihrem ganzen We­sen sich nicht als zugehörig fühlen konnten. So zum Beispiel fand sich eine Dame, die nach einigen Monaten zu uns kam und sagte: Das alles tauge eigentlich für sie nicht, was die Geisteswissenschaft vorzubringen in der Lage sei, denn da müsse man zuviel denken, und das Denken, das lösche bei ihr alles aus, was ihr gerade wert­voll sei; sie komme immer in eine Art von Einschlafen beim Den­ken. Und außerdem meine sie, daß es ja nur ein Wertvolles gebe -das sei die Einheit! Nun erwies es sich, daß die Einheit der Welt, die der Monist auch sucht auf den mannigfaltigsten Gebieten - nicht bloß der materialistische Monist -, bei ihr wie zu einer fixen Idee

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geworden war: Einheit, Einheit, Einheit! Sie wollte durchaus die Einheit suchen.

Nun haben wir einen deutschen Philosophen, Leibniz, in der deutschen Geistesentwickelung, einen entschieden monadologischen Philosophen, der nicht die Einheit gesucht hat, sondern die vielen Monaden, die für ihn seelische Wesen waren -, der also das klar wußte: sobald man in die geistige Welt kommt, da kann es sich nicht um eine Einheit handeln, sondern nur um eine Vielheit. So gibt es Monisten und Pluralisten. Das sieht man als Weltanschau­ungen an. Die Monisten bekämpfen die Pluralisten, die von der Vielheit sprechen; sie sprechen nur von der Einheit. Ja, sehen Sie, die Sache ist aber diese, daß Einheit und Vielheit überhaupt Begriffe sind, die nur für die physische Welt Geltung haben. Und nun glaubt man, in der geistigen Welt mußten diese Begriffe auch gelten. Da gelten sie aber nicht. Da muß man sich darauf gefaßt machen, daß man zwar eine Einheit erblickt, aber daß man diese Einheit im nächsten Augenblick überwinden muß, und daß sie sich als Vielheit zeigt. Sie ist zugleich eine Einheit und eine Vielheit. Man kann auch nicht in die geistige Welt das gewöhnliche Rechnen, die phy­sische Mathematik hineintragen. Das gehört zu den stärksten, aber auch intimsten ahrimanischen Vorurteilen, daß man die Begriffe, die man sich angeeignet hat in der physischen Welt, so wie sie sind, in die geistige Welt hineintragen will. Aber man muß wirklich ohne Sack und Pack, ohne beschwert zu sein mit dem, was man in der physischen Welt gelernt hat, ankommen an ihrer Schwelle; bereit, es an ihrer Schwelle zurückzulassen. Alle Begriffe, gerade auch diejenigen Begriffe, um die man sich am meisten abgemüht hat, muß man zurücklassen und sich darauf gefaßt machen: da, in der geistigen Welt, da werden einem auch neue Begriffe gegeben, da wird einem ganz Neues gewährt. Dieses Hängen an dem, was die physische Welt gibt, ist ungeheuer stark beim Menschen. Er will dasjenige, was er in der physischen Welt erobert hat, hineintragen in die geistige Welt. Aber er muß die Möglichkeit haben, vor einer vollständigen Tabula rasa zu stehen, vor einer vollständigen Leerheit zu stehen, und nur den Gedanken, der anfängt sich zu beleben, seinen

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Führer sein lassen. Man hat diesen Eingang in die geistige Welt die Pforte des Todes genannt aus dem Grunde, weil es eigentlich wirklich ein stärkerer Tod noch ist als der physische Tod. Im phy­sischen Tode sind die Menschen überzeugt davon, daß sie ihren physischen Leib ablegen; aber wir müssen uns entschließen bei dem Eintritt in die geistige Welt, auch wirklich unsere Begriffe, unsere Vorstellungen und Ideen abzulegen und unser Wesen neu aufbauen zu lassen.

Nun treten wir hin vor dieses geflügelte Gedankenwesen, von dem ich gesprochen habe. Wir werden schon hintreten, wenn wir uns wirklich alle Mühe geben, in einem Gedanken zu leben. Und dann brauchen wir eben nur zu wissen, wenn der Augenblick, der eintritt, andere Anforderungen, als wir sie uns vorgestellt haben, an uns stellt, daß wir ihnen wirklich auch standhalten, daß wir nicht sozusagen zurückgehen. Dieses Zurückgehen geschieht meist unbewußt. Man erlahmt, aber das Erlahmen ist eben nur der Aus­druck, daß man nicht Sack und Pack ablegen will, weil gewisser­maßen die ganze Seele mit dem, was sie sich angeeignet hat auf dem physischen Plane, absterben muß, damit sie in die geistige Welt ein­treten kann. Deshalb muß man dieses Tor ganz sachgemäß das Tor des Todes nennen. Und dann schaut man gerade durch dieses geflügelte Gedankenwesen wie durch ein neues geistiges Auge, das man sich angeeignet hat; oder auch durch ein geistiges Ohr, denn man hört auch, man fühlt auch, man vernimmt gerade durch dieses dasjenige, was in der geistigen Welt vorhanden ist.

Es ist eben möglich, meine lieben Freunde, zu sprechen von besonderen Erfahrungen, die man machen kann, damit man in die geistige Welt hineintritt. Daß man diese Erfahrungen machen könne, dazu ist eben wirklich nichts anderes notwendig als Aushar­ren im vorgezeichneten Meditieren. Namentlich ist es notwendig, sich klar zu werden, daß gewisse Empfindungen, die man heran-bringt an die Schwelle der geistigen Welt, wirklich vorher abgelegt werden müssen. Empfindungen, die sich wirklich ergeben daraus, daß man diese geistige Welt gewöhnlich anders haben möchte, als sie einem entgegentritt.

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Das ist also das erste Tor, das Tor des Todes.

Das zweite Tor nun ist das Tor der Elemente. Dieses Tor der Ele­mente, das wird derjenige, der wirklich eifrig der Meditation sich ergibt, als zweites durchmachen. Aber man kann auch gewisser-maßen durch seine Organisation begünstigt sein und sogar an das zweite Tor kommen, ohne durch das erste gegangen zu sein. Das ist nicht gut für ein wirkliches Erkennen, aber es kann sein, daß man dahin gelangt, ohne durch das erste Tor hindurchgegangen zu sein. Ein wirklich sachgemäßes Erkennen ergibt sich nur, wenn man durch das erste Tor gegangen ist und dann an das zweite Tor bewußt tritt. Dieses zweite Tor, das ergibt sich in der folgenden Weise. Sehen Sie, wenn man durch das Tor des Todes gegangen ist, so fühlt man sich zunächst in gewissen Zuständen, von denen man sehen kann: sie sind wirklich äußerlich, in ihrer Wirkung auf den Menschen, in der Art, wie der Mensch sie darlebt, dem Schlafe ähn­lich, innerlich aber sind sie ganz verschieden. Äußerlich ist der Mensch wie schlafend während solcher Zustände. Gerade dann, wenn der Gedanke begonnen hat zu leben, wenn er anfängt, sich zu regen, sich zu vergrößern, dann ist der äußere Mensch wirklich wie im Schlafe dabei. Er braucht nicht zu liegen, er kann sitzen, aber er ist wie im Schlafe dabei. Und so wenig, wie man äußerlich unterscheiden kann diesen Zustand vom Schlafe, so sehr ist er inner­lich zu unterscheiden. Denn wenn man dann übergeht aus diesem Zustand in den gewöhnlichen Lebenszustand, dann merkt man erst:

du hast nicht geschlafen, sondern du warst im Gedankenleben, genau so wie du darinnen bist jetzt, wo du wie gewöhnlich in der physischen Welt erwacht bist und durch deine Augen hinausschaust auf das, was leuchtet. Aber man weiß auch: Jetzt, wo du wach bist, denkst du, du machst die Gedanken, du setzest sie zusammen; aber kurz vorher, als du in jenem Zustande warst, machten sich die Ge­danken durch sich selbst. Der eine kam an den anderen heran; sie klärten einander auf; es tritt der eine von dem anderen hinweg, und das, was man sonst macht im Denken, das hat sich da selbst gemacht. Aber man weiß: während man sonst ein Ich ist, das einen Gedanken an den anderen ansetzt, so schwimmt man gleichsam

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während dieses Zustandes in dem einen, schwimmt zu dem anderen hin, man ist damit vereinigt; dann ist man fort in einem dritten und schwimmt dann wiederum herbei; man hat das Gefühl: der Raum besteht eigentlich nicht mehr.

Nicht wahr, im physischen Raum würde es so sein, wenn man hingezogen wäre zu einem Punkt und zurückblickte und dann von ihm sich entfernte, und wenn man dann von neuem an ihn herankommen wollte, dann mußte man erst den Weg wieder hin machen; man mußte den Weg hin- und zurückmachen. Das ist dann in dein anderen Zustand nicht der Fall. Da ist der Raum nicht so; da durchspringt man den Raum gleichsam. In einem Augenblick ist man an einem Punkt; im anderen ist man wieder weg. Man geht nicht durch den Raum durch. Die Gesetze des Raumes haben aufgehört. Man lebt und webt jetzt selbst in dem Gedanken dar­innen. Man weiß: das Ich ist nicht erstorben, es webt im Gedanken-weben darinnen, aber man kann noch nicht gleich, wenn man in den Gedanken lebt, Herr sein der Gedanken; die Gedanken machen sich selbst. Man wird gezogen. Man schwimmt nicht selbst in den Gedankenströmen, sondern die Gedanken nehmen einen gleichsam auf den Rücken und tragen einen. Der Zustand muß auch aufhören. Und er hört auf, wenn man durch das Tor der Elemente geht Dann bekommt man das Ganze in seine Willkür hinein, dann kann man aus Absicht einen bestimmten Gedankenweg machen. Man lebt dann mit seinem Willen drinnen in dem ganzen Gedankenleben. Das ist wiederum ein ungeheuer bedeutungsvoller Moment. Und deshalb habe ich sogar exoterisch in öffentlichen Vorträgen darauf hingewiesen: das zweite erreicht man dadurch, daß man sich mit seinem Schicksal identifiziert. Dadurch erlangt man die Gewalt, in dem Gedankenweben mit Willen darinnen zu sein.

Zuerst, wenn man gegangen ist durch das Tor des Todes, erreicht man das, daß mit einem in der geistigen Welt das oder jenes getan wird. Daß man selbst tun lernt in der geistigen Welt, das erlangt man eben, indem man sich mit seinem Schicksal identifiziert. Man erlangt es erst allmählich. Dann gewinnen eben die Gedanken eine Wesenheit, die mit unserer eigenen Wesenheit identisch ist. Die Taten von unserer

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Wesenheit kommen in die geistige Welt hinein. Aber um dies in der richtigen Weise zu tun, hat man eben durch das zweite Tor zu gehen. Indem man beginnt, mit der Kraft, die einem wird aus der Identifikation mit dem Schicksal, im Gedanken weben zu wollen so, daß man nicht bloß mitgeht mit dem Gedanken, wie mit einem Traumbild, sondern daß man unter Umständen diesen oder jenen Gedanken auslöschen kann und einen anderen heraufholen kann, daß man also mit Willen hantieren kann, wenn das so beginnt, muß man wirklich diese Erfahrung durchmachen, die man das Durchgehen durch das zweite Tor nennen kann. Und da zeigt sich, daß sich dasjenige, was man nun als Willenskraft braucht, wie ein eigentlich furchtbares Ungeheuer darstellt. Man hat es immer in der Mystik seit Tausenden und Tausenden von Jahren die Begegnung mit dem «Löwen» genannt. Diese Begegnung mit dem Löwen muß man durchmachen. Sie besteht darin, in bezug auf das Fühlen, daß man vor dem Tun in der Gedankenwelt, vor diesem Lebendig-sich-Verbinden mit der Gedankenwelt, eigentlich wirklich - man kann es so nennen - eine heillose Furcht bekommt, die man ebenso über­winden muß wie die Einsamkeit an der Pforte des Todes. Furcht bekommt man. Diese Furcht, die kann einem in der mannigfaltig­sten Weise sich als dieses oder jenes Gefühl vortäuschen, das gar nicht Furcht ist. Aber es ist doch im wesentlichen Furcht vor dem, wo man da hineinkommt. Und das, worauf es ankommt, ist, daß man wirklich die Möglichkeit findet, dieses Tier, dem man begeg­net, diesen Löwen zu beherrschen. Denn in der Imagination stellt sich einem das richtig so dar, als wenn er sein riesenhaftiges Maul aufsperrte und einen verschlingen wollte. Jene Willenskraft, die man anwenden will in der geistigen Welt, sie droht einen eigentlich zu verschlingen. Man ist fortwährend von dem Gefühl beherrscht: du sollst wollen, aber du mußt etwas tun, mußt dieses oder jenes ergreifen. Aber von all diesen Elementen des Wollens, in die man hineingeht, hat man das Gefühl: wenn du es ergreifst, verschlingt es dich, löscht dich aus in der Welt. Das ist das Verschlingen durch den Löwen. Also, man muß wirklich - bildlich kann man es so nennen -, statt sich der Furcht hinzugeben, daß darinnen in der

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geistigen Welt einen die Willenselemente ergreifen und verschlin­gen und erwürgen, sich auf den Rücken des Löwen schwingen und diese Willenselemente ergreifen, muß von sich aus zum Handeln sie benützen. Das ist es, worauf es ankommt.

Nun sehen Sie ja, was das Wesentliche dabei ist. Ist man zuerst durch die Pforte des Todes gegangen, dann ist man draußen außer dem Leibe, und dann kann man nur draußen die Kräfte des Willens benützen. Man muß sich in die Weltenharmonie einfügen. Solche Kräfte aber, die man draußen benützen muß, hat man auch in sich, nur walten sie unbewußt. Die Kräfte, die unser Blut bewegen, die unser Herz pochen machen, die rühren von geistigen Wesen her, in die man untertaucht, wenn man in das Willenselement hinein-taucht. Wir haben diese Kräfte in uns. Wenn also jemand, ohne daß er den geordneten esoterischen Weg durchmacht, ergriffen wird vom Willenselement - ohne daß er durch die Pforte des Todes gegangen ist -, dann ergreifen ihn diejenigen Kräfte, die sonst in seinem Blut zirkulieren, in seinem Herzen pochen. Dann verwendet er die Kräfte nicht, die außerhalb seines Leibes, sondern die Kräfte, die in ihm sind. Das würde graue Magie sein. Das würde den Men­schen veranlassen, von sich aus in die geistige Welt einzugreifen, mit den Kräften, mit denen wir nicht in die geistige Welt eingreifen dürfen. Und daß man nun den Löwen sieht, daß man dieses Untier wirklich vor sich hat, daß man weiß, so sieht es aus, so wollen einen die Willenskräfte erfassen, und man muß sich ihrer draußen außer dem Leibe bemächtigen - darauf kommt es an. Tritt man nicht an das zweite Tor heran, sieht man ihn nicht, den Löwen, so steht man immer in Gefahr, aus dem menschlichen Egoismus heraus die Welt beherrschen zu wollen. Daher ist der richtige Erkenntnisweg der: zuerst heraus aus dem physischen Leibe und dem physischen Men­schensein, und dann erst draußen herantreten an das Verhältnis, in das man einzugehen hat mit den Wesenheiten, die draußen sind.

Nun, dem steht ja gegenüber der Hang der meisten Menschen, wirklich auf eine bequemere Weise als durch gute Meditation in die geistige Welt hineinzukommen. So zum Beispiel kann man die Pforte des Todes vermeiden und, wenn die inneren Anlagen günstig

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sind, an das zweite Tor herantreten. Das erreicht man dadurch, daß man sich besonderen Vorstellungen, insbesondere inbrünstigen Vorstellungen hingibt, die so ein allgemeines Aufgehen in dem ganzen All darstellen sollen. Vorstellungen, die angeraten werden von dem oder jenem halbwissenden Mystiker, in gutem Glauben angeraten werden. Dadurch betäubt man sich über das Gedanken-streben hinweg und regt direkt das Gefühl an. Man peitscht das Gefühl an, man enthusiasmiert das Gefühl. Dadurch kann man allerdings zunächst an das zweite Tor gelangen und wird auch den Willenskräften übergeben, aber man beherrscht den Löwen nicht, sondern man wird von ihm verschlungen, und der Löwe tut mit einem, was er will. Das heißt: es geschehen im Grunde genommen okkulte, aber im wesentlichen egoistische Dinge. Daher ist es wirk­lich immer wieder notwendig, aber auch, man möchte sagen etwas riskiert, vom Gesichtspunkte wahrer echter Gegenwarts-Esoterik nicht zu verweisen auf all das, was, man möchte sagen, eine nur Gefühl und Empfindung aufpeitschende Mystik ist. Dieses Appellie­ren an das, was den Menschen innerlich aufpeitscht, was ihn heraus­peitscht aus seinem physischen Leibe, aber ihn doch im Zusammen­hang läßt mit den Blut- und Herzenskräften, den physischen Blut-und Herzenskräften, bewirkt eine gewisse Art von Wahrnehmen der geistigen Welt, die dann nicht abzuleugnen ist, die auch viel Gutes enthalten kann, aber die den Menschen zu einem in der geistigen Welt unsicher tappenden Wesen macht und ihn gar nicht fähig macht, Egoismus und Altruismus voneinander zu unterscheiden.

Man ist gerade, wenn man das betonen muß, bei einem schwie­rigen Punkt, denn bei der eigentlichen Meditation und alledem, was sich auf sie bezieht, schlafen die Gemüter der Gegenwart noch viel-fach ein. Sie lieben es, das Denken doch nicht so straff anzuspannen, wie es notwendig ist, um sich mit dem Denken zu identifizieren. Sie lieben es vielmehr, wenn man ihnen sagt: Vertiefe dich in eine alliebende Hingabe zum Weltengeiste oder dergleichen, wobei mit Umgehung des Denkens das Gemüt aufgepeitscht wird. Dann wer­den die Menschen wirklich in geistige Wahrnehmungen hinein-geführt, sie sind aber nicht mit vollem Bewußtsein darinnen und

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können nicht unterscheiden, ob die Dinge, die sie darinnen erleben, die sie bei sich erleben, dem Egoismus entspringen oder nicht dem Egoismus entspringen. Gewiß, es muß parallelgehen der selbstlosen Meditation die Enthusiasmierung aller Empfindungen, aber eben parallelgehen dem Gedanken. Es muß der Gedanke nicht ausgeschaltet werden. Aber gerade darin, den Gedanken vollständig zu unterdrücken und sich nur dem aufgepeitschten erglühten Gefühl hinzugeben, suchen gewisse Mystiker etwas.

Man ist deshalb hier an einem schwierigen Punkt, weil es ja nützt, weil ja diejenigen viel schneller vorwärtskommen, die so ihre Gefühle aufpeitschen. Sie kommen hinein in die geistige Welt, sie erleben darin allerlei, und das wollen ja die meisten Menschen. Es handelt sich bei den meisten Menschen nicht darum, in der rich­tigen Weise in die geistige Welt zu kommen, sondern überhaupt nur hineinzukommen. Die Unsicherheit, die dabei eintritt, ist diese, daß wir ja, wenn wir nicht zuerst durch die Pforte des Todes gehen, sondern gewissermaßen direkt an die Pforte der Elemente gehen, dort von Luzifer noch verhindert werden, den Löwen wirklich wahr­zunehmen; daß wir gleichsam, bevor wir ihn wahrnehmen, von ihm verschlungen werden. Das Schwierige ist, daß wir nicht mehr unter­scheiden können, was sich auf uns bezieht und was draußen ist in der Welt. Wir lernen geistige Wesenheiten kennen, Elementargeister. Eine ganz umfängliche geistige Welt kann man erkennen lernen, auch ohne durch die Pforte des Todes zu gehen, aber es sind zu-meist geistige Wesenheiten, welche die Aufgabe haben, den mensch­lichen Blutlauf, die menschliche Herztätigkeit zu unterhalten. Solche Wesenheiten sind in der geistigen, der elementaren Welt um uns herum ja immer da. Es sind Geister, die ihr Lebenselement in der Luft, in der uns umfließenden Wärme und auch im Licht haben, die auch ihr Lebenselement in den ja physisch nicht mehr wahr­nehmbaren Sphärentönen haben, geistige Wesenheiten, die alles Lebendige durchweben und durchziehen. In diese Welt kommen wir dann natürlich hinein. Und verführerisch wird die Sache, weil ja wirklich die wunderbarsten geistigen Entdeckungen gemacht wer­den können in dieser Welt. Nicht wahr, wenn jetzt von einem, der

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nicht durch die Pforte des Todes gegangen ist, sondern der direkt an das Löwentor herangerückt ist und den Löwen nicht gesehen hat, wahrgenommen wird ein Elementargeist, der die Aufgabe hat, die Herztätigkeit zu unterhalten, so kann dieser Elementargeist, der auch zugleich die Herztätigkeit anderer Menschen unterhält, unter Umständen Nachricht bringen von anderen Menschen, sogar von Menschen aus der Vergangenheit, oder er kann aus der Zukunft prophetische Nachrichten bringen. Also von großem Erfolg kann die Sache begleitet sein, aber es ist dennoch nicht der richtige Weg, weil er uns nicht frei macht in unserer Beweglichkeit in der gei­stigen Welt.

Das dritte Tor, das zu durchwandern ist, ist das Tor der Sonne. Und da müssen wir, wenn wir an dieses Tor kommen, wiederum eine Erfahrung machen. Während wir am Tor des Todes einen geflügelten Engelskopf, am Tor der Elemente einen Löwen wahr­zunehmen, zu schauen haben, müssen wir am Tor der Sonne einen Drachen, einen wilden Drachen wahrnehmen. Und dieser wilde Drache, den müssen wir richtig anschauen. Aber Luzifer und Ahri­man zusammen bemühen sich nun, den unsichtbar zu machen, ihn uns nicht zum geistigen Gesicht zu bringen. Wenn wir ihn wahrnehmen, dann nehmen wir aber wahr, daß dieser wilde Drache im Grunde genommen das allermeiste mit uns selbst zu tun hat, denn er ist gewoben aus unseren Trieben und Empfindungen, die sich im Grunde auf das, was wir im gewöhnlichen Leben unsere niederste Natur nennen, beziehen. Dieser Drache enthält alle die Kräfte, die wir zum Beispiel brauchen - verzeihen Sie das Pro­saische des Ausspruches - zum Verdauen und noch zu manchem anderen. Das, was in uns steckt und die Kräfte abgibt, daß wir ver­dauen, und manches andere, was im engsten Sinne an unsere aller-niederste Persönlichkeit gebunden ist, das erscheint uns in Form des Drachen. Wir müssen ihn anschauen, wenn er sich aus uns herauswindet. Schön ist er nicht, der Drache, und daher haben Luzifer und Ahriman es leicht, unser unterbewußtes Seelenleben so zu beeinflussen, daß wir unbewußt nichts wissen wollen vom Sehen dieses Drachen. Es sind ja in ihn auch hineingewoben alle Albernheiten,

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alle unsere Eitelkeiten, unsere Stolzheit und unsere Selbst­sucht, aber auch die niedersten Triebe.

Wenn wir den Drachen nicht schauen am Tor der Sonne - man nennt es das Tor der Sonne, weil gerade in den Sonnenkräften die Kräfte leben, aus denen auch der Drache gewoben ist, denn die Sonnenkräfte sind es, die bewirken, daß wir verdauen und die anderen organischen Verrichtungen vollziehen, es ist wirklich durch das Zusammenleben mit der Sonne -, wenn wir also den Drachen nicht schauen am Tor der Sonne, dann verschlingt er uns, dann werden wir in der geistigen Welt eins mit ihm. Dann sind wir nicht mehr unterschieden von dem Drachen, dann sind wir eigentlich der Drache, der erlebt in der geistigen Welt. Und er kann Bedeutungs­volles erleben, er kann gewissermaßen großartige Erfahrungen machen. Erfahrungen, welche, ich möchte sagen, einschmeichelnder sind als diejenigen, die man macht am Tor des Todes oder hinter dem Tor des Todes. Die Erfahrungen, die man macht am Tor des Todes, sind zunächst farblos, schattenhaft, intim, so leicht und intim, daß sie uns leicht entschwinden, daß wir gar nicht sehr geneigt sind, die Aufmerksamkeit zu entfalten, um sie festzuhalten. Und wir müssen immer wiederum uns anspannen, dasjenige, was da leicht im Gedanken sich belebt, sich vergrößern zu lassen. Es vergrößert sich zuletzt zu einer Welt. Aber, bis es auftritt als farben-, töne-, lebendurchdrungene Wirklichkeit, das fordert langes, energisches Arbeiten und Streben. Denn man muß gewissermaßen diese farb und tonlosen Gestalten sich beleben lassen überall aus der Unend­lichkeit her. Will man zum Beispiel den einfachsten Luft- oder Wassergeist entdecken durch, man kann es jetzt nennen, Kopf­hellsehen - gemeint ist das Hellsehen, was entsteht durch Belebung des Gedankens -, dann ist zunächst dieser Luft- oder Wassergeist etwas, was so leicht und schattenhaft über den Horizont der geistigen Welt hinhuscht, daß es einen gar nicht interessiert. Und wenn er farbig oder tönend werden soll, dann muß aus dem ganzen Umkreis des Kosmos die Farbigkeit an ihn heranrücken. Das geschieht aber erst in langer innerer Arbeit. Das geschieht erst durch Warten, bis man begnadet wird. Denn denken Sie, wenn Sie also - bildlich gesprochen

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- solch einen kleinen Luftgeist haben, wenn er jetzt in Farben herankommen soll, wenn er gefärbt erscheinen soll, so muß von einem mächtigen Teil des Kosmos die Farbe hereinstrahlen. Man muß die Kraft haben, sie hereinstrahlen zu machen. Diese Kraft kann aber nur durch Hingabe erreicht werden, erworben werden. Die strahlenden Kräfte müssen von außen hereinkommen durch Hingabe. Ist man mit seinem Drachen einerlei, ist man eins mit ihm, dann wird man, wenn man einen Luft- oder Wassergeist sieht, geneigt sein, die Kräfte, die in einem drinnen sind, und gerade in den im gewöhnlichen Leben niedrig genannten Organen drinnen sind, hinauszustrahlen. Das ist viel leichter. Unser Haupt ist an sich ein vollkommenes Organ, aber in dem astralischen Leibe und dem Ätherleib des Hauptes, da ist nicht viel Farbiges darinnen, weil die Farben verwendet sind zum Beispiel um das Gehirn, namentlich die Gehirnschale zu bilden. So daß, wenn Sie aus dem Haupte heraus durch Kopfhellsehen an der Schwelle der geistigen Welt den Astral­leib und Ätherleib herausheben aus dem physischen Leibe, so hat er nicht viel Farbe in sich. Die Farben sind verwendet, um das voll­kommene Organ, das Gehirn, zu bilden. Wenn Sie aber im - wir können es nennen - Bauchhellsehen aus den Organen des Magens, der Leber, der Galle und so weiter den Astralleib und Ätherleib herausheben, da sind die Farben noch nicht so verwendet, um voll­kommene Organe zu bilden. Diese Organe sind erst auf dem Wege zur Vollkommenheit. Dasjenige, was vom Astralleib und Ätherleib des Bauches ist, das ist wunderschön gefärbt, das glänzt und glitzert in allen möglichen Sonnenfarben. Und heben Sie da den Ätherleib und Astralleib heraus, so verleihen Sie den Gestalten, die Sie sehen, die wunderbarsten Färbungen und Tönungen. So daß es vorkommen kann, daß jemand Wunderbares sieht und ganz großartige farbige Gemälde entwirft. Es ist gewiß interessant, denn für den Anatomen ist es ja auch interessant, Milz, Leber und Gedärme zu untersuchen, und es ist dies vom Standpunkte der Wissenschaft auch notwendig. Aber wenn es derjenige, der kundig ist, untersucht, so ist das, was in so schönen farbigen Bildern erscheint, dasjenige, was zwei Stun­den nach dem Essen dem Verdauungsprozeß zugrunde liegt. Dagegen

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ist gewiß nichts einzuwenden, daß man das untersucht. So wie der Anatom die Dinge untersuchen muß, so wird die Wissenschaft ein­mal viel davon haben, diese Dinge zu untersuchen, zu wissen, was der Ätherleib macht, wenn der Magen verdaut. Aber darüber müssen wir uns ganz klar sein: Wenn wir nicht dadurch, daß wir das zu­sammenfassen mit unserem Drachen, dadurch, daß wir bewußt an das Tor der Sonne gehen, wenn wir nicht wissen, wir laden all das­jenige, was im Äther- und Astralleib unseres Bauches ist, in diesen Drachen hinein, wir sondern das ab, dann strahlen wir es hinaus in die Hellseher-Gebilde, dann bekommen wir eine wunderbare Welt. Das Schönste und leichtest zu Erreichende kommt zunächst nicht von den höheren Kräften, vom Kopfhellsehen, sondern vom Bauchhellsehen. Und das ist durchaus wichtig zu wissen. Denn für den Kosmos gibt es nichts im absoluten Sinne Niedriges, es gibt nur relativ Niedriges. Der Kosmos muß mit ungeheuer bedeut­samen Kräften arbeiten, um das zustande zu bringen, was zum menschlichen Verdauungsapparat notwendig ist Aber es handelt sich darum, daß wir uns keinen Irrtümern hingeben, keinen Täu­schungen uns hingeben, sondern daß wir wissen, was die Dinge sind. Wenn wir wissen, daß irgend etwas, was einen wunderbaren Aspekt darbietet, nichts anderes ist als der Verdauungsprozeß, so ist das außerordentlich wichtig. Wenn wir aber glauben, daß uns durch ein solches Bild vielleicht eine besondere Engelswelt sich offenbare, dann sind wir eben in einem Irrtum befangen. Also nicht dagegen, daß eine Wissenschaft gepflegt wird aus diesem Wissen, kann sich der Vernünftige wenden, sondern nur dagegen, daß etwa solche Dinge in ein falsches Licht gerückt werden. Das ist es, um was es sich handelt. So kann es zum Beispiel vorkommen, daß jemand eben gerade durch einen Vorgang innerhalb des Verdauungsprozesses in einer bestimmten Etappe der Verdauung immer einen bestimmten Teil des Ätherleibes heraushebt; dann kann er ein natürlicher Hell­seher sein. Man muß da nur wissen, um was es sich handelt.

Der Mensch wird also schwer dazu kommen, durch Kopfhellsehen, wo alles Farbige des Äther- und Astralleibes dazu verwendet ist, um das wunderbare Gefüge des Gehirns zustande zu bringen, das Farblose

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und Tonlose zum Vollgefärbten, Tönenden zu bringen. Aber er wird verhältnismäßig leicht dazu kommen, mit Bauchhellsehen die wunderbarsten Dinge der Welt zu sehen. Dabei liegen natürlich in diesem Bauchhellsehen auch Kräfte, die der Mensch verwenden lernen muß. Diejenigen Kräfte, die da verwendet werden zu unserem Verdauungsprozeß, sind ja nur verwandelte Kräfte, und richtig er­leben wir sie, wenn wir immer mehr und mehr ausbilden lernen die Identifizierung mit dem Schicksal. Das ist auch auf diesem Felde dasjenige, was uns lehrt: dem, was zuerst als geflügelter Engelskopf heraufkam, müssen wir ja nachziehen den anderen Teil, und da handelt es sich darum, daß wir nicht nachziehen nur die Kräfte, die zur Verdauung dienen, sondern auch diejenigen, die höherer Art sind; das sind diejenigen, die in unserem Karma, unserem Schicksal liegen. Wenn wir uns damit identifizieren, dann gelingt es uns, hinauszutragen die geistigen Wesen, die wir um uns sehen, die jetzt die Tendenz haben, daß die Töne und Färbungen hereinfließen aus dem Weltenraum. Dann wird natürlich die geistige Welt eine voll inhaltliche, eine konkrete, ebenso wirklich und konkret, daß wir uns darin befinden, wie wir uns in der physischen Welt befinden.

Eine besondere Schwierigkeit am Tor des Todes macht das, daß wir wirklich die Empfindung haben - und die müssen wir auch überwinden -, du verlierst dich selbst eigentlich da! Aber wenn man wirklich sich angestrengt hat und sich mit dem Gedanklichen identifiziert, kann man sogleich auch das Bewußtsein haben: Du ver­lierst dich, aber du findest dich wieder. Das ist eine Erfahrung, die man macht. Man verliert sich, wenn man eintritt in die geistige Welt, aber man weiß, daß man sich auch wiederfindet. Den Über-gang hat man zu machen: an den Abgrund zu kommen, im Abgrund sich zu verlieren, aber mit dem Vertrauen, daß man sich drüben wiederfindet Das ist eine Erfahrung, die man durchmachen muß. Alles, was ich geschildert habe, sind eben durchaus innere Erlebnisse, die man durchzumachen hat. Und daß man erfährt, was da eigent­lich mit der Seele geschieht, das ist wichtig. Es ist das gerade, wie wenn man etwas sehen soll; wird man hingewiesen von einem Freund, dann ist das besser, als wenn man es sich selbst ausdenkt.

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Aber erreichen kann man alles das, was geschildert worden ist, in­dem man sich wirklich hingebungsvoll immer wiederum der inneren Arbeit und inneren Überwindung durch Meditation hingibt, wie Sie es geschildert finden in den Büchern «Wie erlangt man Erkennt­nisse der höheren Welten? » und im zweiten Teil der «Geheim-wissenschaft».

Dies ist von ganz besonderer Wichtigkeit, daß man diese anders­artigen Erfahrungen machen lernt jenseits der Schwelle der geistigen Welt. Wenn man, wie es ja naturgemäß ist beim Menschen, bloß den Drang hat, in der geistigen Welt eine Fortsetzung, eine Verdop­pelung nur der physischen Welt zu finden, wenn man meint, in der geistigen Welt müsse alles ebenso aussehen wie hier in der phy­sischen Welt, dann kann man nicht hineinkommen. Man muß wirk­lich das durchmachen, was man wie eine Umkehrung empfindet von alledem, was man hier in der physischen Welt erfahren hat. Hier in der physischen Welt ist man gewöhnt, zum Beispiel die Augen aufzu­machen und Licht zu sehen, durch das Licht beeindruckt zu werden. Wenn man das erwartet in der geistigen Welt, daß man ebenso ein geistiges Auge aufmachen kann, um durch das Licht beeindruckt zu werden, dann kann man nicht hineinkommen, denn man erwartet etwas Falsches. Das webt etwas wie einen Nebel, der sich vor die geistigen Sinne legt, der einem die geistige Welt verdeckt, so wie ein Nebelmeer einem ein Gebirge verdeckt. In der geistigen Welt kann man zum Beispiel nicht von Licht beschienene Gegenstände sehen, sondern da muß man sich klar sein darüber, daß man mit dem Lichte selbst strahlt in der geistigen Welt. Wenn in der physischen Welt der Lichtstrahl auf einen Gegenstand fällt, sieht man ihn; in der geistigen Welt aber ist man in dem Lichtstrahl selber darinnen und berührt damit den Gegenstand. So daß man sich selbst schwim­mend mit dem Lichtstrahl in der geistigen Welt weiß; man weiß, daß man im strahlenden Licht drinnen ist. Das ist dasjenige, was einem einen Fingerzeig geben kann, wie man sich Begriffe aneignen kann, die geeignet sind, einem in der geistigen Welt vorwärts zu helfen. Es ist zum Beispiel ungeheuer nützlich, sich einmal vorzu­stellen: Wie wäre es, wenn du jetzt in der Sonne wärest? Dadurch,

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daß du nicht in der Sonne bist, siehst du die Gegenstände, wenn die Sonnenstrahlen die Gegenstände beleuchten, durch die zurück­geworfenen Strahlen. Man muß sich vorstellen, man ist in den Sonnenstrahlen drinnen und berührt damit die Gegenstände. Diese Berührung ist ein Erlebnis in der geistigen Welt; darin besteht gerade das Erleben in der geistigen Welt, daß man sich darinnen lebendig weiß. Man weiß sich lebendig im Weben der Gedanken. Gerade wenn dieser Zustand anfängt, daß man sich bewußt im Weben der Gedanken darinnen weiß, dann geht das unmittelbar über in ein Sich-Wissen im hellstrahlenden Licht. Denn der Gedanke ist aus dem Licht. Der Gedanke webt im Licht. Aber das erfährt man erst dann, daß man eigentlich wie untertaucht in das Licht, wenn man mit diesem Gedankenweben darinnen ist.

Die Menschheit ist jetzt auf einer Stufe, wo sie sich solche Vorstel­lungen aneignen muß, damit sie nicht durch die Pforte des Todes geht, wo sie ja in der geistigen Welt darinnen ist, und dann in ganz ungewohnte Welten hineinkommt. Das Kapital, das die Menschen mitbekommen haben von den Göttern im Erdenurbeginn, ist all­mählich aufgezehrt. Die Menschen tragen jetzt das nicht mehr mit durch die Pforte des Todes, was noch Reste waren eines alten Erb­gutes. Sie müssen sich jetzt allmählich hier in der physischen Welt Begriffe aneignen, die auch dann, wenn die Menschen durch die Pforte des Todes geschritten sind, dazu dienen, die ihnen nach Über­schreitung als versucherische und verführerische, als gefährlich ent­gegentretende Wesen sichtbar zu machen. Mit diesen großen kosmi­schen Zusammenhängen ist es verbunden, daß eben jetzt Geistes­wissenschaft der Menschheit mitgeteilt werden muß, daß Geistes­wissenschaft unter die Menschen treten muß. Und man kann be­obachten, wie gerade in unseren Tagen, in unseren so schicksals-bewegten Tagen, Übergänge wirklich geschaffen werden. Es gehen Menschen in jungen Jahren jetzt durch die Pforte des Todes, vom großen Zeitenschicksale gefordert, die gewissermaßen mit vollem Bewußtsein in jungen Jahren den Tod an sich haben herankommen lassen. Ich meine jetzt nicht so sehr den Moment, bevor der Tod zum Beispiel auf dem Schlachtfelde eingetreten ist. Da mag ja vieles

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da sein an Begeisterung und dergleichen, die das Erlebnis des Todes zu keinem so eminenten, so von Aufmerksamkeit durchtränkten machen, als man sonst glauben möchte. Aber wenn er eingetreten ist, der Tod, dann ist es ein Tod, der übrigläßt einen noch unver­brauchten Ätherleib, in unserer Zeit übrigläßt einen unverbrauchten Ätherleib, auf den der Tote nun hinschauen kann; so daß nun der Tote dieses Phänomen, diese Tatsache des Todes, mit einer viel größeren Deutlichkeit sieht, als er es dann sieht, wenn der Tod durch Krankheit oder durch Altersschwäche eintritt.

Dieser Tod auf dem Schlachtfeld ist ein intensiveres, ein stärker wirkendes Ereignis in unseren Tagen als ein Tod, der auf andere Weise eintritt. Dadurch wirkt das auf die Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen ist, und wirkt belehrend. Der Tod ist schreck­lich oder kann wenigstens schrecklich sein für den Menschen, so-lange er im Leibe weilt. Wenn der Mensch aber durch die Pforte des Todes gegangen ist und zurückblickt auf den Tod, so ist der Tod das schönste Erlebnis, das überhaupt im menschlichen Kosmos mög­lich ist. Denn dieses Zurückblicken auf dieses Hineingehen in die geistige Welt durch den Tod ist zwischen Tod und neuer Geburt das allerwunderbarste, das schönste, großartigste, herrlichste Ereignis, auf das der Tote überhaupt zurückschauen kann. Weil gerade von unserer Geburt so wenig vor unserem physischen Erleben jemals wirklich steht - es erinnert sich ja kein Mensch mit den gewöhn­lichen, nicht ausgebildeten Fähigkeiten an seine physische Geburt -, ebenso sicher steht immer der Tod da für die Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen ist, von dem Auftauchen des Bewußtseins an. Er ist immer vorhanden, aber er steht da als das Schönste, als der Auferwecker in die geistige Welt hinein. Und er ist ein Belehrer wunderbarster Art, ein Belehrer, der wirklich für die empfängliche Seele beweisen kann, daß es eine geistige Welt gibt, weil er das Phy­sische durch seine eigene Wesenheit vernichtet und aus dieser Ver­nichtung eben nur hervorgehen läßt dasjenige, was geistig ist. Und diese Auferstehung des Geistigen, mit dem vollständigen Abstreifen des Physischen, das ist ein Ereignis, das immer dasteht zwischen Tod und neuer Geburt. Das ist ein tragendes, ein wunderbar großes

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Ereignis, und in sein Verständnis wächst die Seele nach und nach hinein; wächst hinein in einer ganz einzigartigen Weise dann, wenn nun dieses Ereignis in dem Grade, man möchte sagen, ein selbst­gewähltes Ereignis ist, wenn der Mensch sich diesen Tod natürlich nicht gesucht, aber zum Beispiel dadurch, daß er gewissermaßen freiwillig sich eingereiht hat, ihn doch freiwillig gefunden hat. Da­durch gewinnt dieser Moment wiederum an Deutlichkeit. Und ein Mensch, der sonst nicht viel über den Tod nachgedacht hat, der wenig oder nur zum Teil sich um die geistige Welt gekümmert hat, der kann nun gerade in unserer Zeit an dem Tode, nach seinem Tode, einen wunderbaren Belehrer bekommen. Und das ist für den Zu­sammenhang der physischen mit der geistigen Welt etwas, was gerade in diesem Kriege als etwas ungeheuer Bedeutsames steckt. Ich habe es schon in einigen Vorträgen dieser schweren Zeit betont: es reicht nicht aus dasjenige, was wir tun können durch die bloße Belehrung, durch das Wort; aber ungeheure Belehrung wird für die Menschen der Zukunft kommen dadurch, daß so viele Tode ein­getreten sind. Die wirken auf die Toten, und die Toten wiederum greifen ein in den Zukunftskulturprozeß der Menschheit.

So kann ich gerade von einem solchen Toten, der in jungen Jahren in unseren Tagen durch die Todespforte gegangen ist, Worte mit­teilen, die - ich möchte sagen - durchgekommen sind; Worte, die gerade deshalb einem überraschend sind gewissermaßen, weil sie bezeugen, wie der Tote, der den Tod mit besonderer Deutlichkeit fühlte als auf dem Schlachtfelde erlebt, nun sich hineinfindet in dieses andersartige Erleben nach dem Tode; wie er sich heraus-arbeitet aus den Erden-Vorstellungen und sich hineinarbeitet in die geistigen Vorstellungen. Ich will Ihnen auch diese Worte hier mit­teilen. Sie sind, wenn ich das so charakterisieren darf, aufgefangen, als ein solcher auf dem Schlachtfelde Verstorbener sie wie heran­bringen wollte an diejenigen, die er zurückgelassen hat.

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Im Leuchtenden,

Da fühl' ich

Die Lebenskraft.

Der Tod hat mich

Vom Schlaf erweckt,

Vom Geistesschlaf.

Ich werde sein,

Und aus mir tun,

Was Leuchtekraft

In mir erstrahlt.

Das ist gewissermaßen von dem Hinblicken nach dem erlittenen Tode von dem Toten erlernt, im Erlernen erlebt, so wie wenn das Wesen sich erfüllte mit dem, was es nach dem Tode eben leben lernen muß am Anblick des Todes, und wovon es auch Kunde geben, die es offenbaren will.

Im Leuchtenden, da fühle ich die Lebenskraft.

Also er fühlt, daß er im höheren Grade lebendig ist in bezug auf das Erfassen der geistigen Welt, als er es hier war vor dem Tode. Er fühlt den Tod als eine Art Erwecker und Belehrer:

Der Tod hat mich vom Schlaf erweckt,

Vom Geistesschlaf.

Und nun fühlt er auch schon, daß er ein Handelnder wird in der geistigen Welt:

Ich werde sein, und aus mir tun...

Aber er fühlt, daß dieses Tun in ihm die Leuchtekräfte tun, er fühlt das Licht in ihm erleben:

Ich werde sein

Und aus mir tun,

Was Leuchtekraft

In mir erstrahlt.

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Man kann eben überall sehen, richtig sehen, wie dasjenige, was erschaut werden kann in der geistigen Welt, immer wieder und wie­derum von neuem die reinste Bestätigung desjenigen abgibt, was auch wiederum durch die sogenannte Imaginationserkenntnis aus dieser geistigen Welt heraus eben im allgemeinen bekannt werden kann. Und das ist es, was man so möchte, daß es belebt werde, so recht belebt werde durch unsere geisteswissenschaftliche Bewegung: daß wir es nicht bloß zu tun haben mit einem Wissen von der geisti­gen Welt, sondern daß dieses Wissen in uns wirklich so lebendig werde, daß wir eine andere Art mit der Welt zu fühlen, mit der Welt zu empfinden, uns aneignen, indem die Begriffe der Geistes­wissenschaft in uns lebendig werden. Dieses innerliche Beleben der Gedanken der Geisteswissenschaft, das ist ja dasjenige, wie ich schon oft gesagt habe, schon wiederholt gesagt habe, was von uns im Grunde genommen gefordert wird, so gefordert wird, daß es unser Beitrag sein soll für die Weiterentwickelung der Welt, damit zusam­menfließen die aus der Geisteswissenschaft heraus geborenen spiri­tuellen Gedanken, die sich in die geistige Welt hinauferheben wie Leuchtekräfte, die dem leuchtenden Weltall zurückgegeben werden; damit das Weltall sich vereinige mit dem, was die durch die Pforte des Todes Gegangenen in unseren schicksalsschweren Tagen der geistigen Kulturbewegung der Menschheit einverleiben. Dann wird das eintreten, was einbegriffen ist in die Worte, mit denen wir auch heute wieder unsere Betrachtungen schließen wollen:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

NEUNTER VORTRAG Berlin, 9. März 1915 Der Rhythmus von Schlafen und Wachen im großen Entwickelungsgange des Weltenwesens

#G157-1960-SE183 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

NEUNTER VORTRAG

Berlin, 9. März 1915

Der Rhythmus von Schlafen und Wachen

im großen Entwickelungsgange des Weltenwesens

#TX

Wir haben heute vor acht Tagen eine Art Betrachtung über das imaginative Meditieren angestellt, und wir haben gesehen, daß auch diese Betrachtung uns zeigt, wie alle Erkenntnis, die eine wirkliche Erkenntnis der übersinnlichen Welten sein soll, gewonnen werden muß durch ein leibfreies Weltenbetrachten, dadurch, daß die gewöhnliche, die Alltagserkenntnis sich frei macht von den Bedin­gungen, die durch den Leib, durch die Sinne, durch das Nerven­system und so weiter gegeben sind. Die gewöhnliche Tageserkennt­nis kommt ja dadurch zustande, daß sich das menschliche Geistig-Seelische der leiblichen Werkzeuge bedient Nun besteht diese gei­stige Erkenntnis in gewissen feineren Prozessen, die sich mit dem Menschen abspielen, und auf diese Prozesse wollen wir zunächst heute im ersten Teil unserer Betrachtung etwas hinweisen. Feinere Prozesse, sagte ich. Feiner sind die Prozesse deshalb, feiner als die gewöhnlichen Alltagsprozesse des Erkennens, der Beobachtung, der Wahrnehmung, weil der Mensch ja nur ausgehen kann von dem, woran er im Alltag gewöhnt ist, und sich allmählich nur zu feine-ren, intimeren Prozessen erheben kann. Nun würden wir ja alle die befriedigendsten, die höchsten Erkenntnisse der geistigen Welt gewinnen können, wenn wir imstande wären, ohne weiteres wenig­stens einen Teil, ja nur einen kleinen Teil, meinetwillen nur eine Minute, von demjenigen Zustand unseres Lebens, den wir zubrin­gen zwischen Einschlafen und Aufwachen, vollbewußt zuzubringen; nicht bloß träumend-bewußt, sondern vollbewußt. Denn alle In­itiation besteht ja darin, daß dasjenige von uns, was unbewußt außer unserem Leibe verweilt in der Nacht im Schlafe, bewußt gemacht wird.

Niemals besteht ein wirklich höherer Erkenntnisprozeß eigent­lich in etwas anderem, als in einem Bewußtmachen desjenigen,

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was sonst unbewußt vom Einschlafen his zum Aufwachen im schla­fenden Zustand verweilt.

Nun gibt es allerdings, was Sie vielleicht verwundern wird, einen Teil des Menschen, des leiblichen Menschen, der im Grunde immer im schlafenden Zustand ist, der immer schläft. Auf diese Dinge braucht man sich ja nicht gleich im Eingang des anthroposophischen Lebens einzulassen; gewissermaßen die Feinheiten der geisteswissen­schaftlichen Forschung können uns erst langsam und allmählich zum Bewußtsein kommen. Wir denken ja natürlich, wenn ge­schildert wird, daß der Mensch bei Tage wacht und bei Nacht schläft, daß bei Tage sein Ich und sein Astralleib mit dem physi­schen Leibe und dem Atherleib voll vereinigt seien, und daß bei Nacht Ich und Astralleib außerhalb des physischen Leibes und des Ätherleibes ihr Wesen haben. Wir denken auch zunächst ganz richtig so, denn nur allmählich können wir uns von der gröberen Auf-fassung der geisteswissenschaftlichen Tatsachen zu den spezielleren Wahrheiten hinwenden. Im groben also ist das richtig, daß der Mensch mit seinem Ich und Astralleibe im Schlafe außerhalb seines Ätherleibes und physischen Leibes ist. Aber für einen Teil des Leibes gilt es doch, daß im wesentlichen auch vom Aufwachen bis zum Einschlafen dieser Teil des Leibes schläft, wenigstens im wesent­lichen schläft. Und das ist gerade merkwürdigerweise derjenige Teil des menschlichen Leibes, den wir das Haupt, den Kopf nennen. Der schläft gerade dann, wenn wir wachen. Und obwohl man leicht glau­ben könnte, daß der Kopf das Allerwachste sei, so ist er in Wirklich­keit dasjenige, was am wenigsten wach ist. Denn die wache Tätigkeit des menschlichen Denkens, überhaupt der Kopfverrichtungen, be­ruht gerade darauf, daß auch im Wachen das Ich und der Astralleib gegenüber den Kopforganen ein solches Verhältnis haben, daß sie nicht vollständig - also der Ichteil des Kopfes, der Astralteil des Kopfes - mit dem physischen und dem ätherischen Teile des Kopfes sich verbinden können, sondern immer gewissermaßen ein Eigen­leben außerhalb des physischen und des ätherischen Teiles des Kopfes erleben. Nur dann findet eine innigere Verbindung noch statt zwischen dem astralischen Kopfleib und zwischen dem physischen,

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wenn man Kopfschmerzen hat. Und wenn man recht starke Kopfschmerzen hat, dann ist am allermeisten Verbindung zwischen dem astralischen Teil des Kopfes und dem physischen Teil des Kopfes. Dann kann man gerade am schlechtesten denken, wenn man Kopfschmerzen hat. Das rührt davon her, weil dann eine zu starke Verbindung eintritt zwischen dem astralischen, dem physi­schen und dem ätherischen Teile des Kopfes. Nun beruht aber unser waches Denken und auch das übrige wache Seelenleben eben gerade darauf, daß in einer gewissen Beziehung das Ich und der Astralleib des Kopfes außerhalb des physischen und Ätherleibes sind und sich gerade dadurch in dem physischen und ätherischen Leibe des Kopfes spiegeln; wie wir uns ja auch nur im Spiegel sehen können, wenn wir außerhalb sind. Diese Spiegelung gibt ja die Bilder unseres Alltagsbewußtseins. Das sind Spiegelbilder, die wir im Alltagsleben erleben, erkennend wahrnehmen. Und durch dieses Außerhalb des Kopfes Leben, durch dieses Schlafen des Kopfes, und durch die durch die Härte des Schädels bewirkte Zurückwerfung der Tätigkeit des Ich und Astralleibes wird gemacht, daß wir eben das Innere des Ich und das Innere des Astralleibes empfinden als unser eigenes. Würde, so wie es bei den anderen Teilen des Organismus der Fall ist, die Tätigkeit des Ich und Astralleibes noch mehr hineinarbeiten in die Tätigkeit des physischen und Atherleibes, dann würden wir verdauungsorganische Tätigkeit, vielleicht auch rhythrrssche Tätigkeit wie im Herzen, im Kopfe wahrnehmen, vielleicht auch nicht wahr­nehmen - aber von einer Denktätigkeit würde nicht die Rede sein können, denn diese beruht darauf, daß diese Tätigkeit nicht aufge­nommen, sondern zurückgestrahlt wird. Das Herz, die anderen Or­gane, welche absorbieren, die nehmen die Tätigkeit des Ich und Astral­leibes auf. Die Kopforgane nehmen sie nicht auf, sie strahlen sie viel­mehr zurück; daher kann sie dann erlebt werden im seelischen Innern.

Nun, in der Nacht, vom Einschlafen bis zum Aufwachen, da ist gewissermaßen das ganze Ich und der ganze Astralleib - auch das ist nicht einmal ganz richtig, aber ungefähr -, es ist also ein viel größerer Teil des Ich und des Astralleibes außerhalb des physischen und Ätherleibes. Der Mensch ist da in der Lage, vom Einschlafen

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bis zum Aufwachen, in bezug auf ein viel größeres Stück von Ich und Astralleib sich so zu verhalten, wie er sich beim Wachen gegen­über seinem Kopfe verhält. Aber nun ist noch nicht der übrige Organismus so weit wie der Kopf; er ist noch nicht soweit gediehen, daß er zurückstrahlen könnte, wie es der Kopf kann. Daher kann keine Bewußtheit eintreten im Schlafe. Wenn wir die Bewegung unserer Hände betrachten, so müssen wir uns sagen: In diesen Hän­den haben wir, soweit wir sie bewegen können, wenn wir wach sind, natürlich die betreffenden Glieder, Ich, Astralleib, Ätherleib und physischen Leib. Das alles ist vorhanden, das alles ist in Tätig­keit, wenn wir die Hände bewegen. Nun denken Sie sich einmal, es würde ein Mensch in die Lage versetzt, daß seine Hände angebun­den würden an seinen Organismus, und zwar so, daß er sie niemals würde bewegen können, sondern daß sie fest wären an dem Organis­mus, daß sie fest an den Organismus angebunden wären. Und neh­men wir an, es würde dem Menschen zugleich die Gabe verliehen, während er jetzt seine angebundenen physischen Hände nicht bewegen kann, daß er den Ätherleib oder wenigstens den Astralleib der Hände allein bewegen könnte. Das würde etwas sehr Bedeuten­des zur Folge haben. Er würde dann gleichsam hinausstrecken seine Astral- beziehungsweise Ätherhände aus den physischen Händen, die er nicht bewegen könnte, die angebunden wären. Wir bemühen uns nicht, diese Prozedur überhaupt je auszuführen; wenn wir etwas vom Astralischen und Ätherischen der Hände bewegen, so bewegen wir eben die physischen Hände mit. Nun kann man das auf der Erde so ohne weiteres nicht gut durchführen als etwas Natürliches, aber im Laufe der Evolution wird es durchgeführt, nur etwas anders als in der groben Weise, wie ich es jetzt besprochen habe. So wird es durchgeführt, daß, indem sich der Mensch im Laufe der Erden evolution weiter entfalten und zum Jupiter hinüberwachsen wird, in der Tat das eintreten wird, daß seine Hände, die physischen Hände, unbeweglich werden. Auf dem Jupiter wird der Mensch schon so erscheinen, daß seine physischen Hände nicht mehr beweg­liche Organe sind, sondern festliegen, dafür aber eben die astra­lischen und auch die Ätherhände zum Teil sich heraus bewegen

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können. Also es wird auf dem Jupiter von den physischen Händen nur noch unbewegliche Andeutungen geben, dagegen werden sich die astralischen respektive Ätherhände frei bewegen wie Flügel. Darauf wird es beruhen, daß dieser Jupitermensch nicht bloß ein Gehirndenker ist, sondern daß ihm dann seine festliegenden Hände die Möglichkeit geben, zurückzustrahlen in das, was jetzt mit den physischen Händen verbunden ist, und er wird dadurch ein viel lebendigeres, ein viel umfassenderes Denken haben. Dadurch, daß ein physisches Organ zur Ruhe kommt, dadurch kann das entspre­chende geistig-seelische Glied, das zu dem physischen Organ dazu­gehört, befreit werden und kann dann eine geistig-seelische Tätig­keit entfalten. Es ist nämlich wirklich so mit unserem Gehirn: als wir noch Mondmenschen waren, da hatten wir solche Organe, die sich hier wie Hände bewegten, und diese Organe sind festgemacht worden. Auf dem Monde hatte wir noch keine feste Gehirnschale; da konnten sich die Organe, die jetzt im Gehirn zusammengefaltet sind, bewegen wie Hände. Dafür konnte der Mensch auf dem Monde noch nicht so denken wie auf der Erde. Aber für denjenigen, der hellsichtig das Denken prüft, ist es klar, daß sich da die im schlafenden Gehirn befindlichen Organe tatsächlich beim wachen-den Menschen flügelartig bewegen, wie ich Ihnen beschrieben habe, daß sich Astral- und Ätherhände bewegen würden, wenn die phy­sischen Hände festliegen könnten. Das ist also vom Ühergang des Mondenzustandes zum Erdenzustand wirklich geschehen, daß hier gleichsam Hände gebändigt worden sind und jetzt noch festgehal­ten werden durch die feste Gehirnschale, und daß dadurch das Ätherische und Astralische frei ist. Aber die Organe müssen fort-entwickelt werden. Diese Hände können nicht bleiben wie sie sind, wenn wir uns zum Jupiter entwickeln, sondern diese Hände werden in substantieller Beziehung eine Abänderung erfahren, wie sie unser Gehirn erfahren hat, so daß es zum Rückstrahlorgan geworden ist. Dieser Prozeß ist der, den man bezeichnen könnte als den der natur­gemäßen Evolution.

Ein anderer Prozeß ist nun der Initiationsprozeß. Er besteht darin, daß wir in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins irgendeine

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mantrische Meditation gedanklich stellen und darinnen ganz auf-gehen. Wenn wir das tun, so liegt wirklich viel daran, daß wir nun nicht unser Leibliches benützen, um diesen Gedanken zu bilden, um den Gedanken zu haben, sondern daß wir wirklich uns von dem Leiblichen, dem Physisch-Sinnlichen mit diesem Gedanken zurück­ziehen, daß wir in ihm verharren, daß wir beim Meditieren keine Hilfe haben an der physischen Welt. Beim gewöhnlichen Alltags-denken hilft uns der physische Leib, hilft uns die physische Welt. Wir denken, wenn durch die Sinne auf uns Eindrücke gemacht werden. Dadurch wird uns das Denken bequem. Denn die Welt macht auf uns zugleich einen ätherischen und einen physischen Eindruck. Das ist eine Unterstützung für unser Denken. Wenn wir meditieren, müssen wir uns gerade abseits stellen von allem Phy­sischen, auch von allen Vorstellungen. Wir müssen ganz aus dem eigenen freien Willen einen Gedanken in den Mittelpunkt unseres Bewußtseins stellen. Dadurch geschieht nun etwas höchst Eigen­tümliches, das dem Wahrnehmungsprozeß gegenüber ein feinerer Prozeß ist. Wenn wir es dahin bringen, daß wir gleichsam im Ver­gessen der ganzen übrigen Welt - als wenn die übrige Welt nicht da wäre, es eigentlich nichts geben würde in Raum und Zeit als den einzigen Gedanken -, wenn wir es dahin gebracht haben, daß uns die ganze Welt gleichgültig ist und wir nur leben im Meditations­gedanken, dann tritt dasjenige ein, was selbstverständlich keine phy­sische Wissenschaft konstatieren kann: durch diesen feinen Prozeß des Meditierens wird gewissermaßen ein feiner Wärmeverbrauch erzielt; Wärme wird verbraucht, wird weggebracht. Es ist ein Pro­zeß, den man selbstverständlich nicht physisch konstatieren kann, aber der Verbrauch findet statt, und wir werden einmal darüber bei Gelegenheit sprechen. Dann werden wir sehen, wie durch Vorgänge, die jeder beobachten kann, man nachweisen kann der physischen Wissenschaft, daß der Meditationsprozeß mit einem feinen Wärme-prozeß und mit einem feinen Lichtprozeß verknüpft ist.

Von dem Licht, das wir aufgenommen haben, verbrauchen wir innerlich etwas; wir verbrauchen Licht. Wir verbrauchen auch noch etwas anderes, aber wir wollen dabei stehenbleiben, daß wir Wärme

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und Licht verbrauchen. Das, was wir verbrauchen, das macht eben, daß dasjenige eintritt, was ich vor acht Tagen hier besprochen habe, daß aus dem Prozeß des Meditierens sich etwas bildet wie ein feines Lebendiges. Wenn wir im gewöhnlichen Alltagsprozesse denken, lebt auch in uns etwas, was sich eindrückt in unseren Organismus und einen Prozeß bewirkt, der auch mit Wärme zu tun hat; das drückt sich da ein, und das, was sich da abspielt, das bewirkt, daß wir Erinnerung haben. Aber dazu darf es beim Meditieren nicht kommen. Wenn wir abgeschlossen leben in dem reinen Gedanken­oder Empfindungsinhalte, dann drückt sich nicht in unseren Leib dasjenige ab, was wir da verbrauchen, sondern das drückt sich ab im allgemeinen Äther. Das verursacht außerhalb einen Prozeß. Ja, meine lieben Freunde, wenn Sie wirklich ernstlich, wahrhaftig meditieren, dann drücken Sie dem allgemeinen Äther Ihre Ge­dankenform ein; die ist da drinnen. Und wenn Sie dann auf einen Meditationsprozeß zurückschauen, ist es nicht ein gewöhnliches Er­innern, sondern ein Zurückschauen zu dem, was sich eingedrückt hat dem Weltenäther. Das ist wichtig, daß wir das beachten. Das ist ein feiner Prozeß, den wir so ausführen, daß er eine Beziehung darstellt zwischen uns und der umgebenden ätherischen und astra­lischen Welt. Der Mensch, der das gewöhnliche, alltägliche Wahr­nehmen und Denken entwickelt, hat nur mit sich selbst etwas zu tun; es ist ein Prozeß, der sich in uns nur abspielt. Derjenige aber, der sich einläßt auf das wahre, echte Meditieren, lebt in einem Pro­zeß, der zugleich ein Weltenprozeß, ein kosmischer Prozeß ist. Da geschieht etwas, wenn es auch etwas außerordentlich Feines nur ist. Und was geschieht, ist das folgende: Beim Meditieren wird etwas Wärme verbraucht. Wenn sie verbraucht wird, entsteht Kälte; es wird der allgemeine Weltenäther, wenn wir meditieren, abgekühlt. Und da auch Licht verbraucht wird, wird er gedämpft; es entsteht Dunkelheit, abgedämpftes Licht. So daß, wenn ein Mensch an einer Stelle der Welt meditiert und dann weggeht, er an dieser Stelle zurückläßt eine schwache Abkühlung und zu gleicher Zeit eine Dämpfung des Lichtes. Der allgemeine Lichtzustand ist herab-gedämpft, ist dunkler geworden. Hellsichtig kann man immer verfolgen,

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wenn ein Mensch an einer Stelle meditiert hat, wo er wirklich den Meditationsprozeß ausgeführt hat. Wenn er wieder weggeht, ist ein Schattenbild von ihm da, das sogar kühler ist als die Umgebung. Es ist also ein kühles dunkles Gespenst an die Stelle hingebracht; das haben wir dort eingraviert. Und es ist im feinen, im ganz feinen wirklich etwas vollzogen an der Stelle, was Sie vergleichen können im groben mit dem, was auf der photographischen Platte entsteht. Es ist wirklich eine Art Gespenst da gebildet. Es ist das also ein Prozeß, der sich nicht bloß im Menschen, sondern kosmisch wirk­lich abspielt, wodurch der Mensch sich einfügt in den Kosmos.

Nun gibt es allerdings einen Gedanken, den der Mensch medi­tiert, auch wenn er gar nicht Meditant ist, wenn er gar nichts weiß von irgendwelcher Geisteswissenschaft. Einen Gedanken meditiert der Mensch schon. Und dieser eine Gedanke, es ist ja scheinbar ein recht kleiner, aber ein für das Leben unendlich wichtiger, das ist der Gedanke des Ich. Der Gedanke des Ich wird nämlich immer so gefaßt, daß er leibfrei gefaßt wird. Und insofern wir mit unserem Ich ein Verhältnis zur Welt haben, werden auch gewisse Dinge, die mit unserem Ich zusammenhängen, wenn es auch der Mensch nicht merkt im Leben, so gedacht, daß sie eben, ich möchte sagen, wie Zweige an einem Baume sind. So werden gewisse Gedanken, Emp­findungen, Willensimpulse wie Zweige oder auch wie Fühlhörner, bewegliche Fühlhörner; die werden um das Ich herumgruppiert sein. So daß in der Tat der Mensch immerfort, sein ganzes Leben hindurch, hinter sich hergehen läßt dasjenige, was er als Ich denkt und was solche bewegliche Fangarme nach allen Seiten ausstreckt. Eine gespensterartige Qualle läßt der Mensch immer hinter sich, sein ganzes Leben hindurch. Aber das ist eine sehr reale Sache, denn die enthält zu gleicher Zeit alles das, was der Mensch - insofern er es in seinem Ich erdenkt, erfühlt - durchlebt hat. Das bleibt bestehen. Und wenn der Mensch durch die Pforte des Todes gegan­gen ist, lernt er allmählich auf dieses Zurückgehaltene zurück­schauen, und das macht die Möglichkeit, daß ein Zusammenhang besteht zwischen dem, was er nach dem Tode erlebt und was er zurückgelassen hat.

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Im Meditieren müssen wir als Erdenmenschen zunächst erreichen das Festhalten unserer Organe durch den Willen; und es beruht ja die Möglichkeit, richtig zu meditieren, darauf, daß wir wirklich unser Denken, Fühlen und Empfinden in der Meditation freimachen, so daß der Leib nicht mittut und wir dadurch so stark uns innerlich konzentrieren können, daß bloß das, was wir wollen, nicht was wir nicht wollen, sich eingräbt, sich abphotographiert gleichsam in den Weltenäther. Das müssen wir immer betonen, daß wirkliches, rich­tiges Meditieren ein realer Prozeß ist, ein wirklich realer Prozeß ist. Wenn wir bedenken, daß der Mensch das zurückläßt und im Grunde die ganzen Erlebnisse in dem drinnen sind, was er zurück-läßt, und daß das bleibt, so werden wir auch einsehen, daß wenn der Mensch durch die Zeit hindurchgegangen ist, die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt liegt, und wieder herunterkommt auf die Erde - daß er dann noch im Weltenäther drinnen das vorfindet, was er da zurückgelassen hat. Da haben wir das real, wie sich Karma bewirkt. Es ist ja da dasjenige, was der Mensch erzeugt hat als sein Gespenst und was auf ihn nun wirkt und im Zusammen­hang mit dem späteren Leben eben das bildet, was im Karma sich abspielt.

Man kann erst langsam und allmählich zu der Erkenntnis dieser Dinge kommen. Weil das so ist, weil ein wirklicher Prozeß sich ab­spielt, der über uns hinausgeht, der in den Kosmos eingreift, daher bekommt der Meditant das Gefühl: es ist das Meditieren etwas anderes als das gewöhnliche Denken. Bei dem letzteren haben wir das Gefühl: wir sind es, die die Gedanken zusammenfügen, die den einen Gedanken zum anderen bringen; wir sind es, die da urteilen. Beim Meditieren bekommt man allmählich das Gefühl: das bist nicht bloß du, der da denkt, der meditiert, sondern da geschieht etwas, worin du zwar stehst, was aber auch sich außerhalb von dir als etwas Bleibendes geschehend abspielt. Und dieses Gefühl muß man bekommen. Gerade so, wie wenn man das Gefühl hat, daß, wenn man einen zerbrechlichen Gegenstand an die Wand wirft, nicht nur dasjenige geschieht, was vor dem Fliegen geschehen ist, sondern nachher etwas, was damit im Zusammenhange steht: er

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zerbricht, das geschieht, wenn er sich losgelöst hat von uns, so be­kommt man das Gefühl im Meditieren: das bist nicht du, der denkt, sondern du fachst zwar deine Gedanken an, aber dann wirbeln sie weiter, sie wirbeln und wesen. Du bist dann nicht mehr bloß der Herr von ihnen, sondern sie beginnen ein selbständiges Eigenleben und Eigenwesen. Und dieses sich wie in der Atmosphäre, wie in der Webe- und Wesens-Atmosphäre seiner Gedanken Darinnenfühlen, wie wenn die Gedanken sich sogar wie Wellen durch unser Gehirn hindurchbewegen würden, anfangen dieses zu fühlen, das ist das, was das feste, sichere Gefühl ergibt: du stehst in einer geistigen Welt darinnen; du bist selbst nur ein webendes Glied in dem allge­meinen Weben darinnen. Und das ist wichtig, daß wir wirklich zu solcher Stille, zu solcher Seelenruhe im Meditieren kommen, daß wir zu diesem bedeutsamen Gefühl kommen: du bist nicht allein, der das macht; es wird gemacht. Du hast angefangen, diese Wellen zu bewegen, aber sie breiten sich aus um dich herum. Sie haben ein Eigenleben, dessen Mittelpunkt du nur bist.

Sie sehen daran, meine lieben Freunde, daß es ein Erlebnis ist, das eigentlich die Erkenntnis der geistigen Welt gibt. Und dieses Erlebnis, das muß man in aller Ruhe abwarten. Es ist von außer-ordentlicher Bedeutung, aber es gehört Geduld, Ausdauer, Ent­sagung dazu, es in aller Ruhe abzuwarten. Denn es genügt dieses Erlebnis, um die volle Überzeugung zu bekommen von dem objekti­ven Vorhandensein der geistigen Welt.

Was Sie entnehmen können den Auseinandersetzungen, die wir eben gepflogen haben, das ist, daß diese Abwechslungszustände von Wachen und Schlafen im Grunde recht allgemein notwendige sind. Hier schlafen und wachen wir in der Weise, wie es uns eben be­kannt ist. Aus dem Grunde schlafen und wachen wir, damit unser während des ganzen Tages tätiges Gehirn auch untertauchen kann in den Teil, der bei Tage die Organe versorgt und bei Nacht heraus ist und unbewußt bleibt. Dieser Rhythmus von Schlafen und Wachen muß stattfinden; aber wir haben gesehen, daß er auch stattfindet im großen Entwickelungsgange des Weltenwesens Wenn wir jetzt unser Gehirn eigentlich schlafend haben, damit wir denken

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können, und die Hände wachend, das heißt unser ganzes Verhältnis mit den Händen frei, wachend haben, während wir sie im Schlafe nicht rühren, so waren wir auf dem Monde mit Bezug auf unser Gehirn recht wach, und wir haben das Schlafen gelernt; wir können gerade dadurch das Erdendenken entwickeln, daß wir das Schlafen des Gehirns gelernt haben. Während es auf dem Monde noch wach war, erreichte es hier die Möglichkeit zu schlafen; und dadurch kann der Mensch denken. Der Mittelleib wird lernen auf dem Jupiter zu schlafen, dadurch wird das Denken ein weiteres Erlebnis wer­den. So gehen die Zustände zwischen Schlafen und Wachen durch die Entwickelung hindurch. Aber diese Zustände sind ganz allgemeine, sie zeigen sich auf allen möglichen Gebieten. Man kann sagen: Wo man hinschaut, sieht man, daß schlafende und wachende, abwechselnde Zustände richtig notwendig sind. Ich werde ein absonderliches Beispiel einmal dafür anführen, ein ab­sonderliches Beispiel, das uns aber doch in unserer Zeit etwas nahe­liegen kann.

Nicht wahr, Sie können, wenn Sie sich unterrichten wollen, was sich im literarischen Geistesleben im Anfang des neunzehnten Jahr­hunderts in der Kultur abspielte, in einem literaturhistorischen Werk nachsehen, welcher Dichter bedeutend, welcher unbedeutend war; und das Bild hört auch auf an einer Stelle, nämlich die Dichter, die dann ganz unbedeutend waren, werden gar nicht erwähnt. Und der Mensch, wenn er überhaupt etwas gegenwärtig weiß, weiß nun, welche Dichter in der ersten Hälfte oder in der Mitte des neunzehn­ten Jahrhunderts bedeutend oder unbedeutend waren. Das weiß man; und von manchen, die - das ist ja nicht zu leugnen - auch geschrieben haben im neunzehnten Jahrhundert, wissen viele Men­schen - ich will nicht sagen alle - jetzt gar nichts mehr. Nicht wahr, es gibt schon Menschen, von denen man gar nichts mehr weiß. Nun, es wird aber gewiß eine Zeit kommen, wo man ein anderes Bild haben wird, ein völlig anderes Bild, von dem, was man zum Beispiel das literarische Geistesleben des neunzehnten Jahrhunderts nennt; wo man gewiß Dichtern, denen man heute viele Seiten widmet, nur eine halbe Seite widmen wird, und einem,

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den man heute gar nicht erwähnt, zehn bis zwanzig Seiten. Diese Dinge werden sich ändern. Und es besteht sogar die Notwendigkeit, daß diese Dinge sich gründlich ändern. Insbesondere, wenn man mit Rücksicht darauf, daß Geisteswissenschaft etwas sein muß, was jetzt in den Kulturprozeß der Menschheit einzieht und das mensch­liche Wissen ergreift und durchsetzt, wenn man dies in Betracht zieht, dann wird man wissen, wie die Menschen werden umlernen, werden denken lernen müssen. Eines will ich anführen.

Nicht wahr, an die Stelle der heutigen Erkenntnis, welche eigent­lich nur gewonnen wird dadurch, daß man gelten läßt als einzige wirkliche Erkenntnis dasjenige, was der Mensch mit Hilfe der Leibesorganisation gewinnt, muß sich ein anderes entwickeln, ein anderes, das auch gelten läßt dasjenige, was man auf dem geistigen Initiationswege sich erringen kann. Heute steht die Sache so, daß der wahre Wissenschafter dasjenige allein gelten läßt, dasjenige allein als gesichert hält, was durch das Erkennen gewonnen wird, welches durch die Werkzeuge des Leibes gewonnen wird. Alles andere ist Phantasiegebilde. Eventuell läßt er es noch als Hypothese gelten. Aber das darf nicht sehr weit gehen, sonst nennt er auch die Hypothese schon etwas höchst Phantastisches. Also das gilt heute. Eine Zeit muß kommen, in welcher nicht nur gelten gelassen wird dasjenige, was auf dem Wege geistiger Erkenntnis errungen wird, sondern wo auch dasjenige, was in der physischen Welt er­kannt wird, durchleuchtet wird und im rechten Sinne erst ergründet wird durch die geistige Erkenntnis. Das muß so kommen.

Nun, man kann nicht nur vergleichsweise, sondern aller Wirk­lichkeit nach sagen: Wir leben jetzt in einer Zeit, in der der Mensch mit Bezug auf die Erkenntnis schläft, wenigstens die Menschen im allgemeinen; höflich zu sein ist ja sehr leicht, da ja der für Geistes­wissenschaft sich Interessierende ausgeschlossen ist, der wacht also mit Bezug auf die geistige Erkenntnis. Aber die übrige Menschheit schläft mit Bezug auf die geistige Erkenntnis: sie ist schlafmützig. Und gerade das, was die allerverehrteste Wissenschaft ist, entsteht dadurch, daß sie in Wirklichkeit schlafend ist. Wir stehen in einer Zeit, wo diese wahre Wirklichkeit im allerintensivsten Sinne von

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der Menschheit verschlafen wird. Das hat sich vorbereitet seit langer Zeit, und - man möchte sagen - wie immer sich ein Einschlafen vollzieht vor dem Schlafe, so können wir auch beobachten, wie eine Art Traumzustand und ein Ringen mit dem Schlafe gerade im neun­zehnten Jahrhundert da war. Jetzt leben wir ja in dem Zeitalter, wo mit Bezug auf das geistige Erkennen die Menschheit am meisten schläft. Jetzt schlummert sie süß. Aber es ist nicht leicht geworden, diesen Schlaf ganz völlig zu erringen, und wir sehen zum Beispiel, wie in einzelnen großen Erscheinungen in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts ein Ringen mit dem Schlafe stattfindet, indem in gewissen Menschen noch ein gewisses Ahnen, ein inneres Erleben aufgeht von geistigen Wahrheiten, von geistigen Verhält­nissen. Das neunzehnte Jahrhundert konnte dann in seinem weiteren Verlaufe ja nichts anderes tun, um in diesen süßen Schlummer-zustand zu kommen, als Dichter, welche von der geistigen Welt noch etwas Besonderes gewußt haben, zu vergessen. Da passen sie nicht herein, in diesen geistigen Schlummerzustand.

Aber ich habe schon einmal aufmerksam gemacht auf einen Dichter, Julius Mosen, der in seinem «Ritter Wahn», sogar auch in seinem wirklich Dichtungen geliefert hat, aus denen wir sehen, daß in Julius Mosen ein lebendiger Zusammenhang mit der geistigen Welt lebte. Ritter Wahn, den Julius Mosen darstellt, den er einer älteren Sage nachbildete, aber den er durchdrungen hat mit gewissen Ideen, aus denen man sieht, er hatte noch einen Zusam­menhang mit der geistigen Welt - Ritter Wahn sucht auf der Erde denjenigen, der ihn aufklären kann über die Besiegung des Todes. Das ist im wesentlichen das Thema des Gedichtes von Julius Mosen «Ritter Wahn», daß der Ritter Wahn, also der, der in der gewöhn­lichen Erkenntnis ist, die eine Wahnerkenntnis ist, daß dieser Ritter Wahn aufsucht jemand, der ihn aufklären kann: Wie kommt man über die Wahnerkenntnis des physischen Lebens hinaus? Und er hat eine hohe Meinung von demjenigen, der ihn darüber aufklärt. Julius Mosen gibt dann Schilderungen, die sich beziehen darauf, wie der Ritter Wahn den finden will, der ihn aufklären will über die leibfreien Erkenntnisse:

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Ich will von nun durch alle Länder streilen,

Ostwärts, so weit das tapf're Roß mich trägt,

Von Schloß zu Schloß, von Land zu Ländern schweifen

Bis unverbrüchlich einer mir kann sagen:

Ich kann den Leib dir retten vor dem Tod,

Ich kann die Macht ihm brechen und ihn schlagen.

Dem will von Ewigkeit zu Ewigkeiten

Ich dienen mit der kampferstarkten Hand,

Arbeiten ihm, gewaltig für ihn streiten.

Dieser Ritter Wahn sucht also Aufklärung darüber, wie man eine Erkenntnis erlangt, die nicht vom Leibe bezwungen ist, sondern die selbst den Leib bezwingt, die Ewigkeiten währt. Also diese Sehn­sucht ist schon vorhanden. Und nun kämpft der Ritter Wahn - wie Julius Mosen sagt - erstens mit einem Greise «Ird». Nun, das haben die Leute nicht verstanden: Ird. Aber man hätte können im Original nachlesen den Namen, so würde man Ird nicht mit «Tod» übersetzt haben, wie der Leipziger Literaturprofessor Rudolf von Gottschall es gemacht hat. Man hätte es übersetzen müssen mit «Erde» oder mit «Welt». Nun, mit diesem Greise Ird kämpft der Ritter Wahn zuerst. Er überwindet ihn. Wir haben gesprochen das letzte Mal über die Überwindung des Irdischen durch das Geistige, den Sieg des Geistigen über Erde, Zeit und Raum. Er überwindet dann den Greis «Raum» und gelangt an die Pforte des Himmels, das heißt der geistigen Welt. Dann bekommt er die Sehnsucht, auf die Erde zu­rückzukommen, weil er das Leben nicht voll ausgelebt hat. Diese ganze schöne Dichtung « Ritter Wahn», die stellt uns dar, daß schon einer dagewesen ist, der gerungen hat mit dem Initiationsproblem, der etwas wußte davon, daß es ein solches Initiationsproblem gibt. Und in seinem «Ahasver» stellt Julius Mosen wiederum so etwas dar.

Nun gibt es einen anderen deutschen Dichter, Wilhelm Jordan, der öfter genannt wird, das Werk aber am wenigsten, durch das er sein Geistigstes gegeben hat: «Demiurgos». Dieser «Demiurgos» -

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in den fünfziger Jahren ist das Werk erschienen - ist ein recht be­deutendes Werk, denn in diesem «Demiurgos» kommt wirklich zum Ausdruck, wie geistige Wesenheiten, geistige Mächte, gute und böse, herankommen an den Menschen, die die Menschenseele durch­dringen, und mit Hilfe der Menschen sich auf der Erde hier mani­festieren. So daß, wenn wir einen Menschen vor uns haben, wir daran zu denken haben: dieser Mensch ist ja gewiß aus alledem bestehend, was wir kennen, aber herein in ihn wirkt das, was von höheren geistigen Wesen kommt. Und «Demiurgos» beruht zum großen Teil darauf, daß dieser Zusammenhang des Menschen mit der geistigen Welt dargestellt wird. In drei schönen Bänden stellt Jordan in seinem «Demiurgos» dies dar, wie geistige Wesenheiten hereinspielen in die Menschenseele. Das ist das Ringen mit dem Schlafe, der dann vollständig eintritt. Das sind Menschen, in deren Träume noch hereinkommt dasjenige, was sich die Menschheit durch Geisteswissenschaft erringen muß, aus dem süßen Schlummer der rein äußerlichen, positivistischen Erkenntnis heraus. Das müssen wir wirklich als einen solchen Prozeß ansehen, daß sich da die Men­schen durch spirituelle Träume in die Faulheit, in den Faulschlaf hineinbringen.

Wenn wir uns nun fragen: Worauf beruht es denn nun eigent­lich, daß es doch noch einen Menschen gibt wie Julius Mosen, der imstande ist, spirituelle Prozesse darzustellen, der so etwas wie den Initiationsprozeß in der Reise seines «Ritter Wahn> darstellt, woher kommt denn das? Es ist sehr merkwürdig: Julius Mosen wurde krank und verbrachte einen großen Teil seines Lebens fast ganz gelähmt. Was bedeutete aber diese Lähmung? Daß der physi­sche Leib gleichsam vertrocknend sich loslöste vom Ätherleib und Astralleib. Durch diese Lähmung war der astralische und der Äther-leib freier. Dasjenige, was wir mühevoll uns erringen müssen durch den Initiationsprozeß, das wurde bei ihm durch einen Krankheits­prozeß bewirkt. Natürlich darf dieser Krankheitsprozeß nicht als ein echter Erkenntnisprozeß aufgefaßt werden oder als wünschenswert gar herbeigeführt werden; aber gleichsam in einer Zeit, die in die Faulheit hineinging, setzte die Weltordnung einen Menschen hinein

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in die Welt, dem sie ein solches Verhältnis gab zwischen den physischen und den geistig-seelischen Gliedern. So lag er da, ge­lähmt, er konnte kein Glied rühren, aber mit reger Seele, mit regem Geiste, die dadurch gerade frei wurden und hineindrangen in die geistige Welt. Dasjenige, was die Initiation sucht auf gesunde Weise, das wurde hier durch eine Krankheit heraufgerufen. Da lag ein Mensch einen großen Teil seines Lebens gelähmt im Bert, aber triumphierend über die Lähmung des Leibes löste sich los das Geistig-Seelische. Daher konnte dieser Mensch so etwas, was uns so spirituell anmutet, wirklich hervorbringen. Es wäre ja auch noch auf gesündere Weise zu erreichen als bei Julius Mosen, aber viel­leicht gerade dadurch weniger tief.

Es war auch noch auf gesündere Weise zu erreichen. Es war einem Dichter möglich noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, den kulturhistorischen Prozeß der Menschheit wirk­lich so darzustellen, daß er überall in seine Gestalten hereinleuchten läßt den Zusammenhang zwischen den geistigen Welten und dem, was auf der Erde als Mensch herumgeht. Da ist eine schöne Dich­tung in den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts, «Al­hambra» von Auffenberg. Dieser Auffenberg ist ein spiritueller Dichter, und «Alhambra» ist ein bedeutendes Werk, so daß wir drei Werke, mit «Ahasver» vier Werke: «Ritter Wahn», «Ahasver», «Demiurgos» und «Alhambra» - es müßte aber noch vieles gesagt werden von solchen, die gar nicht leicht heute zu haben sind -, so daß wir vier solche Werke haben, welche uns zeigen, wie in dieser Zeit gleichsam traumhaft schwindet gegenüber dem allgemeinen materialistischen Schlummerdasein dasjenige, was des Menschen Zusammenhang mit der geistigen Welt ist. Vorher war die Mensch­heit schon offen der geistigen Welt; nur natürlich diejenigen, die sie jetzt hinterher beschreiben, die geistige Welt, die lassen die Men­schen aus, diejenigen, welche ein völliges Bewußtsein von der geisti­gen Welt hatten. Wenn man heute eine Philosophiegeschichte schreibt, läßt man es auch aus, wenn jemand ein Bewußtsein der geistigen Welt hat, oder man erwähnt nicht dieses Zusammen­wirken mit der geistigen Welt bei den hervorragendsten Gestalten.

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Nun ist ganz interessant ein Vergleich zwischen dem «Ritter Wahn», in dem wirklich spirituelles Leben pulst, und Jordans «De­miurgos», bei dem auch spirituelles Leben anklingt. Jordan war wohl gesund; da konnte sich nicht trennen wie bei Mosen, der den gelähmten Leib hatte, das Geistig-Seelische von dem Leibe. Die Folge davon war, daß Jordan nur während seiner beweglicheren Jugendzeit, wo er noch durch innere Energie und Elastizität und Logik das Geistig-Seelische erfaßte, zu dem Gedanken des «De­miurgos» kam; später kam er in einen grob-materialistischen Dar­winismus der Kulturgeschichte hinein, der dann als ein Zug geht durch seine «Nibelungen» und so weiter. Der muß also mitmachen den Gang in das Schlummerlied des Materialismus hinein. Das ist aber das Bedeutsame, daß wir einsehen, daß unsere Zeit die Aufgabe hat, die Erkenntnis in den geistigen Prozeß, den Entwickelungs-prozeß der Menschheit hineinzuschaffen, welche einem wirklich geistigen Erkennen entspringt, die Erkenntnis, daß der Weltengeist gewissermaßen durch das tragische Geschick eines Julius Mosen angedeutet hat: Unwillkürlich kann der Mensch nicht mehr ohne weiteres in die geistige Welt hineinkommen; früher waren die Zeiten, wo er das konnte, wo durch die rein natürliche Beschaffen­heit des Menschen Geistig-Seelisches, Astralleib und Ä therleib auch freier und unabhängiger waren von dem physischen Leibe; aber diese Zeit ist vorüber. Im natürlichen Zustand muß der Mensch in unserem heutigen materialistischen Zeitalter - und das muß für den Rest des Erdendaseins so bleiben und noch immer intensiver werden - einen kompakten Zusammenhang haben zwischen Geistig-Seelischem und Physisch-Leiblichem. Der läßt aber nicht zu, daß durch natürliche Verhältnisse selber der Mensch zu irgendeinem Bewußtsein der spirituellen Welt kommt. Das muß aber gerade aus dem Grunde eintreten, damit das der Wille tun kann; damit durch die Durchdringung mit dem Moment der Geisteswissenschaft der Mensch aus inneren Willensimpulsen, aus der Freiheit heraus, in der Meditation, in der Konzentration loslöst das Geistig-Seelische von dem Physisch-Leiblichen. Denn würde man auf dieselbe Weise, wie früher der Mensch, zu spirituellen Erkenntnissen kommen, so

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mußte man krank sein, gelähmt sein, die zweite Häffte des Lebens mit gelähmten Gliedern zubringen. Bei der jetzigen Organisation war das notwendig. Das war früher nicht notwendig. Der Mensch brauchte da nicht gelähmt zu werden, sondern der Verband zwi­schen dem astralischen Leibe, dem Ätherleibe, dem physischen Leibe war so, daß hellsichtige Erkenntnis da war. Heute war sie nur mög­lich durch Erkrankung. Das wurde gewissermaßen als ein Wahr­zeichen hingesetzt, was bei Julius Mosen zutage trat.

So muß man den tiefen geistigen Zusammenhang der Welten-erscheinungen gerade durch die Geisteswissenschaft sich vor die Seele rufen, muß aber auch sich klarmachen, mit welchen tiefen geisthistorischen Impulsen innig zusammenhängt dasjenige, was notwendig macht, daß die Menschen allmählich zur Geisteswissen­schaft übergehen. Das wird nicht erfordert durch irgendeine Will­kür eines einzelnen, sondern durch den großen Gang, den eben die weltengeistige Entwickelung durch das ganze Erdenwerden nehmen muß. Des Menschen Mission und Aufgabe ist: gegen die Zukunft hin immer mehr und mehr wirklich in spirituelles Erleben über­zugehen, damit die Menschheit nicht mit der ganzen Erdenkultur vertrocknet, damit der Geist wirklich weiterleben kann auf der Erde.

Unter den vielen Dingen, welche solch eine Erkenntnis dem Menschen nahelegen können, ist auch das, was ich schon wieder­holt ausgesprochen habe: daß zahlreiche Menschen jetzt in verhält­nismäßig kurzem Zeitraum hinauftragen ihr seelisches Wesen, hinauftragen so, daß sie unverbrauchte Ätherleiber haben, die noch Kräfte enthalten, die noch durch Jahrzehnte hindurch hätten die physischen Leben versorgen können und die dadurch, daß sie jetzt durch das furchtbare historische Ereignis durch die Pforte des Todes gehen, ihre Ätherleiber unverbraucht hinaufbringen in die geistige Welt. Das werden aber die großen Mitarbeiter werden in der Spiri­tualisierung der menschlichen Kultur. Und neben allem übrigen hat dieses große Zeitereignis eben diese ungeheuer tiefe Bedeutung in der Menschheitsentwickelung, daß durch das Schaffen unver­brauchter Ätherleiber Kräfte hinausströmen können in unsere

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Erdenentwickelung, die das Geistige zu bewahrheiten in der Lage sein werden. Aber so wie es nichts helfen würde, meine lieben Freunde, wenn noch so viele Sonnen in der Welt wären, wenn die Menschen nicht aufnehmen würden durch Augen das Sonnenlicht, so wie das Wort wahr ist, das Goethe ausgesprochen hat: «Wär' nicht das Auge sonnenhaft, nie könnt' die Sonne es erblicken», wie eben die Sonne vergeblich scheinen würde, wenn nicht Augen da wären, ihr Licht aufzunehmen - so müssen eben aus Erden-menschenseelen heraus die Organe erwachen, um dasjenige wirk­lich aufzunehmen, was als geistiges Leben herunterströmt aus dem Kosmos und auch aus der Welt, in der die Menschen das Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt zubringen und in der auch die unverbrauchten Ätherleiber sind. Verbinden muß sich so dasjenige, was geopfert wird durch die großen Kriegsopfer dem gei­stigen kosmischen Dasein, aufgenommen muß es werden durch Menschenseelen, welche für das Geistige empfänglich sind. Und ein Furchtbares wäre es, wenn nur fortleben würde diejenige Wissen­schaft, die heute sich als die einzige dünkt, die nichts anderes tut, als die äußerlich wahrnehmbaren Tatsachen registrieren, und sie verwendet, um Verstandesurteile darüber zu fällen. Wenn die Wis­senschaft nur Wiederholung ist desjenigen, was ohne die Wissen-schaft da ist, so kann sie sich nicht mit Göttlich-Geistigem verbin­den. Nur dasjenige, was in der Menschenseele wirklich über das Sinnlich-Wahrnehmbare hinaus erwachen kann, nur das kann sich mit dem realen Göttlich-Geistigen verbinden, so daß der Entwicke­lungsprozeß der Erde selber geistig, spirituell-lebendig bleibt. Aller Fortschritt der Menschheit beruht auf dem Eindringen des Spirituel­len in den menschlichen Seelenentwickelungsprozeß, und allein vom Geiste aus ist es zu entscheiden, ob irgend etwas wahr oder falsch ist. Man glaubt heute, man könne ohne den Geist dieses oder jenes entscheiden, dieses oder jenes beweisen; die letzte Instanz, auch über sinnliche Wahrheiten zu entscheiden, ist aber das geistige Erleben.

Als das alte geistige Erleben in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts untergegangen ist, da wurde wiederum als ein Wahrzeichen,

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so möchte man sagen, hingestellt dasjenige, was der Geist wirken konnte in gewissen Menschen, um das Wesenlose einer bloß auf das Äußerlich-Sinnliche gerichteten Beweisführung zu zeigen. Ein Mann, der unter dem Namen Dr. Mises schreibt, er hat gerade in dieser Zeit manches geleistet, um zu zeigen, wie man alles, alles beweisen kann, und auch das Gegenteil davon beweisen kann, und wie die letzte Instanz doch nur der Zusammenhang mit dem gei­stigen Leben ist. Zum Beispiel hat dieser Mann mancherlei erlebt von seiten der Naturwissenschaft, der medizinischen Wissenschaft her - er war selbst Mediziner -, er hat erlebt, daß alle Augenblicke ein neues Heilmittel auftaucht für diese oder jene Krankheit. Und so hat er gerade die Zeit erlebt, als man anfing, gegen den Kropf Jodin zu verschreiben. Es war nun die Zeit, in der dieses Heilmittel ganz besondere Triumphe feierte, in der man beweisen wollte - es war in den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts - wel­ches kostbare Mittel eigentlich Jodin ist. Da hat sich denn einmal der Dr. Mises dahintergesetzt und hat gezeigt, daß man gut bewei­sen kann, nach all den naturwissenschaftlichen Grundsätzen, daß das Jodin etwas Ausgezeichnetes aus dem Grunde sei, weil man eben wirklich belegen könne, daß der Mond aus Jodin besteht. Und er hat den unwiderleglichen Beweis geliefert, daß das so sei. Er wollte damit zeigen, daß man alles, was man will, beweisen kann. Und das kann man auch. Der Verstand, der an das Gehirn gebun­den ist, kann wirklich Ja und Nein mit Bezug auf jede Sache bewei­sen. Und es ist fast immer so, daß irgendeine wissenschaftliche An­sicht auftaucht und das Gegenteil zu einer anderen Zeit da ist; daß die Menschen das Ja ebensogut beweisen können auf der einen Seite wie das Nein auf der anderen. Dasjenige aber, was nicht ein solches ahrimanisches Auf- und Absteigen der Ja Nein Woge, son­dern der wirkliche Fortschritt der guten Göttlichkeit der Mensch­heitsevolution ist, das beruht auf dem Spirituellen. Und klar müssen wir uns darüber sein, daß die Gegenwart ihre besonders charakteri­stischen Kulturtatsachen dadurch hervorgebracht hat, daß sie die Schlafenszeit der geistigen Wissenschaft ist und daß über alledem, was sich vielfach als Wissenschaft dünkt, eben gerade der geistige

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Schlummer in besonderem Maße sich ausbreitet. Er ist notwendig, dieser geistige Schlummer. Das ist keine Kritik, die ich liefere, son­dern nur die Konstatierung einer Tatsache. In aller Liebe muß eben erzählt werden, muß betont werden, daß es schon notwendig war, daß eine Zeit hindurch die ganze Wissenschaft sich schlafen legte mit Bezug auf die geistige Welt. Aber jetzt ist auch wiederum die Zeit, wo heraufkommen muß das lebendige Erwachen des geistigen Lebens, dieses geistigen Lebens, dessen Sehnsucht wir ja wirklich überall empfinden. Und das ist dasjenige, was die Empfindung begründen kann, meine lieben Freunde, die uns jetzt in dieser schmerzdurchwühlten Zeit beleben muß. Insofern wir nur eine Ahnung uns verschaffen können, daß der Mensch den Weg finden kann in die geistige Welt, müssen wir diesen Weg suchen; müssen wir suchen, daß sich begegnen unsere spirituellen Gedanken mit dem, was herunterströmt von den unverbrauchten Ätherleibern. Und das wird wirklich in der Zukunft geben können ein Zurück­schauen auf unsere schmerzbewegten und schicksaltragenden Tage von einer gewissen spirituellen Höhe aus. Diese spirituelle Höhe wird kommen, wenn immer mehr und mehr Menschen aus ihrem wahrhaftigen Lebensbewußtseinsinhalt die geisteswissenschaftlichen Impulse finden. Und dann wird sich eben das zutragen, was ich aus tiefster Seele immer als einen Schlußgedanken Ihnen anführte in diesen Beobachtungen hier an dieser Stelle in den letzten Zeiten, was wir als eine Hoffnung aufnehmen wollen, als eine Hoffnung, die derjenige haben kann, aber auch haben sollte, der mit Geistes-wissenschaft verbunden unsere schicksalschweren Tage durchlebt:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

ZEHNTER VORTRAG Berlin, 16. März 1915 Die Schwierigkeiten des Geistesweges Die Ausprägung des Nationalcharakters der verschiedenen europäischen Völker durch ihre Volks geister

#G157-1960-SE204 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

ZEHNTER VORTRAG

Berlin, 16. März 1915

Die Schwierigkeiten des Geistesweges

Die Ausprägung des Nationalcharakters der verschiedenen

europäischen Völker durch ihre Volks geister

#TX

Wir können heute wiederum einige aphoristische Betrachtungen anstellen, die nach der einen oder anderen Seite Ergänzungen sein können zu dem, was in den letzten Zeiten gesprochen worden ist. Das erste, worauf ich aufmerksam machen möchte, ist die Art, wie wir beim Aufstieg in die geistigen Welten, nachdem wir die ersten Schritte in die geistigen Welten hinein getan haben, die Tatsachen, das Wesenhafte dieser geistigen Welten finden. Ausgehen möchte ich davon, worin die Schwierigkeiten liegen, um in die geistigen Welten hinaufzukommen. Diese Schwierigkeiten sind in der Tat beträchtliche, und so sicher es auch ist, daß der Weg, den wir durch unsere Meditation, durch die ganze innere Arbeit unserer Seele ein­schlagen, in die geistige Welt führen muß, so sicher dies ist, so leicht ist es auch, gewissermaßen zu verkennen, worin die Eigentüm­lichkeit dieser Seelenerfahrungen liegt, welche die Seele in die gei­stigen Welten hinaufführt. Es liegt erstens die Schwierigkeit vor, daß wir gewohnt sind, alles, was wir mit der Seele erfahren, nach den Erlebnissen zu beurteilen, die wir uns aus der äußeren Sinneswelt angeeignet haben. Gewissermaßen kennen wir gar nichts anderes als das, was wir uns aus der äußeren Sinneswelt angeeignet haben. Nun kommen wir in die geistige Welt hinein, und da ist wirklich alles anders als in der sinnlichen Welt. Nun, da alles anders ist, so liegt vor allen Dingen die Schwierigkeit vor, das, was wir da sehen sol­len, überhaupt in den Bereich unserer Aufmerksamkeit hineinzu­ziehen. Es ist so, daß sozusagen die ganze geistige Welt vor uns ausgebreitet werden könnte, aber wir würden nichts sehen. Das ist aus dem Grunde der Fall, weil wir, solange wir wachend im Erden-leibe weilen, nicht in der Lage sind, unsere Geistorgane abzuziehen

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von diesem Erdenleibe, sie herauszuziehen aus ihrer Verbindung mit dem Erdenleibe.

Nehmen wir einen Vergleich, den ich schon öfter gewählt habe, um die Lostrennung des Seelischen vom Leiblichen ins Auge zu fassen. Ich sagte öfter: man kann aus dem, was der Mensch im gewöhnlichen Leben hier ist, sein Unsterbliches ebensowenig erkennen, wie man aus dem Wasser erkennen kann, welche Eigenschaften der Wasserstoff und der Sauerstoff haben. Der Wasserstoff, der im Wasser darinnen ist in Verbindung mit dem Sauerstoff, so wie wirklich unser Unsterbliches im Leiblichen darinnen ist, zeigt uns nichts von seinen Eigenschaften, wenn er nicht abgetrennt ist; er verbirgt alle diese Eigenschaften. So verbirgt die Seele ihre Eigenschaften, indem sie mit dem Leibe vereinigt ist.

Aber das gewöhnliche Leben zwischen Geburt und Tod, das erzieht uns so für unser Verhalten zur äußeren Sinneswelt, daß wir immer im wachenden Zustande unsere Geistorgane so gebunden haben an das Leibliche, wie der Wasserstoff an den Sauerstoff ge­bunden ist im Wasser. Es ist daher unserer Seele während unseres Lebens zwischen Geburt und Tod nicht anders möglich, vom Leibe wegzugehen, als dann, wenn sie herausgeht vom Einschlafen bis zum Aufwachen in die geistigen Welten. In dieser Zeit vom Ein­schlafen bis zum Aufwachen dringt die Seele wirklich in die gei­stigen Welten ein, ist darinnen. Da zieht sie sich neue Kräfte zum Tagesverlauf aus den geistigen Welten heraus, aber es bleibt in ihr die Gewohnheit, nur mit den leiblichen Organen wahrzunehmen, und in dem Augenblicke, wo die Seele ihre Kraft so erstarkt haben würde, daß sie im Geistigen darinnen nun wahrnehmen könnte, da wacht sie auf. Denn die Seele hängt durch ihre Kräfte mit dem Leibe zusammen, die Seele hängt durch ihr Begehrungsvermögen mit dem Leibe zusammen. In dem Augenblicke, wo ihr die Kräfte wiederum so erstarkt sind, daß sie nun sich regen kann, begehrt sie zum Leibe zurückzukommen, wenn der Leib noch lebensfähig ist. Daher müssen wir nach dem Tode uns erst nach und nach orien­tieren lernen.

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Vergleichen wir jetzt einmal dasjenige, was als die letzte Seelen­tätigkeit schon in einem öffentlichen Vortrage angedeutet worden ist, das Erinnerungsvermögen, mit dem, was eintritt, wenn der Mensch in die geistige Welt hineinschauen lernt Es ist etwas, was uns in einem gewissen Sinne frei macht von dem Leiblichen. Das wird gerade die Naturwissenschaft, wenn sie immer weiter ent­wickelt wird, zeigen, daß wir im Erinnerungsvorgang einen rein geistigen Vorgang haben, daß in der Tat das Zurückblicken auf ein früheres Erlebnis ein geistiger Vorgang ist. Aber dieser geistige Vor­gang hat eine mächtige Hilfe, nämlich die Hilfe unseres Leibes, die Hilfe, die der Leib bringt. Das geschieht so: Wenn wir im Leibe mit der Seele weilen, so ist in der Tat dasjenige, was wir unserem Erinnerungsvermögen anvertrauen, zunächst wirklich bildhaft, es ist etwas, was dem ganz ähnlich ist, was wir eine imaginative Er­kenntnis nennen. Aber so, wie wir im gewöhnlichen Leben eben verfahren, so prägen wir das, was wir als Erinnerung behalten sol­len, in das Leibliche hinein. Wenn wir irgendein Erlebnis haben, so stehen wir zunächst diesem Erlebnis mit den Sinnen gegenüber, wir haben das Bild, das wir uns gemacht haben. Dieses Bild prägt sich zunächst in unser Leibliches ein; in unserem Leibe entsteht ein Ab­druck, und zwar ein Abdruck, den wir vergleichen können mit einem Siegelabdruck. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß ein solcher Abdruck zurückbleibt. Aber kindlich ist die Vorstellung, die sich oft die äußere Naturwissenschaft hiervon macht Man hat bei manchen lesen können, daß die eine Vorstellung in irgendeiner Partie des Gehirns aufgezeichnet wird, die andere Vorstellung in einer anderen Partie und dergleichen. So geschieht es nicht, sondern so, daß der Abdruck, der in unserem Leiblichen von einer Erinne­rung gemacht wird, wirklich recht unähnlich ist dem, was wir etwa später erinnern. Denn hellsichtig angeschaut ist das im Grunde genommen eine Art Abdruck in der Form vom menschlichen Kopf und noch etwas fortgesetzt in den übrigen Menschen hinein. Ganz gleichgültig, was wir erleben, wir machen einen Abdruck in uns; namentlich in den Ätherleib hinein wird der Abdruck gemacht. Wenn wir diesen Abdruck herausnehmen könnten, so würden wir

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in der Tat ein dünnes, schattenhaftes Gespenst unseres Kopfes und seiner Fortsetzung haben. Und wenn wir eine andere Erinnerung haben, so würden wir wieder ein Schattenbild eines Kopfes mit Fortsetzung sehen. Sie sind aber jedenfalls ganz unähnlich dem, was wir erleben, wenn wir eine Erinnerung erleben. So viel wir Er­innerungen haben, so viel schattenhafte Gespenster stecken in uns darinnen. Die gehen alle ineinander und durchdringen sich. Und das, was bleibt, würde etwa, von außen angesehen, ein solches Schattenbild sein, und man würde nur beschreiben können, das eine sieht so aus, das andere so.

Damit die Erinnerung wirklich zustande kommt, muß des Men­schen Seele diesem im Leibe gebliebenen Abdrucke erst entgegen­treten und muß ihn so entziffern, wie wir diese eigentümlichen Zeichen entziffern, die auf dem Papiere sind, die ganz unähnlich sind dem, was wir in der Seele nachher erleben, wenn wir etwas lesen. Einen solchen Lese-Prozeß, einen unterbewußten, muß die Seele ausführen, um diese Siegelabdrücke umzusetzen in das, was wir dann in der wirklichen Erinnerung erleben. Nehmen Sie an, Sie haben im achten Lebensjahre etwas erlebt und erinnern sich heute daran. Der reale Vorgang ist der, daß Sie, durch etwas ver­anlaßt, hingewiesen werden mit ihrer Seele auf dieses Köpfchen mit seinen Fortsetzungen, das sich damals abgedruckt hat; das entziffert Ihre Seele heute. Und von dem, was das Erlebnis ist, bleibt so wenig im Leibe als von dem, was Sie erleben, wenn Sie ein Buch gelesen haben, in dem Buche bleibt. Wenn Sie das Buch wieder lesen, dann müssen Sie wiederum seelisch die ganze Sache neu konstruieren. Das geschieht alles, ohne daß man es merkt. Aber derjenige, der nicht lesen gelernt hat, kann das, was diese Schriftzeichen aus-drücken sollen, nicht aus den Zeichen herausfinden. Und so ist es wirklich mit unserem Erinnerungsprozeß; er ist ein innerliches Lesen. Es geschieht vieles in der Menschenseele, was sich unter der Schwelle des Bewußtseins abspielt und was gar nicht von den Menschen beachtet wird. Indem wir uns unserer Erinnerung hin­geben, geht ein unendlich komplizierter Prozeß im Menschen vor sich. Da steigen fortwährend aus dem Dämmerdunkel des sonstigen

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finsteren Lebens die ätherischen Siegelabdrücke auf, und in diesem Aufsteigen und in dem Entziffern liegt das, was der Mensch als seinen inneren Erinnerungsprozeß erlebt.

Was ich Ihnen sage, ist nichts Ausgedachtes, sondern etwas, was die okkulte Beobachtung wirklich ergibt. Wenn wir nun beginnen, unsere Seele durch das, was wir genannt haben Meditations- und Konzentrationsprozesse, in ihren inneren Kräften zu verstärken, dann tritt das ein, was ich angedeutet habe, dann bildet sich nicht das, was wir Erinnerung nennen müssen, sondern wir entwickeln innere Kräfte, aber das, was jetzt als Abdruck gebildet wird, wird draußen in dem die Welt durchwebenden Äther abgedrückt, wird objektiv hinein abgedrückt in die Welt. Während wir meditieren, konzentrieren, drücken wir in den objektiven Weltenprozeß hinein ab. Ebenso ist es im Grunde genommen, wenn wir nur uns studien-gemäß hingeben dem, was die Geisteswissenschaft geben kann denn sie handelt von übersinnlichen Dingen. Wenn wir nun die Gedanken, die die Geisteswissenschaft gibt, wirklich erfassen, so lösen wir uns schon so weit von uns los, daß unsere gedankliche Arbeit ein Mitarbeiten mit dem Weltenäther ist, während, wenn wir die gewöhnlichen Gedanken denken, wir sie nur in uns selber hinein abdrücken.

Nun werden Sie einsehen, wie es darauf ankommt, daß derjenige, der wirklich in seiner Seele vorwärtskommen will, unendlich viel gibt auf das, was man nennen muß die Wiederholung desselben Gedankenprozesses. Wenn wir einmal auf irgendeinen Gedanken uns konzentrieren, so macht das einen flüchtigen Eindruck in den Welten­äther. Wenn wir aber Tag für Tag denselben Gedanken immer wie­der und wieder in unserer Seele hegen, dann wird der Eindruck immer und immer wieder gemacht. Und jetzt werden wir uns die Frage vor­legen müssen: wenn wir immer wieder einen Eindruck machen in den Weltenäther, die Meditation immer wiederholen, was geschieht dann eigentlich, wohin machen wir den Eindruck? Zur Beantwor­tung dieser Frage muß ich auf etwas anderes eingehen.

Wenn jemand wirklich den Weg sucht in die geistige Welt hin­ein, dann ist das so, daß dann, wenn er einmal beginnt, wirklich

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hellsichtig zu werden, diese hellsichtigen Erlebnisse ganz merk­würdig auftreten, so nämlich, daß man deutlich dabei merkt, ja, das, was da ist, ist erlebt, aber im Grunde genommen fehlt diesen Erlebnissen etwas. Ich setze voraus, daß man wirklich hellsichtige Erlebnisse schon hat. Hinterher, wenn man wiederum aus den hell­sichtigen Erlebnissen heraus ist und sich an diese hellsichtigen Er­lebnisse erinnett, dann sagt man sich: es könnte sein, daß ich mit alledem gar nichts zu tun habe. Es macht den Eindruck, als wenn das, was man da hellsichtig erlebt hat, von uns losgelöste Dinge wären. Und vor allen Dingen, man kann gar nicht herausbekom­men, inwiefern man selber etwas mit diesen Erlebnissen zu tun hat. Das ist das Bedeutsame. Daher ist es so leicht, diese Erlebnisse als bloße Träumereien anzusehen. Man merkt erst, daß man etwas damit zu tun hat, wenn man sieht, daß gewissermaßen einem da entgegengetreten ist eine andere Gestalt des eigenen Selbstes, wenn man merkt: ja, was du da erlebt hast, das ist eigentlich ähnlich deinen eigenen Erlebnissen, und was da erlebt worden ist, könnte nicht erlebt werden, wenn du nicht da wärst. Um es noch deutlicher zu machen, will ich mich in der folgenden Weise aussprechen. Neh­men Sie an, Sie haben einen Traum, der ein Erlebnis aus frühester Jugend wiedergibt. Wenn Sie von ihm erwachen, so werden Sie nur daran erkennen, daß das Ihre Traumerlehnisse sind, weil da in der Masse der Bilder das auftritt, was Sie früher erlebt haben; und Sie wissen dann, es muß der Traum mit Ihnen etwas zu tun haben. So ist es mit den ersten hellseherischen Erlebnissen. Wir kommen nach und nach darauf: eigentlich ist das zugleich ein ganz anderer, der da träumt, und dennoch bist du es selber. Wir lernen uns er­kennen in der Masse der hellsichtigen Erlebnisse.

Das ist auch ein gewisses bedeutsames Ereignis, wenn wir die Erfahrung machen: wir waren in einer Summe von Erlebnissen darin, aber wir waren es selber, die darin waren. Man muß sich in den hellsichtigen Erlebnissen erst entdecken. Und dann kommt man darauf: du bist nicht bloß in deinem Leibe, sondern du bist auch draußen in der Welt. Und es ist ein unendlich bedeutsames Erlebnis, das Erlebnis, das uns zeigt: du hast etwas, was die Geister

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der höheren Hierarchien halten und tragen, was sie hegen und pfle­gen. Hier bin ich, sagt man sich, in meinem Leibe, ich wohne in meiner Leibeshülle, und ich bin gleichzeitig in der geistigen Welt, gehalten und getragen von den Geistern der höheren Hierarchien. Da darf einen dann das Gesetz, daß ein Wesen nicht an zwei Orten zugleich sein kann, nicht stören, denn diese Gesetze gelten in der geistigen Welt nicht mehr. Ich bin in mir darinnen und bin zugleich derselbe, der in der geistigen Welt die Erlebnisse in sich abspielen läßt. Man entdeckt sich geborgen innerhalb der höheren Hierar­chien. Man weiß, man ist ein solches Doppelwesen, und man kommt allmählich darauf, daß dasjenige, was man geistig wesenhaft ist, im Grunde genommen doch gar nicht in der Sinnenwelt ist, sondern in der geistigen Welt, und daß das, was in der Sinnenwelt ist, ein Schatten ist, der hereingeworfen wird aus der geistigen Welt. Man schlüpft in eine geistige Leiblichkeit hinein, dadurch ist man außer sich und schaut sich von außen an. Wer sich nicht vertraut machen will mit solchen scheinbaren Widersprüchen, der kann nicht zu Begriffen kommen, die ihm die geistige Welt erklärlich machen können. Das ist das Wichtige, daß man sich entdeckt außerhalb seiner selbst, insofern man ein sinnliches Wesen ist.

Und nun sind wir soweit, daß wir sagen können, wohin werden unsere Meditationen geschrieben? Unsere gewöhnlichen Erinnerun­gen werden abgedruckt in uns selber, da entsteht immer ein Siegel-abdruck, der mit dem Oberen des Menschen, mit dem Kopf und einigen Anhängseln, gleich ist. Wenn wir meditieren oder uns Vor­stellungen der Geisteswissenschaft vor die Seele rufen, dann machen wir auch Abdrücke, aber diese gehen nach dem andern hin, den ich eben beschrieben habe, der wir selber sind. Nach dem andern gehen diese Vorstellungen hin. Ob wir irgend etwas in Berlin oder in Nürn­berg erfahren, wie das alles den Abdruck in demselben Leibe ver­ursacht, so geht beim geistig innerlichen Erleben alles hin nach die­sem Einen, der wir selber sind. Da wird alles hineingeprägt. So daß wir, insofern wir wirklich im Sinne des geisteswissenschaftlich Ge­dachten oder Gefühlten oder Erlebten uns verhalten, wir geradeso an unserem übersinnlichen Menschen arbeiten, wie wir arbeiten an

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unserem physischen Menschen, wenn wir dem gewöhnlichen Er­leben gegenüberstehen. Nun werden Sie begreifen, daß starke, innere Kräfte notwendig sind zum Arbeiten am übersinnlichen Menschen. Wenn wir uns erinnern an diejenigen Dinge, die äußerlich durch Farbe, Ton und so weiter auf uns gewirkt haben, dann ist es be­greiflicherweise leichter, weil wir vom Leibe unterstützt sind. Da­durch, daß irgendeine Farbe auf uns Eindruck macht, ist ein leib­licher Prozeß in uns ausgelöst. Wenn wir der rein geistigen Vor­stellung uns hingeben sollen, dann müssen wir auf alle solche leib­lichen Unterstützungen verzichten, wir müssen die Seele innerlich anstrengen, sie muß immer stärkere Kräfte bekommen, daß sie in sich so erstarkt, daß sie wirklich Eindruck machen kann auf den äußeren Weltenäther.

Da kommen wir dann, wenn wir auf diese Art unsere Verbin­dung suchen mit unserem eigentlichen Menschen, der immer da ist, in eine Beziehung zu unserer menschlichen Individualität, zu dem, was wir wirklich als Menschen sind. Nun, das, was wir da in Wirklichkeit als Menschen sind, das lebt so in den Wesenheiten der höheren Hierarchien darinnen wie unser Leib in den Sinnes­Naturprozessen. So wie wir ein Stück unseres Erdendaseins sind, so sind wir ein Stück auch des Geistesdaseins, in dem, was in den Vorgängen innerhalb der Welt der höheren Hierarchien stattfindet.

Nun möchte ich auf etwas anderes ergänzend hinweisen. Indem wir so mit der geistigen Welt in Beziehung stehen, stehen wir mit den mannigfaltigsten Geistern der höheren Hierarchien in Bezie­hung. Dazu gehören diejenigen Geister, zu denen wir nur eine Be­ziehung haben als menschliche Individualität, die nicht für irgend­eine Weltfunktion bestimmte Wesen sind. Aber wir gehören auch zu den Wesenheiten, die irgendeine Weltfunktion haben; es gehört jeder zu einem Volksgeiste zum Beispiel. Wie wir in unserem ganz sinnlichen Prozeß mit der sinnlichen Natur zusammenhängen, so hängen wir nach oben zusammen mit all diesen Geistern, die über­sinnlich herunterlangen in die physisch-sinnliche Welt. Und wie wir hier zu den äußeren Dingen stehen und uns Gedanken und Vorstellungen machen, so machen sich die Wesenheiten der höheren

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Hierarchien ihre Gedanken und ihre Vorstellungen dadurch, daß wir für sie die Objekte sind. Wir sind die Objekte für die Wesen­heiten der höheren Hierarchien, wir sind ihr Reich, über das sie sich Gedanken machen. Diese Gedanken sind mehr willenshaft.

Durch die Art, wie diese höheren Hierarchien zu uns stehen, unter­scheiden sich diese Wesenheiten, und ein wichtiger Unterschied kann uns klar werden, wenn wir beachten, wie die Entwickelung solcher Wesenheiten der höheren Hierarchien, zum Beispiel der Volks-geister, geschieht. Wir machen hier zwischen Geburt und Tod auch eine Entwickelung durch, indem unser Ich immer reifer und reifer wird, immer mehr von der Welt erfahren hat. Ein Mensch, der noch jung ist, kann nicht soviel erfahren haben wie der, der älter geworden ist. So ist es auch bei den Wesenheiten der höheren Hierarchien, nur ist der Gang ihrer Entwickelung etwas anders als unser Entwickelungsgang.

Wir können ein Wesen der höheren Hierarchien ansprechen, wenn wir sprechen von dem italienischen Volksgeist. Dieser italie­nische Volksgeist macht seine Entwickelung durch, und wir können wirklich genau einen Zeitpunkt angeben, in dem dieser Volksgeist eine wichtige Etappe überschritten hat. Wir wissen ja, daß der Zu­sammenhang zwischen dem italienischen Volksgeist und dem ein­zelnen Italiener so ist, daß der italienische Volksgeist durch die Empfindungsseele des Italieners wirkt. Nun ist aber dieses Wirken durch die Empfindungsseele zuerst so, daß der Volksgeist gleichsam nur auf das Seelische wirkt, und dann erst später, in seiner weiteren Entwickelung, greift dieser Volksgeist mit seinem Willen immer mehr und mehr ein in das, wie die Seele sich auslebt auch durch das Leiblich-Physische. Wenn Sie die italienische Geschichte verfolgen, so finden Sie ein wichtiges Jahr, etwa 1530. Dieses Jahr ist das­jenige, wo der italienische Volksgeist so mächtig wird, daß er jetzt anfängt, auch auf das Leibliche zu wirken, und von da anfängt, den Nationalcharakter ganz spezifiziert zu entwickeln. Okkult stellt sich das so dar, daß der Volksgeist einen mächtigeren Willen bekommt; er fängt an, seine Eingravierungen auch in das Leibliche zu machen und bis in das Leibliche hinein den Volkscharakter auszubilden.

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Während unser Ich immer unabhängiger vom Leibe wird, macht der Volksgeist die entgegengesetzte Entwickelung durch. Wenn er auf das Seelische eine Zeitlang gewirkt hat, fängt er an, bis in das Leibliche hinein zu wirken.

Bei dem französischen Volksgeiste finden wir dasselbe, wenn wir etwa in das Jahr 1600 gehen, und beim englischen Volksgeiste ungefähr um das Jahr 1650. Während vorher der Volksgeist mehr nur das Seelische ergriffen hat, greift er von da ab ins Leibliche über. Sein Wille wird mächtiger, und die Seele kann weniger Wider­stand leisten einer Konfiguration ins Nationale hinein. Daher be­ginnt um diese Zeiten der Nationaicharakter sich scharf auszuprä­gen. Das rührt davon her, weil der Volksgeist heruntersteigt. Er ist höher gelagert, wenn er mehr ins Seelische hineinwirkt; er steigt herunter, wenn er mehr ins Leibliche hineinwirkt. So haben wir ein Senken des Volksgeistes bei der italienischen Halbinsel etwa um das Jahr 1530, in Frankreich im Beginne des siebzehnten Jahr­hunderts und in England in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts. Shakespeare hat gewirkt, bevor der Volksgeist diese Etappe durch­gemacht hat. Das ist das Bedeutsame. Daher dieser eigentümliche Bruch, der in bezug auf die Auffassung der Engländer gegenüber Shakespeare Platz gegriffen hat und der zur Folge hatte, daß gerade innerhalb Deutschlands Shakespeare mehr gepflegt wird als in Eng­land selber. Wir haben es zu tun mit einem immer mehr zu den einzelnen Menschen Heruntersteigen des Volksgeistes.

Wenn wir nun auf die Entwickelung des deutschen Volksgeistes sehen, so nehmen wir etwas Ähnliches wahr in der Zeit ungefähr zwischen den Jahren 1750 bis 1850. Aber wir müssen hier kurioser-weise sagen: dieser Volksgeist steigt da herunter, aber er steigt wie­der hinauf. Und das ist das Bedeutsame. Einen Prozeß, der sich ab­gespielt hat bei den westlichen Völkern, können wir nur so ver­folgen, daß wir die Volksgeister sich senken und die Völker er­greifen sehen. Beim deutschen Volke sehen wir, wie der Volksgeist sich auch senkt um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, wie aber dieser Volksgeist in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wieder hinaufsteigt, so daß hier ein ganz anderes Verhältnis da ist.

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Es wird nur ein Anlauf genommen, den deutschen Charakter zu einem eminenten Volkscharakter auszubilden, aber das wird nur eine Weile gemacht. Nachdem einiges hierin getan ist, steigt der Volksgeist wiederum zurück, hinauf, um wiederum bloß auf das Seelische zu wirken.

Die Blütezeit des deutschen Geisteslebens fällt in die Zeit, wo der Volksgeist am tiefsten heruntergestiegen war. Selbstverständlich bleibt der Volksgeist seinem Volke. Aber er hält sich jetzt wieder in geistigen Höhen auf. Das ist das Eigentümliche des deutschen Volksgeistes. Auch früher ist er schon heruntergestiegen, hat aber dann wieder abgelassen von einem zu starken Nationalisieren. Ein solches Kristallisieren in der Nationalität, wie bei den westlichen Völkern, kann beim deutschen Volke durch die Eigentümlichkeit des deutschen Volksgeistes gar nicht eintreten. Daher muß das deutsche Wesen immer universeller bleiben als andere Volkswesen. Es hängen diese Dinge in der Tat mit tiefen Wahrheiten der geisti­gen Welten zusammen. Würde man in der Zeit Goethes den deut­schen Volksgeist gesucht haben, würde man ihn etwa auf dem­selben Niveau gefunden haben, wo man den englischen oder fran­zösischen oder italienischen Volksgeist gefunden hätte. Sucht man ihn heute, dann muß man höher hinaufsteigen. Es werden wieder Zeiten kommen, wo er heruntersteigt, es werden wieder Zeiten kommen, wo er hinaufsteigt. Das Hin- und Herschwingen ist das Eigentümliche des deutschen Volksgeistes.

Beim russischen Volksgeist ist es so, daß er überhaupt nicht her­untersteigt, um das Volk durch zu kristallisieren, sondern immer etwas bleibt wie eine über dem Volkstum schwebende Wolke, so daß man ihn immer wird oben zu suchen haben, und daher kann dieses Volk erst dann eine geistige Entwickelung durchmachen, wenn es sich bequemen wird, das, was erarbeitet wird im Westen, mit seinem eigenen Wesen zu vereinigen, um im Zusammenhange mit dem Westen eine Kultur zu begründen, weil es aus sich selbst niemals eine Kultur enifalten kann.

Alles das muß auf diese Weise verstanden werden. Und die ganze Beweglichkeit des deutschen Wesens rührt davon her, daß der

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Deutsche mit seinem Volksgeist nicht so zusammengewachsen ist, wie das im Westen von Europa der Fall ist. Daher auch die un­geheure Schwierigkeit, deutsches Wesen wirklich zu verstehen. Man kann es nur dann verstehen, wenn man zuzugeben in der Lage ist, daß es ein Volkswesen geben kann, dessen Volksgeist eigentlich immer nur sporadisch in die Entwickelung des Volkes eingreift. Was ich hiermit ausführe, gehört zu den schwierigsten Kapiteln in bezug auf Verständnis des geschichtlichen Werdens, daher darf man gar nicht trostlos darüber sein, wenn es einem widerspruchsvoll er-scheinen wird. Aber wir leben in einem Zeitalter, in dem wir ver­suchen müssen, wirklich zu verstehen, worauf die Gegnerschaft beruht, welche doch so deutlich gerade in unseren schicksalschweren Tagen in Europa zutage tritt. Denn zu allem, was wir erleben, wenn man genauer zusieht, gesellt sich im Grunde genommen etwas, was man wirklich recht unbegreiflich nennen könnte, was sich erst herausstellt, wenn man genauer zusieht. Gewiß, die Deutschen wer­den jetzt erst merken, daß sie im Grunde genommen ungeheuer gehaßt werden. Aber man wird, wenn man genauer prüft, bemer­ken, daß demjenigen, was man am meisten haßt, zugrundeliegt das­jenige, was gerade die besten Eigenschaften des deutschen Wesens sind. Die schlechteren Eigenschaften haßt man gar nicht besonders.

Man muß schon, wenn man in die Geheimnisse hineinblicken will, die Dinge ein wenig im Zusammenhange betrachten. Man könnte sagen: wenn jemand in Deutschland solch eine Sache sagt, dann beweist das auch, daß es einen deutschen Chauvinismus gibt. Warum sollte nicht der Deutsche anerkennend und lobend über deutsches Wesen sprechen?! Wenn das so läge, dann würden diese Vorträge nicht gehalten werden und ich würde nicht über deut­sches Wesen so sprechen. Aber daß nicht gerade deutscher Chau­vinismus nötig ist, um dieses deutsche Wesen in einer gewissen Weise so zu charakterisieren, daß man aus der Charakteristik sieht, es unterscheidet sich von dem übrigen europäischen Wesen nicht zu seinem Nachteil, das möge eine Charakteristik veranschaulichen des deutschen Wesens, die ich Ihnen hier mitteilen möchte. Ernst Renan schreibt an David Friedrich Strauß: «Ich war im Seminar zu

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St-Sulpice, ums Jahr 1843, als ich anfing, Deutschland kennenzu­lernen durch die Schriften von Goethe und Herder. Ich glaubte in einen Tempel zu treten, und von dem Augenblick an machte mir alles, was ich bis dahin für eine der Gottheit würdige Pracht gehal­ten hatte, nur noch den Eindruck welker und vergilbter Papier-blumen. ... Deutschland hat den besten nationalen Rechtstitel, nämlich eine geschichtliche Rolle von höchster Bedeutung, eine Seele, möchte ich sagen, eine Literatur, Männer von Genie, eine eigentümliche Auffassung göttlicher und menschlicher Dinge. Deutschland hat die bedeutendste Revolution der neueren Zeiten, die Reformation, gemacht; außerdem hat sich in Deutschland seit einem Jahrhundert eine der schönsten geistigen Entwicklungen vollzogen, welche die Geschichte kennt, eine Entwicklung, die, wenn ich den Ausdruck wagen darf, dem menschlichen Geist an Tiefe und Ausdehnung eine Stufe zugesetzt hat, so daß, wer von dieser neuen Entwicklung unberührt geblieben, zu dem, der sie durchgemacht hat, sich verhält wie einer, der nur die Elementar-mathematik kennt, zu dem, der im Differentialcalcul bewandert ist»

So also schreibt Ernst Renan an David Friedrich Strauß im Jahre 1870. Ich will auf diesen Briefwechsel nicht weiter eingehen, der außerordentlich interessant ist. Ich will nur noch erwähnen, daß Renan damals schrieb, daß man nur zwei Möglichkeiten hätte:

Erstens, man würde Frankreich Land wegnehmen. Das würde be­deuten: Rache bis auf den Tod allem Germanentum, Verbrüderung mit allen möglichen Bundesgenossen. Die andere Möglichkeit: man läßt Frankreich, wie es ist, dann würde die Friedenspartei die Ober-hand bekommen und sagen, wir haben große Torheiten begangen, wir wollen unsere Fehler verbessern, dann wird das Heil der Menschheit gerettet sein.

Diese Nebenbemerkung habe ich aus dem Grunde gemacht, um Ihnen zu zeigen, daß Renan das, was ich Ihnen eben aus seinem Briefe vorgelesen habe, in einer Stimmung geschrieben hat, in der er nicht besonders geneigt war, allzuviel zuzugeben über das, was im Laufe der Menschheitsentwickelung das deutsche Wesen gewor­den ist. Aber er war geneigt, dasjenige, was die Menschheit innerhalb

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des deutschen Wesens erobert hat, zum andern hinzustellen wie die höhere Mathematik zur Elementar-Mathematik. Man braucht nicht Chauvinist zu sein, sondern nur wiederholen das, was von Renan im Jahre 1870 geschrieben worden ist.

Wir müssen wissen, wenn wir also von den Beziehungen des Menschen zu den höheren Welten sprechen, daß im Konkreten, im Wirklichen diese Beziehungen eben so sind, daß der Mensch diese Beziehungen haben kann dadurch, daß er diesen anderen in sich trägt, daß dieser andere lebt, der zur höheren geistigen Welt im selben Verhältnis steht, wie wir zur Sinneswelt stehen im Leiblichen. Wir stehen durch dasjenige, was in uns übersinnlich ist, eben zu allem, was übersinnlich ist, in einem bestimmten Verhältnis. So ist es wirklich und wahrhaftig nicht bloß eine theoretische, sondern eine lebendige Entwickelung, die wir durchmachen, wenn wir das, was als Meditationsprozess beschrieben worden ist, in der Seele durcherleben. Unsere Seele schreibt dadurch wirklich in die geistigen Welten etwas hinein. Und sie schreibt es hinein in dasjenige, was wir im Grunde genommen selber sind. Wenn man das im richtigen Maße bedenkt, dann verbindet sich der Begriff «Darinnenstehen im lebendigen Strome der Geisteswissenschaft» mit dem Begriffe «menschliche Verantwortlichkeit», mit diesem Begriff #SE157-218

unserer Zeit vollständig abflutete. Deshalb muß in unserer Zeit beginnen die Arbeit, welche die Seele hinaufführt in die geistige Welt.

Und nun denken Sie sich, das Wesen des deutschen Volksgeistes sei so, daß dieser Volksgeist fortwährend den Weg hinunter zum Volk und wieder hinauf in die höhere Welt durchmacht. Warum tut er das gerade bei einem Volkstum? Aus dem Grunde, weil da­durch gerade innerhalb dieser Volkswesenheit die Kräfte hervorgerufen werden sollen, welche in die Geisteswissenschaft im eminen-testen Sinne hineinführen. Wenn der Volksgeist hinuntersteigt, dann wird durch den Volksgeist in der physischen Welt ein strammer Volkscharakter bewirkt. Wenn er wieder zurückgeht, der Volksgeist, und den Nationalcharakter fluktuierend läßt, dann wird das Volk immer wieder und wieder jenes Auf- und Abfluten des Volksgeistes in den eigenen Leibern mitmachen müssen, lernt erkennen, daß alles Sein verHießt zwischen sinnlicher und übersinnlicher Welt.

Erinnern Sie sich an das, was ich vor acht Tagen hier gesagt habe, daß die ganze Literaturgeschichte der letzten Jahrzehnte um-geschrieben werden muß, weil gewisse geistige Persönlichkeiten heute vergessen sind, die viel größere Bedeutung besitzen als solche, von denen man etwas weiß. Das ist in der Zeit, in der der Volks­geist wieder hinaufgegangen ist. Nun müssen wir im eminentesten Sinne uns mit der Geisteswissenschaft verbinden, um den Volks­geist da in seinem Wiederhinaufsteigen zu finden, das heißt mit anderen Worten, der Deutsche muß sein Wesen kennenlernen, nicht bloß in der physischen Welt, sondern auch in der übersinnlichen Welt, denn in beiden ist es darinnen. Das ist wieder einer der Gründe für das, was auch in öffentlichen Vorträgen gesagt worden ist, daß eine gewisse innere Verwandtschaft besteht zwischen deut­scher Geisteskultur und dem Streben nach Geisteswissenschaft. Fichte hat sich nur entwickeln können in einer Zeit, in der der Volksgeist heruntergestiegen war. Daher wird Fichte in seiner Philo­sophie kaum verstanden werden können oder nur falsch. Dieses ganze Leben und Weben in solchen Begriffen und Ideen, daß in diese die Ich-Wesenheit so hereingekommen ist wie in der Fichteschen

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Philosophie, das war in der Zeit möglich, in der der Volks­geist auf ein tieferes Niveau heruntergekommen war. Nun müssen wir ihn höher suchen und können ihn nur mit der Geisteswissen­schaft finden. Das entspricht dem Verhältnis des Volksgeistes zum deutschen Volke. Es ist in der ganzen Natur der deutschen Ent­wickelung das darinnen, was ich genannt habe ein tiefes verwandt­schaftliches Verhältnis zwischen dem deutschen Geistesleben und dem Weg, der in die Geisteswissenschaft hineinführt. Man möchte so sehr wünschen, daß wirklich diese Dinge nach und nach immer mehr und mehr verstanden werden können.

Wahrhaftig, wenn man den Blick so wirft auf das, was in der Gegenwart geschieht, auf die ungeheuren Opfer, die gebracht wer­den müssen, auf alle die Sorgen, die die Menschen durchleben müssen gegenüber den Ereignissen, dann müßte man daraufkom­men, daß sich hierin noch etwas weit, weit anderes auslebt, als was man so mit äußerem Verständnis verstehen kann. Und in einer anderen Form könnte man den Paulinischen Ausspruch zitieren: Wäre der Christus nicht auferstanden, so wäre unsere Lehre tot und tot auch unser Glaube! Für Paulus war es zur Bekräftigung des­jenigen, was er der Welt zu bringen hatte, daß er hinschauen konnte auf die wirkliche Auferstehung des Christus. Man hat vielfach dieses Wort mißverstanden. Demgegenüber, was jetzt geschieht, muß man sagen: Wie drückt sich in diesen Toden doch aus der Glaube, das feste Bekenntnis, daß der Mensch mit etwas anderem zusammenhängt als mit dem, was in der Sinnenwelt bloß da ist. Nicht nur eine wirkliche religiöse Vertiefung findet start, sondern man kann sehen, wie die Seelen, wenn sie auch nicht das volle Be­wußtsein davon haben, gerade in unserer Zeit kräftigen Protest einlegen gegen allen Materialismus durch die Art, wie sie in den Tod eingehen. Wir müssen sagen: Neben allem, was die Ereignisse sonst sind, sind sie eine Arbeit in der Überwindung der materiali­stischen Denkweise und des materialistischen Lebens, wie es sich nach und nach entwickelt hat. Und aus einem tiefen Gefühl der Zeitentwickelung heraus muß sich die Menschenseele sagen: Wenn nun etwa dann, wenn wieder die Sonne des Friedens leuchtet, materialistische

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Gesinnung, materialistische Denkweise über die Erde hinziehen würde, müßte man dann nicht sagen, diese Tode alle, sie wären wahrhaftig vergebens gewesen, wenn sich nicht auf dem Felde, auf das die Verstorbenen herunterblicken können, spirituelle, geistige Gesinnung entwickeln wird? So könnten wir den Paulini­schen Ausspruch umändern, und wir könnten sagen: Vergeblich wäre das Unendliche, was gelitten wird, vergeblich der Durchgang durch den Tod im physisch-jugendlichen Alter für so viele Persön­lichkeiten, wenn sich dann auf den Gefilden des Friedens ausbrei­ten würde eine materialistische Weltanschauung und materialisti­sches Leben. Und wie eine mahnende Fackel müssen diese Tage auf diejenigen wirken, die in sie hineingestellt sind und tief, tief hinein. leuchten in die menschlichen Gemüter und in die menschlichen Seelen, so daß ein wirklicher Wille zum Leben im Geistigen inner­halb der Menschheit entstehen könne. Wir können nicht tief genug dasjenige erleben, was in unseren Tagen geschieht Und gerade des­halb möchte man, daß im Kreise derjenigen, die sich zur Geistes­wissenschaft bekennen, der Blick erweitert werde aus dem engen Horizont, in den er heute so vielfach gebannt ist, auf einen immer weiteren Horizont. Wirklich nur dann, wenn man den ganzen Zu­sammenhang einsieht desjenigen, was hier auf der physischen Erde geschieht, mit dem, was in der geistigen Welt sich abspielt, kann man ein Gefühl für die Aufgaben bekommen, welche uns durch die gegenwärtige schwere Zeit gestellt werden.

Es gibt Leute, die so leichthin betonen, daß das, was jetzt sich abspielt, nichts zu tun zu haben brauche mit dem, was die einzelnen Völker als ihre geistige Entwickelung durchmachen. Für denjeni­gen, der die Dinge in ihrem wirklichen Gange zu durchschauen vermag, für den ist alles das, was sich in der äußeren Welt abspielt, ein Ausdruck des Geistigen. Und daran wollen wir immer mehr und mehr festhalten, wollen immer mehr versuchen, gerade durch diejenigen Empfindungen, die uns aus der Geisteswissenschaft kom­men können, unser Selbst loszulösen vom engeren Kreise, und gerade dieses unser durch die Geisteswissenschaft sich loslösendes Selbst vereinigen mit den großen Ereignissen, die geschehen, vergessen

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das, was uns nur angeht als Persönlichkeiten, und zusammen­wachsen mit dem, was die ganze Menschheit heute Erschütterndes erleben muß.

Das ist es, was ich auch durch die verschiedenen Auseinander­setzungen dieser Vorträge hier habe in Ihnen hervorrufen wollen und wovon ich gern möchte, daß es weiter durchgedacht wird, bis wir uns wohl im April hier wiedersehen werden. Denn nur dann, wenn wirklich demjenigen, was jetzt geprüft durch die großen Er­eignisse hinaufgeht in die geistige Welt und von dort herunter-wirkt, Verständnis begegnet, wie es aus Geist-Erkenntnis gewonnen werden kann, kann das erreicht werden, wozu uns diese Ereignisse auffordern. Wahr ist es:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

ELFTER VORTRAG Berlin, 20. April 1915 Der ätherische Mensch im physischen Menschen

#G157-1960-SE222 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

ELFTER VORTRAG

Berlin, 20. April 1915

Der ätherische Mensch im physischen Menschen

#TX

Zunächst möchte ich Sie heute erinnern an etwas, was ich wohl zu der größten Zahl von Ihnen in gelegentlichen früheren Betrach­tangen schon ausgesprochen habe. Wir kommen, wenn die Seele des Menschen sich in dem Sinne entwickelt, der ja auch durch die öffentlichen Vorträge hinlänglich angedeutet wurde, zu einer ande­ren Art von Weltbild. Das Wesentliche ist, daß wir mit unserer Seele gleichsam den Weg aus der Sinnenwelt hinein in die geistige gehen.

Indem wir mit unserer Seele uns vorwärts entwickeln, ver­wandelt sich für unseren Anblick die physische Welt allmählich in die geistige Welt. Man könnte sagen, nach und nach verschwinden die Eigentümlichkeiten der sinnlich-physischen Welt, und es treten auf innerhalb unseres Bewußtseinshorizontes die Gebilde und Wesen heiten und Tatsachen der geistigen Welt. Nun könnte man ein Wichtiges, das in dem, was so aufsteigt, an unser Bewußtsein herantritt, in der folgenden Weise bezeichnen: Wir selbst werden andere - selbstverständlich für unser Anschauen -, wir werden sel­ber andere, und die Welt, die für das sinnliche Anschauen um uns herum ist, wird nun auch eine andere. Bleiben wir zunächst einmal bei dem, was uns am nächsten liegt, bei der Welt unserer Erde. Im Grunde genommen weiß der Mensch von der Welt außerhalb der Erde innerhalb des irdischen Lebenslaufes wahrhaft recht wenig, wenn wir stehenbleiben innerhalb der Art und Weise, wie wir mit unserem Erdenleben zusammengewachsen sind. Da stellt sich beim Vordringen in die geistige Welt - wir sind ja dann außerhalb unseres Leibes -, da stellt sich heraus, wenn wir auf unsern Leib oder unser ganzes physisches Leben oder überhaupt unseren gan­zen Menschen zurückblicken, daß er im Grunde genommen immer reicher und reicher wird; er wird immer inhaltsvoller, dieser Mensch, er erweitert sich zu einer Welt. Es wächst geradezu der Mensch selber

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zu einer Welt aus, indem wir so auf ihn zurückblicken. Das ist die Wahrheit dessen, was oftmals betont wird: daß der Mensch, indem er geistig sich entwickelt, identisch wird mit der Welt. Er sieht eine neue Welt, eine Welt, innerhalb welcher er sonst steht, wie aus ihm selber hervorkommend. Er erweitert sich zu einer Welt. Von der Erde dagegen verschwindet das Feste oder dasjenige, was uns im gewöhnlichen physischen Anschauen als die Berge, Flüsse und so weiter erscheint. Das verschwindet, und wir lernen uns allmählich fühlen innerhalb der Erde, ich sage ausdrücklich innerhalb der Erde, wie in einem großen Organismus drinnen. Aus unserer eigenen Welt sind wir heraus, und diese Innenwelt, diese innere Wirklich­keit wird zu einer weiten Welt, und das, was uns als irdische Welt umgeben hat, wird wesenhaft, wird zu einem Wesen, in dem wir uns darinnen befindlich denken müssen, uns vorstellen können. Während wir aus uns herauswachsen, erweitert sich zugleich unsere Menschenwelt zu einer weiten Welt; sogleich wachsen wir dann hinein in den Erdorganismus und fühlen uns darinnen so, wie, sagen wir, wenn unser Finger Bewußtsein bekäme, er an unserem Organismus sich fühlen würde.

Diese Erfahrung macht der Mensch, und sie kommt bei etwas tiefer fühlenden Menschen, bei poetisch veranlagten Naturen sehr häufig einmal zum Ausdruck. So vergleicht der Mensch sehr häufig sein Aufwachen am Morgen mit dem Aufwachen der Natur draußen, selbst sein Leben am Tage mit dem Hinaufgehen der Sonne, die Abenddämmerung mit dem Bedürfnis zum Schlafen, das mit Müdigkeit eintritt. Solche Vergleiche kommen aus dem Gefühl heraus, daß der Mensch darinnensteht in der irdischen Natur. Aber solche Vergleiche sind nicht viel wert, denn sie treffen das Eigent­liche nicht. Ich habe deshalb schon öfters ausgesprochen, daß, wenn wir einen Vergleich wählen wollen, der wirklich den Tatbestand ausdrückt, wir einen anderen wählen müssen als den, bei welchem wir mit dem Verlauf der Natur draußen den Verlauf beim Einschla­fen und Aufwachen vergleichen. Wir müssen vielmehr unser Leben binnen vierundzwanzig Stunden vergleichen mit dem Jahreslauf der Erde. Nur dann, wenn wir den ganzen Jahreslauf nehmen, ist das

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ein berechtigter Vergleich mit dem, was in uns vorgeht durch ein­maliges Wachen und Schlafen im Verlaufe von vierundzwanzig Stun­den. Denn es ist falsch, den Wachzustand des Menschen vom Auf­wachen bis zum Einschlafen etwa mit dem Sommer zu vergleichen; sondern man muß gerade diesen Wachzustand in der Erdennatur draußen vergleichen mit dem Winter und muß den Sommer ver­gleichen mit dem Schlafzustand des Menschen. So daß wir sagen könnten, wenn wir den Vergleich anstellen: der Mensch schläft ein, das heißt er geht in den Sommer seines persönlichen Daseins, und indem er aufwacht, entwickelt er sich in den Winter seines persön­lichen Daseins; und der Wachzustand würde ungefähr entsprechen dem letzten Herbst, dem Winter und dem ersten Frühling. Warum würde das den Tatsachen entsprechen? Weil, wenn wir uns auf die angedeutete Weise wirklich hinentwickeln zu einem Gliede des ganzen Erdenorganismus, wir in der Tat zu beachten haben, wie im Sommer das, was der Geist der Erde ist, schläft; das ist der wirkliche Schlafzustand der Erde, da tritt das große Bewußtsein des Geistes der Erde zurück. Mit dem Frühling beginnt der Erdgeist einzuschlafen, und er wacht auf im Herbst, wenn die ersten Fröste sind; er denkt dann, er hat seinen wachen Denkzustand. Das ist der Gang des Tages des Erdgeistes durch das Jahr hindurch.

Wenn wir auf den schlafenden Menschen zurückschauen, dann sehen wir in der Tat, wie dieses Einschlafen des Menschen bedeutet, indem er mit dem Ich und dem astralischen Leib herausgeht, ein wirkliches Entstehen einer Art pflanzlicher Tätigkeit im Orgams­mus, aus dem der astralische Leib und das Ich herausgegangen sind. Das fängt an, im Innern des Menschen eine Tätigkeit hervorzu­rufen. Wir empfinden wirklich die ersten Zustände des Schlafes wie den Beginn eines vegetativen Prozesses, und der Schlaf verläuft so, daß sich der Körper gleichsam für den hellseherischen Anblick durchsetzt mit einem Pflanzenwachstum, das wir wirklich dann durch imaginative Erkenntnis sehen. Nur wächst diese Vegetation anders als die Vegetation der Erde. Solche Dinge können erzählt werden, und man kann viel darüber meditieren und man kommt dann immer weiter.

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Bei der Erde wachsen die Pflanzen vom Boden herauf. Anders ist es, wenn wir dieses «Pflanzenwachstum» beim Menschen beobach­ten. Da wachsen die Pflanzen so, daß sie die Wurzeln draußen haben, und sie wachsen in den Menschen hinein; die Blüten also müssen wir suchen innerhalb des Menschen. Dieser Mensch ist wirklich sehr schön, ich meine so, wie ihn der hellsehend Gewor­dene im Schlafe sieht. Er ist gleichsam eine ganze Erde, die sprießt und sproßt, in die hinein eine Vegetation wächst. Dasjenige, was den Anblick beeinträchtigt, das ist, daß wir zu gleicher Zeit den Eindruck haben, daß der Astralleib die Wurzeln benagt. Und das stellt sich als der Verlauf des Schlafes dar. Während die Tierwelt dasjenige, was während des Sommers wächst, verbraucht, aufzehrt von oben herunter, finden wir, daß unser Astralleib in der Tat wie die Tierwelt wirkt, nur benagt er die Wurzeln. Würde das nicht sein, so würden wir jenen Kern nicht entwickeln können, den wir durch die Pforte des Todes hinüberführen. Das, was sich der Astral­leib auf diese Weise aneignet, stellt dasjenige vor, was wir als Er­trägnis des Lebens in Wahrheit durch die Pforte des Todes tragen. Ich beschreibe die Dinge, wie sie vor dem hellsichtigen Bewußt­sein auftauchen. In dem, was ich als den Erdgeist bezeichnet habe, der wirklich eine solche persönliche Wesenheit ist wie wir selber, nur daß er ein anderes Dasein führt - denn für ihn ist ein Jahr ein Tag -, inner­halb dieses Erdgeistes wird uns alles das anschaulich, was ich aus­einandergesetzt habe von dem Impuls von Golgatha, denn da drin­nen findet man die belebende Kraft, die vor dem Mysterium von Golgatha nicht in der Erde war; in ihr findet man sich geborgen, aufgenommen durch den Geist, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist. Und man bekommt dadurch die Gewißheit, daß dieser Geist wirklich ausgeflossen ist in die Erde durch das

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Mysterium von Golgatha. Das wird uns bewußt, wenn wir uns wirklich versenken können in den Zustand, in dem für uns die Erde ein Wesen ist, dem wir selber angehören, wie ein Fingerglied unse­rem Organismus angehört. So kann es gar nicht anders sein, als daß für den Menschen unserer Zeit die okkulte Vertiefung in die Welt einen Zug annimmt religiöser Versenkung in das, was als das Göttliche die Welt durchströmt und durchgeistigt. Daher ist es, daß wirkliche Erkenntnis der geistigen Welt niemals das religiöse Füh­len nehmen, sondern im Gegenteil nur vertiefen kann.

Ich wollte eine Andeutung geben von dem, wie es wirklich aus­sieht, wenn man in die Bilderwelt des Geistig-Realen hineinkommt; denn das, als was wir uns im alltäglichen, physischen Bewußtsein erscheinen, ist nur ein Scheinbild, ist nur ein innerer Kern. Aber ich werde gleich schon sagen müssen, daß dies falsch ist, weil Worte ja nicht leicht zu prägen sind für diese bedeutsamen Tatsachen, und das, als was wir uns erscheinen, ist immer an uns, wenn wir mit unserem Seelischen außerhalb unseres Leibes sind. Deswegen ist es nicht richtig, zu sprechen: es ist ein Kern, weil eine Frucht die Schale außen, und das, was wertvoll ist, darinnen hat. Aber wie es so vielfach beim Geistigen umgekehrt ist, so ist beim Menschen das Wertvolle draußen, und was Schale ist, das ist innen: das Innere ist das Schalenhafte, und das Geistige ist das, was man räumlich als das Schalenhafte bezeichnen kann. Man erfährt, wenn man den Weg in die geistige Welt hinein geht, daß der Mensch nicht ein einfaches Wesen, sondern ein kompliziertes Wesen ist. Das haben wir uns schon hinlänglich angeeignet, daß der Mensch mit dem, was er in sich trägt, teilnimmt an allen Welten, die dem Menschen zugänglich sind. Mit unserem physischen Leib gehören wir der phy­sischen Welt an; mit dem Seelischen gehören wir der seelischen Welt an, mit unserem Geiste der geistigen Welt. Wir reichen in die drei Welten hinein. Wir wissen, daß, wenn der Mensch den Weg in die geistige Welt hinein macht, er sich in der Tat wie eine Art Vervielfachung erlebt. Das ist das Beängstigende, daß die bequeme Einheit sich verteilt, daß man tatsächlich eine Empfindung dafür empfängt, man gehöre mehreren Welten an. Nun kann man die

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verschiedensten Gesichtspunkte geltend machen. Ich will heute einen besonderen Gesichtspunkt geltend machen, indem ich Sie noch hinweise auf das, was meinen letzten Vorträgen wiederholt zugrunde gelegt worden ist.

Wenn wir das menschliche Leben nach innen hin anschauen, so müssen wir es uns gegliedert denken, und wenn wir heraustreten aus dem Leibe, so zeigt sich der Mensch wirklich in die vier Glieder auseinandergelegt. Da ist zunächst die Kraft, die unserer Erinne­rung zugrunde liegt. In der Erinnerung lassen wir dasjenige auf-erstehen vor unserem Bewußtsein, was wir in früheren Zeiten schon erlebt haben. Diese Erinnerung bringt in unser Leben einen Zu­sammenhang hinein, so daß dieses Leben zwischen Geburt und Tod eine Einheit ist. Ein Zweites ist dann dasjenige, was wir unser Denken, was wir Vorstellen nennen. Ich kann hier diese Begriffe nicht weiter auseinandersetzen, darauf kommt es jetzt nicht an; aber was Vorstellungstätigkeit ist, ist das, was in der Gegenwart verläuft. Und wenn wir noch weiter vorrücken, so bekommen wir das Füh­len, und noch weiter das Wollen. Indem wir in uns hineinschauen, erscheint uns unser eigenes Innere als Erinnern, als Denken, als Füh­len, als Wollen. Nun können wir die Frage aufwerfen: was ist der we­sentliche Unterschied zwischen diesen vier Verrichtungen der Seele? Die gewöhnliche Psychologie zählt diese Verrichtungen der Seele auf, und sie unterscheidet nicht weiter. Aber auf die Wahrheit kommt man erst dann, wenn man auf das Wesen dieser vier Seelenverrichtungen eingehen kann, und da kommt man darauf, daß das Wollen gewisser-maßen das Baby unter unseren Seelentätigkeiten ist; das Fühlen ist schon älter, das Denken ist noch älter, und die Tätigkeit, die in der Erinnerung ausgeübt wird, ist der Greis, ist das Älteste unter unseren Seelentätigkeiten. Sie werden noch klarer das einsehen, wenn ich Ihnen den folgenden Gesichtspunkt geltend mache.

Wir haben wiederholt davon gesprochen, wie der Mensch sich nicht nur entwickelt hat auf der Erde, sondern wie dieser voran­gegangen sind die alte Mondentwickelung, die alte Sonnenentwicke­lung und die alte Saturnentwickelung. Der Mensch ist nicht erst auf der Erde entstanden, er hat gebraucht, um das zu werden, was er

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jetzt ist, diese Entwickelung durch Saturn, Sonne und Mond hin­durch. Nun sehen Sie, dasjenige was wir in unserem Wollen ent­wickeln, so wie wir diesen Willen jetzt kennen, das ist Erdenprodukt für den Menschen, das ist eigentlich noch nicht einmal abgeschlos­sen in seiner Entwickelung, das ist vollständiges Erdenprodukt. Während der Mondentwickelung war der Mensch noch nicht ein selbständig wollendes Wesen; Engel haben für ihn gewollt. Das Wollen hat gleichsam erst eingestrahlt seit der Erdenentwickelung. Dagegen ist das Fühlen schon angeeignet worden während der Mondentwickelung, das Denken während der Sonnenentwicke­lung und die Erinnerung während der alten Saturnentwickelung. Und wenn Sie das, was ich jetzt sage, mit anderem zusammen­bringen, was in der «Akasha-Chronik» und in der «Geheimwissen­schaft» ausgedrückt ist, so wird sich Ihnen ein wichtiger Zusammen­hang ergeben. Während der Saturnentwickelung ist die erste Anlage entstanden zum physischen Leib des Menschen, während der Sonnen-entwickelung zum menschlichen Ätherleib, während der Monden-entwickelung zum menschlichen Astralleib, und während der Erden-entwickelung bildet sich das menschliche Ich aus.

Nun betrachten wir einmal für sich das, was wir die Erinnerungs-tätigkeit nennen. Was ist das Erinnern? In der Seele bleibt ebenso irgend etwas von dem Bilde eines Ereignisses, das wir durchlebt haben, wie in dem Buch, das wir lesen, etwas bleibt von dem, was der gedacht hat, der das Buch geschrieben hat. Wenn Sie ein Buch vor sich haben, so können Sie alles lesen, alles das denken - manch­mal auch nicht, aber das rechne ich jetzt nicht -, was der gedacht hat, der das Buch geschrieben hat. Das Erinnern ist eine unter-bewußte Lesetätigkeit; was bleibt, sind Zeichen, die der Ätherleib in den physischen Leib eingegraben hat. Wenn Sie vor Jahren ein Erlebnis gehabt haben, so haben Sie das, was in dem Erlebnis zu erfahren war, durchgemacht. Was bleibt, sind Eindrücke, die der Ätherleib in den physischen Leib hinein macht; und wenn Sie sich jetzt erinnern, so ist das Erinnern ein unterbewußtes Lesen.

Die geheimen Vorgänge, die im Organismus vor sich gehen, damit der Ätherleib die Zeichen eingraben kann, die der Erinnerung zugrunde

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liegen, die sind hineingebildet worden während der alten Saturnentwickelung. Es ist in der Tat so, daß wir in unserem Organis­mus eben diesen geheimen Saturnorganismus tragen; der lebt sich so aus, daß wir in ihm eine Wesenhaftigkeit sehen können, in welche der Ätherleib das einzutragen vermag in Zeichen, was er äußerlich an Erlebnissen hat, um es dann wieder herauszuholen in der Erinne­rung. Daß der Mensch diese unterbewußte Schreibetätigkeit ausübt, das hat er im wesentlichen davon her, daß in seinen ersten sieben Lebensjahren der Körper, gerade dasjenige im physischen Leib, was die Einprägungen empfangen soll, noch geschmeidig ist. Deshalb soll man nicht, wie ich zum Beispiel in meiner Schrift über «Die Erziehung des Kindes» aufmerksam gemacht habe, das Kind dadurch malträtieren, daß man sein Gedächtnis ausbildet. In den ersten sieben Jahren handelt es sich darum, daß der geschmeidige Organis­mus seinen eigenen, elementaren Kräften überlassen bleibt, daß wir ihn da nicht malträtieren. Wir sollen daher dem Kinde möglichst viel erzählen, aber nicht einen allzu großen Wert darauf legen, daß das Kind jetzt schon künstlich das Gedächtnis ausbilden soll, sondern sich selbst überlassen bleibt in bezug auf die Gedächtnisausbildung. In dieser Weise wird Geisteswissenschaft für das pädagogische Leben von ungeheurer Wichtigkeit sein.

Ebenso wie die Erinnerungsfähigkeit zu den ältesten Bestand­teilen der Menschennatur gehört, so gehört die Tätigkeit, die dem Denken zugrunde liegt, zu dem, was man das auf der Sonne Ge­bildete nennen kann. Das ist verhältnismäßig auch alt. Die Sonnen-kräfte enthalten das, was im Menschen den ätherischen Leib so organisiert, daß er diese eigentümliche Tätigkeit des Denkens, des Vorstellens ausüben kann. Sie sehen daraus, daß man weit, weit in den Kosmos zurückgreifen muß, wenn man die Frage beantworten will: warum kann der Mensch sich erinnern, und warum kann er denken? Man muß zurückgreifen bis in die Saturn- und Sonnen-entwickelung.

Wenn man die Gefühlstätigkeit des Menschen ins Auge faßt, braucht man nur zurückzugreifen bis zur Mondentwickelung und bei der Willenstätigkeit bis zur Erdenentwickelung. Sie werden dadurch

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manches verstehen. Menschen, welche ganz besonders ge­prägt sind von ihren früheren Inkarnationen her, nicht geschmeidig sind, sondern scharf geprägt sind, bei denen wird sich viel hinein­pressen in den Organismus. Es werden Menschen sein, die ein fast automatisches Gedächtnis haben, aber produktiv werden sie nicht viel aus ihrem Denken herausentwickeln. Während Sie also vor­zugsweise mit dem physischen Leib zusammenbringen müssen die Erinnerungstätigkeit des Menschen, mit dem ätherischen Leib die Denktätigkeit, mit dem astralischen Leib die Gefühlstätigkeit des Menschen, werden Sie daher mit dem Ich zusammenbringen müssen vorzugsweise die Willenstätigkeit des Menschen. Der Mensch sagt nur dadurch zu sich Ich, daß er ein Willenswesen ist. Wenn er nur denken würde, so würde das Leben doch nur wie ein Traum ab­laufen. Nun sind wir auf diese Weise, ich möchte sagen, ein organi­scher Zusammenhang von inneren Seelenbetätigungen, die sich im Laufe der Entwickelung in unser Seelenwesen hineingeprägt haben. Ich sagte mit Bezug auf unser Wollen, es habe sich erst während der Erdenentwickelung herausgebildet, auf dem Monde haben noch die geistigen höheren Hierarchien für den Menschen gewollt, die Angeloi. Dadurch war das ganze Wollen des Menschen während der Mondentwickelung ein solches, daß man, wenn man es wieder­um in das hellseherische Bewußtsein zurückruft, zwar eine höhere Stufe erblickt, aber doch ein unwillkürliches Wollen beim Menschen, wie wir auf der Erde es bei der Tierentwickelung haben. Das Tier folgt notwendig dem, was in ihm kocht und brodelt, es ist in dem gemeinsamen Willen seiner Gattungswesenheit darinnen.

Wie während der Mondentwickelung geistige Wesen höherer Art, also die Angeloi, für uns gewollt haben, so wirken jetzt die geistigen Wesen höherer Art, indem sie unser Karma von einer In­karnation zur anderen bestimmen. Nicht in unserem Willen wirken die Angeloi, wohl aber wirken sie im fortgehenden Strom unseres Karma. Geradeso wie der Mensch der Mondentwickelung den Wil­len nicht als den seinen gefühlt hat, sondern als den des Engels, so leben wir nicht als Menschen der Erde in der Meinung, daß wir unser Karma machen: geregelt wird es von den Geistern der höheren

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Hierarchien. Nur dann, wenn unser Wille gewissermaßen einmal schweigen kann, dann kann es vorkommen, daß etwas durchscheint auch für das nicht hellseherisch gewordene Bewußtsein von dem, was sonst verborgen bleibt von dem Gang des Karma.

Halten Sie das fest, was ich ausgeführt habe, daß sich im Men­schen ein Kern bildet, der durch die Pforte des Todes in das geistige Reich eingeht: dieser Kern ist der Träger unseres Karma. Was jeder von uns morgen tun wird, das ist karmisch schon heute in ihm be­stimmt. Wir könnten, wenn wir nicht auf der Erde die Aufgabe hätten, den Willen zu entwickeln, unser Karma durchschauen. Wir würden es so weit durchschauen können, daß wir unter Umständen für die nächste Zeit unser Leben voraussehen könnten. Aber indem in den karmischen Strom der Wille hineinschlägt, verdunkelt uns der den Ausblick auf das, was mit uns, sagen wir, am nächsten Tage geschieht Nur dann, wenn der Wille vollständig schweigt, dann kann es sein, daß etwas durchblickt von dem, was nicht durch uns, sondern mit uns geschieht. Ein Beispiel will ich dafür anführen, das von Erasmus Francisci erzählt wird und auf Wahrheit beruht. Eras­mus Francisci wohnte als junger Mensch bei seiner Tante; und da träumte ihm einmal, daß ein Mann, dessen Name ihm auch im Traume zugerufen wurde, auf ihn schießen werde, aber er werde nicht erschossen, sondern seine Tante werde ihm das Leben retten. So träumte er. Am nächsten Tage, bevor irgend etwas geschehen war, erzählte er den Traum seiner Tante. Diese beunruhigte sich sehr über diesen Traum, sagte ihm, daß ganz kürzlich erst wirklich jemand in ihrer Nachbarschaft erschossen worden sei, und riet ihrem Neffen dringend, lieber zu Hause zu bleiben, damit ihm nichts zu­stoße. Sie gab ihm noch den Schlüssel zur Apfelkammer, damit er jederzeit hinaufgehen könne, sich Äpfel zu holen. Er ging nun zu seiner Stube hinauf und setzte sich an seinen Tisch, um etwas zu lesen. Das, was er da gelesen hatte, war doch etwas, was ihn in diesem Momente weniger interessierte als der Schlüssel zur Apfel-kammer in seiner Tasche, den ihm seine Tante gegeben hatte. Er entschloß sich, hinaufzugehen zur Kammer. Kaum war er aber aufgestanden, als ein Schuß krachte, der gerade so gerichtet

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war, daß die Kugel die Stelle traf, an der sein Kopf sich befunden hatte, während er las. Wäre er nicht aufgestanden, so wäre die Kugel mitten durch ihn durchgegangen. Der Diener des benach­barten Hauses, dessen Name tatsächlich so lautete, wie er dem Erasmus Francisci im Traum zugerufen worden war, und der ihm unbekannt war, dieser Diener wußte nicht, daß die zwei Gewehre, die er zu behandeln hatte, geladen waren, und als er anfing herum­zühantieren, ging das Gewehr los, und wäre Francisci nicht in jenem Augenblick aufgestanden, um zur Apfelkammer zu gehen, deren Schlüssel ihm seine Tante gegeben hatte, wäre er unfehlbar erschossen worden. Der Traum ist also absolut eine Wiedergabe desjenigen, was sich am nächsten Tage abgespielt hat.

Sie sehen, hier liegt ein Ergebnis vor, von dem wir sagen kön­nen, daß bei demselben der Wille gar nichts zu tun hat, denn mit dem Willen konnte Francisci nichts tun; er konnte sich nicht selber schützen, es brach etwas herein, das in das Karma des Menschen so hineinfällt, daß der Mensch weiterleben sollte. Da war es so, daß der das Karma bewirkende Geist schon den rettenden Gedanken hatte. Es ist der Traum die Voraussicht des das Karma lenkenden Geistes, der hinschaut auf das, was am nächsten Tage geschieht, und weil bei diesem jungen Menschen eine solche Seelenanlage da war, daß gleichsam durch natürliche Meditation die Seele schon eine bestimmte Vertiefung erfahren hatte, trat dadurch etwas ein, was ich vergleichen könnte mit etwas im äußeren Leben. Nicht wahr, der Mensch ist ja nur im eingeschränkten Maße ein Prophet in bezug auf das äußere irdische Leben. In gewissem Sinne sind wir alle Propheten, denn Sie alle wissen, daß es morgen zu einer bestimmten Zeit hell werden wird und so weiter, oder daß jemand, der heute übers Feld geht, voraussagen kann, wie es morgen über diesem Felde aussehen wird; aber was er nicht voraussehen wird, ist, daß er nicht weiß, ob es zum Beispiel morgen regnen wird auf diesem Felde und so weiter. So ist es auch mit Bezug auf das Innere. Der Mensch lebt gemäß seinem Willen, und das Karma steckt in diesem Willen darinnen. Wie man sich aneignen kann eine emp­findende Erkenntnis für das Nächste, so kann bei gewissen Menschen,

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die eine innere Vertiefung der Seele erleben, ein solcher Lichtpunkt für das Innere gerade für diejenigen Ereignisse ein­treten, wo der Wille zu schweigen hat. Für das Studium der Geistes­wissenschaft ist es wichtig, manchmal den Blick auf solche Dinge hinzuwerfen, weil es uns zeigt, wie im Menscheninnern durchaus etwas lebt, was in die Zukunft hineinweist und was der Mensch nicht überschauen kann mit dem gewöhnlichen Bewußtsein. Durch den schweigenden Willen kommt das Karma durch.

Alle die Dinge, die uns auf diese Weise durch die geisteswissen­schaftliche Forschung vor die Seele treten können, sind geeignet, uns zu zeigen, wie das, was man die große Täuschung nennt, vorzugs­weise darin besteht, daß der Mensch mit seinem gewöhnlichen Be­wußtsein nicht überschauen kann das, was er ist: daß der Mensch der ganzen Welt angehört, während durch das gewöhnliche Be­wußtsein ihm eigentlich nur die Schale wie eingeschlossen gezeigt wird innerhalb der Haut und so weiter. Aber was da innerhalb dieser Eingeschlossenheit ihm gezeigt wird, ist nur ein Ausschnitt dessen, was der Mensch in Wahrheit ist, und das ist so groß wie die Welt. Und eigentlich schauen wir auf unseren Menschen schon im gewöhnlichen Leben von außen zurück. Wir können uns, wenn wir uns solche Dinge klar zum Bewußtsein bringen, ein Gefühl all­mählich aneignen, wie das im Menschen vorhanden ist, was man den Ätherleib des Menschen nennt. Und wirklich, schon im gewöhn­lichen Leben lassen sich Beobachtungen anstellen, welche uns zei­gen, wie wenigstens dieser zweite Mensch, der ätherische Mensch im physischen Menschen darinnensteckt; nur müssen wir das Leben feiner beobachten, als es gewöhnlich beobachtet wird. Denken Sie sich einmal, Sie liegen morgens so recht faul im Bett, sind noch gar nicht geneigt, aufzustehen, sondern Sie möchten liegen bleiben, und es kommt Sie schwer an, den Entschluß zu fassen, aufzustehen. Wenn Sie das nur zu Hilfe nehmen, was in Ihnen ist, so kommt es Sie schwer an, aufzustehen. Denken Sie aber, es fiele Ihnen ein, daß in dem anderen Zimmer etwas liegen könnte, was Sie seit ein paar Tagen erwarten. Es tritt ein Gedanke an etwas auf, was draußen ist: da werden Sie sehen, daß dieser Gedanke ein kleines Wunder

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wirken kann. Sie werden sehen, daß, wenn Sie sich diesem Gedan­ken etwas hingeben, Sie sogar herausspringen aus dem Bett! Was ist da geschehen? Indem Sie aufwachend untergetaucht sind in den physischen Leib, empfinden Sie das, was der physische Leib Sie empfinden läßt - das ist nicht geeignet, den Aufstehegedanken in Ihnen zu erzeugen; der Ätherleib ist in eine selbständige Verrich­tung gekommen, da Sie ihn durch etwas Auswärtiges engagiert haben: da können Sie in der Tat sehen, wie Sie Ihrem physischen Leib den ätherischen Leib entgegengestellt haben, und wie der Ä therleib Sie faßt und heraushebt aus dem Bett. Man kommt zu einem ganz bestimmten Gefühl gegenüber sich selbst, nämlich zu dem Gefühl, zuzuschauen und zu unterscheiden zwischen zwei Arten von menschlichen Verrichtungen, die man durchmacht. Es sind die Verrichtungen, die man im gewöhnlichen Trodel des Le­bens tut, und solche Verrichtungen, bei denen man spürt, daß innere Aktivität sich geltend macht. Das sind feinere Beobachtun­gen, die man natürlich, wenn man will, immer ableugnen kann. Man muß seine Beobachtungen dem Leben anpassen und das Leben wirklich durchschauen, in der Art, wie es sich stellt: dann wird das ganze Empfinden des Menschen in die rechte Richtung gedrängt. Man muß sich klar sein, daß der Weg in die geistige Welt hinein nicht auf einmal geschehen kann, sondern allmählich aus der Welt herausführt und wir so aufsteigen zu dem, was ich eben angeführt habe, wo für uns das, was uns früher Welt war, sein Totes verliert und selbst zu einer Wesenheit wird.

Auf diese Weise wächst der Mensch erkennend mit der geistigen Welt zusammen. Er wächst zusammen mit demjenigen, von dem wir sagen können, daß es sein Teil ist, wenn er von sich abgelegt hat das, was er durch das Instrument des physischen Leibes hat und was im wesentlichen sein Leben ist zwischen Geburt und Tod. Wir wachsen, indem wir durch die Todespforte schreiten, hinein in die Welt, die sehr ähnlich ist derjenigen, von der jetzt eben gesprochen worden ist als der, die sich der höheren Erkenntnis ergibt. Und dann merken wir das eine unendlich Wichtige: Wir brauchen in dieser Welt, die wir betreten, wenn wir durch die Pforte des Todes

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schreiten, wenn wir in diese Welt uns in der richtigen Weise ein­leben wollen, so wie wir in einem finsteren Zimmer, um es zu erhellen, ein Licht brauchen, so brauchen wir dort dasjenige, was wir im intimsten Innengrunde unserer Seele hier auf der Erde ent­wickeln können. Das Erdenleben ist nicht etwas, was wir bloß als ein Gefängnis, als einen Kerker zu betrachten haben. Gewiß, es gehört zum naturgemäßen Fortgang der Entwickelung, daß der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet. Leben kann der Mensch selbstverständlich in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt; aber das Gesamtieben ist dazu da, daß jeder Teil von uns etwas Notwendiges, etwas Neues hinzugibt, und indem wir durch diesen Zyklus hindurchgehen, der jetzt da ist, soll uns das Leben hier dasjenige geben, was wie eine Fackel sich entzündet, wodurch wir nicht nur leben in diesem Leben des Geistes, sondern wodurch wir erkennen und dieses Leben durchleuchtend leben. Das Licht, das uns erleuchtet, das ist dasjenige, was von uns gleichsam als das Bleibende erobert wird zwischen Geburt und Tod für das Leben zwischen Tod und neuer Geburt.

Das ist es, wovon immer gesagt werden soll, daß gerade in unserer Zeit möglichst viele Menschen es begreifen sollen: daß für das geistige Leben wie eine erleuchtende Flamme dasjenige sein muß, was man hier von der geistigen Welt begreift in der phy­sischen Welt, in physischen Leib. In gewisser Beziehung sollte ge­rade alles das Schwierige, was in der Gegenwart der entwickeltste Teil der Menschheit durchzumachen hat, eine Mahnung sein zur Vertiefung des seelischen Lebens, und es muß das sein, daß aus den Tiefen der menschlichen Seele herausgeholt wird eine Sehnsucht nach den Welten, denen der Mensch als Seele angehört. Möge in der Zeit, in der wir jetzt leben, vorbereitet werden jene Sehnsucht, wodurch jede Seele sich sagt: der Mensch ist noch etwas ganz ande­res, als was er uns erscheint dadurch, daß er von einem Leibe um­kleidet ist. Möge das, was erlebt wird, als eine Mahnung dastehen für die Vertiefung, für die Versenkung der Seele zum geistigen Empfinden, zum geistigen Sehen. Und auch wiederum aus diesem Bewußtsein der Notwendigkeit geisteswissenschaftlicher Vertiefung

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in unserer Zeit und aus dem Bewußtsein, daß die Schwierigkeit unserer Zeit eine Mahnung sein soll, soll auch heute geschlossen werden mit dem, womit wir immer geschlossen haben, bevor wir auseinandergehen. Hoffentlich werden wir diese Betrachtungen in nicht allzu ferner Zeit wiederum hier fortsetzen können, heute seien sie beschlossen mit den Worten:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

ZWÖLFTER VORTRAG Berlin, 10. Juni 1915 Über die plastische Gruppe für den Bau in Dornach

#G157-1960-SE237 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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ZWÖLFTER VORTRAG

Berlin, 10. Juni 1915

Über die plastische Gruppe für den Bau in Dornach

#TX

Wenn das Karma der Zeit, das Karma unserer Bewegung einmal es gestatten werden, daß der Bau, der zur Pflege unserer Bewegung in Dornach aufgerichtet werden soll, fertiggestellt werden kann, dann wird an einem bedeutungsvollen Orte, an dem Orte, der nach dem Osten zu gerichtet ist, eine plastische Gruppe stehen.

Es ist ja das Bestreben, durch künstlerischen, und zwar im gei­steswissenschaftlichen Sinne künstlerischen Ausdruck, innerhalb unseres Baues uns auch wirklich vor die Augen, vor die physischen Augen hinzustellen, was Inhalt und Substanz unserer geistigen Bewegung sein soll, und vor allen Dingen dasjenige, was sie bedeu­ten soll der Zeit und der Fortentwickelung der Menschheit auf gei­stigem und kulturellem Gebiet überhaupt. Ich möchte sagen: alles einzelne soll so eingerichtet werden, daß es erscheint als Teil nicht nur einer geisteswissenschaftlichen Gesamtheit, sondern erscheint als Teil von künstlerischen Formen, aber auch sogar von künstle­rischen Einrichtungen. So versuchen wir ja das Problem der Aku­stik in diesem Bau zu lösen. Gewiß werden solche Probleme nicht gleich auf den ersten Anhub gelöst werden, aber Richtung wird wenigstens gegeben werden, indem gezeigt werden wird, wie man durch geometrische Berechnung oder durch die gewöhnlichen architektonischen äußeren künstlerischen Regeln das Problem der Akustik nicht lösen kann, sondern nur auf dem Wege des geistes-wissenschaftlichen Denkens.

Der kuppelförmige Überbau wird ein doppelter sein, und er wird nach dem Prinzip des Violinresonanzbodens wirken und da­mit einen Teil des akustischen Gedankens des Raumes zum Aus­druck bringen. Vieles einzelne würde in Betracht kommen, wenn man die Einrichtungen klarlegen wollte gerade mit Bezug darauf, daß das Wort oder auch der Ton in einer anderen Weise zur Gel-tung kommen, als sie so häufig zur Geltung kommen können in

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unserer Zeit, wo ja zuallermeist nicht Rundbauten, die für das Aku­stische gedacht sind, geschaffen werden, sondern Bauten, wo vor allen Dingen die Geltung des einzelnen Tones neben seinem Vor­und Nachton gar nicht zur Geltung kommen kann, weil dabei an gewissen Punkten der Räume immer der eine in den anderen hineinschwimmen kann. Es wird versucht werden, daß ein Ton klar auseinandergelegt zur Geltung kommen kann von allen Punkten des Raumes, und auch zur Geltung kommen kann das klar gespro­chene Wort. Aber das will ich nur andeuten. Hauptsächlich möchte ich sprechen über die Gruppe, welche gegen Osten zu an einer wichtigen Stelle des Baues stehen wird. Sie soll darstellen zunächst eine Gruppe von drei Wesenheiten. Was noch dazukommt, das wird vielleicht bei einer spateren Gelegenheit einmal erwähnt wer­den können, weil diese Dinge ja nicht nach einem von vornherein gefaßten abstrakten Gedanken gearbeitet werden, sondern nach den Intuitionen der geistigen Welt, wie sie sich im Laufe der Arbeit ergeben.

Zunächst kommen drei Wesenheiten in Betracht. Eine steht auf­recht da. Sie drückt aus, wenn ich so sagen darf - aber nun nicht auf sinnbildliche, symbolische Weise, wie man das so oft auch in unseren Kreisen auszulegen versucht hat, sondern sie drückt aus in einer wirklichen künstlerischen Weise dasjenige, was der Mensch als solcher ist.

Gewiß wird man in dieser Gestalt sehen können, daß das Irdisch-Menschliche am konzentriertesten in derjenigen Gestalt zum Aus­druck gekommen ist, in welcher gewohnt hat während dreier Jahre der Christus - gewiß wird man in dieser Gestalt auch sehen können, der Ausdruck sei der des Christus. Aber man wird die ganze Sache nicht pressen dürfen, nicht mit der Idee vor die Gruppe treten kön­nen: ich werde jetzt mir den Christus ansehen. Wenn jemand auf die Idee kommt, aus seinem eigenen Empfinden heraus und aus künstlerischer Intuition heraus, so wird es gut sein; aber richtig ist es nicht, gleich mit der Idee, das sei der Christus, an die Gruppe heranzutreten. Nicht darauf kommt es an, gleich wiederum mit der Symbolik an die Sache heranzutreten, das sei der Christus.

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Da steht diese Figur an einem kleinen Hang eines Felsens; hinter ihr erhebt sich der Fels in die Höhe. Sie steht mit den Füßen an einer Ausladung des Felsens. Diese Ausladung hat eine tief hinein­gehende Höhle. In dieser Höhle sitzt eine andere Wesenheit; ich möchte sagen, sie ist dort hingekauert; eine Wesenheit, die zum Ausdruck bringen soll etwas, was zusammenhängt mit der Wesen­heit, die darüber steht. Diese Wesenheit, die sieht man so, daß sie etwas wie Kräfte von ihren Händen ausstrahlen, ausströmen läßt. Man sieht dann noch in der Felsenhöhle, wie diese Kräfte hinein-strahlen. Es ist die Hand in der Felsenhöhle drinnen; Kräfte strahlen aus und drücken sich in der Form einer Hand in dem Felsen ab. Es ist die Hand noch zu sehen, aber es ist nicht die Hand, es sind die Kräfte da und drücken sich in Form einer Hand ab.

Es ist eine Wesenheit, die eigentlich nur dem Kopf nach eine an den Menschen erinnernde, eine dem Menschen ähnliche Gestalt hat. Sonst hat sie große, mächtige fledermausartige Flügel und einen drachen- oder wurmförmigen Leib. Man sieht etwas, was sich um die Gestalt herumwindet und unter dem sich die Gestalt selbst win­det. Und man sieht, daß das, was sich um die Gestalt herumwindet, zusammenhängt mit der aufrechtstehenden Gestalt, daß es mit der ausgestreckten Hand der Gestalt in Verbindung steht. Von der strahlen Kräfte hinein, und die bringen etwas zum Umwinden. Man wird, wenn man ein wenig den Eindruck auf die eigene Seele spielen läßt, zu der Empfindung kommen, daß das das Gold ist, das da innen in den Klüften der Erde fließt, und daß die Gestalt da innen durch das Gold in den Klüften der Erde gefesselt ist. Die andere Hand ist nach aufwärts gerichtet.

Und dort oben auf dem Felsen ist nun wieder eine, dem Kopf nach menschliche Gestalt, nicht mit Fledermausflügeln, sondern mit zu Boden hängenden Flügeln; und der Körper ist in einer Weise gestaltet, daß man eine Ahnung haben kann: ja, was ist dieser Körper? Der Körper ist so etwas, als wenn der ganze Mensch Gesicht geworden wäre; als wenn ein Gesicht in die Länge gezogen wäre, elastisch ausgezogen und dadurch Körperformen entstanden wären. Diese Gestalt ist oben auf dem höchsten Gipfel des Felsens,

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und sie stürzt hinunter. Im Hinuntersturz werden die Flügel ge­brochen. Und man sieht, daß die von der Hauptgestalt hinauf­langende Hand sich abdrückt im Flügel.

So haben wir drei Gestalten: der Mensch steht da in seiner Wesen­heit; unter ihm, Sie ahnen es wohl, Ahriman, der in den Klüften der Erde gefesselt wird durch jene Wirkung, die ausgeübt wird von der ausgestreckten Hand der Hauptgestalt auf das in den Klüften der Erde befindliche Gold, durch das er sich selbst fesselt. Die andere Hand greift nach oben, und sie bringt die Flügel Luzifers zum Bruch, der dadurch in die Tiefe stürzt.

Nun kommt es darauf an, daß niemand - wie das auch ein biß­chen gleich versucht worden ist, als in einem Vortrag diese Idee ausgesprochen war - in der Gegenwart schon aus den Gesetzen der Bildhauerkunst heraus diese Sache macht. Auf bloße Versinnbild­lichung kommt es nicht an, sondern darauf, daß jeder einzelne Zug in den drei Wesenheiten in den aller-, allerminutiösesten Einzel­heiten aus der geisteswissenschaftlichen Anschauung heraus ge­schaffen ist. Da wird man zu sehen haben an der Bildung der zwei ans Menschliche erinnernden Antlitze von Ahriman und Luzifer, wie man diesen Gegensatz zu denken hat. Bei Luzifer wird man es zu tun haben mit einer eigentümlichen Art der oberen Kopfbildung, an die die menschliche nur erinnert. Da ist alles Bewegung des Geistigen, da ist nichts, was uns zwingt, die einzelnen Glieder der Stirn in festen Grenzen zu halten, wie das beim Menschen der Fall ist, sondern da ist jedes einzelne am oberen Kopf so beweglich, wie die Finger und die Hände an dem Arm beweglich sind. Selbst-verständlich kann man das nur hinstellen, wenn die Bewegungen die wirklichen Bewegungen sind, wie sie sich bei Luzifer finden. Und dann ist vor allem zu bemerken, daß an dieser Gestalt das­jenige da ist, was in dem Luziferwesen von dem Mondendasein zurückgeblieben ist. Das stülpt sich über das eigentliche Antlitz, das sehr tief hinein zurücktritt.

Sie können sich aus dieser Beschreibung schon denken, daß wir es mit ganz anderem zu tun haben als mit dem gewöhnlichen menschlichen Antlitz. Es ist, wie wenn der Schädelkopf für sich

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wäre und unten hineingesteckt dasjenige, was beim Menschen das Antlitz ist. Und dann kommt noch etwas hinzu: daß eine gewisse Verbindung gerade bei Luzifer hinzutritt zwischen dem Ohr und dem Kehlkopf. Ohr und Kehlkopf sind ja beim Menschen erst seit seinem Erdendasein auseinandergeschnitten; sie waren im Monden dasein ein einziges Organ. Was die kleinen Flügel am Kehlkopf sind, das waren mächtige Verbreiterungen, die dann die untere Ohrmuschel bildeten. Mächtige Ohrmuscheln bildeten sich etwa da, während das obere Ohr, was jetzt nach außen geht, von der Stirn aus gebildet ist. Und was heute getrennt ist, so daß, wenn wir spre­chen und singen, dieses nach außen geht und wir nur mit dem Ohr zuhören, das ging während der Mondenzeit nach innen und von da in die Sphärenmusik. Der ganze Mensch war Ohr. Das kommt da­her, daß das Ohr die Flügel waren; so daß Sie haben Ohr, Kehlkopf und Flügelbildungen, die nach den Schwingungen des Weltenäthers sich harmonisch-melodisch bewegen, die dann hervor­bringen die eigentümliche Erscheinung des Luzifer; die heranbrin­gen, was makrokosmisch ist, denn Luzifer hat nur lokalisiert, was eigentlich nur kosmisch ist.

Sie werden da sehen, daß man Konzessionen machen muß, damit die Menschen nicht erschrecken, wenn sie ein Gesicht sehen, das uns nicht Menschengestalt zeigt. Dann werden Sie sehen, daß sein Gesicht langgestreckt sein muß. Luzifer muß aussehen wie ein in die Länge gezogenes Antlitz, denn er ist ja ganz Ohr, die Flügel sind ja ganz Ohr, eine in die Länge gezogene Ohrmuschel. Der Ahriman dagegen ist genau das Gegenteil, und natürlich ist, daß in der Modellierung, überall da, wo bei Luzifer etwas mächtig aus­gedehnt ist, wo wir bei Luzifer völlig ausgestalten, bei Ahriman nur Andeutungen sind. Während bei Luzifer der Stirnflügel mäch­tig ausgebildet ist, ist es bei Ahriman der Unterkiefer. Der ganze Materialismus der Welt drückt sich in der Bildung des Kau- und Zahnsystems aus.

Natürlich kann man das alles nicht nach der Beschreibung machen, sondern man muß die Beschreibung hinterher geben. Das­jenige aber, was besonders wichtig ist, meine lieben Freunde, das

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ist: es hat sich die Notwendigkeit ergeben, bei der Hauptgestalt einmal abzugehen von dem, was jedem so natürlich erscheint, daß man ein menschliches Antlitz symmetrisch macht. In der Regel erscheint ein Antlitz symmetrisch. Im kleinen sind ja Asymmetrien bei jedem vorhanden, es ist nur nicht so stark sichtbar, daß man es bemerkt. Aber bei dieser Hauptgestalt kommt das in Betracht, daß die ganze linke Seite hinauftendiert zu Luzifer, und daß die linke Stirnbildung eine andere ist als die rechte Stimbildung, die nach Ahriman hintendiert. Es folgt die linke Hälfte des Gesichtes der nach oben bewegten Hand und die rechte Hälfte der nach unten bewegten Hand. Und das kommt nun zum Ausdruck, daß in die Hauptgestalt eine größere innere Beweglichkeit gelegt werden mußte, als für den Menschen da sein kann.

Über dieser plastischen Gestalt wird das ganze Motiv malerisch dargestellt sein, so daß man beides nebeneinander sehen kann und einsehen, wie nach der Verschiedenheit der Künste die Malerei nicht in derselben Weise das geben kann, sondern alles, alles anders sein muß in der Ausgestaltung. Dasjenige, was ich hervorheben will, ist das Folgende: Etwas ganz Wesentliches wird sein, daß wir bildhauerisch her­ausbekommen die Handbewegung der Hauptgestalt, diese Hinauf-bewegung der linken Hand nach oben und die andere Handbewe­gung nach unten. Denn das, was jeder beim ersten Blick als selbst-verständlich empfinden könnte, daß die Hauptfigur mit der Linken nach Luzifer hinauflangt und durch seine Ausstrahlung dem Luzifer die Flügel bricht und mit der Rechten dem Ahriman die Goldadern umwindet, das muß vermieden werden, und zwar gerade aus dem Grunde, weil wir, besonders in unserer Zeit, durch die Geisteswis­senschaft erst daran sind, den Christus wirklich zu begreifen. Der Christus ist weder ein Hassender noch ein ungerecht Liebender. Er streckt nicht die Hand aus, um dem Luzifer die Flügel zu bre­chen, sondern der Christus ist derjenige, der die Hand ausstreckt, weil er es muß aus seiner inneren Wesenheit heraus. Er zerbricht nicht dem Luzifer die Flügel, aber Luzifer oben verträgt nicht das, was von dieser Hand ausstrahlt und bricht sich selbst die Flügel. Es

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muß daher in der Gestalt des Luzifer ausgedrückt werden, daß ihm nicht von dem Christus die Flügel gebrochen werden, sondern daß er sich selbst die Flügel bricht. Es ist im Leben eine häufige Er­scheinung, daß Menschen, die in der Umgebung von guten Men­schen leben, es nicht aushalten können, weil sie sich durch das, was von guten Menschen ausgeht, unbehaglich berührt fühlen. Luzifer fühlt in seinem Innern etwas, was macht, daß er sich selber die Flügel bricht. Selbsterkenntnis in Luzifer, Selbsterlehnis ist dies. Ebenso in Ahriman. Christus tut den beiden nichts, so daß weder die linke noch die rechte Hand so ausgestreckt ist, als wenn er dem Luzifer oder Ahriman etwas täte. Er tut ihnen nichts, sondern sie tun sich selbst, was mit ihnen geschieht.

Und damit stehen wir auf dem Boden, auf dem Geisteswissen-schaft eingreift in unserer Zeit, um eine erst richtig geartete Christus-Auffassung zu geben. Und wenn man so etwas versteht, so muß man folgendes sagen. Es werden diese Dinge in aller Bescheiden­heit gesagt, denn dieser Bau ist nur ein Anfang, ein allererster An­fang, ein schwacher, fehlerhafter Anfang, der nur zeigen soll, wo­hin der Weg, der in keiner Hinsicht vollkommen sein will, geht. Daher soll, was gesagt wird, nicht als etwas Hochmütiges, sondern nur als ein rein Sachliches aufgefaßt werden.

Die Weltgeschichte hat viele Christus-Darstellungen gesehen; unter anderen ist eine der größten diejenige, die in der Sixtinischen Kapelle sich befindet: Michelangelos «Jüngstes Gericht>. Wenn Sie den Christus studieren in diesem «Jüngsten Gericht>, wie er da oben in seiner napoleonischen Größe, aber zugleich mit einer un­geheuren Kraft in den Lüften schwebt und nach einer Seite weist die Guten und nach der anderen Seite die Bösen, da haben Sie einen Christus, der in der Zukunft kein Christus sein kann, weil er auf der einen Seite die Guten belohnt und auf der anderen Seite die Bösen verdammt; während es für den Christen der Zukunft so sein muß, daß jeder sich durch das, was durch den Christus da ist, sel­ber lohnt und selber verdammt. Michelangelo lebte eben in einer Zeit, wo man etwas Tiefstes in bezug auf den Christus noch gar nicht ausdrücken konnte. Die Gestalt, die Michelangelo zeichnet,

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hat vielmehr auf der einen Seite Luziferisches, auf der anderen Seite etwas Ahrimanisches. Das ist heute ausgesprochen etwas wie ein schmerzhaftes Wort. Aber nur dadurch schreitet die Menschen-entwickelung in ihrer Kultur weiter, indem man zeigt, wie die Ideale vergangener Zeiten nicht mehr die Ideale der Zukunft sein können. Es wird über die Ideale der Zukunft kommen, daß man die Christus-Wesenheit auffaßt nach dem, was sie ist, nicht nur nach dem, was sie tut oder tun wird, wenn das Ende der Erdenentwicke­lung da sein wird: Eine Wesenheit, die durch ihr Sein bewirkt, was in den Seelen selbst geschehen muß. Insofern ist die Gruppe, die wir hinstellen an den bedeutsamen Ort unseres Baues, ein Ausdruck dafür, daß die bisherige Christus-Auffassung keine in die Zukunft hineingehende sein kann, weil man das richtige Verhältnis zwi­schen Christus, Luzifer und Ahriman gar nicht eingesehen hat. Man kann den Christus nicht verstehen, wenn man nicht das richtige Verhältnis zu den Mächten hat, die man auf der einen Seite als luziferische, auf der anderen Seite als ahrimanische ins Auge faßt, und die wirkliche Weltenmächte sind.

Man kann diese Sache durch einen Vergleich klarmachen, indem man immer wieder auf das Pendel hinweist. Das Pendel schwingt nach links und rechts. Indem es nach einer Seite ausschlägt, ist es nicht in der Gleichgewichtslage, und indem es nach der anderen Seite ausschlägt, ist es nicht in der Gleichgewichtslage. Aber es wäre nur in Nichtstun, in Trägheit, im Faulenzen, wollte es immer in der Gleichgewichtslage sein, wollte es nicht ausschlagen. Die richtige Lage hat es, wenn es in der Mitte steht; aber es kann nicht bloß in der Mitte stehen, es muß nach rechts und links ausschlagen.

So ist das Menschenleben. Es ist nicht so, daß man sagen kann: Ich fliehe Luzifer, ich fliehe Ahriman. Wollte man sagen, ich fliehe Luzifer, ich fliehe Ahriman, das wäre nicht Leben. Das wäre wie ein Pendel, das nicht ausschlägt. Das Menschenerleben schlägt wirklich aus; auf der einen Seite nach Luzifer, auf der anderen Seite nach Ahriman. Und daß man nicht Furcht hat davor, das ist das Wichtige. Würde man Luzifer fliehen, so gäbe es keine Kunst; würde man Ahriman fliehen, gäbe es keine äußere Wissenschaft.

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Denn alle Kunst, die nicht von Geisteswissenschaft durchdrringen ist, ist luziferisch, und alle äußere Wissenschaft, insofern sie nicht Geisteswissenschaft ist, ist ahrimanisch. So pendelt der Mensch hin und her. Und daß er einsieht, daß er im Gleichgewicht und nicht in der Ruhe sein will, das ist das Wichtige. Es hat eine Zeit gegeben, wo man gesagt hat: man muß das Luziferische fliehen und asketisch sich frei davon machen. Das Luziferische nicht fliehen, sondern wirklich dem luziferischen Antlitz gegenüberstehen, das ist es, worauf es ankommt, wirklich nach der einen Seite hin zu Luzifer, nach der anderen Seite hin zu Ahriman ausschlagen. Das ist es, daß es wirklich einander entgegengesetzte Kräfte sind, wie andere Natur­kräfte, zum Beispiel die beiden Elektrizitäten oder die beiden Pole des Magnetismus und so weiter. Also darauf wird es ankommen, daß man diese Dreiheit, das Luziferische, das Ahrimanische und das, was die Christus-Wesenheit ist, erkennt, und daß man innerlich die wirkliche in sich gebaute Größe des Christus erkennt, die der Michelangelosche Christus noch nicht hat. Das, meine lieben Freunde, ist die Aufgabe der geisteswissenschaftlichen Arbeit. Aber wir stehen damit erst am Anfang einer Erkenntnis, die wirklich erst die gewöhnliche werden muß.

Sehen Sie, es ist ja von mir auch in den letzten Wochen an die­sem Orte erwähnt worden, daß man von gewissen Gesichtspunkten aus von keiner größeren Dichtung sprechen kann als von Goethes Faust-Dichtung. Goethes « Faust» drückt ja wirklich, weil er das Menschliche aus einer solchen Tiefe herausholt, ein Größtes aus, was die Menschheit je hervorgebracht hat. Nun hat ja Goethe ver­sucht, in dem Faust einen wirklichen Repräsentanten der Mensch­heit darzustellen.

Ich habe ja schon öfters ausgeführt, daß Mephisto im Grunde nichts anderes ist, als Luzifer und Ahriman durcheinandergemischt. Aber wie lag die Sache bei Goethe? Bei Goethe lag die Sache so, daß er noch nichts gewußt hat von dieser Zweiheit des Luzifer und Ahriman und daß er in dem Mephistopheles Ahriman und Luzifer zusammengebraut hat. Beides ist in seinem Mephisto darin, und da­durch ist dieser ganze Goethesche «Faust» trotzdem nicht dasjenige

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geworden, was er hätte werden können, wenn Goethe in der Lage gewesen wäre, neben Faust auf der einen Seite den Luzifer, auf der anderen Seite den Ahriman hinzustellen, so daß man die durch die ganze Menschheit gehende Dreiheit hätte sehen können. Darin lag ja die ganze Schwierigkeit, die Goethe in bezug auf seinen «Faust» hatte. Sehen Sie, als Goethe seinen « Faust» begann, da hat er diesen «Faust» nur so weit bringen können, als er in den siebziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts selber war. Er fühlte: mit dieser äußeren Wissenschaft, die sich ausdrückt in der Vierheit: Philosophie, Juri­sterei, Medizin und, wie er sagt, leider auch Theologie, geht es nicht. Dieses ahrimanische Wissen, das befriedigt Faust nicht; er kommt dadurch nur in eine ahrimanisch-verstandesmäßige Verbindung mit dem Weltenzusammenhang, er will diesen Weltenzusammen­hang wirklich haben, durch die Quellen des Lebens erleben das Lebendige, was nicht ein Erdachtes ist. Das Lebendige: Der Erd­geist kommt. Allein Faust kann ihn nicht ertragen. Und nachher kommt durch die Tür herein - im allerersten Entwurf ist es so -, durch die Tür herein kommt Wagner. Ja, wenn heute viele Leute oftmals über den Faust reden, auch über Wagner reden, dann hat man so das Gefühl, der Wagner redet über den Wagner, denn über den Bühnen-Faust wird in unserer Gegenwart zumeist «wagne­risch» geredet. Was ist denn eigentlich dieser Wagner? Ja, was kommt denn in dem Erdgeist herein?

Wir wissen ja, daß alle Welterkenntnis Selbsterkenntnis ist. Es ist ein Stück von Faust selber, was in dem Erdgeist hereinkommt, allerdings von der erweiterten Seele, die sich mit dem Kosmos identifiziert. Aber Faust kann sie noch nicht begreifen. Er langt noch nicht hinauf zu dem, was auch Teil seines Selbstes ist. Nun wird gezeigt, bis wohin er gekommen ist Und wenn man den Faust einmal richtig darstellen würde, richtiger als das vielleicht Goethe selbst getan hat, so würde man heute Wagner als ein etwas karikiertes Konterfei mit der Maske und dem Kostüm des Faust hereinkommen lassen müssen, denn ein anderes Glied, ein anderer Teil des Faust kommt in dem Wagner herein. Faust spricht selber nachdem: er war «ein furchtsam weggekrümmter Wurm». Jetzt

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begreift er sich selbst. «Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mit!» hat ihm der Erdgeist zugerufen. Jetzt kommt der Geist, den er begreift, der Wagner kommt. Und so geht es, ich möchte sagen, fort. Und nachdem der Erdgeist nicht begriffen worden ist, kommt eigentlich nur eine andere Gestalt des Erdgeistes: der Mephisto, der jetzt auftritt sowohl als Luzifer - wenn er Faust führt durch alles, was der Mensch durchleben kann, indem er bloß seiner Leidenschaft folgt, niederen Leidenschaften in Auerbachs Keller, edleren Leidenschaften, die aber bis ins Hexenwesen und in schwarze Magie hineingeführt werden - bis im zweiten Teil an Stelle von Luzifer Ahriman treten müßte. Alles dies kann man ja sehen, wenn man den «Faust» wirklich verständig liest. Aber es gibt auch äußere Beweise genug dafür. Ich habe das schon gesagt, daß es unter den Dingen, die Goethe später ausgeschaltet hat, eine Stelle gab, wo Mephisto einmal Luzifer genannt wird.

Goethe hatte immer ein Unbehagliches in seinem Gefühl, wenn er diese Gestalt hinstellt, die eigentlich aus zweien besteht. Ins­besondere sieht man das Luziferische da, wo auch die religiösen Empfindungen des Faust auftreten, die in den Wagner-Gesprächen als etwas besonders Kurioses in die Höhe geschraubt werden. Wenn Faust, von Gretchen katechisiert, in den Gesprächen über Gott sagt:

Gefühl ist alles,

Name ist Schall und Rauch,

Umnebelnd Himmelsglut!

so wird das als die höchste Darstellung des Göttlichen angesehen, als die höchste Darstellung des Religiösen gefeiert. Man braucht nicht nachzudenken: «Gefühl ist alles»; damit sagt man, das ein­zige, was man als Religiöses haben will, ist das, was ein Gretchen fassen kann, und vergißt nur immer, daß Faust diesen Unterricht dem sechzehnjährigen Gretchen gibt und daß er darin nur gibt, was Gretchen fassen kann. Nicht für Philosophen ist das da, was Faust sagt über «Umnebelnd Himmelsglut», und das wird nur schlecht verstanden, wenn man die Gretchen-Wissenschaft im pro­fessoralen Gewande immer wiederum sieht.

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Das alles zeigt, daß Goethe zunächst die luziferische Wesenheit in seiner Doppelmaske zum Ausdruck gebracht hat. Im zweiten Teil ist es mehr die ahrimanische, wo Mephisto zur Zeugung des Homunculus führt, zur Heraufbeschwörung der Helena und zu alledem, was Faust nun wirklich zur Kenntnis der Welt bringt, die ganz anders ist als alles das, was Faust Nun muß man sagen: mancherlei ist ja schon in den Einzelhei­ten immer wiederum und wiederum schlecht verstanden auch in unserer Zeit. So, wenn ausdrücklich hingedeutet wird, daß Homun­culus etwas im Inneren des Menschen will, das entwickelt werden muß zur vollen Menschlichkeit: «und bis zum Menschen hast du Zeit», da es ja durch Niederes erst geht; es wird ja gesagt: «Nur strebe nicht nach höheren Orden.» Was da schon erklärt worden ist, ist ganz kurios. In Wirklichkeit heißt es ja selbstverständlich

- denn Goethe hat da mal wieder Frankfurterisch gesprochen -«Nur strebe nicht nach höheren Orten» und ist nicht ein Hinweis, daß solche Wesen wie Homunculus mit menschlichen Ehrenzeichen geschmückt werden.

Ein anderes ist, wo Homunculus erzeugt wird, wo Wagner beschreibt, wie sich etwas regt in der Retorte:

Es wird! Die Masse regt sich klarer,

Die Überzeugung wahrer, wahrer!

Überzeugung ist von Zeugung gebildet, wie Übermensch von Mensch. Erst seit Nietzsche vom Übermenschen gesprochen hat, reden die Menschen davon, daß es einen Übermenschen gibt, Goethe hat schon lange vorher vom Übermenschen gesprochen. Und so lesen sie, die Menschen, hier Überzeugung, aber im Gegen­teil von Zeugung ist es eine Überzeugung, wie man sagt: Mensch und Übermensch.

Das sind Dinge, die erst im einzelnen begriffen werden müssen, damit man einsieht, was Goethe hat sagen wollen. Aber man muß den großen, freien Standpunkt gewinnen, man muß wirklich die Sendung unserer Zeit in bezug auf Geisteswissenschaft einsehen

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und einsehen, daß ein Geist wie Goethe gesucht hat, seine Zeit vorzubereiten auf diese Sendung.

Als Schiller ihn im Jahre 1797 aufmerksam gemacht hat, daß er den «Faust» vollenden soll, da sagt Goethe, er habe den alten Tragelaphen - das ist ein Wesen, halb Tier, halb Mensch - wieder hervorgeholt. Goethe nennt ihn einen Tragelaphen, und er nennt ihn am Ende des achtzehnten Jahrhunderts eine barbarische Kom­position. Das muß man sehr ernst nehmen, denn Goethe hat schon verstanden, wie gut und wie schlecht sein «Faust» war. Das alles gehört zu dem, was Geisteswissenschaft heranziehen soll, daß wir uns zu einem freien Standpunkt gegenüber diesen Dingen erheben. Daß Goethe darstellen wollte das Arbeiten des spirituellen Selbstes, des Unsterblichen im Menschen hinauf zum Höheren, das zeigt er dadurch, daß er eine Skizze gemacht hat um die Wende des acht­zehnten und neunzehnten Jahrhunderts zu dem, was der Faust wer­den sollte, wo er zuerst gesagt hat: «Lebensgenuß der Person, von außen gesehen»; dann schreibt er auf: «Schöpfungsgenuß von innen», und zum Schluß, nachdem er den ganzen Weg des Faust genommen hat, hat er aufgeschrieben: «Epilog im Chaos auf dem Weg zur Hölle.»

Was alles ich da an Diskussionen habe anhören müssen, das ist wirklich etwas, was einem innerste Überraschung bereiten kann; denn die Leute haben darüber nachgedacht: Ja, hat denn Goethe noch geglaubt um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts, daß sein Faust zur Hölle fahren muß? Die Lösung ist einfach die, daß es nicht Faust ist, der spricht, sondern daß der ab­ziehende Mephisto den Epilog hält, nachdem Faust den Weg zu seinem unsterblichen Selbst gegangen ist

So sehen wir auch in Goethes «Faust» etwas, was auf dem Wege liegt, aber erst auf dem Wege zu dem, was durch die Hauptgruppe unseres Baues zum Ausdruck gebracht werden soll: eine wirklich konkrete Auffassung der menschlichen Gestalt, indem auf der einen Seite erscheint, wonach die Seele immer ausschlagen muß, und auch auf der anderen Seite, wonach die Seele ausschlagen muß. Solange man alles zusammenhält oder nur eine Zweiheit sucht, kann man

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zu einer wirklichen Erkenntnis des Menschen nicht kommen. Das ist das Wesentliche, was festzuhalten ist. Fesrzuhalten ist, daß es wirklich aus der deutschen Kultur heraus sich ergibt, gerade diese Idee zu verkörpern. Es gibt auf der Erde zwei Gegenpole der Kul­tur, die ihre Berechtigung haben, die nicht in ihrer Unberechtigung dargestellt werden, sondern in ihrer Berechtigung, wenn man hin­weist auf sie. Da haben wir auf der einen Seite die rein orientalische Kultur. Worin besteht diese orientalische Kultur? Das Orientalische in der Kultur besteht darin, daß gesucht wird eine bloß innerliche Vertiefung, mit Abstreifung alles dessen, was äußerer Prozeß des Daseins ist. Und so sehen wir, wie in der höchsten Blüte dieser orientalischen Kultur, in der indischen Kultur, alle Anweisungen, alles Wissen dahin geht, die Seele so zu bilden, daß sie frei wird von dem, was physischer Leib ist. Es ist eine rein luziferische Kul­tur, eine bloß luziferische Kultur. Je weiter wir nach dem Osten kommen, kommen wir zu dem Luziferischen.

Und kommen wir nach dem Westen, wohin kommen wir da? Nehmen wir gleich den äußersten Westen. Uns ist es natürlich, namentlich, wenn wir etwas von Geisteswissenschaft aufgenommen haben - und ich möchte es Ihnen an einem Beispiel zeigen -, uns ist es klar, daß, wenn wir sehen, daß ein Mensch aus einer mehr materialistischen Weltanschauung in eine mehr spirituelle Welt­anschauung kommt, wir uns fragen: was geht in der Seele eines solchen Menschen vor? Wir müssen gerade dann, wenn wir bei einem solchen Menschen einen solchen Umschwung in seiner Seele wahrnehmen, uns in das Innere dieses Menschen begeben, um das, was er in seiner Seele durchgemacht hat, mit ihm mitzuerleben. Und nichts erscheint uns bedeutsamer, als solches mitzuerleben mit einem Menschen.

Sehen Sie, in Amerika hat man auch gesehen, daß Menschen etwas durchmachen, was man dort Bekehrung nennt, das heißt einen Umschwung von einer materialistischen Anschauung zu einer spirituellen. Was tut man da? Man setzt sich hin - wenn ich auch die Sache etwas radikal erzähle, es ist schon so -, man setzt sich hin und schreibt an die Menschen, die so etwas durchgemacht haben,

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einen Brief und läßt sich die Frage leeantwotten, aus welchen Grün­den sie diesen Umschwung durchgemacht haben. Und dann, na dann macht man ein Schema, dann stellt man Kategorien auf, zum

Beispiel:

1. Kategorie: Furcht vor dem Tode und der Hölle (und legt solche Briefe auf einen Haufen zusammen).

2. Kategorie: Alttuistische Beweggründe, Selbstlosigkeit.

3. Kategorie: Egozentrische Motive.

4. Kategorie: Streben nach dem sittlichen Ideal.

5. Kategorie: Gewissensbisse und Sündenbewußtsein. 1, 2, 3 Briefe.

6. Kategorie: Befolgung von Lehren. 1, 2, 3 Briefe.

7. Kategorie: daß Leute gekommen sind in dieses oder jenes Alter.1, 2, 3 Briefe. Dann

8. Nachahmung. 1, 2, 3 Briefe. Wieder eine Kategorie Leute, die gesehen haben, daß Menschen an einen Gott geglaubt haben, und dies nachgeahmt haben. Dann

9. Hiebe.

14 % Furcht vor der Hölle.

6% andere Motive.

7 % Streben nach dem Ideal.

8% Sündenbewußtsein.

13 % Nachahmung und Beispiel.

19 % Hiebe.

Jetzt hat man eine Bekehrung.

So haben wir das Gegenteil. Im Indischen keine Rücksicht auf das, was außen vorgeht. Einem Inder würde das verkehrt vorkom­men; er würde das Wort «verrückt» gebrauchen, wenn man äußer­lich Prozente derer angeben wollte, die sich bekehrt haben; daß sie aus diesen oder jenen Motiven sich bekehrt haben. Im Westen kümmert man sich nicht um das Innere, da im Westen ist alles aus­gewischt von diesem Inneren. Äußerlichstes Äußerliches zusam­mengestellt, rein ahrimanisch. Gehen wir nach dem Osten: Inner­lichstes Inneres, rein luziferisch. So stellt uns, ich möchte sagen, die Erdkugel selber dar den Gegensatz des Ahrimanischen und

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Luziferischen. Und zwischen diesem Ahrimanischen und Luziferi­schen ist man nicht in einer Ruhe, sondern im Gleichgewichte. Es handelt sich nicht darum, daß man das eine oder das andere bloß abweist, sondern daß man sich bewußt wird, daß eine wirklich in die Zukunft hineinreichende Kultur darin besteht, daß man beides in das richtige Maß zu bringen weiß, was eines haben muß gegen das andere.

Und da sehen Sie ausgedrückt, ich möchte sagen, das ganze Erdenschicksal in unserer Gruppe. Es ist einmal Aufgabe Europas, den Ausgleich zu bringen zwischen dem Osten und dem Westen. Im Osten schlägt das Pendel nach der einen Seite aus, im Westen nach der anderen Seite. Uns in Europa kommt es nicht bloß zu, etwa die Affen des Ostens oder die Affen des Westens zu sein, son­dern uns kommt es zu, ganz selbständig auf dem eigenen Boden zu stehen und die Berechtigung des einen wie die Berechtigung des anderen voll anzuerkennen. Das ist ausgedrückt in unserer Gruppe. Und so hängt das, was an besonderem Orte unseres Baues aufge­stellt ist, auch in geographischer Weise mit unserer Aufgabe zu­sammen. Es ist aufgestellt nach dem Osten, aber mit dem Rücken nach dem Osten, es blickt nach dem Westen, aber es steht im Gleichgewicht da, trägt in sich das, was es auf langer Wanderung im Osten erfahren hat, und läßt sich nicht genügen an dem, was der Westen an rein ahrimanischer Kultur über die Menschheit bringen kann.

Wenn unsere Zeit, meine lieben Freunde, diese Dinge einmal einsehen wird, aber denkend, fühlend, mit Empfinden durchdringen wird - es braucht ja kein Hochmut dabei zu sein -, dann wird es dieser Zeit klar sein, wie auch die schmerzlichsten, niederdrückend­sten Ereignisse der Gegenwart eben nur da sind, um an die Mensch­heit heranzubringen das Gefühl von der Aufgabe, die diese Mensch­heit für die nächste Zukunft zu erfüllen haben wird. Man möchte nur hoffen, daß Großes, Schmerzliches, das die Menschheit erlebt, auch eine wirkliche und auch wahre Vertiefung der Gemüter hervor­bringen kann. Wahr ist es schon, daß man leider in dem, was zum Ausdruck gebracht wird, namentlich in dem gesprochenen und

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literarisch Geschriebenen, den großen Ernst, den unsere Zeit von uns fordert, keineswegs erkennt, daß da noch vieles, vieles in die Menschengemüter hinein muß, damit dieser große Ernst, ich möchte sagen, dieser trostvolle Ernst die Gemüter wirklich so erfülle, daß der Mensch getragen werden kann durch die Aufgaben, die ihm gestellt werden. Ernst ist es auf der einen Seite, was uns zur Aufgabe gestellt wird, aber es ist ein trostvoller, hoffnungsvoller, Zuversicht einflößender Ernst von der anderen Seite. Man braucht nur ein­zusehen, daß wir in einer Zeit leben, in der Großes von uns ge­fordert wird, daß aber auch dieses Große von uns erfüllt werden kann. Und man wird auch in dieser Zeit zu einer pessimistischen Weltanschauung nicht kommen können.

Um alle diese Dinge in intimerer, in eindringlicherer Weise aus­einanderzusetzen, und was die nächste Zukunftsaufgabe der Mensch­heit ist, und wie Geisteswissenschaft diese Aufgabe zu lösen helfen wird, werde ich am Dienstag, den 22. Juni, das heute Besprochene fortsetzen.

DREIZEHNTER VORTRAG Berlin, 22. Juni 1915 Über die prophetische Natur der Träume und den Träumer oder Mondenmenschen Über den Sonnen- und Saturnmenschen

#G157-1960-SE254 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

DREIZEHNTER VORTRAG

Berlin, 22. Juni 1915

Über die prophetische Natur der Träume und den Träumer

oder Mondenmenschen

Über den Sonnen- und Saturnmenschen

#TX

Es wird heute meine Aufgabe sein, einiges zusammenzufassen von dem, was wir zum Teil schon wissen, was aber immer zusammen­gefaßt werden kann, so daß es uns wiederum gewisse Richtlinien gibt für unser geisteswissenschaftliches Streben. Wir müssen uns vor allen Dingen öfter mit dem Gedanken bekanntmachen, daß unser Erdenleben, so wie wir es führen zwischen der Geburt und dem Tode, im Grunde ein Zwischenleben ist zwischen dem, was vorangegangen ist an zahlreichen Erdenleben und an zahlreichen Leben, die verlaufen sind zwischen Tod und neuer Geburt, und wiederum zwischen dem, was in der Zukunft liegt an zahlreichen Erdenleben und an zahlreichen Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Ein Zwischenleben sage ich, ist dieses unser Leben. Danach können wir erwarten, daß sich in unserem Leben etwas zeigt, was wir gewissermaßen ansehen können wie eine Wirkung des Vorhergehenden, daß aber auch in unserem Leben etwas liegt, was wir ansehen können wie etwas, was uns nun hinweist auf Zukünftiges. Insbesondere in bezug auf das letztere sei heute einiges besprochen.

Der Mensch könnte nämlich leicht glauben, wenn er so sein Leben betrachtet, daß eigentlich nichts in diesem Leben ihn hinweist darauf, daß in uns schon die Keime, gleichsam die Samenkörner für ein zukünftiges Leben liegen. Nun ist das aber doch der Fall. Es ist wirklich der Fall, daß in uns sich vorbereitet dasjenige, was mit uns in der Zukunft geschehen soll. Wir müssen nur unser Leben in der richtigen Weise deuten, dann werden wir darauf kommen können, was in uns gleichsam so für die Zukunft verborgen liegt, wie in der gegenwärtigen Pflanze das Samenkorn für die zukünftige

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Pflanze liegt, für die Pflanze, die erst entstehen soll. Etwas Unverständliches im gegenwärtigen Leben bildet ja vielfach das uns allen sattsam bekannte Traumleben. Dieses Traumleben, gewiß, es hat etwas als einen Teil in sich, von dem wir ja wirklich sagen können, er ist uns bis zu einem gewissen Grade verständlich. Wir träumen von Dingen, die uns an dies oder jenes erinnern, das wir im Leben durchgemacht haben. Gewiß, es kommt sehr häufig vor, daß dann jene Dinge, die wir gestern oder vor Zeiten durchgemacht haben und von denen wir träumen, dann verändert sind, daß sie eine andere Gestalt haben im Traum, daß sie sich irgendwie ver­wandeln. Aber wir werden doch in einem solchen Fall oftmals mit einer gewissen Leichtigkeit einsehen können, daß in dem, was wir träumen, wenn es sich auch verändert hat, da drinnen Teile unseres Lebens stecken, so wie wir es hinter uns haben. Aber ich glaube, kein Mensch, der nur einige Aufmerksamkeit auf sich und seine Traumwelt wendet, wird andererseits sich verhehlen können, daß es Träume gibt, welche uns so Merkwürdiges vorführen, daß wir wirklich nicht sagen können, das sei nur zurückzuführen auf das­jenige, was wir im Leben da oder dort durchgemacht haben. Es ist wirklich so, daß der Mensch sich nur ein wenig auf seine Träume zu besinnen braucht, und er wird schon deutlich merken können, daß ihm, wenn man so sagen darf, Sachen träumen, welche wahr­haftig nicht von ihm, nach allem, woran er sich erinnern kann, jemals hätten eigentlich ausgedacht werden können, auf die er jemals hätte kommen können.

Verstehen werden wir diesen ganzen Zusammenhang, wenn wir uns die Natur desjenigen einmal genauer vergegenwärtigen, was im Träumen eigentlich geschieht. Im schlafenden Zustande sind wir, wie uns bekannt ist, mit unserem astralischen Leib und mit unserem Ich ja außer unserem physischen und Atherleib. Der physi­sche und ätherische Leib liegt auf der Lagerstätte; mit dem astrali­schen Leib und dem Ich sind wir heraußen. Nun ist es für den Menschen, so wie es gegenwärtig auf der Erde steht - wenn er sich nicht irgendwie besondere Fähigkeiten erwirbt -, nicht möglich, dasjenige bewußt zu erleben, was der Astralleib und das Ich durchmachen,

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wenn der Mensch schläft. Das geht im Unbewußten vor sich. Aber die hellseherische Erkenntnis zeigt uns, daß dasjenige, was da durchlebt wird, ebenso mannigfach, daß ebenso ausgeprägt ist, was da außerhalb des physischen Leibes ist, wie das, was erlebt wird von dem physischen Leibe, daß es ebenso mannigfaltig, ebenso vielgestaltig ist wie manches, was hier auf dem physischen Plan erlebt wird; nur das Bewußtsein kann es nicht in sich hineinfassen, aber vorhanden ist es, erlebt wird es. Das Träumen nun entsteht dadurch, daß der astralische Leib und das Ich, die sonst gewisser­maßen so weit außer dem physischen und Ätherleib sind, daß der physische und der Ätherleib nichts merken von den Vorgängen, die mit dem astralischen Leib und dem Ich geschehen, in solche Nähe des physischen und Ätherleibes kommen, daß der Ätherleib im-stande wird, als solcher jetzt Eindrücke zu empfangen von den Vor­gängen im astralischen Leib und im Ich. Wenn Sie aufwachen und wissen: ich habe geträumt, so ist es eigentlich ganz genau gespro­chen so, daß dasjenige, was der Inhalt Ihres Traumes ist, dadurch zu Ihrem Bewußtsein kommt, daß der astralische Leib und das Ich untertauchen; und bevor der physische Leib fähig ist, zum Bewußt­sein zu kommen, daß er den Astralleib und das Ich wieder in sich hat, wird es der Ätherleib; und indem der Ätherleib rasch aufnimmt, was der Astralleib und das Ich erlebt haben, entsteht der Traum. Es ist also eine Wechselwirkung zwischen astralischem und Ätherleib, wodurch der Traum entsteht.

Dadurch aber bekommt der Traum eine ganz bestimmte Färbung. Er bekommt, ich möchte sagen, eine Art von Überzug. Sie wissen ja, daß wenn im Tode der Mensch mit dem Astralleib und Ich und dem Ätherleib herausgeht, der Mensch im Ätherleib eine unmittel­bare Rückschau hat auf das Erdenleben. Diese Rückschau ist eigent­lich am Ätherleib haftend; wenn er aufgelöst ist, hört die Rückschau auf. In diesem Ätherleib steckt also die Möglichkeit, all die Ereig­nisse unseres Lebens in sich abzudrücken. Im Ätherleib ist wirklich also abgedrückt, was wir im Leben durchgemacht haben.

Dieser Ätherleib ist ein sehr kompliziertes Gebilde. Wenn wir diesen Ätherleib herauspräparieren könnten so, daß wir ihm seine

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Gestalt lassen, so wäre er uns ein Spiegel unseres gegenwärtigen Lebens, ein Bild unseres Lebens bis zu dem Punkte, bis zu dem Momente, wo wir uns erinnern können. Dadurch, daß wir unter­tauchen mit dem Astralleib und Ich in den Ätherleib hinein und der Ätherleib entgegenkommt dem untertauchenden astralischen Leib, bringt er Dinge, Erinnerungen von Dingen, die er erlebt hat, dem entgegen, was da im Astralleib hereinkommt, umkleidet das, was im Astralleib wirklich ist, in seine eigenen Bilder.

Ich will mich genauer aussprechen. Nehmen wir einmal an, je­mand erlebt draußen im schlafenden Zustande im astralischen Leib und im Ich - sagen wir - eine Begegnung mit einer Persönlichkeit. Davon weiß der Mensch dann nichts. Er erlebt eine solche Begeg­nung; er erlebt, daß er zu dieser Persönlichkeit ein gewisses freund­schaftliches Gefühl haben wird, daß er mit dieser Persönlichkeit ein Gemeinschaftliches unternehmen werde. Nehmen wir an, das erlebt er außerhalb seines Ätherleibes. Das kann sein; aber er weiß nichts davon. Jetzt kommt der Moment des Aufwachens. Da geht der astralische Leib und das Ich zurück in den Ätherleib, bringt sein Erleben entgegen dem Ätherleib. Der Ätherleib bringt das, was in ihm ist, seine Bilderwelt, dem Astralleib entgegen und der Mensch träumt. Er träumt ein Ereignis, das er unternommen hat vor viel­leicht zehn, zwanzig Jahren. Da sagt sich der Mensch: Ja, ich habe geträumt von dem, was ich vor zehn, zwanzig Jahren erlebt habe. Vielleicht aber ist das, wenn er sich genau besinnt, ganz verändert. Aber es erinnert ihn doch an etwas, was er früher erlebt hat. Was ist da eigentlich vorgegangen? Wenn wir genau mit Hilfe hell­seherischer Erkenntnis den Vorgang verfolgen, sehen wir, das Ich und der Astralleib haben etwas erlebt, was eigentlich erst in der nächsten Inkarnation sich abspielen wird: die Begegnung mit einer Persönlichkeit, irgend etwas, was man mit dieser Persönlichkeit zu tun hat. Aber der Mensch kann das noch nicht fassen in seinem Ätherleib, der in sich nur enthält, der nur fassen kann die Bilder des gegenwärtigen Lebens. Taucht jetzt der astralische Leib unter, dann kleidet der Ätherleib das, was eigentlich dem zukünftigen Leben angehört, in die Bilder des gegenwärtigen Lebens. Dieser

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eigentümliche komplizierte Vorgang geschieht eigentlich fortwäh­rend mit dem Menschen, indem er träumt.

Wenn Sie alles das zusammennehmen, was Sie bisher schon ge­hört haben in der Geisteswissenschaft, dann wird es Ihnen nicht absonderlich vorkommen. Dessen müssen wir uns bewußt sein, daß wir in dem, was herausgeht aus unserem physischen und dem Äther-leib, in unserem Astralleib und dem Ich, dasjenige darinnen haben, was in die nächste Inkarnation hinüber will, was sich in uns vor­bereitet für die nächste Inkarnation. Und lernt man allmählich die Träume trennen von dem, was Bilder sind vom gegenwärtigen Leben, so lernt man die prophetische Natur der Träume kennen. Die prophetische Natur der Träume kann sich einem wirklich ent­hüllen, man muß nur lernen, die Träume von den gegenwärtigen Bildern, in die sie eingekleidet sind, zu entkleiden. Man muß bei den Träumen mehr sehen auf die Art und Weise, wie man erlebt, als auf das, was man erlebt und sich zum Beispiel sagen: Daß ich von einer Persönlichkeit träume, das kommt von der Art meines Ätherleibes, von der Art, wie mein Ätherleib mit seinen gegen­wärtigen Bildern den Erlebnissen des Astralleibes entgegenkommt. Bei dem, was man erlebt, muß man, um das zu erkennen, was schon vorbereitet ist für das nächste Leben, mehr die Art und Weise ins Auge fassen, um es zu trennen von dem Bilde in unserem Ätherleib. In der Tat, in den Träumen haben wir wirklich in uns steckende Propheten unserer zukünftigen Erlebnisse. Das ist außerordentlich wichtig, daß wir das gehörig ins Auge fassen. Das Menschenleben enthüllt sich überhaupt immer mehr und mehr, je mehr wir es als etwas Kompliziertes betrachten. Man möchte es einfacher haben, das wäre ja bequemer, aber es ist nun schon einmal so, daß es kom­pliziert ist.

Sehen Sie, der Mensch, der in der äußeren physischen Welt steht, wird sich nicht bewußt, daß in ihm allerlei steckt. Jetzt haben wir ken­nengelernt, was in uns steckt als ein Prophet zukünftiger Leben. Aber mancherlei anderes steckt noch in uns, und Selbsterkenntnis beruht darauf, daß wir immer mehr und mehr erkennen, was in uns steckt, was in uns arbeitet, uns glücklich und unglücklich macht, denn alle

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Dinge, die in uns stecken, machen uns glücklich und unglücklich. So werden die Menschen sich gewöhnlich nicht klar, daß sie ja durchgemacht haben vor diesem Erdenleben - nicht sie selbst, aber das, was sie zum Erdenmenschen gemacht hat - das Mondenleben. Wir wissen einiges von dem Mondenleben, auch von dem voran­gegangenen Sonnenleben und dem alten Saturnleben. Blicken wir zuerst auf das Mondenleben! Gegenwärtig führen wir allerdings das Erdenleben, aber das Mondenleben war nötig, damit das Erdenleben zustande kommen konnte. Im Mondenleben bereitete sich die Ur­sache für das Erdenleben vor, und in einer gewissen Weise steckt dieses Mondenleben noch in uns. Auf dem Monde war der Mensch ein traumhafter Hellseher. In Traumesbildern hat er die Wirklich­keit in sich aufgenommen. Dasjenige aber, was wir auf dem Monde waren, das tragen wir heute noch in uns, das steckt in uns. Gewiß, der Mondenmensch ist zum Erdenmenschen geworden. Aber in dieser Wirkung steckt die Ursache noch drinnen, den Monden-menschen tragen wir noch in uns. Wenn wir auf diesen Monden-menschen hinblicken, so können wir sagen: er ist das in uns, was wir den Träumer nennen. In der Tat, wir tragen alle einen Träumer in uns, einen Träumer, der eigentlich zwar, ich möchte sagen, weni­ger dicht, der dünner denkt und fühlt und will, aber der eigentlich weiser ist, als wie wir als Erdenmensch sind. Wir tragen einen Träu­mer in uns. Einen subtilen Menschen tragen wir alle in uns. Indem wir so herumgehen als Erdenmenschen mit unseren Gedanken, un­serem Fühlen und Wollen, ist es das, was die Erdenentwickelung uns gegeben hat. Von der Mondenentwickelung ist etwas geblieben in uns, was ein träumender Mensch ist. In dem Träumer ist uns aber mehr gegeben als in dem, was wir in unseren Gedanken, Ge­fühlen und Willensimpulsen haben können, und dieser Träumer ist nicht ganz untätig. Diesen Träumer berücksichtigen wir nicht, aber wir tun vieles, sehr vieles, was wir eigentlich nur halb selber ken­nen, was der Träumer in uns richtet und lenkt. Wir legen es zu-recht, der Träumer aber tut auch etwas in uns, der lenkt unser Denken dahin und dorthin; zum Beispiel wir denken einen Satz aus; der Träumer macht, daß wir den Satz in einer ganz bestimmten

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Weise aussprechen, daß wir ihm eine Spitze gehen, ihn in irgend­eine Gefühlsnuance kleiden. Dieser Träumer ist das, was vom Monde in uns geblieben ist. Ich möchte auf eine hervorragende Persönlichkeit hinweisen und aufmerksam machen darauf, wie die­ser Träumer in ihr zu bemerken ist. Wenn die Menschen im Leben einander kennenlernen oder wenn sie hervorragende Menschen durch das Schrifttum kennenlernen, so kammern sich die Menschen zumeist um das, was der andere als Erdenmensch ist und nicht um das, was er als Träumer, als Dichter ist In dem aber spricht er sich tiefer aus.

Da ist ein großer Schriftsteller: Emerson. Emerson hatte wirk­lich die Eigentümlichkeit, daß er sich immer so in den Gegenstand vertiefte, den er gerade behandelte, daß man ihm leicht wird manch­mal Widersprüche nachweisen können, weil er immer in dem Ge­genstand, den er gerade behandelt, ganz darinnen steht und in dem Gegenstand dann ganz aufgeht und nicht Rücksicht nimmt, daß das, was er dann charakterisiert, Widersprüche hat gegen das, was er charakterisiert hatte, als er in einem anderen Gegenstande darinnen steckte. Aber gerade bei Emerson ist immer bemerklich, daß, wenn er sich ganz in einen Menschen oder in einen Gegenstand vertieft, dann leise Unterklänge von Emersons Mondenmenschen, daß der Träumer mitspricht. Nun hat Emerson zwei schöne Abhandlungen geschrieben: eine über Shakespeare als den charakteristischen Re­präsentanten des Dichters; eine über Goethe als Repräsentanten des Schriftstellers. Nun ist es so, daß die Menschen herumlesen in der Betrachtung Emersons über Shakespeare, herumlesen in der Betrachtung über Goethe und dann zufrieden sind, sich damit zu­friedengeben. Aber man kann weitergehen und sich sagen: Fühlt man nicht leise da mitschwingen etwas Besonderes bei Emerson? Und da entdeckt man etwas höchst Merkwürdiges: Emerson will Shakespeare nicht bloß als Shakespeare charakterisieren, sondern will ihn als Exempel, als Beispiel für den Dichter hinstellen, und es ist nun sehr eigentümlich, indem sich Emerson genau in Shake­speare vertieft, was da zustande kommt, wenn man das leise Ge­klinge von Untertönen, die mitschwingen, vernimmt.

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Sie werden mir nicht zutrauen, daß ich aus Chauvinismus, aus nationalen Gründen heraus irgend etwas Abfälliges über Shake­speare sagen will. Natürlich ist Shakespeare für mich der große Dichter, ich sehe ihn selbstverständlich als einen der größten Dich­ter aller Zeiten an. Aber ich will die leisen Untertöne einmal heraus­holen, die Emerson geltend macht, indem er Shakespeare charakteri­siert. Er sagt, Originalität ist eigentlich nicht dasjenige, was einen Menschen zum großen Mann macht. Man sollte nicht, wenn man einen großen Dichter charakterisieren will, fordern, daß diese große Persönlichkeit durchaus originell wäre.

Und nun sieht man, daß Emerson, um Shakespeare zu charakteri­sieren, hervorhebt, daß der Dichter überall hingeht, um das zu neh­men, was ihm gefällt, und das in seine Dichtung aufzunehmen. Emerson bemüht sich gleichsam, zu entschuldigen, daß Shakespeare nicht originell ist, daß er von überall her, aus italienischen, spani­schen, französischen und deutschen Quellen und natürlich aus der englischen Geschichte, alles das zusammengetragen hat, was er in seiner Dichtung verarbeitet hat. Es ist sehr eigentümlich, daß Emerson, der sich so liebevoll vertieft in Shakespeare, gegenüber Shakespeare die folgenden Worte braucht, um Shakespeare zu cha­rakterisieren: «Große Männer zeichnen sich mehr durch umfassen­den Geist und durch die Höhe des Standpunktes aus, von dem sie herabschauen, als durch Originalität. Fordern wir jene Originalität, welche wie eine Spinne aus ihren eigenen Eingeweiden das eigene Gewebe zieht, welche selbst den Lehm findet, Steine daraus formt und das Haus aufrichtet, dann sind große Männer keineswegs ori­ginal. Das Wesen wahrhaft wertvoller Originalität liegt nicht in der Unähnlichkeit mit andern.»

Also er entschuldigt Shakespeare, daß er so wenig originell ist, daß er überall alles zusammengesucht hat. Ja, er geht so weit, zu sagen: um Shakespeare zu verstehen, muß man auf das ganze eng­lische Publikum der damaligen Zeit blicken, dessen Geschmack ent­gegenzukommen Shakespeare sich bemüht. Merkwürdige Worte spricht Emerson über Shakespeare: «Leicht ist es, zu erkennen, daß alles, was in der Welt jemals am besten geschrieben und getan ward,

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nicht eines Mannes Werk war, sondern durch weitverzweigte, ge­meinschaftliche Arbeit, wo tausend wie einer, alle von einem Im­pulse getrieben, die Hand anlegten, zustande kam.> Und das Merk­würdigste, was Emerson über Shakespeare sagt, der ihn liebevoll charakterisiert, das Merkwürdigste, bitte, hören Sie: «Es ist bei den Schriftstellern eine Art praktischer Regel geworden, daß, wer sich einmal befähigt gezeigt hat, selbst Originales zu schaffen, hinfort auch die Werke anderer auf diskrete Weise bestehlen dürfe.»

Also Emerson versucht, Shakespeare gerade dadurch so recht seine Weltstellung anzuweisen, daß er zeigt, daß große Menschen andere bestehlen. Daß eigentlich zusammengestohlen sind die Motive seiner vielen Arbeiten. Das kann man zunächst als leichten Unterton in Emersons Shakespeare-Charakterisierung finden.

Und jetzt wenden wir uns an die liebevolle Betrachtung Goethes. Goethe charakterisiert Emerson als den, der den Schriftsteller reprä­sentiert. Aber gegenüber Goethe sagt Emerson: Die Natur ist über­all darauf angewiesen, daß ihre Wunderwerke ausgesprochen wer­den. Jeder Stein, jede Pflanze, jedes Wesen in der Natur wartet darauf, einmal durch des Menschen Seele ausgesprochen zu werden. Der Schriftsteller wird immer mit der Natur in unmittelbarem Zu­sammenhange stehen. Es ist, als wenn der Schöpfer selbst vor­bereitet hätte den Gedanken, daß der Schriftsteller einmal auftrete. Es ist merkwürdig, sagt nun Emerson in bezug auf Goethe, wie dieser Mann in bezug auf seine Begabung gar nichts seinem Volke, seinem Land, seiner Umgebung verdankt, sondern wie alles hervorsprudelt aus ihm selber. Auch über Wahrheit und Irrtum entscheidet Goethe allein, stammt alles aus ihm selbst.

Wenn Emerson Goethe charakterisiert, sucht er von allen Seiten die Begriffe zusammenzutragen; während er aber Shakespeare als großartigen Räuber charakterisiert, stellt er Goethe dar wie eine Person aus dem Zentrum der Welt, als die Natur selbst. Hören wir einige Stellen, die Emerson über Goethe spricht: «Das Geheimnis des Genius ist, nicht zu dulden, daß eine Lüge für uns bestehen bleibe. Alles, dessen wir bewußt sind, zu einer Wahrheit zu machen, im Raffinement des modernen Lebens, in Kunst und Wissenschaft,

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in den Büchern und in den Menschen Glauben, Bestimmtheit und Vertrauen zu erwecken, und zu Anfang wie am Schluß, mitten auf dem Wege wie für endlose Zeiten jede Wahrheit dadurch zu ehren, daß wir sie nicht allein erkennen, sondern sie zu einer Richtschnur unseres Handelns machen.» Oder er sagt von Goethe: «In meinen Augen steht der Schriftsteller als ein Mann da, dessen Stellung beim Aufbau der Welt vorgesehen ward.»

Shakespeare charakterisiert er so, daß er so ist, wie das Publikum will; Goethe als einen Mann, der von Anfang der Welt vorgedacht war; dem Beruf, der Stellung, «welche er einnahm, verdankt er nichts, sondern er trat in die Welt von seiner Geburt an als ein freier überwachender Genius...» oder: «Er ist ganz Auge und wendet sich instinktmäßig dahin, wo die Wahrheit liegt. Sage etwas, er wird sogleich wissen, ob es wahr oder falsch sei. Es ist ihm verhaßt, die Altenweibergeschichten, und wenn sie tau­send Jahre lang den guten Glauben der Menschheit für sich hatten, noch einmal nachzubeten und sich von ihnen zum Narren haben zu lassen.»

Dieser Satz steht in der Charakteristik Goethes. In der Charakte­ristik Shakespeares steht, daß er überall nicht genug tun kann, be­sonders alles, was geschrieben ist, zu sammeln. Es ist, ich möchte sagen, in ganz wunderbarer Weise Emerson gelungen, herauszu­arbeiten in der Charakteristik Shakespeares und Goethes den Unter­schied zwischen Shakespeare und Goethe. Aber dann kann gefunden werden aus dem Gefühl heraus, was der Träumer in den beiden gestaltet, das heißt wie Emerson dazu gekommen ist, Shakespeare zu charakterisieren als einen großen Räuber und Goethe zu charak­terisieren als einen großen Verbündeten der Wahrheit. Das ist äußerst interessant, denn es ist nicht vom Bewußtsein gewollt; aber dieser Hauch ist ausgebreitet über die beiden Betrachtungen.

Sie sehen, es gibt noch ein Lesen, das anders ist, als das Buch sich einfach vornehmen und es durchgehen. Das Wichtige über die Dinge erfährt man überhaupt nicht dann, wenn man sie bloß ein­zeln in sich aufnimmt, sondern wenn man sie vergleicht, wenn man das eine neben dem anderen auf sich wirken läßt.

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Ich durfte dieses Beispiel anführen, weil bei Emerson wirklich häufig der Träumer spricht. So könnte man wirklich handgreiflich finden, wie zwei Persönlichkeiten in ihm sprechen, denn dasjenige, was Alltagsieser als Widersprüche finden, das wußte ja schließlich Emerson auch. Schließlich sind doch so grobklotzige Widersprüche bei Emerson da, daß es jedem auffallen muß. Auf der einen Seite nennt er die Engländer das erste Volk der Welt, auf der anderen Seite stellt er die Deutschen höher. Einmal ist das aus dem Ober-bewußtsein, einmal aus dem Träumer heraus gesprochen. Und ganz besonders interessant ist es, wenn Sie die beiden Schlüsse der Be­trachtungen über Shakespeare und Goethe einfach als Schlüsse hintereinanderlesen. Bei Shakespeare kommt Emerson darauf zu sagen: Alle, die bisher gewirkt haben, haben noch nicht erreicht, was der Dichter in der Welt ist: «Noch wartet die Welt auf den Dichterpriester.» Es ist etwas wie Verzicht, was als Gefühl am Schlusse durch die Shakespeare-Betrachtung hindurchgeht. Am Schlusse der Goethe-Betrachtung steht gerade das Gegenteil: daß man durch ihn angeeifert werde, jede Wahrheit dadurch zu ehren, daß wir sie nicht allein erkennen, sondern sie zu einer Richtschnur unseres Handelns machen. Während ein Verzichtssatz steht am Schlusse der Shakespeare-Betrachtung, steht ein Zuversichtssatz am Schlusse der Goethe-Betrachtung.

Wir leben jetzt in einer Zeit, wo es gilt, diese Dinge ein wenig zu berücksichtigen, diese Dinge ein wenig zu erkennen. Wir werden dann finden, daß in jedem Menschen dieser Träumer lebt, er kün­digt sich an in den Handlungen der Menschen, und während er im hellsichtigen Bewußtsein geschaut wird, können wir ihn im ge­wöhnlichen Leben erkennen, wenn wir die Menschen studieren. Das können wir bei Emerson. Emerson zu studieren ist von Interesse.

Dieser Träumer in uns ist dasjenige, auf welches nun wirkt alles, was, ohne daß wir es wissen, aus der geistigen Welt auf uns wirken soll. In dem, was wir als Erdenmenschen erleben, machen wir Ge­danken, bilden uns Willensimpulse. Was wir so wissen, das ist, was wir finden aus unserem Leben. Aber in unsere Träume hinein spie­len die Inspirationen der Engel, die Wesen der Angeloi, und diese

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sind wieder inspiriert von Wesenheiten der höheren Hierarchien. In unsere Träume kommt hinein, bei dem einen Menschen mehr, bei dem anderen weniger, was gescheiter ist als dasjenige, was wir aus unserem Alltagsleben in uns haben, als alles, was wir im Alltags-leben im Denken, Fühlen und Wollen überschauen. Dasjenige, wo-von wir geleitet werden, dasjenige, was mehr ist, als der Erden-mensch ist und war, das geht in unseren Träumer hinein.

Sehen Sie, dieser Träumer, er ist auch dasjenige, was vieles, aber jetzt Unbewußtes in uns hervorrufen kann. Gewiß, alles dasjenige, was aus der höheren Welt auf dem Umwege durch die Wesenheiten, die den Hierarchien der Angeloi angehören, auf uns hereinwirkt, wirkt auf den Träumer; aber auch alles Ahrimanische, alles Luzi­ferische wirkt zunächst auf den Träumer, wirkt wirklich in den Träumer hinein, und ein großer Teil dessen, was die Menschen, ich möchte sagen, nicht so ganz aus ihrem Bewußtsein heraus, aber aus Instinkten heraus geltend machen, das ist hineingewirkt aus der geistigen Welt in den Träumer hinein.

Auch dafür möchte ich Ihnen ein Beispiel geben. Ich möchte dieses Beispiel aus der etwas größeren Zeitgeschichte vorführen. Ich habe Ihnen öfters gesagt, daß man die europäischen Völker dadurch erkennt, daß man versteht, wie die Volksseele spricht zu den Italie­nern durch die Empfindungsseele, zu den Franzosen durch die Ver­standes- oder Gemütsseele, zu den Engländern durch die Bewußt­seinsseele, zu den Deutschen durch das Ich, zu den Russen durch das Geistselbst. Aber dieses Sprechen durch das Geistselbst bedingt, daß bei den Russen heute Instinkte sind, welche sich erst entwickeln werden in der Zukunft. In einer fernen Zukunft wird erst zutage treten, was die russische Volksseele zu sagen hat, wenn einmal die Menschenseele hinentwickelt ist bis zum Geistselbst. Darum hat alles, was im Osten zutage tritt, noch etwas Keimhaftes. Nun fühlen aber diese Völker des Ostens instinktiv, daß sie einer anderen Kultur-strömung angehören. Sie fühlen, daß sie zu warten haben. Aber kein Mensch wartet gern, wenn er sich auf sein Gegenwartsbewußtsein besinnt. Das ist ja dasjenige, daß sie warten sollen und bewußt auf­nehmen, was europäische Kultur ist. Dagegen lebt in ihnen der

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Instinkt, daß sie zu lenken und zu leiten haben, daß sie nicht schnell genug Europa tot machen können, während der natürliche Gang ist, daß sich in Mitteleuropa entwickelt, was sich entwickeln kann aus dem Zwiegespräche der Volksseele mit dem Ich.

Bei der russischen Volksseele liegt es so, daß sie in die Schule zu gehen hat bei Mitteleuropa, und wenn sie verarbeitet hat, was in Mitteleuropa vorgearbeitet wird, dann wird sie einmal bei­tragen können, was sie beizutragen hat zur europäischen Kul­tur. Statt dessen kommt in ungeordneten, chaotischen Instinkten etwas ganz Sonderbares zustande, woraus wir ersehen können, daß diese Instinkte in dem Träumer angeregt werden von aller­hand ahrimanischen und luziferischen Impulsen. Diese ahrimani­schen und luziferischen Impulse sind überhaupt die Ursache, daß sich der Osten jetzt in solch schauerlicher Weise gegen Deutsch­land gewendet hat.

Sehen Sie, da ist ein Geist, aus dem sein Träumer spricht: Jus­hakow. Ich möchte Sie auf die Ideen dieses Geistes, der 1885 über die Beziehungen der russischen Kultur zur englischen Kultur sich ausgesprochen hat, aufmerksam machen, und man möchte jetzt gern, daß recht vielen Leuten der Gegenwart aufgingen solche Ideen, die vor nicht sehr langer Zeit aus einem russischen Kopf entsprungen und von ihm aufgeschrieben sind. Wir müssen diese Ideen betrach­ten nicht ihrem Inhalt nach, sondern als Symptome dessen, was im ganzen russischen Volke lebt.

Jushakow sagt: Da haben wir den verfaulten Westen, der reif ist zum Untergange. Alles, was im Westen ist, hat seine Zeit über­standen, muß sich auflösen. Da muß Rußland eintreten. Aber Ruß­land muß nicht allein den Westen kultivieren, den Westen erlösen von seiner Barbarei, sondern Rußland muß überhaupt die ganze Welt, insbesondere Asien, erlösen. Und diese Erlösung Asiens für die Seele stellt Jushakow in folgender Weise dar.

Sehen wir hinüber nach Asien. Die eigentlich asiatische Kultur ist von Iran ausgegangen. Diese Iran-Kultur ist von Ormuzd aus­gegangen, diese Iraner haben erkannt den Kampf zwischen Ormuzd und Ahriman, und man hat da immer gesehen, wie die Iraner alles

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getan haben, um die Segnungen des Ormuzd in Iran zu verbreiten. Da aber kamen die turanischen Völker, die abhängig waren von Ahriman, und die haben fortwährend die Ormuzd-Kultur bedrängt, bekämpft, überwunden. Erst kämpften Ormuzd und Ahriman in Iran. Aber wenn wir sehen, wie sich die Völker Europas benom­men haben gegen diese Ormuzd-Kultur, da sehen wir, wie die schöne Ormuzd-Kultur sich ausgebreitet hat in den Gegenden, deren sich vor allen die Engländer bemächtigt haben. Die Eng­länder haben sich gegen die Ormuzd-Kultur als die schlimmsten Barbaren gezeigt. Da hat Rußland in Asien viel gutzumachen an dem, was diese verruchten Engländer in Asien verbrochen haben. Die Engländer sind dahin gegangen, haben sich ganzer Teile Asiens bemächtigt, haben die Ormuzd-Kultur ausgenutzt und ausgesogen. Was haben sich die Engländer vorgestellt? So ein Engländer, er hat sich vorgestellt, daß diese Kultur für ihn da ist, ein solcher Eng­länder sagt, daß dieses ganze Asien für nichts anderes da sei, als sich in englische Gewebe zu kleiden, untereinander mit englischen Waffen zu kämpfen, mit englischen Werkzeugen zu arbeiten, aus englischen Gefäßen zu essen und mit englischem Flitter zu spielen. Asiens Kultur sei für nichts anderes da. Ganz Asien wäre eine Beute Englands. Er drückt sich sehr genau aus: #SE157-268

dem bösen Ahriman befreit haben, haben sie sie zu befreien von dem, was die Engländer in jenen Gegenden an der Ormuzd-Kultur gesündigt haben. Damit sie vorbereiten können, was sie weiter als Aufgabe haben für Asien, nachdem sie Asien von Ahriman befreit haben, haben sie noch gutzumachen, was die europäischen Völker, namentlich die Engländer, der Ormuzd-Kultur getan haben. Und fragt man, warum diese Völker die Ormuzd-Kultur nicht fort­setzen können, so beantwortet er diese Frage damit, daß diese Völ­ker dem Industrialismus und dem Individualismus verfallen sind, daß sie zuerst nur immer an sich selbst denken, während die Rus­sen erst zuletzt an sich selbst denken. Solche Menschen könne man nicht brauchen; und indem sie den Industrialismus mit ihrem Individualismus verwoben, wurden sie die Blutsauger Asiens. Ruß­land wird andere Verbindungen bringen; die Verbindung der glän­zenden militärischen Kosaken mit dem die Natur bebauenden Land-mann. Und aus dieser Verbindung werden die Befreier der Mensch­heit in Asien entstehen. Der Befreier der Menschenentwickelung wird in Asien entstehen. - Das ist das Ideal Jushakows, daß aus der Verbindung der Kosaken mit dem die Erde bebauenden Landmann der Befreier der Welt entsteht.

Sie sehen, meine lieben Freunde, ein Ideal aufgebaut, das Sie kaum in Zweifel darüber lassen wird, daß von dem Geiste des Ahriman etwas in den eigenen Geist des Jushakow, und zwar in den Träumer, hineingewirkt hat. Aber dieses Hineinwirken in den Träumer hat nach und nach als ganze Volksstimmung dasjenige hervorgerufen, was eben in diesem Osten Europas als Volksstim­mung jetzt zu finden ist; denn man hat es hier mit einer solchen Volksstimmung zu tun, wie sie in den Worten des Jushakow zum Ausdruck gekommen ist.

Sehen Sie, ich wollte auch darauf hinweisen, daß es mit der Geisteswissenschaft etwas ist, was uns immer näher hineinschauen, immer mehr hineinblicken läßt in das, was die Menschen sagen und träumen; denn diesen Träumer tragen wir alle in uns, dieser Träumer ist in uns allen. Auf diesen Träumer haben die guten, auf diesen Träumer haben die bösen Mächte Einfluß.

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So wie wir diesen Träumer in uns haben, der die Mondennatur in uns hineingetragen hat, so tragen wir auch in uns den Sonnenmenschen aus der Sonnenentwickelung. Der allerdings kann nicht mehr träumen. Der ist aufgebaut in seinem Bewußtsein nach Art der Pflanzen. Einen schlafenden Pflanzen- oder Sonnenmenschen tra­gen wir in uns. Und dann auch tragen wir in uns einen vollständig toten, den wie Stein toten Saturnmenschen Ebenso wie den Son­nenmenschen, der nun schläft, tragen wir in uns den, der noch tiefer in seinem Bewußtsein, der unter dem Schlafbewußtsein steht, den Saturnmenschen Was in uns Träumer ist, ist Mondenmensch, was in uns lebt mit dem ständigen Schlafbewußtsein, ist Sonnen-mensch; und der Saturnmensch liegt, ich möchte sagen, als unsere älteste Ursache, als der innerste Kern in uns. Aber dieser Saturn­mensch hat eine tiefe Bedeutung in unserem ganzen Leben. Alle die Erkenntnisse, die der Mensch heute gewinnt, sei es im äußeren Leben, sei es in der Wissenschaft, entstehen dadurch, daß die Außenwelt wirkt auf den Menschen als auf den Saturnmenschen Diese Wirkung kommt dem Menschen nicht zum Bewußtsein, aber sie ist da. Dasjenige, was wir denken, fühlen, wollen, das geht bis zu dem Saturnmenschen hinein, und dieser Saturnmensch ist das­jenige, was unserer Erde zuletzt bleibt von uns, gleichgültig, ob wir verbrannt werden in bezug auf den physischen Leib, gleichgültig, ob wir verwesen.

Dasjenige, was der Träumer ist, das bleibt nicht; dasjenige, was der Sonnenmensch ist, das bleibt nicht. Der Saturnmensch geht in feinen, feinen Staubkörnchen in die elementarische Welt der Erde über, das bleibt, und sie trägt immer die Spuren dessen, was in uns war. Sie können heute finden, wenn Sie die elementarische Welt prüfen, dasjenige, wenn auch in feinen Körnchen, was die Uber­reste Abrahams, Platos, Sokrates', Aristoteles' gewesen sind, Sie können finden, was ihr Saturnmensch war. Das, was der Saturn­mensch war, wird der Erde gegeben, das verbleibt der Erde, bleibt mit unserem ständigen Charakter in der Erde.

Das war in früheren Zeiten noch nicht so. Das ist gerade in der jetzigen Zeit, seit dem fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert

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so. Früher löste sich der ganze Mensch auf; nur diejenigen, die wie Abraham, Plato, Sokrates ihrer Zeit vorausgeeilt waren, gaben ihre Reste der Erde. Jetzt natürlich ist es allmählich bei allen Menschen so. Das ist nämlich das Eigentümliche: alles das, was gegenwärtig auf dem Wege der äußeren Wissenschaft errungen wird, drückt sich in diesem Saturnmenschen ab und geht mit diesem Saturn­menschen hinein in die Erde.

Alles, was der Mensch sonst hat, geht verloren, löst sich im Weltall auf, wenn die Erde einmal an ihrem Ziel angelangt ist. Was Sie als Mineralien, Pflanzen, Tiere um sich herum haben, vergeht, nur was Sie als Saturnmensch waren, bleibt als feine Staubteilchen vorhanden, geht hinüber von der Erde zum Jupiterdasein und bildet dann das feste Gerüste des Jupiters. Das sind die wirklichen Atome für den Jupiter. Diejenigen Menschen, die heute äußere Wissen­schaft studieren, die heute äußerlich denken, die wirken auf ihren Saturnmenschen so, daß sie in diesem Saturnmenschen die Atome für den Jupiter bilden. Dadurch bekommt der Jupiter seine Atome. Aber wenn nur das wäre, so würde der ganze Jupiter so entstehen, daß er eigentlich nur eine mineralische oder mineralähnliche Kugel wäre, daß keine Pflanze auf ihm wüchse. Dasjenige, was wir durch unseren Saturnmenschen hinübertragen können auf den Jupiter, be­wirkt nur, daß der Jupiter eine mineralische Kugel sein würde. Pflanzen könnten da nicht auf ihm wachsen. Wenn Pflanzen wach­sen sollen auf dem Jupiter, dann muß der Sonnenmensch in uns auch etwas bekommen. Dieser Sonnenmensch in uns, der bekommt aber erst so recht etwas von jetzt ab und in die Zukunft hinein dadurch, daß die Menschen Begriffe der Geisteswissenschaft in sich aufnehmen, denn diejenigen Begriffe, die wir draußen aufnehmen, die wir aufnehmen von der äußeren Wissenschaft, die gehen in den Saturnmenschen hinein. Was wir aufnehmen als Gedanken der Geisteswissenschaft, das geht in den Sonnenmenschen hinein. Darum erfordert die Geisteswissenschaft mehr Aktivität. Dadurch unterscheiden sich ja ihre Gedanken von den Gedanken der äußeren Wissenschaft, daß sie aktiv sind. Sie müssen lebendig erfaßt werden, man kann sich nicht wie draußen in der Welt passiv verhalten gegenüber

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dem Denken. In der Geisteswissenschaft, da muß alles aktiv erdacht werden, da müssen wir innerlich tätig sein. Das wirkt auf unseren Sonnenmenschen. Und wenn kein Sonnenwesen im Menschen wäre, so würde ein Jupiter entstehen, auf dem alles mine­ralisch ist, wo es aber keine Pflanzenwelt gäbe. Die Menschen, die sich geistig entwickeln, tragen etwas hinüber, was auf dem Jupiter zu einer Pflanzenwelt führt. Mit dem Sonnenwesen in uns tragen wir hinüber, was als Pflanzenwelt entsteht; und man braucht nur, um den Jupiter kahl zu machen, Geisteswissenschaft zurückzuwei­sen. Wir können jetzt diese Geisteswissenschaft begründen, damit es auf dem Jupiter Vegetation gibt.

Wir Geisteswissenschafter sind jedoch nicht so, daß wir wie andere Menschen davon sprechen, daß wir es «so herrlich weit gebracht» haben. Hören Sie nur einmal einen Arzt der Gegenwart, der so recht auf dem gegenwärtigen Standpunkte steht, oder hören Sie einen Philosophen der Gegenwart und so weiter, sie sagen: Wir brauchen gar nicht so weit zurückzugehen, da treffen wir Leute, die eigentlich gar nichts waren; ein Mann wie Paracelsus war eigent-lich ein Idiot, und der Gymnasiallehrer von heute ist gescheiter als Plato. Das ist eine Philosophie, die schon von Hebbel durch­gehechelt ist. Als dramatische Idee in seinem Taschenbuch ver­zeichnet findet sich die Idee, daß ein Gymnasiallehrer den wieder-verkörperten Plato in seiner Klasse hatte. Das wollte Hebbel als dramatische Figur darstellen und zeigen, wie der Schulmeister den wiederverkörperten Plato vornimmt, der absolut nichts begreifen kann von dem, was der Schullehrer über den Plato sagt. Das wollte Hebbel in einem Drama darstellen. Es ist wirklich schade, daß er diese Idee nicht dargestellt hat in einem Drama, denn es ist wirk­lich eine sehr schöne Idee.

Wir stehen aber nicht auf dem Standpunkt, daß wir es #SE157-272

daß eine Zeit kommen wird, wo das, was wir jetzt als Geisteswis­senschaft aussprechen, ein Unsinn sein wird in der Zukunft, wo ganz anders wird innerhalb der Menschheit gewirkt werden müs­sen. Dasjenige, was wir jetzt als Geisteswissenschaft aussprechen müssen, hat die Form der Gegenwart, sucht heraus aus der Ewig­keit, was der Gegenwart zu Heil und Frommen ist. Aber eine Zeit wird kommen, die es nötig haben wird, daß wir ebenso, wie wir den Sonnenmenschen beeinflussen, auch auf den Träumer zu wir­ken suchen, wie unsere ganze äußere Wissenschaft auf den Saturn­menschen wirkt. Was äußere Wissenschaft aus dem Saturnmenschen macht, begründet den Jupiter als mineralische Masse; was Geistes-wissenschaft aus dem Sonnenmenschen macht, begründet seine Vegetation. Dasjenige, was tierisches Leben sein wird auf detn Jupiter, wird durch etwas herausgebildet, was auf unsere jetzige Geisteswissenschaft folgen wird, wird begründet werden durch das, was Zukunft der Geisteswissenschaft sein wird. Dann folgt noch etwas, was auf den Menschen auf dem Jupiter wirkt; das wird noch ausgebildet werden, und das wird uns die Grundlage für die eigent­liche Jupiter-Kultur geben.

So stehen wir im Leben jetzt in der Periode darinnen, wo wir vorbereiten für den Jupiter durch die äußere Wissenschaft den mineralischen Kern, und wo Geisteswissenschaft auf sein Pflanzen-dasein einwirkt und die Vegetation auf dem Jupiter begründet. Kommen wird etwas, was auf den Träumer einwirkt, was dann die Tierwelt des Jupiters bewirken wird. Und dann erst das, was dem entspricht, was jetzt der Mensch durch Denken, Fühlen, Wollen hervorbringt, was durch eine höhere Weisheit so geleitet wird, wenn die Erdenentwickelung beendet ist, daß der Mensch selbst sich hineintragen kann als Mensch auf den Jupiter.

So stehen wir in der Entwickelung der Erde darinnen, so sehen wir aus unserem eigenen Menschlichen heraus, wie wir hinein­gestellt sind in die große Welt, in den Makrokosmos. Und so wis­sen wir, daß wir nichts treiben, was nicht wichtig ist. So wissen wir, daß, indem wir zusammen Geisteswissenschaft treiben, wir die Vegetation des Jupiters fördern, daß wir durch das, was wir in Worte

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prägen, dasjenige schaffen, was im Jupiterdasein der Welt der Zu­kunft übergeben wird.

Denken Sie einmal, meine lieben Freunde, ich habe ja gesagt, alles, was mineralische Welt ist, verflüchtigt sich in der Welt, alles, was Pflanzenwelt ist, verflüchtigt sich, alles, was tierische Welt ist, verflüchtigt sich. Nichts geht von der Erde hinüber als die minera­lischen Atome vom Menschen, von den Saturnteilen der Menschen. Von den Mineralien, Pflanzen und Tieren geht nichts hinüber auf den Jupiter. Nur das geht hinüber, was jetzt in uns Saturnmensch ist; das wird Mineralreich auf dem Jupiter.

Ich weiß nicht, ob sich einige unserer Freunde erinnern an unseren Ausgangspunkt, wie wir yor vielen Jahren in Berlin - zu­erst in einem kleinen Häuflein, einige sind noch darunter, die es miterlebt haben - Betrachtungen über diese Dinge angestellt haben. Versetzen wir uns auf den späteren Jupiter. Was sind die Jupiter­atome? Das sind die Saturnteile des gegenwärtigen Menschen. Und Unsinn ist es, von solchen Atomen zu sprechen, wie die Physiker es tun. Dasjenige, was der Mensch auf der ganzen Erde gewinnt, geht in den Saturnmenschen hinein und wird zu Jupiteratomen. Zu sprechen davon, daß in unseren Mineralien, Tieren und Pflan­zen das steckt, was der Physiker darin sucht, ist der reine Unsinn. Dasjenige, was jetzt Erdenatome sind, hat sich im Mondendasein vorbereitet, ist das, was uns zu Sonnenmenschen zubereiten wird, wie wir jetzt unseren Saturnmenschen zubereiten. Ich habe über das Atom, als zubereitet aus dem ganzen Kosmos heraus, früher einmal gesprochen. In jenen älteren Vorträgen können Sie das wieder­finden, die ganz im Anfang unseres Berliner Wirkens gehalten wurden. Jetzt kann ich es nur kurz machen, nach Voraussetzung dessen, was wir in der Zwischenzeit durchgemacht haben.

Aber dasjenige auch, was unsere Sterne sind, die äußeren phy­sischen Sterne, die physische Sonne, der physische Mond, die wir draußen im Weltenall erblicken - so wie der Physiker es ansieht, so ist es nicht. Die Physiker würden sich sehr wundern, wenn sie einmal zu der Sonne hinaufkommen könnten und da ganz und gar nicht finden würden, was sie sich konstruiert haben. Sie würden

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sich sehr wundern über das, was sie da zu sehen bekämen. Was man da finden würde, wenn man ejumal hinauffahren könnte - zeitgemäß würde das in einem Luftballon der Zukunft, in einem Ätherballon sein - es wäre apart, was man da finden würde. Was die Physiker konstruieren, das würde man nicht finden; ganz und gar keinen physischen Leib würde man finden. Das sieht nur so aus. Dasjenige nämlich, was uns als Sonne, Mond und Sterne umgibt, gehört zu dem Ganzen, was einmal nach der Mondenentwickelung entstanden ist. Nach der Mondenentwickelung ist nicht nur der Mond zugrunde gegangen, sondern alles, was sichtbares Weltall ist, ist damals in die Nacht hineingegangen. Und alles, was da ist im Weltenall, gehört zur Erde eigentlich hinzu, so daß, wenn einmal die Erde untergehen wird, nicht nur Pflanzen- und Tierreich mit der Erde untergehen wird, sondern alles, was da draußen im Kos­mos ist, wird mit untergehen; die gegenwärtige Form der Sterne wird untergehen in die Nacht hinein. Und dann baut sich auf, was der Jupiter sein wird. Seine Atome werden die Saturnteile der Men­schen sein. Seine Umgebung wird ganz anders aussehen als unsere Erdenumgebung.

Betrachten Sie das alles, so könnte ein Mensch, der dieses alles heute auffaßt, das Folgende sagen: Was bleibt also von der gegen­wärtigen Welt, wenn die Erdenentwickelung zu Ende sein wird? Mineral-, Pflanzen-, Tierreiche, alles das verteilt sich, vergeht. Was der Mensch heute als Mensch gewinnt, was er heute aus der äußeren Urteilskraft bildet, das geht über in das Mineralreich des Jupiter, was er als Geisteswissenschaft gewinnt, geht hinüber als Sonnenmensch und begründet die Vegetation; was wir sprechen - die Worte - geht hinüber; was an Moralischem vorgeht, geht hinüber.

Konnte nun derjenige, der der ganzen Erdenentwickelung Sinn und Richtung geben sollte, nicht ein ganz besonderes Wort aus­sprechen, konnte er nicht sagen: «Himmel und Erde werden ver­gehen, aber meine Worte werden nicht vergehen»? - Beginnen wir jetzt nicht zu begreifen den ganz ungeheuer tiefen Sinn der

Christus-Worte: «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen»? Ist das nicht wörtlich wahr?

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Worte, die aus der äußeren Wissenschaft fließen und auf den Saturnmenschen wirken, die gehen hinüber und bilden die Atome des Jupiter. Worte, die der Geisteswissenschaft entspringen und auf den Sonnenmenschen wirken, die gehen hinüber und bilden die Vegetation des Jupiter; was dann auf den Träumer wirkt, das geht hinüber und bildet das Tierreich des Jupiter; und was der Mensch an Moralischem und durch Worte der Geisteswissenschaft der Zukunft gewinnt, das wird zum Menschen des Jupiter. Worte werden es sein, Gedankenweisheit wird es sein. Das wird bestehen. Was rings herum ist im Kosmos, das vergeht. «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.»

So merken wir nach und nach, wie von dieser zentralen Werk­stätte, die wir das Mysterium von Golgatha nennen, tiefe Weisheits­worte fließen. Sie fließen da her. Ich habe einmal gesagt: die ganze folgende Erdenentwickelung wird da sein, um das nach und nach zu verstehen, was der gesagt hat, der durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist. Heute versuchte ich, Ihnen aus der ganzen Geisteswissenschaft, die wir bisher getrieben haben, ein Wort zu erklären, das Christus-Wort: «Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.» Immer wiederum und wiederum werden Leute kommen, welche andere Christus-Worte aus dem, was Geisteswissenschaft zu erklären weiß, deuten werden. Vieles wird kommen müssen, um den ganzen Sinn der Christus-Worte zu verstehen, weil sie Richtworte sind, Worte, die gegeben sind aus dem Geiste, die aber erst im Laufe der Zeit aus alledem, was aufgebracht wird aus der Wissenschaft des Geistes, verstanden werden können.

Wenn wir das in ein Gefühl umsetzen, dann bekommen wir erst eine Empfindung von der ungeheuren Einzigkeit des Mysteriums von Golgatha, bekommen durch die Wahrnehmung, die aufblickt zu dem Unendlichen, jene wunderbare Erkenntnis von dem, was der Erde Sinn gibt vom Weltenanfang bis zum Weltenende - dem Mysterium von Golgatha.

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Ich hatte heute, meine lieben Freunde, die Aufgabe, weil ja wiederum ein paar Wochen kommen werden, wo wir nicht miteinander werden sprechen können, zu sprechen von etwas, was wir in unsere Seelen aufnehmen können und in den nächsten Wochen viel, viel darüber meditieren. Ich wollte einige Gedanken in Ihre Seele legen, die Sie dann weiter ausbauen können. Das ist ja immer unsere sommerliche geisteswissenschaftliche Aufgabe gewesen, daß wir uns, was in unseren Seelen Platz gegriffen hat, weiter ausbauen und daß dadurch unsere Seelen lebendiger und reifer gemacht wer­den; denn nicht dadurch, daß wir Geisteswissenschaft aufnehmen wie etwas Theoretisches, nicht nur dadurch, daß wir bloß aufneh­men Ideen, kommen wir weiter in der Geisteswissenschaft, sondern dadurch, daß wir verwandeln diese Gedanken in unser ganzes Seelenleben, in unser lebendiges Empfinden. Ja, wenn wir diesen Gedanken von dem Darinnenstehen des Menschen im Makrokos­mos so auf unsere Seelen wirken lassen, fühlen wir uns als Men­schen in dem Ganzen darinnen. Aller Kleinmut, alle Zaghaftigkeit, alle Hoffnungslosigkeit muß schwinden gegenüber der Größe dieses Gedankens. Wir müssen uns als Menschen so erst fühlen in aller Bescheidenheit. Und alles dasjenige, was wir als Geisteswissen­schaft in uns aufnehmen können und was als Lebendiges von der Geisteswissenschaft in uns wirken kann und soll - was bisher immer unser Prinzip war -, wir müssen es in der Gegenwart ganz besonders betonen; denn immer wiederum und wiederum müssen wir bei unseren Betrachtungen in der Gegenwart an dasjenige erin­nern, was so mahnend dasteht in den großen Ereignissen der Zeit, immer wieder müssen wir denken an diejenigen, die uns ihre Ätherleiber zurücklassen in jungen Jahren, die eine große Hilfe sein wer­den für die Durchgeistigung der zukünftigen Kultur. Wenn diese Vergeistigung eintreten soll, dann müssen Seelen da sein, die etwas von diesen geistigen Zusammenhängen verstehen, die hinauf­schauen in diese Welt und wissen, da oben ist nicht nur, was man im abstrakten Sinne Anziehung nennt, sondern da droben sind die lebendigen Toten, dasjenige, was sie aus ihrem eigenen Leben her­aus einer Erdenmenschheit gegeben haben, die unverbrauchten

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Ätherleiber. Zusammenwirken werden müssen die Seelen, die erwas verstehen von diesen Dingen, deren Gedanken hinaufgehen zu dem, was herunterströmt von den unverbrauchten Ätherleibern der vor der Zeit Dahingeschiedenen.

Daß wir unsere Seelen durchdringen müssen von dieser Zusam­menströmung des Geistigen mit dem Irdischen, vor allem mit all unseren Gedanken, mit dem, was in uns selber schon geistig ist, zum Geistigen hinaufschauen, das fasse ich zum Schlusse immer in die Worte zusammen, die auch heute den Schluß unserer Be­trachtung bilden sollen:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

VIERZEHNTER VORTRAG Berlin, 6. Juli 1915 Über die kosmische Bedeutung unserer Sinneswahrnehmungen, unseres Denkens, Fühlens und Wollens

#G157-1960-SE278 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

VIERZEHNTER VORTRAG

Berlin, 6. Juli 1915

Über die kosmische Bedeutung unserer Sinneswahrnehmungen,

unseres Denkens, Fühlens und Wollens

#TX

An mancherlei möchte ich in dieser heutigen außerordentlichen Betrachtung erinnern, was den Gegenstand unserer verschiedenen Auseinandersetzungen bildete und was wir heute unter einem bestimmten Gesichtspunkt zusammenfassen wollen, indem wir von da und dort auf schon Betrachtetes Lichtstrahlen, die sich uns ergeben werden, werfen werden. Das ist es ja, was als ein Vorurteil, als eine Vorempfindung, ein Vorgefühl der Annahme geisteswissen­schaftlicher Erkenntnis in unserer Zeit gegenübersteht, daß so wenig geahnt wird, welch ein geringer Teil von dem, was der Mensch eigentlich im Grunde genommen in jeder Stunde, in jedem Augenblick vollbringt, dasjenige ist, was der Mensch in seinem gewöhnlichen Bewußtsein als Mensch der physischen Welt hat. Man braucht ja nur zu bedenken, wie wenig man imstande wäre, als Mensch überhaupt zu leben, wenn man alles dasjenige im Be­wußtsein haben wollte, was man nötig hat, um als Mensch zu leben. Es wird mit Recht immer wieder und wieder betont, wie wenig der Mensch heute noch weiß - nehmen wir nur zunächst die rein physischen Verrichtungen seines Lebens -, wie Gehirn, Leber, Herz und so weiter eigentlich arbeiten, um das zustande zu bringen, was der Mensch eben zustande bringen muß, damit er als ein phy­sisches Wesen auf der Erde lebt. Das alles aber, was der Mensch auf diese Weise bloß zur Entwickelung seines äußeren physischen Lebens zustande bringen muß, das alles muß er ja tun. Und beden­ken Sie, wie wenig das der Mensch mit seinem Bewußtsein beglei­ten kann. Man braucht nur das allergeringste Geschehnis des Lebens ins Auge zu fassen, so sieht man schon: der Mensch als Weltwesen, als Erdenwesen ist eines, und das, was man den bewuß­ten Menschen nennen kann, ist etwas ganz anderes; das ist etwas, was im Verhältnis zu dem, was der Mensch in seinem ganzen Umfange

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ist, etwas sehr Kleines, wirklich recht Kleines ist. Und so könnte es eigentlich niemand wundern, daß in der menschlichen Natur der Trieb entsteht, immer zu erweitern diesen kleinen bewußten Menschen über dasjenige Gebiet hin, das sich eröffnet, wenn man den Menschen als Weltenwesen ins Auge faßt. Wir wol­len dies heute tun eben nach Gesichtspunkten, die sich uns schon dargeboten haben, die wir nur noch einmal in anderem Zusammen­hang ins Auge fassen wollen.

Unser bewußtes Dasein als Mensch beginnt ja in einer gewissen Beziehung durch unsere Sinneswahrnehmungen durch das, was wir mit unseren Sinnen an der Außenwelt wahrnehmen. Daß unsere Sinne wahrnehmen, das heißt, daß Eindrücke auf unsere Sinne gemacht werden, und diese Eindrücke durch gewisse Vorgänge ent­stehen, das ist etwas ganz anderes, als daß wir ein Bewußtsein da-von haben. Denken Sie sich einmal, Sie würden - Hasen tun es ja - nicht mit zugemachten, sondern mit offenen Augen schlafen, so würde die Umgebung des Auges, wenn es nicht gerade stock-finster ist, immer Eindrücke auf die Augen machen, und nur das Bewußtsein von diesen Eindrücken würde fehlen. So sind ja im Grunde genommen die Ohren immer offen, und jedes Geräusch, alles, was bei Tag im wachen Zustand von Bewußtsein begleitet wird, spielt sich selbstverständlich in den Vorgängen des Ohres ebenso ab, wenn der Mensch schläft. Alle unsere Sinnesorgane können immer eingespannt sein in den ganzen Prozeß des Erdenlebens; aber das­jenige, was sie als Bedeutung für uns haben, hängt davon ab, daß wir diesen Prozeß der Sinnesorgane mit dem Bewußtsein begleiten. Denn nur das, was wir in unser Bewußtsein aufnehmen, ist unser als Erdenmensch.

Hat nun dasjenige, was wir unsere Sinneswahrnehmungen nerunen, die Wahrnehmungsfähigkeit unserer Augen, Ohren und so weiter, nur eine Bedeutung für uns als Erdenmenschen oder hat das noch irgendeine andere Weltenbedeutung? Diese Frage kann man nur beantworten, wenn man versucht, sich mit Hilfe der hellseherischen Erkenntnis eine Ansicht zu bilden darüber, was es eigentlich ist, was wir von den Sternen des Weltenraumes sehen. Nicht wahr, derjenige,

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der auf dem Standpunkt unserer materialistischen Physik steht, der sagt: Nun, wenn wir den Planeten sehen, so ist es das Licht der Sonne, das dort hinfällt und wieder zurückgeworfen wird, und auf diese Weise sieht man den Planeten. - So sieht man Gegen­stände unserer Erde. Daß man so auch Planeten sieht, das wird bloß aus einer Analogie heraus von den Physikern geschlossen, denn es ist gar nicht irgendein auch nur im geringsten irgendwie geltenkönnender Grund da, daß das, was für unsere Erde anwend­bar ist - der Schluß, daß das Licht die Gegenstände bestrahlt und, wenn es zurückgeworfen wird, die Gegenstände sichtbar werden -, daß das auch für Himmelskörper gilt. Gar kein Grund ist vorhan­den, diesen Schluß auf das Weltall auszudehnen. Bei den Fixsternen sagen nun diese Physiker: Nun ja, sie leuchten eben selber. Ich weiß noch, als ich ein ziemlich junger Bursche war, da hatte ich einen ehemaligen Kameraden der Dorfschule gefragt: Wie lernt man denn bei euch über das Licht? Ich hatte dazumal schon mit einer etwas kindlichen Skepsis gehört gehabt von der sogenannten realen Ursache des Lichts, nämlich von all den tanzenden kleinen Ätherkügelchen und Lichtwellen, aber der Junge, der dazumal auf dem Seminar ausgebildet war, der hatte davon noch nichts gehört und sagte: Wir haben immer nur sagen hören, wenn die Frage ent­standen war: Was ist das Licht? Licht ist die Ursache des Leuchtens der Körper. - Nun sehen Sie, damit ist selbstverständlich etwas riesig «Gewaltiges» gesagt über das Licht, wenn man sagt: Licht ist die Ursache des Leuchtens der Körper. Aber im Grunde ist es nicht viel mehr, wenn die heutige materialistische Physik sagt: Man sieht eben die Weltkörper, wenn sie Licht ausstrahlen. Es ist im Grunde ganz dasselbe.

Nun habe ich bei einer anderen Gelegenheit schon erwähnt, daß es für die materialistischen Physiker recht sehr überraschend sein würde, wenn sie nach der Sonne fahren könnten und dort nach­sehen könnten, was die Sonne eigentlich ist. Das habe ich gesagt, weil in der Tat dort gar nichts ist, wo die Sonne ist. Sondern das, was man finden würde, würde ein Zusammenhang von rein gei­stigen Wesenheiten und Kräften sein; etwas Materielles ist dort

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überhaupt nicht. Nun, wenn man mit diesem hellseherischen Be­wußtsein die Sterne untersucht und nach dem Grunde ihres Leuch­tens fragt, dann findet man, daß das, was da eigentlich vorhanden ist und von uns als ihr Leuchten bezeichnet wird, eigentlich in der Wahrnehmungsfähigkeit, in der mehr oder weniger groben, wie es bei den Erdenmenschen ist, oder feiner gestalteten Wahrneh­mungsfähigkeit von Wesen besteht. Und wenn irgendein Wesen auf Venus oder Mars auf die Erde herunterschauen würde, so würde dieses Wesen, wenn es die Erde leuchten sähe, sich sagen müssen: diese Erde leuchtet, nicht weil da Sonnenstrahlen zurückgeworfen werden, sondern weil auf der Erde Menschen sind, die durch ihre Augen wahrnehmen. Dieser Vorgang des Sehens bedeutet nicht nur etwas für unser Bewußtsein, sondern er strahlt hinaus in den gan­zen Weltenraum, und was die Menschen tun, indem sie sehen, ist das Licht des leetreffenden Weltkörpers. Wir sehen nicht nur, damit wir mit unserem Bewußtsein die Resultate des Gesehenen aufneh­men, sondern wir sehen, damit durch unseren Prozeß des Sehens die Erde hinausleuchte in den Weltenraum. So hat in der Tat jedes unserer Sinnesorgane die Aufgabe, nicht nur das zu sein, was es für uns ist, sondern außerdem eine Weltaufgabe. Der Mensch ist durch seine sinnliche Wahrnehmung ein Weltenwesen. Er ist nicht nur das Wesen, das er durch sein Bewußtsein als Erdenmensch ist, er ist ein Weltenwesen.

Wenn wir weiter in die Innenformation unserer Seele hinein-gehen, so haben wir das Denken. Dieses Denken, das fassen wir noch mehr eigentlich als unser bloßes Eigentum auf, denn nicht nur, daß das Sprichwort besteht, Gedanken seien zollfrei, womit angedeutet werden soll, daß Gedanken wirklich nur Bedeutung haben für unser Einzelindividuum, sondern es besteht ja auch in weitesten Kreisen das Bewußtsein, daß jeder mit seinem Denken nur einen inneren Vorgang ausführt, daß dieses Denken mehr oder weniger nur eine Bedeutung für ihn selbst hat. Die Wirklichkeit ist aber eine ganz andere. Dieses Denken ist eigentlich ein Vorgang unseres Ätherleibes. Und von dem, was eigentlich geschieht beim Denken, weiß der Mensch das Allerwenigste. Das Allerwenigste

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von dem, was geschieht in seinem Denken, begleitet der Mensch mit seinem Bewußtsein. Indem der Mensch denkt, weiß er ja einiges von dem, was er denkt. Aber unendlich viel mehr wird als begleitendes Denken entfaltet schon beim Tagesdenken. Und dazu kommt, daß wir in der Nacht, wenn wir schlafen, fortdenken. Es ist nicht wahr, daß das Denken mit dem Einschlafen aufhört und mit dem Aufwachen wieder anfängt. Das Denken dauert fort Und unter den mancherlei Traumesvorgängen, Vorgängen des Traumlebens, sind auch diese, daß der Mensch beim Aufwachen mit sei­nem Ich und astralischen Leib in seinen Ätherleib und physischen Leib untertaucht. Da taucht er unter und kommt in ein Gewoge hinein, in ein webendes Leben, von dem er, wenn er nur ein wenig zuschaut, wissen kann: das sind webende Gedanken, da tauche ich unter wie in ein Meer, das nur aus webenden Gedanken besteht. Mancher hat schon beim Aufwachen dann sich gesagt: Wenn ich mich nur erinnern könnte, was ich da gedacht habe, das war etwas sehr Gescheites, das würde mir ungeheuer viel helfen, wenn ich es mir jetzt erinnern könnte! Das ist kein Irrtum. Da unten ist wirk­lich etwas wie ein wogendes Meer; das ist eben die wogende, webende, ätherische Welt, die nicht so bloß eine etwas dünnere Materie ist, wie es so gerne die englische Theosophie darstellt, son­dern die webende Gedankenwelt selbst ist, wirklich Geistiges ist. Man taucht in eine webende Gedankenwelt unter.

Das, was wir als Menschen sind, ist wirklich viel gescheiter als das, was wir als bewußte Menschen sind. Da bleibt nichts übrig, als es zu gestehen. Es wäre auch traurig, wenn wir nicht unbewußt gescheiter wären, als wir bewußt sind, denn sonst könnten wir nichts tun als uns in jedem Leben auf der gleichen Stufe der Ge­scheitheit zu wiederholen. Aber wir tragen in der Tat schon im gegenwärtigen Leben mit uns, was wir werden können im nächsten Leben; denn das wird die Frucht sein. Und würden wir wirklich immer imstande sein, das zu erhaschen, in das wir da untertauchen, so würden wir viel erhaschen von dem, was wir im nächsten Leben sein werden. Also da unten wogt es und webt es; da ist der Keim für unsere nächste Verkörperung, und das nehmen wir in uns auf.

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Daher das Prophetische des Traumlebens. Das Denken ist etwas ungeheuer Kompliziertes, und nur einen Teil von dem, was da im Denken vor sich geht, nimmt der Mensch in sein Bewußtsein auf. Denn im Gedanken geht vor sich, was einen Zeitenprozeß bedeutet. Indem wir wachen Sinnes wahrnehmen, sind wir zugleich kos­mische Menschen. Unser Vorgang des Sehens bewirkt das Leuchten, da sind wir kosmische Raumesmenschen. Durch das, was im Den­ken sich vollzieht, sind wir kosmische Zeitenmenschen, da wirkt alles mit, was schon vor unserer Geburt geschehen ist, was nach unserem Tode geschieht und so weiter. So nehmen wir durch unser Denken am ganzen kosmischen Prozeß der Zeit teil, durch unser Sinneswahr­nehmen am ganzen kosmischen Prozeß des Raumes. Und der irdische Prozeß des Sinneswahrnehmens ist nur für uns selber.

Nun schreiten wir zum Fühlen vor. Vom Fühlen haben wir noch viel weniger als vom Sinneswahrnehmen und vom Denken in unserem Bewußtsein. Dieses Fühlen ist ein tiefer, tiefer Prozeß. Will man nämlich die eigentliche Bedeutung des Denkens kennenlernen, will man kennenlernen das wirklich Wahre, daß das Denken diese kosmische Bedeutung hat, dann muß man sich erheben zu der imagina­tiven Anschauung, wie es in «Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten? » beschrieben ist. Sowie man dem Denken jene Abstraktheit abstreift, die es für unser Bewußtsein hat, und unter-taucht in jenes Meer der webenden Gedankenwelt, kommt man in die Notwendigkeit, dadrinnen nicht nur solche abstrakte Gedan­ken zu haben wie der Erdenmensch, sondern da drinnen Bilder zu haben. Denn aus Bildern ist alles geschaffen, Bilder sind die wahren Ursachen der Dinge, Bilder liegen hinter allem, was uns umgibt, und in diese Bilder tauchen wir ein, wenn wir in das Meer des Denkens eintauchen. Diese Bilder hat Plato gemeint, diese Bilder haben alle gemeint, die von geistigen Urgründen gesprochen haben, diese Bilder hat Goethe gemeint, wenn er von seiner Urpflanze sprach. Diese Bilder findet man im imaginativen Denken. Aber dieses imaginative Denken ist eine Wirklichkeit, und darin tauchen wir ein, wenn wir in das wogende, im Strom der Zeit dahingehende Denken eintauchen.

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In das Fühlen versenken wir uns erst, wenn wir zur sogenannten Inspiration kommen, die die höhere Art von Erkenntnis ist gegenüber der Imagination. Alles das, was unserem Fühlen zugrunde liegt, ist eigentlich ein Gewoge von Inspirationen. Und so wie das Bild, das der Spiegel zurückwirft, nur ein Bild ist von dem, was draußen in der Welt als Gegenstand vorhanden ist, so sind unsere Gefühle auch nur durch unseren eigenen Organismus zurückgeworfene Spiegelbilder der Inspirationen, die aus dem Weltall an uns herankommen. Aber so wie der Spiegel nicht imstande ist, alles wiederzugeben - er kann nur äußere Formen wiedergeben, spiegelt nur das Unorganische, nicht das Leben -, so können auch unsere Gefühle nicht das wiedergeben, was in dem Element der Welt als Inspiration liegt, sondern sie sind ein Spiegelbild, das sich nur so verhält zu dem, was da strömt in der Welt, wie sich das tote Spiegel­bild verhält zu dem lebenden Wesen, das es spiegelt. Denn in jedetn Bilde spiegeln sich die Eigenschaften der Wesen der höheren Hierar­chien, die sich in der Welt aussprechen durch Inspiration. Und so wie wir nicht bei Gefühlen stehenbleiben, sondern fortschreiten zu dem hellhörenden Erkennen, nehmen wir wahr die Welt, wie sie zusammenwirkt aus einer großen Mannigfaltigkeit von lauter Wesen der höheren Hierarchien. Die Welt ist diese Wesenheit, dieses Zusammenwirken der Wesen der Hierarchien. In der Welt geschehen die Taten der höheren Hierarchien. Und wir sind em­gespannt, sind im Spiegel darinnen, und die Taten der höheren Hierarchien werden durch unseren Spiegel zurückgeworfen. Wir nehmen dieses Zurückgeworfene dann durch unser Bewußtsein wahr. So leben wir im Schoße der Eigenschaften der Hierarchien als fühlende Menschen und nehmen die Eigenschaften durch unser Bewußtsein wahr. Noch kleiner ist der Mensch, der die Gefühle mit seinem Bewußtsein begleitet, gegenüber dem, was er durch seine Gefühle eigentlich ist, als das in den anderen Fällen beim bewußten Menschen mit seinen Sinneswahrnehmungen und seinem Denken war. Denn dadurch, daß wir fühlende Menschen sind, sind wir auch Wesen der Hierarchien, wirken auch da drinnen, wo die Hierarchien wirken. Wir wirken in diesem Gewebe, tun Taten, die

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nicht nur für uns sind, sondern durch die wir mitwirken an dem ganzen Aufbau der Welt. Wir sind durch unsere Gefühle Diener der die Welt bauenden höheren Wesenheiten. Und während wir glauben, daß wir, ich will sagen, der Sixtinischen Madonna gegen­überstehen und nur unser Gefühl befriedigen, das in uns aufsteigt, ist es eine Tatsache, daß hier ein Mensch steht vor der Sirtinischen Madonna, und indem er seine Gefühle auf sie richtet, ist da ein realer Prozeß vorhanden - ein realer Vorgang! Würde dieses Gefühl nicht da sein, würden solche Gefühlselemente nicht da sein, so wür­den diejenigen Wesenheiten, die einstmals mitwirken sollen an dem Aufbau des Himmelskörpers Venus, nicht die Kräfte haben, die sie dazu brauchen. Unsere Gefühle sind notwendig für das Haus, das die Götter als Welt aufbauen, wie die Ziegelsteine, die verwendet werden zum Aufbauen des Hauses, und was wir wissen über unsere Gefühle, ist wiederum nur ein Teil. Wir wissen, was es uns für eine Freude macht, wenn wir vor der Si:rtinischen Madonna stehen, das aber, was da geschieht, ist Teil im Weltenganzen, ganz einerlei, wie wir es mit unserem Bewußtsein begleiten.

Und wenn wir auf unser Wollen blicken, ist das auch wieder nur Spiegel, aber nun der Wesenheit der einzelnen Mitglieder der Hierar­chien. Wir sind ebenso ein Wesen der Hierarchien, nur auf einer anderen Stufe. Unsere Realität besteht in unserem Willen, wir geben der Welt Substanz, indem wir unseren Willen irgendwie in der Wirklichkeit leben lassen. Wieder ist es so: Daß wir unser Wollen mit dem Bewußtsein begleiten, das hat nur Bedeutung für uns als Menschen; daneben steht unser Wollen als Realität, das ist der Stoff für die Götter, um daraus die Welt aufzubauen.

Sie sehen, wie unsere Sinneswahrnehmungen, unser Denken, Fühlen und Wollen kosmische Bedeutung haben, wie sie sich hinein fügen in das ganze kosmische Leben. Und es scheint doch, als wenn der Mensch schon in der Gegenwart wirklich nicht gar zu wenig Verständnis haben sollte, um bei gutem Willen dieses aufzunehmen. Manchmal kommt es heraus, daß Menschen ein Bewußtsein dafür haben, daß ein kleiner Mensch da ist, der bewußte, und ein großer Mensch, die kosmische Realität. Friedrich Nietzsche in seinem Zarathusrra

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sprach auch von dieser Tatsache, ahnte etwas von dieser Tatsache. Und so ist es bei vielen, nur daß sie nicht die Mühe sich nehmen, um die Wege zu gehen, durch die man erkennt, wie man vom kleinen Menschen in den größeren Menschen hinaus kommt. Aber es ist wirklich notwendig, daß eine größere Zahl von Men­schen einsieht, daß die Zeiten vorüber sind, wo man auskommen kann ohne diese Einsicht. Die alte Zeit hat noch Überbleibsel gehabt vom alten Hellsehen, durch das in uralter Zeit die Menschen hinein-geschaut haben in die geistige Welt, wo sie wirklich gesehen haben, wie es der Mensch tut, wenn er mit Ich und astralischem Leib draußen ist aus dem physischen und Ätherleib und im Kosmos draußen. Da würde der Mensch nie zur vollen Freiheit gekommen sein, zur Individualität; Unselbständigkeit wäre eingetreten, wenn es beim alten Hellsehen geblieben wäre. Der Mensch mußte das alte Hellsehen verlieren, er mußte gleichsam Besitz ergreifen von seinem physischen Ich. Das Denken, das er entwickeln würde, wenn er das ganze Gewoge unter dem Bewußtsein sehen würde, das als Denken, Fühlen, Wollen dort vorhanden ist, das würde ein himm­liches Denken sein, aber nicht das selbständige Denken. Wie kommt der Mensch zu diesem selbständigen Denken?

Nun, denken Sie sich, daß Sie in der Nacht schlafen, Sie liegen im Bette. Das heißt im Bette liegt der physische Leib und Ätherleib. Nun kommen beim Aufwachen von außen das Ich und der astrali­sche Leib herein. Da wird fortgedacht im Ätherleib. Da tauchen jetzt das Ich und der astralische Leib unter, die fassen nun zunächst den Ätherleib. Aber es dauert nicht lange, denn in diesem Augen­blick kann aufblitzen jenes: Was habe ich da nur gedacht, was war das doch Gescheites? Aber der Mensch hat die Begierde, gleich auch den physischen Leib zu ergreifen, und in diesem Moment ent­schwindet das alles; jetzt ist der Mensch ganz in der Sphäre des Erdenlebens darinnen. Es kommt also daher, daß der Mensch gleich den Erdenleib ergreift, daß er das feine Gewoge des ätherischen Denkens sich nicht zum Bewußtsein bringen kann. Der Mensch muß eben, um das Bewußtsein entwickeln zu können «ich bin es, der da denkt», seinen Erdenleib als Instrument ergreifen, sonst würde

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er nicht das Bewußtsein haben Man muß sich klar sein, daß es in der Welt wirklich nicht davon abhängt, daß man das, was geschehen muß, nach seiner subjektiven Bequemlichkeit einschränken will; es ist ganz unmöglich, daß ein gewisses Maß desjenigen, was dem Menschen zugeteilt ist, ver­kleinert wird. Und wenn der Mensch in einem bestimmten Zeitalter bestimmte Kräfte entwickeln soll und er entwickelt nur einen Teil, so kommen die anderen doch heraus. Es ist nicht wahr, daß sie nicht herauskommen! So wenig wie, wenn Sie eine Maschine heizen. das, was darüber geheizt wird, verschwindet, sondern hinausstrahlt, ebensowenig kann im Menschenleben das, was da ist, verschwinden. So ist es nicht wahr, daß das, was der Mensch heute so verachtet, die mystischen Kräfte, nicht vorhanden wären. Der Mensch kann es verleugnen. Aber in dem, was zur Welt gehört, bleibt es vorhanden.

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Das können Sie ableugnen, Sie können ein großer Materia­list sein in Ihrem Bewußtsein, aber Sie können es nicht als ganzer Mensch sein. Das wird sich dann, ohne daß er es weiß, so ent­wickeln, daß er das, was er sonst den regulären Göttern darreichen würde, Ahriman und Luzifer darreicht. Denn alles, was Sie in ihrem Bewußtsein unterdrücken, nicht zur Entfaltung kommen lassen, reichen Sie Ahriman und Luzifer dar.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, es kann gewiß keine zeitgenös­sische Kultur in der Gegenwart geben, die bis in die innersten Fasern des Seelenlebens hinein einen intensiveren Materialismus getrieben hat als die italienische Kultur. Die italienische Kultur der Gegenwart, sie ist ja als nationale Kultur eine Kultur, die dadurch entstand, daß die Volksseele durch die Empfindungsseele der Menschen wirkt. Wenn die englische Kultur Materialismus hervorbringt, so ist das ihre Mission; der Materialismus wird dort Oberfläche sein, wird aber so sein, wie er sein soll. Da kommt das zustande, was die Erde einmal an Materialismus braucht. Das ist die Mission des britischen Volkes, der Erdenentwickelung den Materialismus zu geben. Da kann sich das nicht so tief in die Seele hineinnisten wie beim Italiener, der alles in die tiefsten Empfin­dungen aufnimmt, da lebt sich der Materialismus bis in die tiefsten Gründe hinein. Darum hat die italienische Zeitkultur gegenwärtig förmliche Tobsuchtsanfälle des nationalistischen Materialismus mit ganzer Seele, während sich der Materialismus eben nicht mit ganzer Seele ergreifen läßt. Man kann ihn vertreten gegenüber der Welt, aber man kann sich nicht für ihn begeistern, außer man ist ein An­gehöriger der italienischen Volksseele. Aber so wahr es ist, daß unsere Zeit überhaupt die materialistischste ist, ebenso wahr ist es, daß bei den südlichen Völkern gerade aus der Empfindungsseele heraus die materialistischsten Empfindungen kommen. Denken Sie, was Fichte ausgesprochen hat: Wer an Freiheit der Geistigkeit glaubt, der gehört eigentlich zu uns! - Bei ihm ist ganz und gar durch den Geist charakterisiert das, was Nationalität in seinem Sinne sein soll: ein Geistbegriff. Nichts von dem ist im italienischen Nationali­tätsbegriff, die Materie des Blutes ist es hier, worauf es ankommt,

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ein ganz naturalistischer Nationalismus ist das. Wenn der eine von Nation spricht, meint er etwas ganz anderes, als wenn der andere von Nation spricht. Ein ganz nationalistischer Materialismus lebt im italienischen Volk. Selbstverständlich bezieht sich das alles nur auf die heutige Zeit. Nun denken Sie, wenn in einer so entschiedenen Weise die Seele hinstrebt nach einem naturalistischen Materialismus in den Absichten des Landes, dann kann nicht verlorengehen des­halb der mystische Sinn; der bleibt. Er wird nur aus dem Bewußt­sein herausgeworfen und legt sich dann auf etwas anderes, er wird nicht aus dem wahrsten innersten Sein herausgeworfen, nur kommt er in den Dienst derjenigen Mächte, die wir mit dem technischen Namen der ahrimanischen und luziferischen Mächte bezeichnen; die Kräfte werden dann nicht in die Bahn der fortschreitenden Gott­heiten geleitet, sondern in die Bahn der ahrimanischen und luziferi­schen Mächte. Man kann annehmen, irgend etwas wird unter diesen Völkern hervorkommen dadurch, daß mystisch geartete Kräfte herausgeworfen werden in das öffentliche Leben. Finden wir so etwas im Süden, als eine richtig herausgeworfene mystische Willensströmung?

1347 war es, am Pfingstsonntag des Mai, als in Rom Cola di Rienzi an der Spitze eines großen Zuges im altrömischen Panzer nach der Empfindung der damaligen Zeit, mit vier Standarten, hinaufgegangen ist nach dem Kapitol, nach der Stätte, von wo aus man immer gesprochen hat, wenn man zu den Römern über das Römertum gesprochen hat. Und Rienzi verkündete von da aus das, was er zu verkünden hatte, wie er selbst sagte, als der Beauftragte des Jesus Christus und der, der im Namen der Freiheit der ganzen Welt zu den Römern zu sprechen hatte. Dazumal wurden tatsäch­lich unglaublich viele Phrasen gesprochen. Sie hatten in der damali­gen Zeit - 1347 - eine gewisse Bedeutung, aber sie hatten keine Realität. Das Ganze war etwas, das wie im Feuer verpuffte. Aber das meine ich noch nicht. Ich möchte hinweisen darauf, daß das geschehen ist am Pfingstsonntag, 20. Mai 1347. Das war dazumal, als sich der Vertreter dieser ganzen Strömung als ein Beauftragter des Christus bezeichnete. Und später, als er immer mehr ausbildete

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seine Lehre, da nannte er sich auch den Inspirierten vom Heiligen Geist. Und wieder an einem Pfingstsonntag ist die Kriegserklärung an Österreich erfolgt. Vorangegangen ist, daß derjenige, der sich allerdings nicht den Beauftragten des Christus genannt hat, aber der doch so leicht durchtönen ließ, daß er vom Heiligen Geist durchdrungen ist, an der Spitze eines großen Zuges unmittelbar vorher in Rom gesprochen hat. Einer, der ganz gewiß nicht eine Spur jener Mystik in seiner Seele hatte, in deren Namen Rienzi damals sprach. Aber - da haben Sie das Herausgeworfene der Mystik - am richtigen Tag, nämlich da wieder Pfingstsonntag war, war es gesprochen. Aber es ist im Dienste der anderen Mächte ge­sprochen. Es ist der Christus-Impuls aus dem Bewußtsein heraus­geworfen. Und wie sehr es das Ahrimanische war, das ja schließlich in dieser Zeit erwartet werden muß, das zeigen wenige Worte, die damals gesprochen worden sind. Selbstverständlich konnte im zwan­zigsten Jahrhundert der Sprecher diesmal nicht im Panzer mit vier Standarten kommen, sondern er ist im Auto gekommen. Das ist selbstverständlich dasjenige, was unserer materialistisch gerichteten Zeit zum Opfer gebracht werden muß. Aber er mußte ja schließlich - unbewußt vielleicht - ein wenig Rechnung tragen dem, daß einer anderen Macht übergeben ist dasjenige, was eigentlich als mystische Menschenkraft herausgeworfen ist und das nun draußen in der Welt strömt - in sein Gegenteil verkehrt. Er hat ja nach seiner Rede -der Mann, der nach seiner eigenen Namengebung d'Annunzio heißt, in Wirklichkeit heißt er ja anders* - nicht nur so gesprochen, daß geglaubt werden konnte - in der italienischen Sprache ist das ja leicht zu machen - alle die großen flammenden Worte des Rienzi leben wieder auf, an die er so deutlich in jedem Satz erinnern wollte, sondern er hat, nachdem er diese Rede gehalten hat, in der allerdings mitteleuropäisches Bewußtsein nur Phrasen sehen kann, nachher einen Degen in die Hand genommen, diesen Degen ge­küßt, zum Zeichen, daß er jetzt an des Degens Kraft die Kraft der Rede abgeben wolle. Dieser Degen, er gehörte dem Redakteur einer Zeitschrift, die man öfter sieht, wenn man nach Italien kommt. Es

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* Siehe Hinweis Seite 443.

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war der Degen, den der Redakteur einer Zeitschrift dem Bürger­meister von Rom bei dieser Gelegenheit als ein heiliges Vermächt­nis übergab. Dieser Degen gehörte dem Redakteur des Witzblattes Wir wollen gerade aus dem, was wir aufnehmen konnten in uns durch unser in den letzten Jahren verlaufenes Streben, versuchen, uns klar darüber zu sein, daß ein gewisses Maß spiritueller Kräfte der Menschennatur angemessen ist. Und weil aus dem Bewußtsein auf der einen Seite dadurch, daß die Menschheit frei werden kann durch die Ergreifung des Leiblichen, herausgeworfen werden muß die mystische Spiritualität, muß es auf der anderen Seite in das Bewußtsein hereingenommen werden, sonst wird das aus dem Be­wußtsein Herausgeworfene von den ahrimanischen und luziferischen Mächten ergriffen. Das ist es, woran ich immer wieder von neuem erinnern möchte, meine lieben Freunde, daß wir, indem wir jahre­lang gestrebt haben, dies in unser Bewußtsein aufzunehmen, in uns selber auch ein Gefühl erzeugen, daß aus diesen blutigen Ereignissen der Gegenwart etwas hervorgehen muß, was die Menschheit zur Spiritualität, zur Anerkennung der Geistigkeit hinführt. In dem Sinne, wie ich öfter davon gesprochen habe, daß sich Seelen finden müssen, die durch Geisteswissenschaft geeignet sind, hinaufzu-schauen in die geistige Welt, wo alle die Ätherleiber sind, die aus jungen Menschen herausgekommen sind - hinaufgekommen sind in die geistige Welt - und die nun vorhanden bleiben, weil auch auf diesem Felde die Kräfte nicht verlorengehen. Zu ihnen sollen wir nun hinaufblicken; sie werden sich verbinden mit den Kräften

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aus der geistigen Welt, die uns entgegenleuchten, und es wird das, was die Toten zu sagen haben, in der Zukunft zu Impulsen werden, wenn Seelen da sind, die ihre Sprache verstehen. In diesem Sinne sprechen wir wieder die schlichten Worte:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

Schicksalsbildung und Leben nach dem Tode

#G157-1960-SE293 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

Schicksalsbildung

und Leben nach dem Tode

Wihrend der Kriegsjahre wurden von Rudolf Steiner vor jedem von ihm innerhalb der Anthroposoplischen Gesellschaft gehaltenen Vortrag in den vom Kriege betrof­fenen Ländern die folgenden Gedenkworte gesprochen:

Wir gedenken, meine lieben Freunde, der schützenden Geister derer, die draußen stehen auf den großen Feldern der Ereignisse der Gegenwart:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Erdenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und zu den schützenden Geistern derer uns wendend, die infolge dieser Leidensereignisse schon durch des Todes Pforte gegangen sind:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe

Eurer Hut vertrauten Sphärenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsre Bitte helfend strahle

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und der Geist, dem wir uns zu nahen suchen durch unsere Geisteswissenschaft seit Jahren, der Geist, der zu der Erde Heil und zu der Menschheit Freiheit und Fortschritt durch das Myste­rium von Golgatha gegangen ist, Er sei mit Euch und Euren schweren Pflichten!

#SE157-296

#TI

ERSTER VORTRAG Berlin, 16. November 1915

Das geistige Leben in der physischen Welt

und das Leben zwischen Tod und neuer Geburt

#TX

Da ich nach langer Abwesenheit zu meiner tiefen Befriedigung wiederum in Ihrer Mitte sein darf, so möchte ich die drei Vorträge dieser Woche vor allen Dingen dazu verwenden, unsere Blicke hinzuwenden auf Erkenntnisse der geistigen Welt, die in einem naheren oder entfernteren Zusammenhang stehen mit demjenigen, was uns ja aus den bedeutsamen, tief einschneidenden Zeitereignissen so sehr beschäftigen und berühren muß. Nicht zunächst auf diese Zeitereignisse selber soll der Blick geworfen werden, sondern auf das­jenige, was wohl in allen Seelen, in allen Empfindungen mit diesen Zeitereignissen wie Rätseifragen, wie bange Fragen an Menschen-und Weltenschicksal zusammenhängt: Auf jenes weitere Schicksal der Menschenseele, welchem die Menschenseele unterliegt auf dem­jenigen Felde des Weltendaseins, dem der Blick der Geisteswissen­schaft ja auch zugewendet ist und das sich nicht erschöpft mit dem irdischen, dem materiellen Dasein, darauf soll der Blick gewendet werden. So nahe, meine lieben Freunde, liegt es uns ja in dieser Zeit, anzuklopfen an die Pforte, durch die das Menschenwesen dringt, wenn es diesen irdischen Leib in irgendeiner Form verläßt. Zu dem hin drängt es uns, zu dem das Menschenwesen aufblicken kann, wenn es einen höheren Trost, eine tiefere Kraftquelle braucht, als der Trost sein kann, der nur vom materiellen Leben kommt, als die Kraftquellen sein können, die nur innerhalb des materiellen Lebens liegen. Wie tausendfältig klopft die Stimme der geistigen Welt in unserer Zeit an unsere Herzen, auch solcher Menschen, die ja oftmals mit ihren Herzen nicht eindringen wollen in die geistige Welt, obwohl diese Herzen auch für jene Menschen die Fenster sind in die geistige Welt hinaus. Wie deutlich klopft so tausend­fältig diese geistige Welt in unserer Zeit an diese Fenster, und wie

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muß es uns naheliegen, wiederum einmal von einem besonderen Gesichtspunkte aus zusammenzufassen mancherlei, was wir wissen können über diese geistige Welt.

Eine geistige Welt wird derjenige bald zugeben müssen, der über die engsten Vorurteile des Materialismus hinausgekommen ist, und engbegrenzte Vorurteile des Materialismus möchte ich die nennen, aus denen heraus das Dasein einer geistigen Welt überhaupt ab­geleugnet wird. Etwas weiter ist ja schon der Blick derjenigen Men­schen, die diese geistige Welt nicht ableugnen, sondern nur be­haupten, man könne mit menschlichen Mitteln von dieser geistigen Welt nichts wissen. Wie gesagt, wenn man nicht auf dem ganz beschränkten materialistischen Standpunkt der ersteren Art steht und durch das menschliche Leben so weit gereift ist - und man kann bald so weit reifen -, eine geistige Welt - wenn man schon ihre Erkennbarkeit leugnen wollte - wenigstens zuzugeben, so wird man daran denken müssen, daß das Wissen, das man sich aneignen kann, und die Lebensresultate, die man erzielen kann durch die ge­wöhnliche materielle Welt, geringfügig sind gegenüber dem, was sich als ein weiter Reichtum ausbreitet in der geistigen Welt, die hinter der physisch-sinnlichen liegt.

Gewiß, es gibt in unserer Zeit engherzige materialistische Seelen, welche das ganze menschliche Wesen in so enge Grenzen fassen wol-len, daß man den Menschen anzusehen habe als nur ein wenig höher entwickelt als das Tier, aber ganz im Sinne der tierischen Entwicke­lung liegend. Gewiß, es gibt solche Menschen. Aber sie werden wohl immer weniger werden, denn, wie wir oftmals gesehen haben, schon die gewöhnliche Wissenschaft läßt diese Vorurteile nicht aufkom­men. Und wenn man nur einmal anfängt zuzugestehen, daß im Menschenwesen noch etwas ist, was über das äußerlich Natürliche hinausragt, dann wird einem sehr bald eine Erkenntnis darüber auf­gehen können, wie geringfügig, wie engbegrenzt dasjenige ist, was die physische, sinnliche Welt umfaßt, gegenüber dem Großen, Ge­waltigen, das die ganze Welt umfaßt. Und wenn man dann auf den Menschen selber sieht, wenn man sich bewußt wird dessen, was im Menschen lebt und leben kann, so kann man doch nicht anders als

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sagen: So weit auch die geistige Welt reicht, so groß auch ihr Reich-mm ist, der Mensch ist eine Art Mikrokosmos in sich. Man möge es für noch so unbekannt halten: in sein Wesen reicht herein der ganze Reichtum der geistigen Welt. Wie gesagt, mag für das sinnliche An­schauen jene Tiefe der Seele noch so verborgen sein, in die die tieferen Partien der geistigen Welt hineinreichen, sie reichen hinein in das menschliche Wesen. Der Mensch ist nicht nur, wie das sein physi­scher Leib ist, ein Zusammenwirken äußerer physischer Kräfte und Substanzen, der Mensch ist ein Ergebnis der ganzen Welt, ein wirk­licher Mikrokosmos. Und vieles, was wir treiben, vieles, was wir aufsuchten, war ja dazu bestimmt, uns im einzelnen klarzumachen, inwiefern der Mensch ein Ergebnis der geistigen Welt ist, inwiefern in ihm wirklich zu suchen sind nicht nur die Kräfte dieser Erde, sondern die aller Himmel, könnte man sagen.

Wenn man aber nur einmal erfaßt wird von diesem Gedanken, dann wird einem auch klar, daß man ja mit dem gewöhnlichen Wissen von dem Menschen im Grunde das allerwenigste weiß. Mit diesem gewöhnlichen Wissen weiß man einiges über die Gesetze der Natur, man erwirbt sich dieses Wissen zwischen Geburt und Tod. Aber man wird eben nur durch ein klein wenig Vertiefung in die Geisteswissenschaft - nicht einmal, indem man ihr Bekenner ist, sondern nur, indem man Lebensrätsel aufwirft - schon erkennen, daß man, wenn man den Menschen erkennen will, an etwas ganz anderes noch sich wenden muß als an das bißchen äußere Wissen, das man erwerben kann zwischen Geburt und Tod durch die äußeren Mittel des Leibes, durch die äußeren Sinne und den Verstand, der an das Gehirn gebunden ist.

Nun, meine lieben Freunde, verbinden wir diesen Gedanken mit einem anderen, mit dem Gedanken, der sozusagen wie ein roter Faden durch alle unsere Betrachtungen geht: mit dem Gedanken der wiederholten Erdenleben. Was denen, die sich ein wenig be­schäftigt haben mit unseren Anschauungen, bei diesem Gedanken der wiederholten Erdenleben zunächst am meisten auffallen muß, das ist, daß die Zeit, die wir hier zubringen zwischen Geburt und Tod, verhältnismäßig kurz ist gegenüber der Zeit, die wir in der

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geistigen Welt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt zubringen. Von den verschiedensten Gesichtspunkten aus haben wir besprochen, daß in der Regel diese Zeit, die der Mensch zu durchleben hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, viel, viel länger ist als die verhältnismäßig kurze Zeit zwischen Geburt und Tod hier im physischen Leben.

Es besteht zwischen den beiden Gedanken, die ich eben äußerte, ein Zusammenhang: das wenige, das wir uns hier erwerben an Wissen und Lebensfrüchten zwischen Geburt und Tod, das steht zu dem geistigen Reichtum der Welten, mit denen der Mensch zu­sammenhängt, ungefähr in demselben Verhältnis wie die kurze Zeit zwischen Geburt und Tod zu der langen Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Denn in der Tat, das wird Ihnen hervor­gehen aus manchen Betrachtungen, die wir gepflogen haben, daß es ja die Aufgabe der Menschenseele ist zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, sich ganz andere Erkenntnisse und Kräfte an­zueignen, als die Erkenntnisse und Kräfte sind, die man sich hier im physischen Leben aneignet. Wirklich, man kann sagen, meine lieben Freunde: Wenn wir so hereintreten in das physische Erdenleben, wenn wir aus der geistigen Welt kommen und einverkörpert werden in den Leib, den uns die Vererbungslinie gibt von unseren Ahnen her, dann ist es unsere Aufgabe, alle die Kräfte und alle die feinen Ver­zweigungen dieser Kräfte zu haben, die wir brauchen, um diesen unseren Leib durchzuorganisieren.

Sehen Sie, unser Leib, so wie wir ihn bekommen, wird uns von unseren Eltern geboren. Aber mit diesem Leibe verbindet sich unser geistig-seelisches Wesen, das eine lange Zeit vorher durchgemacht hat in der geistigen Welt zwischen Tod und neuer Geburt. Könnte man sehen - wenn es überhaupt berechtigt wäre, die Hypothese auch nur einen Augenblick in Erwägung zu ziehen -, was dieses äußere Menschenwesen werden kann nur durch die Kräfte der Ver­erbung, die Kräfte, die der Substanz eigen sind, die von den Eltern uns übergeben werden, dann würden wir sehen, daß mit diesen Kräften der Mensch nicht werden kann der, der er ist. Wir müssen in diese Kräfte, die unser äußeres physisches Dasein darstellen, in

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diese Substanzen und Organgliederungen, in die Form, die wir von den Eltern bekommen, hineingießen dasjenige, was wir als Seele mitbringen, und es aus dem Abstrakten zu dieser individuellen Per­sönlichkeit machen, die wir sind. Wie gesagt, es ist eine törichte Hypothese, aber man kann sie aufstellen, um sich etwas klar-zumachen: Denken wir uns einmal, was entstehen würde, wenn Sie alle nur von Ihren Eltern geboren sein könnten? Wir sehen dabei von Karma ab, sehen davon ab, daß wir natürlich in bestimmte Familien hineingeboren werden, wir sehen nur auf die physische Vererbung. Da würden Sie alle gleich sein als Menschen, da würden Sie nur den allgemeinen physischen Menschencharakter haben! Daß Sie ein ganz bestimmter individueller Mensch sind, daß soundso­viele individuelle Menschen hier vor uns sitzen, das rührt davon her, daß die allgemeine Menschheitsschablone bis in die feinste Gliederung ausziseliert ist von der geistigen Individualität, die aus der geistigen Welt kommt und untertaucht in dasjenige, was von Vater und Mutter gegeben wird. Dazu muß man ebenso, wie man Finger haben muß, um einen Gegenstand der physischen Welt zu ergreifen, und wie man eben den Gegenstand sehen muß, um ihn zu ergreifen, wie man dazu Organe haben und auch gelernt haben muß, etwas zu ergreifen - das Kind kann ja nicht einen Gegen­stand ergreifen, es muß es erst lernen -, so muß man gelernt haben, sich anzuschließen all den einzelnen Organen, die unseren Organis­mus physisch bilden.

Nicht wahr, wir haben «im allgemeinen» Ohren, aber wir hören in individueller Weise. Wir haben «im allgemeinen» Augen, aber wir sehen in individueller Weise. Für die äußeren Organe ist es noch am wenigsten wahrnehmbar, für das innere Verhalten des Menschen aber, da fällt es schon stärker auf. Deshalb müssen wir unser Geistig­Seelisches hineinschieben in alle diese ganz allgemein gehaltenen Organe, wir müssen das ganz individuell gestalten, müssen die Kräfte, die innerlich-geistig-seelischen Handgriffe kennen, um das, was wir als Ohren, Nase, Augen, Gehirn, um all das, was wir als Vererbungsorgane erhalten haben, individuell zu gestalten. Das heißt, wir müssen, wenn wir in die physische Welt durch die Geburt

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eintreten, Kenntnisse haben, und nicht nur Kenntnisse, sondern praktische Möglichkeiten der Anwendung dieses ganzen Wunder-baues des Menschen, von dem wir so wenig durch äußere Wissen­schaft wirklich wissen. Wir müssen zum Beispiel den ganzen feinen Bau des Gehirns innerlich kennen, weil wir ihn innerlich durch-organisieren müssen. Und alle diese geistig-seelischen Handgriffe, alles dieses, was uns möglich macht, überhaupt in einem Menschen-leibe zwischen Geburt und Tod ein Mensch zu sein, all das müssen wir uns erwerben. Genau wie wir uns Geschicklichkeiten im Leben erwerben müssen, so müssen wir uns die Fähigkeit, im physischen Leben ein Mensch sein zu können, zwischen dem Tod und einer neuen Geburt erwerben.

Das müssen wir ins Auge fassen, meine lieben Freunde, das muß uns ganz klar sein. Und wir werden uns dann auch einen Begriff machen können, was wir alles durch bloß physisches Wissen vom Menschen nicht erkennen und was wir erkennen müssen durch jenes andere Wissen, das wir uns praktisch anzueignen haben zwi­schen dem Tod und einer neuen Geburt. Aber wir wissen: Das­jenige, was wir uns aneignen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, das ist ja aufgebaut auf alledem, was wir uns in den früheren Erdenleben angeeignet haben. Und so, wie geregelt ist in einer ge­wissen Weise unser physisches Leben hier zwischen Geburt und Tod, so ist auch in einer gewissen Weise geregelt unser Leben zwi­schen dem Tod und einer neuen Geburt. Nicht wahr, wir treten in das physische Leben herein, man möchte sagen halb schlafend, träu­mend, als kleines Kind. Wir können zunächst nicht ein Gedächtnis entwickeln, wir lernen erst, ein Gedächtnis zu entwickeln. Wenn wir aber genauer zusehen, finden wir, daß in der Zeit, bis wir das Ge-dächtnis entwickeln, gewisse Anpassungen an die äußere Welt er­worben werden. Das Kind krabbelt zuerst und lernt dann erst grei­fen. Da werden gewisse Dinge erworben, systematisch erworben. Aber es wird vieles gelernt in dieser Zeit, viel mehr, als man ge­wöhnlich beobachtet. Dann wiederum ist jede einzelne Lebens­epoche so verlaufend, daß das Spätere sich auf Früherem aufbaut. Das Menschenleben ist also auch hier zwischen Geburt und Tod

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in seinem Verlaufe aufgebaut, nicht nur in seinem körperlichen Bau. Ebenso geregelt ist das Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Und da brauchen wir uns nur einzelnes vor die Seele zu rücken, das wir längst kennen, so werden wir gewahr werden, wie geregelt dieses Leben ist.

Sehen Sie, das haben wir ja öfter betont, wir brauchen hier zu unserem seelischen Leben im physischen Dasein eine Vorstellung unseres Ich, die nicht abreißt, nachdem sie einmal geknüpft worden ist im zweiten, dritten, vierten Lebensjahr, an den Zeitpunkt, bis zu dem wir uns zurückerinnern. Bei Menschen, bei denen gewisser­maßen dieser Ich-Faden abreißt, findet eine Störung des seelischen Gleichgewichts statt. Es gibt solche Menschen, ich habe es schon öfters erwähnt, aber das, was solche Menschen haben, ist immer eine schwere Seelenkrankheit. Es kommt vor, daß ein Mensch plötz­lich herausgerissen wird aus dem Zusammenhang seines Ich. Er erinnert sich nicht an sein früheres Leben, das er gelebt hat. Er geht, sagen wir, zum Bahnhof, kauft sich ein Billett nach irgendeinem Ort. Sein Verstand funktioniert ganz ordentlich. Bei allen Über­gangsstationen macht er alles Nötige ganz vernünftig. Aber er erin­nert sich nicht an das, was vorher war. Sein inneres Leben ist nur ausgebreitet bis zu einem Punkte, wo er sich entschlossen hat, sich ein Billett zu kaufen und die Reise zu machen. Er reist in der Welt herum, sein Verstand ist ganz in Ordnung. Dann kommt ein Augenblick, wo er weiß: er ist «er». Vorher war sein Seelenleben gedächtnismäßig ausgelöscht. Der Verstand kann in Ordnung sein, das Gedächtnis ist ausgelöscht. Dann ist das Ich eben zerrissen, und der Mensch unterliegt einer schweren Seelenkrankheit.

Ich habe selbst einen Bekannten gehabt, der in einer verhältnis-mäßig hohen Stellung plötzlich von einer solchen Krankheit befal­len wurde. Er bekam plötzlich den Drang, nachdem er alles ver­gessen hatte, was er selber war, herumzureisen. Er reiste, wie wir sagen würden, blindlings in der Welt herum von einem Ort zum andern und fand sich wiederum hier in Berlin in einem Asyl für Obdachlose. Da kam er wiederum darauf: Du bist der, der du bist! Die Zwischenzeit war zwar ganz verständig gewesen, aber hing

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nicht zusammen mit dem übrigen Leben. Dann überfiel ihn ein zweites Mal diese Krankheit; da hat er dann freiwillig den Tod gesucht, in dem Bewußtsein, in dem das Gedächtnis mit dem Ich noch ausgeschaltet war.

Nun, sehen Sie, so wie in diesem Leben zwischen Geburt und Tod das Ich ein kontinuierlicher Faden sein muß, und in keinem Augenblick während des Tageslebens abgerissen werden darf diese Möglichkeit, sich an alles das zu erinnern, was verlaufen ist seit dem Zeitpunkt in der Kindheit, an den man sich zurückerin­nert, so muß es auch sein in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Da müssen wir auch immer die Möglichkeit haben, unser Ich zu bewahren. Nun, diese Möglichkeit wird uns gegeben, und sie wird uns dadurch gegeben, daß die ersten Zeiten nach dem Tode eben so verlaufen, wie wir es öfter beschrieben haben. Die allererste Zeit nach dem Tode verläuft ja so, daß man wie in einem großen Tableau sein eben abgelaufenes Leben vor sich hat. Man umfaßt durch Tage hindurch, aber immer so, daß das Ganze da ist, gewis­sermaßen auf einmal sein bisheriges Leben. Man hat es wie in einem großen Panorama vor sich. Wenn man allerdings genauer zusieht, dann stellt sich heraus, daß diese Tage mit ihrem Rück­blick auf das verflossene Leben sozusagen schon mit einer gewissen Nuance der Beobachtung behaftet sind. Man sieht gewissermaßen das Leben in diesen Tagen von dem Gesichtspunkte des Ich aus, man sieht besonders alles dasjenige, woran unser Ich beteiligt wat. Ich will sagen, man sieht die Beziehungen, die man zu einem Men­schen gehabt hat, aber man sieht diese Beziehungen zu dem Men­schen in einem solchen Zusammenhange, daß man gewahr wird, welche Früchte für einen selbst diese Beziehung zu dem Menschen getragen hat. Man sieht also die Sache nicht ganz objektiv, sondern man sieht all das, was Früchte für einen selber getragen hat. Man sieht sich überall im Mittelpunkt drinnen. Und das ist unendlich notwendig, denn von diesen Tagen, wo man so alles sieht, was fruchtbar für einen geworden ist, geht aus jene innere Stärke und Kraft, die man braucht im ganzen Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, um nun da den Ich-Gedanken festhalten zu

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können. Denn man verdankt die Kraft, das Ich festhalten zu kön­nen zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, diesem Anschauen des letzten Lebens; von dem geht diese Kraft eigentlich aus. Und insbesondere, meine lieben Freunde - ich muß das noch einmal betonen, wenn ich es auch hier schon gesagt habe -, insbesondere ist da der Moment des Sterbens von außerordentlicher Bedeutung.

Der Tod ist etwas, was am allermeisten zwei total voneinander verschiedene Seiten hat. Der Tod von hier aus, von der physischen Welt aus gesehen, hat gewiß viele trostlose Seiten, viele schmerz­liche Seiten. Aber es ist wirklich so, daß man von hier aus den Tod von der einen Seite nur ansieht; wenn man aber gestorben ist, sieht man ihn von der anderen. Da ist er das befriedigendste, vollkom­menste Ereignis, das man überhaupt erlebt, denn er ist da leben­dige Tatsache. Während er hier ein Beweis dafür ist, auch für unsere Empfindung, für unser Gefühl, wie hinfällig, wie vergäng­lich das physische Leben des Menschen ist, ist der Tod, angeblickt von der geistigen Welt aus, gerade ein Beweis dafür, daß immer­dar der Geist den Sieg über alles Ungeistige davonträgt, daß immer­dar der Geist das Leben ist, das unvergängliche, das nie versiegende Leben. Er ist gerade ein Beweis dafür, daß es keinen Tod gibt in Wirklichkeit, daß der Tod eine Maja, ein Schein ist. Darin liegt auch der große Unterschied zwischen dem Leben von dem Tode bis zu einer neuen Geburt und dem Leben hier von der Geburt bis zum Tode.

Denn sehen Sie, kein Mensch kann sich mit gewöhnlichen phy­sischen Erkenntnismitteln an seine eigene Geburt erinnern. Die eigene Geburt kann niemand aus der Erfahrung beweisen, weil er sie nicht gesehen hat. Die Geburt ist etwas, das vor dem Menschen-auge hier im physischen Leben nicht stehen kann. Die Geburt liegt vor der Zeit, an die man sich erinnert. Und die Geburt steht nie da. Der Tod aber - und dadurch unterscheidet er sich von der Ge­burt in seiner Bedeutung nach dem Tode - steht immer als das größte, bedeutendste, lebendigste, vollkommenste Ereignis vor dem geistigen Auge in der Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Ge­burt. Denn der Tod ist eben das, wovon wir unser Ich-Bewußtsein

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nach dem Tode haben. Und ebenso wie es uns hier in unserem physischen Leben unmöglich ist, uns an unsere Geburt zu erinnern, ebenso notwendig und selbstverständlich ist es in der ganzen Zeit, die wir in der geistigen Welt verbringen, in dem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, daß immer der Moment, wo der Geist sich losringt von dem Leibe, vor unserem geistig-seelischen Blick steht. Denn aus diesem Tode heraus fließt uns eben im Zusammenhang mit dem, was wir hier erlebt haben, die Kraft, die wir brauchen, um uns als Ich zu fühlen. Man möchte sagen: könnten wir nicht sterben, so könnten wir ein geistiges Ich überhaupt nicht erleben. Denn daß wir ein geistiges Ich erleben, verdanken wir dem Um­stande, daß wir physisch sterben können. So also liegt die Sache für unser Ich. Dieses Ich wird gestärkt und gekräftigt dadurch, daß wir die ersten Tage, in denen wir noch im Ätherleibe sind, nach dem Tode erleben. Dann wird dieser Ätherleib abgelegt, und wir erleben rücklaufend das Leben, das wir den Durchgang der Menschenseele durch die Seelenwelt nennen können, ein Leben, das nun schon länger dauert als das kurze, nur Tage andauernde Leben, das unmittelbar auf den physischen Tod folgt.

Nun ist die Meinung sehr verbreitet, daß derjenige, der in die geistige Welt hineinsehen kann, sogleich alles überschaut. Ich habe das schon oft korrigiert. Nichts macht so bescheiden, als das wirk­liche Hineinsehen in die geistige Welt. Denn man kann lange hineinsehen, aber das Erforschen der einzelnen Tatsachen der gei­stigen Welt, das ist eben in der geistigen Welt mit den Kräften der geistigen Welt eine wirklich lange, lange Arbeit, und es ist ein Vor­urteil, wenn man glaubt, daß derjenige, der in die geistige Welt hineinsieht, nun gleich über alles Auskunft geben könne. Und gerade so, wie hier in der physischen Welt nach und nach die Dinge erforscht werden, von Epoche zu Epoche, so ist das auch für das geistige Leben so, daß nach und nach die Dinge erforscht werden. Aber gerade - und jetzt möchte ich auf einen Punkt eingehen, der doch der einen oder anderen hier sitzenden Seele wichtig sein muß -, gerade die absolute Zusammenstimmung der einzelnen gei­stigen Tatsachen, wenn man sie so nach und nach erforscht, wie

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sie sich immer wieder und wiederum herausstellen von neuem, die kann auch demjenigen, der noch nicht in die geistige Welt hinein-sieht, ein Beweis der Berechtigung desjenigen sein, was in ehr­lichem Forschen errungen wird aus der geistigen Welt. In meiner «Geheimwissenschaft» habe ich schon bestimmte Zeiten an-gegeben, wie lange die einzelnen Abschnitte in dem Leben zwi­schen Tod und neuer Geburt dauern, aus verschiedenen Gesichts­punkten heraus. Nun gibt es aber noch einen anderen Gesichts­punkt, den ich jetzt anführen möchte und den ich in meiner «Ge­heimwissenschaft» noch nicht angeführt habe, aus einem einfachen Grunde, den ich Ihnen nicht verhehlen möchte, damit Sie auch daraus entnehmen können, daß hier in ehrlicher, aufrichtiger Weise Geisteswissenschaft getrieben wird: aus dem einfachen Grunde, weil ich es dazumal noch nicht gewußt habe, sondern es erst nach­her erforschen konnte. Es ergibt sich nämlich ein gewisser Zu­sammenhang zwischen dem Leben, das als geistiges Leben hier auf dem physischen Plan entfaltet werden kann, und dem geistigen Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Sie wissen ja, daß wir unser Leben hier als physisches Leben verbringen in Wachen und Schlafen, daß wir einerseits ein volles Bewußtsein haben im Wachzustand und daß dann für den nor­malen Menschen ein unbewußter Zustand verläuft in der Zeit zwi­schen Einschlafen und Aufwachen. Sie wissen auch aus dem, was auseinandergesetzt worden ist in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», daß dieses Schlafesleben durchstrahlt wer­den kann von Bewußtsein, daß man hineinschauen kann in das­jenige, was zwischen dem Einschlafen und Aufwachen geschieht. Wenn man nun dazu gelangt, immer mehr und mehr kennenzu­lernen das Leben, das der Mensch hier zwischen Geburt und Tod verbringt im Schlafe, da lernt man ja wirklich einen ungeheuren Reichtum des Lebens kennen. Ein ungeheurer Reichtum des Men­schenlebens verfließt eben für das normale menschliche Dasein in diesem unbewußten Zustande zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Da geht ungeheuer viel vor. Und dasjenige, was sehr bald auffällt in diesem Schlafesleben, das ist das, daß dieses Schlafesleben

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ein ungeheuer viel aktiveres Leben ist als das Leben vom Aufwachen bis zum Einschlafen.

Wir sind ja während des Schlafens in unserem Ich und Astral­leibe und haben sozusagen außer uns liegen unseren physischen Leib und den Ätherleib. Nun gewiß, auch dieses äußere Leben ist ein aktives Leben, bei manchen Menschen ja sogar ein sehr aktives Leben. Es kommt einem nämlich so aktiv vor, weil wir alle die Passivitäten, die in diesem äußeren Leben sind, eigentlich gar nicht so sehr in Erwägung ziehen. Wirklich, wenn alles aus unserer In­itiative hervorgehen müßte, was das äußere Leben trägt, dann würden wir uns sehr verwundern, wie anders es vor sich gehen würde. Denken Sie einmal: Sie stehen jeden Morgen auf. Sie kom­men kaum zu dem Entschluß, aufzustehen, Sie tun es aus Gewohn­heit. Und Sie kommen wirklich nicht zu einer genaueren Erkenntnis dessen, was das heißt, daß man so zusammenhängt mit der ganzen Welteinrichtung, daß man in gewissen Zeiten in dem einen und anderen Zustand sein Leben zubringen muß, daß das in entsprechen. der Weise pendeln muß - ja, wo wäre solche Überlegung, das ver­läuft ganz gewohnheitsmäßig. Und nun versuchen Sie einmal zu überlegen, wie vieles so verläuft, daß wir gewissermaßen als Auto­maten durch das Leben gehen. Dann kommen Sie darauf, zu erken­nen, daß ungeheuer viel Passives ist im Leben zwischen dem Auf­wachen und dem Einschlafen, aber viel Aktives in dem Leben zwi­schen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Da ist völlige Aktivi­tät, ungeheure Aktivität. Interessant ist, daß Menschen, die verhält­nismäßig träg sind im äußeren Leben zwischen dem Aufwachen und dem Einschlafen, gerade die geschäftigsten sind zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Da ist der Mensch ungeheuer tätig, nur im normalen Leben weiß er es nicht. Und wenn man genauer hineinsieht in das, was die Seele - also Ich und Astral-leib - da treibt, so ist diese Tätigkeit wirklich mit dem ganzen Da-sein des Menschen innig zusammenhängend.

Wenn wir so durch das Leben schreiten, nehmen wir ja bewußt außerordentlich wenig von diesem Leben mit. Wir verarbeiten das Leben, so wie es äußerlich an uns herankommt, durchaus nicht

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vollständig. Ich möchte ein naheliegendes Beispiel nehmen. Sehen Sie, jetzt hören Sie sich diesen Vortrag an, der, sagen wir, eine Stunde dauert. Ja, wirklich ohne irgend jemandem nahetreten zu wollen von den lieben Freunden, die hier sitzen, darf ich sagen: Es wäre möglich, ungeheuer viel mehr in den Worten dieses Vortrages zu hören, als die einzelnen verehrten Freunde hören, die hier sitzen. Denn es wäre möglich, viel mehr zu hören, als ich selber weiß von dem, was ich sagen kann. Aber Sie werden - dieses soll nur gesagt werden, um das andere zu betonen - nach Hause gehen, Sie wer­den sich ins Bett legen und schlafen und morgen früh aufwachen. Und in der Zeit zwischen dem Einschlafen und Aufwachen werden Sie - allerdings ganz unbewußt für das normale Bewußtsein -vieles von dem, was Sie jetzt gar nicht in der Lage sind zu hören, verarbeiten. Sie verarbeiten es ungeheuer genau in Ihrem nächsten Schlafe, und vielleicht auch noch in den anderen Nächten ver­arbeiten Sie es. Man sieht die Seele in einer ganz anderen Weise zwischen Einschlafen und Aufwachen das verarbeiten, was auf­genommen wird. Und selbst wenn das vorkäme, daß jemand sehr unaufmerksam zugehört hätte, aber nur etwas hingebungsvoll wäre, so würde er schon durch das Hingebungsvolle doch mit seiner Seele verbinden dasjenige, was in dem Vortrag an geistigen Potenzen, an geistigen Impulsen liegt. Und das würde dann während des Schlafes verarbeitet, wie wir es brauchen, nicht nur für das nächste Leben bis zum Tode, sondern über den Tod hinaus.

So verarbeiten wir das ganze Leben, wie es verläuft im Wach-zustande, vom Aufwachen bis zum Einschlafen. Alles, was wir den Tag über erleben, das verarbeiten wir während der Nacht, so daß wir sozusagen Lehren daraus ziehen, wie wir es brauchen für unser ganzes folgendes Leben über den Tod hinaus, bis in die nächste Inkarnation hinein. Wir sind unsere eigenen prophetischen Verarbeiter unseres Lebens, wenn wir in Schlaf versinken. Dieses Schlafleben ist ein tief Rätselvolles, weil es viel inniger zusammenhängt mit dem, was wir erleben, wie es mit dem äußeren Bewußtsein zusammenhängen kann. Aber wir verarbeiten das alles unter dem Gesichtspunkte seiner Fruchtbarkeit für das folgende Leben. Was

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wir aus uns machen können dadurch, daß wir das erfahren haben, darauf geht unsere Arbeit in der Zeit zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Wenn wir in der Seele energischer, mächtiger werden oder wenn wir uns Vorwürfe zu machen haben: Wir ver­arbeiten das, was wir auf diese Art erleben, so, daß es Lebensfrucht wird. Sie sehen daraus, meine lieben Freunde, daß dieses Leben zwischen dem Einschlafen und Aufwachen wirklich ungeheuer be­deutungsvoll ist, daß es tief einschneidet in das ganze Menschenrätsel.

Nun kommt dem Geistesforscher eines Tages die Intention - ja, man kann wohl sagen, die Absicht kommt dem Geistesforscher eines Tages -, nun einmal dieses Leben des Schlafes zu vergleichen mit einem anderen Leben, mit einem außersinnlichen Leben. Und da verfällt er dann darauf, es zu vergleichen mit den Tagen, die folgen auf das Lebenstableau im Kamaloka. Und siehe da, meine lieben Freunde - aber es ergibt sich das eben erst dem Blick der Forschung -, während man sich hier im Leben gedächtnismäßig erinnert an all das, was man im Tagesleben erlebt hat: Nach dem Tode, nachdem der Moment vorbei ist, bis zu dem das Lebens­tableau gedauert hat, da bekommt man ein Gedächtnis für alle seine Nächte. Und das ist ein wichtiges Geheimnis, das einem auf­geht. Man erinnert sich an alles Nachtleben. Dieser Rückgang stellt sich so dar, daß man wirklich von der letzten Nacht, die man hier verbracht hat im Leben, zur vorhergehenden und so immer weiter zurücklebt. Man erlebt da das ganze Leben wieder zurück, aber so, wie man es angeschaut hat von der Nachtseite aus. Also alles das, was man über das Leben unbewußt gedacht und geforscht hat, erlebt man wiederum im rücklaufenden Gedächtnis. Man geht sein Leben wirklich durch, aber nicht von der Tagseite aus.

Wie lange kann das ungefähr dauern? Nun, denken Sie sich, daß man ungefähr ein Drittel seines Lebens verschläft. Es gibt Men­schen, die schlafen natürlich noch viel länger, aber im Durchschnitt ist es doch ein Drittel des Lebens, das man verschläft. Deshalb dauert auch der Rückgang ungefähr ein Drittel des verbrachten Erdenlebens, weil man die Nächte durchlebt. Denken Sie, wie wunderbar das zusammenstimmt mit den anderen Gesichtspunkten,

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die sich ergeben. Wir haben immer gesagt, daß das Kamaloka­Leben ungefähr ein Drittel dauert der Lebensdauer. Wenn man aber das vorher Gesagte in Betracht zieht, dann sieht man ein, daß es wiederum ein Drittel sein muß. So stimmen die Dinge zusam­men! Alle einzelnen Dinge stimmen immer wieder zusammen. Das ist das Wunderbare bei der Geistesforschung: Man lernt eine Tat­sache kennen, und ist sie bestimmt, so lernt man sie von einer anderen Seite kennen. Es ist so, wie wenn man auf einen Berg steigt: Da hat man eine Aussicht einmal von der einen Seite und dann von einer anderen Seite. Trotz der Verschiedenheit wird das Wesentliche immer zusammenstimmen. So können wir hier sagen: Im Erdenleben zwischen Geburt und Tod durchlebt man das Leben so, daß es einem immer abgerissen wird, daß es einem immer unterbrochen wird durch das Nachtleben, und man erinnert sich an das Tagesleben, an die Dinge, die man im Tagesleben erlebt hat. Aber in dem Nachtleben hat man sich in anderer Weise mit diesen Dingen beschäftigt, man hat sie, wie gesagt, nur verarbeitet. An das, woran man sich im physischen Leben nicht erinnern kann, daran erinnert man sich aber während des Kamaloka-Lebens. Das ist nun ein wichtiger Zusammenhang, und daraus werden Sie man­ches begreifen, was vielleicht sonst nicht so ohne weiteres zu be­greifen ist.

Sehen Sie, insbesondere in unserer jetzigen Zeit gehen ja sehr viele, verhältnismäßig junge Menschen durch die Pforte des Todes hindurch. Ich habe schon von vielen Gesichtspunkten aus gesagt, was das für eine Bedeutung hat für das gesamte Leben des Men­schen. Aber sehen wir zunächst nur auf die beiden Abschnitte, die wir jetzt charakterisiert haben - auf anderes werden wir noch kom­men in diesen Tagen - auf das Leben, das nur Tage dauert, im Ätherleib, wo man das Lebenstableau vor sich hat, und dann auf das Leben der Seele in der Seelenwelt. Indem man nachtweise das vorhergehende Erdenleben durchschreitet, wird man leicht einsehen können, warum der Geistesforscher sagen muß: Schon diese beiden Abschnitte des Lebens zwischen Tod und neuer Geburt sind anders für einen Menschen, der verhältnismäßig früh durch die Pforte des

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Todes gegangen ist, als für einen, der erst spät durch sie hindurch­gegangen ist. Das geht uns ja nahe, weil jetzt so viele Menschen in verhältnismäßig frühem Alter durch die Pforte des Todes gehen.

Sehen Sie, es ist ja so, daß wirklich die einzelnen Abschnitte, die ich angegeben habe für das physische Leben, für dieses Leben eine große Bedeutung haben. Ich habe die Lebensabschnitte angegeben: den ersten bis zum siebenten Jahre, bis zum Zahnwechsel, dann bis zum vierzehnten Jahre, zur Geschlechtsreife, dann bis zum einund­zwanzigsten Jahre und so weiter, von sieben zu sieben Jahren. Und wenn Sie das ernst nehmen, was in diesen Unterscheidungen des dahinfließenden Lebens liegt, so ist uns ja das fünfunddreißigste Jahr ein wichtiger Lebensabschnitt. Bis dahin sind wir sozusagen in einer Art von Vorbereitung, während wir später die Vorbereitung beendet haben und das Leben mehr aufbauen auf Grundlage des­sen, was bis zum fünfunddreißigsten Jahr vorbereitet wurde. Dieses fünfunddreißigste Lebensjahr hat eine sehr große Bedeutung. Bis dahin dauert zwar nicht gerade das körperliche, aber das seelische Wachstum bei einem Menschen, der nun wirklich seelisch wächst. Dann muß entschieden betont werden, daß manches von dem, was Reifezustand des Lebens ist, erst nach dem fünfunddreißigsten Lebensjahr gewonnen werden kann. Nun, wenn wir aber dieses fünfunddreißigste Lebensjahr von einem anderen Gesichtspunkte betrachten, dann wird es uns noch bedeutsamer erscheinen. Sehen Sie, wenn wir diese siebenjährigen Lebensepochen uns vor die Seele führen, haben wir zunächst bis zum siebenten Jahre die Ausbildung des physischen Leibes, bis zum vierzehnten Jahre die Ausbildung des Ätherleibes. Vom vierzehnten bis zum einundzwanzigsten Jahr gliedert sich, gestaltet sich aus dasjenige, was wir den Astralleib nennen, dann die Empfindungsseele bis zum achtundzwanzigsten Lebensjahr, die Verstandes- oder Gemütsseele bis zum fünfund­dreißigsten Jahr, und dann weiter die Bewußtseinsseele bis zum zweiundvierzigsten Jahr. Und dann kommen wir zum Geistselbst, was eine Art Zurückentwickelung an dem Astralleib ist, und so weiter. Die weiteren Lebensepochen verlaufen nicht in siebenjäh­rigen Perioden, sondern unregelmäßig. Da wird es in der Znkunft

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erst zu einer Regelmäßigkeit kommen. Abgesehen von dem, was die Erziehung sündigt, geht es aber bis zum fünfunddreißigsten Jahr mit einer ziemlichen Regelmäßigkeit.

Nun, auffallen kann einem dasjenige, was die tiefere Bedeutung dieser ganzen Lebensentwickelung ist, namentlich dann, wenn man Menschen betrachtet, die da sterben in diesen verschiedenen Lebens-altern. Nehmen wir an - dies sei zunächst beispielsweise an­geführt -, wir verfolgen die Seele eines elf-, zwölf-, dreizehnjähri-gen Mädchens oder Knaben, eine Seele, die also elf-, zwölf-, drei­zehnjährig durch die Pforte des Todes gegangen ist. Nach dem, was ich schon ausgeführt habe, liegt ja in einem solchen Falle das vor, daß der Ätherleib - er hätte ja in der Theorie noch die ganzen folgenden Jahre versorgen können - unverbrauchte Kräfte in sich hat. Aber auch im übrigen liegt das vor, daß der Mensch ja eigent­lich während des ganzen Lebens zwischen Geburt und Tod sich vor­bereitet für den Tod. Er bereitet sich wirklich vor für den Tod, denn eigentlich besteht unser ganzes Leben darin, eine Vorberei­tung für den Tod zu sein, insofern als wir ja fortwährend arbeiten an der Zerstörung des Leibes. Könnten wir ihn nicht zerstören, so könnten wir es überhaupt zu keiner Vollkommenheit bringen, denn diese Vollkommenheit erkaufen wir sozusagen mit einer Zerstörung des äußeren physischen Leibes. Wenn nun der Mensch dreizehn-jährig durch die Pforte des Todes geht, so leistet er eine ganz lange Zerstörungsarbeit nicht, die er eigentlich hätte leisten können. Er macht nicht mit das, was er hätte mitmachen können. Das drückt sich in einer merkwürdigen Weise aus.

Wenn wir eine solche Seele verfolgen, so finden wir sie in der geistigen Welt in einer bestimmten Zeit zwischen dem Tod und einer neuen Geburt verhältnismäßig sehr bald in einer, ich möchte sagen, höchst bemerkenswerten Gesellschaft: Wir finden sie mitten unter denjenigen Seelen, die sich vorbereiten für ein nächstes Leben so, daß sie schon bald auf diese Erde herunterkommen müssen, also unter Seelen, die sich bald verkörpern. Unter denen leben dann solche Seelen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind im elften, zwölften, dreizehnten, vierzehnten Jahre, die werden da

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hineinversetzt. Und wenn man sich genauer umsieht in diesen Zu­sammenhängen, da stellt es sich eigentülicherweise heraus, daß diese Seelen, die nun bald in ihr Erdenleben heruntergehen, das brauchen, was ihnen diese anderen Seelen hinauftragen können von der Erde, um sich ihrerseits wiederum an Kraft zu erstarken, die sie brauchen, um sich zu verleiblichen. Also die jugendlichen Seelen bilden eine starke Hilfe für diejenigen Seelen, die nun bald her-unterkommen müssen auf die Erde.

Solche Hilfe, wie unter normalen Verhältnissen junge Kinder, die ganz normal waren, das heißt kein hervorragendes geistiges Leben hatten, sondern nur aufgeweckte Kinder waren, solche Hilfe, wie die leisten, kann man zum Beispiel nicht mehr leisten, wenn man im späteren Alter stirbt. Da hat man auch seine Aufgabe. Jeder muß sich seinem Karma fügen und soll nicht denken: Ich möchte in diesem oder jenem Lebensalter sterben; sondern man stirbt in dem Alter, in dem einen das Karma sterben läßt. Solche Hilfe, die man leisten kann als Seele für jene Seelen, die da erwar­ten ihre Inkarnation, kann man also nicht mehr leisten, wenn man im späteren Lebensalter stirbt. Das hängt damit zusammen, daß man in der ersten Lebenshälfte in einer gewissen Weise der geisti­gen Welt noch nähersteht als in der zweiten Lebenshälfte. In einer anderen Weise ist es wieder nicht der Fall; aber in einer gewissen Weise steht man der geistigen Welt näher in der ersten Lebens-hälfte. Das ganze Leben verläuft nämlich so, daß, je länger man im physischen Leibe lebt, man sich desto mehr von der geistigen Welt entfernt. Ein Kind von einem Jahr steht der geistigen Welt noch sehr nahe. Es verläßt den physischen Plan und ist schnell drinnen in der geistigen Welt. Noch bis zum vierzehnten Jahr ist es so; da ist man so im physischen Leibe drinnen, daß man leicht in die Welt der Seelen kommen kann, die bald wiederum ihre Inkarnation suchen. Das bedingt, daß ein Sterben in sehr jugendlichem Alter damit verbunden ist, schon bei dem Tableau, das man da durchlebt, anderes zu erleben, als der erlebt, welcher in späterem Alter stirbt. Und da ist das fünfunddreißigste Lebensjahr eine wichtige Grenze.

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Wenn man vor dem fünfunddreißigsten Lebensjahr stirbt, dann erlebt man zunächst das Lebenstableau, dann geht man das Leben durch die Nächte zurück. Aber während dieser Rückschau auf das vergangene Leben sieht man wie von #SE157-315

geistige Welt versetzt als einer, der später stirbt. Er trägt also aus dem Rückblick, den er hat nach dem Tode, in sein nächstes Leben zwischen Geburt und Tod ungeheuer viel Spirituelles, ungeheuer viel Geistiges hinein. Und die vielen, die in unserer jetzigen Zeit früh sterben, die werden auch von diesem Gesichtspunkte aus wich­tige Träger der geistigen Wahrheiten und geistigen Erkenntnisse sein, wenn sie in einer nächsten Inkarnation wiederum herunter-kommen auf die Erde.

So sieht man, wie der ungeheure Schmerz, der sich ausgießt über die Welt, doch notwendig ist für den gesamten Verlauf des Daseins. Denn das Blut, das jetzt fließt, wird das Symbolum sein für eine gewisse Erfrischung des spirituellen Lebens in einer gewissen Zu­kunft, die der gesamten Entwickelung der Menschheit notwendig ist. Denn anders werden die Seelen, die jetzt so früh durch die Pforte des Todes gehen, herunterkommen, die meisten werden anders herunterkommen, als sie heruntergekommen wären, wenn sie im materiellen Dasein bis an die äußerste Grenze des Lebens gekommen und dann gestorben wären. Auch das ist Weisheit der Welt, daß jetzt eine Anzahl von Seelen hinweggerufen werden, damit sie schon in dem Rückblicke und Rückerleben tiefe geistige Geheimnisse auf eine dem Irdischen verwandte Art schauen kön­nen. Das ist auch Weisheit der Welt, damit diese Seelen dann erfüllt werden können mit dem, was sie stärker schauen, wenn sie es noch einmal schauen, gestärkt werden durch das kürzere irdische Leben, das sie durchgemacht haben.

Das ist wirkliche Weisheit der Welt. Und so muß man sagen, daß vieles von dem, was uns mit Recht tief schmerzt, wenn wir den Blick bloß darauf richten können vom Gesichtspunkte des irdi­schen Daseins aus, uns seinen versöhnenden Anblick zeigt, wenn wir es vom Gesichtspunkte des geistigen Anschauens betrachten können. Nun, so ist es mit dem ganzen Leben. Gewiß, meine lieben Freunde, der irdische Schmerz kann durch eine solche Betrachtung ja zunächst nicht vermindert werden. Er muß auch durchlebt wer­den. Denn das ist eben die Bedingung dafür, daß er wiederum aus­geglichen werden kann. Härten wir ihn nicht erlebt in der physischen

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Welt, so könnte er nicht ausgeglichen werden. Aber Wenn wir auch leiden müssen über vieles in der physischen Welt, so gibt es doch auch Augenblicke, in denen wir uns versetzen können auf die Standpunkte des Geistigen. Dann werden wir gar manches, was von niederen Gesichtspunkten aus uns schmerzvoll erscheinen muß, eben erkennen als einen Tribut, der gebracht werden muß den höheren geistigen Welten mit ihren Weisheiten, damit nicht in ein­seitiger, sondern in allseitiger Weise die Entwickelung der ganzen Welt und des Menschendaseins vorwärtsgehen kann.

Das Versöhnende für manchen Schmerz muß eben erst errungen werden, und dazu muß der Schmerz erst durchgemacht werden. Ersparen kann uns ja die Geisteswissenschaft gewiß den Schmerz nicht, aber sie kann uns lehren, ihn hinzutragen auf den Altar des Daseins und den Ausgleich zu suchen, und die Weisheit der Welt anzuerkennen trotz allem Schmerz, den sie um höherer Ziele willen verursachen muß. Das ist das, was uns als eine wichtige Weg­zehrung für das ganze menschliche Dasein Geisteswissenschaft eben geben kann. So dürfen wir auch von diesem Gesichtspunkte aus, ich möchte sagen, so recht aus den Empfindungen, die uns die Geisteswissenschaft geben kann, hinblickend auf die auch schmerz-vollen Ereignisse unserer Zeit, eben sagen, was wir oftmals hier sagten:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

ZWEITER VORTRAG Berlin, 18. November 1915 Über Schicksalsbildung

#G157-1960-SE317 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

ZWEITER VORTRAG

Berlin, 18. November 1915

Über Schicksalsbildung

#TX

Als erstes obliegt mir die schwere, traurige Pflicht, Ihnen die Nach­richt zu überbringen, daß zu denjenigen, die wir heute schon zu den Sphärenmenschen zu rechnen haben, auch unsere liebe Freun­din, die Leiterin der Münchener Loge, Fräulein Stinde, gehört. Sie hat gestern abend diesen physischen Plan verlassen. Es ist keine Möglichkeit, in den ersten Augenblicken über diesen für unsere Gesellschaft so außerordentlich schweren, bedeutungsvollen Verlust zu sprechen, ich will nur ganz wenige Worte über dieses für uns so schmerzliche, bedeutsame Ereignis im Beginne der heutigen Be­trachtungen zu Ihnen sprechen.

Fräulein Stinde gehört ja zu denjenigen, die wohl in den weite­sten Kreisen unserer Freunde, ich möchte sagen, wie selbstverständ­lich bekannt sind. Sie gehört zu denen, welche unsere Sache im Allertiefsten ihres Herzens ergriffen haben, sich ganz mit unserer Sache identifiziert haben. In ihrem und ihrer Freundin, der Gräfin Kalckreuth, Haus konnte ich ja im Jahre 1903 die ersten intimen Vorträge über unsere Sache, die ich in München zu halten hatte, geben. Und man darf sagen: Von diesem ersten Mal an, da uns Fräulein Stinde nähertrat, verband sie nicht nur ihre ganze Persön­lichkeit, sondern ihre ganze, auch so wertvolle, so ausgezeichnete, so tief in die Waagschale fallende Arbeitskraft mit unserer Sache. Sie verließ ja dasjenige, was ihr vorher als ein künstlerischer Beruf teuer war, um sich ganz und einzig, mit ihrer ganzen Kraft, in den Dienst unserer Sache zu stellen. Und sie hat in einer selten objek­tiven, in einer ganz unpersönlichen Weise seit jener Zeit intensiv für diese unsere Sache im engeren Kreise und im weiteren Kreise gewirkt. Für München war sie ja die Seele unseres ganzen Wirkens. Und sie war eine solche Seele, von der man sagen konnte, daß sie durch die inneren Qualitäten ihres Wesens die allerbeste Garantie

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dafür abgab, daß an diesem Orte unsere Sache in der allerbesten Weise sich entwickeln könne. Sie wissen ja, meine lieben Freunde, es hatten die Aufführungen der Mysterienspiele und all dasjenige, was damit verbunden war für München, den dort für uns tätigen Persönlichkeiten eine ganze Reihe von Jahren hindurch eine riesige Arbeitslast auferlegt. Dieser Arbeitslast unterwarf sich Fräulein Stinde mit ihrer Freundin in der allerintensivsten Weise, und vor allen Dingen darf gesagt werden, in der allerverständnisvollsten Weise, in einer Weise, die ganz herausgeboren war aus dem inner­sten Wesen unserer Sache, aus dem Wollen, das nun selber aus diesem inneren Wesen unserer Sache herausgeberen werden kann. Und man darf ja vielleicht auch andeuten, daß die intensive Arbeit, welche Fräulein Stinde geleistet hat, wirklich ihre Lebenskraft in den letzten Jahren sehr stark verzehrt hat. So daß man wirklich sich gestehen muß: Diese wertvolle, vielleicht etwas zu schnell in den letzten Jahren aufgezehrte Lebenskraft war in der schönsten, in der tief-befriedigendsten Weise unserer Sache gewidmet. Und es ist wohl unter denen, welche Fräulein Stinde näher kannten, nie­mand, der sich des Eindruckes je ganz erwehren konnte, daß gerade diese Persönlichkeit zu unseren allerbesten Arbeitern gehörte. Es ist gewiß, meine lieben Freunde, manches auch in der Tätigkeit von Fräulein Stinde da oder dort mißverstanden worden, und es steht zu hoffen, daß auch diejenigen unserer Freunde und Anhänger, welche das Wirken Fräulein Stindes durch Vorurteil verkannt haben, nach­träglich das Sonnenhaft-Kraftvolle, das von dieser Persönlichkeit ausgegangen ist, voll anerkennen werden. Und jene, die aus unse­rem weiteren Kreise beobachten konnten, was Fräulein Stinde für unsere Sache tat, sie werden ihr ja mit allen denen, die ihr näher-gestanden haben, das allertreueste Andenken bewahren. Wie wir ja gerade von ihr sicher sein können, daß wir das Wort ganz besonders betonen dürfen, welches in diesen Tagen ja öfters ausgesprochen werden mußte in Anknüpfung an den Abgang vom physischen Plane mancher unserer Freunde - es darf gerade im Hinblick auf Fräulein Stinde bei dem vielen Angefochtenwerden und bei der Gegnerschaft, die unsere Sache in der Welt hat, dieses Wort

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betont werden: Wir, die wir ja treu und ehrlich zu den geistigen Welten uns bekennen, zählen jene, die nur die Form ihres Da­seins gewechselt haben, die aber als Seelen treu mit uns vereint sind, trotzdem sie durch die Pforte des Todes gegangen sind, zu unseren wichtigsten, bedeutungsvollsten Mitarbeitern. Jene Schleier, die noch vielfach diejenigen umgeben, die im physischen Leibe ver­körpert sind, die fallen ja nach und nach ab, und die Seelen dieser unserer teuren Toten wirken - dessen sind wir gewiß - mitten unter uns. Und wir brauchen, meine lieben Freunde, gerade solche Hilfe. Wir brauchen solche Hilfe, die nicht mehr angefochten wird vom physischen Plane aus, solche Hilfe, die auch keine Rücksicht mehr zu nehmen hat in bezug auf die Hemmnisse des physischen Planes. Und wenn wir den tiefen, ernsthaftesten Glauben an das Fortkommen unserer Sache in der Weltkultur haben, so ist es mit darum, daß wir uns voll bewußt sind, daß diejenigen, die einmal zu uns gehört haben, auch dann, wenn sie mit geistigen Mitteln aus der geistigen Welt unter uns wirken, unsere besten Kräfte sind. Manchmal wird das Vertrauen, das wir in unsere Sache brauchen, sich erhärten müssen daran, daß wir wissen: Wir danken unseren toten Freunden, daß sie mitten unter uns sind und daß wir mit ihren Kräften vereint die Arbeit für die geistige Weltenkultur lei­sten können, die uns obliegt.

In diesem Sinne nur wollte ich mit ein paar Worten heute schon dieses schmerzliche Ereignis berühren und nur noch sagen, daß die Kremation am nächsten Montag um 1 Uhr in Ulm stattfinden wird.

Ich möchte nun fortfahren in den Betrachtungen, die wir vor­gestern begonnen haben. Nicht wahr, solche Zeiten wie die unsrige, in denen so mannigfaltig das Rätsel des Todes an die Menschen­seele herantritt - wir haben es schon vorgestern betont -, die mah­nen ganz besonders daran, nachzufragen, welche Klarheit der Mensch gewinnen kann über die geistigen Welten. Zeiten, in denen die Menschheit so schweren Prüfungen ausgesetzt ist, wie die gegen­wärtige ist, sie sind ja geradezu dazu geschaffen, die Menschenseele die Richtung dahin nehmen zu lassen, wo die Fragen ihr aufgehen nach den Wesenheiten der geistigen Welten. Denn wer, meine lieben

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Freunde, möchte nicht an jeder Stelle in dem, was heute innerhalb eines großen Teiles der Kulturwelt geschieht, das große Lebensrätsel aufgehen sehen? Und wer möchte nicht ahnen, daß große Zusammenhänge verborgen sind hinter solchen Ereignissen, wie sie heute in unserer weiteren Umgebung leben und die Menschen­seelen, die Menschenherzen durchzucken mit Schmerz, mit Leid, aber auch mit Hoffnung und mit Zuversicht?

Gewiß, wer mit einem nur kurzreichenden Blicke die Welten-ereignisse anschaut, der wird solche umfangreichen Ereignisse nach dem nächsten beurteilen, das ihnen vorangegangen ist und das ihnen folgen kann. Wer aber nur auch äußerlich, ohne in irgend etwas Esoterisches einzugehen, den Gang der Weltenereignisse anblickt und frühere Zeiten mit gegenwärtigen Zeiten vergleicht, der wird sich bewußt werden können, wie unendlich viel zusammenhängen kann, sagen wir, mit dem, was sich in einer ganz anderen Art als die Wir­kungen nachher in der Welt nunmehr abspielt. Es sind jetzt viele Men­schen, die sagen, die gegenwärtigen kriegerischen Ereignisse seien bloßes Ergebnis äußerer politischer Gegensätze, Gegensätze der ein­zelnen Nationen, der einzelnen Völker. Gewiß ist das wahr. Und nicht darum handelt es sich, im engeren Sinne irgend etwas einzuwenden gegen die Wahrheit einer solchen Auffassung. Aber wenn Sie zum Beispiel im Beginne des mittelalterlichen Lebens die Kämpfe neh­men, die sich abgespielt haben zwischen den in Mitteleuropa und den in Südeuropa lebenden, vor allen Dingen das Römische Reich einnehmenden Völkerschaften, so kann man auch sagen: Diese Kämpfe, die sich da abgespielt haben in Form von politischen Kämpfen, gingen hervor aus politischen Gegensätzen, die da be­standen haben, hatten ihre Ursachen in diesen unmittelbar nahe­liegenden Gegensätzen. Aber nun sind diese Kämpfe abgelaufen. Sie haben gewisse Konfigurationen des ganzen europäischen Lebens hervorgerufen. Wenn Sie nur ein wenig die Geschichte aufschlagen und sich ansehen, was dazumal geschehen ist durch die Kämpfe der mitteleuropäischen Völkerschaften mit, sagen wir, den Völkerschaften des Römerreiches, so werden Sie sich sagen: Es ist aus einer älteren Konfiguration der europäischen Welt eine spätere Konfiguration

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dieser europäischen Welt entstanden. Aber wenn man ganz würdigen will, um was es sich dabei handelt, dann muß man die ganze nachfolgende Geschichte ins Auge fassen. Denn diese nach­folgende Geschichte, wie sie sich abgespielt hat in Europa, sie hätte sich nicht so abspielen können, wie sie sich abgespielt hat, hätten nicht die Kämpfe dazumal gerade den Ausgang genommen, den sie genommen haben.

Und was gehört alles zu dieser europäischen Geschichte? Die ganze Art und Weise, wie sich das Christentum in Europa ausgebrei­tet und eingelebt hat, gehört dazu! Und wenn Sie sich die tieferen Zusammenhänge anschauen, so können Sie sich sagen: Mit allem, was in den folgenden Jahrhunderten geschehen ist, liegt die Sache so, daß dieses durch Jahrhunderte Geschehene wie mit seiner Ur­sache zusammenhing mit den damaligen Kämpfen. Das heißt, mit den Ereignissen, auf die wir hingedeutet haben, hängt zusammen die ganze spätere Konfiguration der europäischen Welt, bis in die geistigen Verhältnisse hinein. Und betrachten Sie das nur in seinem ganzen Schwergewicht, so daß Sie sich sagen: Davon, wie sich nun das Christentum in Europa ausbreitete, wie es seine Gestalt ange­nommen hat dadurch, daß die jungen germanischen Völker gegen die altgewordenen römischen Völker ihre Jugendkraft vereinigt haben mit dem, was als eine reifste Frucht, als die christliche Ver­kündigung in die Menschheit hineinfloß, dadurch ist eine gewisse europäische Atmosphäre geschaffen worden, in die die folgenden Seelen hineinversetzt worden sind.

Also wie die Seelen gelebt haben in folgenden Jahrhunderten, wie die Seelen in den folgenden Jahrhunderten geworden sind, das hängt zusammen mit diesen Ereignissen. Wenn daher ein Mensch damals gesagt hätte: Nun, was ist das weiter? Es ist ein politischer Gegensatz der Völker zwischen Süd- und Mitteleuropa, - so würde er recht gehabt haben. Aber derjenige, der gesagt hätte: Sieh hin, die Konfiguration der geistigen Kultur aller folgenden Jahrhunderte nimmt ihren Ausgang von dem, was hier geschieht, so hätte der auch recht gehabt, und er hätte in weiterem Sinne recht gehabt. Damit, daß man von irgend etwas die naheliegenden Ursachen auffindet,

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daß man sagt, was die nächstliegenden Gegensätze sind, hat man nicht die ganze Schwere des Ereignisses getroffen. Die Dinge dieser Welt hängen aufs innigste zusammen. Und wenn wir inner­lich Stärkung brauchen, um sozusagen die rechte Kraft zu finden für das Vertreten unserer Sache, dann brauchen wir uns nur zu er­innern, daß in einem wahrhaft noch kleineren Zirkel, als der unsrige einer ist, zusammengesessen haben diejenigen, die im Beginne der christlichen Verkündigung die große Weltwahrheit des Christen­tums vertreten haben. Ich habe schon öfter diesen Vergleich ge­braucht, aber wir wollen ihn auch heute noch einmal anwenden.

Es gab eine Zeit, die können wir geradezu so beschreiben: Wir sehen das alte Römische Reich. Wir sehen es leben ganz und gar in der Atmosphäre der alten heidnischen Weltanschauung. Wir sehen dieses Reich mit seinen Menschen, die gewissermaßen die obere Schichte bilden. Da unten, wahrhaftig, noch mehr unten als unser «unten» heute ist, wirklich im gewöhnlichen Sinne «unten», in den Katakomben unter der Erde, sehen wir die ersten, an Zahl spärlichen Christen, mit dem, was ganz fremd ist der Weltkultur oben, aber was sie so in ihren Herzen tragen, daß die Kraft, mit der sie es tragen, eben weltumschaffend ist. Und, meine lieben Freunde, wenn wir uns diese Katakomben vergegenwärtigen: da unten in den Katakomben, mit ihren Gedanken nach dem Christus-Impuls hin­gerichtet, sehen wir die ersten Christen, und oben über ihren Köpfen die Römer - Sie wissen ja, wie die mit den ersten Christen ver­fahren sind, ich brauche es Ihnen nicht zu erzählen. Und wenn Sie sich ein paar Jahrhunderte danach das Bild vor die Seele malen, wie anders sieht es aus! Hinweggefegt ist das, was oben war, und hinaufgedrungen von unten nach oben ist das, was verachtet unten im verborgenen war. Gewiß, die Zeiten und die Formen, in denen so etwas geschieht, ändern sich, aber das Wesentliche bleibt. Von denjenigen, die heute die äußere Wissenschaftskultur, die äußere geistige Kultur vertreten, wenn es auch nicht örtlich und wörtlich zu nehmen ist, kann auch gesagt werden, sie fühlen sich « oben», und sie nennen das, was getrieben wird in unseren Reihen, eine Weltanschauung von ein paar Sektierern, ein paar unnormalen

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Köpfen. Aber derjenige, der wirklich in das Wesen dieser unserer Weltanschauung eindringt und der sich vor allen Dingen damit durchdringt, er darf die Zuversicht haben, daß auch hier einmal das Unten das Oben sein wird. Und da können sich dann schon die Gedanken zusammenschließen, die Gedanken der umgestalteten Welt, die aus der so schweren Zeit unserer Tage hervorgehen wird, sich anschließend an das, was im Geistigen die Menschheit ergreifen muß. Denn es gibt kaum eine größere Ähnlichkeit im geschicht­lichen Werden als die Ähnlichkeit zwischen unserer Zeit und der­jenigen, die sich abgespielt hat, als die alte römische Kultur noch oben und das Christentum, von wenigen getreuen Seelen vertreten, noch unten war.

Aufmerksam machen möchte ich darauf, wenn ich auch nicht durch ein allzu genaues, pedantisches Hinweisen auf diese Dinge unsere Empfindungen, die in diesen Tagen weit sein sollen, zu stark verengen will, daß gerade dieses gut ist, wenn wir uns so unser Zeit­alter und das Rom vom ersten Aufgange des Christentums wie als Bilder für unsere Imagination vor die Seele halten.

Nun, meine lieben Freunde, viele, die heute dem, was wir Geistes­wissenschaft nennen, entgegentreten, müssen ja zweifellos das ganz Andersartige desjenigen empfinden, was Geisteswissenschaft ver­treten muß, gegenüber dem, was sonst allgemein unter den heute «normal» benannten Menschen vertreten wird. Aber auch da brauchen wir nur darauf zu blicken, wenn wir dies in rechter Weise verstehen wollen, wie doch ganz andersartig die erste Verkündigung des Christentums war gegenüber demjenigen, was bei den damals normal Genannten, etwa den Römern, gang und gäbe war. Mit einem solchen Gedanken muß man sich vertraut machen, wenn immer wieder und wiederum uns entgegnet wird, daß man ja mit den Mitteln, die berechtigte Erkenntnismittel sind, solche Welten nicht erreichen könne wie die, von denen hier die Rede ist. Aber wir müssen auch wirklich die intimere Arbeit in unseren Zweigen so auffassen, daß wir uns sagen: Dieses Leben in unseren Zweigen ist als solches nicht nutzlos. Es ist nicht gleichgültig gegenüber unserer Sache selbst, daß wir in solchen Zweigen zusammenkommen

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und immer wieder nicht nur die Bekanntschaft mit den theoretischen Ergebnissen unserer Lehre erneuern - darauf kommt es nicht an -, sondern auch das warme Fühlen und Empfinden für die konkreten Dinge und Wesenheiten der geistigen Welt. Dadurch gewöhnen wir uns hinein in die Art und Weise des seelischen Empfindens und Fühlens, die es uns allerdings möglich machen, geistige Wahrheiten anders hinzunehmen als diejenigen, die unvorbereitet sind. Es muß schon in unseren Zweigabenden zuweilen etwas aus den höheren, späteren Partien der geistigen Erkenntnis gesagt werden, man kann nicht immer wieder vom Anfang anfangen. Aber es muß auch dieses Vertrautsein mit dem Zweigleben dem größten Teil der Seelen un­serer Freunde die Möglichkeit gewähren, solche Dinge, wie ich sie vorgestern angedeutet habe, die besondere Art der Bewahrheitung unserer geistigen Erkenntnis, in sich aufzunehmen.

Man kann diese Dinge nicht in derselben Weise bewahrheiten, wie man die äußeren Dinge bewahrheitet: indem man die Leute mit den Augen darauf stößt. Aber derjenige, der eine Empfindung hat für so etwas, wie ich es das letztemal angedeutet habe, der wird, wenn er auch nicht selbst in die geistigen Welten hineinschaut, fühlen, wie durch das Sich gegenseitig Stützen der geistigen Wahr­heiten der Wahrheitswert erhöht wird. Deshalb will ich noch ein­mal darauf aufmerksam machen, wie es so sehr bedeutsam ist, wie auf der einen Seite durch jahrelanges Beobachten ein gewisser Ge­sichtspunkt herausgekommen ist, daß ein Drittel der Zeit unseres Lebens zwischen Geburt und Tod wiederum nacherlebt wird nach dem Tode, und nunmehr ein ganz anderer Gesichtspunkt aufgefun­den wird: der Gesichtspunkt, daß wir eigentlich das Schlafesleben in einer besonderen Form durchleben während dieser Zeit, die wir das Kamaloka nennen, und daß diese Zeit auch ein Drittel des Lebens auf dem physischen Plan ergibt. Diese beiden Gesichtspunkte sind ganz unabhängig voneinander, von verschiedenen Ausgangspunkten aus gefunden worden. Und so haben wir auch bei anderen Gelegen­heiten schon gezeigt, wie man von drei oder vier Gesichtspunkten aus immer zu demselben kommt. Da stützen sich die Wahrheiten gegenseitig. Dafür, meine lieben Freunde, muß man sich auch ein

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Gefühl erwerben! Und davon kann das dann ausgehen, wovon ich sagen möchte, daß es etwas gibt wie ein natürliches elementares Wahrheitsgefühl für diese geistigen Erkenntnisse. An das muß ich ja oft appellieren, sonst könnte ich nicht spätere, höhere Wahr­heiten an den einzelnen Zweigabenden aussprechen.

Wir haben vorgestern darauf aufmerksam gemacht, daß der rechte Zusammenhalt unseres Ich-Bewußtseins zwischen dem Tod und einer neuen Geburt gleichsam angefacht wird durch jene pano­ramamäßige Überschau, die wir über das letzte Erdenleben haben nach dem Tode. Wir überschauen da unser Leben gleichsam in einem Lebenstableau. Machen Sie sich nur ganz klar, was das eigent­lich ist, was man da schaut. Wir sind gewohnt, hier auf dem physi­schen Plan als Menschen gewissermaßen in einer Art Mittelpunkt unseres Welthorizontes zu stehen und im Umkreis die Welt zu sehen, die auf unsere Sinne einen Eindruck macht. Wir überschauen den Horizont, der auf uns einen Eindruck machen kann. Wir schauen nicht in uns hinein in diesem normalen leben auf dem physischen Plan, sondern wir schauen aus uns heraus. Nun ist es wichtig, daß wir, wenn wir uns einen Begriff aneignen wollen von dem unmittel­bar auf den Tod folgenden Leben, gleich darauf aufmerksam werden, daß nun dieser Blick auf das Lebenspanorama sofort anders ist als dasjenige, was wir an Wahrnehmung gewohnt sind für den physi­schen Plan. Auf dem physischen Plan, da sehen wir aus uns heraus, wir sehen die Welt als unsere Umgebung. Da sind wir, wir schauen aus uns heraus, wir schauen nicht in uns herein. Da haben wir nun unmittelbar nach dem Tode ein paar Tage, wo unser Blickfeld aus­gefüllt ist von dem, was wir zwischen Geburt und Tod erlebt haben. Da blicken wir hin von dem Uinkreise aus auf das Zentrum. Wir blicken auf unser eigenes Leben, auf den zeitlichen Verlauf unseres eigenen Lebens. Während wir sonst sagen: Da sind wir, und da ist alles übrige, haben wir unmittelbar nach dem Tode gleich das Bewußtsein: Diesen Unterschied zwischen uns und der Welt gibt es nicht, sondern wir schauen vom Umkreis auf unser Leben hin, und das ist für diese paar Tage unsere Welt. So wie man im gewöhnlichen Wahrnehmen auf dem physischen Plane Berge, Häuser,

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Flüsse, Bäume und so weiter sieht, so sieht man dasjenige, was man durchlebt hat im Leben von einem gewissen persönlichen Ge­sichtspunkte aus, als seine nun unmittelbare Welt. Und daß man das sieht, das gibt den Ausgangspunkt für die Erhaltung des Ich nun durch das ganze Leben zwischen Tod und neuer Geburt. Das stärkt und kräftigt die Seele so, daß sie zwischen Tod und neuer Geburt immer weiß: Ich bin ein Ich!

Hier im physischen Leben fühlen wir unser Ich dadurch - ich habe das ja schon oft angedeutet -, daß wir in einer gewissen Be­ziehung zu unserer Körperlichkeit stehen. Sehen Sie, wenn Sie genau auf den Traum achten, so werden Sie sich sagen: im Traume haben Sie kein deutliches Gefühl des Ich, sondern oft ein Gefühl des Los getrenntseins. Das kommt davon her, daß der Mensch hier auf dem physischen Plan sein Ich eigentlich nur fühlt durch die Berührung mit seinem Leibe. In grober Weise können Sie sich das etwa so ver­gegenwärtigen: Sie gehen so mit dem Finger durch die Luft - da ist nichts! Sie gehen weiter: da ist immer noch nichts. Indem Sie aber anstoßen, wissen Sie von sich. Sie werden sich gewahr, indem Sie anstoßen. Und so wird auch das Gewahrwerden unseres Ich herbei­geführt. Nicht das Ich selbst - das Ich ist eine Wesenheit - aber das Ich-Bewußtsein, das Bewußtsein vom Ich. Der Gegenstoß macht uns aufmerksam auf unser Selbst. Also im physischen Leben sind wir ich-bewußt dadurch, daß wir in einem physischen Leibe leben. Dafür haben wir den physischen Leib bekommen. Im Leben zwi­schen Tod und neuer Geburt haben wir ein Ich-Bewußtsein dadurch, daß wir die Kräfte bekommen haben, die ausgehen von der An­schauung des letzten Lebens. Wir stoßen gewissermaßen an das­jenige, was uns die Raumeswelt gibt, und gewinnen dadurch unser Ich-Bewußtsein für das Leben zwischen Geburt und Tod. Wir stoßen an das, was wir selbst erlebt haben zwischen Geburt und Tod im letzten Leben, und haben dadurch unser Ich-Bewußtsein für das Leben zwischen Tod und neuer Geburt.

Nun folgt das ganz andere Leben, das ein Drittel an Zeit ein­nimmt von dem Leben zwischen Geburt und Tod, das man so oft das Kamaloka-Leben nennt. Da ist es so, daß eine Erweiterung

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unserer Anschauung eintritt. Während in den ersten Tagen unsere Anschauung eigentlich nur auf uns selbst, auf das verflossene Leben, nicht auf die Persönlichkeit hingerichtet ist, ist das in der nächsten Zeit nun ganz anders. Gewiß, die Kraft, sich nun als Ich zu wissen, die bleibt. Aber nun tritt - Sie können das, was ich jetzt zusammen­fasse, sich selbst zusammensuchen aus einzelnen Büchern und Zyk­len - etwas ganz Eigenartiges ein: Das, woran der Mensch eben erst sich gewöhnen muß, weil die ganze Anschauungsweise der Welt eine ganz andere ist als die hier auf dem physischen Plan. Es besteht ein großer Teil dessen, was der Mensch nach dem Tode durchzumachen hat, in dem Sichhineingewöhnen in eine andere Anschauungsweise. Hier erblicken wir um uns herum die Natur. Das, was wir hier in der physischen Welt als Natur anblicken, das ist ja ganz und gar nicht vorhanden in der Welt, die unsere Welt ist zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Dafür, wie wir hier die Natur sehen, haben wir eben unsere physischen Augen, Ohren, unseren ganzen physi­schen Wahrnehmungsapparat. Und mit anderen Wahrnehmungs­organen kann diese Natur, so wie sie ist in ihrer Farbenfülle und sonstigen Eigenschaften, nicht wahrgenommen werden. Deshalb werden wir mit einem physischen Leibe ausgestattet, damit wir die Natur wahrnehmen können. Nach dem Tode ist an Stelle dessen, was hier als Natur um uns ist, die geistige Welt um uns, die wir beschreiben als die Welt der Hierarchien, eine Welt von lauter Wesenheiten, eine Welt von lauter Seelen. Nicht Materie oder Sub­stanz oder Gegenstände, die Farbe haben, sondern lauter Wesen. Das ist das Wesentliche, worauf es ankommt. Daher ist selbstver­ständlich die Überraschung am größten für diejenigen Seelen, die hier im physischen Leben den Geist ableugnen. Denn diejenigen, die den Geist ableugnen und gar nichts davon glauben, die werden in eine Welt versetzt, die sie eben abgeleugnet haben, die ihnen gänzlich unbekannt ist. Sie müssen zwangsweise in einer Welt leben, von der sie eigentlich gewollt haben, daß sie nicht da sei.

Wir sind also umringt von Geistumgebung, von lauter Wesen, von lauter Seelen. Und nach und nach prägt sich heraus, gestaltet sich heraus aus dieser allgemeinen Seelenwelt - überall sind Seelen,

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die wir zunächst nicht kennen; wir wissen: da sind lauter Seelen, aber wir kennen sie nicht im einzelnen -, tritt heraus nach und nach die einzelne Seele bestimmter, konkreter, und es treten heraus namentlich in dieser Zeit die Seelen der Menschen, mit denen wir gelebt haben hier auf dem physischen Plane. Wir lernen erkennen, indem wir der Fülle von Seelen, unter denen wir da sind, gegenüber­treten: diese Seele ist der, eine andere Seele ist ein anderer. Wir machen Bekanntschaft mit diesen Seelen. Zunächst müssen wir uns bekanntmachen damit, daß die ganze Art und Weise, wie man dann zur Welt steht zwischen Tod und neuer Geburt, doch eine wesent­lich andere ist, auch noch in anderer Beziehung als angedeutet, als die Art und Weise, in der man zur Welt steht hier auf dem physi­schen Plan. Hier nennen wir die Welt außer uns. Nach dem Tode haben wir wirklich das Bewußtsein, daß die Welt in uns ist. Es sieht aus wie ein paradoxer Vergleich, aber es ist doch so: Denken Sie sich einmal, Sie würden für einen Moment hier auf der Erde sich ganz verflüchtigen, Sie würden in Dunst aufgehen. Diese Dunstwolke, die Sie selber sind, verbreitet sich mehr und mehr, und sie bleibt erst stehen - nehmen wir für einen Augenblick das Firmament wie eine Wesenheit - als Firmament, da, «wo die Welt mit Brettern ver­schlagen ist», wie man so sagt. Sie fühlen sich dann als dieses Firma­ment und schauen nun alles drinnen, so daß Sie mit dem Bewußt­sein draußen stehen und die Welt im Innern sehen. Wir fühlen uns so, daß alles, was auftritt, innerlich auftritt. So wie ein Schmerz hier in uns auftritt, so treten nach dem Tode die Wesen in uns auf als Innenerlebnis. Das bewirkt ja das unendlich Intime der Erleb­nisse zwischen Tod und neuer Geburt, das Verbundensein mit ihnen, daß man sie als Innenerlebnis eigentlich zuerst hat. Aber da gibt es einen gewissen Unterschied. Sehen Sie, von solch einer Seele, die man anfängt zu erkennen, wie ich es beschrieben habe, von der kann man zunächst wissen: Sie ist da; aber sie hat nicht Gestalt, sie ist noch nicht wahrnehmbar. Um sie wahrnehmbar zu machen, muß man eine innere Tätigkeit verrichten, die etwa folgendes dar­stellt. Man denke sich ins Geistige übersetzt: Ich fühle etwas hinter mir, was ich nicht sehe, so daß ich mir also die Vorstellung mache,

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es ist da, aber ich muß eine Tätigkeit verrichten, um diese Vorstel­lung zu bekommen. Ich möchte sagen, es ist zu vergleichen damit, daß ich mir nach dem Abtasten von einem Gegenstand eine Zeich­nung mache. Also innere Tätigkeit ist notwendig, damit die Imagi­nation auftritt. Ich weiß: das Wesen ist da, aber die Imagination muß ich erst schaffen, indem ich mit dem Wesen mich innerlich verbinde. Das ist die eine Art, wie man Seelen wahrnehmen kann. Die andere Art ist so, daß man diese innere Tätigkeit nicht so hervor­ragend stark verrichtet, sondern daß sie sich selber macht. Sie tritt auf, ohne daß man viel dazu zu tun hat. Es ist so, wie wenn man hier etwas anschaut, aber natürlich ins Geistige übersetzt. Und dieser Unterschied kann zwischen zwei Seelen vorhanden sein: Von der einen Seele bekommt man eine Anschauung dadurch, daß man viel mittut; von der anderen Seele dadurch, daß einem die Imagination sich von selbst gibt: man braucht nur aufmerksam zu sein. So muß man diesen Unterschied angeben. Denn wenn Sie mit einer Seele so bekannt werden, daß Sie mehr Tätigkeit brauchen, so ist das eine Seele, die verstorben ist. Und eine Seele, die sich mehr von selbst ergibt, ist eine solche, die hier auf der Erde verkörpert ist im physischen Leibe. Diese Unterschiede sind eben wirklich auch da. Der Mensch steht - mit Ausnahmen, die wir ja auch einmal er­wähnen können - nach dem Tode sowohl in Verbindung mit sol­chen Seelen, die verstorben sind, wie mit den Seelen, die noch hier auf der Erde sind. Und der Unterschied liegt in der Art und Weise, wie man selbst tätig oder passiv sein muß, in welcher Weise die Imagination von der Seele, der man gegenübertritt, entsteht.

Nun gibt es einen Begriff, eine Eigenschaft, über die wir schon ver­schiedentlich gesprochen haben, die wir aber noch einmal zusammen­fassen wollen für dieses ganze Leben, das ein Drittel der Zeit des verflossenen Erdenlebens einnimmt und das wir gewohnt sind, das Kamaloka-Leben zu nennen. Wenn Sie hier auf der Erde leben und Sie einer pufft, so wissen Sie es, Sie nehmen das wahr, Sie sagen, er hat mich gepufft. Und es ist in der Regel anders, das Erlebnis, wenn Sie einer pufft, als wenn Sie einen anderen puffen. Und wenn Sie von jemandem etwas gesagt bekommen, so ist das Erlebnis hier

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anders, als wenn Sie etwas sagen. Ganz umgekehrt ist es in dem Kamaloka-Leben, in dem man zurückleht diese Zeit zwischen Ge­burt und Tod. Da ist es nun so - lassen Sie mich dieses grobe Bei­spiel anwenden -: wenn man jemandem einen Puff gegeben hat im Leben, so empfindet man das, was er an dem Puff empfunden hat. Wenn man jemanden verletzt hat durch ein Wort, so macht man durch die Empfindung, die er durchgemacht hat. Man erlebt also aus den Seelen der anderen heraus. Mit anderen Worten, man erlebt die Wirkungen, die man durch seine eigenen Taten erreicht hat, man erlebt bei diesem Zurückgehen alles dasjenige, was die anderen Menschen hier während unseres Lebens zwischen Geburt und Tod durch uns erlebt haben. Wenn Sie mit so und so viel hun­dert Menschen hier zwischen Geburt und Tod gelebt haben, so haben ja diese vielen hundert Menschen durch Sie etwas erlebt. Aber hier im physischen Leben können Sie nicht das fühlen, was die anderen fühlen und erleben durch Sie, sondern Sie erleben nur dasjenige, was Sie selbst durch die anderen erleben. Nach dem Tode ist es umgekehrt. Und das ist das Wesentliche, daß wir bei dem Rückgang alles erleben, was die anderen durch uns erlebt haben. Also die Wirkungen des letzten Erdendaseins, die machen wir durch. Und es liegt wirklich die Aufgabe dieser Jahre darin, daß wir diese Wirkungen durchmachen.

Nun, indem wir diese Wirkungen durchmachen, wird das Er­lebnis dieser Wirkungen in uns zu Kräften. Das geschieht auf die folgende Weise. Nehmen Sie an, ich habe einem Menschen eine Be­leidigung zugefügt. Er hat dadurch Bitterkeit empfunden. Diese Bitterkeit mache ich nun durch während der Kamaloka-Zeit, die er­lebe ich als eigenes Erlebnis. Ja, indem ich sie nun erlebe, macht sich in mir die Kraft geltend, die als Gegenkraft gelten muß, das heißt indem ich diese Bitterkeit durchlebe, nehme ich in mich die Kraft auf, diese Bitterkeit wegzuschaffen aus der Welt. So nehme ich alle Wirkungen meiner Taten wahr und nehme dadurch auf die Kraft, sie wegzuschaffen. Und ich nehme während der Zeit, die ein Drittel des verflossenen Erdenlebens dauert, in mich alle die Kräfte auf, die man ausdrücken kann als die intensive Begierde in

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uns, in der jetzt entkörperten Seele alles wegzuschaffen, was die Vervollkommnung stört, weil es die Seele zurückwirft in der Ent­wickelung.

Wenn Sie sich das durchdenken, so werden Sie sehen, daß man sich selber das Karma macht, das heißt daß man in sich diesen Wunsch hat, so zu werden, daß das ausgelöscht werden kann, was man für auslöschenswert hält. Es wird also das Karma vorbereitet gerade in dieser Zeit. Wir einverleiben unserer Seele die Kraft, die wir aufnehmen müssen zwischen Tod und neuer Geburt, um in der nächsten Inkarnation die Konfiguration unseres Lebens herbeizufüh­ren, die wir als die richtige ansehen können. Ich möchte sagen, das ist die Technik des Karma-Schaffens. Man muß sich, um diese Dinge recht zu verstehen - nicht theoretisch, sondern so, daß sie tief in unsere Gefühls- und Willenskraft hineingehen -, klar sein, daß die ganze Gefühlsrichtung des Toten eine ganz andere wird, als die des Lebenden ist. Der Lebende wird unendlich leicht sagen können: Ich bedaure diesen oder jenen Toten, daß er durchmachen muß das oder jenes, wofür er vielleicht nichts kann! Sie können annehmen, irgend jemand hat einem anderen schwere Verletzungen zugefügt, kann aber nichts dafür. Nun bedauern Sie vielleicht den Toten. Das ist unangemessen; denn der Tote will nichts sehnlicher, als daß die Kraft sich in ihm entwickele, wodurch er das ausgleichen kann. Das ist gerade das, was er als sein Gutes ansieht. Sie würden ihm an-wünschen, daß er dasjenige nicht erreicht, was er sehnlichst er­reichen will. Dazu muß er aber das alles durchmachen. Denn das Positive entwickelt sich am Negativen. An dem Einsehen dessen, was man angerichtet hat, entwickelt man die Kräfte, es auszugleichen.

So kann man sagen: Am Ende dieses Kamaloka-Abschnittes hat man nach dem Wiedererleben des letzten Lebens schon bestimmt, wie man in der nächsten Inkarnation in dieses Dasein wieder ein­treten will, wie man da und dort mit dem und jenem Menschen zusammensein will, damit man dieses oder jenes ausgleichen kann. Im wesentlichen bestimmt man da das Karmische für das Leben, in das man eintritt.

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Für die nächste Zeit ist es so, daß wir uns aus der geistigen Welt heraus die Kräfte aneignen, durch die wir den Menschen im allge­meinen formen können, durch die wir einen für unsere Individuali­tät geeigneten Leib uns schaffen können. Zuerst haben wir den Plan unseres Karma. Nun müssen wir erst den Menschen dazu gestalten. Das bedarf einer viel längeren Zeit noch, aber das folgt dann darauf. Daraus können Sie aber ersehen, daß das Wesentliche der Kamaloka-Zeit eben darin liegt, daß uns die Möglichkeit geboten wird, unsere nächste Inkarnation in moralischer Weise in der richtigen Art vor­zubereiten. Nun müssen wir uns klar sein, daß immer jede folgende Inkarnation abhängt von der früheren Inkarnation. Wir sehen ja, wie sie vorbereitet wird, die folgende Inkarnation. Und wir sehen, daß die ganze Art des Lebens eines Menschen abhängt von der Art, wie er sein früheres Leben durchlebt hat. Daß das der Freiheit widerspreche - ich werde darauf noch zurückkommen -, das ist ein Einwand, der von Menschen, die die Sache nicht durchdrungen haben, gemacht wird; aber es widerspricht nicht der Freiheit.

Wenn wir so die einzelnen Menschen im Leben betrachten, so finden wir, daß sie tausendfältig verschieden sind; soviel überhaupt Menschen sind auf der Erde, so verschieden sind sie. Aber man kann Kategorien unterscheiden. Es gibt Menschen, welche so wirken, daß man von ihrer frühesten Jugend an sieht: Dieser Mensch ist zu die­sem oder jenem ganz besonders geeignet. Nicht wahr, es gibt solche Menschen. In der Kindheit schon kann man sagen, sie werden das oder jenes vollbringen. Sie stoßen sich gleichsam in dieses Dasein herein, sie haben Aktivität. Sie haben eine bestimmte Aufgabe und entwickeln Kraft dazu. Andere Menschen finden wir, die haben für vieles Interesse, sie haben aber nicht solche ausgesprochene Richtung auf irgend etwas hin. Sie nehmen viel auf. Sie kommen vielleicht sogar später im Leben zu einer bestimmten Aufgabe, die ihnen nicht ganz entspricht; sie hätten vielleicht eine andere in ähn­licher Weise vollführen können.

Kurz, die Menschen sind in bezug auf die Art und Weise, wie sie im Leben wirken, voneinander recht verschieden, und das macht ja eigentlich das Leben möglich. Es gibt zum Beispiel Menschen,

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die treten im Leben auf, und es liegt ihnen nicht, ich möchte sagen, in äußeren Taten viel zu wirken; aber sie brauchen nur das oder jenes Wort zu sagen, so hat das eine Wirkung auf die Menschen. Sie wirken mehr durch ihr Innerliches. Andere Menschen wirken mehr durch ihr Äußeres. Das hängt innig zusammen mit der Art und Weise, wie man in der vorhergehenden Inkarnation durch das Leben gegangen ist. Es gibt Menschen, die sterben jung, sagen wir vor dem fünfunddreißigsten Jahr, um diese Grenze zu haben. Solche Menschen sind durch diesen Tod in einer ganz anderen Lage als diejenigen Menschen, die nach dem fünfunddreißigsten Lebens­jahre sterben. Stirbt man vor dem fünfunddreißigsten Lebensjahr, so ist es so, daß man noch nähersteht der Welt, aus der man bei der Geburt herausgekommen ist. Und das fünfunddreißigste Lebens­jahr ist eine wichtige Grenze. Da überschreitet man gleichsam eine Brücke. Da zieht sich die Welt, aus der man herausgegangen ist, zurück, und man gebiert mehr aus dem Innern heraus eine neue geistige Welt. Das ist wichtig, daß wir das unterscheiden. Und nun stirbt ein Mensch vor dem fünfunddreißigsten Lebensjahr. Wird er dann wiederverkörpert, so wächst ihm in einer gewissen Weise die Kraft zu, die er nicht verwendet hat in der Lebenszeit, die auf das fünfunddreißigste Lebensjahr folgen würde. Solche Menschen, die in einer Inkarnation vor dem fünfunddreißigsten Jahr durch den Tod gehen und dadurch für diese Inkarnation die Kräfte sparen, die sonst aufgebraucht worden wären, wenn sie fünfzig, sechzig, siebzig Jahre alt geworden wären, bei denen summiert sich diese Kraft, die sie da erspart haben, mit den Kräften, mit denen sie sich in die nächste Inkarnation einverleiben, und dadurch werden solche Seelen in Leibern geboren, durch die sie imstande sind, zumeist in ihrer Jugend, mit starken Eindrücken dem Leben entgegenzu­treten.

Mit anderen Worten, wenn solche Seelen, die in der vorher­gehenden Inkarnation vor dem fünfunddreißigsten Jahr gestorben sind, sich wieder inkarnieren, so macht alles auf sie einen starken Eindruck. Es entrüstet sie etwas stark, sie freuen sich stark, sie haben lebhafte Empfindungen, und es drängt sie rasch zu Willensimpulsen.

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Das sind solche Menschen, die dann stark in das Leben hineingestellt werden, die ihre Mission bekommen. Man stirbt nicht umsonst vor dem fünfunddreißigsten Lebensjahr, sondern man wird dann hineingestellt in das Leben in einer ganz bestimmten Weise. Wenn man aber nach dem fünfunddreißigsten Jahr stirbt - die Dinge kreuzen sich miteinander, es kann das Sterben vor dem fünf­unddreißigsten Jahr noch etwas anderes bringen, es sind nur Bei­spiele, es muß nicht so sein -, so kann das dazu führen, daß man im nächsten Leben von den Dingen der Weltumgebung nicht so starke Einflüsse bekommt. Man kann sich nicht rasch begeistern, man kann nicht rasch entrüstet sein. Man macht sich langsamer, aber intimer mit den Dingen bekannt und wächst dadurch in der nächsten Inkarnation in ein solches Leben hinein, durch das man mehr durch die Innerlichkeit wirkt, ohne so bestimmt hingeführt zu werden zu einer bestimmten Lebensaufgabe. Man wird im Leben stehen so, daß man eine andere Aufgabe vielleicht lieber hätte, aber dazu verwendet werden kann, etwas Besonderes auszuführen, viel­leicht gar gegen seinen Willen. Weil man durch die vorhergehende Erdeninkarnation sich dazu geeignet gemacht hat, feiner zu wirken, ist man brauchbar in weiterem Umfange.

Wird zum Beispiel ein Mensch - ich habe diesen Fall schon früher erwähnt - in sehr früher Jugend durch die Pforte des Todes geführt, sagen wir im elften, zwölften, dreizehnten Lebensjahr, so hat er eine kurze Kamaloka-Zeit, aber er steht noch sehr nahe der Welt, die er verlassen hat bei der physischen Geburt. Da stellt sich alles anders heraus. Wenn man eben dies in seinem Karma hat, dann folgt auf ein solches Leben, das mit dem zwölften Jahre schon geschlossen hat, auch schon eine Rückschau in den ersten Tagen nach dem Tode, aber man hat sie in einer solchen Weise, daß sie mehr von außen an einen herantritt, während man, wenn man im fünfzigsten, sechzigsten, siebzigsten Jahr stirbt, selber viel mehr dazu tun muß, um die Rückschau zu bekommen. Man bekommt sie durch eigene Aktivität. Und dadurch, daß man dieses Leben nach dem Tode in verschiedener Weise zu durchleben hat, dadurch wer­den die Menschen in verschiedener Weise für ein nächstes Leben

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vorbereitet. Es kann sein, daß man in einem Leben besonders aktiv ist. Würde man als eine besonders aktive Natur früh hinweggerafft aus dem Leben, so würde das eintreten, daß man im nächsten Leben durch sein Karma bestimmt wäre, hineingestellt zu werden mit einer ganz bestimmten Lebensaufgabe, die man dann auch un­bedingt durchführt. Man ist wie prädestiniert. Ist man aber in einem Leben ganz besonders aktiv und lebt man bis in ein späteres Alter hinein, dann verinnerlichen sich diese Kräfte. Dann hat man im nächsten Leben eine kompliziertere Aufgabe. Die äußere Aktivi­tät tritt dann zurück, und es tritt gerade die Notwendigkeit an die Seele, innere Aktivität zu entwickeln.

So kompliziert ist das Leben des Menschen, wie es sich eben von Inkarnation zu Inkarnation entwickelt. Wir werden diese Betrach­tungen dann übermorgen fortsetzen. Jetzt möchte ich nur eben schließen damit, daß ich Ihnen sage: Wenn Sie nun einer solchen Zeit gegenüberstehen, wie die unsrige ist, in der in verhältnismäßig kurzer Zeit ausnahmsweise viele Menschen in abnormer Weise durch den Tod geführt werden, dann bereitet sich dadurch etwas ganz Abnormes vor. Und das muß sich einmal vorbereiten. Sie sehen jedes Jahr, wie die Zeit der Blüten stoßweise in die Welt kommt. Wenn Sie zurückblicken in die Geschichte, so können Sie sagen: auch da treten stoßweise die Blüten auf Eine große Blüte­zeit war die Zeit von Lessing, Herder, Schiller, Fichte, Goethe. Es ist, als seien alle genialen Menschen wie auf einem Haufen bei­sammen. Dann hört es wieder auf, und so geht die Welt stoßweise fort. Man spricht ja von solch stoßweisem Auftreten der Genies; dann geht es wieder anders. Da haben wir auf geistigem Gebiet stoßweise ein Aufblühen, ein besonderes Sprießen. Nun sehen wir in unseren Tagen stoßweise auf physischem Gebiet ein Sterben. Da haben Sie wiederum zwei Dinge, die Sie als Bilder nebeneinander-stellen können und die ungeheuer vielsagend als Bilder sind. Großes physisches Sterben, das ist der Same für späteres bedeut­sames geistiges Aufblühen. Die Dinge haben alle zwei Seiten. Von diesem Gesichtspunkte aus sagen wir uns eben, immer wieder und wiederum Kraft und Trost suchend, aber auch in unseren Hoffnungen

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Zuversicht uns erringend, im Zusammenhang mit unserer Zeit und gerade aus dem Bewußtsein unserer Geisteswissenschaft heraus:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

DRITTER VORTRAG Berlin, 20. November 1915 Die Untergründe des Seelenlebens und das Geistleben nach vorzeitigem Tode

#G157-1960-SE337 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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DRITTER VORTRAG

Berlin, 20. November 1915

Die Untergründe des Seelenlebens

und das Geistleben nach vorzeitigem Tode

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Wir haben die Tage, die wir jetzt hier zusammensein konnten, dazu verwendet, um nach der einen oder nach der anderen Seite Lichter zu werfen auf den Zusammenhang der Leben der Menschen hier auf dem physischen Plan und der Leben, die zugebracht wer­den zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und auch einiges über den Zusammenhang der einzelnen aufeinanderfolgenden Erden-leben, die der Mensch durchmacht. Sie haben gesehen, daß wenn versucht wird, genauer ins einzelne dieser Verhältnisse einzugehen, die Untersuchung allerdings kompliziert wird, aber sie wird dann im Grunde genommen erst recht fruchtbar, da uns erst eine solche, ins einzelne gehende Untersuchung gewissermaßen über Einzel­heiten auch der Lebensfragen und Lebensrätsel manchen Aufschluß geben kann. Wir wollen in einer solchen Betrachtung etwas fort-fahren, müssen dazu allerdings heute damit beginnen, ein wenig einzugehen auf die Gliederung des Menschen, die wir ja kennen, die wir aber wiederholentlich besprechen wollen im Hinblick auf solche Eigenschaften, die uns für die folgende Betrachtung wichtig sein werden.

Nun, meine lieben Freunde, so wie wir als Menschen hier auf der Erde leben, so leben wir ja, wie Sie aus den verschiedenen Zyklen, Vorträgen und Büchern wissen, in einer ganz bestimmten Epoche der Erdenentwickelung. Und wir haben ja entnehmen kön­nen aus dem ganzen Geist unserer Betrachtungen, daß es einen inneren Sinn hat, eine gewisse innere Bedeutung hat, daß wir unsere Seele hindurchtragen durch diese verschiedenen Epochen der Erdenentwickelung. Aus den Darstellungen, die gegeben worden sind, werden Sie schon ersehen haben, wie nicht nur das äußere, sondern das ganze Lehen des Menschen hier auf der Erde selbstverständlich

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verschieden ist nach den verschiedenen Epochen. Anders war das ganze Leben der Seele schon - wir wollen zunächst ja nur auf das Leben der Seele sehen -, wenn wir nur die nachatlan­tischen Epochen betrachten, in der altindischen, anders in der urpersischen, anders in der ägyptisch-chaldäischen, anders in der griechisch-lateinischen, anders in unserer Zeit. Durch alle diese Epochen trugen wir unsere Seelen hindurch. In allen diesen Epochen suchten unsere Seelen, die meisten Menschen wiederholt in einer Epoche, Körper, welche der Seele ermöglichen, die Welt so aufzunehmen, wie man gerade mit den Kräften einer solchen Epoche die Welt aufnehmen kann.

Wenn Sie sich erinnern, was gesagt worden ist über die Eigen­tümlichkeiten des Seelenlebens in den einzelnen Epochen, so wer­den Sie noch einen genaueren Einblick gewinnen können. Sehen wir uns zum Beispiel das Leben in der ersten nachatlantischen Epoche an, so finden wir, daß die menschliche Seele vorzugsweise während des Erdenlebens damit beschäftigt ist, die Wechselwirkung ihres eigenen Wesens mit dem Ätherleib auszuwirken, also sozu­sagen dasjenige so recht zu erleben, was erlebt werden kann, wenn man hauptsächlich hier im Erdenleben in Wechselwirkung steht als Seele mit dem Ätherleibe. Dann in der zweiten nachatlantischen Epoche lebte die Seele alles das aus, was ausgelebt werden kann, wenn man so recht in Wechselwirkung steht mit dem Astralleibe. In der dritten nachatlantischen Kulturperiode lebte die Seele alles das aus, was ausgelebt werden kann durch die Wechselwirkung mit der Empfindungsseele; in der vierten Kulturperiode lebte die Seele aus die Wechselwirkung mit der Verstandes- oder Gemütsseele, und in unserer Zeit wird ausgelebt alles das, was ausgelebt werden kann, wenn man in Wechselwirkung steht mit der Bewußtseins-seele. Je nachdem die Seele, die sich in diesen einzelnen Epochen bewegte in diesen Gliedern der menschlichen Natur, dieses oder jenes erlebte, rückte sie im allgemeinen Weltenfortschritt weiter. Es ist grundverschieden dasjenige, was man in diesen verschiedenen Epochen an Verhältnissen der eigenen Seele zur ganzen Welt erlebt. Davon muß man sich ja schon eine Vorstellung machen können

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nach dem, was bisher gegeben ist. Nun, in unserer Zeit lebt man also in der Bewußtseinsseele, und die ganze Kultur unserer fünften Kulturperiode besteht ja darinnen, daß die ganze menschliche Seele, das ganze menschliche Ich zur Welt solche Beziehungen anknüpft, die durch das Verhältnis zur Bewußtseinsseele gegeben sind. Was man erleben kann, wenn man in die Bewußtseinsseele seine Kraft hineinschickt, das erlebt man in unserer Epoche.

Nun können wir aber auch die ganze Sache von einem anderen Gesichtspunkt fassen. Wodurch geschieht es denn im allgemeinen kosmischen Zusammenhange, daß man in der Bewußtseinsseele lebt? Man lebt ja natürlich als Mensch nicht nur in der Bewußt­seinsseele, sondern auch in anderen Gliedern der menschlichen Na­tur. Im engeren Sinne bilden wir in unserer Zeit die Fähigkeiten, die die Menschheit jetzt gerade ausbildet, vorzugsweise dadurch aus, daß wir mit unserem Ich auf dem Umwege durch die Bewußtseins-seele so recht in der Organisation unseres physischen Leibes hier leben zwischen Geburt und Tod. Der Grieche in der vierten nach-atlantischen Epoche lebte noch nicht so stark in Abhängigkeit von seinem physischen Leibe wie wir. Der Grieche lebte im Leibe selber noch auf eine innerliche Art. Das bewirkte, daß er in der Ver­standes- oder Gemütsseele arbeitete. Dadurch War er in der Lage, seinen physischen Leib in ganz anderer Weise auszufüllen, als wir es können. Der Grieche zum Beispiel hatte von jeder Handbewe­gang eine viel stärkere innere Gefühlsnuance als der heutige Mensch. Auf diese Dinge kann keine äußere Wissenschaft ein-gehen, aber sie sind vorhanden. Der Grieche fühlte, wenn er einen Arm bog, wie die einzelnen Muskeln anschwollen, wie sich ein Winkel bildete. Dadurch war der Grieche als Bildhauer in der Lage, ganz anders zu schaffen. Der heutige Bildhauer arbeitet nach dem Modell. Er schaut das Modell an und arbeitet danach. Nicht so der Grieche. Er hatte ein inneres Gefühl von der Form des Armes, der Physiognomie und so weiter. Das war bei ihm inneres Er­leben. Jetzt ist der Mensch in gewisser Weise herausgerissen aus dem, was er erleben kann im physischen Leibe, wenn er in der Bewußtseinsseele lebt. Er ist zwar gleichsam tiefer in seinen physischen

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Leib hereingegangen, er ist näher verwandt geworden da­mit, als es der Grieche sein konnte, aber dadurch auch ist er für all dasjenige, was der physische Leib gibt, unempfindlich geworden. Er bedient sich der Organe des physischen Leibes in einem höheren Sinne als der Grieche. Der Grieche konnte gewisse Farbennuancen nicht sehen, wie wir sie heute sehen, weil er noch nicht so im phy­sischen Leibe drinnensteckte wie wir heute. Wenn Sie bei Homer nachlesen, so können Sie sehen, wie wenig Farben er anführt. Das ändert sich also in dieser Weise. Der Mensch macht sich verwandter mit seinem physischen Leibe, aber damit spürt er auch sein Inneres nicht so im physischen Leibe. Man müßte vielmehr sagen, er spürt am physischen Leibe nicht mehr sein Inneres, er stößt mehr nach der Außenwelt. Kurz, es ist ein Ringen mit den Fähigkeiten des physischen Leibes, während es im Griechentum vielmehr ein Rin­gen mit der Form war. So daß wir sagen können: Wir bilden die Bewußtseinsseele gerade dadurch, daß wir mit unserem Ich eine gewissermaßen innere Verwandtschaft mit dem physischen Leibe eingehen, daß wir uns so recht in den physischen Leib hineinstem­men. Dadurch ist die Zeit gekommen, in der man nicht mehr viel weiß von den spirituellen Vorgängen und Dingen, die Zeit des Materialismus, weil man sich so sehr hineingestoßen hat in den physischen Leib.

Nun liegt aber natürlich im physischen Leibe wiederum der Ätherleib Der Grieche wußte viel mehr noch von seinem Äther­leibe. Er spürte, wenn auch nur in einem leisen Anklang, wie der Ätherleib immer nachklingt den physischen Bewegungen des Leibes. Er verspürte noch, daß nicht bloß die physische Hand sich bewegt, sondern daß die Ätherhand sich mitbewegt und zugrunde liegt der physischen Bewegung. Das also ist verlorengegangen. Nun hat der Mensch aber, während er in dieser Griechenzeit war, das alles so durchgemacht, daß er viel intensiver sich in seinem Ätherleibe fühlte als jetzt. Das ist ihm nicht verlorengegangen. Wir haben das ja alle durchgemacht als Seelen, das steckt in unserem Ätherleib darinnen. Das steckt alles darinnen in konservierten Gedanken. Und wenn wir aus der Welt, in der wir sind zwischen dem Tod

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und einer neuen Geburt, heraustreten, so lassen wir wie in einem Vergessen zurück alles dasjenige, was wir eigentlich vorher recht gut in unserem Ätherleibe haben beherrschen können. Indem wir jetzt so tief in unseren physischen Leib hineinstoßen, lassen wir das zurück, was wir uns in der Griechenzeit erworben haben. Sie sehen daraus schon, daß unser Ätherleib eigentlich sehr vieles enthält, wovon der Mensch jetzt nur kein Bewußtsein hat. Der Mensch entwickelt sein Bewußtsein jetzt hauptsächlich im physischen Leibe. Dadurch deckt er zu dasjenige, was in seinem Ätherleibe ist. Wäre dem Menschen all das Wissen von der inneren, menschlichen Or­ganisation, das er in seinen Ätherleib hineingeheimnißt hat, bewußt, so würde er unendlich viel mehr wissen als jetzt. Denn dieser Äther­leib hat sich eine gewisse Vollkommenheit erworben, die größer ist, als der Mensch sich jetzt bewußt ist. Überhaupt ist in bezug auf den Ätherleib vieles zurückgedrängt, weil wir ihn eben nicht in der entsprechenden Weise zum Bewußtsein bringen; wir wissen vieles nicht von diesem Ätherleibe.

Unter anderem arbeitet im Ätherleib, wie Sie wissen, wiederum der Astralleib. Alles dasjenige, was der Ätherleib so arbeitet, muß natürlich durchdrungen gedacht werden vom Astralleibe. Wenn man alles das plötzlich heraufbringen könnte, was der Ä therleib enthält, so würde man unendlich viel gescheiter sein, als man es in der jetzigen Epoche ist, wo man eben mit seinem physischen Leibe kämpft. Denn dieser Ätherleib enthält zum Beispiel - natürlich ist der Astralleib daran beteiligt - unendlich viele Weisheitsschätze. Die sind unten in unserer Seele, in dem Ätherleibe. Da sind vor allen Dingen eine Menge von Geschicklichkeiten, eine Menge von Wissensstoff. Zum Beispiel in bezug auf Geometrie: Ich habe schon einmal hier ausgesprochen, wie viel Sie unbewußt von Geometrie wissen. Es ist dies wirklich eine Wahrheit; denn wenn Sie Geo­metrie kennenlernen, so können Sie sie nicht außen von den Din­gen her kennenlernen, sondern es holt sie der Mensch herauf, in­dem er das, was im Ätherleib ist, zum Bewußtsein bringt. Wenn er äußerlich Figuren aufzeichnet, so dienen sie nur als eine Anregung. Wenn ich ein Dreieck aufzeichne, von dem ich weiß, daß es

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180 Grad hat, so weiß ich das aus dem Ätherleibe. Daß man die Figur aufzeichnet, das ist nur eine Spekulation auf die menschliche Faulheit. In Wahrheit wissen Sie alles, was Sie an Geometrie lernen können, unbewußt, das steckt da unten in den Tiefen des unbewuß­ten Seelenlebens. Überhaupt, man glaubt gar nicht, wie gescheit man ist in den unterbewußten Seelentiefen. Wenn man es nur wüßte! Das Unheil der menschlichen Entwickelung liegt nicht darin, daß die Menschen wenig Weisheit in sich haben, sondern darin, daß sie die Weisheit nicht heraufholen können aus der eige­nen Seele. Alle erzieherische Entwickelung beruht darauf, daß man die verborgene Weisheit heraufholt aus den Tiefen der Seele. Nun würden wir aber, wenn wir diese Dinge nicht so heraufholen müß­ten, doch unsere Entwickelung nicht fördern können, wie wir sie fördern sollen. Sehen Sie, wenn wir nicht zum physischen Leibe ein solches Verhältnis bekommen würden, wie wir es jetzt bekommen haben, so würden wir als furchtbar gescheite Kinder geboren wer­den, und es würde gar nicht viel kosten, verhältnismäßig früh das­jenige, was im Ätherleibe steckt, heraufzuholen. Aber der Mensch würde dann viel zu wenig Mühe darauf verwenden, die Weisheit zu erlangen. Dadurch würde sie zu wenig sein Eigentum sein, er würde zu sehr ein Abklatsch sein der Weisheit. Die persönliche An­eignung erfolgt dadurch, daß wir ein solches Verhältnis zum phy­sischen Leibe haben wie jetzt in der fünften Kulturperiode. Diese persönliche Aneignung macht erst, daß das Wissen zu unserem eigenen Wissen wird, und dann haben wir es für uns, wenn wir es auf diese Weise heraufholen. Das gilt in bezug auf den Ätherleib

Mit Bezug auf den Astralleib gilt aber noch etwas ganz anderes, da gilt das Folgende: Wenn wir alle Einzelheiten heraufholen könnten, die im Astralleibe liegen, alles, was der Astralleib weiß, dann wäre das eigentlich für unser gegenwärtiges Leben kein Ge­winn. Denn wir würden dadurch wirklich wie Automaten inner­halb der Menschheit leben. Unser Astralleib weiß zum Beispiel in der Tat - nicht unser Bewußtsein, aber der Astralleib - wie er als Astralleib zu all den einzelnen Menschen steht, mit denen er sich

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im Leben begegnet. Unser Astralleib hat ein solches Bewußtsein. So daß, wenn wir könnten - derjenige, der es will, kann es nicht, und derjenige, der es kann, macht es nicht, weil das zur Ausbildung eines okkulten Egoismus schlimmster Art führen würde -, aber wenn man alles das, was der Astralleib weiß, bewußt machen könnte, so würde man zum Beispiel genau wissen: Mit dieser oder jener Persönlichkeit erwirkst du dir Unannehmlichkeiten, mit dieser oder jener wirst du Freundlichkeiten erleben. Solches Wissen würde das Leben natürlich ganz verändern, aber für unser gegenwärtiges irdisches Verhältnis nicht im günstigen Sinne. Nun könnte ich noch viel erzählen, was der Astralleib weiß, aber der übt unbewußt sein Wissen auch schon aus, nur ein Wissen, das wirklich im Zusam­menhange des Menschenlebens wenig beachtet wird.

Nehmen Sie einmal an, ein Mensch kommt durch ein Unglück um. Das erscheint uns so, nicht wahr, wenn wir das gewöhnliche Menschenleben betrachten, daß dieses Unglück den Menschen getroffen hat. Denn ein Unglück sucht der Mensch, so wie sein gegenwärtiges Bewußtsein beschaffen ist, nicht. Würde man den Astralleib prüfen, so würde man kein Unglück finden, das der Mensch, insofern er in dem Astralleibe ist, nicht sucht. Was da not­wendig ist für das gewöhnliche Bewußtsein, das ist aus freier innerer Wahl gesucht vom Astralleibe. Das ist so gewollt, richtig gewollt vom Astralleibe. Selbst wenn man von einem Eisenbahn­zuge überfahren wird, ist das von dem Astralleibe eigentlich für den ganzen Lebenszusammenhang in Erwägung gezogen, es ist nicht etwas, was bloß zugestoßen ist.

Also nicht nur, daß wir unseren Zusammenhang mit den übrigen Menschen in unserem Astralleibe haben als Weisheit, wir haben auch wirklich unseren Zusammenhang mit dem ganzen äußeren Leben, mit dem, was sich als Naturereignisse oder sonstige soziale Ergebnisse abspielt, in die wir verwickelt sind. Was uns da ver­schlossen ist und sein soll, ist gut, sonst würden wir nichts lernen für die weitere Entwickelung. Aber im Astralleibe ist ein wirklicher Gedanke vorhanden, daß heißt eine Art von Wissen für alles das­jenige, was unser Wesen in Zusammenhang zeigt mit den Ereignissen

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und Menschenelementen, in die hinein wir verwickek sind. Die Menschen, sage ich, achten das im gewöhnlichen Leben eigent­lich ziemlich wenig. Denn wenn uns irgend etwas zustößt, von dem man sagt, «es stößt uns eben zu», dann betrachtet man in der Regel dasjenige, was uns da zugestoßen ist, nur danach, daß es uns eben zugestoßen ist. Man zieht wirklich nicht in Erwägung, was ge­schehen wäre, wenn einem das nicht gerade zugestoßen wäre. Ich will einen eklatanten Fall herausgreifen. Ein Mensch wird verwundet in einem Augenblick seines Lebens. Nicht wahr, im gewöhnlichen Leben denkt man: «Nun, er ist verwundet worden.» Da schließt man ab. Was aber geschehen wäre, wenn der Mensch nicht ver­wundet worden wäre, darauf sieht man nicht. Denn, nicht wahr, durch eine Verwundung ändert sich das ganze Leben, alles Fol­gende geschieht anders. Aber der Astralleib durchschaut den gan­zen Zusammenhang, indem er vor der Verwundung steht. Man kann sagen, der Astralleib ist hellsehend.

Und das wahre Ich, das noch tiefer im Unterbewußtsein ruht, das wir im Tiefsten haben, das ist noch hellsehender, viel hellsehender. Nicht wahr, Sie sind sich ja klar darüber, meine lieben Freunde, daß wir unseren physischen Leib schon auf dem alten Saturn gebil­det haben, daß wir unseren Ätherleib auf der Sonne gebildet haben und daß wir unseren Astralleib auf dem alten Mond gebildet haben. Unser Ich ist das Baby unter den menschlichen Gliedern, es ist am jüngsten. Dieses Ich wird so, wie jetzt der physische Leib gebildet ist, erst auf dem Vulkan gebildet sein, also nachdem die Jupiter-Entwickelung und die Venus-Entwickelung vorüber sein wird. Aber dieses Ich ruht zugleich im Schoße der geistigen Welt. Dann, während der Vulkanzeit, wird ein ungeheures Wissen von dem Zusammenhang des Lebens von dem Ich ausstrahlen. Aber dieses Wissen ist schon jetzt in uns, und die Jupiter- und Venus-Entwickelung wird darin bestehen, daß die Fähigkeit dazu herauf-geholt wird.

Wir erblicken also, indem wir auf diesen Untergrund des Seelen­lebens blicken, in einer wunderbaren Weise unseren Zusammenhang mit der geistigen Welt Uns Menschen ist ja im normalen Menschenleben

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zunächst nur das gegeben, was wir empfangen, indem das Ich sich spiegelt im physischen Leibe. Aber dahinter ruht ein weit aus­gebreitetes Erdenwissen, das im Ätherleibe ist. Dahinter ruht wieder­um ein hellsichtiges Wissen, das im Astralleibe schon ist, und ein noch hellsichtigeres Wissen, das im wahren Ich ist Diese Dinge sich vorher zu überlegen, ist gut, bevor man auf das eingeht, was ich nun eigentlich besprechen will.

Nehmen wir den Fall, der uns ja jetzt in so tausendfältiger Weise so tief zur Seele spricht, den Fall: Ein Mensch wird im jugendlichen Alter, wie es jetzt oft geschieht, auf dem Kriegsschauplatz durch die Pforte des Todes geführt Sehen Sie, was da eintritt, das ist, daß in ganz anderer Weise die tieferliegenden Glieder der menschlichen Natur, Ätherleib, Astralleib und Ich, aus dem Zusammenhang mit dem physischen Leibe gerissen werden, als wenn der Mensch alt geworden ist und langsam in seinem Bette stirbt Ein schnelleres Trennen von dem physischen Leibe findet da oftmals statt. Ich habe schon gesprochen von dem Prophetischen des Ätherleibes. Wir haben gesagt, daß selbst in den Bildern des Traumes - der ja da­durch entsteht, daß sich der Astralleib nach dem Ätherleibe hinneigt und daß der Ätherleib gespiegelt bekommt dasjenige, was der Astral-leib erlebt -, wenn wir diese Bilder in gewisser Weise auslegen könnten, etwas von prophetischer Art liegt, was uns auf unser künftiges Leben hinweist.

Für denjenigen, der nun als Geistesforscher diese Dinge zu et­forschen hat, entsteht aus solchen Erwägungen heraus eine wichtige Frage. Man muß sich allerdings die Frage zunächst einmal vorlegen, aber dann ist dieses Vorlegen der Frage eine Art Leitung zu der Ant­wort hin, die sich dann aus der hellsichtigen Beobachtung ergeben muß. Man sagt sich zum Beispiel: Der Mensch ist ja doch bestimmt, hier auf der Erde, wenn das Leben normal abläuft, das Patriarchen-alter zu erreichen, das Leben langsam aufzubrauchen. Dafür ist sein Ätherleib und sein Astralleib und sein Ich eingerichtet. Das kann im normalen Lebensablauf geschehen. Nun wird plötzlich durch eine Kugel, die den Menschen trifft, der ganze Zusammenhang gestört Damit aber wird eine Fähigkeit, zum Beispiel die Fähigkeit des

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Ätherleibes - ich will jetzt die Betrachtung auf den einzelnen Men­schen richten -, die Kraft, die nun durch das ganze Leben hindurch hätte wie prophetisch wirken können, die den Menschen hätte hin durchführen können durch viele Lebensverhältnisse noch, heraus­gerissen aus dem Leben; sie wird getrennt von dem physischen Plan. Nehmen Sie an, die Kugel hätte nicht getroffen - wir können die Hypothese stellen und absehen davon, daß es ja selbstverständlich Karma ist -, dann würde der Mensch diese Kraft nach und nach verbraucht haben in seinem Ätherleibe, vielleicht durch viele Jahre hindurch. Diese Kraft ist trotzdem in seinem Seeleninnern da; sie ist «nicht nicht da», diese Kraft. Daß sie da ist, das sieht man schon, wenn nun ein solcher Mensch, den eine Kugel getroffen hat, auf sein Lebenstableau zurückblickt, zurückblickt im Ätherleibe. Ich habe es schon angedeutet: Dieses Lebenstableau hat einen ganz anderen Charakter. Es hat den Charakter, als ob es von der Außen­welt herankomme, nicht so sehr von der Innenwelt erzeugt werden müßte. Kurz, diese Energie, diese Kraft, die da abgeschnitten wird, die ist im Menschen. Und die Beobachtung ergibt auch, daß sie da ist, daß sie verändert das ganze folgende Leben nach dem Tode. Ebenso ist es mit der Kraft, die im Astralleibe ist Die würde ja auch verwendet worden sein während des ganzen Lebens. Die ist auch noch da. Kurz, der Mensch tritt ganz anders durch die Pforte des Todes, wenn er gewaltsam aus dem physischen Leben heraus­gerissen wird, wenn er etwa durch eine Kugel getroffen wird und dadurch das Leben verläßt, als wenn er langsam im Bette gestor­ben wäre.

Nun entsteht die große Frage für den Geistesforscher: Was be­deutet das denn eigentlich? Was bedeutet es für eine Epoche, daß der Mensch durch dasjenige, was ich angeführt habe, eigentlich etwas ganz anderes hineinbringt in die geistige Welt, als er hinein-bringt, wenn er das Leben ausgelebt hat? Für eine solche Epoche, wie die ist, in der wir leben, ist das von unendlich großer Bedeutung, denn vieles von der Art des Geschilderten wird in die geistige Welt hineingetragen. Was bedeutet denn das für die geistige Welt? Das ist eine ungeheuer bedeutungsvolle Frage. - Wenn man sich ein wenig

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ansieht das Verhältnis der geistigen Welt zur physischen Welt, wie Sie es nachlesen können in dem Wiener Zyklus: «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen dem Tode und einer neuen Ge­burt», dann kommt das näher, was man so lange nicht glauben kann, was sich aber der geistigen Forschung ganz klar darstellt: daß sich wirklich alle Begriffe und Vorstellungen ändern, wenn man in die geistige Welt kommt Und so ist es nicht nur, wenn man durch Initiation hineinkommt in die geistige Welt, sondern so ist es auch bei dem Durchgang durch den Tod.

Sehen Sie, hier entwickelt sich eigentlich die Menschheit im Grunde immer mehr und mehr nach einer bestimmten Richtung, man kann sagen, des sogenannten Seinsbegriffes. Und heute ist schon ein gewaltiges Versenktsein in die Vorliebe für den Seins-begriff vorhanden. Was meine ich eigentlich mit dem Seinsbegriff, mit dem Begriff des Seins? Nun, es läßt ja heute kaum einer noch etwas gelten, was sich nicht gibt als ein « Sein». Wenn irgendeiner kommt, der nicht von etwas spricht, was handgreiflich ist, so wird er für einen Phantasten gehalten. Die Menschen gehen umher und reden von dem «Wirklichen», und demgegenüber ist ein bloßer Gedanke nichts. Es gibt heute unzählige Menschen, die achten den Gedanken deshalb nicht, weil sie nicht von ihm angebissen werden können. «Sein» bedeutet für sie: man bekommt knüppeldick das­jenige, was wahrgenommen wird. Man hat nichts dazu zu tun, daß irgend etwas ist, sondern es gibt sich als seiend. Und was nicht in dieser Weise sich als seiend gibt, das wollen die Menschen immer weniger gelten lassen.

In der Entwickelung der geistigen Welt ist das Umgekehrte der Fall. Dasjenige, was seiend ist, was einen Eindruck macht wie phy­sische Gegenstände, das ist für den Menschen im Geistigen etwas Feindliches, etwas Störendes, etwas, wovon er weiß, daß es zum Nichtigen gehört, daß es verurteilt ist, in das Nichtige zu ver­schwinden. Und kommt man so ohne weiteres in ein geistiges Ge­biet, wo nicht sehr weit entwickelte Seelen sind, Seelen, die also, ich möchte sagen, für den Geist noch ebenso naiv sind, wie viele Seelen für die Erde naiv sind, so findet man für die verstorbenen

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Seelen dort das entgegengesetzte Urteil. Etwas, worauf sie Wert legen, das darf nicht «sein», wie man hier auf der Erde von «sein> spricht. Dasjenige, was hier Sein ist, das ist nicht wertvoll für diese Seelen. Im geistigen Leben ist es ja so, daß man lauter geistigen Wesen gegenübersteht. Die wirken auf einen. Die muß man erst zur Anschauung bringen. Es ist da so: Man steht in der geistigen Welt; hinter einem stehen Seelen der geistigen Hierarchien, Angeloi, Archangeloi und so weiter. Man weiß, sie sind da. Aber wenn sie für einen da sein sollen, so muß man sie erst auferwecken zu dem, was man hier das Sein nennt. Das, was in der geistigen Welt auf einen wirkt, das muß man zur Imaginierung bringen. Was nicht-erwecktes Sein ist, wozu man nichts tut, was so knüppeldick ein­fach vorhanden ist, das ist dort nicht wertvolles Sein.

Hier auf der Erde steht man und ist umgeben von der Natur, und die geistige Welt, zu der muß man sich erheben, die ist nicht so ohne weiteres da. Es kostet keine besondere Mühe, die Natur um sich zu haben. Sie ergibt sich von selbst als ein Sein. Deshalb lieben es die Materialisten, die Natur um sich zu haben. Die ist aber nicht mehr da in der geistigen Welt. Es ist nichts da in der geistigen Welt, als was man sich immer erarbeitet. Da muß man immerfort tätig sein. Das, was da ist, das ist die andere Welt, die Welt, die man verlassen hat; auf die blickt man immer hin als auf eine seiende Welt: diese Welt, die das Vergängliche in sich trägt, die fortwäh­rend kämpft mit dem Nichtigen.

Wenn für einen Augenblick die Sache so wäre, daß die Welt, welche die Materialisten lieben, verschwinden würde, daß die Men­schen nichts wissen würden von ihrem Leibe, daß sie sich die Imagination erst schaffen müßten, wenn sie nichts von dem Tisch wissen würden, bis sie ihn sich selbst denkend erschaffen würden, dafür aber die geistige Welt sehen würden, so hätten sie für das Leben hier, was sie dort haben in der geistigen Welt. In der gei­stigen Welt ist die Welt eben nur durch die eigene Tätigkeit zur Anschauung zu bringen. Die jenseitige Welt, also unser Diesseits, ist dort immer da. Während hier der Himmel verborgen ist und nur die Welt, die um uns ist, immer da ist, ist dort die Welt eigentlich

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verborgen, wenn man sie nicht tätig erst zur eigenen An­schauung bringt. Das Jenseits, unser Diesseits, das ist eine Welt, an die man nicht bloß glauben kann, sondern von der man wissen kann unmittelbar. Aber das, was diese unsere Welt hier, vom Ge­sichtspunkte der anderen Welt betrachtet, ich möchte sagen, fatal macht, das ist, daß sie mit dem Sein durchdrungen ist. Das stört, daß diese Welt mit dem Sein durchdrungen ist, wirklich, das stört. Wenn viele sagen: Ich wollte schon an eine geistige Welt glauben, wenn ich sie nur hier sehen könnte! so kann man das ver­gleichen mit dem, was die Seelen in der geistigen Welt sagen: Ja, diese fortwährend da unten vorhandene physische Welt, man wollte sie schon ertragen, wenn sie nur nicht fortwährend «wäre»; wenn sie nur nicht das Sein so aufdringlich in sich hätte. Man kann gar nicht hinunterschauen auf die Erde, ohne daß sie in allen ihren Punkten das furchtbare «Sein» hat.

Und wenn hier jemand praktischer Materialist ist und nicht an Ideale glauben kann, dann liebt er nur das Sein. Aber damit nicht sich die Gesinnung von dem bloßen knüppeldicken Sein hier aus-breite, erstehen immer von Zeit zu Zeit die Idealisten, die die Men­schen an die Kraft der Ideale und ihre Wirksamkeit im geschicht­lichen Fortschritt glauben machen. Diese Ideale des Sittlichen, des Schönen, des Religiösen, sie werden hineingetragen in die Welt. Gewiß, die grobklotzigen Materialisten, die geben nichts darauf; höchstens tun sie sie ab mit ein paar Worten. Es wird das, was nicht knüppeldick im materiellen Sinne seiend ist, gerade als das Wert­volle des Lebens auf den physischen Plan hereingetragen. Und wenn man von einem höheren menschlichen Gesichtspunkte aus die Entwickelung der Menschheit über die Erde betrachtet, so sagt man sich: Gewiß, die Natur ist groß, ist bedeutend; sie ist «da». Aber was wäre dieses ganze menschliche Leben, wenn nur die seiende Natur wäre - und wäre sie noch so schön -, wenn der Mensch nicht Ideale haben könnte, wenn er nicht angespornt wer­den könnte, nicht von dem Seienden, sondern von dem Sein-Sollen-den des sittlichen, des religiösen, des künstlerischen, des päd­agogischen Lebens? Das Nicht-Seiende, möchte ich sagen, das

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hereindringt aus einer geistigen Welt als die Ideale der Mensch­heit - das Nicht-Seiende, aber Sein-Sollende, das macht das Leben erst wertvoll. Das empfindet jeder gut, der nicht ganz im Sumpfe des Materialismus untergegangen ist. Und so erscheinen die, die im Laufe der Geschichte auftreten und im besonderen Sinne Träger der Ideale sind, als diejenigen, die das seiende Leben aus dem Sein­Sollenden erst wertvoll machen.

Und für den Geistesforscher stellt sich nun heraus: Von der gei­stigen Welt sieht man in einer ähnlichen Weise zurück auf das irdische Leben, aber so, daß man als höhere Seele Verlangen trägt danach, daß nicht alles auf dieser Erde bloß «ist»; daß es unter dem, was auf die Erde getreten ist, auch etwas gibt, was nicht im eminentesten Sinne nach Erdenart «ist». Es muß etwas beigemischt sein dem Erdensein, was nicht im gewöhnlichen Erdensinne ist. Und dies stellt sich heraus, ich möchte sagen, als etwas unendlich Bedeutungsvolles, wenn es sich dem Geistesforscher ergibt, bei denjenigen Leben, die veranlagt waren für ein langes Leben und gewaltsam abgeschnitten worden sind, so daß wir einen Teil eines solchen Lebens haben, der vom jenseitigen Standpunkte aus an­gesehen eigentlich für das Sein bestimmt war und dieses Sein nicht ausgelebt hat. Nelimen wir an, ein Mensch hat, statt bis zum sieb­zigsten, achtzigsten Jahre nach seinen Lebenskräften, nur bis zum fünfundzwanzigsten, sechsundzwanzigsten Jahre in der Welt gelebt. Dann wurde er, sagen wir, von einer Kugel getroffen. Seine Glieder der Menschennatur wurden plötzlich auseinandergelöst. Der Äther-leib, der Astralleib und das Ich hätten noch lange die Gabe ent­wickeln können, den physischen Leib zu erhalten. Das, was da noch hätte folgen können nach dem Schusse, das ist für das Erdendasein bestimmt gewesen; es ist nicht im Sein aufgegangen. Das nimmt sich aber von jenseits aus gesehen so aus, daß man sieht: Da unten ist nicht bloß Seiendes, da unten ist dem Erdensein auch etwas beigemischt, was zum Sein bestimmt ist, aber nicht das Sein durchlebt hat, Sein, das bloß der Anlage nach vorhanden ist. Auch Sein-Sollendes im gewissen Sinne. Daher sind diejenigen, die ihr Leben also früh endigen durch eine äußere Veranlassung, indem sie

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durch die Todespforte gehen, für die geistige Welt in einem ähn­lichen Sinne - nur in einem ähnlichen Sinne, nicht im gleichen Sinne - geistige Boten wie die Idealisten, die hier auf die Erde kommen, um dem Seienden das Sein-Sollende beizumischen. So stei­gen herauf diejenigen, die früh durch die Pforte des Todes ge­gangen sind, um dem Himmel Kunde zu bringen, daß da unten auf der Erde auch Sein-Sollendes, nicht bloß Seiendes ist.

Es ist eine unendlich tiefe, bedeutsame Entdeckung, die man machen kann, wenn man auf dieses Kapitel der Geistesforschung kommt, indem man kennenlernt jene dem Himmel zugekehrten Idealisten, die Idealisten werden dadurch, daß sie hier auf der Erde in der angedeuteten Weise durch die Pforte des Todes gehen. Und solch einen Gedanken wirklich mit unserer Seele zu vereinigen, es geziemt uns das in der jetzigen Zeit sehr wohl.

Betritt man eben die Gefilde des geistigen Lebens, so ist es nötig, daß neben denjenigen, die dort sozusagen ihre Aufgabe im geistigen Leben verrichten, auch solche sind, die hinweisen auf die Erde, so daß sie eigentlich etwas in die Erdenentwickelung hineinverwoben haben, aber es früher herausgenommen haben, als es der Anlage nach hätte heraufgebracht werden sollen. Daher kann man auch sagen: Diejenigen, die also durch die Pforte des Todes gehen, sie werden in vieler Beziehung für die Menschenseelen der geistigen Welt diejenigen, die an das Hohe des Erdenlebens glauben lassen, die glauben lassen im Jenseits, daß das Erdenleben wirklich auch Geistiges als Wertvolles in sich enthält. Sie nehmen dort eine ähn­liche Stellung ein wie die Idealisten hier auf der Erde.

Wir müssen uns ja schon einmal bekanntmachen damit, daß wir uns die Menschen, indem sie weiterleben in der geistigen Welt, nicht so vorstellen dürfen, wie sie zuletzt hier gewesen sind. Die triviale Vorstellung, die sich die Menschen machen, zum Beispiel, daß die, die als Kinder sterben, weiterleben als Kinder, ist selbst­verständlich nicht richtig. Die Gestalt, die die Toten zuletzt hatten, kann bildhaft in der Imagination so erscheinen; das ist aber nicht die Gestalt, sondern der Ausdruck. Es kann ein Kind sterben, aber das Menschenwesen, das in dem Kinde verkörpert war, kann eine

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sehr entwickelte Seele sein und fortleben nach dem Tode als eine sehr hoch entwickelte Seele. Das habe ich schon oft erwähnt.

Nun aber sehen wir, daß in die geistige Welt etwas hinaufgetragen wird, was als ein mit dem irdischen Sein verbundenes und doch nicht in demselben aufgehendes, ein gleichsam jenseitiges Sein­Sollendes ist. Das wirkt in der Entwickelung, welche die Menschen-seele nun wiederum zwischen dem Tode und einer neuen Geburt durchmacht, mit. Menschen, die durch die Todespforte gegangen sind, sieht man dann das Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt so durchmachen, daß sie gewissermaßen das Mensch­liche der Erde in einem viel reicheren, viel umfänglicheren Sinne jenseits zur Vorstellung bringen, als man es zur Vorstellung bringen kann, wenn man ein normales Erdenleben ausgelebt hat. Nicht wahr, das soll nichts darüber entscheiden, was dem Menschen vor­gezeichnet ist durch das Karma. Wenn man alt wird, es ist Karma. Wenn man jung stirbt, es ist Karma. Aber gerade so, wie man sich nicht willkürlich auf der Erde zu dieser oder jener Individualität machen kann nach dem diesseitigen Bewußtsein, so kann man auch nicht bestimmen vom Erdenbewußtsein aus, wie sich dieses Leben zwischen dem Tode und einer neuen Geburt gestalten soll. Wenn man also gewaltsam vom physischen Dasein in die geistige Welt hinaufgeht, so hat man ein viel intensiveres Anschauen, imaginativ, von allem Menschlichen, als man es hat, wenn man eben auf eine andere Weise in die geistige Welt eingetreten ist.

Man kann sagen: Diejenigen Menschen, die also durch die Pforte des Todes gehen, die stehen während ihres Lebens zwischen Tod und neuer Geburt insbesondere demjenigen nahe, was auf der Erde geschieht im Sinne des Allgemein-Menschlichen. Man kann das sehen, wenn man Menschen prüft, die etwas ganz besonders Wichtiges in irgendeinem Abschnitt ihres Lebens tun, so daß es darauf ankommt, daß dieser Mensch das Betreffende tut. Sagen wir, ein Mensch tut im neunundvierzigsten Jahre etwas - es ist das selbstverständlich nur nach okkulter Anschauung zu sehen -, was ungeheuer bedeutsam nach irgendeiner Richtung hin ist. Das prüft man zurück. Dann findet man den Menschen in einer früheren Verkörperung

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so, daß er dazumal vielleicht gerade in seinem neun­undvierzigsten Lebensjahr eines mehr oder weniger gewaltsamen Todes gestorben ist. Das heißt, er hat dadurch eben diesen starken Zusammenhang mit der ideellen Entwickelung auf der Erde hier erlangt, daß er das aufgenommen hat, dieses Sein-Sollende für die geistige Welt. Dadurch hat er die starke Kraft gehabt, daß er ein­verleibt hat seinem ganzen seelischen Wesen, das Bestimmte gerade in einem bestimmten Jahre zu vollbringen. Man kann auch daraus wieder ersehen - ich habe das letztemal ja darüber gesprochen -, daß Menschen, welche namentlich durch ihren Willen mancherlei zu bewirken haben, die also mehr für die allgemeine Menschheit leben, in irgendeiner Weise solch sein-sollendes Leben mit hinauf genommen haben in irgendeiner früheren Inkarnation.

Es ist ja besonders schwierig, wenn man sich das Leben im Gei­stigen nur so vorstellen will wie ein etwas verdünntes irdisches Le­ben, sich mit dieser Vorstellung auszusöhnen, die man vom geisti­gen Leben erlangt: daß hier das physische Leben fortwährend bekannt ist von selbst; daß jenseits das Leben ist, das unbekannt ist; und daß auch davon das Gegenteil gilt im geistigen Leben. Man pflegt sich nicht gleich richtig vorzustellen, daß eigentlich, wenn man nicht etwas dazu tut, alles dunkel und finster ist im geistigen Leben, daß man alles erst zum Licht heraufholen muß und daß alles, was diesseits ist, von jenseits aus sichtbar ist - jenseits, das aber unser Diesseits ist -, und daß das Bedeutungsvolle, das bei-gemischt ist, in einem Sein-Sollenden besteht Dies ist eine Vorstel­lung, die man sich erwerben muß, wenn man in richtiger Weise den Zusammenhang des physischen Lebens mit dem geistigen Le­ben einsehen will.

Ich sagte: Es ist wirklich ganz gut in unserer Zeit, sich mit sol­chen Vorstellungen bekanntzumachen. Denn die schmetzbewegte Seele frägt sich so sehr häufig heute: Warum müssen denn so viele Menschen im blühendsten Lebensalter in die geistige Welt ab­gerufen werden? Warum können sie ihr Leben hier nicht ausbilden? Und so sonderbar es klingt - wie gesagt, die geistigen Wahrheiten sind ja zuweilen etwas, was grausam scheinen kann -, so ist es doch

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wahr: In die geistige Welt muß die Möglichkeit hineingetragen werden, auf die Erde so zu blicken, daß diese Erde selber vom Geiste durchdrungen werden kann. Würden alle Menschen ihr nor­males Lebensalter erreichen, kein Mensch als Märtyrer, kein Mensch im frühen Alter sich zu opfern in der Lage sein, dann würde die Erde von drüben als dem wertlosen Sein verfallen aus­sehen. Das, was der Erde hier beigemischt ist an Ideellem, ist aber auch zu gleicher Zeit dasjenige, was immerzu aus dem Vergangenen ein besseres Zukünftiges hervorbringt. Und das hängt auch zusam­men mit diesem, was da hingeopfert wird. Ein Mensch, der mit sechsundzwanzig Jahren sein ganzes folgendes Leben opfert, der gibt dieses ganze folgende Leben, das er sonst an seine äußere Arbeit gewendet hätte, dem Fortschrittsprozeß der Menschheit. Es lebt weiter. In dem, was jetzt an Fortschrittskräften da ist, lebt das, was Menschen hingeopfert haben an Leben, die sie hätten hier noch durchleben können. Die Erdenentwickelung braucht die Lebensopfer. Da kann man sehen, wie das, was sonst in unserem materiali­stischen Zeitalter eigentlich nur mehr ein abstrakter Begriff ist, wie das unendlich konkret wird. Noch in einem anderen Sinne, als ich es im Juli hier entwickelte, können wir sagen: Nicht nur diese Ätherleiber wirken sozusagen im ganzen Zusammenhang des Menschheitsfortschrittes, sondern auch die Arbeit der früh durch den Tod Gegangenen.

Die Arbeit dieser Individualitäten ist eine solche, daß wir sagen können: Wer sind denn diejenigen, die vorzugsweise für das All­gemeine der Menschheit arbeiten, die sich allgemeine Aufgaben stel­len in späteren Inkarnationen? Es sind diejenigen, die in einer frühe­ren Inkarnation in irgendeiner Weise einen Opfertod durchgemacht haben. Die hingebungsvollen, dem Geistigen hier auf der Erde zu­geneigten Naturen, die verdanken das ihrem ein Martyrium zu nennenden Leben in einer vorhergehenden Inkarnation. Die Erde könnte nicht fortschreiten, wenn sich nicht Menschen opfern würden.

Und wenn man dies bedenkt, meine lieben Freunde, dann kann man von der Gegenwart in die Zukunft einen Blick tun. So un­endlich viele werden jetzt geopfert, opfern sich. So schmerzlich dieses

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ist, von den persönlichen Gesichtspunkten aus betrachtet, so kann man sich damit versöhnen, wenn man es vom Gesichtspunkte der Weisheit der Welt betrachtet. Ebensoviel, als jetzt geopfert wird, wird der Zukunft an Fortschrittskräften gegeben. Die Menschheit braucht solche Fortschrittskräfte. Man bedenkt das heute noch nicht in genügendem Sinne, aber man wird es bedenken, wenn nicht ein­mal Jahrhunderte, sondern genügend viele Jahrzehnte über die materialistische Entwickelung der Menschheit hingeflossen sind. Der Materialismus wird in rasender Eile seine Konsequenzen ziehen. Innerlich war der Höhepunkt des Materialismus im neun­zehnten Jahrhundert, aber die Menschen würden versinken im Materialismus, wenn nicht eine Umkehr gegeben wird. Diese Um­kehr, sie soll gegeben werden durch die Geisteswissenschaft. Aber sie kann nur dadurch gegeben werden, daß starke Kräfte arbeiten, daß wirklich das Ideelle in das Erdenleben hineingearbeitet werde. Viele, die jetzt abgerufen werden, werden dazu dienen, daß die Erde nicht verfällt dem Materialismus, daß der Materialismus nicht allein herrschen wird.

Lesen Sie es, meine lieben Freunde, in dem Vortragszyklus über die Apokalypse, wo es nur in großen Zügen angedeutet worden ist, nach, und machen Sie sich daraus einen Begriff, wie viele Fr ü chte des Opfertodes die Erde in der Zukunft brauchen wird, damit sie vom Versinken im Materialismus und dem, was damit verbunden ist, Streit, Haß, Feindschaft, wenigstens soweit erlöst wird, als sie erlöst werden muß, damit sie ihren weiteren Weg im Kosmos durchmachen kann. Es ist schon so, daß solche Zeiten wie die unserige mehr als andere dazu auffordern, nicht nur zu denken an das, was geschieht, sondern auch zu denken an die Früchte dessen, was geschieht. Und diese Früchte können wir nur erkennen, wenn wir die zwei Seiten des Weltendaseins ins Auge fassen, diese zwei Sei­ten, die uns zeigen, daß wir wirklich zwei völlig verschiedene Pole des Lebens durchmachen, hier zwischen der Geburt und dem Tode, und dort zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Hier sind wir in gewissem Sinne mit unserem innersten Wesen passiv und müssen arbeiten, wahrhaftig so, daß es vielen viel zu viel wird,

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wenn wir zur Anschauung einer geistigen Welt uns aufschwingen wollen. Dort ist es notwendig, daß wir aktiv sind, tätig sind, um das, in dem wir sind, um die unmittelbar gegenwärtige Welt in unserer Anschauung zu haben. Dagegen haben wir immer, wie eine Mahnung, die «seiende» Welt drunten vor uns.

Hier herein in diese irdische Welt tragen die Idealisten das, was das Sein Sollende ist, was das Seiende wertvoll macht. In die Welt, in die die Menschen gehen durch die Pforte des Todes, in die die­jenigen eintreten, die ihr Leben ausgelebt haben, um in regel­mäßigem Gang das irdische Leben fortzuführen, treten auch jene ein, die mehr oder weniger früh als Märtyrer sterben, und sind dort die Zeugen davon, daß da unten nicht bloß Materielles, nicht bloß dem Nichtigen, dem Vergänglichen Verfallenes ist, sondern daß beigemischt ist dieser Erde auch das, was da zurückbehalten die­jenigen, die ein Leben nicht voll auslebten, sondern denen es gewaltsam zerstört worden ist.

Man muß schon solche Dinge nicht nur verstandesmäßig neh­men, sondern tief mit seiner Empfindung durchdringen, dann klärt sich einem manches auf. Es sind gewiß viele Rätsel in der Gegen­wart enthalten, aber einige davon klären sich auf, wenn man also das Schmerzliche, was geschieht, im Zusammenhang mit der großen Weisheit der Welt betrachtet.

Auch das ist wiederum ein Kapitel, das uns, wenn wir das eben Ausgesprochene auf unsere Zeit anwenden, die wichtige Wahrheit verkörpern kann:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

VIERTER VORTRAG Berlin, 7. Dezember 1915 Der Zusammenhang der geistigen und physischen Welt und sein Erleben nach dem Tode

#G157-1960-SE357 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

VIERTER VORTRAG

Berlin, 7. Dezember 1915

Der Zusammenhang der geistigen und physischen Welt

und sein Erleben nach dem Tode

#TX

Geisteswissenschaft soll uns ja auf allen Gebieten den Zusammen­hang zeigen zwischen den geistigen Welten und den Welten, die wir, während wir in unserem Erdenleibe sind, wahrnehmen durch unsere Sinne, die wir zu verstehen suchen durch die Gedanken unseres Verstandes. Nun haben wir uns durch einige Betrachtun­gen hindurch beschäftigt insbesondere mit den Zusammenhängen, die da bestehen zwischen dem Leben, das der Mensch als Seele führt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt, und dem Leben, das er hier im physischen Leibe verkörpert führt. Wir halten ja immer den Gedanken fest, daß der Mensch, solange er hier inner­halb des physischen Leibes lebt, seine Gedanken nach der Sphäre richtet, die er zu durchleben hat zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Wir halten den Gedanken fest nach dieser Sphäre gerichtet, nicht um eine bloße Neugierde zu befriedigen, son­dern weil wir uns durch unsere geisteswissenschaftlichen Be­trachtungen haben überzeugen können, daß das Hineindringen der Gedanken jener anderen Welt in diese Welt auch beiträgt zu dem, was diese Welt hier an erhöhenden, an durchkraften-den Gedanken für Wirken, Denken, Empfinden und so weiter sich erringen kann. Wir müssen an dem Gedanken festhalten, daß sich viele Geheimnisse des Lebens nur auflösen lassen, wenn man den Mut hat, an das Rätsel des Todes, wie man es nen­nen kann, heranzutreten. Nun können wir heute, um von einem ganz besonderen Gesichtspunkte aus wiederum den Zusammen-hang der geistigen Welt mit der sinnlichen hier vor unser Seelenauge treten zu lassen, von einer trivialen Betrachtung, die allerdings vieles an tiefgehenden Empfindungen einschließt, ausgehen.

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Wir gehen aus von der Tatsache, die wir ja oftrnals besprochen haben, wie der Mensch durch die Pforte des Todes schreitet. Ich sage, wir gehen aus von etwas, was alltäglich ist, was aber doch mit tiefgehenden und den Menschen in seiner tiefsten Seele ergreifen-den Erlebnissen zusammenhängt. Wenn wir einem Menschen hier in der physischen Welt gegenüberstehen, machen wir uns die Ge­danken, die uns mit ihm verbinden können, wir bilden ihm gegen­über unsere Empfindungen, unsere Gefühle von Sympathie, von Antipathie aus, wir stehen ihm mehr oder weniger freundschaftlich oder mehr oder weniger ablehnend gegenüber, kurz, wir bilden uns hier in der physischen Welt ein gewisses Verhältnis aus zu einem anderen Menschen. Dieses Verhältnis kann durch die Bande des Blutes gegeben sein, es kann sich auch erst durch die im Leben zu­tagetretende Wahlverwandtschaft zur Geltung bringen. Das alles wird gefaßt werden können unter dem, was in diesem Augenblicke mit «Verhältnis zwischen Mensch und Mensch» gemeint ist.

Wenn nun der Mensch, mit dem uns irgendwelche Bande zu­sammengehalten haben, hinweggeht von der physischen Welt und durch die Pforte des Todes tritt, so bleibt uns von diesem Men­schen zunächst die Erinnerung zurück, das heißt eine Summe von Empfindungen, Gedanken, die wir aus dem Verhältnis zu ihm in uns rege gemacht haben, die wir in uns belebt haben. Und in einer ganz anderen Weise leben von jetzt an, da der Mensch durch die Pforte des Todes von uns hinweggegangen ist, die Empfindungen, die Vorstellungen, die Gedanken, die uns mit ihm verbinden, als sie früher, da er noch mit uns den physischen Plan bewohnt hat, lebten. Als er mit uns den physischen Plan bewohnt hat, wußten wir, daß jederzeit zu dem, was wir uns in unserer Seele im Verhält­nis zu ihm ausgebildet haben, die äußere physische Realität hinzu­treten kann, daß wir mit unseren inneren Erlebnissen der äußeren physischen Realität gegenübertreten können. Wir müssen auch jederzeit gewärtig sein, daß der Mensch durch irgendeine neue Art, sich darzuleben, die Empfindungen, die Gefühle, die wir bisher für ihn gehabt haben, in der einen oder in der anderen Richtung ver­ändert Wir denken oftmals nicht an den radikalen Unterschied

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der auftritt, wenn plötzlich, oder auch nicht plötzlich, der Augen­blick eintritt, wo wir fortan nur noch die Erinnerung an den betref­fenden Menschen in unserer Seele tragen können, wo wir wissen können: unseren Augen wird er nicht mehr erscheinen, unsere Hand wird er nicht mehr ergreifen. Das Bild, das wir von ihm gebildet haben, bleibt im wesentlichen dasjenige, was wir uns schon gebildet haben. Es ist etwas ganz Radikales, das in dem Verhältnis zweier Menschen eintritt. Wie gesagt, es ist etwas, was trivial für den Gedanken klingt, was aber tief eingreifend ist in unser Innen­leben, in dem einzelnen Falle, wo es eintritt: die Tatsache, daß Erinnerung uns wird eine Menschenseele, die bisher durch ihre physische Verkörperung auf uns von außen her einen Eindruck gemacht hat.

Aber vergleichen wir nun diese Erinnerung mit anderen Erin­nerungen, die wir uns sonst aus unseren Erlebnissen bilden. Wir leben ja zu einem großen Teile unser physisches Leben in Erin­nerungen aus. Wir wissen von dem, was wir erlebt haben. Sagen wir zum Beispiel, wir wissen von Ereignissen, die an uns vorüber-gezogen sind, von denen wir Gedanken behalten haben, wir wissen, daß wir uns durch diese Gedanken an verflossene Zeiten wenden können, in denen die betreffenden Ereignisse stattgefunden haben. Überblicken wir nun aber dasjenige, was wir so in dem größten Teile unserer Erinnerungen haben - ich sage, in dem größten Teile unserer Erinnerungen -, so tragen wir in Gedanken etwas in uns, was nicht mehr da ist: verflossene Ereignisse, Ereignisse, deren Wirk­lichkeit wir nicht mehr in der äußeren Welt antreffen können, die der Vergangenheit angehören.

Ganz anders ist vor unserem seelischen Auge, wenn wir das Gei­stige der Geisteswissenschaft aufgenommen haben, dasjenige, was wir Erinnerung an einen Verstorbenen nennen müssen, Erinnerung an eine Seele, die durch die Pforte des Todes gegangen ist. Ganz anders ist das. Da tragen wir Gedanken in uns, aber für diese Ge­danken ist etwas Wirkliches da, allerdings nicht in der uns zugäng­lichen äußeren, physischen Welt, aber in der geistigen Welt. Das­jenige, worauf sich diese Gedanken beziehen, das ist da, obzwar es

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nicht in die Sphäre unserer Sichtbarkeit eintreten kann. Das ist eine ganz andere Erinnerungsvorstellung als eine Erinnerungsvorstellung an etwas, was hier in der physischen Welt vergangen ist. Wenn wir die Tatsache, die hier vorliegt, im Verhältnis zu der gesamten Welt einmal betrachten wollen, so können wir sagen: Wir tragen in unserer Seele Gedanken an eine Wesenheit, die in der geistigen Welt ist. Nun wissen wir - und insbesondere muß uns das klar­geworden sein aus Betrachtungen, die wir an den letzten drei Abenden, die wir hier zusammen sein konnten, gehalten haben -, daß nicht nur die Sehnsuchten der Seelen, die hier verkörpert sind, hinaufgehen nach den geistigen Welten, sondern daß auch das Be­wußtsein der Seelen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, die nun leben in der Welt zwischen Tod und neuer Geburt, sich heruntererstreckt auf dasjenige, was hier in der physischen Welt vorgeht. Wir können uns sagen: Diejenigen Seelen, die entkörpert in der geistigen Welt leben, bekommen von der physischen Welt hier dasjenige in ihr Bewußtsein herauf, was sie vermöge ihrer geistigen Anschauung und ihres geistigen Herabsehens eben wahr­nehmen können. Ich habe in einer der letzten Betrachtungen an­gedeutet, wie Seelen, die noch hier im physischen Leibe verkörpert leben, wahrgenommen werden von den sogenannten toten Seelen, im Gegensatz zu der Wahrnehmung, die sie von Seelen haben, die wie sie leben in der Zeit zwischen Tod und neuer Geburt. Ich habe ausgeführt, wie die Seelen, die in der geistigen Welt leben, um eine Wahrnehmung zu haben, immer tätig sein müssen, wie sie zum Beispiel wissen: Jetzt ist eine andere Seele in deiner Nähe -, wie sie aber, um sie anzuschauen, innerlich tätig sein müssen. Sie müssen sich gleichsam das Bild konstruieren, das Bild entsteht nicht von selbst, wie es hier in der physischen Welt entsteht Man hat in der geistigen Welt zuerst den Gedanken des «Daseins» und muß dann gleichsam innerlich miterleben dieses «Dasein», damit das Bild entsteht. Es ist der umgekehrte Weg.

Nun ist aber doch ein bedeutsamer Unterschied in der Bild-konstruktion in bezug auf diejenigen Seelen, die auch schon in der geistigen Welt sind, und solche, die noch hier auf der Erde im

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physischen Leibe verkörpert sind. Während der Mensch im Leben zwischen Tod und neuer Geburt das Bild einer Seele, die auch schon in der geistigen Welt ist, ganz und gar aus sich heraus erzeugen muß, während er da ganz und gar tätig sein muß, fühlt er sich bei einer Seele, welche noch hier auf der Erde lebt, mehr passiv - das Bild kommt ihm mehr entgegen. Also die Tätigkeit ist eine geringere bei einer Seele, die noch hier auf Erden lebt, als bei einer Seele, die auch schon entkörpert ist, die innere Anstrengung ist eine geringere. Dadurch drückt sich eben der Unterschied aus für diejenigen, die zwischen dem Tod und einer neuen Geburt leben. Wenn Sie das nehmen, so werden Sie sich sagen: Wenn sich die Seele, nachdem sie durch die Pforte des Todes gegangen ist, in die geistige Welt so hineinlebt, hält sie nicht nur ihre Umschau über jene Wesen der höheren Hierarchien oder der Menschenseelen, die auch mit ihr in der geistigen Welt leben, sondern es taucht vor ihr auch die Welt der Seelen hier auf, namentlich derjenigen, zu denen sie Beziehung gehabt hat hier, bevor sie durch die Pforte des Todes geschritten ist.

Es ist ja dieser bedeutsame Unterschied noch festzuhalten, daß, während hier der Mensch auf Erden im Grunde genommen das, was das Erdendasein ausmacht, immer um sich hat und nur im Geiste ergreifen kann - das «nur» ist natürlich sehr vergleichsweise nur zu nehmen - die «andere» Welt, so ist es, wenn die Seele in der geisti­gen Welt ist, gerade umgekehrt. Das, was sie dort von selbst sieht, das ist unsere Welt, die Welt, die von dort aus die jenseitige ist, während sie sich anstrengen muß, um die eigene Welt, in der sie dann ist, immer als Wahrnehmung zu haben, um sie sich immer zu konstruieren. Also dort ist das Diesseits dasjenige, was man sich immerfort erarbeiten muß, und das Jenseits ist dasjenige, was eigent­lich immer sich wie von selbst ergibt. Nun aber tauchen innerhalb dieses Jenseits - was für uns Diesseits ist, von der anderen Seite gesehen aber das Jenseits - die Menschenseelen auf mit demjenigen, was in ihnen lebt, insbesondere diejenigen Menschenseelen, zu denen Beziehungen während der Erdenzeit angeknüpft worden sind. Diese Menschenseelen treten auf. Aber innerhalb, ich möchte sagen, dieses Meeres von geistigen Wahrnehmungen, die da von der

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anderen Welt hier an und in den Menschenseelen gemacht werden, treten zuweilen auf die Erinnerungen an diejenigen, die durch die Pforte des Todes gegangen sind. Stellen Sie sich das lebendig vor. Denken wir uns einmal hypothetisch, wir lebten in einem Zeit­punkte, in dem sich keine Seele irgendeines Toten erinnerte. Dann würden natürlich die Toten die Menschenseelen auch sehen, aber in diesen Menschenseelen würden keine Erinnerungen an die Toten leben. In dieses Meer, das sich den entkörperten Seelen darbietet, gehen nun hinein die Erinnerungen, die Erinnerungen an die Toten. Da leben sie drinnen. Das ist etwas, was durch den freien Willen der Menschen und durch die Liebe der Menschen hier hinzukommt zu dem, was der Tote von der anderen Seite immer sehen kann. Das ist also etwas, was hinzukommt.

Sehen Sie, hier haben wir wieder einen Punkt, wo dem Geistes-forscher wichtige Fragen aufgehen, wo der Geistesforscher die Frage aufwerfen muß: Was geschieht für denjenigen, der durch die Pforte des Todes gegangen ist, dadurch, daß er nun eingebettet sieht in die flutenden Seelen hier in unserer Welt die Erinnerungen, die diese flutenden Seelen an die Toten haben, was geschieht dadurch, daß er diese Erinnerungen wahrnimmt? Es ist bei der Geistesforschung so, daß man, wenn einem eine solche Rätseifrage aufgeht, diese Rätselfrage zuerst gründlich erleben muß. Man muß sich hinein-leben. Wenn man nun anfängt zu spekulieren, wie die Lösung einer solchen Frage sein könnte, wie die Antwort sein könnte, dann kommt man sicher zunächst auf das Falsche. Denn das Anstrengen des ge­wöhnlichen, an das Gehirn gebundenen Verstandes, das gibt in der Regel durchaus keine Lösung. Man kann durch dasjenige, was innere Anstrengung ist, die Lösung nur vorbereiten. Die Lösungen von Rätselfragen, die sich auf die geistige Welt beziehen, ergeben sich wirklich so, daß sie herauskommen aus der geistigen Welt wie eine Begnadung. Man muß warten. Man kann eigentlich nichts anderes tun, als in der Frage so recht leben, immer wieder und wiederum die Frage durchmeditieren, die Frage mit allen Empfindungsquali­täten, die sie entwickeln kann, in der Seele aufleben lassen und ruhig warten, bis man - der Ausdruck ist wirklich ganz richtig gebraucht

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- gewürdigt wird, aus der geistigen Welt heraus eine Ant­wort zu bekommen. Und die kommt einem in der Regel von einer ganz anderen Seite zu, als man eigentlich denkt. Es kommt aus der geistigen Welt heraus dann die Antwort im rechten Augenblick, das heißt im Augenblick, wo man die eigene Seele genügend präpa­riert hat, so daß sie die Antwort entgegennehmen kann. Daß es die rechte Antwort ist, ja, das läßt sich nicht durch eine Theorie aus­machen, ebensowenig wie durch Theorie sich etwas über die physi­sche Wirklichkeit ausmachen läßt. Das läßt sich nur durch das Erleben selber ausmachen. Diejenigen, die jede geistige Wirklichkeit immer nur ableugnen und sagen: das kann man nicht beweisen, es muß alles bewiesen werden - denen möchte ich nur die Frage stel­len, ob jemals schon ein Mensch in der physischen Welt das Dasein eines Walfisches hätte beweisen können, wenn dieser nicht gefunden worden wäre. Nichts kann man beweisen, was nicht in irgendeiner Weise in Wirklichkeit aufgezeigt werden muß. So muß man auch in der geistigen Welt dasjenige erleben, was Wirklichkeit ist.

Nun gewiß, dasjenige, was da eintritt in das Bewußtsein als Lö­sung, es stellt sich, je nachdem man sich zubereitet hat in der Seele, in der verschiedensten Weise dar. Auf mannigfache Weise kann sich die Wahrheit darstellen, aber sie ist doch als die Wahrheit zu er­leben. Wenn man sich diese Rätselfrage, die ich eben jetzt hin­gestellt habe, so recht in der Seele leben läßt, da tritt auf, scheinbar von einer ganz anderen Seite her, ein inneres Bild, welches, ich möchte sagen, den inneren Anspruch darauf macht, einem etwas zu geben über die Lösung des betreffenden Rätsels. Da kann auftreten das Bild eines Menschen, der etwa sich photographieren läßt, der sein Porträt bilden läßt. Überhaupt tritt auf das Bild irgendeiner physischen Sache, eine Nachbildung dieser physischen Sache. Und zuletzt tritt auf alles dasjenige, was man in den Bereich des Künst­lerischen und auch der künstlerischen Darstellung setzen kann. Wenn Sie sich vorstellen, wie das physische Leben verläuft, so kön­nen Sie sich sagen, dieses physische Leben verläuft so, daß der Mensch den äußeren Naturwesen und Naturereignissen gegenüber­steht: die laufen ab. Ebenso laufen die menschlichen Angelegenheiten

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ab, dasjenige, was der Mensch sorgt und webt für seine Bedürfnisse und so weiter, dasjenige, was ihm in der Geschichte abläuft. Aber darüber hinaus sucht der Mensch etwas, was im Grunde genommen nichts zu tun hat mit dem unmittelbar Not­wendigen in der Welt. Die Menschenseele wird gewahr, daß, wenn nur die Natur und die Geschichte mit den menschlichen Bedürfnis­befriedigungen ablaufen würde, das Leben öde und kahl wäre. Der Mensch schafft über den Naturlauf und über den Bedürfnis-lauf hinaus etwas hier im physischen Dasein. Er bekommt das Be­dürfnis, nicht bloß, sagen wir, irgendeine Landschaft zu sehen, son­dern diese Landschaft auch nachzubilden. Er richtet es im Leben so ein, daß jemand, der mit ihm in irgendeinem Zusammenhang steht, von ihm ein Bild bekommen kann und dergleichen mehr. Wir kön­nen, von da ausgehend, an das ganze Reich der Kunst denken, das der Mensch hier als eine höhere Wirklichkeit über die Wirklichkeit hinaus schafft zu der gewöhnlichen Natur- und Geschichtswirklich­keit hinzu. Denken Sie, was alles nicht in der Welt wäre, wenn es keine Kunst gäbe, wenn die Kunst nicht hinzubringen würde zu dem, was, wir können sagen, von selbst da ist, dasjenige, was sie aus ihrem Quell zu geben vermag. Die Kunst schafft etwas, was durch Notwendigkeit nicht da zu sein brauchte. Wäre es nicht da, so könnte alles Naturnotwendige gleichwohl geschehen: Man könnte sich denken, daß ohne irgendeine Nachbildung oder künst­lerische Darstellung der Verlauf des Lebens vom Erdenanfang bis zum Erdenende ginge. Was alles die Menschen dann nicht hätten, das mag man sich ausmalen. Aber theoretisch möglich wäre es, daß unsere Erde gestraft wäre damit, daß sich auf ihr keine Kunst ent­wickeln könnte. Wir haben in der Kunst etwas über das Leben Hinausgehendes. Denken Sie sich alles das, was in der Kunst ge­schaffen ist, in der Welt stehend und die Menschen also durch die Welt gehend, dann haben Sie gewissermaßen zwei parallel laufende Prozesse: die Natur- und Geschichtsnotwendigkeiten und dasjenige, was als künstlerische Strömung hineingestellt ist.

Sehen Sie, so wie die Kunst gewissermaßen eine geistige Welt hereinzaubert in die physische Wirklichkeit, so zaubert die Erinnerang,

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die hier in der Seele Platz greift, eine andere Welt in die Welt derer, die durch die Pforte des Todes gegangen sind, herein. Für die Toten könnte die Welt ablaufen, ohne daß in den Seelen hier Erinnerungen lebten, die aus Liebe, die aus allen menschlichen Ver­hältnissen geboren sind. Aber es würde dann für die Toten die Welt, die die ihre ist, so ablaufen, wie für uns eine Welt ablaufen würde, in der wir nichts finden könnten, was über die gewöhnliche Wirk­lichkeit hinausgeht. Das ist ein ungeheuer bedeutungsvoller Zu­sammenhang, daß durch die Gedanken der Liebe, durch die Gedan­ken der Erinnerung, durch all das, was uns in dieser Weise in der Seele aufgeht im Zusammenhang mit denen, die nicht mehr in der physischen Welt sind, für die, die nicht in der physischen Welt sind, dort etwas Analoges geschaffen wird demjenigen, was hier das künstlerische Schaffen ist. Und so wie der Mensch das künstlerische Schaffen aus sich heraus in der physischen Welt hier vollbringen muß, aus dem Eigenen etwas hinzutun muß, so muß wiederum für diejenigen, die in der geistigen Welt sind, das Entgegengesetzte ein­treten. Es muß ihnen von der anderen Welt entgegengebracht wer­den, von den Seelen, die hier zurückgeblieben sind, die hier noch verkörpert sind; nicht von den Seelen, die sie mehr passiv sehen als diejenigen Seelen, die schon mit ihnen in der geistigen Welt stehen. Was für uns Natur- und Geschichtsverlauf wären, die sich nur von selbst vollziehen, ohne Kunst, ohne all dasjenige, was der Menscb bildet über die unmittelbare Wirklichkeit hinaus, das wäre für die Toten eine Welt, in der nicht innerhalb der physischen Welt zurückgebliebene Seelen lebten mit Erinnerungen.

Solche Dinge, sehen Sie, sie werden nicht gewußt innerhalb des physischen Lebens der Menschen. Man sagt so, sie werden nicht gewußt -. Sie werden nicht gewußt von dem, was das gewöhnliche Bewußtsein ist, aber von demjenigen, was tieferes unterbewußtes Bewußtsein ist, werden diese Dinge gewußt, und das Leben wurde auch immer danach eingerichtet. Warum wurde Wert darauf gelegt von den menschlichen Gemeinschaften, daß Allerseelentage, Totentage und dergleichen gefeiert werden? Und derjenige, der nicht an einem allgemeinen Totentage teilnehmen kann, hat eben seine

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eigenen Totentage. Warurn ist das? Weil in dem unterbewußten Bewußtsein der Menschen eben das lebt, was man nennen könnte ein dunkles Bewußtsein von dem, was in die Welt hineingestellt wird dadurch, daß die Erinnerungen an die Toten belebt werden, besonders belebt werden. Wenn die offene Seele des Geistesschauers an einem Allerseelentag oder an einem Totensonntag oder der­gleichen dahin geht, wo viele Menschen erscheinen mit den Er­innerungen an die Toten, so nrmmt sie wahr, daß da die Toten teil­nehmen, und es ist für die Toten dann so, nur natürlich entspre­chend verschieden gedacht, wie wenn hier auf dem physischen Erdenrund die Menschen einen Dom besuchen und jene Formen schauen würden, die sie nicht schauen könnten, wenn nicht aus der künstlerischen Phantasie heraus zu dem physischen Dasein etwas hinzuerschaffen worden wäre, oder wenn sie eine Symphonie hören oder dergleichen. Es ist gewissermaßen das über das gewöhnliche Maß des Daseins hinaus Entstehende, das sich in all diesen Erinne­rungen darbietet. Und wie sich die Kunst hineinstellt in den phy­sisch-historischen Menschenverlauf, so stellen sich die Erinnerungen an die Toten herein in das Bild, das die Seelen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt von ihrer Welt aus bekommen. In solchen Gebräuchen, die sich bilden innerhalb der menschlichen Gemein­schaften, drückt sich eben jenes geheime Wissen aus, das die Seelen in ihren Untergründen haben, und mancher ehrwürdige Gebrauch hängt eben mit diesem unterbewußten Bewußtsein zusammen.

Wir stehen vor den Zusammenhängen des Lebens viel bewun­dernder noch, wenn wir sie durchdringen können mit dem, was uns die Geisteswissenschaft an die Hand gibt, als wenn wir sie nicht damit durchdringen können. Wenn der Tote in der Seele eines Men­schen, der mit ihm in einem Verhältnis hier gestanden hat, eine Erinnerung an sich antrifft, so ist es immer so, wie wenn ihm etwas entgegentreten würde, was ihm das Leben verschönt, was ihm das Leben erhöht. Und setzt sich hier für uns Schönheit aus demjenigen zusammen, was Kunst ist, so setzt sich für die Toten Schönheit zu­sammen aus demjenigen, was hinaufstrahlt aus den Herzen, den Seelen der an ihre Toten sich erinnernden Menschen.

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Das ist auch ein Zusammenhang zwischen der Welt hier und der geistigen Welt dort. Und es ist dies ein solcher Gedanke, der eng zusammenhängt mit jenem anderen Gedanken, der aus vielem, vielem hervorgeht, was in der Geisteswissenschaft gepflogen wer­den kann, dem Gedanken von dem Wertvollen, dem Wichtigen des Erdenlebens. Geisteswissenschaft führt uns nicht dahin, die Erde mit alledem, was sie hervorbringen kann, zu verachten, sondern Geisteswissenschaft führt uns dahin, das physische Erdenleben als ein Glied zu betrachten innerhalb des gesamten Weltenlebens und als ein notwendiges Glied; als ein Glied, das auf das hin angelegt ist, was in der geistigen Welt wirkt und ohne das die geistige Welt nicht in ihrer Vollständigkeit erscheinen würde. Und wenn wir nun­mehr unseren Blick sozusagen dahin wenden, daß aus unserer phy­sischen Welt heraus die Schönheit für die Toten ersprießen muß, so schließt sich uns der Gedanke auf, daß diese Schönheit für die gei­stige Welt fehlen würde, wenn es nicht eine physische Welt geben könnte mit Menschenseelen, die im Leibe auch noch Gedanken, gefühlsdurchtränkte, empfindungsdurchwellte Gedanken entwickeln könnten an diejenigen, die nicht in der physischen Welt sind. Es bedeutete viel, meine lieben Freunde, wenn in alten Zeiten zum Beispiel ganze Volksstämme immer wieder und wiederum hin­gebungsvoll in ihren Festen an die großen Ahnen dachten, wenn sie vereinigten ihre Gefühle im Hinblick auf einen großen Ahn. Es bedeutete viel, wenn sie solche Gedenktage einrichteten, denn das war immer das Aufleuchten eines Schönen für die geistigen Welten, das heißt für die Seelen, die zwischen dem Tode und einer neuen Geburt standen. Und so wenig, nun, sagen wir, um milde zu spre­chen, so wenig #SE157-368

sind wir innerhalb unserer Haut eingeschlossen, hier ist uns das­jenige, was wir als «wir», als «ich» bezeichnen, eben das innerhalb der Haut Eingeschlossene, was uns wert ist. Auch für den gilt das vielleicht sogar um einen Grad mehr als für diejenigen, die sich weniger selbstlos dünken! Wert ist uns vor allen Dingen, was inner­halb dieser Haut eingeschlossen ist; dann kommt die übrige Welt. Wir blicken zu dieser übrigen Welt als zur Außenwelt. Das ist aber gerade das Bedeutungsvolle, daß wir, wenn wir aus unserem Kör­per draußen sind, mit der Außenwelt vereinigt werden; wir leben in dieser Außenwelt. Dieses Aufgehen, dieses Sich-Ausbreiten über die Außenwelt, ich habe es öfters beschrieben. Und dasjenige, was dann sich so zu uns verhält wie jetzt die Außenwelt, das ist das, was wir gerade hier zwischen Geburt und Tod für uns ausgelebt haben. Die Außenwelt wird, wir können sagen, gewissermaßen unsere Innenwelt; und das, was hier unsere Innenwelt ist, wird dann unsere Außenwelt. Daher diese bedeutsame Erfahrung, wie ich sie in meiner «Theosophie» berührte, beim Betreten des Geister-landes: «Das bist du.>'

Also unsere Innenwelt hier, die unser Ich umfaßt, auf die blicken wir dann hin, das ist die Außenwelt. Und da ist es so, daß jene Seele, die nun nicht in dieser Weise egoistisch sein kann, wie sie hier egoistisch ist, zurückblickt auf die Gedanken, die ihr entgegen­treten als die Gedanken an sie. Das ist dasjenige, was wie eine Außenwelt ihr entgegentritt, was wirklich einverleibt sein darf in den Umfang dessen, was wir dann als das Schöne bezeichnen, als dasjenige, was uns erhebt, was uns dann erheben darf. Es kommt zu dem, was eine Außenwelt ist - nämlich die Erinnerung an das, was wir durchgemacht haben zwischen Geburt und Tod -, etwas hinzu, was nicht in diesem unserem Leben lebt, sondern was in anderen Seelen lebt, aber sich auf uns bezieht. Das ist wirklich das Hineinstellen eines über uns, das heißt über unsere Außenwelt Hinausgehenden, wie hier das Hineinstellen des Kunstwerkes etwas ist, was über die gewöhnliche, von selbst dastehende Wirklichkeit hinausgeht. So wenig «nett» es hier ist von dem Menschen, wenn

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er nicht nur in sich, sondern noch dazu in sein Bild verliebt ist, so selbstverständlich ist es dort, daß man zu dem, was in den Seelen, die zurückgeblieben sind, als Bild von einem auftritt und hinzu­kommt zu der anderen Erscheinung, die man von sich hat, so steht, wie man hier etwa steht zu einem Landschaftsbild im Verhältnis zur Landschaft oder dergleichen. So ist es also, daß man, wenn einem diese Rätselfrage vor die Seele kommt, das Bild von dem Menschen und seinem Bild in den Seelen der Hinterbliebenen erhält und daß man von da aus den Weg findet zur Beantwortung einer solchen Rätselfrage. Das Spekulieren führt in der Regel zu nichts, sondern das Wartenkönnen, das geduldige Abwarten. Das­jenige, womit man sich bemühen soll, sind eigentlich mit Bezug auf die geistigen Welten die Fragen; die Antworten müssen sich durch Gnade, durch sich offenbarende Gnade der Menschenseele ergeben.

Ich habe im Verlaufe dieser Betrachtung eben darauf aufmerk­sam gemacht, wie die Menschen Einrichtungen treffen, Erinnerungs­tage, Erinnerungsfeste im allgemeinen, die zusammenhängen mit einem tiefen, aber vom gewöhnlichen Bewußtsein nicht umfaßten Wissen. Das hängt damit zusammen, daß der Mensch überhaupt in den Untergründen seiner Seele ein dumpfes, umfassendes Wissen hat - ich habe hier schon wiederholt darauf aufmerksam gemacht -und daß er eigentlich das Wissen, das er mit seinem Bewußtsein umfaßt, herausholt aus seinem umfassenden Wissen. Ich habe dar­auf aufmerksam gemacht, wie gescheit wir eigentlich wären, wenn wir all das mit unserem Oberbewußtsein umfassen könnten, was unser astralischer Leib umfaßt. Aber dieser Astralleib, der geht auch in einem viel höheren Sinne wissend durch das Leben, als wir gewöhnlich glauben. Wir schätzen dieses Wissen unseres Astral-leibes nicht, weil wir eben nichts davon wissen; aber wir können uns wenigstens eine Vorstellung machen von diesem umfassenderen Wissen des Astralleibes, wenn wir uns das Folgende vor die Seele stellen: Sehen Sie, wir leben so, wir können es ja sagen, gewissermaßen in den Tag hinein. Wir beurteilen die Ereignisse sehr wenig nach

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ihrem Zusammenhange. Würden wir sie nach ihrem Zusammen-hange betrachten, so würde uns manches ganz, ganz anders erschei­nen. Denken Sie doch nur einmal, es kann passieren, nicht wahr, daß wir uns irgend etwas vornehmen: Wir nehmen uns am Morgen etwas vor, was wir am Abend ausführen wollen. Mittags passiert uns irgend etwas, was uns verhindert, die Sache am Abend auszu­führen. Wir ärgern uns zuweilen gründlich, daß wir die Sache am Abend nicht ausführen können. Wir sind der Meinung, daß es viel schöner, viel richtiger gewesen wäre, wenn wir die Sache hätten ausführen können. Der Astralleib mit seinem umfassenderen, aber uns nicht zum Bewußtsein kommenden Wissen, der weiß das eben anders. Der Astralleib sieht in einem solchen Falle oftmals: Wenn du die Angelegenheit, die du dir für abends vorgenommen hast, ausführst, so kommst du in eine Lage, wo du vielleicht hinfällst und dir ein Bein brichst. Es kann ja durchaus im Bereich der Möglichkeiten liegen, daß wir dem gar nicht entgehen können; wenn wir abends das, was wir uns vorgenommen haben, ausfüh­ren, so gibt es eben eine Konstellation vorher, daß wir uns ein Bein brechen. Das wissen wir in unserem Oberbewußtsein nicht, aber der Astralleib durchschaut das, und er führt uns nun in eine solche Lage, durch die wir selber verhindern, daß das eintritt, was wir abends haben ausführen wollen. Daß das eingetreten ist, wor­über wir so ärgerlich waren, das ist zuweilen im Gesamtzusammen­hang unseres Lebens außerordentlich weise. Aber das wird nicht aus dem Zufall herausgeboren, sondern es wird ganz aus der Weis­heit unseres Astralleibes, die uns eigentlich aus dem Oberbewußt­sein heraus unbewußt bleibt, gemacht. Wenn wir einsehen könnten, warum wir manches tun und einiges nicht tun, vielleicht weil wir etwas anderes nicht tun könnten oder zu etwas anderem erst geführt werden, wenn wir das alles durchschauen könnten, so würden wir immer einen Zusammenhang in unserem Leben sehen, der von einem Weiseren in uns ausgeht, als wir in unserem Oberbewußt­sein sind.

Es ist schon in unserem Leben Zusammenhang, aber dieser Zu­sammenhang wird nicht in seiner ganzen Sphäre durchschaut. Und

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sobald wir uns richtig den Gedanken vor die Seele halten, wie wir eigentlich mit den geistigen Welten zusammenhängen, so wird uns die Sache schon klar. Über uns liegt ein Wesen, das im engeren Sinne zu uns gehört, ein Wesen aus der Hierarchie der Ängeloi, unser schützender Geist. Wir wenden uns sogar jetzt immer im Beginn unserer Betrachtungen an die schützenden Geister der­jenigen, die draußen die großen Forderungen der Zeit unmittelbar zu erfüllen haben. Dieser schützende Geist sieht nun hinein in den Zusammenhang. Aus einem Gefühl heraus war das lange im Menschenbewußtsein rege, daß gewisse Zusammenhänge, die wir nicht überschauen, von diesem schützenden Geist überschaut wer­den. Nun sind aber die Grenzen zwischen dem, was wir über­schauen, und dem, was wir nicht überschauen mit unserem Bewußt­sein, veränderlich. Es gibt ja wirklich Menschen hier, die da durcb mit einer gewissen inneren Zufriedenheit durch das Leben gehen, daß sie das, was an sie herankommt, eben an sich herankommen lassen, weil sie an die waltende Weisheit glauben, weil sie durch­drungen sind davon, daß auch dasjenige, worüber man so leicht ärgerlich werden kann, vom Walten der Weisheit durchtränkt ist. Es ist ja manchmal schwer, wenn etwas passiert, was so recht gegen unsere Absichten geht, an die waltende Weisheit zu glauben. Aber darin besteht gerade einer derjenigen Impulse, die uns so recht in Zusammenhang mit den Wirkungen der geistigen Welt bringen, daß wir uns hineinzüfügen wissen in die waltende Weisheit, ohne bequem oder faul dadurch zu werden, ohne zu glauben, daß diese waltende Weisheit selbständig für uns handelt. Die Grenze ist also verschiebbar, und auch in bezug auf das Handeln, auf das Bilden von Absichten ist die Grenze verschiebbar. Da treten allerdings in das gewöhnliche Bewußtsein Impulse herein, die etwas Intimes, Zartes haben. Wie oft, nicht wahr, kommt es, daß wir uns etwas vornehmen für einen späteren Zeitraum. Nun kommt irgend etwas, wir haben das Gefühl, wir müssen dies tun, was eigentlich ver­hindert das Spätere. Wir haben das Gefühl, aus der sich bietenden Notwendigkeit heraus zu handeln und die Sache ja nicht unzart anfassen zu dürfen, denn wir wissen: Wenn wir sie unzatt anfassen,

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dann zersplittert sie sich vor uns, dann zerstiebt sie. Wir haben neben dem, worauf wir unsere Freiheit richten, mehr oder weniger einen Menschen in uns, der sich durch das Leben durchtasten will und der glaubt, durch das, was er ertasten kann, viel mehr zu errei­chen als durch dasjenige, was er mit seinen Begriffen ganz genau sich abzirkeln kann. Die Grenze ist verschiebbar.

Aber die Grenze ist zuweilen noch mehr verschiebbar, und da kommt ein Punkt in Betracht, der wirklich recht ins Auge gefaßt werden soll gegenüber dem praktischen Leben. Es gibt Menschen -und in gewisser Beziehung sind wir alle ergriffen von dem, was in solchen Menschen waltet -, die auch eine gewisse Sehnsucht, eine gewisse Begierde haben, sich ihr Leben zurechtzulegen, so zwi­schen den Zeilen des Lebens durchzugehen. Nehmen Sie einen auf­fallenden Fall an: Sie kennen einen Menschen, der schließt mit einem anderen Menschen Freundschaft. Sie sagen sich zunächst: Ich kann wirklich nicht recht begreifen, warum der mit diesem anderen Freundschaft schließt, es ist mir nicht durchsichtig, es herrscht keine rechte Beziehung zwischen diesen beiden Menschen, aber der tut alles, um an diesen Menschen heranzukommen. Man kann es nicht begreifen, und man merkt manchmal erst sehr lange nachher, warum das geschehen ist: Der Betreffende braucht diesen Menschen viel­leicht erst viel später zu etwas. Er hat mit diesem Menschen Freund­schaft geschlossen, nicht weil er an ihm etwas erlebt hat, was er gerne hatte, nicht um seiner selbst willen, sondern als Mittel für etwas, was erst später eintreten sollte. Er hat sich das Leben «zu-rechtgerückt»: Dadurch, daß er mit ihm Freundschaft geschlossen hat, ist dieser Mensch zu etwas gekommen, wodurch er ihm später in einer Situation helfen kann. Und die Folge davon ist, daß nun wirklich das eintritt, mit Hilfe jenes sogenannten Freundes, was sonst nicht eingetreten wäre.

Dehnen Sie diesen Gedanken über das Leben aus, so werden Sie sehen, wie ungeheuer verbreitet das im Leben ist, daß sich die Men­schen vorher etwas zurechtlegen, das sie nicht so unmittelbar wollen, wie sie es sich zurechtlegen, sondern von dem sie wollen, daß es so ist, weil sie es eigentlich erst in den Wirkungen gebrauchen wollen.

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Man muß also sagen: Es gibt Menschen, welche in diesem Sich­Zurechtlegen-des-Lebens eine - wir können jetzt nicht sagen Weis­heit, denn wir werden ein inneres Widerstreben haben, dies Weis­heit zu nennen -, aber welche eine ungeheure Schlauheit haben, eine ganz ungeheure Schlauheit, in früheren Stadien ihres Lebens etwas zu tun, was ihnen nicht in diesen Stadien, sondern erst in nachherigen Stadien ihres Lebens irgendwie zugute kommen soll. Und wir haben dann das Gefühl: Ich hätte den Menschen eigent­lich gar nicht für so schlau gehalten, denn wenn ich mit ihm zu­sammenkomme, wenn ich mit ihm Gedanken austausche, wenn ich mit ihm zusammenlebe, da ist er eigentlich viel dümmer, als er sein muß, wenn er sich das Leben so zurechtzimmert.

Sehen Sie, das kommt davon her, weil in der Tat dasjenige, was der Mensch im astralischen Leibe trägt, gescheiter sein kann als das, was er in seinem gewöhnlichen Bewußtsein trägt. Wenn der Mensch stark seinen Egoismus hinunterdrängt in das Unbewußte, wenn er nicht mit einer gewissen Ursprünglichkeit lebt, sondern wenn er so sehr seinen Egoismus, ich möchte sagen, überspringen läßt, dann er­greift sein Egoismus auch sein unterbewußtes Bewußtsein, und es lebt in ihm der Mensch, der in uns allen lebt, aber der uns sonst anleitet, das Leben eben zu nehmen in elementarer, in unmittelbarer Weise: er leitet ihn dann an, das Leben zu deichseln, sich einzurich­ten, sich vorher die Bedingungen zu schaffen für ein Späteres. Da sehen wir walten den astralischen Leib mit seiner Gescheitheit. Aber wir sehen ihn jetzt durchtränkt, nicht von dem, was wir sonst im Leben walten sehen, sondern wir sehen von dem gewöhnlichen Bewußtsein den Egoismus hinuntergedrängt in das astralische Be­wußtsein, und wir sehen, daß der Mensch eigentlich mit viel mehr scheinbarer, wie wir dann sagen, «Überlegung> durch das Leben geht, als ihm nach seinem Bewußtsein eigentlich schon zukommt. Da liegen viele gefährliche Seiten für die Entwickelung der Men­schenseele, und sehr wichtig ist es, daß man sich dessen bewußt ist, daß man in dem Augenblick, wo man herantritt an dasjenige, was in uns sonst unbewußt wird, versucht, nicht zu stark mit seinem Egoismus heranzutreten. Deshalb muß auch immer wieder und

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wiederum dieses Absehen von dem Egoismus für die Entwickelung nach der geistigen Welt hin betont werden.

Da, unter unserem gewöhnlichen Bewußtsein, waltet wirklicb etwas, was durchsetzt sein kann vom Bewußtsein unseres schüt­zenden Geistes aus der Hierarchie der Angeloi, und dann kommt eben dasjenige zustande, was uns manchmal vor dem gewöhn­lichen Bewußtsein der Menschen unbesonnen erscheinen lassen kann, was aber doch unter einer gewissen Regel steht, die ich in einem der Mysterien sehr einfach habe ausdrücken wollen dadurch, daß ich sagte oder durch eine Person sagen ließ: Die Herzen müs­sen oftmals das Karma deuten. - Wenn man aber darüber hinaus­geht, über dasjenige, was das Herz deutet im Karma, wenn man den Verstand walten läßt, so setzt sich diesem Verstand zuweilen eine starke Dosis von Egoismus bei. Oder aber es kann dieser Egois­mus so darinnen walten, daß wir den Menschen schlauer finden, als er uns von seinem unmittelbaren Bewußtsein heraus erscheint. Dann hat er den Egoismus hinuntergedrängt in seinen astralischen Leib. Da kommt ihm etwas, jetzt nicht von den regulären Wesen aus der Hierarchie der Angeloi, sondern etwas Luziferisches in das Wirken der Seele hinein, etwas, was den Menschen eine weitere Sphäre umkreisen läßt, als er eigentlich bewußt umkreisen würde nach seiner entsprechenden Entwickelungsstufe. Wir sehen, daß dasjenige, was so notwendig ist zu betonen, gerade wenn man an die geisteswissenschaftliche Entwickelung herantritt, wirklich etwas Zartes und Intimes ist; denn selbstverständlich sollen wir unser Bewußtsein erweitern, aber wir sollen uns unser Bewußtsein erwei­ternd auch immerzu bemühen, das Hindernis hinwegzuschaffen, das durch das Hinunternehmen oder Hinaufnehmen - das ist ja ganz gleichgültig, das eine oder das andere - des Egoismus in eine tiefere oder höhere Bewußtseinssphäre entsteht.

Sie können fragen: Ja, wie können wir denn das? Es ist gut sagen, man solle den Egoismus nicht aus seinem gewöhnlichen Be­wußtsein herausbringen. Wie kann man vermeiden, den Egoismus aus seinem gewöhnlichen Bewußtsein zu bringen? - Ja, sehen Sie, meine lieben Freunde, das kann man nicht durch Regeln, sondern

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das kann man nur dadurch, daß man seine Interessen erweitert. Wenn man seine Interessen erweitert, dann bekämpft man schon immer in irgendeiner Weise seinen Egoismus. Denn mit jedem neuen Interesse, das man gewinnt, geht man ein Stück aus sich her­aus. Deshalb wird Geisteswissenschaft durch uns so betrieben, wie sie betrieben wird, daß nicht immer nur Rücksicht genommen wird auf dasjenige, was die Menschen nun gerade aus ihrem Egois­mus heraus gerne hören wollen, sondern daß wirklich die Inter­essen erweitert werden. Wie oft wird immer wieder und wiederum die Frage gestellt: Warum sind die Bücher so unverständlich geschrieben? Könnte man sie nicht viel populärer schreiben? Und der eine oder andere macht Vorschläge, wie man recht, recht popu­lär die Bücher schreiben könnte. Man muß sich eigentlich wehren dagegen, diese Popularität zu erreichen, denn sie erhöht nur den Egoismus. Wenn es gar so leicht ist, in die Geisteswissenschaft hineinzukommen, so kann eben jeder ohne Überwindung seines Egoismus hineinkommen. Aber in der Arbeit, die man geistig durchmachen muß, wenn man sich etwas anstrengt, muß man schon ein Stück von seinem Egoismus wegbringen, und so kommt man gesegneter hinein in dasjenige, was man erreichen will durch die Geisteswissenschaft, wenn man sich etwas anstrengen muß, als wenn es ganz populär dargestellt wird. Wir haben es zum Beispiel erleben müssen, daß jemand auftrat, der sagte: Es gibt so viele Menschen, welche den ganzen Tag zu arbeiten haben. Wenn sich diese Menschen abends hinsetzen und die schweren Bücher lesen sollen, so kommen sie damit nicht zurecht. Denen sollte man doch ganz leicht lesbare Bücher liefern. - Darauf mußte man ihm sagen:

Warum soll man diese Menschen verhindern, die wenige Zeit, die sie haben, dazu zu nehmen, die Bücher zu lesen, die mit voller Ab­sicht aus den geistigen Bedingungen heraus geschrieben worden sind? Warum sollen sie diese Zeit verwenden, um Schriften zu lesen, die zwar bequem zu lesen sind, die aber, weil sie die Dinge triviali­sieren, selbst wenn sie vielleicht dem Wortlaut nach dasselbe geben, dadurch, daß sie die Seelen nicht in dieselbe Lage versetzen, den­noch in das triviale Leben dasjenige herabzerren, was gerade herausführen

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soll aus dem trivialen Lehen auch mit Bezug auf die Art und Weise, wie man es durchlebt in einer anderen Sphäre?

Das wird von ganz besonderer Wichtigkeit sein, daß man bei der Geisteswissenschaft nicht bloß das «Was>, sondern das Für die Art und Weise, wie ein Mensch zwischen Geburt und Tod lebt, hahen wir ein Wort, das etwas ausdrückt im Lehen, ausdrückt in Anlehnung an dasjenige, was wir sehen: das Wort «altern». Wir sehen das Kind frisch, rund, das innere Leben durch die äußeren Formen fließend, wir sehen das Kind bis zu einem gewissen Jahre strotzend von innerem Leben, das sich in die äußere Form ergießt. Dann kommt die Zeit, wo das innere Leben nicht mehr so sich ergießt, wo wir Runzeln bekommen, wo es anders wird mit uns. Kurz, wir verfolgen dieses äußere Leben von der Geburt bis zum Tode nach der Art, wie sich uns der physische Leib darstellt in diesem Lebensverlauf. Das nennen wir altern aus dem ganz trivia­len Grunde, weil unser physischer Leib jung ist, wenn wir geboren werden, und alt ist, wenn wir sterben.

Mit dem Ätherleib ist es ganz anders. Unser Ätherleib, wenn wir das Wort überhaupt anwenden wollen, ist durch die Kräfte, durch die er gebildet wird, alt, wenn er zur Geburt oder Empfängnis hin-geleitet wird. Er ist alt, indem wir eben erst unser physisches Leben anfangen, da ist er ausgeprägt und ausziseliert, da hat er viele, viele innere Formungen - es sind Bewegungen, aber die sind innere For-mungen. Die werden ihm genommen im Verlaufe des Lebens, aber

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dafür wird die Kraft, zu leben, erhöht, und er ist ein Kind, wenn wir alt sterhen. Der Ätherleib macht gerade die umgekehrte Ent­wickelung durch als der physische Leib. Wenn wir vom physischen Leibe sagen «wir altern», müßten wir vom Ätherleibe sagen «wir jüngern», und es ist gut, diesen Ausdruck zu bilden: Wir «jüngern» in bezug auf unseren Ätherleib Wir «jüngern» wirklich in bezug auf unseren Ätherleib, so daß wir diesen Ätherleib, wenn wir gebo­ren werden, in seiner Kraft gerichtet haben auf all dasjenige, was eingeschlossen ist in der menschlichen Haut, während er, wenn wir in einem gewissen Alter durch die Pforte des Todes gehen, eine Art Verwandtschaft hat mit dem ganzen Kosmos. Er hat die Kräfte wieder zurückbekommen, die ihm genommen waren. In dem Augenblick, wo wir Kind waren, da war sein Zusammenhang mit dem Kosmos unterbrochen, da mußte er alle seine Kräfte in den einzigen Raum hineinsenden, der in der menschlichen Haut ein­geschlossen ist, da war er auf einen Punkt der Welt gleichsam zu­sammengedrängt. Nun wird er wiederum frisch, nun wird er wiederum in den Kosmos immer mehr und mehr hineingestellt in demselben Maße, als der physische Leib altert. Wir können sagen - der Ausdruck ist natürlich sehr übertrieben -: Während wir fahl und runzelig werden, wird der Ätherleib pausbackig und ist wieder­um ein Abbild der äußeren Kraft, der äußeren schaffenden, strot­zenden Kraft, wie der physische Leib ein Ausdruck ist der äußeren strotzenden, schaffenden Kraft im Anfange der Kindheit. Wir «jüngern» mit Bezug auf den Ätherleib Und es wird schon die Notwendigkeit auch nach und nach kommen, geradezu Worte zu bilden, um die ganz andersartigen Verhältnisse der geistigen Welt wirklich auffassen zu können. Das ist wichtig, daß wir uns mit die sem radikalen Unterschied in der ganzen Anschauung der geistigen Welt gegenüber der physischen Welt bekanntmachen. An diesem Punkte wollen wir dann das nächste Mal unsere Betrachtungen anknüpfen.

FÜNFTER VORTRAG Berlin, 14. Dezember 1915 Von unterbewußten Seelenimpulsen

#G157-1960-SE378 Menschenschicksale und Völkerschicksale

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FÜNFTER VORTRAG

Berlin, 14. Dezember 1915

Von unterbewußten Seelenimpulsen

#TX

Wir haben die letzten Betrachtungen hier von einem gewissen Gesichtspunkte her auf das Leben gerichtet, das hinter jenem ver­läuft, welches für den Menschen in der Alltäglichkeit oder in der gewöhnlichen Wissenschaft abläuft in seinem ihm durch das Erden-werkzeug, durch das physische Werkzeug vermittelten physischen Bewußtsein. Im Grunde genommen sind ja alle unsere Betrach­tungen auf dieses Leben, das unter der Schwelle des gewöhnlichen Bewußtseins verläuft, gewendet. Dennoch versuchen wir, wie das ja in der Geisteswissenschaft sein muß, von den verschiedensten Seiten her diesem Leben nahezukommen.

Während einem Gewißheit gegeben wird in bezug auf die äußere physisch sinnliche Wirklichkeit einfach durch das Anschauen - der Mensch sagt: Ich weiß, daß etwas ist, wenn ich es gesehen habe -, wird eine Gewißheit über die geistigen Welten auch für denjenigen, der nicht durch besondere Übungen in sie aufzusteigen vermag, dadurch geschaffen, daß man sie von verschiedenen Seiten her beleuchtet erhält. Durch diese Beleuchtungen von verschiedenen Seiten her, die dann zusammenstimmen, kann eine gewisse Gewiß­heit erlangt werden.

Ich habe insbesondere darauf aufmerksam gemacht, daß der Mensch in der Welt nicht nur durch dasjenige darinnensteht, was er so überschaut mit dem gewöhnlichen Bewußtsein, sondern daß unter der Schwelle des gewöhnlichen Bewußtseins ein Leben des Men­schen abläuft, welches nicht vom Bewußtsein umfaßt wird, welches allerdings erkennbar wird, wenn der Mensch, wie man sagt, durch die Pforte der Initiation schreitet, welches aber unbewußt bleibt für das gewöhnliche Menschenleben. Es geht mit dem Ganzen, das der Mensch ist, vieles in der Welt vor - so habe ich mich ausgedrückt -, und dasjenige, wovon man, indem man durch das Leben im physischen

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Leibe schreitet, weiß, ist nur ein Teil dessen, was eigentlich mit dem Menschen vorgeht. Und alles Bestreben, mit der geistigen Welt in einen Zusammenhang zu kommen, besteht darin, etwas hineinzuschauen in dieses Leben, das unter der Schwelle des gewöhnlichen Bewußtseins verläuft, das heißt durch eine Erweite­rung dieses Bewußtseins die Schwelle zu überschreiten und hinein-zuschauen eben in das, worin wir ja in der Wirklichkeit stehen, was wir aber nicht mit dem gewöhnlichen Bewußtsein überschauen. Und so sagte ich, daß eine gewisse verschiebbare Schwelle ist zwi­schen dem gewöhnlichen Bewußtsein und demjenigen, was - und das Wort hat ja für uns eine bestimmte Geltung - «unbewußt-bewußt» für den Menschen verläuft.

Ich hatte das letzte Mal ein sehr naheliegendes Beispiel an-geführt. Der Mensch nimmt sich des Morgens früh etwas vor, das er am Abend ausführen will. Er lebt sozusagen in dem Gedanken, daß er dies am Abend ausführen werde. Mittags passiert irgend etwas, was ihn verhindert, die Sache am Abend auszuführen. Für das gewöhnliche Bewußtsein liegt da vielleicht eines jener Ereig­nisse vor, die man einen Zufall nennt. Sieht man aber tiefer in das Menschenleben hinein, so entdeckt man in diesem sogenannten Zufall Weisheit, aber eben eine Weisheit, die unter der Schwelle des Bewußtseins liegt. Man kann eigentlich diese Weisheit mit dem gewöhnlichen Bewußtsein nicht durchschauen, aber man entdeckt in solchen Fällen sehr häufig, daß, wenn das Hindernis am Mittag nicht eingetreten wäre, der Mensch vielleicht in recht schlimme Lagen gebracht worden wäre dadurch, daß er am Abend das Be­treffende unternommen hätte. Ich sagte das letzte Mal, er hätte sich vielleicht am Abend ein Bein gebrochen oder dergleichen. Und sowie man dann den Zusammenhang hat, entdeckt man, daß Weis­heit liegt in dem ganzen Verlauf, daß die Seele selbst das Hinder­nis gesucht, herbeigeführt hat, aber mit Absichten, die unter der Schwelle des Bewußtseins liegen. Nun, das ist etwas, was ganz hart am gewöhnlichen Bewußtsein noch liegt, aber es weist hinunter in eine Region, der der Mensch angehört, der er angehört mit den ver­borgenen Teilen seines Wesens, die, nachdem er den physischen

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Leib abgelegt hat, durch die Pforte des Todes schreiten. Es gehört jenem waltenden Bewußtsein an, von dem wir im öffentlichen Vor­trag gesprochen haben als von einem Zuschauer unserer Willens-handlungen. Dieser Zuschauer ist wirklich immer da. Er lenkt und leitet uns, aber das gewöhnliche Bewußtsein weiß nichts von ihm. Vieles geht da vor, das sich zwischen die Ereignisse, die das gewöhn­liche Bewußtsein überschaut, hineinstellt. Und da bereitet sich, wie sich das Lebewesen im Ei vorbereitet, namentlich in alledem, was da zwischen die Ereignisse des Lebens sich hineinstellt, in dem, was unter der Schwelle unseres Bewußtseins vorgeht, dasjenige vor, was wir sein werden, wenn wir durch die Pforte des Todes geschrit­ten sind.

Nun müssen wir zusammenklingen lassen etwas, was wir in den letzten Betrachtungen vor unsere Seele geführt haben, mit mancher­lei, was uns noch wohlbekannt sein kann aus früheren Betrachtun­gen. Ich habe oftmals hingewiesen darauf, wie wichtig und wesent­lich für den Menschen, insofern er hier im physischen Bewußtsein steckt, das Gedächtnis ist, dieses Gedächtnis, das nicht zerrissen werden darf. Wir müssen bis zu einem gewissen Punkte unseres physischen Erlebens uns zurückerinnern, wenigstens zurückerinnern können, an den Zusammenhang unseres Lebens. Zerreißt dieser Zusammenhang, können wir an bestimmte Ereignisse uns nicht erinnern, so daß wir wenigstens das Bewußtsein haben, wir waren in der Zeit vorhanden, als diese Ereignisse da waren, so tritt eine bedenkliche Seelenkrankheit ein, auf die ich in den letzten Betrach­tungen hier hingewiesen habe. Dieses Erinnern, das gehört zu dem Erleben im physischen Bewußtsein hier. Aber dieses Erinnern ist zugleich in gewissem Sinne ein Schleier, der uns zudeckt diejenigen Ereignisse, die ich jetzt eigentlich meine und die hinter dem gewöhnlichen Bewußtsein stehen, die eben hinter jenem Schleier stehen, der von der fortlaufenden Erinnerung gewoben wird. Be­deuken Sie nur einmal: Wir sind zuerst ein Kind; da durchlaufen wir gewisse Bewußtseinszeiten, an die wir uns nicht zurückerinnern. Dann kommt der Zeitpunkt, bis zu dem wir uns immer im späteren Leben zurückerinnern können. Da ist eine geschlossene Erinnerungsreihe,

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da wissen wir unser Ich bis zu einem Zeitpunkt zurück­zuerfassen, der eben im zweiten, dritten, vierten Lebensjahr, bei manchen Menschen auch später, im gewöhnlichen Leben eintritt. Wenn wir so in uns zurückschauen, wenn wir in uns hineinschauen, dann trifft unser seelischer Blick zunächst auf diese Erinnerung, und insofern wir hier ein physischer Mensch sind, leben wir inner­lich eigentlich in diesen Erinnerungen. Wir könnten gar nicht von unserem Ich sprechen, wenn wir nicht in diesen Erinnerungen leben würden. Wer sich selbst betrachtet, erkennt dieses. Indem er in sich hineinschaut, schaut er eigentlich in den Umfang seiner Erinnerun­gen hinein. Er blickt also gleichsam auf das Tableau seiner Erin­nerungen. Wenn auch nicht alles in diesen Erinnerungen auftaucht, was wir erlebt haben, so wissen wir, es könnten Erinnerungen auf­tauchen bis zu dem charakterisierten Zeitpunkte hin, und wir müs­sen sogar voraussetzen, daß wir mit unserem Ich wirklich bewußt bei all diesen Erinnerungen dabeigewesen sind und Erinnerungen haben behalten können. Wäre das nicht, so wäre der Zusammen­hang unseres Ich zerstört und eine Seelenkrankheit eingetreten. Aber hinter dem, was wir da in der Erinnerung bemerken, liegt gerade dasjenige, was mit dem Geistesauge gesehen, mit dem Geistesohr gehört wird. So daß es richtig ist, was ich schon im öffentlichen Vortrage angeführt habe: Die Kraft, die wir sonst zur Erinnerung brauchen, die verwenden wir, wenn wir in die geistige Welt hineinschauen, eben zum Hineinschauen in die geistige Welt. Das bedingt nicht, daß man sein Gedächtnis verliert, wenn man sich das geistige Schauen erringt, aber es bedingt das, was ich charakterisiert habe im öffentlichen Vortrag, nämlich daß man nicht in derselben Weise erinnerungsmäßig lebt, nicht das, was man gei­stig erschaut, wirklich immer überblicken kann, sondern daß man es immer wieder und wiederum schauen muß und immer wieder aufs neue schauen muß.

Ich habe oftmals gesagt: Wenn jemand wirklich aus der geistigen Welt heraus einen Vortrag hält, so kann er ihn nicht aus der Erinne­rung heraus halten, wie man über etwas anderes redet, sondern es muß immer aus der geistigen Welt neu geschöpft werden, es muß

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dasjenige, was im Denken lebt, immer wieder erzeugt werden. Der Geist, die Seele müssen tätig sein, müssen immer wieder neu erzeu­gen in einem solchen Falle. Wenn der geistig Schauende wirklich in die geistige Welt hineinsieht, so wird ihm dasjenige, was ihm sonst der Schleier der Erinnerung ist, zu einem durchsichtigen Schleier, zu etwas, durch das er hindurchsieht. Er sieht gleichsam durch die Kraft, die ihm sonst die Erinnerung bildet, hindurch und sieht da in die geistige Welt hinein. Wenn man streng und energisch seine Übungen macht, so merkt man, daß, wenn man im gewöhnlichen Leben sein Denken braucht, indem man die Dinge, die Ereignisse der Welt auf sich wirken läßt, daß einen dann der Leib als ein physisches Instrument unterstützt, damit man die Dinge wirklich vorstellen kann; und dann bleibt die Vorstellung, unterstützt durch die Tätigkeit des physischen Leibes, als Erinnerung in uns. Wenn man in die geistige Welt hineinkommt, muß man immer tätig sein, um die Vorstellung immer von neuem hervorzurufen. Eine unaus-gesetzte Tätigkeit beginnt, wenn man an dem Punkte ankommt, den ich im öffentlichen Vortrag charakterisiert habe, wenn man nun warten kann, bis die Geheimnisse der geistigen Welt sich eröffnen. Aber man muß mittun! Wie, wenn man etwas zeichnet, man immerzu mittun muß, um etwas durch die Zeichnung auszu­drücken, so muß man, indem die geistige Welt sich enthüllt, die Imagination immer tätig miterzeugen. Sie erzeugt sich aus der objektiven Wirklichkeit heraus, aber man muß bei diesem Erzeugen der Vorstellungen dabei sein. Dann kommt man allerdings auf diese Weise zunächst hinein in etwas, was sich fortwährend abspielt mit dem Menschen, mit dem zwiefachen Menschen, den ich auch schon angedeutet habe, der in uns verborgen ist, der da lebt innerhalb unserer physischen Hülle und unter der Schwelle unseres gewöhn­lichen physischen Bewußtseins. An diesen Menschen knüpft man an. Da merkt man: Hier in der physischen Welt ist man so ver­knüpft mit der Welt, daß man auf einem festen Boden steht, so ver­knüpft, daß man andere Dinge der Außenwelt sieht, sich bewegt zwischen diesen anderen Dingen, daß man in ein gewisses Verhält­nis zu Menschen kommt, denen man dieses oder jenes tut, von

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denen einem das oder jenes angetan wird. In der fortlaufenden Auf­fassung desjenigen, was wir so entwickeln, liegt dieses Leben, das wir mit dem gewöhnlichen Bewußtsein umfassen. Aber es liegt ein anderes Leben dem zugrunde, eine Gesetzmäßigkeit, die wir mit diesem gewöhnlichen Bewußtsein nicht überschauen, in die wir aber hineingestellt sind, wenn wir vom Einschlafen bis zum Auf­wachen in unserem Ich und Astralleibe sind. Doch da ist unser Bewußtsein so herabgedämpft, daß wir mit den gewöhnlichen Sinnen nicht überschauen können, wie wir in einer Welt des Geistes stehen, die sich abspielt, die fortwährend um uns herum lebt, aber die sich hineinverwebt als ein Unsinnlich-Unsichtbares in das Sinn­lich-Sichtbare. Diese Welt müssen wir durchaus eben als eine gei­stige auffassen, wir müssen sie nicht denken gleichsam als ein Duplikat, als etwas bloß Feineres gegenüber der physisch-sinnlichen Welt, sondern wir müssen sie denken als ein Geistiges.

Nun habe ich ja öfters darauf aufmerksam gemacht, welches die Gründe sind, daß gerade in unserer Zeit herausgeholt werden muß aus dem Borne aller menschlichen Erkenntnis dasjenige, was sich also, wie wir es treiben, auf die geistige Welt bezieht. Wahrhaftig, nicht nur aus der Tatsache, daß da Geistesforscher auftreten, die über die geistige Welt zu erzählen haben, sondern aus dem ganzen Verlauf unseres Kulturlebens - ich habe von verschiedenen Ge­sichtspunkten darauf aufmerksam gemacht - ist zu ersehen, daß eine gewisse Sehnsucht der Menschen besteht, diese verborgene Seite des menschlichen Lebens wirklich an die Seelen herankom­men zu lassen, etwas von diesen verborgenen Seiten des Lebens zu wissen. Ich habe ja auch schon Erscheinungen im wissenschaft­lichen und im sonstigen Leben angeführt, die zeigen, wie diese Sehnsucht lebt in der Gegenwart.

Ich möchte heute in unsere Betrachtung ein ganz besonderes Beispiel einfügen, aus dem wir ersehen können, daß es schon Men­schen gibt in unserer Zeit, die gewissermaßen rühren an diese Ge­heimnisse des Daseins, die etwas ahnen und wissen von diesen Geheimnissen des Daseins, die aber eben nicht wollen, aus Grün­den, die ich nachher auch charakterisieren will, in der Weise eingehen

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auf diese Geheimnisse des Daseins, wie wir das durch unsere Geisteswissenschaft versuchen. Wenn man diese Dinge so bespricht, daß man sie gewissermaßen so ein wenig in der Schwebe läßt, daß man den Leuten auch die Türe offen läßt: Nun, ihr braucht ja die Sache nicht zu glauben, ihr braucht nicht darüber zu denken, daß das eine wirkliche Welt ist! - dann kommt man mit diesen Dingen leichter an die Menschen heran. Und davon gibt es in unserer Zeit viele Beispiele. Ich habe sie angeführt. Ich will heute ein besonderes Beispiel noch anführen, gerade in bezug auf dieses Kapitel. Ich will einfügen in diese Betrachtung einige Bemerkun­gen über eine wirklich außerordentlich bedeutsame Novelle aus der deutschen Literatur der jüngsten Vergangenheit, ich möchte sagen, über eine Perle der deutschen Novellistik. In dieser Novelle, sie heißt «Hofrat Eysenhardt», die wirklich eine der besten Novel­len ist, die wir innerhalb der neueren deutschen Literatur haben, wird in einer ganz außerordentlich wunderbaren Weise eine, nur eine einzige Persönlichkeit charakterisiert, nämlich der Hofrat Eysenhardt selber. Dieser Hofrat Eysenhardt, der in Wien lebt - es wird sehr genau angegeben, wann er geboren ist: «Dr. Franz Ritter von Eysenhardt war einige Jahre vor dem Ausbruch der Revolution von 1848 zu Wien geboren» - wird Jurist, später Vorsitzender des Landesgerichts; er wird einer der bedeutendsten Juristen seines Lan­des. Er ist gefürchtet bei denjenigen Menschen, die irgend etwas mit dem Gericht zu tun haben. Er ist beliebt bei denjenigen Menschen, die seine Vorgesetzten sind, denn er ist ein ganz ausgezeichneter Kri­minalist. Er hat eine Dialektik, die imstande ist, jeden zu verurtei­len, könnte man sagen, der nur irgendwie in seine Fangarme kommt. Er bringt jeden in ein Kreuzfeuer in den Verhören, und er weiß mit einer gewissen Anteillosigkeit am menschlichen Leben sein - man kann in diesem Falle sagen sein «Objekt» - zu peinigen, so daß es sich verstrickt in alle möglichen Fallen, die ihm eben gelegt werden. Dabei ist der Hofrat Eysenhardt, so äußerlich im Leben, ein ganz merkwürdiger Mensch. Er hat nicht viel Begabung, sein Menschlich-Seelisches an andere Menschen anzuschließen. Er ist für das menschliche Leben eine Art Einsiedler. Er gibt sehr viel

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darauf, in einer gewissen Weise korrekt und tadellos im äußeren Leben dazustehen. Er ist kurz angebunden jedem Untergebenen gegenüber. Er ist freundlich nicht nur, sondern tief höflich jedem Vorgesetzten gegenüber. Ja, ich könnte Ihnen noch viele Eigen­schaften anführen; er ist das Muster eines Hofrates. Nun wollen wir nicht auf diese sonstigen Eigenschaften eingehen - diese sind zum Beispiel wunderbar geschildert im Spiegel einer Erzählung eines seiner Untergebenen in der Novelle -, wir wollen aber gleich hinweisen darauf, daß er einmal ausersehen war, einen bedeutungs-vollen Prozeß zu führen gegen einen merkwürdigen Menschen, der Markus Freund heißt. Dieser Markus Freund hatte für ähnliche Vergehen geringerer Art als dasjenige, dessen er jetzt angeklagt war, schon Vorstrafen auf sich. Es stellte sich aber für den Unter­suchungsrichter, der die Voruntersuchung machte, diesmal gar nicht die Möglichkeit heraus, es zu einer Verurteilung zu bringen. Aber der Hofrat Eysenhardt brachte es zu einer Verurteilung. Und in einem Schriftstück, das dann der Hofrat selber verfaßte, zu einem Zweck, den ich Ihnen gleich nennen werde, schildert er dann selber die Art und Weise, wie sich jener Markus Freund benommen hat während oder namentlich nach der Verurteilung. Also, ich will nur die Stelle lesen, wie sich der Markus Freund bei der Verurteilung benommen hatte:

«Sonst hatte dieser Mann, der überhaupt den für seine Rasse so charakteristischen Familiensinn besaß, eine ganz besondere Zärt­lichkeit für eine jüngst geborene Enkelin, von der mit den Zellen-genossen zu sprechen er nicht müde ward. Er konnte seine Freilas­sung, auf welche, obwohl schwerste Verdachtmomente gegen ihn vorlagen, er mit Sicherheit zu rechnen sich den Anschein gab, kaum erwarten, um das Kind wiederzusehen. Markus Freund leug­nete hartnäckig und wußte in den Verhören vor dem Unter­suchungsrichter jeden der ihn belastenden schwerwiegenden Um­stände mit wahrhaft verblüffendem Scharfsinn so aufzuklären, daß der Untersuchungsrichter, ein sonst sehr tüchtiger, wenn auch über Gebühr weichherziger Mann, von Markus Freunds Unschuld voll­kommen überzeugt war, als die Schlußverhandiung begann, deren

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Vorsitz die Person führte, auf welche diese Information sich be­zieht. » - Der Hofrat Eysenhardt schreibt das selber, er schreibt in der dritten Person von sich. - «Obwohl Markus Freund auch in der Schlußverhandlung das Äußerste an Scharfsinn leistete und sein Verteidiger eine sehr schöne und rührende, von den Zeitungen nach Gebühr gepriesene Rede hielt, war der Ausgang des Prozesses doch dem vom Untersuchungsrichter und vielleicht vom Angeklagten selbst erwarteten genau entgegengesetzt Herr Markus Freund wurde von den Geschworenen einstimmig schuldig gesprochen und, da mehrere Vorstrafen und andere erschwerende Umstände vorlagen, zum höchsten Strafsatz von zwanzig Jahren schweren Kerkers verurteilt. Besagte Person> - also die besagte Person ist dieser Hofrat Eysenhardt selber, - #SE157-387

hervorgestoßen wurden, hier zu wiederholen, mit der Würde der Justiz kaum im Einklang stünde. Nur der erste Satz: sei erwähnt und der letzte: Was dazwischen lag, war überaus phantastischen Inhaltes und schien, wofern es überhaupt einen Sinn hatte, darauf hinauszulau­fen, er, Markus Freund, habe den hohen Herrn Präsidenten bis auf die Nieren mit seinem Auge geprüft und gefunden, daß der hohe Herr Präsident, wenn er es auch jetzt noch nicht ahne, von einerlei Art sei wie er, der zertretene, aber diesmal unschuldige Markus Freund. Die Justizsoldaten taten alsbald ihre Pflicht, bändigten den Rasenden, dem der Präsident auf der Stelle wegen seines Exzesses die verdiente Disziplinarstrafe zuerkannte. Während die Soldaten, jeder einen der beiden fuchtelnden Arme festhaltend, den Ver­urteilten wegführten, schlug sein Wüten in Weinen und Schluch­zen um. Noch auf dem Korridor vernahm man sein hohles Ge­wimmer: Die Herren Geschworenen waren durch diesen Vor­fall ganz konsterniert und frugen durch ihren Obmann beim Präsi­denten an, ob es nicht möglich sei, die Verhandlung sogleich wieder aufzunehmen. Sie hatten, bei mangelnder Gesetzeskenntnis, eben nicht genugsam Erfahrung, um zu wissen, daß derlei Ausbrüche häufiger bei sehr verstockten schuldigen Verbrechern vorkommen als bei unschuldig Verurteilten, die jedoch viel seltener sind als die romanhafte Phantasie des Publikums sich einbildet. Minder ent­schuldbar dürfte es sein, daß der oben erwähnte weichherzige Untersuchungsrichter, welcher der Schlußverhandlung nebst ihrem widerwärtigen Nachspiel beigewohnt hatte, zum Vorsitzenden beim Hinausgehen, leise den Kopf schüttelnd, die Worte zu sprechen sich herausnahm: Nun war also der Markus Freund eingesperrt worden, und der Hofrat lebte zunächst weiter. Aber wie er weiterlebte und was nun geschah, das erzählt er nun auch in seiner Auseinandersetzung. Lange Zeit also, müssen wir uns vorstellen, ziemlich lange Zeit

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ist verflossen, und der Gefangene war festgesetzt worden. Nun geschah das Folgende:

«Ganz so wie die in Rede stehende Person» - also das ist der Hofrat selber, der das weiter erzählt - « in jenem Augenblicke ihn gesehen hatte, als er jene Flüche und Drohungen mit vor Wut ent­stelltem Gesicht gegen sie ausstieß, ganz so stand, als sie in der Nacht vom 18. auf den 19. März um zwei Uhr plötzlich unmotiviert auf­wachte, der längst vergessene Markus Freund vor ihren Gedanken. »

Also der Hofrat wacht in der Nacht vom 18. auf den 19. März um zwei Uhr nachts plötzlich auf und hat den Eindruck, im Ge­danken stünde ihm der Markus Freund vor der Seele.

«Und während besagte Person im Starrkrampf regungslos dalag, rekapitulierte ihre Phantasie blitzschnell das oben ausführlich Er­zählte. Sie war sich dabei nicht deutlich bewußt, ob sie in den dazwischenliegenden Jahren niemals oder immer an diese Ereig­nisse gedacht hatte. Beides erschien ihr richtig in jenem Moment, da das Entsetzen ihr die Denkkraft lähmte. »

Also, er wacht auf, Hofrat Eysenhardt, mitten aus dem Schlafe heraus, muß an den Markus Freund denken, muß sich rekapitulie­ren dasjenige, was sich abgespielt hat, weiß nicht, ob er öfter oder gar nicht an die Sache gedacht hatte.

«Während gedachte Person so mit klopfenden Pulsen lag, und ihre alsbald auftauchende Absicht, das Licht auf dem Nachttisch an­zuzünden, nicht auszuführen vermochte» - also er konnte die Hände nicht bewegen -, «war ihr, als poche etwas ganz leise an die Zim­mertüre, oder vielmehr, es war mehr ein zaghaftes Scharren, als ob ein Hündchen um Einlaß bettele. Unwillkürlich stieß gedachte Person die Frage hervor: Wer ist da? Weder erfolgte eine Antwort, noch öffnete sich die Türe, aber gedachte Person hatte doch die deutliche Empfindung, als sei etwas hereingeschlüpft, und ein schwaches Knistern ging durch die Parketten, quer durch das Zim­mer von der Türe zum Bett, als ob dieses unsichtbare Etwas näher käme und endlich dicht bei gedachter Person stehen bliebe. Wenig­stens hatte diese das nicht genauer beschreibbare Gefühl fremder Anwesenheit, und zwar nicht etwa ein allgemeines, nicht bestimmt

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individualisiertes, sondern ihr war, als müsse das Etwas, das neben ihrem Bette stand, eben jener Markus Freund sein, dessen plötz­lich aufzuckendes Erinnerungsbild sie soeben aus tiefem Schlafe aufgerissen hatte. Sie hatte sogar die Empfindung, als beuge sich das unsichtbare Etwas über ihr Gesicht. Sei es nun, daß gedachte Person inzwischen, ohne sich dessen bewußt zu sein, wieder ein­zuschlafen begonnen hatte und schon träumte, wobei bekanntlich nicht selten die Menschen, von denen man träumt, ineinander, ja sogar mit dem Träumenden selbst verschwimmen, sei es, daß ge­wisse überspannte Ideen Schopenhauers über die geheime Identität aller Individuen als Nachwirkung der Abendlektüre der letzten Tage sich in ihr regten, jedenfalls zuckte gedachter Person der sinnlose Gedanke durch den Kopf, daß sie selbst und jener Markus Freund im Grunde doch der nämliche Mensch sei, und wie zur Bestätigung dieser unsinnigen, jeder Logik widersprechenden An. nahme wiederholte sie, ob nur rein innerlich oder hörbar und mit Bewegung ihrer Sprechorgane, weiß sie nicht, die oben zitierten Flüche und Drohungen jenes Markus Freund, so weit wie sie ihr noch erinnerlich waren, und zwar mit dem Entsetzen erregenden Gefühl, daß jene Flüche eben jetzt einzutreffen begonnen hätten. Falls gedachte Person, was nicht unmöglich ist, geschlafen und geträumt haben sollte, wachte sie unter diesem fürchterlichen Ein­druck wieder auf und zündete das Licht an. Die Taschenuhr auf dem Nachtkästchen zeigte zehn Minuten nach zwei Uhr. Im Zim­mer war alles wie sonst, obwohl Möbel, Wände und Bilder gedach­ter Person wie fremd erschienen und sie einiger Zeit und eines Trunkes Wasser bedurfte, um sich wieder einigermaßen in dem sie umgebenden Raum und in sich selbst zurechtzufinden.>

Also das erzählt er. Er erzählt: Zuerst im Gedanken hat er den Markus Freund vor sich. Dann hat er diese - sagen wir, diese Vision. Nun ließ aber das, so erzählt er weiter, einigen Eindruck in ihm zurück, einen Eindruck, der ihn zunächst veranlaßte, den Hof­rat Eysenhardt, etwas bebend in das Landesgericht zu gehen und sich vorzunehmen, sich die Akten, die sich auf den Markus Freund beziehen sollten, noch einmal geben zu lassen. Er kam nie recht

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dazu. Aber es geschah etwas anderes. Hofrat Eysenhardt ist eigent­lich immer ein ganz freigeistig gesinnter Mensch gewesen. Er erzählt nur, daß ihm dies passiert ist. Wir werden gleich sehen, warum er das erzählt. Ja, er findet es sogar etwas lächerlich und unwürdig, daß er etwas darauf gegeben hat:

«Umsonst hielt sich gedachte Person das Unwürdige und Lächer­liche ihres Betragens vor. Ihre vormals eiserne Willenskraft war und blieb in dieser Hinsicht wie gelähmt. Sie reichte kaum mehr aus, um die inneren Mattern, die sie mit sich herumtrug, den Kol­legen und Untergebenen wenigstens einigermaßen zu verhehlen. Eines Vormittags glaubte gedachte Person aus einer Gruppe von richterlichen Funktionären, die in einem dunklen Korridor in leb­haftem Gespräch beisammenstanden, im Vorbeigehen den Namen zu vernehmen.»

Also, er war eines Tages in das Landesgericht gegangen - er hatte sich eigentlich nie getraut, diese Akten wieder vorzuneh­men - und er hört, daß im Korridor einige Leute sprechen, und im Vorbeigehen hört er den Namen Markus Freund.

«Da dieser Mensch und dieser Name ihr allmählig zur Zwangs­idee geworden war, die ihr nirgends und niemals Ruhe ließ, hielt sie eine Selbsttäuschung für nicht ausgeschlossen» - also er glaubt sogar, er höre durch eine Selbsttäuschung den Namen Markus Freund -, «blieb stehen und fragte: antwortete einer der Herren, der zufällig der weichherzige Untersuchungsrichter war, welcher damals jene übereilte Äußerung getan hatte. Gedachter Person stand der Atem still. , antwortete der Weichherzige. , sagte der Gefragte. , sagte der Landesgerichtsrat.»

Also, es wird uns erzählt: Hofrat Eysenhardt hatte den Markus Freund verurteilt. Er war längst eingesperrt. In der Nacht vom

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18. auf den 19. März wacht er auf, hat ihn in Gedanken zuerst vor sich, hat dann die Vision seines Eintretens, bekommt eine heillose Angst, will sich die Akten geben lassen, läßt aber Wochen darüber vergehen. Endlich erlauscht er ein Gespräch, wodurch er erfährt, daß Markus Freund in derselben Minute gestorben ist, wo ihm erscheint, zuerst wie sich einschleichend wie ein Pudelchen, der verstorbene Markus Freund. Nun, um das Ganze zu verstehen, muß man zu dem schon Gesagten hinzunehmen den Schluß der Novelle. Denn der Schluß der Novelle zeigt, daß nun der Hofrat durch die Verhältnisse getrieben wird, und zwar durch Verhältnisse, von denen man gar nicht voraussetzen sollte, daß er dazu getrieben werden könnte -, daß er dazu getrieben wird, gerade als Vorsit­zender eines ganz besonders wichtigen Spionageprozesses, in Zu­sammenhang zu kommen mit Persönlichkeiten, in welchem Zusam­menhange er, durch einen dunklen Instinkt geleitet, genau das Verbrechen begeht, wegen dessen er Markus Freund verurteilt hat. Er hatte also, als er durch seine Leidenschaftlichkeit später in dieses Verbrechen hereingerissen, dieses Verbrechen hinter sich hatte, Ge­legenheit, sich jetzt in ganz besonderer Weise zu erinnern an das­jenige, was der Markus Freund gesprochen hat nach seiner Ver­urteilung, «Es wird Ihnen heimgezahlt werden, Auge um Auge, warten Sie nur. Auge um Auge wird es Ihnen heimgezahlt wer­den! »

Der Hofrat hatte also unter der Schwelle des Bewußtseins etwas erlebt, was zusammenhängt in der genugsam angedeuteten Weise mit seinen Handlungen in der vorhergehenden Zeit, was aber auch in einer merkwürdig geheimnisvollen Weise zusammenhängt mit der Erfüllung desjenigen, was der Verstorbene ihm angedroht hat. Ja, es hängt in einer noch tieferen Weise zusammen. Derjenige, der die Novelle geschrieben hat, schreibt in der Ichform, so, als ob ihm mancherlei erzählt worden wäre von diesem Hofrat Eysen­hardt, und er erzählt, wie er ein Gespräch gehabt hat mit einem Untergebenen - es wurde das schon früher in dieser Novelle vor-geführt. Dieser Untergebene ist ein merkwürdig scharfsinniger, philosophisch angelegter Mensch, er sagt: Dieser Hofrat ist gerade

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deshalb so begabt, auf den Grund der Dinge zu gehen, weil er zu all diesen Dingen selber viel Anlage hat; und da dringt er am allertiefsten, wozu er seine besonderen Anlagen hat. Das wird in der Novelle erzählt. Nun ist interessant, daß ja der Gedanke auf­taucht im Hofrat, in dieser Nacht um zwei Uhr, vom 18. auf den 19. März: Du bist so etwas wie eine Einheit mit diesem Markus Freund. Diese Einheit, dieses Zusammenstecken der Bewußtseine, das kommt ihm da vor die Seele, er hat einen Durchblick auf einen Zusammenhang, der unter der Schwelle des gewöhnlichen Lebens liegt. Der wird ihm eröffnet. Er wird ihm selbstverständlich nicht eröffnet, wie er jedem eröffnet wird, aber er wird ihm eröffnet.

Nun ist interessant, daß der Dichter dieser Novelle alle Bau­steine zusammengetragen hat, um die Handlung verständlich zu machen. Und da müssen wir denn auch noch vor unsere Seele stel­len dasjenige, was der Dichter anführt als vorangehend dieser Vision in der Nacht, die der Hofrat hatte. Der Hofrat war eigent­lich ein robuster Mann. Wie gesagt, viele Eigenschaften ließen sich anführen, die ihn zeigen würden als einen zwar sich nicht seelisch ins Leben hineinfindenden Menschen, aber als einen Men­schen, der mit einer gewissen Brutalität seinen Weg geht, und dem lag auch eine gewisse innere Gesundheit zugrunde. Nur wie durch ein äußeres Symptom wurde der Mann, der nie an sich irre gewor­den war, der immer von sich überzeugt war, an sich irre. Er ent­deckte nämlich, daß ein Zahn locker geworden war und daß er ihn einfach mit den Fingern herausnehmen konnte. Da ging ihm der Gedanke durch den Kopf: Jetzt geht es abwärts mit dem Leben; jetzt fängt etwas an, abzubauen. Und der Gedanke ging ihm durch den Kopf: So verlierst du also Stück für Stück von deinem Organis­mus. Aber das wäre nicht das Schlimme gewesen, sondern das Schlimme war, daß er von diesem Augenblicke an - er merkte das nur nicht so - spintisierte über seinen eigenen Abbau, wie er nun wiederum in seinem eigenen Brief schreibt, wo er sich wie eine dritte Person beschreibt -, das Schlimme war, daß sein Gedächtnis zurückging. Und weil ihm sein Gedächtnis eine solche Hilfe war bei allen Berufsarbeiten, die er in solcher Weise ausüben mußte

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und ausgeübt hatte, so bekam er eine gewisse Angst vor dem Leben. Und er merkte wirklich, wie er sich an gewisse Dinge nicht mehr erinnern konnte, an die er früher sich so leicht erinnert hatte, wie er früher alles so beisammen hatte.

Denken Sie, wie interessant es ist, daß der Novellist zusammen­bringt diese Möglichkeit, ein ganz partielles Hellsehen zu haben, mit dem Herabgehen des Gedächtnisses! Dann wird das Gedächt­nis wieder besser. Und dann kommt er dazu, dieses aufzuschreiben. Und er erinnert sich: Du warst so. Als Freigeist kann er nichts anderes denken, als daß das ganz krankhafte Erscheinungen seien. Na, und da denkt er sich: Ich bin ja eigentlich vor der Gefahr, ver­rückt zu werden. Das liegt ja natürlich in der Natur des Freigeistes. Und er schämt sich, da jemand um Rat zu fragen. Deshalb will er seine Stellung dazu benützen, um in der dritten Person zu schrei­ben und es dann als ein Dokument, bei dem man nicht weiß, wer es ist, irgendeinem Irrenarzt vorzulegen, der ihm ein Urteil über diese gedachte Person gibt. Auf diese Weise will er herausbekom­men, was der Irrenarzt denkt. Und dadurch kommt es heraus; dieses Dokument benützt der Novellist, um über das Seelenleben dieses Menschen etwas mitzuteilen.

Sie sehen, wir haben hier ein sehr schönes künstlerisches Pro­dukt, das im Grunde wirklich auf solche Elemente hinweist, von denen man sprechen muß in der Geisteswissenschaft, gerade auf diejenigen Elemente, auf die man aus dem Zusammenhang zwi­schen dem Gedächtnis, zwischen der Erinnerungsfähigkeit und diesem Hineinschauen in die geistigen Welten, zu sprechen kommt. Sehr schön macht das der Novellist, daß er das Gedächtnis herabgestimmt sein läßt in dem Augenblick, wo dann einige Fetzen, möchte man sagen, über diese geheimnisvollen Zusammenhänge hervorkommen für den Betreffenden. Und merkwürdig, sehr merk­würdig ist die ganze Erzählung, indem sie Stück für Stück so ver-faßt ist, daß man sieht, der Autor sagt sich: Es gibt solche Zusam­menhänge hinter dem Leben. Aber er kleidet es in novellistische Form. Die Novelle ist sehr feinsinnig geschrieben, wie sie nur ein philosophischer Geist schreiben kann. Sie ist geschrieben von

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dem langjährigen Direktor des Hamburger Schauspielhauses, der dann Direktor des Wiener Burgtheaters wurde, Alfred Freiherr von Berger. Die Novelle gehört tatsächlich nicht nur zu dem weit­aus Besten, was Berger geschrieben hat, sondern sie gehört wirk­lich zu den Perlen der deutschen novellistischen Literatur. Das sage ich selbstverständlich nicht aus dem Grunde, weil diese No­velle ein Thema enthält, das uns naheliegt, sondern aus dem Grunde, weil wirklich nur ein feinsinniger Mensch eine so fein-sinnige Beobachtung haben kann in einer scheinbar abnormen Sache. Rein vom künstlerischen Gesichtspunkte aus meine ich das­jenige, was ich über den Wert der Novelle sage. Diese Novelle ist wirklich so geschrieben, daß jeder, der sie liest, das Bewußtsein hat: Der Mann schreibt eine Novelle, aber er möchte eigentlich lieber eine Biographie des Hofrates Eysenhardt schreiben, denn er schreibt wirklich so, daß man nie ein anderes Gefühl bekommt, wenn man diese wunderbar realistische Schilderung liest, als daß der gute Berger einen Mann kennenlernte, der wirklich einen solchen Verlauf seines Lebens hatte. Nun muß man sagen: Wie nahe liegt einem Menschen, wie diesem Alfred Freiherr von Berger, wie nahe liegt es ihm, an die geistige Welt heranzutreten, durch Geisteswissenschaft wirklich diese Zusammenhänge kennenzuler­nen! Wie unendlich bedeutungsvoll müßte es für diesen Berger gewesen sein, die Geisteswissenschaft so kennenzulernen, daß er sich zum Beispiel hätte sagen können: Dieser Hofrat, indem er den Markus Freund wie durchleuchtet und in diesem Falle unschuldig verurteilt hat, wie wird er nun zu leben haben in der Zeit, die unmittelbar folgt auf das Durchgehen durch die Pforte des Todes, in dem, was wir das Kamaloka immer genannt haben? Ich habe gesagt: Da muß der Mensch leben in der Wirkung seiner Taten, in dem, was die Taten für eine Bedeutung haben in dem anderen, in bezug auf welchen sie ausgeführt werden. Was der Hofrat bei der Gerichtsverhandlung getan hat, daran hat er gewiß seine un­geheure Befriedigung gehabt, gerade an seiner großen Dialektik. Er hat seine große Befriedigung gehabt, die sich ja ausdrückte in dem Satze, daß er sagte: Er könne sich zum Verdienst anrechnen,

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gegen die Sophismen des Angeklagten aufgekommen zu sein und zugleich eine Sprache gesprochen zu haben, die die Geschworenen zur Verurteilung gebracht hat, trotzdem sie gleich hinterher die Gerichtsverhandlung wieder aufgenommen hätten, als sie die Wir­kung des Urteilsspruches auf den Angeklagten sahen. Das ist das eine, von seiten des Hofrates angesehen. Von seiten des Markus Freund angesehen liegt die Sache so, daß wir sagen müssen: Wir sehen die Wirkung des Urteilsspruches auf ihn. In dem muß ja - in dem, was Wirkung auf die Seele des Markus Freund war -, der Hofrat im Kamaloka leben. Und ein Spiegelbild, ein Bild hiervon, eröffnet sich eben in dem Augenblick, wo Markus Freund durch die Pforte des Todes schreitet. So eröffnet sich ihm dieses Bild, daß er jetzt sieht: Er ist identisch, er ist eins mit diesem Markus Freund; er sieht sich in diesen Markus Freund hinein, er fühlt sich in ihn hinein. Wir sehen: einen Vorgeschmack des Kamaloka hat der Hofrat. Er hat ihn so stark, daß er nicht nur dasjenige, was da vor­gegangen ist, jetzt erlebt, sondern daß sich in ihm nun weiter etwas anspinnt, was mit der ganzen Sache zusammenhängt, unter der Schwelle seines Bewußtseins. Jeder einzelne Zug ist da von Bedeu­tung. Ich sagte Ihnen, er hat das Gedächtnis eine Weile verloren gehabt, da hat sich ihm dieser Fetzen der geistigen Welt enthüllt Aber jetzt kommt eine Zeit, wo er neuerdings mit einer großen natürlichen Gedächtniskraft ausgestattet ist; das Gedächtnis ist bei ihm wieder hergestellt, während er diesen Spionageprozeß führt. Aber gerade im Verlauf dieses Spionageprozesses wird er zu dem gleichen Verbrechen getrieben, wegen dem er den Markus Freund verurteilte durch seine Dialektik. Die Kraft, die früher aus dem Gedächtnis hervorging, hat sich verwandelt in die Kraft der In­stinkte, und er wird jetzt getrieben. Er sieht jetzt nicht den Zusam­menhang, der sich wiederum unter der Schwelle des Bewußtseins abspielt zwischen dem, was er jetzt tut, und demjenigen, was er Markus Freund zugeschrieben hat. Das führt dazu, daß der Hofrat Eysenhardt, als er sieht, was ihm passiert ist, dann gerade an dem Abend, der vorangeht der Schlußverhandlung des Prozesses, in dem er seinen höchsten Triumph feiern sollte, in sein Büro geht:

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«In seinem Büro angekommen, dessen Schlüssel er bei sich trug, zündete Eysenhardt die zwei Kerzen auf dem Schreibtisch an, wusch sich vorerst Hände, Gesicht und Haar, dann vertauschte er seinen Zivilanzug mit seiner Amtsuniform und ging längere Zeit auf und ab. Hierauf öffnete er die oberste Seitenlade seines Schreibtisches und entnahm ihr nebst einem Päckchen Patronen einen neuen Revolver, den er wahrscheinlich in der ärgsten Zeit seiner Nerven-zerrüttung gekauft hatte. Er lud sorgfältig alle Kammern, dann holte er aus dem Papierschrank einen Bogen Amtspapier und schrieb:

Im Namen seiner Majestät des Kaisers!

Ich habe ein schweres Verbrechen begangen und fühle mich unwürdig, fürderhin mein Amt auszuüben und überhaupt weiter zu leben. Ich habe selbst die härteste Strafe über mich verhängt und werde sie in der nächsten Minute mit eigener Hand an mir

vollstrecken. Eysenhardt

Wien, am 10. Juni 1901.

Schrift und Unterschrift verriet keine Spur auch nur leisesten Zitterns. »

Am nächsten Morgen wurde er tot aufgefunden.

Es ist ein ganz merkwürdiger Zusammenhang in der Novelle geschildert, und wir müssen sagen, daß der Verfasser ganz geeignet gewesen wäre, einzusehen, welcher Zusammenhang besteht zwi­schen dem, was sich hier im gewöhnlichen Bewußtsein abspielt, und demjenigen, was unter der Schwelle des Bewußtseins vorgeht, das heißt die geistigen Ereignisse zu sehen, in die der Mensch hineinverstrickt ist. Nicht wahr, von außen sieht man eben nur das, was in der physischen Welt geschehen ist: daß der Hofrat den Markus Freund verurteilt hat und so weiter. Wäre das nicht pas­siert gerade in dem Alter, in dem der Hofrat also brüchig werden konnte und das Gedächtnis verlor, so hätte er nicht diesen Fetzen der geistigen Welt gesehen. Er hätte sich ihm nicht erschlossen. Da

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wäre alles unterbewußt geblieben. Gerade eine solche Novelle wird ja sozusagen von dem Gesichtspunkte aus in die Welt geschickt: Ja, es gibt etwas hinter dem Leben, und es drängt sich in beson­deren Fällen sehr klar auf. Aber will man den Menschen in kon­kreter Weise davon sprechen, dann ist ihnen das unangenehm. An solche Realität wirklich heranzutreten, ist ihnen unangenehm. Also erzählt man es ihnen als Novelle, da brauchen sie nicht daran zu glauben, da können sie sich dabei amüsieren; dann geht es.

Dasjenige, meine lieben Freunde, was die Menschen abhält von der geistigen Welt, das ist nun auch etwas, was sie nicht kennen. Nach zwei Richtungen hin geht ja sozusagen der Weg in die gei­stige Welt hinein. Nach der einen Richtung hin, indem wir, ich möchte sagen, den Schleier der Natur durchstoßen und aufsuchen dasjenige, was hinter den Erscheinungen der äußeren Natur liegt. Und nach der anderen Seite, indem wir den Schleier des eigenen Seelenlebens durchstoßen und suchen, was hinter dem eigenen Seelenleben liegt. Die gewöhnlichen Philosophien, die suchen ge­wiß auch hinter die Gründe des Daseins zu kommen, suchen die Weltenrätsel zu lösen. Aber, wie machen sie das? Nun, sie beobach­ten die Natur entweder unmittelbar oder durch Experimente, und dann denken sie nach. Aber indem man diese Begriffe, die man sich durch dieses Wissen aus der Natur erworben hat, durchein­anderpuddelt, und immer wieder und wiederum durcheinander­puddelt, und bald so, bald so verschränkt, kommt man zwar zü einer Philosophie, aber zu nichts, was mit der wahren Wirklichkeit draußen zusammenhängt. Durch Nachdenken desjenigen, was sich einem darbietet, kommt man nie hinter den Schleier des Daseins. Ich habe es im öffentlichen Vortrag dargestellt: Dasjenige, was unsere ewigen Kräfte sind, das ist tätig, indem es uns erst das Werkzeug herstellt, und mit dem Werkzeug kominen wir zu dem, was uns das bloße Bewußtsein gibt. Ja, aber wenn wir uns so das gewöhnliche Bewußtsein bilden, so müssen wir das Werkzeug benützen. Wenn wir dann in die Erfahrung des gewöhnlichen Bewußtseins eintreten, da ist alles schon fertig, was die ewigen Kräfte in uns machen. Nicht durch Nachdenken kommen wir hinter

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die Geheimnisse der Natur, sondern auf eine ganz andere Weise. Wenn wir durch Meditation, wie ich es im öffentlichen Vortrag beschrieben habe, dahin kommen, daß wir uns im Denken erstar­ken und daß uns dann wie durch Gnade entgegenkommt die Offen­barung der geistigen Welt, dann schauen wir ganz anders die Natur an. 0, ganz anders! Und auch das Menschenleben schauen wir ganz anders an. Dann treten wir vor diese Natur auch hin, und irgend­einen Vorgang oder ein Ding oder ein Ereignis, das uns entgegen­tritt, das fassen wir auf. Aber wir haben zugleich das Bewußtsein: Bevor du eigentlich die Rose angeschaut hast, ist schon etwas ge­schehen. Du siehst ja erst die Vorstellung, die Wahrnehmung, aber die Wahrnehmung hat sich erst gebildet. Darin steckt das Geistige, in dem Wahrnehmen; darin steckt die Erinnerung, die Erinnerung an ein Vordenken. Darin liegt das Geheimnis, auf das man kommt durch die Geistesforschung.

Nicht wahr, der Philosoph schaut die Rose an; dann philoso­phiert er durch Nachdenken. Derjenige, der hinter das Geheimnis der Rose kommen will, darf nicht nachdenken; da geschieht doch nichts. Sondern er schaut die Rose an und wird sich bewußt: Bevor sie ihm überhaupt zum sinnlichen Bewußtsein kommt, hat sich schon ein Prozeß abgespielt. Das erscheint ihm wie eine - ja, wie eine Erinnerung, die dem Anschauen vorangegangen ist. Dieses, daß sich uns etwas wie Erinnerung ergibt, wovon wir wissen: Das hast du getan, bevor du die sinnliche Anschauung gehabt hast -, das in bezug auf die äußere Natur Vordenken, das unbe­wußt bleibt und das dann heraufgeholt wird wie eine Erinnerung: das ist es, worauf es ankommt. Durch kein Nachdenken kommt man hinter die Geheimnisse der Natur, sondern durch Vordenken. Ebensowenig kommt man hinter die Geheimnisse desjenigen, was Inhalt der Seele ist, anders, als daß man zu jenem Zuschauer, von dem ich gesprochen habe, wirklich hinkommt. Sehen Sie, das sind die Wege, durch die wir heute in die geistige Welt hinein-dringen können.

Wenn Sie sich erinnern, daß in der Novelle dem Hofrat Eysen­hardt gerade ein Fetzen der geistigen Welt zur Anschauung kommt,

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nachdem er den Abbau an sich wahrgenommen hat, so werden Sie darin eine eigentümliche Illustrierung finden desjenigen, was ich vorgetragen habe: Wenn man durch die Übung des Denkens dahin kommt, daß das Denken so weit erkraftet ist, daß man die geistige Welt sehen kann, dann kommt man zunächst auch in den Abbau hinein, in dasjenige, was mit dem Tode zusammenhängt. Die Mysti­ker aller Zeiten haben es ausgedrückt dadurch, daß sie sagten: «An die Pforte des Todes herankommen», das heißt an alles dasjenige, was sich im Menschenleben als Abbauendes darstellt. Und so kom­rnen wir also darauf, wenn wir wirklich die Meditation bis zu dem Punkte getrieben haben, daß wir das Initiations-Ereignis erlangt haben: Du stehst an der Pforte des Todes; du weißt, da ist an dir etwas, was seit deiner Geburt oder Empfängnis an dir waltet, das sich dann zusammensummiert und zur Erscheinung des Todes, zur Wegnehmung des physischen Leibes wird. Da sagt man sich: Aber das alles, was zum Tode führt, es ist herausgegangen aus der gei­stigen Welt. Was aus der geistigen Welt herausgegangen ist, es hat sich vereinigt mit dem, was durch die Vererbungssubstanz gekom­men ist Wir sehen den Menschen hier in der physischen Welt ste­hen und sagen uns: Was uns in seinem Antlitz entgegentritt, was uns durch seine Worte spricht, alles, was er als physischer Mensch tut, es ist der Ausdruck desjenigen, was sich durch seinen letzten Tod und durch seine letzte Geburt vorbereitet hat in der geistigen Welt. Da lebt sein Seelisches drinnen. Aber wir können aus dem ganzen Sinn der Auseinandersetzung entnehmen: Das, was von der Menschenseele lebt zwischen Tod und neuer Geburt, das zieht die Kräfte an aus der geistigen Welt, um in dieser Inkarnation zwi­schen Geburt und Tod an dem Menschen zu bilden, etwas zu bil­den, was eben der Mensch ist. Und dann ist das wirklich so - wenn Sie sich erinnern, wie ich das im öffentlichen Vortrag dargestellt habe -: Indem in der Meditation im Denken der Wille erkraftet wird, kann erlebt werden, wie sich der Keim entwickelt, der nun wiederum durch die Pforte des Todes geht und sich vorbereitet in der geistigen Welt zu einer weiteren Inkarnation, so daß im Men­schen dieser ewige Bildungsprozeß ist: Aus der geistigen Welt

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kommt heraus das Seelisch-Geistige, bildet sich diesen Menschen hier. In diesem Menschen entsteht, anfangs wie ein Punkt, das­jenige, was nun hier im Leben als der Keim entsteht, der wiederum durch die Pforte des Todes geht, um gleichsam die Entwickelung fortzusetzen. So daß, wenn wir den Menschen hier haben, das sich wirklich so zeigt: Wie er vor uns steht, so ist er aus der geistigen Welt heraus als Mensch geschaffen. Mit dem, was die Eltern geben können, vereinigte sich das, was aus der geistigen Welt heraus kam. Solange er in der geistigen Welt war, war er inmitten der geistigen Mächte, so wie er hier inmitten der Naturkräfte ist im physischen Leibe. Er war inmitten der geistigen Mächte, mit denen zusammen er sich vorbereitete auf diese Inkarnation. Es ist wirklich so, wenn wir den Menschen vor uns sehen in einer Inkarnation, wie ich es im zweiten Mysteriendrama, in «Die Prüfung der Seele» dargestellt habe: Ganze Götterwelten wirken, um den Menschen darzustellen; zwischen dem Tod und einer neuen Geburt wirken geistige Kräfte, um den Menschen in das Dasein hineinzustellen. Dieser Mensch hier ist das Ziel gewisser geistiger Kräfte, die zwischen Tod und neuer Geburt wirken.

Sehen Sie, das hat eine gewisse wissenschaftliche Richtung, aber eine geisteswissenschaft?iche Richtung, immer gewußt und zum Ausdruck gebracht. Immer wieder und wiederum hat zum Beispiel ein bedeutender Mensch dies, was ich eben jetzt dargestellt habe, zum Ausdruck gebracht, indem er sagte: «Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes.» Er wollte sagen: Während wir in der geistigen Welt drinnen sind, mit der göttlichen Welt verwoben sind zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, bereiten wir uns zu unserer Leib­lichkeit vor. Die ist das Ende der Wege Gottes. Er hat nur nicht dazufügen können den andern Satz: In der Leiblichkeit bereitet sich ein neuer Anfang vor, der dann wiederum durch den Tod hindurch­geht und zu einer neuen Inkarnation führt Dieser Ausspruch: « Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes», bildet gewissermaßen sogar das Leitmotiv aller Werke, die ein sehr bedeutender Mensch vor jetzt fast hundert Jahren geschrieben hat, der immer wiederum darauf aufmerksam gemacht hat, daß das menschliche Wissen, die

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menschliche Erkenntnis Wege nehmen muß, um diese geistigen Zusammenhänge zu erkennen: Christoph Oetinger. Auch Oetinger wollte in seiner Art die Theosophie darstellen. Richard Rothe hat schöne Worte am Schluß der Vorrede zu einem Buche über Oetinger geschrieben. Er wollte zum Ausdruck bringen, daß in älteren Zeiten die Menschen spirituelle Wege gesucht haben, aber in ihrer Art, und daß die Zeit kommen werde und nicht mehr ferne liege, in welcher mit vollem wissenschaftlichem Bewußtsein ergriffen wird dasjenige, was man eigentlich immer gesucht hat. Rothe sagt: «Was die Theosophie eigentlich will, das ist bei den älteren Theosophen oft schwer zu erkennen. Und was die Hauptsache ist, wenn sie nur erst einmal eigentliche Wissenschaft geworden ist und also auch deutlich bestimmte Resultate abgesetzt hat, so werden diese schon nach und nach in die allgemeine Überzeugung übergehen... Doch dies ruht im Schoße der Zukunft, der wir nicht vorgreifen wollen.» So Richard Rothe, der Heidelberger Professor, über den Theosophen Christoph Oetinger, im November 1847.

Dasjenige, was gesucht wird durch die Geisteswissenschaft, hat es immer gegeben, nur in anderer Weise. Heute obliegt es dem Menschen, auf die Art es zu suchen, wie es eben in unserer Zeit gesucht werden muß. Und oft habe ich es ausgeführt: Das natur­wissenschaftliche Denken ist heute an einen Punkt gekommen, wo aus der naturwissenschaftlichen Gesinnung gerade eine wissen­schaftliche Form gesucht werden muß für dasjenige, was als Wissenschaft in der Theosophie aller Zeiten lebte. Und wenn nun Rothe als Herausgeber Oetingers sagt, daß dasjenige, was er meint, so anzusprechen ist: «Doch dies ruht im Schoße der Zukunft» - dasjenige, was im Jahre 1847 Zukunft war, es ist heute unbedingt zur Gegenwart erreift. Wir stehen heute vor einer Zeit, wo wir nachweisen können - denn es war nur ein Beispiel, das ich heute vorgebracht habe mit der Novelle «Hofrat Eysenhardt» von Alfred von Berger -, daß die Menschenseelen wirklich reif sind, heranzukommen an die geistigen Wahrheiten, und daß sie nur nicht den Mut haben, wirklich diese geistigen Wahrheiten zu ergreifen.

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Nach zwei Seiten hin, sagte ich, führt der Weg in die geistigen Welten hinein, indem hinter den Schleier der Natur geschaut wird. Warum schreiten die Menschen so schwer hinein, auch diejenigen, die sich angewöhnt haben, wissenschaftlich zu denken, und nur das wissenschaftliche Denken zu einer innerlichen Handhabe erheben müßten in der geschilderten Weise? Warum? Sie sagen, daß der Mensch Erkenntnisgrenzen hat: Ignorabimus! Und warum wollen sie nicht in die geistige Welt? Ja, das liegt eben schon hinter der Schwelle des Bewußtseins.

Innerhalb des Bewußtseins führt man sogenannte logische Gründe dafür an, daß man nicht in die geistige Welt hineinkönne, logische Gründe, wie sie hinlänglich bekannt sind. Unter diesen logischen Gründen liegt erst der wahre innere Grund: die Furcht vor der geistigen Welt. Die kommt nicht in das Bewußtsein herauf, aber die Furcht vor der geistigen Welt hält die Menschen ab, die unbewußte, unterbewußte Furcht. Würde man sich nur mit dem Dasein der unbewußten Furcht bekannt machen, und wie das alles, was man sich einredet, nur eine Maske ist für dasjenige, was in Wahrheit Furcht ist, man würde sehr vieles erkennen. Das ist das eine. Das andere ist: Sobald man in die geistige Welt hineinkommt, wird man erfaßt, so wie man selber die Gedanken erfaßt, von den Wesenheiten der höheren Hierarchien. Man wird gleichsam ein Gedanke in der geistigen Welt. Dagegen sträubt sich innerlich das Seelische. Es fürchtet sich davor, hingenommen zu werden von der geistigen Welt. Wiederum eine Art Furcht, eine Art ohnmächtiger Furcht davor, sich ergreifen zu lassen von der geistigen Welt, so wie man, wenn man durch die Geburt hineinkommt in die physische Welt, ergriffen wird von den physischen Kräften. Furcht nach außen und Scheu vor einer gewissen Ohnmacht im Ergriffenwerden von der geistigen Welt - das ist es, was die Menschen zurückhält von der geisti­gen Welt. Das ist es, warum sie, wie dieser Berger in seiner Novelle, manchmal so plätschern wollen in den Wellen der geistigen Welt, aber wollen, daß das, ich möchte sagen, unverbindlich sei, und nicht den Mut haben, wirklich heranzukommen an das Ergreifen der gei­stigen Welten, was wahrhaftig durch die Ihnen oftmals geschilderten

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inneren Experimente geschehen kann, wie das Ergreifen der Natur­geheimnisse durch die äußeren Experimente geschehen kann.

Wenn Sie zu dem, was ich gesagt habe, hinzunehmen dasjenige, was ich ausgeführt habe in einem der öffentlichen Vorträge über den Zusammenhang zwischen den genialischen Kräften, die auf­treten im Leben, und zwischen den frühen Toden, die dadurch herbeigeführt werden, daß dem Menschen sein Leib genommen wird - ich sagte, durch eine Kugel oder auf andere Weise, zum Bei­spiel auf dem Schlachtfelde -, wenn Sie sich erinnern an dasjenige, was ich ausgeführt habe, daß, wenn Erfindungskräfte, geniale Kräfte im Menschen auftreten, diese die Wirkung sind jener Vor­gänge, die geschehen, wenn dem Menschen sein physischer Leib abgenommen wird, dann haben Sie da auch etwas, was unter der Schwelle des Bewußtseins bleibt. Aber es liegt in dem Mut, in der ganzen Art und Weise, wie der Mensch sich für eine große Zeit­erscheinung aufopfert, ein instinktiver Ausdruck für etwas, was unter der Schwelle des Bewußtseins liegt und so dem Menschen nicht in seiner vollen Art zum Bewußtsein kommen kann. In unserer Zeit jedoch besteht der Impuls in der Menschheitsentwicke­lung, daß dasjenige, was unter der Schwelle des Bewußtseins liegt, bis zu einem gewissen Grade hinaufgetragen wird in dieses Bewußt­sein, so daß der Mensch davon wissen könne. Und in diesem Sinne meine ich es immer, wenn ich darauf hinweise, daß gerade auch in den großen Ereignissen unserer Zeit, in all dem, was sich oberhalb des Bewußtseins abspielt, bedeutsame unterbewußte Vorgänge lie­gen und daß niemals erschöpft sein wird durch dasjenige, was der äußere Geschichtsforscher von diesen gegenwärtigen Ereignissen erfassen kann, was diese Ereignisse in den großen Zusammenhang der Menschheitsentwickelung hineinstellt. Mehr als jemals ist das Unterbewußte beteiligt an demjenigen, was in unserer Gegenwart geschieht. Und deshalb darf gerade der Geistesforscher darauf hin-weisen, wie eine künftige Zeit, um in richtigem Lichte des Welt-zusammenhanges unsere bedeutsamen geschichtlichen gegenwärti­gen Ereignisse zu schauen, auf den geistigen Untergrund hinweisen wird. Auch von diesem Gesichtspunkte aus stellt sich uns immer

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wieder und wiederum vor die Seele, was wir zum Schlusse der Be­trachtung immer wieder gesagt haben:

Aus dem Mut der Kämpfer,

Aus dem Blut der Schlachten,

Aus dem Leid Verlassener,

Aus des Volkes Opfertaten

Wird erwachsen Geistesfrucht -

Lenken Seelen geistbewußt

Ihren Sinn ins Geisterreich.

SECHSTER VORTRAG Berlin, 21. Dezember 1915 Die Finsternis des heutigen Geisteslebens und das verwahrloste Denken unserer Zeit

#G157-1960-SE405 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

SECHSTER VORTRAG

Berlin, 21.Dezember 1915

Die Finsternis des heutigen Geisteslebens

und das verwahrloste Denken unserer Zeit

#TX

Wir wollen heute damit beginnen, ein nordisches Gedicht vorzu­tragen, das wir ja vor einiger Zeit schon einmal auch in diesem Zweige vorgebracht haben. Es ist der ganze Inhalt dieser Dichtung zusammenhängend mit der Weihnacht und der sich an sie an­schließenden Zeit. Das Gedicht handelt von dem sagenhaften Olaf Asteson und enthält die Tatsache, daß jener Olaf Ästeson, eine sagenhafte Persönlichkeit, die dreizehn Tage, die sich anschließen an Weihnacht und mit dem Erscheinungstage Christi endigen, in einer ganz besonderen Weise zugebracht hat. Und wir werden damit erinnert daran, wie innerhalb der Volkssagenwelt die Anschauung lebt von früher in der Menschheit vorhandenem primitivem Hellsehen. Der Inhalt ist ja im wesentlichen der, daß Olaf Ästeson in der Weihnachtsnacht an die Kirchentüre kommt, daß er dann in eine Art schlafähnlichen Zustand kommt und nun in den sogenann­ten dreizehn Nächten die Geheimnisse der geistigen Welt durchlebt in seiner Art, wie er sie durchleben kann als ein einfaches primi­tives Naturkind.

Wir wissen, daß diese Tage, in denen gewissermaßen von außen die äußerste physische Finsternis auf der Erde waltet, wo das geringste Sprossen und Sprießen der Vegetation stattfindet, wo gewissermaßen äußerlich alles stillesteht im physischen Dasein der Erde, daß da die Erdseele aufwacht, daß sie da gerade als Erdseele ihren vollen Wachzustand hat. Wenn nun die Menschenseele zu­sammenfließt in ihrem geistigen Wesenskern mit dem, was da der Geist der Erde durchlebt, dann kann der Menschenseele, wenn sie in sich noch die primitiven Naturzustände hat, aufgehen ein Schauen der geistigen Welt, das sich die Menschheit wird allmählich wieder erringen müssen durch ihr Hineinstreben in diese geistige Welt.

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Und so sehen wir denn, wie dieser Olaf Ästeson durchlebt im Grunde dasjenige, was wir wiederum herausholen aus der geistigen Welt. Denn ob dieser Brooksvalin, und wir Kamaloka oder Seelenwelt und geistige Welt sagen, ob wir andere Bilder gebrauchen, als in der Sage von Olaf Ästeson gebraucht werden, darauf kommt es nicht an. Darauf kommt es an, daß wir einsehen, daß die Mensch­heit ausgegangen ist in ihrer Seelenentwickelung von einem ur­sprünglichen, primitiven Helisehen, von einem Verbundensein mit der geistigen Welt, daß dieses aber verlorengehen mußte, damit sich die Menschheit jenes Denken, jenes bewußte Darinnenstehen in der Welt aneignen konnte, durch das sie durchgehen muß, aus dem heraus sie aber nun wiederum entwickeln muß ein höheres Anschauen der geistigen Welt. Ich möchte sagen, dieselbe geistige Welt ist es, die das primitive Hellsehen verlassen hat, in die das entwickelte Schauen sich wiederum hineinlebt. Aber der Mensch hat einen Zustand durchgemacht, durch den er sich anders in diese geistige Welt hineinlebt. Nun ist es wichtig, eine Empfindung da­von zu entwickeln, daß wirklich mit der Verwandlung des Erden-zustandes im Laufe des Jahres verknüpft ist ein inneres geistig­seelisches Werden der geistig-seelischen Wesenheit, die mit der Erde so verbunden ist, wie die Seele des Menschen verbunden ist mit der physischen Wesenheit des Menschen. Und wer die Erde für das­jenige hält, für das sie die Geologen ausgeben, wofür sie die son­stigen Naturwissenschaften heute in ihrer materialistischen Gesin­nung gerne ausgeben möchten, der kennt von der Erde so viel, als irgendein Mensch von einem anderen Menschen kennt, von dem man ihm ein Modell in Papiermaché gibt, ohne daß dieses angefüllt ist mit demjenigen, was die Seele eben in die äußere Natur des Menschen hineingießt. Wirklich nur ein Papiermaché-Abdruck ist dasjenige, was uns die äußere Naturwissenschaft von der Erde gibt. Und wer sich nicht bewußt zu sein vermag, daß zwischen dem Winter- und dem Sommerzustande der Erde ein seelischer Unter­schied ist, der ist wie einer, der nicht einen Unterschied zwischen Wachen und Schlafen sieht. Die großen Wesenheiten der Natur, in denen wir darinnenleben, die machen ebenso geistige Verwandlungszustände

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durch wie der Mensch selber, der ein mikrokos­mischer Abdruck des großen Makrokosmos ist. Und darauf beruht es auch, daß wirklich das Miterleben, auch das geistige Miterleben mit der Narur, eine gewisse Bedeutung hat. Und derjenige, der auf­bringen kann ein Bewußtsein davon, daß gerade in diesen dreizehn Nächten mit der Erdseele etwas vorgeht, das man mitmachen kann, der wird einen der Wege haben, durch den man sich immer mehr und mehr in die geistigen Welten hineinleben kann.

Das Gefühl für dieses Miterleben desjenigen, was im großen Weltendasein gelebt wird, das ist der heutigen Menschheit verloren­gegangen. Es kennt der Mensch kaum viel mehr noch von dem Un­terschied zwischen Winter und Sommer, als daß man im Winter die Lampe früher anstecken muß als im Sommer, daß es im Winter kalt ist und im Sommer warm. Daß in früheren Zeiten wirklich die Menschen ein Miterleben gehabt haben mit der Natur, das sich darin ausdrückte, daß sie erzählten, wenn auch in bildlicher Weise, von Wesenheiten, die, während die Schneeflocken fallen, durch das Land ziehen, die, während der Sturm braust, durch die Gegend gehen. In seinem tiefsten Sinne versteht das der heutige materialisti­sche Sinn des Menschen nicht mehr. Im tiefsten Sinne kann der Mensch wiederum zusammenwachsen damit, wenn er seinen Blick richtet auf dasjenige, was noch alte Sagen erzählen, insbesondere so tiefe Sagen, wie die Olaf Ästeson-Sage ist, die in so schöner Weise veranschaulicht, wie ein einfacher, primitiver Mensch hineinwächst bei physischer Bewußtlosigkeit in das helle Licht der geistigen An­schauung. Wir wollen diese Sage jetzt einmal vor unsere Seele ziehen lassen, die Sage, die gelebt hat in älteren Jahrhunderten, die verloren­gegangen ist und die aus den Volkserinnerungen wieder aufgezeich­net worden ist. Es ist eine der schönsten Sagen des Nordens, weil sie in wunderbarer Art von tiefen Weltgeheiranissen spricht, insofern es Weltgeheimnisse sind, durch welche die Menschenseele mit der Weltseele zusammenhängt.

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(Es folgte die Rezitation von: «Das Traumlied vom Olaf Ästeson.») Siehe Seite 432.

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Da wir heute noch zusammensein können, meine lieben Freunde, so dürfen wir vielleicht einiges besprechen, das dem einen oder anderen nützlich sein kann, wenn er mancherlei von dem über-blickt, was wir im Lauf der Jahre uns geisteswissenschaftlich erwor­ben haben. Wir wissen ja - es ist in den öffentlichen Vorträgen in der letzten Zeit auch betont worden -, daß zugrunde liegt dem­jenigen, was als das Äußere des Menschen für äußere Sinne sicht­bar ist, ein geistiger Wesenskern des Menschen, der gewissermaßen aus zwei Gliedern sich zusammensetzt. Das eine Glied haben wir kennengelernt als dasjenige, was vor das geistige Auge tritt, wenn dieses geistige Auge die Erfahrung macht, die man gewöhnlich bezeichnet als «vor die Pforte des Todes treten»; das andere Glied des Innenlebens tritt vor die menschliche Seele, wenn der Mensch gewahr wird, wie zu all seinen Willenserlebnissen ein innerer Zu­schauer da ist, ein Zuschauer, der eben immer vorhanden ist. So daß wir sagen können: Das menschliche Denken, wenn wir es ver­tiefen durch die Meditation, zeigt, daß im Menschen innerhalb sei­nes eigentlichen geistigen Wesenskernes immer etwas vorhanden ist, was in bezug auf den äußeren physischen Leib mitwirkt an dem Abbau des menschlichen Organismus, an jenem Abbau, der zuletzt in den Tod ausläuft. Wir wissen aus diesen Betrachtungen, die da angestellt worden sind, daß die eigentliche Kraft des Denkens nicht liegt in etwas Aufbauendem, sondern in etwas gewissermaßen Abbauendem. Dadurch, daß wir sterben können, daß wir unseren Organismus im Laufe des Lebens zwischen Geburt und Tod so entwickeln, daß er sich auflösen kann, verteilen kann in die Welten-elemente, sind wir in der Lage, uns das Organ zu schaffen, durch das wir die edelste Blüte des physischen Menschendaseins ent­wickeln, das Denken. Aber im Innern des menschlichen Lebens, dieses Lebens zwischen Geburt und Tod, ist wie eine Art Lebens-keim für die Zukunft, wie ein Lebenskeim, der besonders geeignet ist, durch die Pforte des Todes zu schreiten, dasjenige vorhanden, was in der Willensströmung sich entwickelt und eben als der charakterisierte Zuschauer beobachtet werden kann. Wie gesagt, es muß immer wieder und wiederum wiederholt werden, daß dasjenige,

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was da das geistige Schauen vor die Seele des Menschen bringt, nicht etwas ist, was sich erst durch das geistige Schauen entwickelt, sondern was immer vorhanden ist, immer da ist, und was die Menschen, in unserem gegenwärtigen Zeitalter nament­lich, nur nicht sehen sollen; man darf schon sagen: namentlich nicht sehen sollen. Denn die Entwickelung des geistigen Lebens hat namentlich in den letzten Jahrzehnten einen solchen Fortgang genommen, daß, wer sich so recht überläßt demjenigen, was man heute im materialistischen Zeitalter das «geistige Leben» nennt, sich gerade einen Schleier breitet über dasjenige, was im Innern des Menschen lebt. Diejenigen Begriffe und Ideen werden in unserem gegenwärtigen Zeitalter am meisten entwickelt, die am stärksten verbergen dasjenige, was geistig im Menschen vorhanden ist. Wir dürfen schon einmal, um uns in der rechten Weise zu stärken für unsere besondere Aufgabe, insofern wir in der Geisteswissenschaft stehen, gerade in bedeutungsvoller Jahreszeit auf die ganz beson­ders finstere Seite des heutigen Geisteslebens hinweisen, die ja auch vorhanden sein muß, wie die Finsternis in der äußeren Natur vor­handen sein muß, aber die man eben wahrnehmen muß, deren Da­sein man sich zum Bewußtsein bringen muß. Wir durchleben gewissermaßen eine finstere Kulturzeit in bezug auf das geistige Leben. Wir haben nicht notwendig, immer wiederum darauf auf­merksam zu machen, daß wir die großen Errungenschaften, auf welche die Menschheit dieses finsteren Zeitalters so stolz ist, wohl zu würdigen wissen; aber dabei bleibt doch in bezug auf die gei­stigen Angelegenheiten die Sache bestehen, daß die Begriffe und Ideen, die in unserer Zeit geschaffen werden, gerade für diejenigen, die sich am eifrigsten in diese Begriffe hineinversetzen, am meisten verhüllen dasjenige, was in der Seele des Menschen lebt. Und so darf denn auch das Folgende erwähnt werden:

Besonders stolz ist unser Zeitalter auf sein klares Denken, das es sich angeeignet haben will durch die bedeutsame wissenschaftliche Schulung. Besonders stolz, sage ich, ist unser Zeitalter. Allerdings nicht so stolz, daß das etwa zur Folge hätte, daß jetzt alle Men­schen recht viel denken wollten. Nein, das hat es nicht im Gefolge,

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sondern es hat im Gefolge, daß die Menschen sagen: Nun ja, in unserem Zeitalter, da muß man viel denken, wenn man etwas wis­sen will über die geistige Welt. Selber darüber etwas zu denken ist jedoch schwer. Aber die Theologen, die tun das, die denken dar-über nach! Also, da unser Zeitalter ein sehr fortgeschrittenes ist, das ja erhaben ist über das finstere Zeitalter des Autoritätsglaubens, so muß man hinhören auf diejenigen, die über geistige Dinge den­ken können, auf die Theologen. Und fortgeschritten ist unser Zeit. alter in bezug auf die Rechtsbegriffe, die Begriffe, was recht und unrecht ist, was gut und böse ist. Unser Zeitalter ist das Zeitalter des Denkens. Aber, daß diese Vorstellung so weit hinaus ist über den Autoritätsglauben, das hat nicht dazu geführt, daß jeder sich dem unterziehen will, tiefer nachzudenken über Recht oder Un­recht, sondern darüber denken die Juristen. Und weil wir schon ein­mal über das Zeitalter des Autoritätsglaubens hinaus sind, mu13 man es den aufgeklärten Juristen überlassen, zu denken über das, was gut und böse, was recht und unrecht ist. Und in bezug auf kör­perliche Verhältnisse, auf körperliche Heilungen: Weil man da erst recht nicht weiß, was zuträglich oder unzuträglich sein könnte in diesem Zeitalter, das so frei sein will von Autoritätsglauben, geht man zu den Ärzten. Das könnte auf allen Gebieten ausgeführt wer­den. Gerade viele Anlagen hat ja unser Zeitalter nicht, zu verzwei­feIn etwa wie Faust, in der Art:

Habe nun, ach! Philosophie,

Juristerei und Medizin,

Und leider auch Theologie!

Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

Da steh' ich nun, ich armer Tor!

Und bin so klug als wie zuvor...

Es befolgt davon nur das eine, daß es eigentlich nichts von dem wissen will, woran der Faust irregeworden ist, aber um so mehr wissen will, wovon andere alles klar wissen auf den verschiedensten Gebieten, wo man über Wohl und Wehe des Menschen entschei­den will.

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Auf unser Denken ist unser Zeitalter so ungeheuer stolz, so stolz, daß diejenigen, die es dahin gebracht haben, sagen wir, gar einmal etwas Philosophisches zu lesen in ihrem Leben - nun, ich will mich nicht so weit versteigen, daß sie Kant gelesen haben, sondern vielleicht irgendeinen Auszug aus Kant -, sich klar darüber sind, daß derjenige, der irgend etwas im Sinne der Geisteswissenschaft über die geistigen Welten behauptet, sich versündigt gegen das un­widerruflich Festgestellte des Kantianismus. Wird doch oft gesagt, es habe das ganze neunzehnte Jahrhundert gearbeitet, dieses mensch­liche Denken zu entwickeln, dieses menschliche Denken in kri­tischer Weise zu untersuchen. Und «kritische Denker» nennen sich heute viele, die nur ein wenig von diesen Dingen vernommen haben. So gibt es zum Beispiel heute Menschen, die sagen, der Mensch habe Grenzen der Erkenntnis, weil er ja die äußere Welt durch seine Sinne wahruehme; aber die Sinne könnten doch nur dasjenige geben, was sie eben in sich erzeugen, also nehme der Mensch die Welt wahr, wie sie auf seine Sinne wirkt, und könne daher nicht hinter die Dinge der Welt kommen, denn er könne die Grenze seiner Sinne niemals überschreiten: Bilder nur der Wirk­lichkeit könne der Mensch bekommen! Und viele sagen ja gerade aus der Tiefe ihrer Philosophie heraus, die Menschenseele habe nur Bilder der Welt, und daher könne sie niemals zum in irgendeiner Weise kommen, man könne dasjenige, was wir durch unsere Sinne haben, durch unsere Augen, Ohren und so weiter, nur mit Spiegelbildern vergleichen. - Gewiß, wenn ein Spiegel da ist und Bilder entwirft, das Bild eines Menschen, das Bild eines zweiten Menschen, und wir schauen die Bilder an, so haben wir eine Bilder-welt. Nun kommen die Philosophen und sagen: So wie der Mensch, der einen zweiten Menschen nicht direkt ansieht, sondern im Spiegel­bild, eine Bilderwelt hat, wie der nicht das «Ding an sich> der Menschen ansieht, sondern die Bilder, so hat man eigentlich von der ganzen äußeren Welt nur die Bilder. Indem die Licht- und Farbenstrahlen in unser Auge, die Luftwellen in unser Ohr fallen:

Bilder, alles Bilder! - Das hat das kritische Zeitalter ergeben, daß der Mensch in seiner Seele nur Bilder entwirft und daher niemals

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durch die Bilder hindurch an das kommen kann. Unendlicher Scharfsinn - rrn Ernste sage ich das jetzt - ist von philosophischer Seite im neunzehnten Jahrhundert aufgebracht worden, um zu beweisen, daß der Mensch nur Bilder hat und nicht an das «Ding an sich» kommen kann. Woher rührt denn eigentlich diese kritische Resignation, dieses Daraufbestehen, daß es zu, wie man sagt, «Erkenntnisgrenzen» führt, wenn man also die Bilder natur unseres Anschauens enthüllt? Das rührt davon her, weil in vieler Beziehung das Denken unserer Zeit, in unserem aufgeklär­ten Zeitalter, ein verwahrlostes Denken geworden ist, ein kurz-sinniges Denken, ein Denken, das in der pedantischsten Weise sich einen Begriff aufwirft und nicht über diesen Begriff hinauskom­men kann, diesen Begriff wie einen hölzernen Hampelmann sich vorhält, und das, was dieser hölzerne Hampelmann nicht gibt, nicht mehr finden kann. Es ist ja, man kann sagen, fast unglaub­lich, wie sehr das Denken in unserer Zeit sich verhärtet, sich ver holzt hat.

Ich will Ihnen die ganze Geschichte mit dieser Bildnatur unserer Weltanschauung und dem, was das sogenannte kritische Denken, das fortgeschrittene Denken, gemacht hat, einmal gerade aus dem Vergleich mit dem Spiegelbild klarmachen. Das ist nämlich ganz richtig, wovon die Leute ausgehen, daß die Welt, so wie sie der Mensch hier im Sinnendasein hat, nur dadurch da ist, daß sie Ein­druck auf ihn macht, Bilder in seiner Seele entwirft, und es ist gut, daß die Menschheit durch die kritische Philosophie, durch den Kantianismus, auf die Sache gekommen ist. Wir können also durch­aus sagen: Die Bilder, die wir haben von der Außenwelt, sind so, daß wir sie vergleichen können mit den Spiegelbildern: Da haben wir einen Spiegel, zwei Menschen stehen davor, wir schauen aber nicht die Menschen an, sondern die Bilder. So haben wir Bilder von der Welt durch das, was unsere Seele als Bilder von der Welt entwirft, wir haben Bilder, die wir vergleichen mit zwei Menschen, deren Spiegelabbild wir anschauen. Aber nur jemand, der nie Men­schen gesehen hätte, nur Bilder, der würde philosophieren können:

« Ich kenne nichts von den Menschen, sondern nur die toten Spiegelbilder. »

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So schließen aber die kritischen Philosophen. Sie bleiben dabei stehen. Sie würden sich sogleich in sich selbst widerlegt fin­den, wenn sie von ihrem Hampelmann des Denkens ein klein wenig weiterkommen könnten, aus dem toten Denken in das leben­dige Denken. Denn wenn ich vor dem Spiegel stehe, und da stehen zwei Menschen im Spiegel drinnen, und ich sehe, daß der eine Mensch dem andern eine ordentliche Ohrfeige herunterhaut, so daß der andere sogar blutet, dann würde ich ein Tor sein, wenn ich sagte: Das eine Spiegelbild hat das andere geschlagen. - Da sehe ich nicht mehr bloß das Spiegelbild, sondern durch das Bild sehe ich reale Vorgänge. Ich habe nichts als das Bild, aber ich sehe einen höchst realen Vorgang durch das Spiegelbild hindurch. Und ein Narr wäre ich, wenn ich glaubte, das wäre nur im Spiegelbild vor­gegangen. Das heißt, die kritische Philosophie faßt den einen Ge-danken: Wir haben es mit Bildern zu tun -, aber nicht mehr den andern Gedanken, daß diese Bilder etwas zum Ausdruck bringen, daß darinnen etwas lebt. Und wenn man diese Bilder erfaßt in lebendiger Art, dann gibt das mehr als die Bilder, dann weist es hin auf das, was das «Ding an sich» ist, was die reale Außenwelt ist.

Kann man da noch sagen, daß die Leute denken können, die solch eine «kritische» Philosophie geben? Das Denken ist, in einem gewissen hohen Grade, ein verwahrlostes in unserer Zeit. Es ist wirklich ein verwahrlostes. Aber man ist bei dem Kritizismus des Denkens stehengeblieben. Ich habe öfter erwähnt, daß dieser Kriti­zismus, diese kritische Philosophie in unserer Kultur sogar vor-geschritten ist und daß ein Mann in ehrlichem Streben - ehren­werte Männer sind sie alle, ehrlich ist das Streben durchaus - zu einer «Kritik der Sprache» gekommen ist: Fritz Mauthner hat eine «Kritik der Sprache» geschrieben, drei dicke Bände, und noch ein philosophisches Wörterbuch von diesem Standpunkte aus, das zwei noch viel dickere Bände hat. Und eine ganze journalistische Leit­hammelei ist hinter dem Journalisten Fritz Mauthner her und hält das selbstverständlich für ein großes Werk. Und in unserer Zeit, in der ja der Autoritätsglaube «keine Bedeutung» hat, halten sehr viele, die gerade auf jenem Parteistandpunkte stehen - wie die Zeitungen,

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deren Journalist Fritz Mauthner war - das für ein bedeu­tendes Werk; denn «es gibt ja heute keinen Autoritätsglauben>.

Nun, sehen Sie, Mauthner kommt dazu, zu erklären, daß der Mensch sich Substantive bildet, Adjektive bildet, aber die bedeute­ten alle nichts Wirkliches. In der äußeren Welt erlebe man nicht, was die Worte bedeuten. Man lebe sich so hinein in die Worte, daß man eigentlich nicht seine Gedanken und Seelenbilder habe, son­dern eigentlich nur Worte, Worte, Worte. - Der Mensch finde sich in die Sprache hinein, die Sprache gebe den Wortvorrat. Und weil er gewöhnt sei, sich an die Sprache zu halten, komme der Mensch nur zu den Zeichen der Dinge, die im Worte gegeben sind. - Das soll nun etwas ganz Bedeutsames sein. Und wenn man die drei Bände von Mauthner durchliest - wenn Sie einmal etwas angestellt haben, was Ihre Seele sich selber vorwirft, meine lieben Freunde, dann ist es eine gute Strafe für Sie, wenn Sie sich dazu verurteilen, wenigstens die Hälfte dieser Bände zu lesen -, dann findet man, daß ihr Verfasser im höchsten Grade davon überzeugt ist - ja, man kann es nicht anders ausdrücken -, gescheiter zu sein als die gescheitesten anderen Leute des Zeitalters. Immer ist ja der, der gerade an seinem Buche sitzt, gescheiter als die anderen, selbst­verständlich!

So ist Fritz Mauthner endlich dahintergekommen, wie der Mensch immer nur Zeichen hat. Er ist sogar zu noch mehr gekom­men. Sehen Sie, er ist dazu gekommen, folgendes zu sagen: Der Mensch hat Augen, Ohren, einen Gefühlssinn - nun, eine Anzahl von Sinnen hat halt der Mensch. Ja, aber der Mensch könnte zum Beispiel, so meint Fritz Mauthner, nicht nur Augen und Ohren und Gefühlssinn und Geruchssinn haben, sondern noch ganz andere Sinne. Er könnte zum Beispiel noch einen Sinn außer dem Auge haben. Dann würde er, so wie er durch die Augen Bilder wahr­nimmt, mit den anderen Sinnen ganz anders die Welt wahrnehmen. Also würde es noch vieles geben, was es für den jetzigen Menschen nicht gibt. Und jetzt fühlt sich der kritische Denker sogar ein wenig mystisch beseelt und sagt: Der unermeßliche Reichtum der Welt, der wird uns also nur durch unsere Sinne gegeben. Und er nennt

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diese Sinne «Zufallssinne», weil er meint, es sei ein welthistorischer Zufall, daß wir just diese Sinne haben. Hätten wir andere Sinne, so wurde die Welt anders ausschauen. Also tut man am besten, zu sagen, wir haben Zufallssinne. Also eine Zufallswelt! Aber die Welt ist unermeßlich. - Es klingt schön! Einer derjenigen, die hinter Fritz Mauthner herlaufen, hat eine Broschüre geschrieben:

«Skepsis und Mystik.» In dieser Broschüre wird ganz besonders darauf aufmerksam gemacht, wie man nun aus der Tiefe seiner Seele heraus ja sogar Mystiker werden dürfe, wenn man nicht mehr an dasjenige glaube, was die Zufallssinne geben können. Da finden wir einen schönen Satz; auf Seite 12 des Buches, da heißt es:

«Die Welt strömt auf uns zu, mit den paar armseligen Löchern unserer Zufallssinne nehmen wir auf, was wir fassen können, und kleben es an unseren alten Wortvorrat fest, da wir nichts anderes haben, womit wir es halten können. Die Welt strömt aber weiter, auch unsere Sprache strömt weiter, nur nicht in derselben Rich­tung, sondern nach den Zufällen der Sprachgeschichte, für die sich Gesetze nicht aufstellen lassen.>

Auch eine Weltanschauung! Was will sie? Sie sagt: Die Welt ist unermeßlich, aber wir haben so eine Anzahl Zufallssinne, da strömt die Welt ein. Was machen wir mit dem, was da einströmt? Was machen wir damit, nach dem Zufallsgerede dieses Herrn? Wir erinnern uns an das, was die Herren Gedächtnis nennen, hängen das an, kleben das an, an die Worte, die wir aus der Sprache über­mittelt erhalten haben, und die Sprache strömt ihrerseits wiederum weiter. Wir reden also über dasjenige in den Wortzeichen, was uns durch die Zufallssinne von dem unermeßlichen Weltendasein hereingeströmt ist. - Ein scharfsinniges Denken! Ich sage das wie­derum im Ernst, meine lieben Freunde: es ist ein scharfsinniges Denken. Man muß in unserer Zeit immerhin ein gescheiter Mensch sein, um so etwas zu denken. Und man kann schon sagen von diesen Leuten, nicht nur sind sie ehrliche Leute - ehrenwert sind sie alle -, sondern: sie sind bedeutende Denker. Aber sie sind ver­strickt mit dem Denken, das das Denken unseres Zeitalters ist, und sie haben keinen Willen, aus diesem Denken herauszukommen.

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Ich habe mir eine Art «Weihnachtstrauer> - Freude kann man nicht sagen, es ist eine Weihnachtstrauer geworden - dadurch gemacht, daß ich wiederum aus diesem Zusammenhang heraus ein­zelne dieser Sachen anschauen mußte, und ich habe mir einen Ge­danken aufgeschrieben, der ganz genau nach dem Muster dieses Denkers geformt ist, der da das beschrieben hat, was ich eben vor­gelesen habe. Schauen wir es uns noch einmal an:

«Die Welt strömt auf uns zu, mit den paar armseligen Löchern unserer Zufallssinne nehmen wir auf, was wir fassen können, und kleben es an unseren alten Wortvorrat fest, da wir nichts anderes haben, womit wir es halten können. Die Welt strömt aber weiter, auch unsere Sprache strömt weiter, nur nicht in derselben Richtung, sondern nach den Zufällen der Sprachgeschichte, für die sich Ge­setze nicht aufstellen lassen.»

Ich habe den Gedanken auf einen anderen Gegenstand angewen­det, genau denselben Gedanken, dieselbe Gedankenform; da ergibt sich das Folgende: «Goethes Genialität strömt auf das Papier, mit den paar armseligen Formen seiner Zufallsbuchstaben nimmt das Papier auf, was es fassen kann, und läßt sich aufdrucken, was es aufnehmen kann nach dem alten Buchstabenvorrat, da nichts anderes da ist, wodurch ihm etwas aufgedruckt werden kann. Goethes Genialität strömt aber auch weiter, auch der Schriftaus­druck auf dem Papier strömt weiter, nur nicht in derselben Rich­tung, sondern nach den Zufällen, in denen sich Buchstaben grup­pieren können, für die sich Gesetze nicht aufstellen lassen. » - Es ist ganz genau derselbe Gedanke, ich habe bei jedem Wort genau achtgegeben, es ist derselbe Gedanke! Wenn jemand behauptet:

Die unermeßliche Welt strömt auf uns zu, wir nehmen sie auf mit den paar Zufallssinnen, wie wir es eben können, kleben sie an unseren Wortvorrat an; die Welt strömt weiter, die Sprache strömt in einer anderen Richtung, nach den Zufällen der Sprachgeschichte, und so verfließe das menschliche Erkennen - so ist das eben genau derselbe Gedanke, wie wenn jemand sagt: Goethes Genialität fließt durch die 23 Zufallsbuchstaben, weil das Papier eben nur dadurch die Sache aufnehmen kann; aber Goethes Genialität ist doch niemals

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dadrinnen, sie ist unermeßlich! Die Zufalisbuchstaben können das nicht aufnehmen, sie strömen weiter. Dasjenige, was da auf dem Papier ist, strömt auch weiter und gruppiert sich nun nach den Bildungen, in denen sich die Buchstaben gruppieren können und deren Gesetze man nicht erkennen kann. - Wenn nun die sehr gescheiten Herren schließen aus solchen Voraussetzungen: Also ist dasjenige, was wir in die Welt hereinbekommen, eben das Ergebnis von Zufallssinnen, und man kann nicht kommen auf dasjenige, was eigentlich der Welt im Innersten zugrunde liegt, dann ist das genau so, wie wenn jemand darüber nachdenkt, wie eigentlich jemals ein Mensch das aufnehmen kann, was eigentlich in Goethes Genialität gelebt hat. Denn es ist doch klar: Es ist ja nichts da von dieser Genialität als die Gruppierung von 23 Zufallsbuchstaben; es ist nichts anderes da! Genau denselben Gedanken haben diese Herren, sie werden es nur nicht gewahr. Und so viel Wert es hat, wenn jemand sagt: Nichts, nichts, nichts kann jemals ein Mensch wissen von Goethes Genialität, denn siehst du denn nicht, daß nichts von ihr auf dich fließen kann? Du kannst ja nichts anderes haben, als was die verschiedene Gruppierung von 23 Zufallszeichen gibt - so viel Sinn dieses hätte, so viel Sinn hat das Gerede, das diese Herren vollbringen über Möglichkeit oder Nichtmöglichkeit des Welt-Erkennens. Genau so viel Sinn hat dieses ganze Den­ken - nicht das Denken der Tröpfe, sondern das Denken der­jenigen, die heute wirklich die gescheiten Menschen sind, die nur nicht hinauswollen aus dem Denken unseres Zeitalters.

Die Sache hat aber wirklich noch eine andere Seite. Wir müssen uns klar sein darüber: Dieses Denken, das uns da an einem solchen Beispiel entgegentritt, wo es Grenzen der Erkenntnis feststellt, dieses Denken ist unser Denken im gegenwärtigen Zeitalter. Dieses Denken herrscht heute, es lebt überall. Und ob Sie heute dieses oder jenes noch so tief scheinende philosophische Buch lesen, das oftmals große Welträtsel lösen - oder verhüllen - will, oder ob Sie in der Zeitung lesen, überall regiert dieses Denken. Die Art und Weise dieses Denkens regiert. Sie regiert auch die Welt. Sie schlürft der Mensch heute mit seinem Morgenkaffee ein - nicht gerade

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heute allerdings, weil Meinungen heute in den Zeitungen nicht stehen dürfen, aber sonst, wenn Meinungen in den Zeitungen stehen dürfen. Er schlürft sie ein, es erscheinen ja mehr und mehr Tageszeitungen, in denen Meinungen drinnenstehen. Aber auch im ganzen Gewebe unseres sozialen Zusammenlebens lebt diese Art des Denkens. Ich habe es an der philosophischen Entwickelung klarzulegen versucht, dieses Denken, aber man könnte es klarlegen in den Gedanken, die sich die Menschen machen über alle mög­lichen Lebensverhältnisse: in allem, worüber die Menschen nach­denken, lebt dieses Denken heute. Und daß es lebt, das ist die Ur­sache davon, daß die Menschen nicht den Willen entwickeln kön­nen, das wirklich zu empfinden, was zum Beispiel Geisteswissen­schaft geben will. Denn unverständlich ist es nicht für ein Denken, das ein wirkliches Denken ist. Aber selbstverständlich muß das­jenige, was Geisteswissenschaft geben kann, immer unverständlich bleiben für Menschen, die, sagen wir also, nach dem Schnitt von Fritz Mauthner konstruiert sind. Aber nach diesem Schnitt ist eben die Mehrzahl der Menschen heute konstruiert. Dieses Denken lebt in unserer zeitgenössischen Wissenschaft wirklich ganz und gar drinnen. Damit wird nichts gesagt gegen die Bedeutung und die großen Errungenschaften dieser Wissenschaft; aber darauf kommt es nicht an, sondern darauf kommt es an, wie das Seelische in unserer Zeit, in unserer ganzen Kultur lebt. Unserer Zeit fehlt ganz und gar die Möglichkeit, mit ihren Gedanken beweglich zu sein, wirklich zu folgen dem, dem man eben folgen muß, wenn diese Gedanken begreifen sollen dasjenige, was die Geisteswissenschaft mitzuteilen hat.

Nun können wir uns aber fragen: Wie kommt es denn, daß zum Beispiel ein solches Buch geschrieben werden kann wie das, was ich hier vor mir habe: «Skepsis und Mystik» von Gustav Landauer, ein Buch, das von Selbstgefälligkeit nur so trieft. Man trieft selber, wenn man es gelesen hat, möchte ich sagen, von der ganzen Stimmung der Selbstgefälligkeit, die da drinnen ist, wie man trieft, wenn man Mauthners «Sprachkritik> gelesen hat oder Artikel aus dem «Philosophischen Wörterbuch>. Wie kommt denn

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das? Wie es kommt, das erfährt man nicht, wenn man das Denken verfolgt. Ich kann mir sehr gescheite Menschen denken, die solch ein Buch in die Hand bekommen, es durchlesen und sagen: Das ist ein grundgescheiter Mensch! Sie haben recht, und Mauthner ist auch ein gescheiter Mensch. Daran liegt es nicht, denn Gescheitheit drückt sich ja dadurch aus, daß man in einer gewissen logischen Weise die Begriffe, die man sich bilden kann, eben bildet, aus­einanderquasselt, und wieder bildet in irgendeiner Weise. Daran liegt es nicht. Man kann auf diesem oder jenem Gebiet eine große Gescheit heit haben, eine ganz richtige Gescheitheit, aber wenn man in das Leben hereinkommt, das getragen wird von dem Bewußt­sein geistiger Erkenntnis, dann entwickelt sich mit jedem Schritt ein gewisses Verhältnis zur Welt so, daß man das Gefühl hat: Du mußt immer weiter und weiter. Mit jedem Tag mußt du deine Begriffe vervollkommnen. Zu dem Glauben mußt du dich ent­wickeln, daß du mit deinen Begriffen immer weiterkommen kannst. Bei dem, der ein solches Buch geschrieben hat, hat man das Gefühl, daß er in dieser Weise gescheit ist: Der 21. Dezember 1915. Ich bin gescheit und ich habe mir durch meine Gescheitheit etwas ganz Bestimmtes errungen. Das schreibe ich jetzt in ein Buch hinein. Das, was ich jetzt bin, das schreibe ich in ein Buch, denn ich bin gescheit am 21. Dezember 1915! Das Buch wird dann fertig werden und gibt meine Gescheitheit wieder! - Dieses Ge­fühl hat man, wenn man ein wirklich Erkennender ist, nie. Son­dern man hat das Gefühl eines fortwährenden Werdens, einer fort­währenden Notwendigkeit, alle Begriffe zu läutern, hinaufzuent­wickeln. Und in der Regel hat man dann nicht das Gefühl: Am 21. Dezember 1915, da bin ich gescheit; jetzt schreibe ich ein Buch, das meine Gescheitheit eingegeben hat; das wird dann fertig sein nach Monaten oder Jahren - sondern hat man ein Buch geschrie-ben, blickt man wahrhaftig nicht zurück auf die Gescheirheit, die man hatte, als man anfing, das Buch zu schreiben, sondern man hat durch das Buch das Gefühl bekommen: Wie wenig hast du eigentlich mit der Sache geleistet und wie nötig hast du gerade, durch das, was du da hingeschrieben hast, dich weiter zu entwikkeln.

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Dieses Sich auf den Weg der Erkenntnis Begeben, dieses stetige innere Arbeiten, das kennt das materialistische Zeitalter fast gar nicht mehr, es glaubt es vielfach zu kennen, es kennt es aber nicht mehr wirklich. Und, sehen Sie, der tiefste Grund ist der, den man eben in die Worte fassen kann: Diese Leute sind so unbändig eitel. Ich sagte: es trieft solch ein Buch, es trieft eigentlich von Eitelkeit. Gescheit ist das Buch, aber ungeheuer eitel. Jenes Selbstbescheiden, jene Demut, die sich einem solchen Erkenntniswege ergibt, wie eben dargelegt, sie fehlen da ganz. Sie sind überhaupt nicht da, wenn man sich am 21. Dezember 1915 die Gescheitheit bedin­gungslos zuspricht. Sie kann nicht da sein, diese Demut.

Nun werden Sie sagen: Ja, die Leute wären doch dumm, wenn sie sich für gescheit halten würden. - Mit dem Oberbewußt­sein tun sie es auch nicht, aber im Unterbewußtsein tun sie es doch. Sie lernen eben nie unterscheiden zwischen dem, was als Wahres sich belebt im Unterbewußtsein, und dem, was sie sich im Oberbewußtsein vormachen. Und so ist es die luziferische Natur des Menschen, die eigentlich die heutige Menschheit dazu treibt, klug sein zu wollen, auf einem bestimmten Standpunkt der Klugheit zu stehen und von da aus alle Dinge überschauen zu kön­nen, über alle Dinge etwa urteilen zu können. Aber wenn man diesen Luzifer in sich trägt, dann wird man, indem man mit diesem Luzifer die äußere Welt überschaut, zu Ahriman hingeführt und sieht diese äußere Welt für unser Zeitalter ganz selbstverständlich materialistisch. Dann, wenn man mit Luzifer im Leibe beginnt die Welt anzuschauen, dann trifft man, wenn man sie anschaut, Ahri­man. Denn die beiden suchen einander in dem menschlichen Um­gang mit dieser Welt. Daher kommt ein solches Denken, das so grundeitel ist, nicht einmal dazu, sich überlegen zu können: Wenn ich ein Wort gebrauche, hat man selbstverständlich nur ein Zeichen für dasjenige, was das Wort bedeutet. - Mauthner hat die grandiose Entdeckung gemacht, daß es Substantive nicht gibt. Es gibt keine! Sie sind keine Wirklichkeit, selbstverständlich nicht! Nicht wahr, wir fassen gewisse Erscheinungen, die wir einen Moment erstarrt denken, auf, und nennen die mit einem Substantiv. Gewiß, Substantive

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sind keine Wirklichkeit; Adjektive auch nicht. Ganz selbst-verständlich nicht. Das ist alles wahr. Aber wenn ich nun ein Sub­stantiv und Adjektiv zusammenfasse, wenn ich die Sprache in Fluß bringe, dann drückt sie Realität, Wirklichkeiten aus. Dann geht das Bild innerhalb der Bildnatur, in dem, daß es eben Bild ist, über sich selber hinaus. Alle einzelnen Worte sind keine Wirklichkeit, aber wir sprechen ja nicht in einzelnen Worten, sondern wir sprechen ja in Wortzusammenhängen. Und in ihnen haben wir ein unmittelbares Drinnenstehen in der Wirklichkeit. Drei Bände mußten heute geschrieben werden, und ein zweibändiges Wörter­buch noch dazu, um den Menschen alle diese Dinge mit Gedanken unendlicher Gescheitheit vorzutragen, die einfach hinwegsehen dar­über, daß, weil einzelne Worte nur Zeichen sind, die Verbindung nicht etwas bloß Bezeichnendes ist, sondern in der Realität drinnen steht. Unendliche Weisheit, unendliche Gescheitheit wird heute auf­gebracht, um die allergrößten Torheiten zu «beweisen», wie man sagt.

Daß nun schließlich in einer Kritik der Sprache, selbst in einer Kritik des Denkens, Torheiten sich darleben, das wäre ja nicht besonders schlimm. Aber dasselbe Denken, das sich in diesen Tor­heiten auslebt, in diesen sehr klugen, sehr gescheiten Torheiten, das lebt in allem übrigen Denken, das die gegenwärtige Mensch­heit hat. Und wenn wir die Aufgabe, die innerhalb unserer gei­stigen Bewegung steckt, ergreifen wollen, so gehört wirklich dazu, sich bewußt zu werden, daß diejenigen, die Geisteswissenschafter sein wollen, dahin kommen, ihr Zeitalter in der richtigen Weise zu sehen, wirklich sich zu ihrem Zeitalter in der richtigen Weise zu stellen. So daß wirklich, ich möchte sagen, zu dem Prak­tischen unserer geisteswissenschaftlichen Weltanschauungsströmung es schon einmal dazugehört, daß wir versuchen, über das Denken, das sich so charakterisiert, wie wir es heute gesehen haben, hinaus-zukommen, nicht mitzugehen mit diesem Denken, sondern daß wir versuchen, das Denken wiederum einmal anders zu nehmen. Wir werden geradezu kinderleicht, meine lieben Freunde, zum Verständ­nis der Geisteswissenschaft kommen, wenn wir nur diejenigen

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Hindernisse aus dem Wege räumen, die durch das erstarrte, das versteinte Denken in das geistige Kulturleben der Gegenwart hereingekommen sind. Allem gegenüber sollten wir daher jenen Autoritätsglauben, der heute unter der Maske der Autoritätsfreiheit auftritt, gründlich einmal in unserer eigenen Seele beseitigen. Das gehört zu dem praktischen Drinnenleben in unserer Geisteswissen­schaft. Und es wird immer notwendiger werden, daß es wenigstens einzelne Menschen gibt, die den Tatbestand, den man also, wie ich heute tat, charakterisieren kann, wirklich durchschauen, und nicht nur durchschauen, sondern ihn auf Schrittt und Tritt im Leben ernst nehmen. Darauf kommt es an. Man braucht ja das nicht äußerlich zur Schau zu tragen, aber es ist vieles getan, wenn es ein­mal eine Anzahl von Menschen gibt, die also, wie es folgt aus diesen Auseinandersetzungen, sich gerade auf ihren Posten im Leben so hinzustellen wissen.

Wir können an einem bestimmten Gebiete sehen, wie geradezu, ich möchte sagen, kategorisch unser Zeitalter verlangt, daß wir wiederum zu einer Belebung des Denkens kommen. Stellen wir nur kurz etwas vor unsere Seelen hin, was wir oftmals ausführlich vor diese Seelen hingestellt haben: Im Beginne unserer Zeitrech­nung ging diejenige Wesenheit, die wir oft charakterisiert haben, die Christus-Wesenheit, durch das Leben eines menschlichen Orga­nismus hindurch und vereinigte sich mit der Erdenaura. Dadurch wurde der Erde, nachdem sie ihren Sinn durch die luziferische Ver­führung verloren hatte, in ihrer Weiterentwickelung eigentlich erst der rechte Sinn gegeben. Das Ereignis von Golgatha hat sich ab­gespielt. Sehernaturen, die aber zum größten Teil Sehernaturen im alten Stile waren, haben als Evangelisten dieses Ereignis aufge­zeichnet. Paulus, dem auf eine andere Art die Sehernatur aufgegan­gen ist - wir haben auch das charakterisiert -, Paulus, der durch dasjenige, was man das Ereignis von Damaskus nennt, geistig den Christus geschaut hat, den er so lange geleugnet hatte, als er nur auf dem physischen Plan von ihm hörte, er hat das Mysterium von Golgatha aufgezeichnet. Aus diesen Aufzeichnungen heraus haben eine Anzahl von Menschen die Verbindung ihrer Seele mit diesem

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Christus-Ereignis gefunden. Durch diese Verbindung mit dem Chri­stus-Ereignis bei einzelnen Menschen breitete sich das Christentum aus. Zuerst war es unterirdisch vorhanden, so daß wirklich das Bild immer wieder vor unsere Seele treten kann: Im alten Rom, unten unter der Erde, halten Christen, diejenigen, die schon das Myste­rium von Golgatha mit der Seele begriffen haben, ihren Gottes­dienst ab. Droben geht dasjenige vor, was auf der Höhe der Zeit steht, was der eigentliche Inhalt der Zeitkultur ist. Einige Jahr­hunderte vergehen. Dasjenige, was unten in den Katakomben vor sich gegangen ist, verborgen, verachtet, das erfüllt die Welt. Und dasjenige, was Zeitinhalt war, die alte römische Geisteskultur, ver­schwindet. Das Christentum breitet sich aus. Aber die Zeit ist heute herangekommen, wo die Menschen angefangen haben zu denken, wo sie gescheit geworden sind, wo sie autoritätsfrei geworden sind. Denker sind aufgetreten, die die Evangelien geprüft haben: ehrliche Denker, gescheite Denker. Ehrenwerte Männer sind sie alle. Sie sind dahintergekommen, daß keine historischen Zeugnisse in den Evangelien vorliegen. Sie haben diese Evangelien durch Jahrzehnte hindurch mit ernster kritischer Arbeit durchstudiert. Sie sind dar­auf gekommen, daß in den Evangelien keine wirklichen geschicht­lichen Zeugnisse vorliegen, daß der Christus Jesus jemals gelebt hat. Nichts ist einzuwenden gegen die kritische Arbeit. Fleißig ist sie. Wer sie kennt, weiß von ihrem Fleiße; wer sie kennt, weiß von ihrer Gescheitheit. Man hat keinen Grund, sie leichten Herzens zu verachten, diese kritische Weisheit. Aber was liegt denn eigentlich in Wirklichkeit vor? Das liegt vor, daß die Menschen gar nicht sehen, worauf es im Grunde ankommt. So bequem hat es der Chri­stus Jesus den Menschen nicht machen wollen, daß hinterher Histo­riker auftreten können, die so bequem das Dasein des Christus auf der Erde nachweisen können, wie das Dasein Friedrichs des Großen nachzuweisen ist. So bequem hat es der Christus den Menschen nicht machen wollen - auch nicht machen sollen. So wahr es ist, daß diese kritische Arbeit über die Evangelien gescheit und fleißig ist, so wahr ist es auch, daß eben auf diese Weise gar nicht das Dasein des Christus bewiesen werden soll, denn das wäre ein materialistischer

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Beweis. Bei allem, was man auf äußere Weise beweist, ist Ahriman mit im Spiel. Aber Ahriman soll nie bei dem Christus-Beweise im Spiele sein; daher gibt es keine historischen Beweise. Daher wird die Menschheit erkennen müssen: Der Christus muß, trotzdem er auf der Erde gelebt hat, durch inneres Erkennen gefun­den werden, nicht durch historische Urkunden. Das Christus-Ereignis muß an den Menschen kommen auf geistige Weise, da darf sich nichts von materialistischem Wahrheitsforschen hinein-mischen. Es darf sich nichts Materialistisches hineinmischen.

Das wichtigste Ereignis für die Erdenentwickelung wird niemals auf materialistische Weise bewiesen werden können, gleichsam weil durch die Weltgeschichte den Menschen gesagt werden soll:

Eure materialistischen Beweise, dasjenige, was ihr überhaupt in dem materialistischen Zeitalter noch als Beweise gelten lassen wollt, das gilt nur für dasjenige, was im Felde der Materie vorhanden ist. Für das Geistige sollt und dürft ihr keine materialistischen Beweise haben. Da dürfen sogar diejenigen recht haben, die auch die histo­rischen Urkunden zerfasern. Gerade mit Bezug auf das Christus-Ereignis muß in unserem Zeitalter verstanden werden, daß man zu dem Christus nur hinkommen kann auf geistige Art. Niemals wird man ihn in Wirklichkeit auf äußere Art finden. Man kann es sich sagen lassen, daß er existiert, aber wirklich finden kann man den Christus nur auf geistige Art. Das ist wichtig zu bedenken, daß in dem Christus-Ereignis ein Ereignis da ist, über das alle diejenigen im Mißverständnis leben müssen, die keine geistige Erkenntnis zulassen wollen.

Es ist merkwürdig: Wenn man das ausspricht, was ich jetzt aus­gesprochen habe, daß der Christus auf geistige Weise erkannt wer­den kann - auch dasjenige, was historisch ist, auf geistige Weise erkannt werden kann -, dann zerbrechen sich gewisse Leute dar-über den Kopf, daß das ja eigentlich gar nicht möglich sei, und wenn es einer sage, so könne es nicht wahr sein! - Ich habe das wiederholt ausgesprochen. Nun, unsere verehrten anthroposophi­schen Mitglieder sind noch so, daß sie da oder dort an ungehörigem Orte manches durchsickern lassen, weil sie das noch immer nicht

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im Herzen tragen und nicht in die rechte Gesinnung gießen, was sie im Herzen haben. Da drang es zu einem Manne durch, an den es in einer besonderen Form herangebracht wurde, ich hätte ein­mal gesagt - es ist dies zwar eine persönliche Bemerkung, aber vielleicht darf ja einmal eine persönliche Bemerkung gemacht wer­den -: Persönlich sei ich gar nicht von der Bibel ausgegangen mit Bezug auf meine Jugendentwickelung, sondern ich sei von der Natur­wissenschaft ausgegangen, und ich betrachte es als von besonderer Wichtigkeit, daß ich diesen Geistesgang genommen habe und eigentlich von der inneren Wahrheit desjenigen, was in der Bibel steht, überzeugt war, bevor ich sie gelesen hatte; daß ich klar war darüber, als ich dann äußerlich die Bibel gelesen habe, daß ich also in mir die Probe gemacht habe, daß man auf geistige Weise den Inhalt der Bibel finden könne, bevor man ihn nachträglich auf äußerliche Weise findet.

Es hat dies persönlichen Charakter, aber es kann zur Illustration dienen. Nun, das kam in ungeziemender Weise an einen Mann heran, der nicht verstehen kann, daß es so etwas gibt, denn er ist, verzeihen Sie, Theologe. Er konnte das nicht verstehen. Da wollte er in einem Vortrage seinen Znhörern die Sache klarmachen, und er tat es auf folgende Weise: Er las in einem Buch, daß ich einmal Ministrantendienste geleistet habe. Ministranten, das sind also Meß­knaben, Knaben, die bei der Messe Handreichungen machen. Da sagte er sich: Wer das getan hat, der kann ja unmöglich gar nicht die Bibel kennengelernt haben. Steiner übersieht eben, daß er da ja genau die Bibel kennengelernt hat. Später kamen ihm diese Sachen dann nur von dem Bibelkennen her. - Ja, diese Sache hat aber Häkchen, man kann sagen Haken. Erstens ist die ganze Ge­schichte nicht wahr, aber das geniert ja heute die Leute nicht, etwas als tatsächlich zu behaupten, was nicht wahr ist. Zweitens lernt man ja als Ministrant bei der Messe niemals die Bibel, sondern das Meßbuch; das hat nichts zu tun mit der Bibel. Aber das Wichtige ist, daß man eben berücksichtigt: Dieser Mann kann sich gar nicht vorstellen, daß es ein geistiges Verhältnis gibt. Er kann sich nur vorstellen, daß man mit den Buchstaben, und hängend an Buchstaben,

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zu dem Geistigen hinkommt. Es ist sehr wichtig, daß wir solche Dinge wissen, aber praktisch wissen. Denn nicht eher wird unsere geistige Bewegung gedeihen können, bis wir wirklich, nicht bloß äußerlich, sondern bis ins Innerste unseres seelischen Markes hinein, den Mut finden, für all das einzutreten, was mit dem ganzen Sinne und der Bedeutung unserer Weltanschauung zusammenhängt. Und man kann sagen, mit Bezug auf dieses Verbundensein mit der geistigen Welt ist wirklich ein Tiefstand eingetreten, gerade in unserem Zeitalter. Am wenigsten fühlen sich heute gerade die­jenigen Menschen, die sich für die aufgeklärtesten halten, mit der geistigen Welt verbunden. Das soll nicht als Vorwurf oder als Kritik gesagt werden, sondern das soll als Tatsache verzeichnet sein. Daher wird es ganz besonders in unserer Zeit auch wichtig sein, ein inneres Verständnis für solche bedeutsamen Weltsymbole zu beleben, wie sie uns entgegentreten in alledem - es sind ja reale Symbole, keine bloßen Symbole -, was zum Beispiel das Weih­nachtsmysterium umgibt Denn dieses Weihnachtsmysterium, das kann tief, tief sich verbinden mit der menschlichen Natur, ohne daß es sich durch den Buchstaben, durch das Lernen verbindet. Da müssen wir allerdings dann das Weihnachtsmysterium in jeder Lebenslage lebendig machen können, insbesondere in unserer eigenen Seele lebendig machen können.

Wir schauen hin, indem wir das Weihnachtsmysterium vor unserer Seele erwecken, und sagen uns: Es erinnert uns die Weihe nacht an das Herabsteigen des Christus Jesus auf den Erdenplan, an die Wiedergeburt desjenigen in dem Menschen, was verloren­gegangen ist durch die luziferische Versuchung. Diese Wiedergeburt geschieht in verschiedenen Stufen. Eine Stufe davon ist diejenige, innerhalb der wir stehen. Wiedergeboren soll werden dasjenige, was zur Weiterentwickelung verlorengehen mußte, wiedergeboren soll werden das Sich-vereinigt-Fühlen des menschlichen Herzens mit der geistigen Welt; es soll geboren werden der Christus in uns -das ist nur ein anderes Wort dafür. Gerade das, was wir wollen, was wir immer anstreben, das hängt innig zusammen mit diesem Weihnachtsmysterium. Und wir sollen schon dieses Weihnachtsmysterium

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nicht bloß so ansehen, daß wir an einem oder an zwei Tagen des Jahres unseren Weihnachtsbaum aufstellen und ihn an­schauen und da allerlei Erbauliches in uns aufnehmen, sondern wir sollen es sehen, wie es wirklich durch unser ganzes Dasein hindurch uns erscheinen kann in allem, was uns umgibt.

Wie ein Symbolum möchte ich zum Schlusse etwas hinstellen, was ein bedeutender, lang verstorbener Dichter gerade aus Emp­findungen von Weihnachten heraus geschrieben hat.

«Unsere Kirche feiert verschiedene Feste, welche zum Herzen dringen. Man kann sich kaum etwas Lieblicheres denken als Pfing­sten und kaum etwas Ernsteres und Heiligeres als Ostern. Das Traurige und Schwermütige der Karwoche und darauf das Feier­liche des Sonntags begleiten uns durch das Leben. Eines der schön­sten Feste feiert die Kirche fast mitten im Winter, wo beinahe die längsten Nächte und kürzesten Tage sind, wo die Sonne am schief­sten gegen unsere Gefilde steht, und Schnee alle Fluren deckt, das Fest der Weihnacht. Wie in vielen Ländern der Tag vor dem Ge­burtsfeste des Herrn der Christabend heißt, so heißt er bei uns der Heilige Abend, der darauf folgende Tag der Heilige Tag und die dazwischen liegende Nacht die Weihnacht. Die katholische Kirche begeht den Christtag als den Tag der Geburt des Heilandes mit ihrer allergrößten kirchlichen Feier, in den meisten Gegenden wird schon die Mitternachtsstunde als die Geburtsstunde des Herrn mit prangender Nachtfeier geheiligt, zu der die Glocken durch die stille, finstere, winterliche Mitternachtluft laden, zu der die Bewohner mit Lichtern oder auf dunkeln, wohlbekannten Pfaden aus schneeigen Bergen an bereiften Wäldern vorbei und durch knarrende Obstgärten zu der Kirche eilen, aus der die feierlichen Töne kommen und die aus der Mitte des in beeiste Bäume gehüllten Dorfes mit den lan­gen, beleuchteten Fenstern emporragt. »

Was dann das Christfest für die Kinder ist, beschreibt er weiter; dann beschreibt er, wie in einem abgelegenen alten Dorfe ein Schu­ster lebt, der sich eine Frau holt aus dem benachbarten Dorfe, nicht aus dem eigenen Dorfe; wie die Kinder dieses Schusterpaares Weih­nachten kennenlernen, eben wie Kinder es kennenlernen: eigentlich

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nur dadurch, daß man ihnen sagt, der Heilige Christ hat ihnen diese oder jene Geschenke gebracht. Und wenn sie genügend müde sind von den Geschenken, so legen sie sich an diesem Tage beson­ders ermüdet zu Bett und hören dann nicht die Mitternachtsglocke. Die Kinder haben also noch nicht die Mitternachtsglocken gehört.

Die Kinder besuchen öfters das Nachbardorf. Als sie so weit herangewachsen sind, daß sie alleine gehen können, besuchen sie die Großmutter im Nachbardorf. Die Großmutter hat die Kinder ganz besonders gern, wie es ja öfter vorkommt, daß die Großeltern die Kinder noch lieber haben als Vater und Mutter. Daher sieht die Großmutter die Kinder sehr gerne bei sich gerade da, als sie schon zu schwach ist, auszugehen. An einem Weihnachtsabend, der sich als schöner Weihnachtsabend ankündet, werden die Kinder zur Großmutter geschickt. Die Kinder gehen hinüber am Vormittag, nachmittags sollten sie zurückkehren, wie das ja auf dem Lande möglich ist, von Dorf zu Dorf, um dann eben am Abend zu Hause den Christbaum zu finden. Aber der Tag läßt sich anders an, als er veranlangt war. Die Kinder kommen in einen furchtbaren Schnee-sturm hinein. Sie irren über die Berge. Sie kommen vom Wege ab, kommen in eine ganz unwegsame Gegend, in einen furchtbaren Schneesturm.

Es wird sehr schön beschrieben, was da die Kinder durchmachen; wie sie ein Naturgeschehnis vor sich haben in der Nacht. Es wird wünschenswert sein, daß ich Ihnen diese Stelle vorlese, denn man kann sie nicht so schön nacherzählen, wie sie da geschildert wird; es kommt eigentlich auf jedes Wort an. Die Kinder sind gerade auf eine Eisfläche gekommen. Im Gletscher sind sie drinnen. Sie hören hinter sich das Krachen der Gletscher in der Nacht. Sie können sich denken, was das für einen Eindruck auf die Kinder macht. -Da fließt die Erzählung weiter:

«Auch für die Augen begann sich etwas zu entwickeln. Wie die Kinder so saßen, erblühte am Himmel vor ihnen ein bleiches Licht mitten unter den Sternen und spannte einen schwachen Bogen durch dieselben. Es hatte einen grünlichen Schimmer, der sich sachte nach unten zog. Aber der Bogen wurde immer heller und

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heller, bis sich die Sterne vor ihm zurückzogen und erblaßten. Auch in andere Gegenden des Himmels sandte er einen Schein, der schimmergrün, sachte und lebendig unter die Sterne floß. Dann standen Garben verschiedenen Lichtes auf der Höhe des Bogens wie Zacken einer Krone und brannten. Es floß helle durch die benachbarten Himmelsgegenden, es sprühte leise und ging in sanf­tem Zucken durch lange Räume. Hatte sich nun der Gewitterstoff des Himmels durch den unerhörten Schneefall so gespannt, daß er in diesen stummen, herrlichen Strömen des Lichtes ausfloß, oder war es eine andere Ursache der unergründlichen Natur: nach und nach wurde er schwächer und immer schwächer, die Garben er­loschen zuerst, bis es allmählich und unmerklich immer geringer wurde, und wieder nichts am Himmel war als die tausend und tausend einfachen Sterne.>

Die Kinder saßen so die Nacht durch. Sie hörten nichts von einem Glockenklange von unten. Sie haben nur Schnee und Eis um sich, und die Sterne und die nächtliche Erscheinung über sich, im Gebirge, von der sie bis dahin nichts gehört hatten. - Die Nacht vergeht. Man war besorgt um die Kinder. Das ganze Dorf wurde ausgeschickt, die Kinder zu suchen. Man fand die Kinder und brachte sie nach Hause. Ich will alles übrige übergehen, will nur sagen, daß die Kinder fast erstarrt waren vor Kälte, daß sie ins Bett gebracht wurden, und es wurde ihnen gesagt, daß sie ihre Weihnachtsgeschenke bekommen würden. Die Mutter ging zu den Kindern hinein. Das wird so erzählt:

«Die Kinder waren von dem Getriebe betäubt. Sie hatten noch etwas zu essen bekommen, und man hatte sie in das Bett gebracht. Spät gegen Abend, da sie sich ein wenig erholt hatten, da einige Nachbarn und Freunde sich in der Stube eingefunden hatten und dort von dem Ereignisse redeten, die Mutter aber in der Kammer an dem Bettchen Sannas saß und sie streichelte, sagte das Mäd­chen: »

Es ist eine wunderschöne Darstellung. Die Kinder waren auf­gewachsen ohne irgendeine Belehrung über das Weihnachtsfest; sie

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mußten die Weihenacht gerade in einer so furchtbaren Situation zubringen, oben auf den Bergen, in Schnee und Eis, nur die Sterne über sich, und diese Naturerscheinung. Sie werden aufgefunden, nach Haus gebracht, und das Mädchen sagt: «Mutter, ich habe heute nacht den heiligen Christ gesehen !» - Gesehen! Gesehen! Sie hat ihn gesehen! - so sagt sie.

Es ist schon ein tiefer Sinn darin, wenn gesagt wird - was wir ja auch im Zusammenhang unserer Geisteswissenschaft schon oft betont haben -, daß wir den Christus nicht nur da finden können, wo wir ihn finden in der Entwickelung der Erdenzeit, historisch hineingestellt im Beginn unserer Zeitrechnung, da wo der Kultus ihn uns zeigt, sondern daß wir ihn finden können überall, gerade wenn wir in den ernstesten Augenblicken des Lebens der Welt gegenübergestellt sind! Wir können den Christus schon finden. Und auch wir, ich möchte sagen, wir Geistesschüler können ihn finden, wenn wir nur genügend davon überzeugt sind, daß ja all unser Streben darauf hingehen muß, daß ein Geistiges wieder in der Menschheitsentwickelung geboren werde und daß dieses Gei­stige, das da durch besondere Betätigung der menschlichen Seelen und Herzen geboren werden muß, daß das auf Grundlage des­jenigen geschehe, was der Erdenentwickelung geboren ist dadurch, daß das Mysterium von Golgatha sich vollzogen hat. Das ist etwas, was wir aufnehmen wollen in dieser Zeit. Können Sie, meine lieben Freunde, in den Tagen, von denen wir heute gesprochen haben und die jetzt nahen, ein richtiges inneres Gefühl finden von dem Wer­den und Weben des äußeren Erdendaseins, in seiner Ähnlichkeit mit dem Schlafen und Wachen des Menschen, können Sie ein tie­feres Miterfühlen des äußeren Geschehens erleben, dann werden Sie immer mehr und mehr die Wahrheit des Wortes empfinden:

«Der Christus ist da! » Wie er selbst gesagt hat: «Ich bleibe bei euch, bis an das Ende der Erdenzeiten! »

Und er ist immer zu finden, wenn man ihn nur sucht. Das soll der Gedanke sein, der uns stärkt, der uns kräftigt gerade an dem in unserem Sinne gehaltenen Weihnachtsfest. Nehmen wir ihn auf, diesen Gedanken, und versuchen wir, mit diesem Gedanken dasjenige

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zu finden, was wir ja als den eigentlichen Gehalt, die eigent­liche Tiefe unseres geisteswissenschaftlichen Strebens ansehen müs­sen. Verwenden wir damit unsere Zeit, gerade eine so gestärkte Seele dazu, um uns im richtigen Sinne zu dieser Zeit zu stellen, wie wir es jetzt wiederum machen wollen, indem wir von der all­gemeinen Betrachtung, die wir über die geistige Welt angestellt haben, mit dem Gefühl, das uns aus dieser Betrachtung werden kann, unsere Seele stärkend, nun hinblicken zu den Geistern der­jenigen, die auf den großen Feldern der Ereignisse stehen:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe,

Eurer Hut vertrauten Erdenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsere Bitte helfend strahle,

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und für diejenigen, die schon durch die Pforte des Todes ge­gangen sind:

Geister Eurer Seelen, wirkende Wächter,

Eure Schwingen mögen bringen

Unserer Seelen bittende Liebe,

Eurer Hut vertrauten Sphärenmenschen,

Daß, mit Eurer Macht geeint,

Unsere Bitte helfend strahle,

Den Seelen, die sie liebend sucht.

Und der Geist, an den wir uns gerade erinnern wollten in diesen Tagen, der Geist, dessen Wesen wir in unser eigenes Wesen in Demut und Hingebung aufnehmen wollen, der Geist, von dem uns veranschaulicht wird, wie er sich für sein Erdendasein bestimmt hat durch das Weihnachts-Weihefest, der Geist, der dann durch das Mysterium von Golgatha gegangen ist, der sei mit Euch und Euren schweren Pflichten.

#SE157-432

Das Traumlied vom Olaf Asteson

I. So höre meinen Sang!

Ich will dir singen

Von einem flinken Jüngling:

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

2. Er ging zur Ruh' am Weihnachtsabend.

Ein starker Schlaf umfing ihn bald,

Und nicht konnt' er erwachen,

Bevor am dreizehnten Tag

Das Volk zur Kirche ging.

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

Er ging zur Ruh' am Weihnachtsabend.

Er hat geschlafen gar lange!

Erwachen konnt' er nicht,

Bevor am dreizehnten Tag

Der Vogel spreitet die Flügel!

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

Nicht konnte erwachen Olaf,

Bevor am dreizehnten Tag

Die Sonne über den Bergen glänzte.

Dann sattelt' er sein flinkes Pferd,

Und eilig ritt er zu der Kirche.

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

#SE157-433

Schon stand der Priester

Am Altar lesend die Messe,

Als an dem Kirchentore

Sich Olaf setzte, zu künden

Von vieler Träume Inhalt,

Die in dem langen Schlafe

Die Seele ihm erfüllten.

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

Und junge und auch alte Leute,

Sie lauschten achtsam der Worte,

Die Olaf sprach von seinen Träumen.

Es war das Olaf Ästeson,

Der einst so lange schlief.

Von ihm will ich dir singen.

3. «Ich ging zur Ruh' am Weihnachtsabend.

Ein starker Schlaf umfing mich bald;

Und nicht konnt' ich erwachen,

Bevor am dreizehnter Tag

Das Volk zur Kirche ging.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Erhoben ward ich in Wolkenhöhe

Und in den Meeresgrund geworfen,

Und wer mir folgen will,

Ihn kann nicht Heiterkeit befallen.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Erhoben ward ich in Wolkenhöhe

Gestoßen dann in trübe Sürnpfe,

Erschauend der Hölle Schrecken

Und auch des Himmels Licht.

#SE157-434

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Und fahren mußt' ich in Erdentiefen,

Wo furchtbar rauschen Götterströme.

Zu schauen nicht vermocht' ich sie,

Doch hören konnte ich das Rauschen.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Es wiehert' nicht mein schwarzes Pferd,

Und meine Hunde bellten nicht,

Es sang auch nicht der Morgenvogel,

Es war ein einzig Wunder überall.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Befahren mußt' ich im Geisterland

Der Dornenheide weites Feld,

Zerrissen ward mir mein Scharlachmantel

Und auch die Nägel meiner Füße.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Ich kam an die Gjallarbrücke.

In höchsten Windeshöhen hänget diese,

Mit rotem Gold ist sie beschlagen

Und Nägel mit scharfen Spitzen hat sie.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Es schlug mich die Geisterschlange,

Es biß mich der Geisterhund,

Der Stier, er stand in Weges Mitte.

Das sind der Brücke drei Geschöpfe.

Sie sind von furchtbar böser Art.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

#SE157-435

Gar bissig ist der Hund,

Und stechen will die Schlange,

Der Stier, er dräut gewaltig!

Sie lassen keinen über die Brücke,

Der Wahrheit nicht will ehren!

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Ich bin gewandelt über die Brücke,

Die schmal ist und schwindelerregend.

In Sämpfen mußt' ich waten...

Sie liegen nun hinter mir!

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

In Sümpfen mußt' ich waten,

Sie schienen bodenlos dem Fuß.

Als ich die Brücke überschritt,

Da fühlt' ich im Munde Erde

Wie Tote, die in Gräbern liegen.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

An Wasser kam ich dann,

In welchen wie blaue Flammen

Die Eismassen hell erglänzten...

Und Gott, er lenkte meinen Sinn,

Daß ich die Gegend mied.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

Zum Winterpfad lenkt' ich die Schritte.

Zur Rechten konnt' ich ihn sehn:

Ich schaute wie in das Paradies,

Das weithin leuchtend strahlte.

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

#SE157-436

Und Gottes hohe Mutter,

Ich sah sie dort im Glanze!

Nach Brooksvalin zu fahren,

So hieß sie mich, kündend,

Daß Seelen dort gerichtet werden!

Der Mond schien hell

Und weithin dehnten sich die Wege.

4. In andern Welten weilte ich

Durch vieler Nächte Längen;

Und Gott nur kann es wissen,

Wie viel der Seelennot ich sah -

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Ich konnte schauen einen jungen Mann,

Er hatte einen Knaben hingemordet:

Nun mußte er ihn ewig tragen

Auf seinen eignen Armen!

Er stand im Schlamme so tief

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Einen alten Mann auch sah ich,

Er trug einen Mantel wie von Blei;

So ward gestraft, daß er

Im Geize auf der Erde lebte,

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Und Männer tauchten auf,

Die feurige Stoffe trugen;

Unredlichkeit lastet

Auf ihren armen Seelen

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

#SE157-437

Auch Kinder konnt' ich schauen,

Die Kohlengluten unter ihren Füßen hatten;

Den Eltern taten sie im Leben Böses,

Das traf gar schwer ihre Geister

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Und jenem Hause zu nahen,

Es ward mir auferlegt,

Wo Hexer Arbeit leisten sollten

Im Blute, das sie im Leben erzürnt,

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Von Norden her, in wilden Scharen,

Da kamen geritten böse Geister,

Vom Höllenfürsten geleitet,

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Was aus dem Norden kam,

Das schien vor allem böse:

Voran ritt er, der Höllenfürst,

Auf seinem schwarzen Rosse

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Doch aus dem Süden kamen

In hehrer Ruhe andre Scharen.

Es ritt voran Sankt Michael

An Jesu Christi Seite

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

Die Seelen, die sündenbeladen,

Sie mußten angstvoll zittern!

Die Tränen rannen in Strömen

Als böser Taten Folgen

#SE157-438

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

In Hoheit stand da Michael

Und wog die Menschenseelen

Auf seiner Sündenwaage,

Und richtend stand dabei

Der Weltenrichter Jesus Christ

In Brooksvalin, wo Seelen

Dem Weltgerichte unterstehen.

5. Wie selig ist, wer im Erdenleben

Den Armen Schuhe gibt;

Er braucht nicht mit nackten Füßen

Zu wandeln im Dornenfeld.

Da spricht der Waage Zunge,

Und Weltenwahrheit

Ertönt im Geistesstand.

Wie selig ist, wer im Erdenleben

Den Armen Brot gereicht!

Ihn können nicht verletzen

Die Hunde in jener Welt.

Da spricht der Waage Zunge,

Und Weltenwahrheit

Ertönt im Geistesstand.

Wie selig ist, wer im Erdenleben

Den Armen Korn gereicht!

Ihm kann nicht drohen

Das scharfe Horn des Stieres,

Wenn er die Gjallarbrücke überschreiten muß.

Da spricht der Waage Zunge,

Und Weltenwahrheit

Ertönt im Geistesstand.

#SE157-439

Wie selig ist, wer im Erdenleben

Den Armen Kleider reicht!

Ihn können nicht erfrieren

Die Eisesmassen in Brooksvalin.

Da spricht der Waage Zunge,

Und Weltenwahrheit

Ertönt im Geistesstand. »

6. Und junge und auch alte Leute,

Sie lauschten achtsam der Worte,

Die Olaf sprach von seinen Träumen.

Du schliefest ja gar lange...

Erwache nun, o Olaf Ästeson!

HINWEISE

#G157-1960-SE440 Menschenschicksale und Völkerschicksale

#TI

HINWEISE

ZU «MENSCHENSCHICKSALE UND VÖLKERSCHICKSALE»

#TX

12 den Bau, den wir als eine Warte für das geistige Lehen der neueren Zeit errichten wollen:

Siehe Rudolf Steiner, Der Baugedanke des Goetheanum (1921), mit 104 Ab­bildungen des ersten Goetheanumbaues in Dornach, 2. Auflage Stuttgart 1958

15 am 26. Juli konnte ich in Dornech . . . die Worte sprechen:

Wege zu einem neuen Baustil (1914>, mit 16 Abbildungen des ersten Goetheanumbaues, 2. Auflage Stuttgart 1957

18 Anleitung zu solchem Verhinden:

Vom 13. bis 16. August 1914 hielt Rudolf Steiner in Doinach einen Sama­riterkurs.

20 Du meines Erdenraumes Geist:

Rudolf Steiner änderte später die Zeile «Dich, tönend von Lob und Macht» in «Dich, tönend von Licht und Macht.. Siehe Wahrspruchworte - Richt­spr,ichworte, 3. Auflage Dornach 1951

25 Vortragszyklus über die Volksseelen:

Die Mission einzelner Volksseelen im Zusammenhange mit der germanisch-nor­dischen Mythologie (1910), 2. Auflage Dornach 1951

28 im letzten öllentlichen Vortrag:

29. Oktober 1914 «Goethes Geistesart in unsern schicksalsschweren Tagen und die de'iische Kultur», abgedruckt in: Aus schicksaitragender Zeit (1914/15>, Dornach 1959

29 Das hahe ich vor einigen Tagen dort getan:

Der Dornacher Bau als Wahrzeichen geschichtlichen Werdens und künst­lerischer Umwandlungsimpulse (1914), Dornach 1937

32 Goethes Parhenlehre:

Goethes Naiurwissenschafdiche Schriften, herausgegehen von Rudolf Steiner, mit Einleitungen und Kommentaren von Rudolf Steiner, Band III: Farhen­lehre, 2. Auflage Bern 1947

36 Wir hahen innerhalb unserer Bewegung ... Solovjeff ueehersetzen lassen:

Wladimir Solovjeff, Ausgewählte Werke, übersetzt von Harry Köhler, mit einer Einführung von Rudolf Steiner, Stuttgart 1921, ferner Gedichte von Wladimir Solovjeff, übertragen von Marie Steiner» 2. Auflage Dornach 1949

#SE157-441

42 Mereschkowski in dem Buch, das ich vorgestern angeführt habe:

Der Anmrrsch des Pöbels, München 1907

44 Die Individevalität, die damals hingemordet worden ist:

Franz Ferdinand, Erzherzog von Österreich, am 28. Juni1914

47 in öffentlichen Vorträgen, wie sie gestern und vorgestern gegeben werden mußten:

Vortrag vom 26. November 1914: Die Menschenseele in Leben und Tod; Vor­trag vom 27. November 1914: Die Seelen der Völker. Beide abgedruckt in:

Aus schicksaltragender Zeit (1914/15), Dornach 1959

78 im öffentlichen Vortrag «Die germanische Seele und der deutsche Geist»:

abgedruckt in: Aus schicksaltragender Zeit, Dornach 1959

81 Wie Goethe den Repräsentanten der Menschheit, den Faust, hinstellt:

Siehe hierzu Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Erläuterungen zu Goethes Faust. Band I: Faust, der strebende Mensch (16 Vorträge aus den Jahren 1910, 1915/16), 2. Auflage Freiburg 1955. Band II: Das Faust-Problem. Die roman­tische und die klassische Walpurgisnacht (12 Vorträge und eine Ansprache aus den Jahren 1916-19), 2. Auflage Freiburg 1956

84 im ersten öffentlichen Vortrag hier in Berlin:

Vergleiche Hinweis zu Seite 28

85 Anatole Prance:

Vie de Jeanne d'Arc, 2 Bände, 49. Auflage Paris 1927

94 Olaf Asteson: Siehe Seite 407 und 432 ff.

Vgl. Rudolf Steiner, Weltenneujahr - Das Tratllllied vom Olaf Ästeson, Dornach 1958

102 von Goethes Märchen ... bis zur Dramatisierung der Grundk,'äfte der Ein­weihung:

Rudolf Steiner, Goethes Geistesart in ihrer Offenbutueng durch seinen Faust und durch das Märchen »Von der Schlange und der Lilie» (1918), 6. Auf­lage Dornach 1956 und Steiner, Vier Mysteriendramen (1910-13). 2. Auflage in einem Band Dornach 1956

110 Broschüre . . . von Professor Dr. O. Binswanger:

Die seelischen Wirkungen des Krieges. In der Reihe: Der Deutsche Krieg, Politische Flugschriften, Stuttgart-Berlin 1914

150 Mach-Zitat:

E. Mach, Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, Jena 1900, Seite 3

#SE157-442

152 Wiener-Zyklus:

Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt (1914), Dornach 1960

195 Julius Mosen:

»Ritter Wahn» erschien 1831; Neuauflage angeregt durch die Ausführungen Rudolf Steiners im Verlag Der Kommende Tag AG, Stuttgart 1921; «Ahasver» 1838

198 Alhambra von Auffenberg:

Epos in dramatischer Form von Joseph von Auffenberg. Erschienen in drei Teilen 1828-30

215 Ernst Renan an David Friedrich Strauß:

Brief vom 13. September 1870. David Strauß, Gesammelte Schriften, Bonn 1876-78, Band I, Seite 311 f.

229 in meiner Schrift «Die Erziehung des Kindes»:

Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft (1907). Innerhalb der Gesamtausgabe in: Luzifer-Gnosis - Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie aus den Jahren 1903-1908, Dornach 1959

237 Die plastische Gruppe für den Bau:

Vergleiche Rudolf Steiner, Der Baugedanke des Goetheanum, mit 104 Abbil­dungen des ersten Goetheanum, Stuttgart 1958

253 Schluß des Vortrages:

Das Mantram, das von Rudolf Steiner damals immer gesprochen worden ist, fehlt in der Nachschrift.

261 f. Emerson-Zitate:

Aus: Repräsentanten des Menschengeschlechts. Zitiert nach der Übersetrung von Herman Grimm, Fünfzehn Essays, Dritte Folge, Berlin 1882

266 f. Jushakow:

Sergius Jushakow (1849-1910), Der englisch-russische Konflikt, Petersburg 1885

271 Hebbel-Tagehuch:

»Nach der Seelenwanderung ist es möglich, daß Plato jetzt wieder auf der Schulbank Prügel bekommt, weil er den Plato nicht versteht.» Tagebücher Nr.1335

273 das Atom:

Vortrag vom 23. Dezember 1904, abgedruckt in »Was in der Anthroposo­phischen Gesellschaft vorgeht - Nachrichten für deren Mitglieder», 24. Jg.

(1947), Nr.45-47

#SE157-443

290 d'Annunzio . . . in Wirklichkeit heißt er ja anders:

Die Annahme, daß d'Annuntio sich seinen Namen selbst beigelegt habe, war damals (1915) weit verbreitet, ist jedoch später auf Grund von amtlichen Dokumenten bestritten worden.

#SE157-444

#TI

HINWEISE

ZU «SCHICKSALSBILDUNG UND LEBEN NACH DEM TODE»

#TX

347 Wiener-Zyklus:

Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt (1914), Dornach 1960

354 Vortrag im Juli:

Siehe: Menschenschicksale und Völkerschicksale, Vierzehnter Vortrag vom 6. Juli1915

355 Vortragszyklus über Apokalypse:

Die Apokalypse des Johannes (1908), 4. Auflage Dornach 1954

374 Die Herzen müssen oftmals das Karma deuten:

Theodora zu Strader in »Der Hüter der Schwelle» (4. Bild)

382 Öffentlicher Vortrag:

Menschenseele und Menschengeist (10. Dezember 1915), abgedruckt in:

Rudolf Steiner, Das Weltbild des deutschen Idealismus, Dornach 1960

384 «Hofrat Eysenhardt»:

Alfred Freiherr von Berger, Hofrat Eysenhardt, Wien o. J.

400 Prüfung der Seele: 5. Bild (Balde zu Capesius)

Die Leihlichkeit ist das Ende der Wege Gottes:

Bei Oetinger steht in «Biblisches Wörterbuch» unter «Leib»: »Die Leiblich­keit ist das Ende der Werke Gottes.» Bereits zu Lebzeiten Oetingers wurde der Satz zitiert in der Form: »Die Leiblichkeit ist das Ende der Wege Gottes.» So auch Rothe in dem von Rudolf Steiner herangezogenen Werk von Carl August Auberlen, Die Theosophie Friedrich Christoph Oedngers nach ihren Grundzügen, Tübingen 1847

ältere Theosophen:

u. a. Jakob Böhme (1575-1624), Joh. Albrecht Bengel (1687-1752), Fried­rich Christoph Ottinger (1702-1782)

403 einer der öffentlichen Vorträge:

Die ewigen Kräfte der Menschenseele (3. Dezember 1915), abgedruckt in:

Rudolf Steiner, Das Weltbild des deutschen Idestlismus, Dornach 1960

407 Olaf Asteson:

Vgl. Rudolf Steiner, Weltenneujahr - Das Trausslied vom Olaf Ästeson, Dornach 1958

#SE157-445

413 Fritz Mauthner:

Beiträge zu einer Kritik der Sprache, 3 Bände, und Wörterbuch der Philo-sophie, 3 Bände, München 1910

415 Skepsis und Mystik:

Gustav landauer, Skepsis und Mystik, Berlin 1903

427 Bedeutender Dichter:

Adalbert Stifter. Die vorgelesenen Stellen sind aus der Novelle «Bergkristall «

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.