GA 106

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Ägyptische Mythen
und Mysterien

im Verhältnis zu den wirkenden
Geisteskräften der Gegenwart

Ein Zyklus von zwölf Vorträgen
gehalten in Leipzig
vom 2. bis 14. September 1908

GA 106

1992

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Leipzig, 2. September 1908

Wenn wir uns fragen, was Geisteswissenschaft den Menschen sein soll, so werden wir wohl aus allerlei Empfindungen und Gefühlen heraus, die wir uns im Verlaufe unseres Arbeitens auf diesem Gebiete gebildet haben, eine Antwort immer wieder vor unsere Seele stellen: Es soll uns sein Geisteswissenschaft ein Weg zur höheren EntwickeIung unserer Menschheit, des Menschentums in uns.

Damit haben wir ein in gewisser Beziehung für jeden denkenden und fühlenden Menschen selbstverständliches Lebensziel hingestellt, ein Lebensziel, das einschließt die Erreichung der höchsten Ideale, das aber auch einschiießt die Entfaltung der bedeutsamsten, tiefsten Kräfte in unserer Seele. Im Grunde haben die Besten der Menschen zu allen Zeiten sich die Frage gestellt: Wie kann der Mensch das, was in ihm veranlagt ist, richtig zur Entfaltung bringen? - Und in der mannigfachsten Art sind Antworten gegeben worden. Man kann vielleicht keine, die kürzer und bündiger ist, finden als diejenige, die aus einer tiefen Gesinnung heraus Goethe gegeben hat in den «Geheimnissen»:

Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet.

viel und ein tiefer Sinn liegt in diesen Worten, denn klar und prägnant zeigen sie uns das, worauf es ankommt in bezug auf alle Entwickelung. Darauf kommt es an, daß der Mensch sein inneres Empfinden dadurch entwickelt, daß er über sich selbst hinauskommt. Dadurch finden wir, daß wir uns sozusagen über uns selbst erheben. Die Seele, die sich überwindet, die findet den Weg über sich hinaus und damit zu den höchsten Gütern der Menschheit.

Es darf an dieses hehre Ziel der Geisteswissenschaft erinnert werden, wenn wir im Begriffe stehen, gerade ein solches Thema zu behandeln wie das, das uns hier beschäftigen soll. Es wird uns zunächst hinausführen von dem gewöhnlichen Horizonte des Lebens

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zu hohen Angelegenheiten. Weite Zeiträume werden wir zu überblicken haben, wenn wir behandeln sollen unseren Gegenstand, eine Zeitepoche, die sich erstrecken soll von dem alten Ägypten bis in unsere Zeit. Jahrtausende sind es, die wir zu überblicken haben, und es wird das, was wir gewinnen wollen, wirklich etwas sein, was mit unseren tiefsten Seelenangelegenheiten zusammenhängen soll, was in das Innerste unseres Seelenlebens eingreift. Denn nur scheinbar ist es, daß der Mensch dadurch, daß er zu den Höhen des Lebens strebt, sich enfferne von dem, was ihm unmittelbar gegeben ist; gerade dadurch kommt er zu dem Verständnis für das, was ihn stundlich beschäftigt. Der Mensch muß von der Misere des Tages, von dem, was der Alltag bringt, abkommen und zu den großen Ereignissen der Welt- und Völkergeschichte hinaufschauen, dann erst findet er das, was die Seele als ihr Heiligstes bewahrt. Sonderbar könnte es scheinen, wenn angedeutet wird, daß Beziehungen aufgesucht werden sollen, intime Beziehungen zwischen dem alten Ägypten, den Zeiten, in denen die gewaltigen Pyramiden und die Sphinx entstanden, und unserer eigenen Gegenwart. Es könnte vorerst etwas merkwürdig erscheinen, daß man unsere Zeit dadurch besser verstehen will, daß man den Blick so weit zurückwirft. Nun werden wir gerade darum noch über viel umfassendere, weitere Zeiträume zurückblicken müssen. Aber auch das wird uns das Ergebnis liefern, das wir vor Augen haben, das wir suchen, das Ergebnis: die Möglichkeit zu finden, über uns selbst hinauszukommen.

Es kann demjenigen, der sich schon mit den elementaren Begriffen der Geisteswissenschaft gründlicher beschäftigt hat, gar nicht sonderbar erscheinen, daß man den Zusammenhang sucht zwischen weit auseinanderliegenden Zeiträumen. Denn das ist ja eine Grundüberzeugung von uns, daß die Menschenseele immer wiederkehrt, daß die Erlebnisse zwischen Geburt und Tod wiederholt für den Menschen ablaufen. Die Lehre der Wiederverkörperung ist uns immer vertrauter geworden. Indem wir das überlegen, können wir fragen: Ja, diese Seelen, die heute in uns wohnen, waren schon oft da; ist es nicht möglich, daß sie auch schon einmal im alten Ägypterlande da waren, zur Zeit der ägyptischen Kulturepoche, daß dieselben

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Seelen in uns sind, die damals aufgeschaut haben zu den gigantischen Pyramiden und den rätselhaften Sphingen im alten Ägypten?

Diese Frage ist zu bejahen. Es hat sich das Bild erneuert, und unscre Seelen haben aufgeschaut zu den alten KulturdenkmäIern, die sie heute wiedersehen. So sind es im Grunde dieselben Seelen, die damals gelebt haben, die durchschritten haben spätere Zeiträume und wieder erschienen sind in unserer Zeit. Und wir wissen, daß kein Leben ohne Frucht bleibt, wfr wissen, daß dasjenige vorhanden i:tund bleibt in der Seele, was sie an Erlebnissen und Erfahrungencht hat, daß es in Form von Kräften, im Temperamente, im Jünhigkeiten, Ar1lagen wieder erscheint in späteren Verkörpemngen. so ist die Art, wie wir heute die Natur anschauen, wie wir

das, was unsere Zeit hervorbringt, auftiehmen, die Art, wie wir heute die Welt anschauen, im alten Ägypten, dem Lande der Pyramiden, veraniagt worden. Damals sind wir so hergerichtet worden, wie wir heute hinausblicken in die physische Welt. Wie sich geheimnisvoll die weiten Zeiträume verketten, das wollen wir einmal ergründen.

Wenn wir den tieferen Sinn dieser Vorträge betrachten wollen, so müssen wir weit in unserer Erdenentwickelung zurückgehen. Wir wissen, daß unsere Erde sich oft verändert hat. Dem alten Ägypten gingen noch andere Kulturen voraus. Mit den Mitteln der okkuIten ,Forschung können wir auch noch viel weiter zurückschauen, in graueVorzeiten der Menschheitsentwickelung, und da kommen wff aller- in soiche Zeiten, in denen die Erde ganz anders aussah als Es war ganz anders auf dem Boden des alten Asiens und Afrikas. Schauen wir hellseherisch hinab in uralte Zeiten, da kom.'Den wir in jene Zeiten, wo eine gewaltige Katastrophe, durch Waseerkräfte bewirkt, auf unserer Erde stattgeftinden und deren Antlitz gründlich geändert hat. Und wenn wir noch weiter zurückgehen, so kommen wir in uralte Zeiten, in denen die Erde eine ganz andere Physiognomie hatte; da kommen wir in Zeiten, wo das, was heute zwischen Europa und Amerika den Boden des Atlantischen Ozeans bildet, oben war, Land war. Da kommen wir in eine Zeit, in der unsere Seelen in ganz anderen Leibern lebten als heute, wir kommen

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in die alte Atlantis, in uralte Zeiten, von denen die äußere Wissenschaft uns heute noch wenig Kunde geben kann.

Dann haben durch große Wasserkatastrophen diese Länder der Atlantis ihren Untergang gefunden. Andere Formen hatten damals die Leiber der Menschen, andere Formen haben diese später angenommen. Aber die Seelen, die heute in uns wohnen, wohnten auch in den alten Atlantiern. Das waren unsere Seelen. Dann bewirkte die Wasserkatastrophe eine innere Bewegung der atlantischen Völker, einen großen Völkerzug vom Westen nach dem Osten. Diese Völker waren wir selbst. Gegen das Ende der Atlantis wurde es recht bewegt, wir selbst wanderten von Westen nach Osten, durch Irland, Schottland, Holland, Frankreich und Spanien. So wanderten die VÖlker nach dem Osten und bevölkerten Europa, Asien und die Nordteile von Afrika.

Nun darf man nicht glauben, daß das, was herüberzog aus dem Westen als letzter großer Völkerzug, daß dieser auf den Gebieten, die sich nach und nach als Asien, Europa, Afrika gebildet haben, keine Völker angetroffen hätte. Fast ganz Europa, die Nordteile Afrikas und große Teile Asiens waren damals schon bevölkert. Es wurden diese Landesteile nicht nur von Westen her bevölkert, sondern sie waren schon füher bevölkert worden, so daß eine im Grunde genommen fremde Bevölkerung es war, die schon da war, auf welche dieser Völkerzug stieß. Wir können uns denken, daß, als ruhigere Zeiten eintraten, sich besondere Kulturverhältnisse heraus- hoben. Es war zum Beispiel in der Nähe Irlands ein Gebiet, da wohnten vor der Katastrophe, die Jalirtausende hinter uns liegt, die vorgeschrittensten Teile der ganzen Erdbevölkerung. Diese Teile zogen dann durch Europa unter besonderer Führung von großen Individualitäten bis in ein Gebiet Mittelasiens, und von dort aus wurden Kulturkolonien nach den verschiedensten Gegenden gesandt. Eine solche Kolonie der nachatlantischen Zeit, die dadurch entstand, daß von jener Gruppe von Menschen eine Kolonie nach Indien geschickt wurde, traf dort schon eine Bevölkerung, die seit uralten Zeiten da war, die auch eine Kultur hatte, und indem die Kolonisten das schon Vorhandene berücksichtigten, gründeten sie die

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erste nachatlantische Kultur, die viele Jahrtausende alt ist, von der äußere Dokumente kaum etwas vermeIden. Das, was diese sagen, liegt Jahrtausende später. In jenen bedeutsamen Sammiungen von Weisheit, die wir bezeichnen als die Sammlungen des Veda, in den alten Veden haben wir nur die letzten Nachklänge von dem, was geblieben ist von einer sehr frühen indischen Kultur, die von über- irdischen Wesen geleitet wurde und begründet wurde von den heiligen Rishis. Es war eine Kultur einziger Art, von der wir uns heute nur schwache Vorstellungen machen können, denn die Veden sind nur der Abglanz jener uralt heiligen indischen Kultur.

Auf diese Kultur folgte eine andere, die zweite Kulturepoche der nachatlantischen Zeit, die Kultur, aus der später die Weisheit des Zarathustra geflossen ist, die Kultur, aus der die persische hervor- gegangen ist. Lange hat die indische Kultur gedauert, lange dauerte die persische Kultur, die einen Abschluß in Zarathustra erreichte.

Dann entsteht, wieder unter dem Eiriiluß von Kolonisten, die ins Nilland geschickt wurden, die Kultur, die wir zusammenfassen können mit den vier Namen: Chaldäisch-ägyptisch-assyrisch-babylonische Kultur. In Vorderasien, in den Nordteilen Afrikas, bildete sich jene Kultur, die wir als die dritte der nachatiantischen Zeit zu bezeichnen haben, die auf der einen Seite ihren Höhepunkt in der wunderbaren chaldäischen Himmelskunde, der chaldäischen Sternenweisheit, und der anderen Seite in der ägyptischen Kultur erreicht hat.

Darin kommt ein viertes Zeitalter, das sich im Süden Europas enteckelte, das Zeitalter der griechisch-lateinischen Kultur, deren Moröte sich ausprägt in den Gesängen des Homer, die uns zeigt, was den griechischen Bildwerken offenbart werden konnte, die uns mögt eine Dichtkunst, die so Bedeutsames hervorgebracht hat wie fiie Tragödien des Äschllos und Sophokies. Auch das Römertum gehört dazu. Es ist eine Epoche, die anfängt etwa im 8. Jahrhundert, 747 vor Christus, und die dauerte bis zum 14. und 15. Jahrhundert, 1413 nach Oiristi Geburt. Von da ab haben wir den fünften Zeitraum, in dem wir uns befinden, und dieser wird abgelöst werden von einem sechsten und siebenten Zeitraum. In diesem siebenten Zeitraum wird das alte Indertum in neuer Form auftreten.

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Wir werden sehen, daß ein eigenartiges Gesetz besteht, das uns verständlich macht das Wirken wunderbarer Kräfte durch diese Zeiträume hindurch und den Zusammenhang verschiedener Kulturepochen untereinander. Blicken wir zuerst auf den ersten Zeitraum.den der indischen Kultur, so werden wir finden, daß wir später diese erste Kultur wieder aufleuchten sehen in einer neuen Gestalt im siebenten Zeitraum. In einer neuen Form wird da das alte Indertum auftreten. Ganz geheimtiisvolle Kräfte wirken da. Und den zweiten Zeitraum, den wir den persischen nannten, den werden wir im sechsten Zeitraum wieder aufleuchten sehen. Wir werden, nachdem unsere Kultur untergegangen sein wird, in der Kultur des sechsten Zeitraums aufleben sehen die Zarathustra-Religion. Und in unseren Vorträgen werden wir sehen, wie in unserem fünften Zeitraum eine Art Wiedererweckung stattfinden wird des dritten, des ägyptischen Zeitraums. Der vierte Zeitraum steht mitten darinnen; er ist etwas für sich, er hat nach vor- und rückwärts nicht seinesgleichen.

Um dies geheimnisvolle Gesetz begreiflicher zu machen, soll noch folgendes gesagt werden. Wir wissen, daß das Indertum etwas hat, was den heutigen Menschen in seinem Humanitätshewußtsein fremd berührt; das ist die Einteilung in bestimmte Kasten, die Einteilung in die Priesterkaste, Kriegerkaste, Händler und Arbeiter. Diese strenge Scheidung ist dem heutigen Bewußtsein fremd. In der ersten nachatIantischen Kultur war sie nicht etwas Fremdes, sondern etwas Selbstverständliches. Es konnte damals gar nicht anders sein, als daß nach den verschiedenen Befähigungen der Seelen die Menschheit eingeteilt wurde in vier Grade. Eine Härte wurde dabei keineswegs empfunden, denn die Menschen wurden durch ihre Führer eingeteilt, und die waren eine solche Autorität, daß dasjenige, was sie anordneten, selbstverständlich maßgebend war. Man sagte sich, daß die Führer, die sieben heiligen Rishis, die in der Atlantis selbst ihren Unterricht von göttlichen Wesen empfangen hatten, sehen konnten, an welchen Platz der Mensch gestellt werden mußte. So war eine solche Einteilung der Menschen etwas ganz Natürliches. Ganz anders wird eine Gruppierung der Menschen im siebenten Zeitraum eintreten. War es im ersten Zeitraum

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die Autorität, die die Einteilung bewirkte, im siebenten Zeitraum wird es etwas anderes sein: die Menschen werden sich gruppieren nach sachlichen Gesichtspunkten. Etwas Ähnliches sehen wir bei den Ameisen; sie bilden einen Staat, der in seinem wunderbaren Aufbau sowie auch in der Fähigkeit, eine verhältnismäßig ungeheure Aufgabe zu leisten, von keinem Menschenstaat erreicht wird. Und doch haben wir dort gerade das vertreten, was heute dem Menschen so fremd erscheint, das Kastenwesen; für jede Ameise gibt es eine parliclle Aufgabe.

Was man auch heute denken mag, die Menschen werden einseben, daß in der Teilung in sachliche Gruppen das Heil der Menschen liegt, und sie werden die Möglichkeit ftnden der Arbeitstellung und doch Gleichberechtigung. Die menschliche Gesellschaft wird erscheinen wie eine wunderbare Harmonie. Das ist etwas, was wir in den Annalen der Zukunft sehen können. So wird das alte Indien wieder erscheinen. Und in einer ähniichen Art werden gewisse Eigenarten des dritten Zeitraums wieder erscheinen im fünften Zeitraum.

Wenn wir nun zunächst auf das blicken, was uiirnittelbar unser Thema einschließt, so sehen wir da auch ein gewaltiges Gebiet: Wir sehen die gigantische Pyramide, die rätselhafte Sphinx; wir werden sehen, daß die Seelen, die den alten Indern angehörten, auch in Ägypten verkörpert waren, auch heute verkörpert sind. Und wenn wir jene allgemeine Charakteristik etwas im einzelnen verfolgen, so sollen uns zunächst zwei Erscheinungen vor Augen treten, die uns zeigen werden, wie wir schon in den überirdischen Zusammenhängen zwischen der ägyptischen und der heutigen Kultur geheimnisvolle Fäden verfolgen können. Wir haben das Gesetz der Wiederholung in den verschiedenen Zeiträumen gesehen, unendlich bedeutungsvoller wird es uns aber erscheinen, wenn wir es in der geistigen Region verfolgen.

Wir alle kennen ein Bild von tiefer Bedeutung, das uns gewiß allen einmal vor die Seele getreten ist, jenes berühmte Bild des Raffael, das durch eine Verkettung verschiedener Umstände in bedeutungsvoller Art gerade bei uns in Mitteldeutschland sich befindet:

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ich meine die Sixtinische Madonna. Wir haben vielleicht in diesem Bilde, das ja in unzähligen Nachbildungen vor vieler Augen treten kann, bewundern gelernt die wunderbare Reinheit, die über die ganze Gestalt ausgegossen ist; wir haben vielleicht auch in dem Antlitz der Mutter, in dem eigenartigen Schweben der Gestalt, etwas empfunden, vielleicht auch etwas empfunden in dem tiefen Augenausdruck des Kindes. Und wenn wir dann rundherum die Wolkengebilde sehen, aus denen zahlreiche Engelsköpfchen erscheinen, dann haben wir ein noch tieferes Gefühi, ein Gefühi, das uns begrefflicher erscheinen läßt das ganze Bild. Ich weiß, daß ich etwas Gewagtes ausspreche, wenn ich sage: Sieht jemand ganz tief und ernstlich dieses Kind im Arme der Mutter, hinter ihm die Wolken, die sich gliedern zu einer Summe von Engelsköpfchen, dann hat er die Vorstellung: Dieses Kind ist nicht auf natürliche Art geboren, es ist eins von denen, die daneben in den Wolken schweben. Dieses Jesuskindiein ist selbst solch eine Wolkengestalt, nur etwas dichter geworden, als wenn ein solches Engelchen aus den Wolken auf den Arm der Madonna geflogen wäre. Das wäre gerade ein gesundes Empfinden. Wenn wir diesen Gefühisinhalt in uns lebendig machen, dann wird sich unser Blick erweitern, er wird sich befreien von gewissen engen Auffassungen über die natürlichen Zusammenhänge des Daseins. Gerade aus einem solchen Bilde heraus wird sich der enge Blick erweitern können dazu, daß auch das, was nach heutigen Gesetzen geschehen muß, einmal anders gewesen sein könnte. Wir werden einsehen, daß einstmals eine andere als die geschlechtliche Zeugung bestand. Kurz, wir werden tiefe Zusammenhänge des Menschlichen mit den geistigen Kräften in diesem Bilde erblicken. Das liegt darinnen.

Wenn wir den Blick zurückschweifen lassen von dieser Madonna in die ägyptische Zeit, da begegnet uns etwas ganz Ähnliches, ein gleich hehres Bild. Der Ägypter hatte die Isis, jene Gestalt, an die sich das Wort knüpft: Ich bin, das da war, das da ist, das da sein wfrd. Meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.

Ein tiefes Geheimnis, unter einem tiefen Schleier verborgen, offenbart sich in der Gestalt der Isis, der lieblichen Gottesgeistig

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keit, der Isis, die in dem geistigen Bewußtsein des alten Ägypters, ebenso wie unsere Madonna mit dem Jesuskinde, mit dem Horuskinde dastand. In der Tatsache, daß uns diese Isis vorgeführt wird als etwas, was das Ewige in sich trägt, werden wir wieder erinnert an das Empflnden bei dem Anblick der Madonna. Tiefe Geheimnisse haben wir in der Isis zu sehen, Geheimnisse, die im Geistigen begründet sind. Eine Wiedererinnerung an die Isis ist die Madonna, die Isis erscheint wieder in der Madonna. Das ist ein solcher Zusammenhang. Wir müssen mit dem Gefühl die tiefen Geheimnisse erkennen,, die einen überirdischen Zusammenhang zwischen der ägyptischen und der heutigen Kultur darstellen.

Noch einen anderen Zusammenhang können wir heute hinstellen. Wir erinnern uns, wie der Ägypter seine Toten behandelte, wir eritirIern uns an die Mumien, wie der Ägypter etwas darauf gab, daß die äußere physische Form lange konserviert werde, und wir wissen, daß der Ägypter seine Gräber anfüllte mit solchen Mumien, in denen er die äußere Form erhalten hatte, und daß er dem Verstorbenen in das Grab mitgab gewisse Gerätschaften, Besitztümer, als Erinnerungen an das verflossene physische Leben, Gerätschaften, die den Bedürfnissen des physischen Lebens entsprachen. So sollte das, was der Mensch im Physischen gehabt hat, erhalten bleiben. So verband der Ägypter seine Toten mit dem physischen Plan. Dieser Brauch bildete sich immer mehr heraus. Gerade das zeichnete die alte ägyptische Kultur aus.

So etwas ist aber nicht ohne Folgen für die Seele. Denken wir daran, daß unsere Seelen in ägyptischen Körpern waren. Das ist durchaus richtig, daß unsere Seelen in diesen zu Mumien gewordenen L,eibern verkörpert waren. Wir wissen aus den Darstellungen, die früher gegeben worden sind, daß dann, wenn der Mensch von seinem physischen Leib und seinem Ätherleib nach dem Tode befreit ist, daß er dann ein anderes Bewußtsein hat, daß er dann keineswegs in einem bewußtlosen Zustande in der astralischen Welt lebt. Er leann hinunterschauen aus der geistigen Welt, wenn er auch heute nicht hinaufschauen kann, er kann aber dann hinunterschauen auf die physische Erde. Da ist es nicht gleichgültig, ob der Leib als

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Mumie konserviert ist, oder ob dieser Leib verbrannt ist oder verwest. Es entsteht dadurch eine bestimmte Art von Zusammenhang. Wir werden den geheimnisvollen Zusammenhang sehen. Dadurch, daß im alten Ägypten eine lange Zeit die Leiber konserviert geblieben sind, haben die Seelen in der Zwischenzeit nach dem Tode etwas ganz Bestimmtes erlebt. Sie wußten, wenn sie herabschauten: das ist mein Leib. Sie waren an ihn gebunden, an diesen physischen Leib, sie hatten vor sich die Form ihres Leibes; wichtig wurde den Seelen dieser Leib, denn die Seele ist eindrucksfähig nach dem Tode. Der Eitidrück, den der mumiftzierte Leib gemacht hat, prägte sich tief ein> und die Seele wurde nach diesem Eindruck geformt.

Nun ging diese Seele durch Verkörperungen in der griechisch- lateinischen Kultur hindurch> und sie lebt heute in unserer Zeit in uns. Es ist nicht wirkungslos, daß diese Seelen nach dem Tode ihren mumifizierten Leib gesehen haben, daß sie dadurch immer wieder hingelenkt wurden auf diesen Leib; gar nicht unwesentlich ist das. Sie haben ihn in ihre Sympathie aufgenommen, und die Frucht dieses Hinunterblickens tritt heute auf, im fünften Zeitraum in der Neigung, die heute die Seelen haben, großen Wert auf das äußere physische Leben zu legen. Alles das, was wir heute das Hängen an der Materie nennen, das kommt davon, daß die Seelen anschauen konnten damals aus der geistigen Welt ihre eigene Verkörperung. Dadurch hat der Mensch die physische Welt lieben gelernt, da- durch wird heute so oft gesagt, daß nur wichtig ist dieser physische Leib zwischen Geburt und Tod.

Solche Anschauungen kommen nicht aus dem Nichts. Damit soll nicht etwa eine Kritik der Mumienkultur gegeben werden, sondern es soll nur hingewiesen werden auf Notwendigkeiten, die mit der immer wiederkehrenden Verkörperung der Seele verbunden sind. Die Menschen wären in ihrer Weiterentwickelung gar nicht ohne das Hinschauen auf die Mumien ausgekommen. Heute hätte der Mensch alles Interesse an der physischen Welt verloren, hätten die Ägypter nicht den Mumienkult gehabt. Es mußte so kommen, um ein berechtigtes Interesse an der physischen Welt zu erwecken. Daß heute der Mensch sich seine Welt so eingerichtet hat, daß wir heute

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die Welt so sehen, wie wir sie sehen, das ist eine Folge davon, daß der Ägypter den physischen Leib nach dem Tode mumiflziert hat.

Denn auch diese Kulturströmung stand unter dem Einfluß von Eingeweihten, die vorausschauen konnten. Man hat nicht aus einem Einfall heraus Mumien gemacht. Gerade damals führten hohe Individualitäten die Menschheit, welche anordneten, was richtig war. Auf Autorität hin wurde das gemacht. In den Eingeweihtenschulen hat man gewußt, daß unser Zeitraum mit dem dritten Zeitraum zusammnhangt. Diese geheimnisvollen Zusammenhänge standen damals den Priestern vor Augen, und sie ordneten gerade die Mumifizierung an, damit die Seelen die Gesinnung aufnähmen, die aus der physischen, äußeren Welt geistige Erfahrung sucht.

So wird die Welt durch Weisheit geleitet; das ist ein anderes Beispiel solcher Zusammenhänge. Daß die Menschen heute so denken, wie sie denken, das ist das Ergebnis dessen, was sie erlebt haben im alten Ägypten. Da blicken wir in tiefe Geheimnisse hinein, die sich in den Kulturströmungen offenbaren. Wir haben diese Geheimnisse nur erst berührt, denn das, was gezeigt worden ist an der Madonna als einer Erinnerung an die Isis, und was wir gesehen haben an der Mumifizierung, berührt nur schwach die wirklichen geistigen Zusammeiihänge. Aber wir werden noch tiefer hineinleuchten in jene Verhältnisse, wir werden nicht nur das zu betrachten haben, was äußerlich erscheint, sondern wir werden zu betrachten haben, was dem Äußeren zugrunde liegt.

Das äußere Leben verläuft zwische`n Geburt und Tod. Ein viel längeres Leben lebt der Mensch nach dem Tode, was wir kennen als Kimaloka und die Erlebnisse in der geistigen Welt. Die Erlebnisse in den übersinnlichen Welten sind nicht etwa einförmiger als die Erlebnisse hier in der physischen Welt. Was erlebten wir denn als alte Ägypter in der anderen Welt?

Wenn wir den Blick an der Pyramide enilang schweifen ließen, wenn wir ihri richteten auf die Sphinx, wie ganz anders verfloß jenes Leben, wie ganz anders hat unsere Seele damals gelebt zwischen Geburt und Tod! Das läßt sich gar nicht vergleichen mit dem heutigen Leben, das hätte auch gar keinen Sinn. Und mannigfaltiger

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noch als die äußeren Erlebnisse sind die Erlebnisse zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Damals, als der ägyptische Zeitraum war, da erlebte die Seele etwas ganz anderes als in der griechischen Welt, als zur Zeit Karls des Großen Und als in unserer Zeit. Auch in der anderen, in der geistigen Welt, findet eine Entwickelung statt, und das, was der Mensch heute zwischen dem Tode und einer neuen Geburt erlebt, ist etwas ganz anderes, als was der alte Ägypter erlebte, wenn er mit dem Tode ablegte die äußere Gestalt. Und ebenso wie die Mumifizierung in einer Eigenart sich fortgeblldet hat, so daß sie die Ursache der heutigen Gesinnung ist, ebenso wie dieses äußere Leben vom dritten sich wiederholt in dem fünften Zeitraum, ebenso findet ein Fortgang der Entwickelung in jenen geheimnisvollen Welten zwischen Tod und Geburt statt. Auch das werden wir zu betrachten haben, auch da wird sich ein geheimnisvoller Zusammenhang ergeben. Und dann werden wir etwas zusammengetragen haben, um das wirklich zu begreifen, was in uns lebt, was in uns Frucht ist aus jener alten Zeit.

Allerdings werden wir da hinuntergeführt in tiefe Schächte des Labyrinthes der Erdenentwickelung. Aber gerade dadurch werden wir auch den vollen Bezug zwischen dem, was der Ägypter baute, der Chaldäer dachte, und dem, was wir heute leben, erkennen. Das, was damals gewirkt wurde, das werden wir wieder aufleuchten sehen in dem, was uns umgibt, in dem, was uns interessiert in unserer Umwelt. Physisch und geistig werden wir über diesen Zusammenhang Aufschlüsse erhalten. Dazu wird gezeigt werden, wie die Entwickelung fortschreitet, wie der vierte Zeitraum ein ganz wunderbares Verbindungsglied bildet zwischen dem dritten und fünften Zeitraum. Und so wird sich unsere Seele erheben zu den bedeutungsvollen Zusammenhängen der Welt, und die Frucht wird sein ein tiefes Verständnis dessen, was in uns lebt.

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ZWEITER VORTRAG Leipzig, 3. September 1908

Wir haben gestern versucht, gewisse Zusammenhänge in den L,ebensverhältnissen, namentlich auch in den geistigen Verhältnissen der sogenannten nachatlantischen Zeit, vor unsere Augen zu stellen. Wir haben gesehen, wie die erste Kulturepoche dieser Zeit sich wiederholen wird in der letzten, der siebenten Kulturepoche, wie die persische Kultur sich wiederholen wird in der sechsten Kulturepoche, und wie die Kulturepoche, die uns in den nächsten Tagen beschäftigen wird, die ägyptische, sich wiederholt in dem Leben und den Schicksalen von uns selbst, in der fünften Kultur. Von der vierten Kultur, der griechisch-lateinischen Zeit, konnten wir sagen, daß sie sich eine Ausnahmestellung bewahrt hat, daß sie keine Wiederholung erlebt. Damit haben wir skizzenhaft hinweisen können auf geheimnisvolle Zusammenhänge in den Kulturen der nachatlantischen Zeit, die auf die Zeit der Atlantis folgte, der Atlantis, die durch gewaltige Wasserkatastrophen zugrunde gegangen ist. Auch diese der Atlantis nachfolgende Zeit wird untergehen.

Am Ende unserer fünften großen Epoche, der nachatlantischen, werden auch Katastrophen folgen, die ähnlich wirken werden wie am Schluß der atlantischen Epoche. Durch den Krieg aller gealle wird die siebente Kultur der fünften Epoche ihren Abschluß den. Es waren interessante Zusammenhänge, die da angedeutet orden sind in gewissen Wiederholungen, die, wenn wir sie genauer erfolgen werden, tief hineinleuchten werden in unser Seelenleben. Heute müssen wir, womit wir uns einen Unterbau schaffen wollen, noch andere Wiederholungen vor unser geistiges Auge treten lassen. Wir werden den Blick weit hinaus schweifen lassen in das Werden unserer Erde und werden sehen, daß die weiten Horizonte uns ganz intim interessieren müssen.

Nur eine Mahnung sei noch an den Anfang gestellt, eine Warnung vor schematischen Wiederholungen. Wenn auf dem Gebiete des Okkultismus von solchen Wiederholungen die Rede ist, wie:

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die erste Kulturepoche wiederholt sich in der siebenten, die dritte in der fünften, dann kann leicht irgendeine Kombinationsgabe sich betätigen wollen und solche Schemata auch für andere Verhältnisse aufsuchen wollen. Man könnte glauben, daß man das könnte, und in der Tat wird in vielen Büchern über Theosophie mancher Unfug dadurch getrieben. Da muß denn streng gewarnt werden, daß nicht solche Kombinationen entscheiden, sondern einzig die Anschauung, die geistige Anschauung, sonst wird man fehlgehen. Vor solchen Kombinationen muß gewarnt werden. Das was wir lesen können in der geistigen Welt, läßt sich zwar durch Logik begreifen, aber nicht finden. Erleben läßt es sich nur durch die Erfahrung.

Wir müssen, wenn wir genauer die Kulturepochen verstehen wollen, uns einen Überblick verschaffen über das Werden der Erde überhaupt, wie es sich darstellt dem Seher, der in das Geschehen urferner Vergangenheit seinen geistigen Blick richten kann.

Wenn wir innerhalb dieses Werdens der Erde weit zurückblicken, dann können wir uns sagen, daß unsere Erde nicht immer so aussah wie heute. Sie hatte nicht den festen mineralischen Grund wie heute, das MineraIreich war nicht so wie heute, auch trug sie nicht solche Pflanzen und Tiere wie heute, und die Menschen waren nicht in einem fleischlichen I,eibe wie heute, der Mensch hatte kein Knochensystem. Das hat sich alles erst später gebildet. Je weiter wir zurückschauen, desto mehr nähern wir uns einem Zustand, den wir, wenn wir ihn aus den Weltenfernen hätten betrachten können, gesehen haben würden nur wie einen Nebel, wie eine feine, ätherische Wolke. Dieser Nebel würde zwar viel größer gewesen sein als unsere heutige Erde, denn dieser Nebel würde gereicht haben bis in die Fernen der äußersten Planeten unseres Sonnensystems und darüber hinaus. Das alles hätte uinfaßt eine weitreichende Nebelmasse, worin nicht allein das war, woraus sich unsere Erde gebildet hat, sondern alle Planeten, auch die Sonne selbst waren darin. Und wenn wir diese Nebelmasse genauer hätten untersuchen können - vorausgesetzt, der Beschauer hätte sich ihr nähern können -, so würde sie für uns so ausgesehen haben, wie wenn sie aus lauter

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feinen ätherischen Punkten zusammengesetzt gewesen wäre. Wenn wir einen Mückenschwarm von ferne ansehen, dann erscheint dieser uns wie eine Wolke, in der Nähe aber sehen wir die einzelnen Tierchen. So etwa hätten wir damals die Masse der Erde in urferner Vergangenheit gesehen, die damals nicht materiell war in unserem Sinne, sondern bis zum ätherischen Zustande verdichtet war. Diese Erdenbildung bestand also aus einzelnen Ätherpunkten, aber mit diesen Ätherpunkten war etwas ganz Besonderes verbunden. Wenn wir allerdings daran festhalten, daß das menschliche Auge die Punkte hätte sehen können, so hätte dieses nicht so etwas wahr- genommen, wie der Hellseher das gesehen haben würde, was er heute auch noch in der Tat rückblickend sieht. Das wollen wir uns durch einen Vergleich näherbringen.

Nehmen wir ein Samenkorn einer Rose, einer wilden Rose, ein vÖllig ausgebildetes Samenkorn. Was sieht der, der es betrachtet? Er sieht einen Körper, der sehr klein ist, und wenn er nicht gelernt hat, wie das Samenkorn der wilden Rose aussieht, so wird er niemals herauskriegen können, daß da eine Hundsrose herauswachsen kann. Das würde er aus der bloßen Form des Korns niemals erraten. Der aber, der mit einer gewissen hellseherischen Fähigkeit begabt ist, der wird folgendes erleben können. Das Samenkorn wird allmählich vor seinem Blick verschwinden, aber vor sein hellseherisches Auge wird treten eine blumenähnliche Gestalt, die aus dem Korn ,',geistig herauswächst. Sie steht vor dem hellseherischen Blick, eine wirkliche Form, die nur im Geiste erschaut werden kann. Diese Form ist das Urbild dessen, was später herauswächst aus dem Korn.

Nun würden wir uns irren, wenn wir glaubten, daß dieses Bild ganz der Pflanze gleich sei, die dem Samenkorn entspricht. Es ist ganz und gar nicht gleich. Es ist eine wunderbare Lichtgestalt, die in sich StrÖmungen und komplizierte Bildungen zeigt, und man könnte sagen, daß das, was später herauswächst aus dem Korn, bloß ein Schatten dieser wunderbaren geistigen Lichtgestalt sei, die der Hellseher in dem Samenkorn sehen kann. Halten wir dieses Bild fest, wie der Hellseher sieht das Urbild der Pflanze, und jetzt sehen wir wieder auf unsere Urerde, auf die einzelnen ätherischen Punkte zurück.

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Wenn nun der Hellseher, ebenso wie in dem vorigen Beispiele, sich gegenüberstellte einem solchen ätherischen Staubpunkte der Ursubstanz, so würde für ihn aus diesem ätherischen Staubkorn, ganz in ähnlicher Weise wie aus dem Samenkorn, eine Lichtgestalt herauswachsen, eine prächtige Gestalt, die in Wirklichkeit nicht da ist, die schlummernd in diesem Staubkorn ruht. Und was ist es denn, was da als eine Gestalt der Seher sehen kann, rückblickend auf dieses Urerdenatom? Was ist es denn, was da herauswächst? Das ist eine Gestalt, die wiederum verschieden ist - so verschieden wie das Urbild der Pflanze von der sinnlichen Pflanze - von dem physischen Menschen: Es ist das Urbild der heutigen Menschengestalt. Damals schlummerte geistig die Menschengestalt in dem ätherischen Staubkorn, und die ganze Erdenentwickelung war notwendig, damit das, was da ruhte, zum heutigen Menschen sich entwickelte. Dazu waren viele, viele Dinge notwendig, so wie für das Samenkorn auch vieles notwendig ist, wie der Samen in die Erde gesenkt werden muß, und wie die Sonne ihm ihre Wärmestrahlen schicken muß, damit er sich zur Pflanze entwickelt. Und wir werden allmählich verstehen, wie das zum Menschen wurde, wenn wir uns klarmachen, was alles geschehen ist in der Zwischenzeit.

In der urfernen Vergangenheit waren mit unserer Erde alle Planeten verbunden. Wir wollen jedoch zunächst einmal Sonne, Mond und Erde betrachten, die uns ja auch heute besonders interessieren. Unsere Sonne, unser Mond und unsere Erde waren damals auch nicht allein, sondern sie waren beisammen. Wenn wir diese drei heutigen Körper zusamrnenrühren würden wie zu einem Brei in einem großen Weltentopfe, und wir uns das als einen Weltenkörper denken würden, so würden wir das bekommen, was die Erde in ihrem Urzustand war, nämlich: Sonne plus Erde plus Mond. Natürlich konnte da der Mensch nur in einem geistigen Zustande leben. Damals konnte er nur in diesem Zustande leben, weil mit der Erde auch verbunden war, was in der heutigen Sonne ist. Und es dauerte eine lange, lange Zeit hindurch, daß der Weltenkörper, unsere Erde, Sonne und Mond noch in sich hatte und noch zusammen war mit all den Wesenheiten und Kräften, die damit verbunden waren. In

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diesen Zeiten war der Mensch noch in dem Uratom des Menschen nur geistig vorhanden. Das ist erst anders geworden in der Zeit, in der sich etwas ganz Bedeutsames in unserer Weltenentwickelung vollzogen hatte, nämlich, als sich die Sonne als ein selbständiger Körper abspaltete und zurückgelassen hat Erde und Mond. Jetzt

haben wir, was früher eine Einheit war, als eine Zweiheit, zwei Weltenkörper, die Sonne und andererseits die Erde plus Mond. Warum ist das geschehen?

Alles was geschieht, hat natürlich einen tiefen Sinn, den wir verstehen werden, wenn wir rückschauend finden, daß damals auf der Erde nicht nur Menschen lebten, sondern daß auch andere Wesen geistiger Art mit ihnen verbunden waren, die zwar nicht für ,physische Augen wahrnehmbar waren, die aber doch vorhanden waren, so wahr vorhanden wie die Menschen und die anderen physischen Wesen. So sind zum Beispiel mit unserer Welt Wesen verbunden, im Umkreis der Erde lebend, die die christliche Esoterik Engel, Angeloi nennt. Diese Wesenheiten können wir uns am besten vorstellen, wenn wir bedenken, daß ein solches Wesen auf der Stufe steht, auf welcher der Mensch sein wird, wenn die Erde ihre Entwickelung beendet haben wird. Heute sind diese Wesen schon so weit, wie der Mensch am Ziel seiner Erdenentwickelung sein wird. Eine noch höhere Stufe nehmen die Erzengel, Archangeloi oder Feuergeister ein, Wesenheiten, welche wir erblicken können, wenn wir unseren geistigen Blick richten auf die Angelegenheiten ganzer Völker. Diese Angelegenheiten werden gelenkt von Wesenheiten, die man Erzengel oder Archangeloi nennt. Eine noch höhere Art 'von Wesenheiten nennt man die Urbeginne oder Archai oder die Geister der Persöniichkeit, und wir finden diese, wenn wir den '''Blick schweifen lassen über ganze Zeiten und viele Völker und deren Beziehungen und Gegensätze und ins Auge fassen das, was man gewöhnlich den Zeitgeist nennt. Wenn man zum Beispiel unsere Zeit betrachtet, so wird diese geleitet von höheren Wesen, die man Urbeginne oder Archai nennt. Dann gibt es noch höhere Wesenheiten, die man in der christlichen Esoterik Gewalten oder Exusiai oder Geister der Form nennt. So sind also mit unserer Erde

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verbunden unzählige Wesenheiten, die sich sozusagen wie in einer Art von Stufenieiter dem Menschen angliedern.

Wenn wir bei dem Mineral anfangen und aufsteigen vom Mineral zur Pflanze, von der Pflanze zum Tier und dann zum Menschen, so ist der Mensch das höchste physische Wesen; die anderen aber sind ebenso da, sie sind zwischen uns, durchdringen uns. Im Beginne unserer Erdenentwickelung nun, von der wir eben gesprochen, als die Erde gleichsam als Urnebel auftaucht aus dem Schoße der Ewigkeit, da sind alle solchen Wesen verbunden mit der Erde, und es würde sich für den Hellseher ergeben, wie zu gleicher Zeit mit der Menschengestalt auch andere Wesen jenes Bild durchdringen. Es sind die oben genannten Wesen und Wesen noch höherer Art, wie die Mächte, die Herrschaften, die Throne, die Chernbim und dann die Seraphim. Das sind alles Wesen, die innig verbunden waren mit jenem gewaltigen ätherischen Staub, aber sie stehen anf verschiedenen Stufen der Entwickelung. Es gibt solche, welche eine Erhabenheit haben, von der der Mensch keine Ahnung hat, doch gibt es auch Wesen, die den Menschen näherstehen. Weil solche Wesenheiten auf verschiedener Stufe standen, konnten sie ihre Entwickelung nicht in der Art durchmachen wie der Mensch, es mußte für sie ein Wohnplatz geschaffen werden. Es waren unter den hohen Wesenheiten solche, die sehr viel eingebüßt hätten, wenn sie mit den niederen Wesen verbunden geblieben wären. Daher sonderten sie sich ab. Sie nahmen aus dem Nebel die feinsten Substanzen heraus und bildeten sich in der Sonne ihren Wohrisitz. Sie bildeten sich dort ihren Himmel; da fanden sie das rechte Tempo ihrer Entwickelung. Wären sie in den geringeren Substanzen geblieben, die sie in der Erde zurückgelassen haben, dann würden sie dadurch ihre Entwickelung nicht haben fortsetzen können. Das wäre eine Hemmung, wie ein Bleigewicht in ihrer Entwickelung gewesen. Wir sehen daraus, wie das, was materiell geschieht, wie die Spaltung der Weltsubstanz, nicht bloß aus physikalischer Ursache geschieht, sondern durch die Kräfte derWesenheiten, die einenWohnsitz für ihreEntwickelung notwendig haben; es geschieht, weil sie ihr Weltenhaus bauen müssen. Das müssen wir betonen, daß geistige Ursachen zugrunde liegen.

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So ist zurückgeblieben auf der Erde plus Mond der Mensch und mit ihm höhere Wesen der untersten Hierarchie, wie Engel und Erzengel und Wesenheiten, die tiefer standen als er selbst. Nur eine einzige mächtige Wesenheit, die eigentlich schon reif war, mit auf den Schauplatz der Sonne zu wandern, hat sich geopfert und ist mitgegangen mit Erde plus Mond. Es ist die Wesenheit, die später Jalive oder Jehova genannt wurde. Er hat die Sonne verlassen und wurde dann der Leiter der Angelegenheiten auf der Erde plus Mond. So haben wir zwei Wohnplätze: die Sonne mit den erhabensten Wesen, unter der Führung einer besonders hohen, erhabenen Wesenheit, die die Gnostiker zum Beispiel sich vorzustellen versuchten unter dem Namen Pleroma. Wir sollen uns dieses Wesen vorstellen als den Regenten der Sonne. Jahve ist der Leiter der Erde plus Mond. Wir wollen das ganz besonders festhalten, daß die ,e&Isten, erhabensten Geister mit der Sonne herausgegangen sind und die Erde mit dem Monde zurückgelassen haben. Der Mond war noch nicht abgespalten, er war noch in der Erde darinnen. Wie man nun diesen kosmischen Vorgang der Abtrennung der Sonne von der Erde empfinden? Man muß vor allen Dingen die nne mit ihren Bewohnern empfinden als das Hehrste, Reinste, habenste, was mit der Erde früher in Verbindung gewesen war, d dann muß man empfinden das, was Erde plus Mond ist, als das,sich dagegen als das Niedere herausgebildet hat. Der Zustand war damals noch niedriger als der unserer heutigen Erde. Diese ht wiederum höher, denn es trat ein späterer Zeitpunkt ein, in in die Erde sich des Mondes entledigte und mit ihm ihrer gröberen ubstanzen, mit denen der Mensch sich nicht weiter hätte entwickeln önnen. Die Erde mußte den Mond herauswerfen.

Vorher aber war die finsterste, schauervollste Zeit für unsere Erde, da war das, was die edlen Entwickelungsanlagen hatte, unter die Gewalt schlimmer, sehr schlimmer Kräfte gekommen, und erst dadurch konnte der Mensch weiterkommen, daß er die schlimmsten Daseinsbedingungen mit dem Monde heraussetzte.

Wir müssen empfinden, daß da ein Lichtprinzip, ein Prinzip der Erhabenheit, das Prinzip der Sonne, entgegensteht dem Prinzip der

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Finsternis, dem Prinzip des Mondes. Hätte man da hellseherisch angesehen die Sonne, die damals herausgetreten war, man würde die Wesen gesehen haben, die sie bewohnen wollten. Aber noch etwas anderes hätte man wahrgenommen. Es würde, was sich als Sonne herausgezogen hatte, sich nicht nur gezeigt haben als ein Zusammenhang von geistigen Wesen, es hätte sich auch nicht ätherisch gezeigt, denn das gehörte zum Gröberen: es hätte sich gezeigt als etwas Astralisches, wie eine mächtige Lichtaura. Was man als Lichtprinzip empfunden hätte, das hätte man als eine leuchtende Aura im Weltenraum gesehen. Dadurch, daß die Erde aber dieses Licht herausgelassen hatte, würde sie plötzlich verdichtet ~usgesd~en haben, wenn auch noch nicht fest mineralisch. Ein gutes und ein böses, ein helles und ein finsteres Prinzip standen sich dazumal gegenüber.

Nun wollen wir einmal sehen, wie die Erde aussah, bevor sie den Mond heraus setzte. Ganz falsch würde die Vorstellung sein, wenn man sie sich denken würde wie unsere heutige Erde. Der Kern der damaligen Erde war eine feurige, brodelnde Masse. Dieser Kern würde als ein Feuerkern erschienen sein, der aber umgeben war von mächtigen Wassergewalten, jedoch nicht wie unser heutiges Wasser, denn darinnen waren ja auch enthalten die Metalle in flüssiger Form. In all dem drinnen war der Mensch, aber in ganz anderer Gestalt.

So war die Erde damals, als sie den Mond heraussonderte. Vor allen Dingen war damals auf der Erde nicht die Luft zu finden, die war gar nicht darinnen. Die Wesen, die damals da waren, brauchten gar keine Luft, sie hatten ein ganz anderes Atmungssystem. Der Mensch war eine Art Fisch-Amphibium geworden. Aber aus ganz weicher, flüssiger Materie bestand er. Das, was er in sich sog, war nicht Luft, sondern dasjenige, was in dem Wasser enthalten war. So etwa sah die Erde in der damaligen Zeit aus. Wir müssen die damalige Zeit empfinden als etwas, wo die Erde tiefer stand als unsere heutige Erde. Das mußte so sein. Der Mensch hätte sonst niemals das richtige Tempo und die Mittel zu seiner Entwickelung finden können, hätten sich nicht Sonne und Mond von der Erde abgespalten. Mit der Sonne in der Erde wäre alles zu schhell gegangen, aber viel zu langsam wäre alles gegangen mit den

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Kräften, die jetzt auf dem Monde wirken. Als der Mond Unter mächtigen Katastrophen sich herauszog aus der Erde, da bereitete sich nach und nach vor, was man nennen könnte die Trennung einer Lufthülle und des Wasserelements. Die Luft war damals ganz und gar nicht die Luft von heute, sondern alle möglichen Dämpfe waren noch darinnen enthalten. Aber dasjenige Wesen, was sich damals allmählich vorbereitete, war erst eine gewisse Anlage zum heutigen Menschen. Wir werden das alles noch genauer zu schildern haben.

So haben wir den Menschen in drei Verhältnissen kennengelernt. Erstens in dem Verhältnis, wo er zusammenlebte mit Erde plus Sonne plus Nilond und allen höheren Wesenheiten in dem einen Weltenkörper. Da würde er sich für den hellsehenden Blick so dar- stellen, wie wir das beschrieben haben. Dann können wir ihn unter recht ungünstigen Verhältnissen kennenlernen auf der Erde plus Mond. Wäre er in diesem Verhältnis geblieben, er wäre ein sehr bösartiges, ein furchtbar wildes Wesen geworden. Als die Sonne sich getrennt hatte, da haben wir den Gegensatz von Sonne auf der einen Seite, und Mond plus Erde auf der anderen Seite. Die Sonne erglänzte, als die große gewaltige Sonnenaura im Raum, in ihrer strahlenden Glorie. Auf der anderen Seite blieben die Erde plus Mond mit all den unheimlichen Kräften, welche auch die edleren Elemente im Nifenschen herunterzogen. So war die Zweigliedrigkeit

entstanden. Und dann kommt die Dreigliedrigkeit. Die Sonne bleibt, was sie ist, die Erde aber trennt sich von dem Monde, die gröbsten :Substanzen treten heraus; der Niiensch aber bleibt auf der Erde zurück. Als ein dreifaches Prinzip empfindet der Mensch die Kräfte,wenn er auf den dritten Zeitraum blickt. Er fragt sich: Woher komrnen diese Kräfte? - Im ersten Zeitraum war der Mensch noch mit all den hohen Kräften der Sonne verbunden. Die Kräfte, die sich in dem zweiten Zeitraum entwickelten, waren dann mit dem Monde hinausgegangen. Wie eine Erlösung empfand das der Mensch, aber er hatte auch die Erinnerung an den ersten Zeitraum, als er noch mit den Sonnenwesen vereint war. Der Mensch hatte die Sehnsucht kennengelernt, er empfand sich als der verstoßene Sohn. Und mit

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den Kräften, die mit Sonne und Mond hinausgegangen waren, mit die- sen Kräften konnte er sich fühlen als ein Sohn von Sonne und Mond.

So entwickelt sich unser Erdenkörper von der Einheit zur Zweiheit, bis zur Dreiheit: Sonne, Erde, Mond. Die Zeit, wo der Mond sich herausspaltete, wo der Mensch erst die Möglichkeit erhielt, sich zu entwickeln, diese Zeit bezeichnet man als das lemurische Zeitalter. Und nachdem gewaltige Feuerkatastrophen die lemurische Zeit abgeschiossen hatten, da trat allmählich ein Zustand unserer Erde ein, der herbeiführen konnte die Verhältnisse, die in der alten Atlantis sich entwickeln konnten. Die ersten Anfänge von Land ragten aus den Wassermassen empor. Das war lange Zeit nach der Herausspaltung des Mondes. Aber durch diese Herausspaltung konnte die Erde sich erst so entwickeln. In der Atlantis war der Mensch auch noch ganz anders als heute - das werden wir später noch berühren können -, aber in der atlantischen Zeit war er doch schon so weit, daß er als eine weiche, sozusagen schwimmende, schwebende Masse sich fortbewegte und die Lufthülle belebte. Erst ganz allmählich entwickelte sich das Knochensystem. Um die Mitte der Atlantis ist der Mensch erst soweit, daß er einigermaßen unserer heutigen Gestalt ähnlich sieht. Aber der Mensch hatte in der Atlantis ein hellseherisches Bewußtsein, und unser heutiges Bewußtsein hat sich erst in viel späteren Zeiten entwickelt, und wollen wir den damaligen Menschen verstehen, so müssen wir dieses damalige Hellseherbewußtsein uns vor Augen führen. Wir verstehen es am besten im Vergleich mit dem heutigen Bewußtsein.

Heute nimmt der Mensch von dem Morgen bis zum Abend die Welt sinnlich wahr. Er nimmt durch seine Sinnestätigkeit fortwährend Gesichts- und Gehörseindrücke auf. Mit dem Einbruch der Nacht jedoch sinkt diese sinnliche Welt in ein Meer von Bewußtlosigkeit für den Menschen unter. Allerdings für den Okkultisten ist das in Wirklichkeit keine Bewußtlosigkeit, sondern nur ein nie- derer Grad von Bewußtsein. Jetzt wollen wir uns klarmachen, daß heute der Mensch ein doppeltes Bewußtsein hat, ein helles Tagesbewußtsein und ein Schlaf- oder Traumbewußtsein. So war es nun nicht in den ersten Zeiten der Atlantis.

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Betrachten wir den Wechsel zwischen Wachen und Schlaf in die- ser ersten Zeit. Da war es auch so, daß der Mensch während einer bestimmten Zeit untertauchte in seinen physischen Leib, aber er nahm da die Gegenstände nicht in den scharfen Konturen wahr wie heute. Wenn wir uns etwa vorstellen, wir gingen aus in einem dichten Winternebel, und wir sähen abends die Laternen wie umgeben von einer Lichtaura, so haben wir eine ungefähre Vorstellung von dem Gegenstandsbewußtsein des Atlantiers. Alles war für den da- maligen Menschen umgeben von solchem Nebel, alles war wie in einem Nebel darinnen. Das war damals der Tagesanblick. Des Nachts bot sich ein ganz anderer dar. Der Nachtanblick war aber auch nicht der, wie er heute ist. Wenn der Atlantier herausstieg aus seinem Leibe, so versank er nicht in Bewußtlosigkeit, sondern er befand sich in einer Welt göttlich-geistiger Wesen, von Ich-Wesen, die er um sich herum wahrnahm als seine Genossen. So wahr der Mensch heute während der Nacht diese Wesen nicht sieht, so wahr ist er in jenen Zeiten in ein Meer von Geistigkeit untergetaucht, in dem er in der Tat die göttlichen Wesen wahrnahm. Bei Tage war er der Genosse der niederen Reiche, bei Nacht war er der Genosse der höheren Wesenheiten. So lebte der Mensch in einem Geistesbewußtsein, wenn auch dämmerhaft; wenn er auch kein Selbstbewußtsein hatte, er lebte unter diesen göttlich-geistigen Wesenheiten.

Jeut verfolgen wir einmal die vier Zeiträume in unserer Erden entarickelung. Wir verfolgen zuerst den Zeitraum, in dem Sonne und Mond noch verbunden waren mit der Erde. Diesen Zeitraum stellen Wir vor unsere Seele. Wir müssen uns sagen: reine, ideale Wesen sind die Wesen dieser Erde eigentlich, und der Mensch ist eigentlich nur als ein Ätherkörper vorhanden und nur geistigen Augen erschaubar. Dann kommen wir zu dem zweiten Zeitraum. Wir sehen die Sonne als einen Körper für sich, sichtbar als Aura, und Mond plus Erde als eine Welt des Bösen. Dann kommen wir zu einem dritten Zeitraum: der Mond trennt sich auch von der Erde, und auf` die Erde wirken die Kräfte, die das Ergebnis dieser Dreiheit sind. Und dann konimen wir zu einem vierten Zeitraum. Der Mensch ist da schon ein Wesen in der physischen Welt, die ihm

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nebelhaft erscheint; im ScHafe ist er noch der Genosse göttlicher Wesenheiten. Das ist der Zeitraum, der abschließt mit gewaltigen Wasserkatastrophen, die Zeit der Atlantis.

Und jetzt gehen wir einmal einen Schritt weiter, gehen wir zu dem Menschen der nachatlantischen Zeit. Wie gesagt, er hat sich durch viele Jahrtausende entwickelt. Wir sehen ihn zunächst in den ersten Kulturepochen der nachatlantischen Zeit: der urindischen, der urpersischen, der ägyptisch-chaldäisch-babylonischen und der griechisch-lateinischen Kultur und in unserer fünften Kultur. Was hatte der Mensch vor allen Dingen verloren? Eines hatte er verloren, das wir uns vorstellen können, wenn wir die Schilderung der Atlantis uns vor Augen halten.

Versuchen wir uns den Schlafzustand der Atlantier vorzustellen. Da war der Mensch noch der Genosse des Geistigen, der Götter, er nahm eine Welt des Geistigen wahr, wirklich wahr. Das hatte der Mensch nach der atlantischen Katastrophe verloren. Nächtliches Dunkel breitete sich um ihn aus. Dafür trat eine Aufhellung des Tagesbewußtseins ein und die Entwickelung des Ichs. Das alles hatte sich der Mensch errungen, aber die alten Götter waren für ihr1 entschwunden, sie waren nur noch Erinnerungen, und alles, was die Seele erlebt hatte, war in der ersten nachatlantischen Zeit bloß Erinnerung, Erinnerung an den früheren Umgang mit diesen Götterwesenheiten.

Nun wissen wir, daß die Seelen dieselben bleiben, daß sie sich wiederverkörpern. Gerade wie in den alten Zeiten der Atlantis unsere Seelen schon dabei waren> schon wohnten in den Körpern, so waren auch diese Seelen bei der Trennung von Mond und Sonne von der Erde und auch schon in der aIlerersten Zeit da. Der Mensch war schon da im ätherischen Staub. Und jetzt sind die fünf Kulturepochen der nachatlantischen Zeit in ihren Weltanschauungen, in dem, was ihre Religionen sind, nichts anderes als die Erinnerungen an die alten Epochen der Erde.

Der erste, der urindische Zeitraum, der entwickelte eine Religion, die wie ein inneres Auf leuchten erscheint, wie eine innere Wiederholung in Vorstellungen und Gefühlen des allerersten Zeitraums,

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wo Sonne und Mond noch mit der Erde verbunden waren, wo jene erhabenen Wesen der Sonne noch auf der Erde wohnten. Wir können uns denken, daß da eine erhabene Vorstellung geweckt werden mußte. Und den Geist, der sich mit allen Engeln und Erzengeln, mit allen Geistern, hohen Göttern und Wesenheiten verband, in dem ersten Zustande der Erde, dem Urnebel, den faßte das indische Bewußtsein zusammen unter einer hohen Individualität, unter dem Namen Brahm, Brahma. Im Geiste wiederholte die erste Kulturepoche der nachadantischen Zeit das, was geschehen war. Sie ist nichts anderes als eine Wiederholung der ersten Erdepoche im inneren Anschauen.

Nun fassen wir die zweite Kulturperiode ins Auge. In dem Prinzip des Lichtes und der Finsternis, da haben wir das Religionsbewußtsein der urpersischen Kulturperiode. Da stellten die großen Eingeweihten zwei Wesenheiten, von denen sie die eine in der Sonne personiflzieft sahen, die andere im Monde, die stellten sie einander gegenüber. Ahura Mazdao, die Lichtaura, Ormuzd, ist das Wesen, das die Perser als den höchsten Gott verehrten; Ahriman ist der böse Geist, der Repräsentant aller der Wesen, die die Erde plus Mond besaß. Eine Erinnerung an die zweite Erdepoche ist die Religion der Perser.

Und in der dritten Kulturperiode war es so, daß der Mensch sich sagen mußte: In mir sind die Kräfte der Sonne und des Mondes, ich bin ein Sohn der Sonne und ein Sohn des Mondes. Alle die Kräfte der Sonne und des Mondes stellen sich wie Vater und Mutter dar. Haben wir Einheit in der Urzeit als die Anschauung der In- der, die Zweiheit nach der Trennung der Sonne sich spiegelnd in der Religion der Perser, so finden wir niedergelegt in der religiösen Anschauung der Ägypter, Chaldäer, Assyrer, Babylonier die Dreiheit» wie sie in der dritten Erdepoche da war, nach der Trennung von Sonne und Mond. Die Dreiheit tritt in allen Religionsanschauungen des dritten Zeitraumes auf, und im Ägyptertum wird sie vertreten durch Osiris, Isis und Horus.

Was aber der Mensch in der vierten Erdepoche, der atlantischen, erlebt hatte in seinem Bewußtsein, als Genosse der Götter, die Erinnerung

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daran tritt in der griechisch-lateinischen Kulturperiode auf. Die Götter der Griechen sind nichts anderes als Erinnerungen an die Götter, deren Genosse der Mensch während der Atlantis war, die Götter, die er geistig hellseherisch erschaut hatte als ätherische Gestalten, wenn er nachts herausgestiegen war aus seinem physischen Leibe. So wahr wie heute der Mensch die äußeren Gegenstände sieht, so wahr hat er damals den Zeus, die Athene und so weiter gesehen. Es waren für ihn wirkliche Gestalten. Was der Atlantier in seinem hellseherischen Zustande erlebte und empfand, das kehrte für die Menschen der vierten nachatlantischen Kulturperiode wieder in dem Pantheon. Und wie die ägyptische Zeit eine Erinnerung der Dreiheit während der lemurischen Zeit war, so war das Erleben in der Atlantis geblieben als Erinnerung in der griechischen IIierarchie der Götter. In Griechenland wie auch sonst in Europa waren es wieder dieselben Götter, die der Atlantier gesehen hatte, nur unter anderen Namen. Sie sind nicht erfunden, diese Namen; es sind Namen für dieselben Gestalten, die neben dem Menschen umherwandelten, wenn er in der atlantischen Zeit herausstieg aus seinem physischen Leib.

So sehen wir, wie die Epochen des kosmischen Geschehens ihren symbolischen Ausdruck ftnden in den religiösen Anschauungen der verschiedenen nachatlantischen Kulturperioden. Das was sich abgespielt hat während des Schlafes in der atlantischen Zeit, das lebte in der vierten Kulturperiode wieder auf. Wir sind im fünften nachatlantischen Zeitraum. Woran können wir uns jetzt zurück- erinnern? Die erste Kulturperiode, die alten Inder, konnten sich die erste Erdenepoche vorstellen, die Perser die zweite, das Prinzip des Guten und Bösen. Die alten Ägypter stellten sich die dritte Epoche vor in ihrer Dreiheit. Die griechische, die altgermanische, die römische Kulturperiode hatte ihren Olymp. Sie erinnerte sich an die Göttergestalten der Atlantis. Dann kam die neuere Zeit, der fünfte Zeitraum. Woran kann er sich erinnern?

An nichts! - Das ist der Grund, warum in diesem Zeitraum in so vieler Beziehung die götterlose Zeit Platz greifen konnte, und warum dieser fünfte Zeitraum darauf angewiesen ist, nicht in die Vergangenheit,

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sondern in die Zukunft zu schauen. Der fünfte Zeitraum muß in die Zukunft blicken, wo alle die Götter wieder auferstehen müssen. Diese Wiedervereinigung mit den Göttern wurde vorbereitet in der Zeit, wo die Christus-Kraft hereinbrach, die allein so stark wirkte, daß sie dem Menschen wieder ein göttliches Bewußtsein geben konnte. Nicht Erinnerungen können die Götterbilder des fünften Zeitraumes sein; vorausschauen müssen die Menschen des fünften Zeitraumes, dann wird erst wieder das Leben spirituell. Das Bewußtsein muß im fünften Zeitraum der nachatlantischen Epoche apokalyptisch werden.

Eiinnern wir uns, daß wir gestern die Zusammenhänge der einzelnen Kulturen der nachatlantischen Zeit gesehen haben. Heute haben wir gesehen, wie das kosmische Geschehen sich widerspiegelt in den religiösen Anschauungen der Kulturen.

Unser fünfter Zeitraum steht mitteninne in der Welt, deshalb muß er vorausschauen. Erst muß der Christus ganz begriffen werden in unserer Zeit, denn unsere Seelen sind tief hineinverwoben in geheimnisvolle Zusammenhänge. Wir werden sehen, wie die Wiederholung der ägyptischen Zeit in unserer fünften Kulturperiode uns einen Anknüpfungspunkt geben wird, wie wir wirklich in die Zukunft hinüberkornmen können.

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DRITTER VORTRAG Leipzig, 4. September 1908

Wir haben gestern über den geheimnisvollen Zusammenhang gesprochen, in dem die früheren Entwickelungszustände unserer Erde mit den verschiedenen Weltanschauungen der aufeinanderfolgenden Kulturperioden der nachatlantischen Zeit stehen. Und es hat sich die merkwürdige Tatsache uns erschlossen, daß da, als die atlantische Katastrophe das Antlitz der Erde verändert hatte, in Indien die vorvedische, uralt heilige indische Kultur mit ihrer gewaltigen philosophischen Auffassung der ersten Kulturperiode etwas zeigte wie ein Spiegelbild der Tatsachen, die sich im Beginne der Erdenentwickelung abgespielt haben in einer urfernen Vergangenheit, als Sonne, Mond und Erde noch vereinigt waren. Das, was damals im Geiste gesehen worden ist, und wozu sich erhoben diejenigen, denen es gegeben war, das war nichts anderes, als eine im Geiste erfaßte, spirituelle Gestalt, die wirklich war, als unsere Erde im Beginne ihrer Entwickelung stand. Und wir haben gesehen, daß der zweite Zustand der Erde, als die Sonne sich losgelöst hatte, aber Erde und Mond noch einen Körper bildeten, daß dieses eigentümliche Gegenüberstehen von zwei Welten in der zweiten Kulturperiode, der urpersischen, als philosophisch- religiöses System zum Vorschein kam in den Gegensätzen des Lichtprinzips in der Sonnenaura und des Prinzips der Finsternis, als der Gegensatz des Ormuzd und Ahriman. Die dritte der großen Kulturperioden, die ägyptisch-babylonisch-assyrische, ist eine geistige Spiegelung dessen, was sich abgespielt hat, als Erde, Sonne und Mond drei Körper geworden waren. Und wir konnten auch schon skizzenhaft darauf hinweisen, daß in der Dreiheit Osiris, Isis, Horus sich spiegelt diese astrale Dreiheit der dritten Erdepoche, diese Sternendreiheit: Sonne, Erde und Mond. Wir haben auch schon darauf hingewiesen, daß diese Trennung in dem lemurischen Zeitalter erfolgte, und daß auf dieses das atlantische Zeitalter folgte, der vierte Entwikkelungszustand unserer Erde, wo ganz andere Bewußtseinsverhältnisse herrschten als heute. Damals lebte der Mensch durch die andere

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Bewußtseinsform mit den Göttern zusammen, die er kannte, mit den Göttern, die man später`Wotan, Baldur, Thor, Zeus, Apollo und so weiter benannte. Das sind Wesen, die der atlantische Mensch mit seinem Hellsehen hat wahrnehmen können. Wir haben die Wiederholung dieses Schauens von göttlich-geistigen Wesenheiten in der atlantischen Epoche in der Erinnerung der Völker der griechisch- lateinischen Zeit, auch bei den Völkern im Norden Europas. Es war die Erinnerung an die Erlebnisse früherer Bewußtseinszustände. Sei es Wotan oder Zeus, sei es Mars, Hera, Athene, alle waren eine Erinnerung an die alten Geistgestalten, die den Inhalt jener alten Götterwelt ausmachten.

So nimmt sich die vierte Kulturperiode aus, daß in ihren Religionen Spiegelbilder erscheinen dessen, was sich in der Erdenentwikkelung abgespielt hat während der atlantischen Zeit. Nun müssen wir uns heute allmählich ein wenig mehr in die Seelen der alten indischen, persischen, ägyptischen Kulturmenschheit vertiefen. Wenn wir uns so recht ein Bild machen wollen von diesen Erlebnissen, von dem, was religiös in den alten Kulturperioden lebte, so müssen wir bedenken, daß sowohl die wichtigsten Volksbestandteile dieser alten Völker wie auch die erleuchteten Personen, die Seher und Propheten, alle Nachfolger waren derjenigen Menschen, die auch schon in der atlantischen Zeit gelebt haben, und daß keineswegs unmittelbar nach der großen Katastrophe gleich alles zugrunde gegangen war, was alte atlantische Kultur war, sondern, daß nach und nach dasjenige, was damals lebte, in die neue Zeit hinübergepflanzt worden ist. Und wir werden die Seelen der alten nachatlantischen Nachkommen am besten verstehen, wenn wir uns in das Seelenleben der letzten Atlantier versenken.

In der letzten atlantischen Zeit waren die Menschen sehr verschieden voneinander. Die einen hatten sich noch einen hohen Grad von hellseherischen Fähigkeiten bewahrt. Dieses Hellsehervermögen war nicht plötzlich ganz verschwunden, es war noch bei vielen der Menschen vorhanden, die teilnahmen an dem großen Zuge vom Westen nach dem Osten, während es aber anderen schon abhanden gekommen war. Es gab vorgeschrittene und zurückgebliebene Menschen, und es ist zu begreifen, daß nach der ganzen Art der damaligen Entwickelung

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gerade die wenigst vorgeschrittenen diejenigen waren, die am besten hellsehen konnten, denn sie waren gewissermaßen stehengeblieben und hatten bewahrt den alten Charakter der Atlantier. Die Fortgeschrittensten waren die, die sich zuerst angeeignet haben das physische Wahmehmen der Welt, die schon mehr unsere Art der Tagesanschauung angenommen hatten. Das waren die Fortgeschrittensten, die aufhörten, in der Nacht hellseherisch zu sehen die geistige Welt, die immer schärfere Konturen der Gegenstände sahen während des Tagwachens. Und gerade jenes kleine Häuflein, von dem schon gesprochen worden ist, das geführt wurde von einem der großen, von dem größten Eingeweihten, den man gewöhnlich als A1`anu bezeichnet, und seinen Schülern, dieses Völkchen, das bis tief nach Asien hineingeführt wurde - und das von da aus die anderen Kulturländer befrnchtete, gerade dieses Völkchen, das am frühesten für die gewöhniichen Verhältnisse des Lebens die Gabe des alten Hellsehens verlor, das setzte sich zusammen aus den fortgeschrittensten Menschen der damaligen Zeit. Immer deutlicher trat für sie das Tagesbewußtsein in Erscheinung, das was wir sehen als physische Gegenstände mit ihren scharfen Grenzen. Und ihre großen Führer hatten dieses Volk am weitesten nach Asien geführt, damit es in Abgeschlossenheit leben konnte; sonst wäre es zu sehr in Berührung gekommen mit anderen Völkern, die sich das alte Hellsehen noch bewahrt hatten. Nur, indem es eine Zeitlang getrennt blieb von den anderen Völkern, konnte es zu einer neuen Art Menschsein heranwachsen. Eine Kolonie wurde in Innerasien begründet, von wo aus die großen Kulturströme zu den verschiedensten Völkern gehen sollten.

Zunächst war das nördliche Indien dasjenige Land, das von diesem Zentrum seine neue Kulturströmung erhalten hatte. Nun ist hier schon angedeutet worden, daß diese kleinen Völkermassen, die ausgesandt wurden als Kulturpioniere, nirgends unbewohntes Land gefunden haben, denn früher schon, bevor jener große Zug sich von Westen nach Osten bewegte, waren schon immer große Wanderungen geschehen, und immer, wenn neue Landstrecken aus dem Meeresgrnnde sich erhoben, waren sie von den wandernden Scharen bevölkert worden. So daß das Volk, das ausgesandt wurde von jener Kolonie

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Asiens, sich vermischen mußte mit anderen Völkermassen, die aber alle zurückgebliebener waren als diejenigen, die vom Manu geführt worden waren. Bei den anderen Völkern traf man noch viele, die das alte Hellsehen bewahrt hatten.

Nicht so wie heute kolonisiert wird, pflegten die Eingeweihten Kolonien zu begründen; sie machten es anders. Sie wußten, daß man von den Seelen derjenigen ausgehen mußte, welche man antraf in den Ländern, die kolonisierr werden sollten. Es war nicht so, daß die SendIinge aufoktroyierten, was sie zu sagen hatten. Es wurde gerechnet mit dem, was man antraf. Es wurde ein Ausgleich geschaffen, und es wurden die Bedürfnisse derjenigen berücksichtigt, die die alten Insassen waren. Man mußte mit der religiösen Anschauung rechnen, die sich auf die Erinnerung an frühere Zeiten gründete, und mit den alten hellseherischen Anlagen. Daher war es natürlich, daß nur bei einem kleinen Häuflein der Fortgeschrittensten die reinen Vorstellungen sich ausbilden konnten. Bei der großen Masse bildeten sich Kompromißvorstellungen aus der alten atlantischen und der nach- atlantischen Anschauung. Deshalb finden wir überall in diesen Völkermassen, sowohi in Indien wie in Persien, wie auch in Ägypten, überall, wo die verschiedenen nachatlantischen Kulturen entstanden, da finden wir auf dem Grunde überall für die damalige Zeit weniger fortgeschrittene, unkultiviertere religiöse Vorstellungen, die aber nichts anderes waren als eine Art Fortpflanzung der alten atlantischen Vorstellungen.

Um nun zu verstehen, was das eigentlich für Vorstellungen waren in diesen Volksreligionen, müssen wir uns einmal ein Bild davon rnachen. Da müssen wir uns in die Seelen der letzten atlantischen BevÖlkerung versetzen. Wir müssen uns erinnern, daß in der atlantischen Zeit der Mensch in der Nacht nicht bewußtlos war, sondern daß er dann ebenso wahrnahm, wie er bei Tage wahrnahm, wenn man überhaupt in dieser Zeit von Tag und Nacht sprechen darf. Bei Tage nhim er die erste Spur dessen wahr, was wir heute so klar sehen als die Welt der Sinneswahrnelimungen. Bei Nacht war er ein Genosse der göttlich-geistigen Wesenheiten. Er brauchte keinen Beweis dafür, daß es Götter gab, ebensowenig wie wir heute einen

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Beweis dafür brauchen, daß es Mineralien gibt. Die Götter waren seine Genossen> er selbst war in der Nacht eine geistige Wesenheit. In seinem Astralleibe und Ich wandelte er in der geistigen Welt um- her. Er war selbst ein Geist und traf Wesen, die mit ihm gleichartiger Natur waren. Natürlich waren die höheren geistigen Wesen nicht die einzigen, die er dann antraf. Er traf auch niedrigere Geister, als die waren, die später als Zeus, Wotan und so weiter beschrieben wurden. Diese waren natürlich nicht die einzigen, es waren nur die auserwähltesten Gestalten. Es war damit so, wie wenn man heute Könige und Kaiser sieht. Viele sehen sie nicht und glauben doch, daß es Könige oder Kaiser gibt. In diesem Zustande, der all- gemein menschlich war, nahm man, auch wenn man während des Tages bewußt war, die umliegenden Gegenstände anders wahr als heute, auch das Tagesbewußtsein war anders, und wir müssen versuchen zu verstehen, wie dieses letztere Bewußtsein der Atlantier war.

Es ist beschrieben worden, wie dem Menschen sich die göttlichen Wesenheiten entzogen, wenn er morgens hinuntertauchte in seinen physischen Leib. Er sah die Gegenstände wie mit einem Nebel umhüllt. So waren die Bilder des damaligen Tagwachens. Diese Bilder hatten aber noch eine andere eigentümliche Eigenschaft, die wir ganz genau erfassen müssen. Denken wir uns, eine solche Seele näherte sich einem Teiche. Das Wasser in diesem Teiche sah diese Seele nicht so scharf begrenzt wie heute; aber wenn diese Seele ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, dann erlebte sie noch etwas ganz anderes, als wenn heute sich jemand einem Teiche nähert. Beim Annähern an den Teich, schon durch die bloße Anschauung, stieg in ihr ein Gefühl auf, wie wenn sie einen Geschmack bekäme von dem, was da physisch vor ihr lag, ohne daß sie das Wasser des Teiches zu trinken brauchte. Durch das bloße Anschauen würde sie gefühit haben: das Wasser ist süß oder salzig. Überhaupt war es nicht so, wie wenn wir heute Wasser sehen. Wir sehen heute nur die Oberfläche, aber ins Innere kommen wir nicht hinein. Derjenige, der früher, als es noch dämmerhaftes Hellsehen gab, sich dem Teiche näherte, der hatte nicht das Gefühl der Fremdheit diesem gegenüber, er fühite sich darinnen in den Eigenschaften des Wassers; er stand dem Gegenstande gar nicht so

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gegenüber wie heute, es war so, als wenn er in das Wasser hätte eindringen können. Nehmen wir an, wir wären einem Salzklotz entgegengetreten, wir hätten, indem wir uns annäherten, den Geschmack gemerkt. Heute müssen wir das Salz erst kosten, damals wäre das durch die Anschauung gegeben worden. Der Mensch war wie dar- innen in dem ganzen, und er nahm die Dinge wie beseelt wahr. Er nahni sozusagen die Wesenheiten wahr, die zum Beispiel dem Dinge den salzigen Geschmack verliehen. So beseelte sich ihm alles. Luft, Erde, Wasser, Feuer, alles, alles verriet ihm etwas. Der Mensch konnte sich in das Innere der Gegenstände hineinfühlen, er lebte im Inneren ihrer Wesenheit. Das was heute dem Bewußtsein als seelenlose Gegen- stände erscheint, gab es damals nicht. Daher empfand der Mensch auch alles mit Sympathie und Antipathie, weil er das Innere sah. Er fühlte, er erlebte das innere Wesen der Gegenstände.

Überall waren noch die Erinnerungen an diese Erlebnisse geblieben. So daß die Teile der indischen Bevölkerung, die angetroffen wurden von den Kolonisten, von einem solchen Zusammenhang mit den Dingen beseelt waren. Sie wußten: in den Dingen lebten Seelen. Sie hatten sich die Fähigkeit bewahrt, die Eigenschaften der Dinge zu sehen. Nun stellen wir uns dieses ganze Verhältnis des Menschen zu den Dingen vor. Der Mensch nimmt damals wahr, wie das Wasser schmeckt, indem er sich dem Teiche nähert. Da sieht er eine geistige Wesenheit, die dem Wasser den Geschinack gibt. Diese geistige Weserlheit kann er während der Nacht treffen, wenn er sich neben das Wasser legt und einschläft. Bei Tage sieht er das Materielle, bei Nacht sieht er das, was alles durchiebt. Bei Tage sieht er die Gegenstände, Steine, Pflanzen, Tiere, er hört den Wind wehen, das Wasser rauschen; bei Nacht sieht er in seinem Inneren das, was er bei Tage empfindet, in seiner wirklichen Gestalt, da sieht er die Geister, die in allem leben. Wenn er sagte: In den Mineralien, in den Pflanzen, im Wasser, in den Wolken, im Winde, da leben Geister, überall leben Geister - so waren das für ihn ganz und gar keine Dichtungen, das war ihm keine Phantasie, das war etwas, was er wahrnelimen konnte.

So tief müssen wir jetzt in die Seelen hinuntersteigen, um sie zu verstehen. Und dann begreift man, daß es ein furchtbarer Unsinn

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ist, wenn die heutigen Gelehrten von Animismus reden, der die Volksphantasie veraniaßt, alles zu beseelen und zu personiflzieren. Eine solche Volksphantasie gibt es nicht. Der redet nicht davon> der das Volk wirklich kennt. Man kann wiederholt das sonderbare Beispiel finden: Gerade wie ein Kind, wenn es sich an einem Tisch stößt, diesen Tisch nun schiägt, weil es den Tisch beseele - so reden die Gelehrten -, ebenso hätte der Urmensch, der kindliche Mensch, die Gegenstände in der Natur, die Bäume und so weiter beseelt, in alles etwas hineingedichtet. - Bis zur Ermüdung wurde dieses Gleichnis wiederholt. Es ist gewiß, daß dabei Phantasie ist, aber die Phantasie haben die Gelehrten gehabt, nicht das Volk. Sie sind es, die geträumt haben. Diejenigen, die ursprünglich alles beseelt wahrgenommen haben, die haben nicht geträumt, die haben nur das wiedergegeben, was sie selber wahrgenommen haben.

Als ein Rest tauchte diese Wahrnehmung als Erinnerung bei den alten Völkern auf. Auch das Kind sieht den Tisch nicht als beseelt an; es fühlt noch nicht in sich die Seele, es sieht sich selbst wie einen Holzklotz an. Weil es sich selbst eben seelenlos fühlt, deshalb stellt es sich auf gleiche Stufe mit dem seeleniosen Tisch, indem es ihn haut. Gerade das Gegenteil von dem, was in den Büchern der Gelehrten darüber steht, ist Tatsache. Ob wir nach Indien gehen, nach Persien, nach Ägypten, nach Griechenland, oder sonstwohin, überall finden wir da auf dem Grunde dieselben Vorstellungen, die oben charakterisiert worden sind. Und in diese Vorstellungen wurde hineinergossen das, was als Kultur von den alten Eingeweihten gegeben wurde.

Im alten Indien lenkten die Kultur die Rishis. Nun müssen wir aber auch ein wenig verstehen, was eigentlich die Veranlassung gegeben hat zu der Gestalt, die sich als eine der wichtigsten Gestalten der indischen Anschauung herausgebildet hat. Wir wissen, daß es zu allen Zeiten sogenannte Mysterienschulen gegeben hat, wo diejenigen, welche ihre geistigen Fähigkeiten entwickeln konnten, lernten, tiefer hineinzuschauen in das Weltall, wo sie die schlummernden Fähigkeiten erweckten, um den geistigen Zusanimenliang der Dinge zu sehen. Von diesen Mysterienstätten gingen überall die

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geistigen Impulse der Kulturen aus. Und damit wir die Eingeweihten recht von Grund aus verstehen, wenn wir diese Eingeweihten betrachten, so betrachten wir sie gewöhnlich in der nachatlantischen Zeit, weil ihr Wesen da am leichtesten verständlich ist> jedoch würden wir in der atlantischen Zeit auch schon auf ähnliches wie Eingeweihtenschulen stoßen. Damit wir sie nun so recht von Grund aus verstehen, wollen wir uns einmal versetzen in die Methode einer solchen alten atlantischen Einweihungsschule.

Damals waren also jene eben beschriebenen Bewußtseinszustände vorhanden. Wenn wir in jene Zeiten zurückgehen, dann finden wir den Menschen noch nicht in seiner heutigen Gestalt. Damals war er noch ganz anders gestaltet. Wir gehen da allerdings in die erste Hälfte der adantischen Zeit zurück. Der Mensch bestand da auch schon aus physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und dem Ich, aber der physische Leib sah noch ganz anders aus. Der physische Leib war so, daß wir ihn etwa vergleichen könnten mit den Körpern mancher Meerestiere, durchsichtig, die wir kaum sehen würden, die wir gerade greifen könnten, zwar schon durchzogen von gewissen Rich

tungslinien, die in ihnen aufglänzten. Es war der physische Leib des Menschen viel weicher als heute, es gab noch keine Knochen. Wenn es auch schon knorpelartige Ansätze gab, so war doch dieser physische Leib in der ältesten Zeit durchaus nicht von der heutigen Gestalt.

Dagegen war der Ätherleib des Menschen das viel wichtigere Glied. Der physische Leib der Menschen war damals mehr oder weniger klein, der Ätherleib dagegen war damals außerordentlich groß. Dieser Ätherleib unterschied sich für die einzelnen so, daß man etwa vier verschiedene Typen hätte wahrnehmen können. Diese vier typischen Gestalten waren so vorhanden, daß ein Teil der Menschen den einen Typus zeigte, ein anderer den anderen. Nun haben sich in vier Namen die Typen erhalten. Es sind die Namen der apokalyptischen Tiere: Ochs oder Stier, Löwe, Adler, Mensch. Nun ist es nicht ganz richtig, wenn wir uns vorstellen wollten, daß diese Gestalten den heutigen Tieren vollkommen ährllich gewesen wären, aber sie erinnerten dennoch durch ihren Eindruck an die Art des Eindrucks, den heute die entsprechenden Tiere machen. Man konnte die Eindrücke,

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die die Ätherleiber machten, verstehen durch das Bild des Löwen, Stieres, Adlers oder Menschen. Einen Teil, der die Eigenschaften eines starken Fortpflanzungsvermögens als Eindruck machte, oder wegen eines außerordentlichen Appetits, den verglich man zum Beispiel mit dem Stier; eine andere Art von Menschen war eine solche, die schon mehr im Geistigen lebte, das waren die Adlermenschen> die sich wenig wohl fühlten in der physischen Welt. Und dann gab es noch Menschen, die sozusagen schon in ihrem Ätherleibe ähnlich waren dem heutigen physischen Leibe; zwar war er nicht ganz gleich, aber er war doch schon wie die Menschengestalt. Wir müssen uns natürlich vorstellen, daß im einzelnen nicht nur der eine Typus allein vertreten war, sondern daß in jedem alle vier veranlagt waren, aber daß einer dieser vier dominierte.

So war also die Beschaffenheit der Ätherleiber der atlantischen Bevölkerung. Dann war besonders mächtig, aber unentwickelt, der Astralleib, und das Ich war noch ganz außerhalb des Menschen. Also ganz anders sahen damals die Menschen aus als heute. Natürlich nahmen frühreife Menschen die spätere Gestalt schon früher an, aber im wesentlichen kann man die Menschen der damaligen Zeit so charakterisieren, wie wir das eben getan haben. Das war also der normale Durchschnittszustand der damaligen Menschheit.

Ganz anders war es bei den Vorgerückteren, bei den Schülern der Mystenöenstätten, bei denen, die die Einweihung der alten Atlantis erstrebten. Betreten wir nun im Geiste eine solche alte atlantische Einweihungsstätte, und versuchen wir einmal dasjenige, was der Lehrer zu geben hatte, uns vor Augen zu stellen. Was war dieser Lehrer denn selbst?

Wenn heute der Mensch einem Eingeweihten begegnete, so würde er ihn am Äußeren überhaupt gar nicht zu erkennen vermögen. Die wenigsten Menschen würden heute einen solchen Eingeweihten äußerlich erkennen, denn heute, nachdem der physische Körper des Menschen so weit fortgebildet ist, der Eingeweihte aber doch im Körper leben muß, unterscheidet sich dieser nur in intimen Feinheiten von den anderen Menschen. Damals aber war der Eingeweihte sehr, sehr verschieden von den anderen Menschen. Die anderen

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hatten noch mehr tierische Gestalten, der physische Leib war klein im Verhältnis zu den riesenhaften Ätherleibern, er bildete mehr eine plumpe tierische Substanz und Masse. Nun unterschied sich der Eingeweihte dadurch, daß er in seinem physischen Leibe ähnlicher war der heutigen Menschenbildung, daß er ein ähnliches Menschenantlitz trug wie der heutige Mensch, daß er ein Vorderhirn besaß wie der heutige Durchschnittsmensch. Damals hatten die Eingeweihten schon ein sehr ausgebildetes Gehirn für die damalige Zeit, während bei den anderen das Gehirn noch unausgebildet war. Nun waren solche Eingeweihte da und hatten ihre Schulen, und in diese EinweihungssChulen nahmen sie, durch bestimmte Methoden, aus der normalen Menschheit Schüler auf, je nachdem sich diese Zöglinge als reif und genügend entwickelt erwiesen.

Etwas müssen wir berücksichtigen, wenn wir das Folgende ganz verstehen wollen. Wir müssen uns klarmachen, daß mit der sich fortenetwickelnden Zeit die Herrschaft der geistigen Glieder des Menschen über den physischen Leib beim heutigen Menschen bis auf weniges vollständig abgenommen hat. Wenn auch heute der Mensch seine Beine und Arme bewegen kann und auf dem Fahrrad strampeln kann, wenn er auch seine Physiognomie beherrschen kann, kurz, in einem gewissen Grade eine Herrschaft über den Körper hat, so ist das alles nur ein armseliger, letzter Rest des alten Herrschaftsverhältnisses über den physischen Leib, wie es in der atlantischen Zeit war. Damals hatte der Gedanke, das GefüH einen viel größeren Einfluß auf den physischen Leib. Das was der Mensch denkt, übte damals einen viel wesentlicheren Einfluß auf den physischen Leib aus. Wenn heute jemandem ein Gedanke gegeben wird für Wochen, Monate oder gar Jahre, wird er nur in ganz besonderen Ausnahmefällen weiter wirken als auf den Ätherleib. Sehr selten wird zum Beispiel durch eine Meditation der physische Leib beeinflußt werden. Gelänge es jemandem, dadurch zum Beispiel ein etwas zurücllliegendes Gehirn etwas mehr vorzurücken, das heißt, wenn die Stirnknochen etwas weiter nach vorne rückten, also eine Wirkung bis in die Knochen da wäre, so wäre das schon ein ungeheurer Erfolg für heute. Das ist heute sehr, sehr selten der Fall. Es muß heute eine ungeheure Energie entwickelt

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werden, wenn der Gedanke auf den physischen Leib wirken soll. Leichter ist es schon, auf die Blutzirkulation oder auf die Atmungsverhältnisse einzuwirken, aber das ist auch noch schwer. Auf den Ätherleib kann heute der Gedanke schon wirken, und in der nächsten Inkarnation, da wird der Gedanke so mächtig gewirkt haben, daß dann die äußeren Körperverhältnisse sich geändert haben werden. Man soll heute eben so arbeiten, daß man weiß, man arbeitet nicht für eine Inkarnation, sondern darüber hinaus für zukünftige Inkarnationen. Die Seele ist ein Ewiges, sie kehrt immer wieder.

Ganz anders war das aber in den alten Einweihungsschulen. Da war es die Herrschaft des Gedankens, der Einfluß hatte auf den physischen Leib in einer verhältnismäßig kurzen Zeit. Der Mysterienschüler konnte seine Organisation selber ins Menschenähnliche hinaufarbeiten. Man konnte also damals einen Schüler annehmen aus der normalen Menschiieit, man mußte ihm nur den rechten Impuls geben. Der Schüler brauchte nicht einmal selber zu denken, es wurden ihni durch eine Art Suggestion Gedanken in seine Seele einverleibt. Es mußte vor seiner Seele eine ganz bestimmte geistige Gestalt stehen, in die sich der Schüler immer hat vertiefen müssen. Überall gab der atlantische Eingeweihte dem Schüler eine Gedankenform, in die dieser sich wieder und wieder versenken mußte. Was war das für ein Bild? Was hatte der Schüler zu denken? Was meditierte er?

Es ist schon auf den Urzustand der Erde hingewiesen worden, es ist die ganze Entwickelung schon skizziert worden, es ist auch gesprochen worden von der Lichtgestalt im Urstaub. Hätte man damals hellseherisch das Atom angesehen, so wäre herausgewachsen das Urbild des heutigen Menschen. Das wuchs aus diesem Staubkorn, diesem Uratom heraus. Nicht die Gestalt des Menschen der alten Zeiten, nicht des atlantischen Menschen, sondern die Gestalt des heutigen Menschen wuchs heraus aus diesem Uratom. Und was tat der atlantische Eingeweihte? Eben dieses Urbild, dieses menschliche Urbild, das sich aus dem Ursamen heraus erhebt, das stellte er vor die Seele seiner Schüler. So mußte der Schüler meditieren über dieses Urbild. Die Menschengestalt als Gedankenform stellte der Eingeweihte der Atlantis vor den sehenden Blick des Schülers hin, mit all den Impulsen

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und Empfindungen, die darin waren. Und ob nun der Schüler den Löwentypus oder einen anderen besaß, er mußte sich das Gedankenbild vorhalten, was der Mensch werden sollte in der nachatlantischen Zeit. Dieses Gedankenbild bekam er immer als Ideal. Er mußte diesen Gedanken wollen: Mein physischer Leib soll werden wie dieses Bild. - Und durch die Kräfte dieses Bildes, das der Schüler lernen mußte, wurde so auf den Körper gewirkt, daß er sich dann von den anderen Menschen unterschied. Du`rch die Kräfte dieses Bildes wurden bestimmte Teile umgebildet, und allmählich wurden die vorgerücktesten Schüler immer ähniicher den heutigen Menschen.

Da blicken wir auf merkwürdige Geheimnisse zurück, da blicken wir in die Mysterien der adantischen Zeit. Und auch ein anderes wird uns auffallen. Wie auch die Menschen gestaltet waren, eins schwebte vor ihrer Seele als Bild, das als Geistbild schon vorhanden war, als die Sonne mit der Erde noch vereint war. Und dieses Bild trat immer mehr heraus als der Sinn der Erde, als das, was der Erde geistig zugrunde liegt. Und dieses Bild erschien ihnen nicht in der oder jener Gestalt, als das Bild der oder jener Rasse, es erschien ihnen als das allgemeine Ideal der Menschheit.

Das ist das Gefühi, das der Schüler sich an diesem Bilde hat entwickeln sollen: Die höchsten geistigen Wesen haben dieses Bild gewollt, dieses Bild, durch das Eiiiheit kommt in die Menschheit. Dieses Bild ist der Sinn der Erdenentwickelung, dieses Bild zu verwirklichen, hat die Sonne sich getrennt von der Erde, ist der Mond herausgetreten. Dadurch konnte der Mensch Mensch werden. Das ist das eine, was zu1etzt erscheinen soll als das hohe Ideal der Erde. Und in dieses hohe Ideal strömten ein die Gefühle, welche den Schüler in seiner Meditation belebten.

So war es ungefähr um die Mitte der atlantischen Zeit, und wir werden zu verfolgen haben, wie dieses Bild der Meditation, das da vor dem Schüler als Menschengestalt stand, sich umwandelte in etwas anderes, und wie dieses herübergerettet wurde nach der atlantischen Katastrophe. Das ist es, was auflebte in dem indischen Eingeweihtenunterricht, das, was man zusammenfassen kann in dem uralt heiligen Namen: Brahma. Das was die Weltengottheit gewollt hat als Sinn der

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und Empfindungen, die darin waren. Und ob nun der Schüler den Löwentypus oder einen anderen besaß, er mußte sich das Gedankenbild vorhalten, was der Mensch werden sollte in der nachatlantischen Zeit. Dieses Gedankenbild bekam er immer als Ideal. Er mußte diesen Gedanken wollen: Mein physischer Leib soll werden wie dieses Bild. - Und durch die Kräfte dieses Bildes, das der Schüler lernen mußte, wurde so auf den Körper gewirkt, daß er sich dann von den anderen Menschen unterschied. Durch die Kräfte dieses Bildes wurden bestimmte Teile umgebildet, und allmählich wurden die vorgerücktesten Schüler immer ähnlicher den heutigen Menschen

Da blicken wir auf merkwürdige Geheimnisse zurück, da blicken wir in die Mysterien der atlantischen Zeit. Und auch ein anderes wird uns auffallen. Wie auch die Menschen gestaltet waren, eins schwebte vor ihrer Seele als Bild, das als Geistbild schon vorhanden war, als die Sonne mit der Erde noch vereint war. Und dieses Bild trat immer mehr heraus als der Sinn der Erde, als das, was der Erde geistig zugrunde liegt. Und dieses Bild erschien ihnen nicht in der oder jener Gestalt, als das Bild der oder jener Rasse, es erschien ihnen als das allgemeine Ideal der Menschheit.

Das ist das Gefühi, das der Schüler sich an diesem Bilde hat entwickeln sollen: Die höchsten geistigen Wesen haben dieses Bild gewollt, dieses Bild, durch das Einheit kommt in die Menschheit. Dieses Bild ist der Sinn der Erdenentwickelung, dieses Bild zu verwirklichen, hat die Sonne sich getrennt von der Erde, ist der Mond herausgetreten. Dadurch konnte der Mensch Mensch werden. Das ist das eine, was zuletzt erscheinen soll als das hohe Ideal der Erde. Und in dieses hohe Ideal strömten ein die Gefühie, welche den Schüler in seiner Meditation belebten.

So war es ungefähr um die Mitte der atlantischen Zeit, und wir werden zu verfolgen haben, wie dieses Bild der Meditation, das da vor dem Schüler als Menschengestalt stand, sich umwandelte in etwas anderes, und wie dieses herübergerettet wurde nach der atlantischen Katastrophe. Das ist es, was auflebte in dem indischen Eingeweihtenunterricht, das, was man zusammenfassen kann in dem uralt heiligen Namen: Brahma. Das was die Weltengottheit gewollt hat als Sinn der

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Erde, das war das Heiligste des alten indischen Eingeweihten, dann sprach er von Brahma. Daraus entsprang später die ZarathustraLehre und die ägyptische Weisheit, wovon dann später gesprochen werden soll. Wie es sich umbildet aus Brahitia zur ägyptischen Weisheit, das wollen wir morgen weiter sehen.

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VIERTER VORTRAG Leipzig, 5. September 1908

Gestern beschlossen wir unsere Betrachtung mit der Besprechung eines außerordentlich wichtigen Ereignisses im inneren Leben, im eigentlichen Geistesleben des Menschen. Wir versuchten vor unsere Seele zu rücken einen Eindruck, den der atlantische Einzuweihende hatte im Beginn des letzten Drittels der atlantischen Kulturepoche. Uns trat da vor die Seele, wie dem Einzuweihenden eine ideale Menschengestalt vor der Seele stand, die ein Gedankenbild war, auf das er sich zu konzentrieren hatte in der Meditation, und wie dies das Vorstellungs-, Gefühls- und Willensleben des atlantischen Einzuweihenden erfüllte. Dieses Gedankenbild sollte imnier mehr und mehr das Modell für den zukünftigen Menschen werden.

Nun müssen wir uns noch einmal vor Augen führen, wie dieses Gedankenbild eigentlich ungefähr aussah. Es war nicht ganz dem Menschen von heute ähnlich; so war es nicht. Wenn wir uns eine Art Kombination denken würden aus Mann und Frau, wobei alles das, was niedrig ist, wegbleibt, wenn wir uns eine Art Doppelgestalt denken, von der nur erfaßbar deutlich der obere Teil des Leibes ist, so haben wir das eigentliche sinnlich-übersinnliche Bild, das vor dem Meditierenden damals stand. Dieses Bild wirkte so stark, daB diejenigen, welche Einzuweihende waren, wirklich ihren äußeren Leib immer ähnlicher machten diesem Bilde.

Nun ist ein Umstand sehr wichtig, das ist der, daß ja gerade der meditierende Einzuweihende eine Art Menschengestalt vor sich hatte, welche ihm gegenüberstand in seinem Inneren. Wenn der Einzuweihende vorbereitet worden war, daß er dieses Bild lebendig vor sich hatte, so mußte er sich folgendes klarmachen, wenn er dieses Bild vor sich aufleuchten sah: Indem ich dieses Bild anblicke, versetze ich mich in den Urzustand der Erdenentwickelung, als Erde, Mond und Sonne noch nicht getrennt waren. - Damals bestand die Erde aus ihrem Uratom, aber in diesem Atom war für den Hellseher das Bild zu sehen, das jetzt vor mir auftaucht. Das Bild war schon in

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der Urzeit der Erde vorhanden, als es noch keine Tier-, Pflanzenund Mineralformen gab. Damals bestand die Erde nur aus dem Menschenatom, aus den wiedererweckten Menschen. Allerdings haben sich ja schon die ersten Anlagen der Tiere während des Mondenzustandes der Erde gebildet; die Tiere waren schon da. Aber wir wissen auch, wenn ein planetarisches System verschwindet, daß dieses hineingeht in ein Pralaya, in das dann alle Formen aufgelöst werden. Wenn auch der alte Mond von Tierformen bereits bevölkert war, so hatte die Erde zuerst aber damit noch nicht gleich Tiere und Pflanzen, die kamen erst später. Erst nach der Abtrennung der Sonne tauchten die Tiere allmählich auf. Die Erde war bloß Mensch in ihrer Urzeit.

Auf diesen Urzustand der Erde blickte also der Einzuweihende. Er sah im Uratom das Idealbild des Menschen. Diese Menschengestalt hatte der Einzuweihende vor sich, und nun wurde ihm klar: Also versetze ich mich in den Urzustand der Erde. Das was in der Erde lebt, das Idealbild, die Ideafform des Menschen, das sagt mir folgendes: Die Gottheit wirkt von Ewigkeit zu Ewigkeit; sie hat sich ausgegossen in diese Formen und hat diese menschiiche Urform aus sich herausgehaucht. - Jetzt sagte er sich: Wo sind die Tiere, Pflanzen und anderen Wesen hergekommen?

Gleichsam die Urform der Gottheit sah der Einzuweihende im Geiste, und die Tiere sah er als Nebenformen, auch die Pflanzen sah er als Nebengestalten, die erst später entstanden waren. Alles das, was hier an -niederen Reichen lebt, alles das sah der atlantische Einzuweihende an als erst aus der Menschengestalt hervorgegangen. Wir können uns eine Vorstellung von diesem Gedanken machen, wenn wir daran denken, wie die SteinkoHe entstanden ist. Denken wir an die großen Urwälder, die damals entstanden und lebten und die jetzt Steinkohle sind. Sie sind zurückgeblieben, sie haben sich aus einem höheren in ein niederes Reich entwickelt. Da sehen wir, wie die Pflanzen zu Stein geworden, verhärtet sind.

So sah der atlantische Einzuweihende alles, die ganze Umwelt aus der Menschenform hervorgehen. Dieser Eindruck wurde in den urfernen Zeiten vor die Seele des Menschen hingezaubert, und diese

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Eindrücke wurden in der Erinnerung behalten durch die Zeit der Flut hindurch, und die alten indischen Initiatoren riefen dieses Bild des Urmenschen auch noch hervor in der Seele des Schülers, das Bild des Urmenschen, der vom ewigen Selbst ausgehaucht worden war. Wenn der indische Schüler dieses Bild vor sich hatte, dann fühlte er, daß alles aus diesem Bilde entstanden war, daß das, was wie das Blut vorhanden war in diesem Urbilde, zu den Wassern der Erde geworden ist und so weiter. Und so erweiterte sich dieses Bild zu dem Urgrund des Alls. Jetzt wurde ihm folgendes vor die Seele gestellt. Es wurde ihm gesagt: Zweierlei hast du in diesem Urbild vor Augen, einmal das Urbild selbst, dann aber auch das, was in dir als irinerste Wesenheit aufleuchtete bei Betrachtung des Bildes. Draußen der Makrokosmos und dann das, was du gewissermaßen in dir als Extrakt empflndest, der Mikrokosmos.

Und als die Griechen bei den Alexanderzügen nach Indien drangen und die letzten Nachklänge vernahmen dessen, was der Schüler damals gefühit hatte, da empfanden sie folgendes. Sie sagten: Wenn der Schüler das betrachtet, was in der großen Welt ausgebreitet ist als Mensch, dann hat er den Herakles vor sich. Der Inder nannte das, was als Kräfte des Weltalls lebt, Väc. - Im Menschen aber fühiten sie gewissermaßen als den Extrakt des Ganzen das Brahman. - So verdeutlichten sich die Griechen das, was Nachklänge sind von demjeriigen, was in der Seele des Schülers vor sich ging in der uralt heiligen indischen Kultur. Das war die Frucht eines Zuges der Griechen unter Alexander dem Großen nach Indien. Gerade aus dieser Grundempfindung heraus entwickelte sich die uralt heilige indische Eingeweihtenlehre, die wie ein geistiges Abbild erscheint jenes Urzustandes der Erde, wo die Erde noch die Sonnenkräfte und hohen Wesenheiten in sich hatte, nach deren Erhabenheit man sich später sehnte. Deshalb war es ein hohes Gefühl geistigen Lebens, wenn der Schüler eingeweiht wurde, wenn er das in sich erstehen lassen konnte, was man als Brahrtian erfaßt. Es war ein ungeheurer Vorgang in der Menschenseele. Das war eine Erhebung in hohe Welten. Nicht anders konnte man eingeweiht werden und zum wirklichen Schauen gelangen, als wenn man sich erhob zu höchsten Welten. Diejenige Welt,

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die um uns ist, ist die physische Welt. Um sie und in ihr wogt die Astralwelt. Höher steht das Devachan, die Götterwelt, und in die höchsten Regionen des Devachan mußte entrückt werden der Schüler, wenn er in dem Makrokosmos das Brahman, das Urselbst fühlen sollte. Im obersten Devachan war dann der Schüler, in der Götterwelt, aus der heraus stammt das Edelste, was der Mensch in sich hat. Es war ein Reich höchster, vollkommenster Ordnung, in das der Schüler entrückt wurde, ein Reich, das noch vieles andere bot an Erkenntnis; denn das, was hier geschildert wurde, war nicht das einzige.

Bevor wir aber weiteres schildern, müssen wir auch die Lehrer kennenlernen. Sie alle haben schon gehört von den heiligen Rishis, den ursprünglichen Begründern der uralt heiligen indischen Kultur, welche selbst den Manu zum Lehrer gehabt hatten. Wer waren diese sieben großen Lehrer des alten Indiens? Wir müssen die Natur der heiligen Rishis, soweit das möglich ist, uns ein wenig verdeutlichen. Dazu müssen wir noch einmal in die große Welt schauen. Wir müssen uns klar sein, daß dasjenige, was wir mit physischen Sinnen, Augen und so weiter wahrnehmen können, eine Folge des Geistigen ist. Wenn wir die ganze Umwelt, die wir erblicken, vergeistigt denken, so können wir sie etwa mit einem ätherischen Urnebel vergleichen. Dieser Nebel wurde dann allmählich dichter, er stieg hinab in den Zustand der Materie, und es ballten sich heraus verschiedene Weltkörper: die Sonne, der Mond, die Erde trennten sich.

Warum spalteten sich aber die anderen Planeten heraus? Denn das geschah während der einzelnen Trennungen auch. Saturn, Jupiter, Mars, Venus, Merkur spalteten sich ab. Warum geschah das?

Wir werden das begreifen, wenn wir uns sagen, daß im großen Weltenall etwas Ähnliches vor sich geht wie das> was sich auch in unserem gewöhniichen, trivialen Leben abspielt. Es bleiben nicht bloß Schüler im Gymnasium sitzen, sondern auch im großen Kosmos gibt es Wesen, die zurückbleiben und nicht mitkommen können. Nun machen wir uns das einmal ganz klar. Eine Gruppe hoher Wesen waren es, die nicht das Tempo der Erde mitmachen konnten, die die feinsten Substanzen herausnahmen und daraus die Sonne gestalteten zu ihrem Wohnplatz. Das waren die höchsten Wesen, die mit unserer Evolution

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verknüpft waren. Sie hatten aber auch eine Entwickelung durchgemacht. Es gab also Wesen, die damals im Begriff standen, Sonnengeister zu werden und solche, die zurückgeblieben waren, die tiefer standen als die Sonnengeister, Jedoch höher als der Mensch, die die Entwickelung der Sonnengeister nicht mitmachen konnten, weil sie nicht so reif waren wie diese. Sie konnten nicht mit der Sonne her- ausgehen; die Sonne hätte sie versengt. Für die Erde waren sie aber zu edel, daher hatten sie sich besondere Substanzen, die an Feinheit zwischen Sonne und Erde stehen, die ihrer Natur entsprachen, herausgenommen und sich Wohnplätze gebildet zwischen Sonne und Erde. So spalteten sich heraus Venus und Merkur. Da haben wir zwei Gruppen von Wesenheiten, die nicht so hoch gekommen waren wie die Sonnengeister, aber weiter waren als der Mensch. Sie wurden Venus-, sie wurden Merkurgeister. Diese Wesenheiten sind die Veranlasser der Entstehung dieser beiden Planeten. Ferner bildeten sich schon früher heraus Mars, Jupiter und Saturn, aus anderen Gründen. Diese wurden wiederum Wohnplätze für bestimmte Wesenheiten.

So sehen wir, wie Geister die Ursachen von der Entstehung der Planeten sind. Nun darf man nicht glauben, daß diese Wesenheiten, die die verschiedenen Körper des Sonnensystems bewohnen, daß die nicht in Zusammenhang stehen mit den Erdbewohnern. Wir müssen einsehen, daß die physischen Grenzen nicht die wirklichen Grenzen sind, daß auch über diese Grenzen hinaus vielfach die Möglichkeit besteht für die Wesenheiten der anderen Himmelskörper, magische Wirkungen auszuüben auf die Erde. So erstrecken sich die Wirkungen der Sonnen-, Mars-, Jupiter-, Saturn-, Venus-, Merkurgeister und so weiter in die Erde hinein. Die beiden letzteren stehen der Erde näher; sie haben den Menschen geholfen, als die Sonne heraus- getreten war, die Erde so vorzubereiten, wie wir sie jetzt vor uns haben.

Ich möchte hier etwas einfügen, weil Mißverständnisse sich eingeschlichen haben, die sich beziehen auf die Benennung der Planeten. In allen okkulten Benennungen wird das, was heute astronomisch Merkur genannt wird, Venus genannt, und umgekehrt, was man astronomisch Venus nennt, wird Merkur genannt. Die rein

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äußerlichen Astronomen wissen nicht, daß da Geheimnisse zugrunde liegen, weil man tiefe, esoterische Benennungen nicht verraten wollte. Es ist das geschehen, um gewisse Dinge zu verhüllen.

Es wirken nun alle diese Geister der anderen Planeten auf die Erde. Von allen Planeten gehen Wirkungen auf den Menschen aus. Diese Wirkungen mußten aber zunächst dem Menschen vermittelt werden, und das geschah dadurch, daß durch den großen Manu die sieben Rishis so eingeweiht wurden, daß der einzelne Rishi die Geheimnisse eines dieser Planeten in ihren Wirkungen verstand. Und weil man sieben Planeten zähite, so waren diese sieben Rishis in ihrer Gemeinsamkeit dasjenige, was darstellt eine siebengliedrige Loge, welche die Lehren von den Geheimnissen unseres Sonnensystems ihren Schülern übermitteln konnte. Daher finden wir Hindeutungen darauf in manchen alten okkulten Schriften. Da steht zum Beispiel: Es gibt Geheimnisse, die zu suchen sind jenseits der Sieben, das sind die, die der heilige Manu selbst bewahrte, über die Zeit vor der Spaltung der Planeten.

Das was die Planeten als Kräfte bewahrten, das war dasjenige, was in den Geheimnissen der sieben Rishis verborgen war. Und so wirkte dieser Chor der sieben Rishis zusammen, in vollster Einheit mit dem Manu, in der wunderbaren Weisheit, die den Schülern von ihnen vermittelt wurde. Wenn wir das charakterisieren wollten, so müßten wir sagen: Diese Urlehre enthielt ungefähr dasjenige, was wir heute kennenlernen als die Evolution der Menschheit durch die planetarischen Zustände von Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus, Vulkan. Die Geheimnisse der Evolution waren hineingeheimnißt in die sieben Glieder der Loge, von denen ein jedes eine Stufe im Fortschritt der Menschheit bedeutete.

Das sah der Schüler. Er sah es nicht nur, er hörte es sogar, wenn er sich erhob in das Devachan, in die devachanische Welt: denn diese Welt ist eine Welt des Tönens. Da hörte er den Sphärenklang der sieben Planeten. Er sah in der astralischen Welt das Bild; in der devachanischen Welt hörte er den Ton, und in der obersten, der höchsten der Welten, erlebte er das Wort. Wenn also der indische Schüler sich erhob in das obere Devachan, so nahm er durch die

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Sphärenmusik und durch das Sphärenwort wahr, wie der Urgeist Brahma sich gliedert durch die Evolution, in der siebengliedrigen P1anetenkette, und er hörte das aus dem Urwort Väc. Das war die Bezeichnung des Urtones der Schöpfung, den der Schüler hörte; darinnen hörte er die ganze Weltenentwickelung. Das in sieben Glieder gespaltene Wort, das Urwort der Schöpfung, das wirkte in der Seele des Schülers, das Urwort> das er den Nichteingeweihten ungefähr so beschrieb, wie wir heute beschreiben würden unsere Weltenevolution. Was er wahrnahm, ist elementar beschrieben in meiner «Theosophie». Und diese Beschreibung finden wir zuerst wieder in der uralt heiligen Religion der Inder> in dem, was man nannte den «Veda» oder auf deutsch das «Wort».

Das ist der wirkliche Sinn der Veden, und dasjenige, was später geschrieben ist, ist nur die letzte Erinnerung an die uralt heilige WortIehre. Das Wort selbst ist nur von Mund zu Mund fortgepflanzt worden, denn durch das Niederschreiben wird die Urtradition verletzt. Nur aus den Veden kann man noch etwas herausfühlen von dem, was damals in diese Kultur eingeflossen ist. Wenn der Schüler das in seiner Erinnerung erlebte, konnte er sich sagen: Was ich als Brahman in meiner Seele erlebe, was ich als Urwort in meiner Seele habe, das war auch schon da auf dem alten Saturn; auf dem Saturn erklang schon der erste Hauch des Vedawortes.

Nun hatte sich die Entwickelung fortgesetzt durch Sonne und Mond bis zur Erde. Das Wort war immer dichter geworden, hatte immer dichtere Formen angenommen, und das Menschenbild im Ursamen der Erde war schon eine Verdichtung des Zustandes, in dem das Urwort auf dem Saturn war. Was war nun geschehen?

Das Gotteswort, der Urmensch hatte sich in immer neue Hüllen gehüllt, und es kam darauf an, welche Hüllen das Wort innerhalb der Erdenentwickelung annahm. Der Schüler wußte, daß sich nichts vollständig wiederholt im Weltenall und daß jeder Planet seine Mission hat. Was er auf der alten Sonne als das Leben sich gestalten sah, was auf dem alten Monde als Weisheit eingeimpft wurde auf den

Grund aller Dinge, dem folgte auf der Erde, was die Aufgabe, die Mission der Erde ist, das ist, die Liebe zu entwickeln; die war auf

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dem alten Monde noch nicht da. So kleidete sich dasjenige, was in einer viel geistigeren, aber auch in einer viel kälteren Form auf dem vorigen Planeten vorhanden war, das Urbild des Menschen, es kleidete sich in eine warme astralische Umhüllung. Dasjenige, was Mensch werden sollte, war auf dem Monde in eine astralische Hülle gekleidet worden, und dieser Teil ist es, der auf der Erde das innere Menschenleben dazu fähig macht, Liebe zu entwickeln von der niedersten bis zur höchsten Form.

Dem indischen Schüler wurde die Menschengestalt, das Urbild, im oberen Devachan klar wahrnehmbar. Dann umhüllte es sich im niederen Devachan mit einer astralischen Hülle, die in sich die Kräfte hatte, Liebe zu entwickeln. Die Liebe, den Eros, nannte man Kama. So bekommt Kama einen Sinn für die Erdenentwickelung. Es kleidete sich das göttliche Wort, das Brahman, in Kama, und durch das Kama hindurch tönte dem Schüler das Urwort heraus. Das Kleid der Liebe war Kama, das Kleid des Urwortes Vac, des Wortes Väc, das dem lateinischen «vox» zugrunde liegt. Und so empfand der Schüler im innersten Wesen, daß sich das Gotteswort ein astralisches Liebeskleid umgelegt hatte, und nun sagte er sich: Der Mensch, der heute aus vier Gliedern besteht, aus dem physischen Leibe, dem Ätherleib, dem Astralleib und dem Ich, dieser Mensch hat als höchstes Glied sein Ich. Und dieses Ich stieg hinunter in das Liebeskleid und bildete sich Kama-Manas. Das war das innerste Wesen des Menschen, Kama war es, in das sich Manas kleidete: das war das Ich. Aber wir wissen auch, daß dieses innerste Wesen herausentwickeln wird drei Glieder, die höher sind, die war(deln die niederen Glieder um, wandeln auch den physischen Leib um, und wie das Manas aus der Astralhülle wird, wie dem Prana die Budhi auf höherer Stufe entspricht, so wird der physische Leib, wenn er ganz vergeistigt sein wird, Atma sein. Alles das war aber schon keimhaft veraniagt in der Väc, und ein Vedasatz erinnert noch daran, wie der Schüler das Geheimnis des innersten Wesens zum Ausdruck brachte.

Wir wissen, daß der physische Leib auf dem Saturn, der Ätherleib auf der Sonne, der Astralleib auf dem Monde, und das Ich auf der Erde erst entstanden ist. Aber die wahre, ursprüngliche Menschenaniage,

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das Urwort Väc, hatte auch schon die drei folgenden Glieder in sich. Drei höhere Glieder hat der Mensch noch zu e1warten, dann wird er erst ein getreues Abbild des Schöpfungswortes, des Urwortes sein. Und darauf sollte der Schüler hingewiesen werden, daß nur dem Eingeweihten die wahre Natur des physischen, ätherischen und astralischen Leibes klar sein konnte. Heute ist der Mensch er selbst nur, wenn er sein «Ich bin» ausspricht, wenn er das ins Auge faßt, was ganz sein eigen ist. Nur da ist er ganz Mensch. Die anderen Glieder sind zwar auch offenbar, aber da ist er noch unbewußt. Aber im vierten ist die Väc offenbar geworden: «Im vierten spricht der Mensch!» Das war der Satz des Veda. Wenn das Wort des Ich ertönt, so tönt der vierte Teil der Väc. Der Vedasatz hieß «Vier Vierteile der Väc sind bemessen; drei sind im Verborgenen bewahrt und rühren sich nicht; nur das vierte Vierteil sprechen die Menschen.»

Da haben wir eine wunderbare Beschreibung von dem, was wir so oft gehört haben. Das stand vor dem geistigen Blick des Schülers. Sein Blick wurde auf den Zustand zurückgelenkt, wo noch nichts getrennt war, wo noch eine Urerde war, wo die volle Väc sprach. Das drückt ein anderer Vedasatz aus: «Vorher wußte ich nicht, was das ist, das , erst als die Erstgeborene der Erde über mich kam, wurde der Geist lichtvoll erfüllt, und ich hatte Anteil an der heiligen Väc», der Weisheit. Darinnen ist ein Schauen wiedergegeben, das der Eingeweihte hatte.

Damit ist nur angedeutet einiges wenige von den Erlebnissen der alten Rishi-Schüler, von den wunderbaren Lehren, die einflossen in die indische Kultur, die überliefert wurden an die folgenden Zeit- alter und die umgestaltet wurden nach den Lebensbedürfnissen anderer Völker. Aber alle hatten es verstanden, das Urwort Väc.

Wir werden manches besser verstehen, wenn wir ein Geheimnis in seinem ganzen Zusanimenhang uns vor Augen führen. Wir müssen uns vorstellen, daß damals die Wirkung des Lehrers auf den Schüler eine ganz andere war als heute. Heute ist nur dann, wenn der Schüler auf eine gewisse Einweihungsstufe schon gebracht ist, einigermaßen eine solche Wirkung möglich. Damals waren die Kräfte des Lehrers, die auf den Schüler übergingen, viel stärker. Von diesen Kräften

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machen wir uns eine Vorstellung, wenn wir sagen: Nicht nur das> was der Lehrer durch das Wort oder durch die Schrift übermitteln konnte, wirkte. Das alles wirkte eigentlich nur auf die Verstandesseele, aber außerdem wirkten magische, geheimnisvolle Kräfte vom Lehrer auf den Schüler, und es waren im wesentlichen die Kräfte des Lehrers, die da imstande waren, die Bilder, die der Lehrer vor die Seele des Schülers rückte, zu erfüllen mit Helligkeit und lebendiger Kraft. Diese eigenartige Wirkung hat sich im vierten nachatlantischen Zeitalter, der griechisch-lateinischen Kultur, erst verloren. Die Kräfte ändern sich eben. Es war ganz etwas anderes, wenn ein alter Ägypter einem jungen gegenüberstand, als wenn heute ein Lehrer dem Schüler gegenübersteht. Ganz andere Kräfte wirkten vom Alter auf die Jugend. Das muß derjenige wissen, der verstehen will, was noch im alten Griechentum beschrieben ist. 5okrates hatte tatsächlich telepathische Kräfte, die er auf seine Schüler übergehen ließ, während er sie belehrte. Solches kann in unserer Zeit nicht mehr wirken. Solche Dinge werden angedeutet in Platos Schriften. Heute würde es selbstverständlich eine verwerfliche Untugend sein, was damals durchaus berechtigt war. Es gehen eben Änderungen vor sich; niemand hat das Recht, das heute zu kopieren. Heutige Erscheinungen wollen sich darauf berufen, aber dasselbe würde heute verwerflich sein.

Damals, in der alten Zeit, gingen Kräfte aus vom Lehrer zum Schüler. Noch im alten Ägypten gab es wirklich eine große Zahl Menschen, die fähig waren, auf eine derartige Weise Kräfte aufzunehmen. Wenn ein Mensch besonders empfänglich war und einem anderen gegenüberstand, der gelernt hatte, seine Gedanken zu verstärken, dann wirkte ein starker Gedanke so, daß er in der Seele des Empfänglichen auftauchte als Bild. Es war also im alten Ägypten eine solche telepathische Wirkung in hohem Grade möglich, und Gedankenübertragung war in hohem Maße vorhanden. Wenn eine starke Willensnatur einer nicht gestärkten gegenüberstand, war das sehr der Fall. So vermochte man auch noch in Ägypten einen anderen durch Gedanken zu lenken und zu leiten in einem Maße, wie man es sich heute gar nicht vorstellen kann. Heute würde man natürlich mit solchen Kräften argen Mißbrauch treiben.

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Im wesentlichen beruhten im alten Ägypten die Einweihungen auf ähnlichen Kräften. So war es auch im alten Indien möglich gewesen und in Persien. Diese Kräfte verstärkten noch die Methode, die, wenn man sich exoterisch ausdrücken wollte, man auch eine medizinische nennen könnte. Darunter ist natürlich nicht die offizielle Heilkunde von heute zu verstehen. Über das, was heute der Mensch Medizin nennt, darüber hätte der ägyptische Arzt und Eingeweihte nur gelacht. Der alte ägyptische Mediziner hat eins gewußt: er hat gewußt, daß jene Zustände, die in der Atlantis ursprünglich vorhanden waren, und wie man sie bei der Einweihung hat wahrnehmen können, auch jetzt noch in gewissem Sinne wieder zu erwecken waren. Das Bewußtsein, in dem der Mensch in der Atlantis lebte, war ein dumpfes Hellseherbewußtsein. Da gab es eine Zeit, sagte sich der ägyptische Eingeweihte, in der die geistigen Wesen eine viel größere Kraft auf den Menschen ausübten. Heute weiß der Mensch, wenn er schläft, nichts von den höheren Welten; aber der atlantische Mensch lebte da noch in einem dämmerhaften Hellseherbewußtsein mit den Göttern. Und so wie es viel besser wirkt als alle moralischen Lehren, wenn der heutige Mensch sich erheben kann zu einem idealen Menschen, so wirkte damals der ägyptische Eingeweihte durch Kräfte und Bilder höherer geistiger Vorgänge auf den Schüler. Das wirkte nicht bloß äußerlich, sondern tief innerlich, es wirkte so, daß ein ganz bestimmter Vorgang resultierte.

Denken wir uns einen kranken Menschen, der deshalb krank ist, weil bestimmte Verrichtungen nicht in normaler Weise verlaufen. Woher kommt das? Derjenige, der okkult geschult ist, weiß, daß es nicht von außen kommt, wenn der physische Leib unregelmäßig funktioniert; sondern alles, was an Krankheiten da ist und nicht von außen kommt, ist darauf zurückzuführen, daß der Ätherleib nicht in Ordnung ist. Aber der Ätherleib ist krank, weil der Astralleib in Unordnung ist. Wenn nun bei dem atlantischen Menschen Gefahr vorhanden war, daß irgendeine Unordnung in der Säfteverteilung eintreten konnte, dann war sehr bald dafür gesorgt, daß wieder Ordnung hineinkommen konnte. Der Mensch bekam im Schlafzustand aus den geistigen Welten eine solche Kraft, daß durch den

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Schlaf die gestörten Kräfte und Funktionen wieder hergestellt wurden, daß der Mensch wieder gesundete. Er stellte gewissermaßen durch Erschlafen die gesunden Kräfte wieder her. Die alten ägyptischen Ärzte gebrauchten etwas Ähnliches. Sie dämmerten das Bewußtsein des Patienten künstlich herab bis zu einer Art hypnotischen Schlafes, und nun waren sie Herren über die Bilder der Seelenwelt, die um den Patienten entstanden. Und diese Bilder lenkten sie so, daß sie Kräfte hatten, zurückzuwirken auf den physischen Leib und ihn gesund zu machen. Das war der Sinn des Tempelschiafs, den man für innerliche Krankheiten verwendete. Den Kranken gab man keine Medizin, sondern man ließ einen solchen Menschen im Tempel schlafen. Man umdämmerte sein Bewußtsein und ließ ihn in die geistigen Welten hineinschauen. Man lenkte nun seine astralischen Erlebnisse so, daß diese die Kräfte hatten, wieder Gesundheit in den Leib hineinzugießen. Das ist kein Aberglaube, das ist ein Geheimnis, das die Eingeweihten kannten: daß sie das Geistige in die Erlebnisse der Kranken hineinbrachten. In der Heilkunde, die wir daher so innig verbunden mit dem Prinzip der Einweihung finden, stellte man bei der Heilung gleichsam künstlich den atlantischen Zustand wieder her. Und dadurch, daß der Mensch durch sein Tagesbewußtsein nicht sich entgegensetzte, wirkten die Kräfte, die nötig waren zur Gesundung. So wirkte der Tempelschlaf.

In der ägyptischen Kultur herrschte das Prinzip auch noch, das in Indien bei den weisen Rishis herrschte, die selbst die Dinge lenkten, die selbst die Vermittler der Planetenkräfte waren, die Schüler des Manu, des großen Lehrers der ersten erhabenen Kultur. In der ersten Kultur der nachatlantischen Zeit waren es die Rishis, die jene erhabene Lehre brachten, eine Lehre, die den Menschen in hohe, erhabene, geistige Welten führte, bis in die obere Devachanwelt. Das, was da geschaut wurde, das wurde heruntergeführt in den folgenden Kulturperioden bis auf den physischen Plan; bis im vierten nachadantischen Zeitraum sich hineinsenkte in den physischen Plan die Wesenheit, die wir als das Brahman der indischen Kulturperiode kennengelernt haben, die wir als Christus bezeichnen, die nicht mehr das Geistige zu vermitteln hat, sondern selbst Mensch wurde, um

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über alle Menschen auszustrahlen die geheimnisvolle Macht des Urwortes.

So ist das Urwort herabgestiegen, um den Menschen wieder hin- aufzubringen. Und der Mensch muß verstehen, wie das geschah, um ein Instrument aus sich zu bilden, durch das er in die Zukunft wirken kann. Wir müssen kenneniernen, was vor uns gewirkt hat, damit wir selbst mitarbeiten können an immer höherer Gestaltung dessen, was für uns um uns ist.

Eine geistige Welt müssen wir in Zukunft schaffen. Dazu ist nötig, daß wir zuerst den Kosmos verstehen.

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FÜNFTER VORTRAG Leipzig, 7. September 1908

Wir haben bisher in diesen Vorträgen versucht, uns ein Bild zu machen von unserer Erdenentwickelung im Zusammenhange mit der des Menschen, weil wir auseinandersetzen mußten, wie die Vergangenheit der Erde, wie die Tatsachen unserer Erdenentwickelung sich in der Erkenntnis der einzelnen Kulturperioden der nachatlantischen Zeit widerspiegeln. Wir konnten gerade die tiefsten Erlebnisse des Schülers der Rishis dahin charakterisieren und zeigen, wie sich diese inneren Erlebnisse eines solchen Einzuweihenden als innere, helisichtig geschaute Bilder darstellten derjenigen Verhältnisse und Vorgänge, die sich abspielten in unserer Urerde, als diese noch in sich enthielt die Sonne und den Mond. Wir haben auch gesehen, welch eine hohe Stufe der Einweihung ein solcher Schüler der indischen Kultur erreichen mußte, um sich ein solches Weltanschauungsbild schaffen zu können, ein Bild, das wie eine Wiederholung dasteht von dem, was sich in urferner Vergangenheit abgespielt hat. Wir haben auch gesehen, was die Griechen dachten, als sie auf ihren Alexanderzügen bekannt wurden mit dem, was also ein indischer Einzuweihender erlebte, in dessen Seele sich erhob das Bild der göttlich-geistigen, schaffenden Kraft, das sich auszudrücken begann im Urnebei, als Sonne und Mond noch mit der Erde vereint waren. Dieses Bild, das Brahman der Inder, das den Griechen erschien wie Herakles, dieses Bild versuchten wir uns als eine innere Wiederholung der Tatsachen, die sich tatsächlich in der Vergangenheit abgespielt haben, vor die Seele zu führen. Es ist auch schon betont worden, daß die aufeinanderfolgenden Entwickelungsperioden der Erde sich spiegelten in der persischen und in der ägyptischen Kulturpenöode. Was also in der zweiten Epoche geschah, als sich die Sonne herauszog aus der Erde, das wurde im Bilde bei den Eingeweihten der Perser in Erscheinung gebracht. Und das, was sich abspielte, als nach und nach der Mond herausging, das wurde Weltanschauung und Einweihungsprinzip bei den Ägyptern, Chaldäern, Babyloniern, Assyrern.

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Nun müssen wir uns, um ganz genau in die Seele des alten Ägypters hineinschauen zu können - denn das ist uns ja das Wichtigste, und die Persereinweihung werden wir nur wie eine Vorbereitung an- schauen -, wir müssen uns noch einmal genauer darauf einiassen, wie es eigentlich mit unserer Erde zuging während der Zeiten, als sich Sonne und Mond von der Erde trennten.

Wir wollen jetzt ein Bild von der Erde selbst entwerfen, das sich nach und nach herausbildete, als die Sonne wegging und als später auch der Mond wegging. Es soll abgesehen werden von den großen kosmischen Ereignissen, und wir wollen sehen, was auf der Erde selbst geschieht. Wenn wir noch einmal auf die Erde im Urzustande zurückblicken, als sie mit Sonne und Mond vereinigt war, so würden wir da nicht finden unsere Tiere, unsere Pflanzen und ganz und gar nicht unsere Mineralien. Das, woraus die Erde ursprünglich gestaltet war, war zunächst nur der Mensch, waren nur Menschenkeime. Zwar ist es richtig, daß auch schon die tierischen und pflanzlichen Keime angelegt wurden auf der alten Sonne und auf dem alten Monde, daß auch diese schon im Urzustande der Erde enthalten waren, aber sie waren gewissermaßen noch schiafende Keime, keine Keime, denen man hätte ansehen können, daß sie wirklich etwas hervorbringen könnten. Erst als die Sonne sich herauszubewegen begann, erst da wurden die Keime triebkräftig, die später zu Tieren wurden. Und erst als die Sonne sich vollständig von der Erde getrennt hatte und Erde und Mond allein waren, da wurden jene Keime Triebkeime, die später Pflanzen wurden. Und erst als der Mond herauszugehen begann, bildeten sich nach und nach die mineralischen Keime. Das wollen wir also festhalten.

Jetzt aber wollen wir die Erde einmal selbst anschauen. Die Erde war, als sie noch Sonne und Mond in sich hatte, nur eine Art großer ätherischer Dunstnebel von gewaltiger Ausdehnung, und darinnen waren triebkräftig die Menschenkeime, schlafend aber die Keime der anderen Wesen: Tiere, Pflanzen und Mineralien. Deshalb, weil nur Menschenkeime da waren, aber noch keine Augen, konnte auch kein Auge äußerlich diese Vorgänge sehen, so daß die hier gegebene Beschreibung nur sichtbar werden kann im Rückblick für den hellsehenden

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Menschen. Diese Beschreibung wird unter der hypothetischen Voraussetzung gemacht, daß das einer gesehen hätte, wenn er damals auf einem PUnkt des Weltenraums sich hätte befinden und zuschauen können. Auch auf dem alten Saturn hätte ein physisches Auge gar nichts bemerkt. Damals, im Urzustand, war die Erde nur ein Dunstnebel, der nur als Wärme empfunden worden wäre. Aus dieser Masse, aus diesem Uräthernebel gliederte sich allmählich ein leuchtender Dunstball, der schon hätte gesehen werden können, wenn es damals ein Auge gegeben hätte. Und wenn man mit einem Gefühlssinn sozusagen hätte hineindringen können, wäre er erschienen wie ein erwärmter Raum; etwa wie das Innere eines Backofens würde er sich ausgenommen haben. Sehr bald aber wurde diese Nebelmasse leuchtend. Und dieser Dunstball, der sich da herausgebildet hatte, der hatte in sich alle die Keime> von denen eben gesprochen worden ist. Wir müssen uns klar sein, daß in diesem Dunstnebel nicht etwas vorlag wie ein heutiger Nebel oder wie heutige Wolkengebilde, sondem alle heute fest gewordenen und flüssigen Substanzen waren darinnen aufgelöst. Alle Metalle, alle Mineralien, alles, alles war in Dunst- und Nebelform, in einer sehr durchsichtigen Form, in einer durchleuchteten Dunsrform darin vorhanden. Durchleuchteter Dunst war da, von Wärme und Licht durchdrungen. Denken Sie sich da hinein. Das was aus dem ätherischen Nebel geworden war, das war ein durchleuchtetes Gas. Und dieses heIlte sich immer mehr und mehr auf, und gerade durch die Verdichtung der Gase wurde das Licht immer stärker, so daß in der Tat einmal dieser Dunstnebel wie eine große Sonne erschien, die in den Weltenraum hinaus- leuchtete.

Diesen Zeitpunkt gab es durchaus einmal, als die Erde noch die Sonne in sich hatte, als sie noch lichtdurchglänzt und durchstrahlt war und in den Weltenraum ihr Licht hinausstrahlte. Dieses Licht aber machte es möglich> daß nicht nur der Mensch in jener ursprünglichen Anlage mit der Erde lebte, sondern daß in der Fülle des Lichtes lebten alle anderen höheren Wesen, die nicht einen physischen Leib annahmen, aber mit der Entwickelung des Menschen verbunden sind: Engel, Erzengel, Urkräfte. Aber nicht nur diese waren darin;

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in der Lichrfülle lebten auch noch höhere Wesenheiten: die Gewalten oder Exusiai oder Geister der Form, die Mächte oder Dynamis oder Geister der Bewegung, die Herrschaften oder Kyriotetes oder Geister der Weisheit und jene Geister, die genannt werden die Throne oder Geister des Willens, Und endlich in loserer Verbindung mit der Lichtfülle, sich imm`er mehr von ihr losringend, die Cherubim und die Seraphim. Ein von einer ganzen Hierarchie niederer und höchster, erhabenster Wesenheiten bevölkerter Weltenkörper war die Erde. Und das, was als Licht hinausstrahIte in den Raum, das Licht, womit der Erdenkörper durchdrungen wurde, das war nicht nur Licht, sondern auch das, was später die Erdenmission war: das war die Kraft der Liebe. Das hatte das Licht als seinen wichtigsten Bestandteil in sich. Wir müssen uns also vorstellen, daß nicht nur Licht ausgestrahit wird, nicht nur physisches Licht, sondern daß dieses Licht durchseelt, durchgeistigt ist mit der Kraft der Liebe.

Das ist schwer vorzustellen für ein heutiges Gemüt. Gibt es doch heute Menschen, die die Sonne so beschreiben, als ob da so ein gasförmiger Ball wäre, der einfach Licht ausstrahite. So etwas Materielles, so ein rein materielles Vorstellen herrscht heute einzig und allein von der Sonne. Ausgenommen sind davon nur die Okkultisten. Wer heute eine Beschreibung der Sonne liest, so wie sie in den populären Büchern dargestellt ist, in Büchern, die die geistige Nahrung unzähliger Menschen bilden, der hat nicht das Wesen der Sonne kennen- gelernt. Das was in diesen Büchern steht, das ist in bezug auf die Sonne genausoviel wert, wie wenn jemand als das Wesen des Menschen einen Leichnam beschreibt. So wahr der Leichnam der Mensch ist, so wahr ist das, was in der Astrophysik von der Sonne beschrieben ist, die Sonne.

Gerade so wie der das Wichtigste beim Menschen wegläßt, der den Leichnam beschreibt, so beschreibt der Physiker, der heute die Sonne beschreibt, nicht ihr Wesen, wenn er mit Hilfe der Spektralanalyse die inneren Bestandteile der Sonne gefunden zu haben glaubt; das was beschrieben ist, ist nur äußerer Leib der Sonne. In jedem Sonnenstrahle strömt auf alle Erdenwesen hernieder die Kraft höherer Wesenheiten, welche die Sonne bewohnen, und mit dem Lichte des Sonnenstrahls

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schwebt selber hernieder die Kraft der Liebe, dieselbe Kraft, die hier auf der Erde von Mensch zu Mensch, von Herzen zu Herzen strömt. Es kann die Sonne niemals bloß physisches Licht auf die Erde senden; dasselbe, was die heißeste und inbrünstigste Liebesempfindung ist, ist unsichtbar im Sonnenlichte vorhanden. Mit ihm strömen der Erde zu die Kräfte der Throne, der Seraphim, der Cherubim und der ganzen Hierarchie der höheren Wesenheiten, die auf der Sonne wohnen und die es nicht nötig haben> irgendeinen anderen Körper als das Licht zu haben. Weil aber das alles, was heute in der Sonne vorhanden ist, damals noch mit der Erde verbunden war, so waren auch alle die höheren Wesen mit der Erde selbst verbunden. Auch heute noch sind sie mit der Entwickelung der Erde verbunden.

Dann müssen wir bedenken, daß der Mensch, der das niederste von den höheren Wesen war, damals schon im Keim vorhanden war als das neue Kind der Erde, getragen und gehegt von diesen hohen Wesen, im Schoße dieser göttlichen Wesen lebend. Der Mensch, der in jener Zeit lebte, in welcher wir jetzt mit unseren Betrachtungen in der Erdenevolution stehen, mußte, weil er noch im Schoße dieser Wesenheiten war, auch damals einen viel feineren Leib haben. Und da ergibt sich dem hellsehenden Bewußtsein, daß der Leib des damaligen Menschen nur bestanden hat aus einer feinen Dunst- und Dampfform, einem Luft- oder Gasleib, einem vom Lichte ganz durchstrahlten, ganz durchsetzten Gasleib. Denken wir uns eine regelmäßig gestaltete Wolke, wie eine nach oben sich erweiternde, kelchartige Bildung, und denken wir uns diesen Kelch durchglüht und durchleuchtet von dem inneren Lichte, und wir haben die damaligen Menschen, die eben erst anfangen in dieser Erdenentwickelung ein dumpfes Bewußtsein zu haben, ein Bewußtsein, wie es heute die Pflanzenwelt hat. Nicht wie die Pflanzen im heutigen Sinne waren die Menschen; sie waren durchleuchtete und durchwärmte Wolkenmassen in Kelchesform und ohne feste Grenzen, nicht durch feste Grenzen getrennt von der Gesamterdenmasse.

Das war einmal die Gestalt des Menschen, eine Gestalt, die ein physischer Lichtleib war, teilhaftig noch der Kräfte des Lichtes. Deshalb konnten sich, wegen der Feinheit des Leibes, nicht nur hineinsenken

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ein eigener Ätherleib und Astralleib> nicht nur das Ich in den ersten Anfängen, sondern auch die höheren geistigen Wesenheiten, die mit der Erde verbunden waren. Damals wurzelte der Mensch noch sozusagen nach oben in den göttlich-geistigen Wesen, und diese durch&angen ihn. Es ist wirklich nicht leicht, die Herrlichkeit der Erde von damals zu schildern und eine Vorstellung zu geben von jener Zeit. Wir müssen uns die Erde als eine lichtdurchglänzte Kugel vorstellen, von lichttragenden Wolken umstrahlt, wunderbare Lichterscheinungen von wunderbarem Farbenspiel erzeugend. Wenn man eine fühlende Hand hätte hineinstrecken können in diese Erde, man hätte Wärmeerscheinungen wahrgenommen, auf und ab wogend die durchglühten, durchieuchteten Massen, darin alle heutigen Menschen- wesen, umwebt und umwogt von all den geistigen Wesenheiten, nach außen hin in grandioser Mannigfaltigkeit strahlendes Licht aus sendend! Außen der Erdenkosmos in seiner großen Mannigfaltigkeit, innen der lichtumflossene Mensch, in Verbindung mit den göttlich- geistigen Wesenheiten, von ihnen ausgehend und Ströme von Licht in die äußere Lichtsphäre strahlend. Der Mensch hing wie an einer aus dem Göttlichen entspringenden Nabelschnur an diesem Ganzen, an dem Lichtschoß, dem Weltenschoß unserer Erde. Ein gemeinsamer Weltenschoß war es, in dem die Lichtpflanze Mensch damals lebte, sich eins fühiend mit dem Lichtmantel der Erde. So war der Mensch in dieser feinen Dunstpflanzenform wie an der Nabelschnur der Erdeiimutter hängend, so war er gehegt und gepflegt von der ganzen Mutter Erde. Wie in einem gröberen Sinne heute das Kind gehegt und gepflegt ist im mütterlichen Leibe als Kindeskeim, so war damals gehegt und gepflegt der Menschenkeim. So lebte der Mensch damals in der urfernen Erdenzeit.

Darin begann die Sonne sich herauszulösen, die feinsten Substanzen mit sich nehmend. Es gab eine Zeit, in der die hohen SonnenWesenheiten die Menschen verließen, da alles, was heute zur Sonne gehört> unsere Erde verließ und die gröberen Substanzen zurückließ. Und verbunden war dieses Hinausgehen der Sonne damit, daß der Dunst sich abkühite zu Wasser, und wir haben, während wir früher die Dunsterde hatten, nun die Wasser-Erdkugel. In der Mitte waren

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die Urwasser, jedoch nicht von Luft umgeben; langsam gingen die Wasser über in dichte, dicke Nebel, die sich allmählich verfeinerten. So haben wir die damalige Erde als Wassererde, also darin auch Stoffe in weichem Zustande, umdunstet von Nebeln, die immer feiner wurden, bis hinauf in die höchsten Sphären, wo die Nebel ganz fein wurden. So haben wir einmal unsere Erde vor uns. So war sie verändert, und die Menschen mußten nun sozusagen die früher lichtdurchglühte Gasgestalt hineinsenken in die trüben Wasser und sich dort verkörpern als geformte Wassermassen im Wasser, wie vorher als Luftformen in der Luft. Der Mensch wurde eine Wassergestalt, jedoch keineswegs ganz. Niemals war der Mensch ganz ins Wasser hinunter- getaucht. Das ist ein wichtiger Moment. Es ist beschrieben worden, wie die Erde in der Mitte Wassererde war, der Mensch war nur teilweise ein Wasserwesen, er ragte hinein in die Dunsthülle, so daß er halb Wasser-, halb Dampfwesen war. Unten im Wasser konnte der Mensch unmöglich von der Sonne erreicht werden, die Wassermasse war so dick, daß das Sonnenlicht nicht durchdringen konnte. In den Dunst konnte das Licht der Sonne etwas hineindringen, so daß der Mensch lebte zum Teil im dunkeln, lichtberaubten Wasser und teilweise im lichtdurchglühten Dunst. Von etwas war jedoch das Wasser nicht beraubt, von etwas, das wir jetzt genauer beschreiben müssen.

Von Anfang an war die Erde nicht nur glühend, leuchtend, sondern auch tönend, und der Ton war in der Erde geblieben, so daß, als das Licht hinausging, innerlich das Wasser zwar dunkel wurde, innerlich aber auch vom Ton durchdrungen wurde, und der Ton war es, der dem Wasser gerade die Gestaltung, die Form gab, wie man das ja an dem bekannten physikalischen Experiment kennenlernen kann. Wir sehen, daß der Ton ein Gestaltendes ist, eine formende Kraft, weil durch den Ton die Teile gegliedert oder geordnet werden. Der Ton hat eine formende Kraft> und die war es, die auch den Leib aus dem Wasser heraus geformt hat. Das war die Kraft des Tones, die noch in der Erde geblieben war. Es ist der Ton, der Klang, der die Erde durchklingt, es ist der Ton, aus dem heraus sich formte die Menschengestalt. Hindringen konnte das Licht nur zu dem Teil des Menschen,

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der da aus dem Wasser hinausragte. Unten ein Wasserleib, oben ein Dampf leib, den das äußere Licht berührte, zu dem im Lichte die Wesen, die mit der Sonne herausgegangen waren, Zugang hatten. Vorher fühlte sich der Mensch in ihrem Schoße, als die Sonne noch mit der Erde vereinigt war; jetzt schienen sie im Licht auf ihn nieder und durchstrahlten ihn mit ihrer Kraft. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß in dem, was nach der Trennung der Sonne zurückgeblieben war, auch die Kräfte waren, die die Erde von sich trennen mußte, die Kräfte des Mondes.

Wir haben also eine Zeit, wo gerade die Sonne herausgegangen war, wo allmählich jener Pflanzenmensch untertauchen mußte in die physische Wassererde. Das ist die Stufe, die der Mensch damals in seinem Leibe erreicht hatte, die wir heute degeneriert festgehalten sehen in den Fischen. Wenn wir heute das Wasser von Fischen durchzogen sehen, so sind diese Fische Überreste jener Menschen, natürlich in einer dekadenten Form. Wir müssen uns etwa einen Goldflsch denken, in phantastischen Pflanzenformen, mit großer Beweglichkeit, aber mit dem Gefühl von Wehmut, weil das Licht dem Wasser genommen war. Es war eine tiefe, tiefe Sehnsucht, die entstand. Das Licht war nicht mehr da; das Verlangen nach dem Licht rief die Sehnsucht hervor. Es gab einen Augenblick in der Erdenentwickelung, in dem die Sonne noch nicht ganz heraus war aus der Erde, da kann man jene Gestalt noch durchglüht sehen von Licht, die Menschen im oberen Teil noch auf der Sonnenstufe, unten schon in der Gestalt, die in der Fischform festgehalten worden ist. Dadurch nun, daß der Mensch mit der Hälfte seines Wesens in der Dunkelheit lebte, dadurch war da unten eine recht niedere Menschennatur, denn in dem Teile, mit dem er untertauchte, hatte er die Mondeskräfte in sich. Wenn das auch nicht zur Lava war, wie im heutigen Monde, es waren schwarze erstarrt ,finstere Kräfte. Da konnten auch nur die schlechtesten Partien des Astralischen untertauchen. Aber oben war eine Dunstgestalt, gleichsam der Kopfteil, in den hineinstrahlte das Licht von außen und ihm die Form gab, so daß der Mensch aus einem niederen und einem höheren Teil bestand. Schwimmend, schwebend bewegte er sich in dieser Dunstatmosphäre. Die dichte Dunstatmosphäre der Erde war

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noch nicht Luft, sie war Dunst, also noch nicht Luft, durch die die Sonne hätte dringen können. Die Wärme konnte durchdringen, aber nicht das Licht. Der Sonnenstrahl konnte nicht die ganze Erde küssen, sondern nur die Oberfläche, der Erdenozean blieb dunkel. In diesem Ozean waren aber die Kräfte, die später als Mond herausgegangen sind.

Dadurch nun, daß die Lichtkräfte eindrangen, drangen auch die Götter in die Erde ein. So daß wir unten den götterlosen, gottverlassenen Wassermantel, nur durchdrungen von der Kraft des Tones haben, ringsherum den Dunst, in den sich hineinerstrecken die Kräfte der Sonne. So daß der Mensch in dem Dunstkörper, der über die Wasserfläche hinausragte, doch immer noch ein Mitbürger war dessen, was zu ihm strahlte als Licht und Liebe aus der geistigen Welt. Warum durchdrang jedoch den finsteren Wasserkern die tönende Welt?

Aus dem Grunde, weil einer der hohen Sonnengeister zurückgeblieben war, verbunden hatte sein Dasein mit der Erde. Das ist derselbe Geist, den wir kennen als Jahve oder Jehova. Jahve allein blieb bei der Erde, er opferte sich, er war es, dessen inneres Wesen als formender Ton die Wassererde durchklang.

Aber weil die schlechtesten Kräfte als Ingredienzien in der Wassererde verblieben waren, weil diese Kräfte furchtbare Elemente waren, kam der Dunstteil des Menschen immer mehr herunter, und aus der ehemaligen Pflanzengestalt entstand allmählich ein Wesen, das auf der Stufe eines Amphibiums stand. In der Sage und Mythe ist diese Gestalt, die viel tiefer steht als die spätere Menschheit, geschildert als der Drache, als der Menschenmolch, als der Lindwurm. Und der andere Teil des Menschen, der ein Bürger des Lichtes war, der wird dargestellt als ein Wesen, das nicht herunterkam, das die niedere Natur bekämpft, das zum Beispiel als Michael, als der Drachentöter, als heiliger Georg, den Drachen bekämpfend dargestellt wird. Auch noch in der Gestalt des Siegfried mit dem Drachen haben wir, allerdings umgeformt, Bilder dessen, was damals in jener Zweiteilung Menschenanlage war. Hinein kam in den oberen Teil der Erde und somit auch in den oberen Teil des physischen Menschen die Wärme, und bildete

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etwas wie einen feurigen Drachen. Aber darüber erhob sich der Ätherleib, in dem die Kraft der Sonne festgehalten wurde. So haben wir eine Gestalt, die das Alte Testament recht gut dargestellt hat in der Gestalt der verführerischen Schlange, die auch ein Amphibium ist.

Nun rückte die Zeit immer mehr heran, in der die niedersten Kräfte herausgeschleudert wurden. Mächtige Katastrophen erschütterten die Erde, und für den Okkultisten erscheinen die Basaltbildungen als Überreste jener reinigenden Kräfte, die dazumal den Erdenkörper erschütterten, als der Mond sich von der Erde trennen mußte. Das war aber auch die Zeit, in der sich irniiier mehr verdichtete der Wasserkern der Erde, und in der allmählich der feste, mineralische Kern entstand. Die Erde wurde auf der einen Seite verdichtet durch den Herausgang des Mondes, auf der anderen Seite gaben jedoch die oberen Partien ihre schwereren, gröberen Substanzen an die unteren Partien ab, und oben entstand immer mehr und mehr das, was zwar noch immer von Wasser durchsetzt war, was aber nach und nach ähnlich wurde unserer Luft. So bekam die Erde allmählich einen festen Kern in der Mitte, und Wasser war darum herum. Zuerst war der Nebel noch undurchdringlich für die Sonnenstrahlen, aber dadurch, daß der Nebel Substanzen abgab, wurde er immer dünner und dünner. Später, erst viel später ist Luft daraus geworden, und allmählich konnten die Sonnenstrahlen, die früher die Erde selbst nicht erreichen konnten, allmählich konnten sie durchdringen.

Jetzt kam eine Stufe unserer Erde, die wir uns recht vor die Seele stellen wollen. Früher tauchte der Mensch ins Wasser, ragte nur in Nebel heraus; jetzt durch die Verdichtung der Erde nimmt der Wassermensch allmählich die Möglichkeit an, die Form zu verdichten, ein festes Knochensystem anzunehmen. Der Mensch verhärtete sich in sich selber. Dadurch bildete sich der obere Teil des Menschen so um, daß er für das neu Eingetretene geeignet wurde. Das neu Eingetretene, was früher unmöglich war, das war die Luftatmung. Jetzt ftnden wir eine erste Ar1lage der Lunge. In dem oberen Teil war früher das, was das Licht aufnahm, das aber nicht weiterdringen konnte. Jetzt fühlte der Mensch wieder das Licht in seinem dumpfen Bewußtsein. Er konnte das, was da herunterstrahlte, fühlen als göttliche

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Kräfte, die ihm zuströmten. Bei diesem Übergang fühlte er das, was ihm zustrahlte, in zwei Teile sich spalten: die Luft drang selbst in ihn ein, der Hauch der Luft drang in ihn ein, früher drang das Licht nur an ihn, jetzt Luft in ihn. Der Mensch, der das fühlte, mußte sich etwa sagen: Früher fühlte ich die Kraft, die über mir ist, als die Kraft, die mir gab das, was ich jetzt brauche zum Atmen. Licht war mir Atmen. - Was jetzt in ihn einströmte, war ihm wie zwei Brüder; Licht und Luft waren für ihn zwei Brüder. Jetzt war es für ihn eine Zweiheit geworden: Licht und Luft.

Der Erde Lufthauch, der in den Menschen einströmte, war auch zu gleicher Zeit die Ankündigung, daß der Mensch etwas ganz Neues fühlen lernen mußte. Solange Licht allein war, solange kannte der Mensch nicht Geburt und Tod. Früher verwandelte sich die lichtdurchglühte Wolke, und der Mensch fühlte das etwa wie das Wechseln eines Rockes, er fühlte nicht, daß er geboren wurde, nicht, daß er starb, er fühlte sich ewig, Geburt und Tod nur wie Ereignisse. Mit dem ersten Atemzuge trat das Bewußtsein von Geburt und Tod ein: Die Luft, der Lufthauch, der sich abgespaltet hat von seinem Bruder, dem Lichtstrahl - so empfand der damalige Mensch -, der abgespaltet hat dadurch auch die Wesen, die früher mit dem Lichte eingeflossen sind, der hat mir den Tod gebracht.

Wer war es denn, der da machte, daß das Bewußtsein: Zwar habe ich eine finstere Gestalt, doch bin ich verbunden mit dem ewigen Wesen - wer war es denn, der dieses Bewußtsein vertrieb, tötete? Der Lufthauch, der in den Menschen einströmte - Typhon. Typhon heißt der Lufthauch. Und indem die ägyptische Seele in sich das erlebte, was sich so abgespielt hatte, daß sich der früher gemeinsame Strahl spaltete in den Lichtstrahl und den Lufthauch, wurde für diese Seele das kosmische Ereignis ein symbolisches Bild, das sich darstellte als Ermordung des Osiris durch Typhon oder Set, den Windhauch.

Ein großes kosmisches Ereignis ist verborgen im ägyptischen Mythos, der den Osiris getötet sein läßt durch Typhon. Der Ägypter fühlte den Gott, der von der Sonne kam und der sich noch vertrug mit seinem Bruder, als Osiris. Typhon war die Atemluft, die dem

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Menschen die Sterblichkeit gebracht hat. Da sehen wir an einem der prägnantesten Beispiele, wie sich die Tatsachen der Weltentwickelung in der innerlichen Erkenntnis der Menschen wiederholen.

So hat sich abgespielt das Werden der Dreiheit von Sonne, Mond und Erde. Alles das wurde dem ägyptischen Schüler mitgeteilt, in tiefen, tiefen, bewußt geformten Bildern.

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SECHSTER VORTRAG Leipzig, 8. September 1908

Mancher von Ihnen wird wohl beim Nachdenken über die in den letzten Tagen angestellten Betrachtungen über die Entwickelung unserer Erde und auch im weiteren Sinne des Sonnensystems im Zusammenhang mit dem Menschen einem ihm sonderbar erscheinenden Widerspruch begegnet sein mit vielen liebgewonnenen Vorstellungen des Lebens. Mancher wird sich gesagt haben: Nun haben wir da gestern gehört, die schlechtesten Kräfte in der Evolution seien gebunden an den Mond, und erst in dem Momente, als der Mond sich trennte von der Erde, seien mit ihm die schlechtesten Kräfte heraus- gegangen, und es sei erst dadurch ein solcher Zustand der Erde übriggeblieben, daß der Mensch seine Evolution finden konnte. - Das alles haben wir nun gehört, wo aber bleibt alle Romantik des Mondes? Alle jene Poesie, die doch aus wahren Empfindungen entsprang, die sich bezieht auf alle die wunderbaren Wirkungen des Mondes auf den Menschen?

Dieser Widerspruch ist nur ein scheinbarer, und er löst sich, wenn wir die Tatsachen nicht einseitig betrachten, sondern wenn wir die ganze Summe der Tatsachen vor unsere Seele stellen. Wenn wir allerdings heute den Mond auf seine physische Masse prüften, so würden wir finden, daß diese ungeeignet erscheinen würde, solches Leben, wie wir es jetzt auf der Erde haben, auf sich zu haben. Zugleich aber müssen wir auch sagen, daß auch alles das, was als Ätherisches mit dem Monde und seinen physischen Substanzen verknüpft ist, zu einem großen Teil auch solcherart ist, daß es sich als etwas sehr Minderwertiges, als dekadent ausnimmt gegenüber dem, was als Ätherisches in unserer eigenen Körperlichkeit ruht. Und wenn wir erst dasjenige, was bei den einzeIhen Mondwesen - von denen wir durchaus sprechen können - als Astralisches in Betracht kommt, hellsehend betrachten würden, so würden wir uns überzeugen können, daß gegenüber dem Schlimmsten, was auf unserer Erde an niederen Gefühlen vorhanden ist, daß dem gegenüber unzählig Schlechteres und Minderwertigeres

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auf` dem Monde ist. So dürfen wir also sowohl in bezug auf das Astralische, als auch auf das Ätherische, als auch auf das Physische des Mondes sprechen von Wesen, von Elementen, die ausgeschieden werden mußten, damit unsere Erde ihren Weg frei von schädlichen Einflüssen gehen konnte.

Nun müssen wir uns aber einer anderen Tatsache bewußt werden. Wir dürfen nicht außer acht lassen, daß wir überall bei dem Schlechten, Bösen nicht stehen bleiben dürfen. Denn alles das, was in der Evolution niedrig, böse wird, alles das unterliegt immer einer bedeutungsvollen Tatsache. So lange es irgend geht, muß alles das, was tief heruntergestiegen ist in niedere Sphären, durch andere, vollkommenere Wesen gereinigt werden, in die Höhe gebracht und geläutert werden, so daß es im Haushalt des Universums wieder verwendet werde. Wenn wir irgendwo eine Stelle im Weltall finden, wo besonders niedrige Wesen sind, so können wir sicher sein, daß mit diesen niederen Wesen andere, höhere verbunden sind, welche eine so große Macht des Guten, Schönen, Herrlichen haben, daß sie geeignet sind, auch die niedersten Kräfte noch zum Guten zu lenken. Deshalb ist es wahr, daß all das Niedere mit dem Mondendasein verknüpft ist, auf der anderen Seite aber sind mit ihm wiederum hohe, höchste Wesen verknüpft. Wir wissen ja schon, daß auf dem Monde zum Beispiel die hohe, sehr hohe geistige Wesenheit Jahve wohnt. Eine so hohe Wesenheit, mit einer solchen Macht und Herrlichkeit, hat aber unter sich in ihrer Tätigkeit große, große Scharen von dienenden Wesen guter Art. So daB wir uns vorzustellen haben, daß allerdings das Niederste aus der Erde mit dem Monde herausgegangen ist, daß aber zugleich diejenigen Wesen, die fähig sind, das Schlechte in Gutes, das Häßliche in SchÖnes zu verwandeln, mit dem Monde verbunden geblieben sind. Das konnten sie nicht, wenn sie das Häßliche im Erdenkörper ließen; sie mußten es herausnehmen. Warum denn aber überhaupt muß das entstehen, was da als Häßliches und Böses existiert? Es mußte entstehen, weil ohiie die Einwirkung des Häßlichen und Bösen urimöglich etwas anderes hätte zustande kommen können: es hätte der Mensch niemals ein in sich gestaltetes, geschlossenes Wesen werden können.

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Erinnern wir uns an die vorige Betrachtung. Da haben wir gesehen, wie des Menschen niedere Natur im Wasser wurzelte, wie er zur Hälfte in die dunkle Wassererde hineinragte. Da gab es keine Knochen, da gab es keine feste Menschengestalt. Eine sich metamorphosierende Form war da, pflanzlich, blütenähnlich, die Form wechselte immerfort. So wäre der Mensch geblieben, wenn nicht die Kräfte sich so herausgebildet hätten, wie sie im Monde herausbefördert worden sind. Wäre die Erde nur einzig der Sonne ausgesetzt geblieben, es wäre die Beweglichkeit des Menschenwesens zum höchsten Grade gestiegen, die Erde hätte ein für den Menschen unmögliches Tempo eingeschlagen; der Mensch hätte in seiner heutigen Form nicht entstehen können. Würden dagegen nur die Mondeskräfte gewirkt haben, dann wäre der Mensch sofort erstarrt; seine Gestalt würde sich im Augenblick der Geburt verfestigen, er würde zur Mumie werden und so verewigt werden. Zwischen diesen zwei Extremen entwickelt sich der Mensch heute mitten darinnen: zwischen unbegrenzter Beweglichkeit und dem Erstarren in der Form. Weil in dem Monde die formenden Kräfte sind, ist auch der physische Mond zur Schlacke geworden. In diese Formen hineinwirken können nur die hohen, starken Wesen, die mit dem Monde in Verbindung sind. So wirken auf die Erde zwei Kräfte: die Sonnenkräfte und die Mondenkräfte, die einen treibend, die anderen mumiflzierend. Denken Sie sich, ein riesiges Wesen schleppte die Sonne weg - in dem Augenblick würden wir auch alle schon zu Mumien erstarren, und zwar so sehr, daß wir diese Gestalt nie mehr würden verlieren können. Nehmen wir aber an, es schleppte ein Riese den Mond weg - dann würden alle die schönen, gemessenen, abgerundeten Bewegungen, die wir heute haben, zappelig werden. Wir würden innerlich ganz beweglich werden; wir würden unsere Hände sich verlängern sehen bis ins Riesenmäßige und wieder zurückschrumpfen. Die Metamorphosiernngskraft würde sich bis ins Riesenmäßige steigern. Jetzt aber ist der Mensch eingeschaltet zwischen diese zwei Kräfte.

Nun ist aber auch in diesem Kosmos, nicht nur in den Gestalten und Substanzen, sondern auch in den Verhältnissen der Dinge zueinander mancherlei außerordentlich weise eingerichtet. Und wir werden nunmehr, um uns heute einmitl vor die Seele zu führen,

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welche unendliche Weisheit im Kosmos liegt, ein Verhältnis betrachten, anknüpfend an die Osirisgestalt.

In der Gestalt des Osiris sah der Ägypter die Wirkung des Sonnengestirns auf unsere Erde in der Zeit, als noch Nebeldünste um die Erde wogten, als noch keine Luft da war, und er sah, daß, als im Menschen die Luftatmung anfing, daß in dem Momente die einheitliche Wesenheit, Osiris-Set sich trennte. Set oder Typhon bewirkt, daß der Lufthauch in uns eingeht. Typhon, der Windhauch, löste sich von dem Licht der Sonne, und Osiris wirkt nur als Licht der Sonne. Es ist aber auch derselbe Moment, in dem Geburt und Tod in das Wesen des Menschen hereinzog. In das, was formend und enrformend war, was bis dahin etwa so war, als ob wir einen Rock anziehen und ausziehen, war eine große Änderung getreten. Wenn der Mensch damals hätte empfinden können, in der Zeit, als noch nicht die von der Sonne ausgehenden Wirkungen die Erde selbst verlassen hatten, die Wirkungen, die von jenen hohen Wesenheiten ausgingen, die später mit der Sonne hinausgegangen sind, so hätte er mit Dankbarkeit hinaufgesehen zu diesen Sonnenwesen. Als die Sonne aber sich nunmehr immer mehr von der Erde trennte, als dann immer mehr das, was Dunstsphäre war - die allerdings damals für den Menschen das Reich seiner höheren Natur war -, sich verfeinerte, da bekam der Mensch, der immer weniger die direkte Einwirkung der Sonne wahrnehmen konnte, das Bewußtsein davon, was die Kräfte in seiner niederen Natur waren, und er kam dazu, daß er dort sein Ich erfaßte. Wenn er in seine niedere Natur untertauchte, da wurde er sich seiner selbst erst bewußt.

Warum nun ist die Wesenheit, welche wir als Osirisweseniieit kennen, verfinstert worden? Das Licht hörte mit dem Weggang der Sonne zu wirken auf» aber Jahve blieb zunächst auf der Erde, bis der Mond sich trennte. Osiris war der Geist, welcher so die Kraft des Sonnenlichtes in sich enthielt, daß er später, als der Mond sich trennte, mit dem Monde mitging, und die Aufgabe erhielt, vom Monde aus das Sonnenlicht auf die Erde zu lenken. Zuerst haben wir also die Sonne herausgehen sehen; Jahve bleibt mit seiner Schar, mit Osiris in der Erde zurück. Der Mensch lernt atmen. Zugleich

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aber trat der Mond heraus; Osiris zieht mit dem Monde heraus und erhält die Aufgabe, das Sonnenlicht vom Monde zu reflektieren auf die Erde. Osiris wird in einen Kasten gelegt, das heißt, er zieht sich mit dem Monde zurück. Vorher hatte der Mensch die Osiriswirkung von der Sonne her; jetzt erhielt er die Empfindung, daß das, was ihm früher von der Sonne kam, ihm jetzt vom Monde zu- strömte. Der Mensch sagte sich damals, wenn der Mond herunter- strahlte: Osiris, du bist es, der mir vom Monde das Licht der Sonne strahlt, das zu deinem Wesen gehört.

Aber dieses Licht der Sonne wird täglich in einer anderen Gestalt zurückgestrahlt. Wenn der Mond in schwacher Sichel am Himmel steht, dann haben wir die erste Gestalt; wenn er am zweiten Tage gewachsen ist, die zweite, und so durch vierzehn Tage durch haben wir vierzehn Gestalten bis zum Vollmond. Osiris wendet sich durch vierzehn Tage in den vierzehn Gestalten der beleuchteten Mondesscheibe der Erde zu. Es ist von tiefer Bedeutsamkeit, daß diese vierzehn Gestalten, vierzehn Wachstumsphasen, der Mond, das heißt, Osiris annimmt, um das Licht der Sonne uns zuzustrahlen. Dieses, was da der Mond tut, das ist im Kosmos gleichzeitig damit verknüpft, daß der Mensch atmen gelernt hat. Erst als diese Erscheinung in ihrer Art voll am Himmel war, erst da konnte der Mensch atmen, und damit war er verknüpft mit der physischen Welt, und es konnte der erste Keim des Ichs in der menschlichen Wesenheit entstehen.

Die spätere ägyptische Erkenntnis hat das alles, was hier geschildert worden ist, empfunden und so erzählt: Osiris regierte früher die Erde, dann aber trat Typhon auf, der Wind. - Das ist die Zeit, in der die Wasser soweit herabfallen, daß die Luft auftritt, wodurch der Mensch zum Luftatmer wird. Das Osirisbewußtsein hat Typhon besiegt, er hat Osiris getötet, ihn in einen Kasten gelegt und dem Meere übergeben. Wie könnte man denn das kosmische Ereignis bedeutungsvoller ausdrücken im Bilde? Erst regiert der Sonnengott Osiris, dann wird er hinausgetrieben im Monde. Der Mond ist der Kasten, der in das Meer des Weltenraumes hinausgedrängt wird; nunmehr ist Osiris im Weltenraum. Wir erinnern uns nun aber auch daran, daß in der Sage gesagt wird, daß, als Osiris wiedergefunden

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wurde, als er auftauchte im Weltenraum, er in vierzehn Gestalten erschien. Die Sage erzählt: Osiris wurde in vierzehn Glieder zerstückelt und in vierzehn Gräbern begraben. Hier haben wir einen wunderbaren Hinweis in dieser tiefgründigen Sage auf den kosmischen Vorgang. Die vierzehn Gestalten des Mondes, die Mondphasen, sind die vierzehn Stücke des zerstückelten Osiris. Der ganze Osiris ist die ganze Mondscheibe.

Das erscheint ja nun zunächst so, als wenn das alles nur ein Symbolum wäre. Wir sehen aber schon, daß das seine wirkliche Bedeutung gehabt hat. Und jetzt kommen wir auf etwas, ohne das uns niemals die Geheininisse des Kosmos klarwerden. Wenn nicht eingetreten wäre eine solche Konstellation von Sonne, Mond und Erde, wenn der Mond nicht in vierzehn Gestalten erschienen wäre, dann wäre etwas anderes nicht eingetreten, denn diese vierzehn Gestalten haben etwas ganz Besonderes bewirkt. Jede derselben hat einen großen, gewaltigen Einfluß auf den Menschen in seiner Entwickelung auf der Erde gehabt. Nun werde ich Ihnen etwas Sonderbares sagen müssen, es ist aber wahr. Damals, als das alles noch nicht geschehen war, als Osiris noch nicht hinausgegangen war, da hatte der Mensch in seiner Lichtgestalt nicht einmal der Aniage nach etwas, was heute von größter Wichtigkeit ist. Wir wissen, daß das Rückenmark sehr wichtig ist. Von ihm gehen Nerven aus. Diese waren nicht einmal der Anlage nach vorhanden in der Zeit, als der Mond noch nicht heraus war. Die vierzehn Gestalten des Mondes, in der Anordnung, wie sie aufem~inöder folgen, wurden die Veraniassung, daß sich vier- zehn Nervenstränge an das Rückenmark des Menschen angliederten. Die kosmischen Kräfte wirkten so, daß den vierzehn Phasen oder Gestalten des Mondes diese vierzehn Nervenstränge entsprechen. Das ist die Folge der Osiriswirkung.

Nun entspricht der Mondesentwickelung noch etwas anderes. Diese vierzehn Phasen sind ja nur die Hälfte der Erscheinungen des Mondes. Der Mond hat vierzehn Phasen vom Neumond bis zum Vollitiond und vierzehn Phasen vom Vollmond bis zum Neumond. Wälirend der vierzehn Tage, die zum Neumond gehen, ist keine Osiriswirkung da. Da wird der Mond von der Sonne so beschienen, daß er allmählich

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seine unbeleuchtete Fläche der Erde als Neumond zuwendet. Diese vierzehn Phasen vom Volimond bis zum Neumond haben auch ihre Wirkung, und diese Wirkung wird für das ägyptische Bewußtsein erreicht durch die Isis. Diese vierzehn Phasen werden von der Isis regiert. Durch die Isiswirkung gehen vierzehn andere Nervenstränge vom Rückenmark aus. Das gibt im ganzen achtundzwanzig Nervenstränge, die den verschiedenen Phasen des Mondes entsprechen. Da sehen wir den Ursprung ganz bestimmter Glieder des Menschenorganismus, aus den kosmischen Ereignissen heraus. Mancher wird nun` sagen: Das sind ja nicht alle Nervenstränge, das sind ja nur achtundzwanzig. - Es wären nur achtundzwanzig, wenn das Mondenjahr mit dem Sonnenjahr zusammenflele. Das Sonnenjahr ist aber länger, und dieDifferenz des Sonnenjahrs gegenüber demMondenjahr hat die überzähIigen Nervenstränge bewirkt. So ist dem Menschen eingegliedert worden in seinen Organismus von dem Monde aus die Isiswirkung und die Osiriswirkung. Damit ist aber noch etwas anderes verknüpft.

Bis zu dem Moment, als der Mond von außen zu wirken begann, gab es noch keine Zweigeschiechtlichkeit. Es gab bis dahin nur einen Menschen, der sozusagen beides war, männlich und weiblich. Jene Trennung geschah erst durch 'die abwechselnde Wirkung von Isis und Osiris vom Monde her, und je nachdem die Osirisnerven oder die Isisnerven eine besondere Wirkung auf den Organismus ausüben, je nachdem wird der Mensch männlich oder weiblich. Ein Organismus, in dem vorzugsweise die Isiswirkung herrscht, wird männlich, ein Leib, in dem die Osiriswirkung vorherrscht, wird weiblich. Natürlich wirken in jedem Mann und in jedem Weib beide Kräfte, Isis und Osiris, aber so, daß beim Manne der Ätherleib weiblich ist, und bei der Frau der Ätherleib männlich ist. Hier haben wir etwas von dem wunderbaren Zusammenhang, wie das Einzelwesen mit den Stellungen im Kosmos zusammenhängt.

Wir haben nun gefunden, daß nicht nur durch die Kräfte, sondern auch durch die Konstellationen der Weltenkörper Einwirkungen auf den Menschen stattfinden. Unter den Einflüssen dieser achtundzwanzig Nervenstränge, die vom Rückenmark ausgehen, bildete sich alles, was zum männlichen und weiblichen Organismus gehört. Nun

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soll noch etwas angeführt werden, womit wir weit hineinieuchten werden in den Kosmos und die Zusammenhänge mit der Entwikkelung des Menschen. Diese Kräfte formen die Gestalt des Menschen, aber der Mensch verhärtet nicht in ihr; es wfrd eine Gleichgewichtslage geschaffen zwischen Sonnen- und Mondenwirkung. Bei folgendem dürfen wir nicht denken, daß wir es zu tun haben mit irgendeiner Symbolik bloß, wir haben es mit realen Tatsachen zu tun.

Was ist der ursprüngliche Osiris, der unzerstuckelte Osiris? Was ist der zerteilte Osiris? Was vorher noch eine Einheit war im Menschen, das ist jetzt zerstückelt in die achtundzwanzig Nerven. Wir haben gesehen, wie er in uns selbst zerstückelt liegt. Ohne das hätte niemals bewirkt werden können, daß die menschliche Gestalt entstanden ist. Was hat sich aber zunächst unter dem Einfluß von Sonne und Mond gebildet? Zunächst entstand durch das Zusammenwirken aller der Nervenstränge nicht nur äußerlich Männliches und Weibliches, sondern auch im Inneren des Menschen entstand etwas durch den Einiluß des männlichen und weiblichen Prinzips. Es entstand die innerliche Isiswirkung, und diese innerliche Isiswirkung, das ist die Lunge. Die Lunge ist der Regulator der Einilüsse des Typhon oder Set. Und das, was auf den Menschen von Osiris aus wirkt, das wirkt, indem es die weibliche Wirkung anregt, in männlicher Art so, daß produktiv gemacht wird die Lunge durch den Atem. Durch die Wirkungen, die ausgehen von Sonne und Mond, wird geregelt das männliche und weibliche Prinzip: in jedem Weiblichen ein Männliches - der Kehikopf; in jedem Männlichen ein Weibliches - die Lunge.

Innerlich wirkt Isis und Osiris in jedem Menschen, in bezug auf seine höhere Natur. So ist jeder Mensch doppelgeschiechtlich, denn jeder Mensch hat Lunge und Kehlkopf. Jeder Mensch, ob Weib oder Mann, hat gleich viele Nerven. Und nunmehr, nachdem sich auf diese Weise Isis und Osiris der niederen Natur entrissen haben, da haben sie den Sohn geboren, den Schöpfer des zukünftigen Erdenmenschen. Beide haben hervorgebracht den Horus. Isis und Osiris haben gezeugt das Kind, gehütet und gepflegt von der Isis: das menschliche Herz, gehütet und gepflegt von den Lungenflügeln der Mutter Isis. Hier haben wir in der ägyptischen Vorstellung etwas,

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was uns zeigt, daß in diesen alten Mysterienschulen das, was höhere Natur des Menschen geworden war, als Männhch-Weibliches angesehen wurde: das, was der Inder als Brahma erkannte. Dem indischen Schüler, dem wurde schon im Urmenschen gezeigt, was später einmal als jene höhere Gestalt erscheint. Horus, das Kind wurde ihm gezeigt, und es wurde ihm gesagt: das alles ist entstanden durch den Urlaut, durch die Väc, den Urlaut, der sich differenziert in viele Laute. - Und das, was der indische Schüler erlebte, das ist uns erhalten geblieben in einem merkwürdigen Spruch im Rigveda. Eine Stelle steht darinnen, die heißt: Und es kommen über den Menschen die sieben von unten, die acht von oben, die neun von hinten, die zehn aus den Gründen des Felsengewölbes und die zehn aus dem Inneren, während die Mutter sorgt für das zu tränkende Kind. - Das ist eine merkwürdige Stelle. Stellen wir uns einmal diese Isis, die ich als Lunge schilderte, diesen Osiris, den ich geschildert habe als Atmungsapparat, vor, und denken wir das alles: wie da die Stimme hineinwirkt, sich differenziert als Kehilaute, Lungeniaute, wie sie in Buchstaben sich differenziert. Diese Buchstaben kommen von verschiedenen Seiten: sieben kommen von unten aus der Kehle und so weiter. Das eigentümliche Wirken von allem, was mit unserem Luftapparat zusammenhängt, ist darin niedergelegt. Wo der Laut sich differenziert und gliedert, da ist die höhere Mutter, die das Kind hegt und pflegt - die Mutter: die Lunge; das Kind: das unter allen den Einflüssen gebildete menschliche Herz, aus dem die Impulse kommen, die Stimine zu beseelen.

So zeigte sich für den Einzuweihenden das geheininisvolle Wirken und Wehen im Inneren des Kosmos, so baute es sich auf im Laufe der Zeit. Und wir werden sehen, wie in dieses Gewebe sich die an- deren Glieder des Menschen hineingebaut haben. So haben wir in dieser ägyptischen Geheinilehre auch ein Kapitel der okkulten Anatomie, wie sie getrieben wurde in einer ägyptischen Geheimschule, sofern man von kosmischen Kräften, von kosmischen Wesen und dem Zusammenhang mit dem physischen Leibe des Menschen gewußt hat.

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SIEBENTER VORTRAG Leipzig, 9. September 1908

Wir haben in den vorhergehenden Vorträgen eine große Reihe von Tatsachen vor unsere Seele gestellt, die sich auf die Evolution der Erde und des ganzen Sonnensystems im Zusammenhange mit der Natur des Menschen beziehen. Wir haben insbesondere in den letzten beiden Betrachtungen darauf Rücksicht genommen, jene Tatsachen der Sonnen-, Erden- und Mondenentwickelung besonders hervorzuheben, welche ihre Wiederauferstehung gefunden haben in den ägyptischen Mysterien, welche sowohl der Schüler der ägyptischen Mysterien wie auch das ganze ägyptische Volk kennenlernten. Der Schüler lernte in seinem hellseherischen Schauen in der Tat alle die Dinge kennen, die wir angeführt haben und die wir durch unsere heutige Betrachtung ergänzen werden. Der größere Teil des Volkes, der sich nicht bis zum Hellsehen erheben konnte, der lernte in einem bedeutungsvollen Bilde das kennen, um was es sich da handelte. Dieses Bild, das hingestellt wurde als das wichtigste Bild der ägyptischen Weltanschauung, haben wir schon öfter berührt. Es ist das Bild, das die Osiris- und Isissage einschließt. Wir kennen alle dieses Bild, von dem eigentlich kein Mensch, der etwas weiß, glaubt, daß es etwas Unbedeutendes enthalte. Dieses Bild, das vor ihm hingestellt wurde, war ihm nicht nur ein Bild; und das, was die Isissage in sich einschließt, wfrd etwa so erzähit:

ES herrschte in früherer Zeit lange noch auf Erden, zum Segen der Menschheit, Osiris, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, welcher später charakterisiert ist in dem, daß die Sonne stand im Zeichen des Skorpion. Da war es, daß der Bruder Typhon oder Set den osiris tötete. Er tötete ihn in der Weise, daß er ihn veranlaßte, sich in einen Kasten zu legen, welchen er schioß und dem Meere übergab. Isis, die Schwester und Gemahiin des Osfris, suchte ihren Binder und Gemahl, und als sie ihn gefunden hatte, brachte sie ihn nach Ägypten. Aber da strebte der böse Typhon wieder nach der Vernichtung des Osiris, er zerstückelte ihn. Isis sammelte nun die einzelnen

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Teile und begrub sie an verschiedenen Orten. - Man zeigt auch heute noch in Ägypten verschiedene Osirisgräber. - Dann gebar Isis den Horus, und Horus rächte seinen Vater Osiris an Typhon. Osiris wurde wiederum in die Welt der göttlich-geistigen Wesen aufgenommen, und ist zwar nicht mehr auf der Erde tätig, aber er ist dort für den Menschen tätig, wenn dieser zwischen Tod und einer neuen Geburt in der geistigen Welt weilt. Daher stellte man sich auch den Weg des Toten in Ägypten vor als den Weg zum Osiris.

Das ist die Sage, die zu den allerältesten Bestandteilen der ägyptischen Lebensauffassung gehört. Während manches darin sich änderte oder zugefügt wurde, hat diese Osirissage alle Kulte des Ägypter- landes so lange durchzogen, solange überhaupt die ägyptischen Religionsanschauungen gelebt haben.

Nachdem wir uns diese Sage vor Augen geführt haben, in welche gedrängt worden ist dasjenige, was als ein wirkliches Geschehnis in den heiligen Geheimnissen der Mysterienschulen der Schüler schaute, müssen wir wieder den Blick dahin zurückwenden, wo wir gestern schon begonnen haben, uns eine genauere Vorstellung zu machen von dem, was durch den Einfluß der verschiedenen Mondesgestalten im Menschen verursacht worden ist. Es ist von den achtundzwanzig Nervensträngen gesprochen worden, die wir vom Rückenmark ausgehen sehen, die herrühren von den Konstellationen des Mondes während der achtundzwanzig Tage, die der Mond braucht, um zu seiner gleichen Gestalt zurückzukehren. Wir haben das Geheimnis erforscht, wie durch die kosmischen Kräfte im Menschen diese achtundzwanzig Nervenpaare gebildet worden sind von außen. Und nun bitte ich, folgendes recht wohl zu beachten.

Es soll nun - soweit das möglich ist in einer kurzen Andeutung - mit möglichster Genauigkeit geschildert werden, was der ägyptische Schüler lernte in bezug auf die Entwickelung des Menschen in einem noch weiteren Uinfange. Von dieser Schilderung werden einige sagen> welche zu stark angekränkelt sind von der modernen Anatomie: Das ist ja der reine Unsinn vom heutigen Standpunkte aus. - Diese mögen das sagen. Sie sollen sich nur bewußt sein, daß es die Lehre ist, die

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der einzuweihende ägyptische Schüler nicht nur gelernt, sondern auch hellseherisch geschaut hat. Jetzt spreche ich für diejenigen, die in ihren Empfindungen mitgehen können. Diese Lehre ist nicht nur ein Ergebnis früheren Schauens für den Ägypter in den Mysterien gewesen, sondern auch für den heutigen, modernen Okkultisten gilt das als Wahrheit und nimmt sich genau so aus.

Wir wollen das wiederholen, wovon in den letzten Vorträgen schon gesprochen worden ist, daß, als die Erde im Beginne ihrer Entwickelung war, sie sozusagen ganz aus lauter Menschenkeimen bestand, die den Erdenurnebel bildeten. Sowohi der indische als auch der ägyptische Hellseher konnte geistig heraussprießen sehen aus diesem geistigen Menschenkeim die ganze spätere Menschengestalt. Alles das, was später aus diesem Menschenkeim geworden ist, konnte man dazumal hellseherisch schauen. Aber man konnte auch zurück- schauen auf das, was zunächst vom Menschen, aus dem Menschenkeim heraus entstanden ist. Das erste, was aus diesem Menschenkeim heraus entstand, als die Sonne noch lange mit der Erde verbunden war, das war in der Tat wie eine Art Pflanze, die den Kelch wie nach oben öffnete. Diese Formen erfüllten sozusagen die ganze Erde, indem sie sich aus jenem Urnebel heraus bildeten. Aber in der allerersten Zeit, in der das entstand, wie eine Blütenkrone sich in den Weltenraum eröffnend, in der allerersten Zeit war diese Krone kaum sichtbar; man hätte sie nur so wahrnehmen können, daß man ihre Nähe gespürt haben würde wie einen kelchartigen Wärmekörper. Es war also zunächst ein Wärmekörper da. Noch als die Erde mit der Sonne verbunden war, fing das Innere dieses Menschengebildes an aufzuleuchten, und es strahlte Lichtstrahlen in den Weltenraum.

Wenn man dazumal als ein mit heutigen Augen sehendes Wesen wahrgenommen hätte, und sich einer solchen Leuchtform genähert hätte, so würde man etwas wie eine funkelnde, leuchtende Kugel, wie eine glitzernde Sonne, welche in glimmernden Strahlen in den Weltenraum funkelte, in regelmäßiger Gestalt gesehen haben. Kaum wird jemand heute noch ein klares Bild sich machen können von dem, was dazumal war. Er würde das nur können, wenn er dächte, daß unsere Erde bei ganz reiner Luft von lauter Leuchtkäferchen erfüllt

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wäre und diese ihr Licht hinaussendeten in den Weltenraum. So etwa würde der erste Arisatz vom Menschen in den Weltenraum geleuchtet haben, als die Erde noch mit der Sonne verbunden war. Und nicht nur das war vorhanden, sondern in derselben Zeit ungefähr gliederte sich außen um dieses Kelchgebilde eine Art Gaskörper. Es waren darin viele Substanzen aufgelöst, so wie heute auch im Tier- und Menschenleibe sich flüssige und feste Substanzen finden, die damals aber lufrförmig waren. Bald aber, nachdem dies entstanden war, kamen aus der gemeinschaftlichen Erdenmasse auch noch andere Keime heraus, Keime, welche die erste Anlage wurden zu unserem heutigen Tierreiche. Das Menschenreich war also das erste, dann kamen die Keime, die die Anlage zum Tierreich wurden. Natürlich bestand noch die ganze Erde aus einer Luftmasse, aus leuchtenden und Licht aussendenden Körpern, die in den Weltenraum hineinieuchteten. Innerhalb dieser Luftmasse kam auch die erste Anlage geschlechtsloser Tiere heraus, welche auf der untersten Stufe des heutigen Tier- reiches dazumal standen, und wir werden sehen, daß diese Tiere, die jetzt in ihrer ersten Anlage entstehen, auch eine gewisse Bedeutung für den Menschen erhalten haben.

Es entstanden also die ersten Keimaniagen der Tiere, und es ist uns vor allem wichtig, daß diese Tiere, die da entstanden, die allerdichtesten Gasmassen waren, wie dichte Gaseinschlüsse waren. Diese Tiere entwickelten sich bis zu einer gewissen Höhe herauf durch die verschiedensten Formen; und als die Sonne eben herausgegangen war aus der Erde, da war die höchste Tierform die Fischform, aber nicht die heutige Fischform. Die Form der damaligen Tiere war eine ganz andere als die der heutigen Fische, aber sie stand auf der betreffenden Stufe der Fische. Diese haben in der Erdenentwickelung das zurückzubehalten in sich, was man werden konnte, als die Sonne noch in der Erde war. Die Erde verdichtete sich nun zu der Wassererde, und die dichtesten Gebilde, die Tiere, schwammen in dieser Wassererde. Nun trat etwas sehr Eigentümliches ein. Einige dieser Urfischformen blieben Tiere und kümmerten sich sozusagen nicht um den Fortschritt der Evolution. Einige andere waren da, die erhielten ein gewisses Verhältnis zu den Menschengestalten, und zwar folgendes Verhältnis.

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In demselben Augenblicke, als die Sonne herausgegangen war aus der Erde, da fing auch die Erde an, sich um ihre Achse zu drehen, so daß sie einmal auf der einen Seite von der Sonne beschienen war, einmal auf dieser Seite unbeschienen war, so daß Tag und Nacht entstand. Dazumal aber waren die Tage und Nächte wesentlich länger als heute. In der Zeit, als der Mond noch nicht abgespalten war, da gliederte sich jedesmal, wenn ein solches Menschengebilde, das damals wesentlich verdichtet worden war, auf der Sonnenseite war, an diese Gasmasse etwas von einer solchen Tierform unten in der Wassererde an. Es verband sich Mensch- und Tierform so, daß wir oben die Menschenform haben und nach unten die Tierform; so also, daß hinaus- ragte der Sonne zu der obere Teil, der nach unten immer schwächer wurde und an den sich der Tierleib angliederte. Wir haben also dieses Hinausragen des oberen Teiles über die Wassererde; und dadurch, daß die Sonnenwirkung durch den Blütenmenschen geht, wirkt sie auf die inneren Erden- und Mondenkräfte. Weil hier eine Tierform angegliedert wurde an den Menschenieib, die auf der Höhe der Fischstufe stand, sagte man> die Sonne, die den Menschenieib beschien, stehe im Zeichen der Fische. Nun fiel ja in der Tat die erste Andeutung dieser Bildung zusariimen damit, daß die Sonne auch am Himmelsgewölbe im Zeichen der Fische stand, aber sie ging noch oft hindurch durch dieses Sternbild, bis sich das nächste bildete. Jedoch der Ausgangspunkt zu dieser Bildung war der Zeitpunkt, in dem die Sonne auch am Himmel im Tierkreisbilde der Fische stand. Und von da aus, daß die Wesen auf der Fischstufe sich damals angliederten an den Menschen, bekam das Sternbild den Namen.

Nun geht ja, wie wir wissen, die Entwickelung so vor sich, daß Mond und Erde einen Körper bilden. Jahve blieb bei der Trennung von der Sonne bei der Erde mit den Mondkräften, und zu seinen Dienein gehörte die Göttergestalt, welche die Ägypter als Osiris angesprochen haben.

Bis der Mond aus der Erde herausging, gestaltete sich die Entwickelung in höchst eigentümlicher Weise. Wir wissen, die Erde war eine Wassererde, und die Gestaltung im Wasser erreichte einen immer niedrigeren Grad in der Zeit, bevor der Mond herausging. Als der

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Mond herausging, da stand der Mensch in bezug auf seine niedere Natur auf der Höhe etwa eines großen Molches. Das ist das, was die Bibel die Schiange nennt> was genannt ist Lindwurm oder Drache. Während der Zeit, als der Mond herausging, hatte sich immer mehr vom Tierreich in die untere Menschenform hineingebildet. Als der Mond herausging, da hatte der Mensch unten eine tierartige, häßliche Gestalt, oben aber waren die letzten Überreste einer Lichtgestalt, in welche die Kräfte der Sonne von außen flossen. Das war den Menschen geblieben, daß die Lichtwesen in sie hineinwirkten. Es bewegte sich schwebend, schwimmend in dem Urmeere der Mensch, der diese eigentümliche Lichtgestalt herausragen läßt aus der Wassererde. Was war diese Lichtgestalt? Sie hatte sich mittlerweile umgebildet zu einem uinfassenden, mächtigen Sinnesorgan. Als der Mond herausging, hatte sich die Umwandiung vollendet. Es war so, daß, wenn der Mensch im Urmeere schwamm, er mit diesem Organ wahrnehmen konnte, wenn irgendein gefährliches Wesen in der Nähe war. Namentlich Wärme und Kälte nahm er damit wahr. Dieses Organ ist später eingeschrnmpft; es ist heute die sogenannte Zirbeldrüse. In der damaligen Zeit bewegte sich der Mensch schwebend, schwimmend in der Erdenmasse und bediente sich dieses Organs wie einer Art Laterne. Wir können heute noch bei ganz jungen Kindern eine weiche Stelle am Kopfe finden; das ist die Stelle, wo man etwa zu suchen hätte, von wo das Organ sich herauserstreckte in den Weltenraum.

Es waren immer höhere Tierformen, die der Mensch in sich auf- nahm. Und in einem bestimmten Zeitpunkt der Menschengestaltung nannte man das, was aus den Fischen mitilerweile geworden war, weil es im Wasser lebte und weil es den Keim des späteren Menschen in sich hatte, den Wassermann. Eine noch weitere Gestaltung, die sich herausbildete, war das, was man nennen konnte den Steinbock. Nun ist das Eigentümliche, daß in der Tat das, was dem Menschen in seinen unteren Gliedern entspricht, wirklich dem jeweiligen Sternbild den Namen gab. Die Füße sind tatsächlich die ursprünglichen Fische; die Unterschenkel der Wassermann, das, was eine lange Zeit den Menschen befähigte, sich eine Richtung zu geben beim Schwimmen; die Knie des Menschen finden wir im Zusammenhang mit dem Zeichen

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des Steinbocks. Immer mehr entwickelte sich die Tierheit, und dasjenige, was Oberschenkel geworden war, bezeichnet man als Schütze. Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen den Ausdruck erklären wollte.

Wir wollen ein Bild davon geben, wie der Mensch aussah, als die Tierheit dem Schüuen entsprach. Da war der Mensch ein Tier, das sich zum ersten Male bewegen konnte auf den Inseln, die sich aus dem Wasser blldeten. Nach oben wurde der Mensch immer feiner, zuoberst blieb tatsächlich die Blütengestalt. Die Gestalt blieb oben erleuchtet von einem Organ, das er wie eine Art Laterne auf dem Kopfe trug. Man würde sich die damalige Gestalt des Menschen richtig vorstellen, wenn man sie sich oben als ätherisch, unten als tierähnlich vorstellte. In älteren Abbildungen des Tierkreises sieht man noch das Zeichen des Schützen unten als Tierform, oben als Menschenform. Diese Zeichen sind etwas, was wiedergibt die Entwickelungshöhe, auf der der Mensch stand, ebenso wie der Kentaur wiedergibt eine wirkliche Entwickelungsstufe des Menschen: nach unten Pferd, nach oben Mensch. Das Pferd müssen wir nur nicht wörtlich nehmen, sondern als Repräsentant der Tierheit. Das war das Kunstprinzip in früheren Zeiten; da hat man sich das, was man kunstmäßig bilden wollte, von Hellsehern beschreiben lassen oder selbst gesehen. Auch waren Künstler selbst Eingeweihte. Man sagt, Homer war ein blinder Seher, das heißt, daß er ein Hellseher war. Er konnte zurückschauen in die Akasha-Chronik. Der blinde Seher Homer war viel sehender, im geistigen Sinne, als die übrigen Griechen.

Der Kentaur ist also eine wirkliche Menschenform. Als der Mensch so aussah, war der Mond noch nicht aus der Erde heraus, da war die Mondenkraft selbst noch in der Erde. Da war im Menschen noch vorhanden, was früher sich gebildet hatte während der Sonnenzeit: die leuchtende Zirbeldrüse, die er damals wie eine Art Laterne auf dem Kopfe trug. Als dann der Mond aus der Erde herausging> da trat die Geschlechtlichkeit ein. Der Kentaurmensch war noch ungeschlechtlich. Die Geschlechtlichkeit, die eintrat, die trat ein, als die Sonne stand im Zeichen des Skorpions, und man bringt daher die Sexualität im Menschen in Beziehung zu dem Zeichen des Skorpions. Der Skorpion

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ist das, was bei der Tierheit der Entwickelungshöhe entsprach, als der Mensch bis zur Sexualität entwickelt war. Der Mensch war in seiner oberen Hälfte den kosmischen Kräften zugewendet, in der unteren Hälfte aber war er als zweigeschlechtliches Wesen vorhanden. Der Mensch war Geschlechtsmensch geworden. Wenn nun der hellsehende Schüler der ägyptischen Mysterien sein Auge auf diese Zeit der Erdenentwickelung richtete, dann sah er die Erde bevölkert von Menschen, die nach unten eine dichter werdende Leibesform herausbildeten, ihrer niedrigen Natur entsprechend, und die nach oben aber eine lichte Menschengestalt hatten.

Dann begann die Zeit, in der sich eingliederten durch die Kräfte des Mondes längs derjenigen Gegend, die das Rückgrat ausmacht, die Nervenstränge. Die Bildung über dem Rückgrat, die heutige Kopfgegend, war auch verdichtet worden und hatte sich umgebildet zum menschlichen Gehirn: das war das ganz umgebildete Leuchtorgan. Daran gliederte sich das Rückgrat, von dem die Nervenstränge aus- gingen, und an dieses gliederte sich der niedere Mensch, wie er beschrieben worden ist. Das zeigte sich dem ägyptischen Schüler, und es wurde ihm klar, daß, welche Wesenheit auch immer sich verkörpern wollte auf der Erde, sie die entsprechende Menschengestalt annehmen mußte. Osiris hat als Geist oft die Erde besucht und sich als Mensch verkörpert. Die Menschen empfanden dann: Ein Gott ist herabgekommen - aber er hatte dann Menschengestalt. Jede hohe Wesenheit, die die Erde besuchte, war in der Gestalt, die der Mensch jeweilig hatte. Damals war die Menschengestalt so beschaffen, daß man noch jenen Leuchtkörper sah, jenen merkwürdigen Kopfschmuck, die Laterne des Osiris, die bildlich als das merkwürdige Polyphemauge bezeichnet worden ist. Das ist jenes Organ, jene Laterne, die erst außerhalb des Menschenleibes war, die dann zu einem inneren Organ im Gehirn sich umbildete. Alles in der ursprünglichen Kunst ist Symbol für tatsächIiche Gestalten.

Als die griechischen Eingeweihten bekannt wurden mit diesen Geheimnissen der Ägypter, hatten sie auch schon manches erfahren: im Grunde dasselbe wie der ägyptische Eingeweihte. Sie benannten es nur in ihrer Sprache anders. Die Eingeweihten der Ägypter hatten die

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hellseherischen Gaben in einem hohen Maße ausgebildet, so daß viele ihrer Schüler in jene uralten fernen Zeiten hellseherisch zurückblicken konnten. Der ägyptische Eingeweihte hatte einen ursprünglichen Zusammenhang mit jenen Geheimnissen; daher kam es auch, daß dem ägyptischen Eingeweihten griechische Priester wie kindliche Stamm- 1er vorkamen. Bezeichnend ist daher das Wort, das einst ein ägyptischer Priester, der mit Solon zusammentraf, aus sprach, indem er sagte: O Solon, Solon, ihr Hellenen bleibt doch immer Kinder, einen alten Hellenen gibt es nicht! Jung seid ihr alle im Geiste, denn ihr habet in demselben keine auf vieljährige Überliefernng gegründete alte Ansicht, noch irgendeine durch die Zeit ergraute Kunde.

So wies der Ägypter darauf hin, daß die ägyptische Weisheit hoch erhaben darüberstand über dem, was materiell erfahren werden kann.

Nur in den eleusinischen Mysterien war man ebensoweit, aber es hatten nur wenige Teil daran. Aber was für jene Strecken der Erdenentwickelung der ägyptische Eingeweihte sah: daß sich der Gott Osiris von der Sonne getrennt hatte und auf den Mond gegangen war und von dorther das Sonnenlicht zurückstrahlte - das, was dieser Gott tut, das war auch den Griechen heilig. Auch sie wußten, daß dieser Gott Osiris es ist, der die achtundzwanzig Mondesgestalten bildet und da- durch die achtundzwanzig Nervenstränge im Menschen veranlagt. Durch Osiris wird das Nervensystem gebildet am Rückenmark herunter und dadurch der ganze menschliche Oberkörper geformt. Denn das, was als Muskel entsteht, kann seine Form nur erhalten dadurch, daß die Nerven die Bildner sind. Alles nun, was da ist an Muskeln, Knorpeln, an anderen Organen, wie Herz und Lunge, alle diese erhalten ihre Form nur durch die Nerven. So ist durch die frühere Sonnentätigkeit entstanden, was sich gebildet hat als Gehirn und Rückeninark, und an diesem Rückenmark arbeiten von außen die achtundzizwanzig Gestalten des Osiris und der Isis. Also sind Osiris und Isis ihre Bildner, und indem das Gehirn seine Fühlfäden heruntersendet in das Rückenmark, da bearbeitet Osiris das Rückenmark. Das empfanden auch die Griechen, und die Griechen erkannten, als sie bekannt wurden mit den ägyptischen Mysterien, daß Osiris derselbe Gott war wie der, den sie Apollo nannten. Sie sagten, der ägyptische Osiris ist

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Apollo, und wie er an den Nerven tätig war, damit im Inneren des Menschen das Seelenieben bewirkt wurde, so tut es unser Apollo.

Und nun nehmen wir uns skizzenhaft diese Gestaltung heraus. Denken wir uns das Gehirn schematisch gezeichnet: das setzt sich fort ins Rückenmark, da greifen ein die achtundzwanzig Hände des Osiris, da spielt der Osiris mit seinen achtundzwanzig Armen in dem, was als Rückenmark vom Gehirn sich herunterzieht, wie auf einer Leier. Die Griechen gaben davon ein bedeutungsvolles Bild: das ist die Leier des Apollo. Man braucht sich das bloß umgekehrt zu denken. Die Leier ist das Gehirn, die Nerven sind die Saiten, in welche die Hände des Apollo eingriffen. Apollo spielt auf der Weltenleier, auf dem großen Kunstwerke, das der Kosmos gebildet hat, und läßt im Menschen er- klingen die Töne, die sein Seelenleben ausmachen. Das war für die eleusinischen Eingeweihten da~, was die Ägypter in ihren Bildern gegeben haben.

Aus einem solchen Bilde können wir ersehen, daß diese nicht schematisch gedeutet werden dürfen, sonst würde man nur etwas hineinphantasieren. Denn man wird in der Regel erleben, daß die Bilder in der Tat viel tiefer sind als das, was man irgendwie durch den Verstand hineinträumen kann. Wenn der griechische Hellseher von Apollo sprach, dann hatte er das Geheimnis des Osiris-Apollo und des Menschheitsinstrumentes vor sich. Und Osiris stand vor dem ägyptischen Schüler, wenn er eingeweiht wurde in die Geheimnisse des Erdendaseins. So müssen wir uns sagen, daß diese Symbole, daß diese Bilder, die uns erhalten sind, welche das charakterisieren, was aus den Urgeheimnissen entnommen ist, daß all die Ausdrücke der Urgeheimnisse viel mehr bedeuten als etwas, was man mit dem Verstande deuten kann. Gesehen wurde diese Leier, gesehen wurden die Hände des Apollo. Und daß wir jedes Symbolum auf irgendein wirkliches Gesicht, auf eine reale Schauung zurückführen, darauf kommt es an> das ist das Wesentliche. Denn es gibt kein Symbol, keine Legende, die nicht geschaut worden wäre.

Der ägyptische einzuweihende Schüler konnte erst nach langer, langer Zeit zu solchen Geheimnis sen dringen. Der Schüler wurde erst durch eine ganz bestimmte Lehre vorbereitet, die eine ähniiche war

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wie unsere elementare Theosophie. Dann wurde er erst zu den eigentlichen Übungen zugelassen. Da erlebte er Zustände einer Art Ekstase, die noch kein eigentliches Hellsehen war, aber die mehr war als ein Traum. In ihr sah er das, was er später im Bilde sehen sollte. Wahrhaftig, dieses Hinausgehen des Mondes und mit ihm des Osiris, dieses Arbeiten desselben vom Monde aus auf die Erde herunter, das sah der Schüler als gewaltigen lebendigen Traum. Er träumte in der Tat die Osiris-Isislegende. Jeder Schüler träumte diesen Osiris-Isistraum.

Er mußte ihn träumen. Hätte er ihn nicht geträumt, er hätte nicht zur Anschauung der wahren Tatsachen kommen können. Durch das Bild, durch die Imagination, mußte der Schüler hindurchgehen. Die Osirisund Isislegende wird innerlich durchiebt. Diese ekstatische Seelenverfassung war eine Art Vorstufe zum wahren Schauen, das Vorspiel zum Schauen dessen, was sich in der geistigen Welt abspielt. In der Akasha-Chronik konnte der Schüler das, was heute beschrieben wurde, nur lesen, wenn er in einen so hohen Grad eingeweiht war, wie wir es heute nur angedeutet haben, und von dem wir morgen weiter reden wollen. Dann wollen wir auch von den anderen Bildern des Tierkreises und ihrer Bedeutung sprechen.

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ACHTER VORTRAG Leipzig, 10. September 1908

Wir haben nunmehr bedeutungsvolle Entwickelungsvorgänge des menschlichen Organismus kennengelernt. Wir haben diesen Organismus verfolgt von seiner Entstehung an bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der Mond von der Erde entfernt hat. Wenn man «Zeitpunkt» sagt, so ist das natürlich in ungenauem Sinne gesprochen, denn diese Vorgänge nehmen recht lange Zeiträume in Anspruch. Von dem ersten Moment, wo der Mond anfing Miene zu machen, herauszugehen, bis zum letzten, wo er sich vollständig herausgelöst hatte, verflossen lange Zeiträume, und mancherlei ging in der Entwickelung währenddem noch vor sich. Ungefähr aber haben wir den Menschen bis zum Herausgehen des Mondes betrachtet. Diese Gestalt des Menschen haben wir verstanden, die Gestalt, die nach unten hin, ungefähr von der Mitte des menschlichen Leibes ab, von der Hüfthöhe etwa, schon eine Gestaltung zeigte, die der heutigen nicht ganz unähnlich ist. Man würde mit heutigen Augen immerhin schon, wenn auch als weiche Teile, diesen Leib haben sehen können, während die oberen Teile nur für ein hellseherisches Bewußtsein zu schauen gewesen wären. Wir haben schon darauf hingewiesen, wie Sage, Religion und Kunst in dem Kentaur etwas von der damaligen Menschennatur erhalten haben. Und in den einzelnen Teilen des Leibes haben wir Glieder des Menschen kennengelernt, welche sich allmählich entwickelt haben zu den Füßen, Unterschenkeln, Knien, Oberschenkeln, die uns damals repräsentieren die Tierformen unserer Erde, solche Tierformen, die aber auf einer bestimmten Entwickelungsstufe stehengeblieben sind, über welche der Mensch aber hinausgeschritten ist. Nun wollen wir uns darüber einmal ganz genau verständigen.

In den uralten Zeiten, als die Sonne erst herausging, da waren noch keine Tierformen entstanden. Als die Sonne herausgegangen war, war die höchste Form der damaligen Tiere eine Art von Tieren, welche auf der Stufe der heutigen Fische standen. Wenn nun gesagt wird, daß die menschlichen Füße dieser Fischform entsprechend waren, und

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wenn wir die Füße mit den Fischen im Zusammenhange gesehen haben, was bedeutet das eigentlich? Das bedeutet, daß damals solche Gestalten zurückgeblieben sind, die wie die Fische herumgeschwommen sind in der Wassererde, daß in der Zeit vom Menschen physisch wahrnehmbar nur die Füße ausgebildet waren. Das andere war in feiner ätherischer Form nur vorhanden. Das, was geschildert worden ist als die Kelchform oder Blütenform> das Leuchtorgan, war ganz ätherisch, eine durchleuchtete Luftform, und nur der unterste Teil des Menschen war so, daß er wirklich die Wassererde durchsetzte wie die Fische, die zurückgeblieben sind. Danach gab es höhere Tiere, die festgehalten werden dadurch> daß man im Bilde spricht vom Wassermann, dem Menschen, der den Körper bis zum Unterschenkel herauf sichtbar erhielt. Es hat sich der Mensch also so gebildet, daß er auf jeder Stufe seines Daseins gewisse Tierformen zurückließ, über die er nach und nach hinausschritt.

Und als der Mond sich zu entfernen anfing, war der Mensch so weit, daß er zwar die untere Hälfte, die niedere Natur schon physisch ausgebildet hatte, die obere Natur aber in sich ganz bildungsfähig war. Dann haben wir gesehen, wie vom Monde aus eingreift das, was wir in der Wirkung des Mondlichts in der Gestalt kennengelernt haben, welche die Ägypter Osiris genannt haben, was durch die verschiedene Gestaltung des Mondes einwirken karin auf den Menschen, und wie da eingegliedert wird vom Monde aus das, was das wichtigste Gebilde des Oberleibes ist, die Nerven, die die Veranlasser des heutigen Oberleibes sind. Die Nerven, die vom Rückenmark ausgehen, die bildeten den Oberleib aus. Da kontint durch jene Töne, die Osiris-Apollo auf der Menschern!eier spielt, zunächst des Menschen Mitte, die Hüftenmitte zur Ausbildung. Alles das, was hat stehenbleiben müssen auf diesem Punkte, über den da der Mensch hinausschritt, das ist stehengeblieben in der Weiterentwickelung bei der Amphibienform.

Solange der Mond mit der Erde verbunden war, hat er die Entwickelung des Menschen mehr oder weniger herabgetrieben. Die Form der Fische stand mit der Sonne noch in einem Zusammenhang, daher kommen die heutigen Empfindungen des gesunden Menschen den Fischen gegenüber. Bedenken wir, welche Freude es dem Men

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schen machen kann, wenn er einen schönen, glänzenden Fischleib, wenn er schöne, leuchtende Wassertiere sieht, wie ihn diese Formen erfreuen können, und denken wir daran, wie der Mensch ein Gefühl von Antipathie empfihdet, wenn er das sieht, was zwar höher steht als die Fische, was als Amphibium, als Frosch, Kröte, Schlange kriecht und sich herumwindet. Zwar sind die heutigen Amphibien ganz in die Dekadenz gekortinene Formen der damaligen Zeit, aber solche Formen hatte der Mensch einmal in seiner unteren Leiblichkeit. Solange der Mensch nur seine untere Leiblichkeit hatte, bis zur Hüfte, war er nur eine Art Lindwurm, erst später bildete er vom Oberleib aus, als dieser sich fest herausformte, das menschliche Untere um. Wir können sagen: die Fischgesta1t gibt wieder die Form, auf deren Höhe der Mensch stand durch jene Kräfte, die er noch bekam, als die Sonne noch mit der Erde vereint war; bis dahin, als die Sonne herausging, stand der Mensch auf der Höhe der Fische.

Nun gingen die großen Wesen, die Führer der Evolution, indem sie ihre Sonne gestalteten, hinaus, um sich erst in einer viel späteren Zeit wieder mit der Erde zu vereinigen. Und einer der Geister, der mit ihr hinausging, der höchste der lenkenden Sonnengeister, ist Christus. Da stehen wir vor einem Ereignis, demgegenüber wir ein tiefes GefühI von Ehrfurcht empfinden, wenn wir erfahren, daß bis dahin der Mensch vereint war mit der Wesenheit, die da einst als edelster Geist mit der Sonne aus der Erde fortging. Man hat empfunden, daß man durch die Fischgestalt einmal charakterisieren konnte die Zeit der Herausgehens der Sonne aus der Erde und dann die Gestaltung durch den Christus selbst. Früher war der Mensch in der Erde mit der Sonne verbunden, und als sie fortging, sah er die Gestalt, die er den Sonnengeistern verdankte, bewahrt in der Fischgestalt. Als er weiter- schritt, waren die Sonnengeister nicht mehr bei ihm. Der Christus ist herausgegangen aus der Erde damals, als der Mensch Fischgestalt hatte. Diese Gestalt ist nun festgehalten von den Eingeweihten der ersten christlichen Entwickelung. In den römischen Katakomben war dieses Fischsymbolum als das Symbolum des Christus vorhanden, und es sollte erinnern an das große kosmische Ereignis der Entwickelung in der Zeit, als noch mit ihnen vereinigt war in der Erde der Christus.

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Bis zur Fischform war der Mensch vorgeschritten, als die Sonne sich trennte: die ersten Christen empfanden den Hinweis auf die Menschen- Christus-Gestalt im Fischsymbol als etwas ungeheuer Tiefes. Wie weit ist solch ein bedeutendes Zeichen, das wir erblicken als ein Symbolum einer kosmischen Entwickelungsepoche, wie weit ist es entfernt von jenen äußerlichen Auslegungen, die oft gegeben werden. Es waren die wahren Symbole solche, die sich auf geistige, höhere Realitäten beziehen. Den ersten Christen «bedeuteten» sie nicht nur etwas. Ein solches Symbol ist ein Bild von diesem oder jenem, was man wirklich schauen kann in der geistigen Welt, und kein Symbolum ist richtig gedeutet, bevor man nicht hinweisen kann auf das, was dafür in der geistigen Welt zu erschauen ist. Alle Spekulation hat höchstens einen vorbereitenden Zweck; der Ausdrück «es bedeutet» ist noch nicht zutreffend, sondern das Symbolum erkennt man erst wirklich, wenn man zeigt, daß darin ein geistiger Tatbestand abgezeichnet ist.

Nun wollen wir in der Menschheitsentwickelung weitergehen. Die verschiedensten Formen hat der Mensch angenommen, und als er bis zur Hüfthöhe sich entwickelt hatte, da war er am häßlichsten in seiner physischen Form. Diese Form, die der Mensch damals hatte, ist dekadent erhalten in der Schlange. Die Zeit, in welcher der Mensch es bis zur Amphibiumform gebracht hatte> als der Mond noch in der Erde war, das ist die Zeit der Schande, des Verderbens in der Entwickelung der Menschheit.Wäre der Mond damals nicht hinausgegangen aus derErde, dann wäre das Menschengeschlecht einem grauenhaften Schicksale verfallen, dann wäre es inimer mehr in die Form des Greulichen, Bösen gefallen. Daher ist die Seelenempfindung, die das nalve, unverdorbene Gemüt hat gegenüber der Schlange, die jene Gestalt festhält, wo der Mensch am tiefsten stand, diese Empfindung der Antipathie etwas, was seine volle Berechtigung hat. Gerade das unverdorbene Gemüt, das nicht sagt, es sei in dem Natürlichen nichts Häßliches, das empfindet Abscheu vor der Schlange deshalb, weil sie das Dokument der Menschenschande ist. Das ist nicht im moralischen Sinne gemeint, sondern deutet hin auf den tiefsten Punkt der Entwickelung der Menschheit.

Nunmehr mußte der Mensch über diesen Tiefstand hiriausgelangen`. Er konnte das nur, indem er die Tierform verließ und indem er auch

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seinen geistigen, oberen Teil anfing zu verdichten. Wir haben gesehen, daß alle edieren Teile sich entwickeln konnten nur durch die Einwirkung der Isis- und Osiriskräfte. Damit die Osiriskräfte in ihm wirkten, damit der ediere Teil sich entwickelte, handelte es sich zunächst um etwas sehr Wichtiges: darum, daß der obere Teil des Menschen die Möglichkeit fand, das Rückenmark aus der horizontalen Lage in die vertikale Lage zu bringen. Das alles geschah durch den Einfluß der Isis und des Osiris. Von Stufe zu Stufe wurde der Mensch geführt von Sonne und Mond, die sich die Waage hielten. Als der Mensch bis zur Hälfte physisch geworden war, da hielten sich Sonne und Mond die Waage; daher wird die Hüftmitte als die Waage bezeichnet. Die Sonne war damals zugleich im Zeichen der Waage.

Nun daff man sich nicht vorstellen - das muß ausdrücklich beachtet werden -, daß nachdem die Sonne im Zeichen des Skorpion gestanden hatte und darauf im Zeichen der Waage, daß auch gleich darauf die Hüfte sich entwickelt hätte. Dann würde man den Gang der Entwickelung sich viel zu schnell vorstellen. Die Sonne durchläuft in einer Zeit von 25920 Jahren den ganzen Tierkreis. Die Sonne ging einmal im Frühling auf im Widder, vorher im Zeichen des Stieres. Der Frühlingspunkt rückte immer weiter; die Sonne durchmaß mit ihrem Frühlingspunkt das Sternbild des Stieres und so weiter. Ungefähr 747 vor Christi Geburt trat die Sonne wieder in den Widder; in unserer Zeit geht sie im Frühling im Sternbild der Fische auf. Nun bedeutet die Zeit, in der die Sonne durch ein Sternbild geht, schon etwas, aber es würde ein solcher Zeitraum nicht ausreichen für jene Veränderung> die vorgehen mußte, damit der Mensch von der Sexualität unter dem Zeichen des Skorpion bis zur Höhe der Hüftentwickelung unter dem Zeichen der Waage fortschritt.

Man würde eine falsche Vorstellung haben, wenn man dächte, daß das durch einen Durchgang der Sonne geschieht. Die Sonne geht einmal ganz herum durch den Tierkreis, und erst nach diesem ganzen Urnlauf geschieht der Fortschritt. In früheren Zeiten mußte sie noch öfter urnlaufen, bis ein Fortschritt geschah. Deshalb darf man nicht jene bekannten Zeitrechnungen der nachatlantischen Epoche für ältere Epochen anwenden. Die Sonne mußte erst ganz herumgehen, in älteren

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Zeiten sogar mehrmals, bevor die Entwickelung ein Stück nach aufwärts rückte. Für diejenigen Glieder, die eine stärkere Ausbildung nötig hatten, dauerte eben die Zeit länger. - Immer höher steigt der Mensch nun durch diese Entwickelung. Die nächste Stufe, wo das, was man als untere Glieder des menschlichen RUmpfes bezeichnet, gebildet wurde, bezeichnet man mit dem Zeichen der Jungfrau.

Wir werden die Entwickelung am besten verstehen, wenn wir uns daaüber klar sind, daß, während der Mensch immer menschenähnlicher wird, daß da wieder auf gewissen Stufen tierische Wesenheiten stehenblieben. So ist schon einmal gesagt worden, daß der Mensch auch Lunge und Herz und Kehlkopf durch die Einwirkung der Mondeskräfte entwickelt hat. Ich habe auch gezeigt, inwiefern Osiris und Isis daran beteiligt sind. Nun müssen wir uns klar sein, daß die höheren Organe des Menschen, wie Herz, Lunge, Kehlkopf und so weiter, daß alle diese Glieder sich nur ausbilden konnten dadurch, daß die höheren Glieder des Menschen: Ätherleib, Astralleib und auch das Ich, als die eigentlichen geistigen Glieder des Menschen schon in bestimmter Weise mitwirkten. Viel mehr als in den vorhergehenden Epochen wirkten seit dem Standpunkt, der erreicht war in der Waage, diese höheren Glieder mit. Daher konnten die mannigfaltigsten Formen entstehen. Es konnte zum Beispiel der Ätherleib besonders stark wirken, oder der Astralleib, oder sogar das Ich. Ja, es konnte auch vorkommen, daß der physische Leib ein Übergewicht hatte über die drei anderen Glieder. Es bildeten sich dadurch vier Menschentypen aus. Es bildeten sich eine Anzahl solcher Menschen, die den physischen Leib besonders ausgebildet hatten. Dann gab es Menschen, die vom Ätherleib aus ihr Gepräge erhalten hatten, auch Menschen, deren astrale Natur vorherrschte. Auch Ich-Menschen gab es, ausgeprägte Ich-Menschen. In jedem Menschen stellte sich also das dar, was in ihm vorwiegend war.

In den alten Zeiten, als diese vier Formen entstanden, da würde rnan grotesken Gestalten begegnet sein, und der Hellseher entdeckt dann das, was in den verschiedenen Typen vorhanden war. Es gibt Darstellungen, die allerdiiigs weniger öffentlich sind, in denen die Erinnerung daran erhalten geblieben ist.

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Bei den Menschen zum Beispiel, bei denen die physische Natur besonders stark wurde und auf die oberen Teile gewirkt hatte, bei denen drückte sich das in ihrem oberen Teil als Gepräge aus. Es hatte dann etwas sich gebildet, was der niederen Bildung ganz angepaßt war, und durch das, was da tätig war, kam die Gestalt heraus, die wir festgehalten sehen in dem apokalyptischen Bilde des Stieres; nicht eines heutigen Stieres, der ist eine dekadente Form. Das was in einer gewissen Zeit vorwiegend vom physischen Leibe bestimmt war, ist auf der Stufe der Stierheit stehengeblieben. Das hat also im Stier seinen Repräsentanten und in all dem, was zu dieser Tiergattung gehört: Kühe, Rinder und so weiter.

Die Menschengruppe, bei welcher der physische Leib nicht so stark ausgeprägt war, sondern der Ätherleib, bei denen insbesondere alles das stark wurde, was man dem Herzen mehr zugeneigte Teile des Rumpfes nennen möchte, diese Menschenstufe ist auch in der Tierheit erhalten. Diese Stufe, über die der Mensch hinausschritt, ist im Löwen erhalten. Der Löwe erhält in sich den Typus, der sich herausgebildet hat aus der Gruppe der Menschen, bei denen der Ätherleib intensiv wirksam war.

Jene Menschenstufe, bei der der Astralleib den Ätherleib und den physischen Leib überwältigt hat, diese Gruppe ist uns - freilich entartet - in dem beweglichen Vogelgeschlecht erhalten und ist in der Apokalypse im Bilde des Adiers dargestellt. Die vorwiegende Astralität ist hier abgestoßen; sie erhob sich vom Boden als das Vogelsein.

Und da, wo das Ich stark wurde, da entwickelte sich ein Wesen, das in der Tat genannt werden darf eine Vereinigung der drei anderen Naturen, weil das Ich alle drei Glieder harmonisierte. Bei dieser Gruppe hat der Hellseher in der Tat das vor sich, was in der Sphinx festgehalten ist, wo die Sphinx insbesondere den ausgeprägten Löwenleib hat, dann die Adlerflügel, aber auch etwas Stierartiges - bei den ältesten Darstellungen der Sphinx war sogar der Reptilienschwanz vorhanden, der auf die alte Reptiliengestalt hinweist -, und nach vorne haben wir die Menschengestalt, die die anderen Teile harmonisiert.

Das sind die vier Typen, in denen in der atlantischen Zeit aber das Menschliche überwiegt, indem sich erst nach und nach, zu immer größerer

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Einheit, aus der Adlerhaftigkeit, der Löwenhaftigkeit und der Rinderhaftigkeit die Menschengestalt bildete, die diese Naturen in sich harmonisierte. Sie bildeten sich in eins um in die volle Menschengestalt, und diese bildete sich nach und nach zu der Gestalt um, wie sie in der Mitte der Atlantis vorhanden war.

Da geschah nun noch etwas durch alle diese Vorgänge. Wir denken uns, daß sozusagen harmonisch ineinander aufgingen vier verschiedene Elemente, vier Gestalten im Menschen. Das eine ist da im physischen Leib, in der Stiernatur: es sind die überwiegenden Kräfte, die bis zur Evolutionsepoche der Waage sich bildeten; dann haben wir im Ätberleib die Löwennatur; dann im Astralleib, in den überwiegenden Kräften des Astralen, die Adler- oder Geiernatur, und endlich die überwiegenden Kräfte des Ich, die eigentliche Menschennatur. Irgendeins von diesen vier Gliedern hatte bei den einzelnen Wesen die Oberhand bekommen. Dadurch entstanden die vier Typen. Aber noch andere Kombinationen konnte man antreffen. So zum Beispiel konnte der physische Leib, der Astralleib und das Ich gleichmäßig herrschen und die Oberhand über den Ätherleib haben. Das ist ein besonderer Typus der Menschheit. Dann gab es Wesen, bei denen die Oberhand hatten der Ätherleib, der Astralleib und das Ich, während der physische Leib weniger ausgebildet war, so daß wir solche Menschen haben, bei denen die Oberhand über den physischen Leib die höheren Glieder haben. Diejenigen Menschen, bei denen physischer Leib, Astralleib und Ich die Oberhand hatten, das sind die physischen Vorfahren der heutigen Männer, und diejenigen Menschen, bei denen der Ätherleib, der Astralleib und das Ich die Oberhand hatten, das sind die physischen Vorfahren der heutigen Frauen. Die anderen Typen verschwanden immer mehr und mehr, nur diese beiden blieben und bildeten sich aus zu den männlichen und weiblichen Formen.

Wodurch war denn das möglich, daß allmählich sich gerade diese beiden Formen herausbildeten? Das geschah wiederum durch die verschiedene Art der Einwirkung von den Isis- und Osiriskräften.

Wir haben gesehen, daß sich uns in den Neumondphasen, dann, wenn der Mond finster ist, das Isisprinzip charakterisiert, aber daß Osiris in den leuchtenden Volimondphasen charakterisiert ist. Isis und

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Osiris sind geistige Wesen auf dem Monde, aber ihre Taten finden wir auf der Erde. Wir finden sie auf der Erde, weil durch diese Taten sich die Menschenrasse in zwei Geschlechter teilte. Die weiblichen Vorfahren der Menschen wurden gebildet durch die Wirkung des Osiris, die Vorfahren der Männer wurden gebildet durch die Wirkungen der Isis. Die Wirkung vori Isis und Osiris auf die Menschheit geschieht durch die Nervenstränge, durch deren Einwirkung die Menschheit gebildet wird in einen männlichen und einen weiblichen Teil. Das wird in der Sage dadurch dargestellt, daß Isis den Osiris sucht; das Männliche und das Weibliche suchen sich auf der Erde. Wir sehen immer wieder, daß in diese Sagen hineingeheimnißt sind wunderbare Vorgänge der kosmischen Entwickelung.

Erst als die Waage überschritten war, bildeten sich allmählich in den oberen Gliedern des Menschen die Differenzierungen heraus, die wir mit männlich und weiblich bezeichnen. Der Mensch ist viel länger eingeschlechtlich geblieben als die Tiere. Was bei den übrigen Tieren schon längst geschehen war, das trat hier beim Menschen jetzt erst ein. Es gab eine Zeit, in der sozusagen eine einheitliche Menschengestalt da war, in der nichts da war von jener Fortpflanzungsart, wie sie sich später ausbildete, in der die Natur des Menschen noch beide Geschlechter in einer Wesenheit darstellte. «Und Gott schuf den Menschen männlich-weiblich» steht in der Bibel, nicht «ein Männlein und ein Fräulein». Er schuf beide in einem. Die denkbar schlechteste Übersetzung ist es, wenn gesagt wird: er schuf «ein Männiein und ein Fräulein». Denn das ist ohne Sinn den wirklichen Tatsachen gegenüber.

So blicken wir in eine Zeit, in der die menschliche Natur noch eine Einheit war, wo jeder Mensch jungfräulich gebärend war. Diese Stufe der Menschheitsentwickelung stellt uns die ägyptische Tradition aus dem Schauen der Eingeweihten heraus dar. Ich habe schon darauf hinweisen können> daß die älteren Darstellungen der Isis folgende sind: Isis nährt den Horus, hinter ihr aber steht noch eine zweite Isis mit Geierflügeln, eine Isis, die dem Horus das Henkelkreuz reicht, zur Hindeutung darauf, daß der Mensch aus einer Zeit stammt, als diese Typen noch getrennt waren, so daß später in den Menschen auch die

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andere astralische Wesenheit eingetaucht ist. Diese zweite Isis deutet darauf hin, wie einstmals das astralische Element vorherrschte. Das, was später mit der Menschenform vereinigt ist, wird uns hier dargestellt hinter der Mutter als die Astralgestalt, die Geierflügel gehabt haben würde, wenn sie nur der Astralität gefolgt wäre. Die Zeit aber, in der der Ätherleib überwog, wird dahinter, in einer dritten, löwenköpfigen Isis dargestellt. Diese dreifache Isis wird uns so aus tiefem Schauen heraus dargeboten.

Von diesem Gesichtspunkt aus werden wir aber auch noch etwas anderes verstehen: daß nämlich eine Übergangszeit gewesen sein muß von der Geschlechtseiriheit zu der Geschlechtstrennung, daß in der Tat ein gewisser Zwischenzustand hat da sein können zwischen jener jungfräulichen Fortpflanzung, bei welcher die Befruchtung eintrat infolge von den in der Erde lebenden Kräften, die zugleich die Befruchtungsstoffe waren, und der anderen Art der zweigeschlechtlichen Fortpflanzung. Diese zweigeschlechtliche Fortpflanzung rückte erst vollständig in der Mitte der atlantischen Epoche heran. Früher war eine Zwischenstufe da. In dieser Zwischenstufe, da fand in einer gewissen Epoche eine Änderung des Bewußtseins statt. Da ging der Mensch in viel längeren Zeiträumen als heute durch einen Wechsel des Bewußtseins. Das war eine Zeit, in der das Bewußtsein besonders stark war, in dem der Mensch sich während der Nacht als geistiges Wesen bei seinen geistigen Genossen erlebte. Das Tagesbewußtsein war dagegen schwach. Diese Bewußtseinslage wechselte mit einer anderen Periode, da «as Bewußtsein stark wurde, welches der Mensch hat, wenn er im physischen Leibe ist, und wo das seelische Leben, wenn der Mensch dann nachts den physischen Plan verließ, schwächer wurde. Nun gab es Zeiten der Menschheitsentwickelung, in denen wfr eine Übergangsstufe sehen müssen. Da war das Bewußtsein für die physische Welt noch herabgedämpft. Und es war in diesem herabgedämpften Bewußtseinszustande, wo die Befruchtung eintrat. In den Zeiten des herabgedämmerten Bewußtseins, wenn der Mensch heraus- stieg aus der physischen Welt in die geistige Welt, da fand die Befruchtung statt, und der Mensch merkte sie nur durch einen symbolischen Traumesakt. In einer zarten, edlen Weise empfand er, daß Befrnchtung

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eingetreten war im Schlafe, und nur ein zarter, wundersamer Traum, wie der Mensch zum Beispiel einen Stein warf und der Stein in die Erde fiel und dann aus der Erde eine Blume entstand, war im Bewußtsein des Menschen.

In dieser Zeit muß uns besonders interessieren, daß auch in Betracht kamen diejenigen, die schon früher eine spätere Stufe erreicht hatten. Wenn wir sagen, daß gewisse Wesen auf der Stierstufe stehen blieben, andere auf der Löwenstufe, andere auf der Adierstufe und so weiter, was heißt denn das? Das heißt, wenn die Wesen hätten warten können und ihre ganze volle Liebe zur physischen Welt erst viel später hätten ausbilden wollen, dann würden sie Menschen geworden sein. Wenn der Löwe nicht zu früh hätte hineingewollt in die irdische Sphäre - er wäre Mensch geworden, ebenso die anderen bis dahin abgespaltenen Tiere. Sagen wir das noch einmal so: Alles das, was Mensch war zu der Zeit, als der Löwe sich bildete, sagte sich entweder: Nein, ich will die niederen Substanzen noch nicht aufnehmen, ich will nicht hinunter in die physische Menschheit - oder: Herunter will ich; ich will, daß das wird, was entwickelt ist.

Wir denken uns also zwei Wesenheiten; die eine bleibt noch oben im Luftätherreich und reicht nur in den irdischen Teilen herunter auf die Erde, die andere strebt danach, ganz auf die Erde hinunterzusteigen. Diese leutere wurde vielleicht Löwe, die erstere wurde Mensch.

So wie die Tiere stehenblieben, so blieben nun auch Menschen stehen. Das waren nicht die besten Menschen, die zu früh Mensch wurden; die besseren haben warten können. Sie sind lange dabeigeblieben, nicht hinunterzusteigen auf die Erde, um da in Bewußtheit den Befruchtungsakt zu vollziehen; sie blieben in dem Erkennen, wo der Befruchtungsakt ein Traum war. Diese Menschen lebten, wie man sagt, im Paradiese. Und die Menschen, die am frühesten auf die Erde stiegen, würden wir finden mit besonders stark ausgebildeter Körperlichkeit, mit rohem, brutalem Gesichtsausdruck, während wir die Menschen, die erst die edIeren Teile gestalten wollten, auch in einer viel menschlicheren Gestalt finden würden.

Das, was jetzt beschrieben worden ist, das hat sich in einer wundersamen Sage und einem Ritus erhalten. Bekannt ist der Ritus, der

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erwähnt wird bei Tacitus; die Sage von der Göttin Nerthus oder He:ttha, die jedes Jahr hinuntertaucht in die Meeresfluten in einem Wagen. Diejenigen aber, die sie ziehen, müssen getötet werden. Nerthus wurde aufgefaßt> wie man das eben auffaßt, als irgendein aus der Phantasie heraus gestaltetes Phantom, als irgendeine Göttin, der man einen Kultus auf irgendeiner Insel errichtet haben soll. Die Nerthus-Stätte hat man zu erkennen geglaubt in dem Hertha-See auf Rügen. Dort glaubte man die Stelle, wo der Wagen eingetaucht sei, gefunden zu haben. Eine merkwürdige Phantasie. Der Name HerthaSee ist nämlich eine ganz neue Erfindung. Er hieß früher der schwarze See wegen seiner Färbung, und keinem Menschen fiel es ein, ihn Heitha-See zu nennen und ihn auf die Göttin zu beziehen. In Wahrheit liegt viel Tieferes in dieser Sage. Nerthus ist die Übergangsstufe der jungfräulichen Befruchtung zu der späteren Menschenfortpflanzung. Nerthus, die untertaucht in ein dämmerhaftes Bewußtsein, nirnmt, wenn sie in das Meer der Leidenschaft versenkt wird, das nur in einem zarten, symbolischen Akt wahr; sie nimmt nur einen Abglanz davon wahr. Diejenigen aber, die in der Zeit, als die höhere Menschheit noch so empfand, henintergestiegen waren, die waren schon der ursprünglichen Naivität verlustig gegangen; die sahen schon diesen Akt und waren für das höhere Menschheitsbewußtsein verloren, die waren todeswürdig.

Die Erinnerung an dieses Ereignis der Urzeit wurde im Ritus bewahrt in zaiIreichen Gegenden Europas. Man vollzog zu gewissen Zeiten hei E:nnnerungsfesten eine Zeremonie. Das war der Wagen des Nerthus-Bildes, das untertauchte in das Meer der Leidenschaft. Und man hatte sogar den grausamen Gebrauch: diejenigen, die die- nen durften, die ziehen mußten, die da sehen konnten, die mußten Sklaven sein und wurden bei dem Ritus getötet, zum Zeichen, daß das die sterbliche Menschheit war, die diesen Akt sah. Nur die Priester, die eingeweiht waren, durften der Zeremonie unbeschadet beiwohnen. So sehen wir an diesem Beispiel, daß in jener Zeit, als man das, was hier erzählt wurde, in gewissen Gegenden kannte, in diesen Gegenden der Nerthus-Kult war. In diesen Gegenden war ein Bewußtsein vorhanden, das diese Sage und den Ritus gestaltete.

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So entwickelte sich die Menschheit durch die mannigfaltigsten Formen hindurch, und so wird in den Bildern dargestellt dasjenige, was reale Tatsachen sind. Es ist schon gesagt worden, daß solche Bilder nicht Allegorien sein sollen, sondern daß sie inhaltlich in einem Verhältnis stehen zu den realen Tatsachen. Solche Bilder erschienen wie Traumbilder. So wurde auch die Osirissage zuerst geträumt, bevor der Schüler die Tatsache der Menschheitsevolution wahrhaft schaute. Und nur dasjenige, was vorbereitet auf reales Schauen, das ist im okkulten Sinne ein Symbolum. Ein Symbolum ist ein Schildern realer Vorgänge in Bildern. Und welches die Wirkung dieser Schildernngen war, davon im nächsten Vortrage.

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NEUNTER VORTRAG Leipzig, 11. September 1908

In unseren letzten Betrachtungen haben wir an unserer Seele vorüberziehen lassen eine Anzahl von Tatsachen der Evolution der Menschheit im einzelnen. Ich habe zu zeigen versucht, wie der Mensch sich entwickelt in jenem Zeitraum der Erdenentwickelung, der sich ungefähr erstreckt von dem Augenblicke an, als die Sonne aus der Erde austrat, bis zu der Zeit, als auch der Mond die Erde verließ. Es wird noch einiges zu diesen Tatsachen, die wir Tatsachen der okkulten Anatomie und Physiologie nennen können, hinzuzufügen sein. Aber damit wir alles in der richtigen Weise erfassen, müssen wir heute auf einige andere Tatsachen des geistigen Lebens einiges Licht werfen, deiin wir dürfen nicht vergessen, daß eigentlich gezeigt werden soll, welches Verhältnis besteht zwischen den ägyptischen Mythen und Mysterien, überhaupt der ganzen ägyptischen Kulturperiode und unserer eigenen Zeit. Deshalb ist es notwendig, daß wir uns völlig klar darüber werden, wie überhaupt die Fortentwickelung durch die verschiedenen Epochen weitergeht.

Fassen wir noch einmal ins Auge das, was dargestellt worden ist als die Wirkung der Sonnen- und Mondengeister, namentlich der Osiris- und der Isiskräfte, durch deren Wirkungen der menschliche Leib erst entstanden und aufgebaut worden ist. Fassen wir ins Auge, daß das in einer urfernen Vergangenheit geschah, daß unsere Erde kaum im einzelnen sich herauskristallisiert hatte aus der Wassererde, und daß ein großer Teil des Beschriebenen eigentlich in dieser Wassererde sich abgespielt hat. Dariials war ein Zustand des Menschen vorhanden, der uns einmal recht deutlich vor die Seele treten sollte, damit wir einen klaren Begriff bekommen von dem, wie es auch für das menschliche Schauen selber aussah beim Fortgang des Menschen in der Erdenentwickelung.

Ich habe dargestellt, wie die unteren Glieder der menschlichen Weseniieit, die Füße, Unterschenkel, Knie und so weiter sozusagen als physische Gestalt schon von dem Zeitpunkt an entstanden sind,

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als die Sonne Miene machte, hinauszuziehen aus der Erde. Wir müssen uns aber wohl erinnern, daß immer gesagt worden ist, das alles wäre so zu sehen gewesen, wenn ein menschliches Auge dagewesen wäre, welches das hätte sehen können. Ein solches Auge gab es aber nicht. Das ist erst viel später entstanden. Während der Mensch sich noch in der Wassererde befand, nahm er ausschließlich wahr mit dem Organ, das beschrieben worden ist als die Zirbeldrüse. Die Wahrnehmung mit dem physischen Auge kam erst dann zustande, als die menschliche Hüftenmitte sich ausgebildet hatte. Man kann also sagen, der untere Teil der menschlichen Gestalt war am Menschen schon vorhanden, aber nichts war an dem Menschen vorhanden, was den menschlichen Leib hätte sehen können. Der Mensch konnte sich da- mals selbst nicht sehen. Der Mensch bekam erst in dem Moment die Fähigkeit, sein Wesen anzuschauen, als sein Leib, von unten herauf sich bildend, die Hüftenmitte überschritten hatte. Als er gebildet war bis zum Zeichen der Waage, da wurde das Menschenauge erst aufgetan; da fing er an, sich nebelhaft zu sehen. Da erst entwickelte sich das Sehen der Gegenstände. So daß also bis zu dieser Entwickelung der Hüftenmitte alles menschliche Wahrnehmen, alles Schauen ein hellseherisches, astralisch-ätherisches Schauen war. Physisches konnte der Mensch damals noch nicht wahrnehmen, denn es war das Menschenbewußtsein noch ein dumpfes, dämmerhaftes, aber ein hellsichtiges, trauinhaft-hellsichtiges.

Und darin ging der Mensch über zu dem Bewußtseinszustand, wo abwechselte Schlafen und Wachen. Im Wachen sah der Mensch dann dumpf dasjenige, was physisch war, aber wie in Nebel gehüllt und wie mit einer Lichtaura umgeben. Im Schlaf aber erhob sich der Mensch zu den geistigen Welten und zu den göttlich-geistigen Wesenheiten. Sein Bewußtseinszustand wechselte ab zwischen einem Hellseherbewußtsein, das immer schwächer und schwächer wurde, und dem Tagesbewußtsein, dem immer heller und heller werdenden Gegenstandsbewußtsein, welches das Hauptbewußtsein heute ist. Damals verlor sich nach und nach die Fähigkeit der hellseherischen Wahrnehmung, immer mehr auch die Fähigkeit, die Götter im Schlafe zu sehen. Und in demselben Maße trat die Klarheit des Tagesbewußt

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seins ein, und immer stärker wurde damit das Selbstbewußtsein, das Ich-Gefühl, das Ich-Wahrnehmen.

Wenn wir zurückblicken in die lemurische Zeit, in die Zeit vor, während und nach dem Hinausgehen des Mondes aus der Erde, so blicken wir zunächst auf ein hellseherisches Bewußtsein des Menschen, wo der Mensch noch nichts ahnte von dem, was wir heute den Tod nennen. Denn wenn der Mensch damals heraustrat aus seinem physischen Leibe, gleichgültig ob durch Schlaf oder Tod, wenn er heraus- wanderte, dann versank damit nicht sein Bewußtsein, sondern er erhielt sogar ein höheres, ein geistigeres Bewußtsein in einer gewissen Beziehung> als wenn er in seinem physischen Leibe war. Der Mensch sagte sich daIials niemals: Ich sterbe jetzt - oder: Ich trete in Bewußtlosigkeit - das gab es nicht in der damaligen Zeit. Der Mensch baute noch nicht auf sein eigenes Selbstgefühl, aber er fühlte sich im Schoße der Gottheit unsterblich, und er wußte alles das als selbstverständliche Tatsachen, was wir heute beschreiben.

Denken wir uns einmal folgendes. Denken wir uns, wir legten uns zum Schlaf nieder, der Astralleib bewegte sich aus dem physischen Leibe heraus, und das alles geschähe beim vollen Mond. Den physischen Leib mit dem Ätherleib haben wir also im Bette liegen, den Astralleib darüber schwebend, und das bei Vollmondschein. Nun ist die Situation nicht so, daß einfach da eine astralische Wolke für den Hellseher sichtbar wird, sondern er sieht in der Tat Strömungen vom Astralleib aus in den physischen Leib hineingehen, und diese Strömungen sind die Kräfte, welche in der Nacht die Ermüdung fort- schaffen, und sie bringen dem physischen Leibe Ersatz für die Abnutzung am Tage, so daß er sich erqrnöckt und erfrischt fühit. Man würde aber zugleich geistige Ströme vom Monde ausgehen sehen, und diese Strömungen durchsetzen astraIe Mächte. Man würde sehen, wie in der Tat vom Monde geistige Wirkungen ausgehen, die den Astralleib durchsetzen und verstärken und seine Tätigkeit an dem physischen Leibe beeinflussen.

Nehmen wir an, wir wären nun Menschen der alten lemurischen Zeit, dann würde der Astralleib dieses Einströmen der geistigen Kräfte walirgenommen haben, würde hiriaufgeschaut haben und gesagt

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haben: Das ist Osiris, der mich da stärkt, der an mir arbeitet, ich sehe, wie seine Wirkung durch mich geht. - Und wir würden uns geborgen gefühlt haben während der Nacht in Osiris, wir hätten sozusagen mit unserem Ich in Osiris gelebt. Ich und Osiris sind eins, würden wir empfunden haben. Hätten wir damals in Worte kleiden können, was wir empfunden haben, würden wir es etwa so charakterisiert haben, wenn wir zurückkehrten in den physischen Leib: Nun muß ich wieder hinunter in den physischen Leib, der da unten auf mich wartet; das ist eine Zeit, wo ich in meine niedere Natur untertauche - und wir hätten uns auf die Zeit gefreut, wo wir wieder verlassen konnten den physischen Leib und hinaufsteigen konnten und ruhen konnten im Schoße des Osiris oder im Schoße der Isis, wo wir unser Ich wieder vereinigten mit Osiris.

Je mehr sich nun der physische Leib entwickelte, je mehr sich von unten da ansetzte, und je mehr, nach der Entwickelung der oberen Glieder, der Mensch auch physisch schauen konnte, je mehr der Mensch wahrnehmen konnte die Gegenstände in der physischen Welt um ihn her, desto längere Zeit mußte der Mensch verweilen, wenn er untertauchte in seinen physischen Leib, desto mehr Interesse gewann er an der physischen Welt, desto dunkler wurde sein Bewußtsein für die geistige Welt, desto klarer das Bewußtsein im physischen Leibe, desto mehr entwöhnte er sich der geistigen Welt. So entwikkelte sich immer mehr das Leben des Menschen in der physischen Welt, und in den Zuständen, die zwischen Tod und einer neuen Geburt verlaufen, wurde das Bewußtsein immer dunkler und dunkler. Jenes Heimatgefühl bei den Göttern verlor der Mensch in der atlantischen Zeit immer mehr, und als die große Katastrophe vorüber war, da hatte schon ein großer Teil der Menschen völlig verloren die natürliche Fähigkeit, während der Nacht hineinzuschauen in die geistige Welt, dafür aber gewonnen die Fähigkeit, bei Tage immer schärfer äußerlich zu sehen, so daß die Gegenstände um sie her nach und nach in klareren Umrissen auftauchten. Es ist schon darauf aufmerksam gemacht worden, daß bei den Menschen, die zurückgeblieben waren, die Gabe des Hellsehens sich noch erhalten hatte, während die nachatlantischen Kulturen sich entwickelten. Bis hinein in die Zeit, als das

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Christentum begründet wurde, gab es noch Nachzügler dieses Hellsehens, und noch heute gibt es, wenn auch sehr vereinzelt, Menschen, die sich als natürliche Gabe dieses Hellsehen bewahrt haben, das aber ein ganz anderes Hellsehen ist als das durch die esoterische Schulung gewonnene.

In der Atlantis wurde also die Nacht allmählich dunkel für den Menschen, während das Tagesbewußtsein anfing, sich aufzuhellen. Bewußtlos wurde die Nacht für die Menschen der ersten nachatlantischen Kultur, die wir zu charakterisieren versuchten in all ihrer Größe, in der Spiritualität, die hereingekommen ist durch die heiligen Rishis, die wir uns vor die Seele geführt haben in den vorhergehenden Vorträgen, und die wir jetzt noch von einer anderen Seite charakterisieren müssen.

Versetzen wir uns in die Seelen der Schüler der heiligen Rishis, in die Seelen der Leute der indischen Kultur überhaupt, sagen wir, in die Zeit urtrnittelbar nachdem die letzten Spuren der großen atlantischen Wasserkatastrophen verschwunden waren. Wie eine Art Erinnerung lebte es da noch in der Seele, eine Erinnerung an die alte Welt, an jene Welt, wo der Mensch die Götter, die an seinem Leibe arbeiteten, erlebte, und gesehen hatte, wie Osiris und Isis an ihm tätig waren. Jetzt war er heraus aus dieser Welt, aus dem Schoße der Götter. Früher war für ihn das alles da, wie für ibn heute das Physische da ist. Wie eine Erinnerung ging es durch das Gemüt des indischen Menschen, der der ersten nachatlantischen Kultur angehörte, durch das Gemüt des indischen Menschen, dem die Rishis noch sagen konnten, wie es wirklich war, denn er wußte, daß die Rishis und ihre Schü1er schauen konnten in die geistige Welt. Er wußte aber auch, daß für den normalen Menschen, für den Angehörigen der indischen Kultur, die Zeiten, wo er hinemschauen konnte in die geistige Welt, vorbei waren.

Wie eine Erinnerung, wie eine schmerzliche Erinnerung an die alte, wahre Heimatwelt zog es da durch die Seele des alten Inders, indem er sich in die physische Welt versetzt sah, die doch nur die äußere Schale der geistigen Welt ist, und er sehi1te sich hinaus aus dieser äußeren Welt. Und er empfand: Unwahr sind die Berge, die Täler,

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unwahr die Wolkenmassen der Luft, selbst unwahr der Sternenh`immel, alles ist nur wie eine Hülle, wie eine Physiognomie des Wesens. Und das Wahre, das dahinter ist, die Götter und die wahre Gestalt des Menschen, wir können sie nicht sehen. Das was wir sehen, ist Maja, ist unwahr; das Wahre ist verhüllt. - Und diese Stimmung wurde iriimer lebendiger, daß der Mensch, der Wahrheit entsprossen, in dem Geistigen seine Heimat hat; daß das Sinnliche unwahr, Maja ist, daß die physische Welt der Sinne ihn umnachtete.

Wer so stark den Gegensatz des Geistigen und des unwahren Physischen fühlt, für den wird die religiöse Stimmung dahin gehen, wenig Interesse zu empfinden in bezug auf die physische Welt und immer mehr den Geist zu lenken zu dem, was die Eingeweihten schauen, und von dem Kunde geben können die heiligen Rishis. Heraus sehnte sich der Inder aus dieser Wirklichkeit, aus der harten Wirklichkeit, die doch für ihn nichts war als Illusion. Denn das Wahre ist nicht das, was die Sinne wahrnehmen, das Wahre fühlte er erst dahinter. Und wenig Interesse wandte die erste nachatlantische Kulturperiode dem zu, was äußerlich auf dem physischen Plane geschah.

Anders war es schon in der zweiten Kulturperiode, bei den Persern, aus der dann Zarathustra hervorgegangen ist, der große Schüler des Manu. Wenn wir durch ein paar Striche charakterisieren wollen, worin der Übergang der indischen zu der Perserkultur bestand, so können wir sagen: Der Angehörige der persischen Kultur fühlte das Physische nicht bloß wie eine Fügung, er fühlte es wie eine Aufgabe. Zwar sah auch er noch hinauf in die Regionen des Lichtes, er sah hinauf in die geistigen Welten, aber er wandte den Blick wieder zurück in die physische Welt, und vor seiner Seele stand, wie alles in die Lichtgewalten und in die dunkeln Gewalten zerfiel. Die physische Welt wurde ihm ein Arbeitsfeld. Der Perser sagte sich: Es gibt die gute Lichrfülle, die Gottheit Ahura Mazdao oder Ormuzd, und es gibt die dunkeln Mächte, unter der Führung des Angramainyush oder Ahriman. Von Ahura Mazdao kommt das Heil der Menschen, von Ahriman die physische Welt. Wir müssen das, was kommt von Ahriman, umwandeln, wir müssen uns mit den guten Göttern verbinden und Ahriman, den bösen Gott in der Materie besiegen, indem wir die

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Erde umarbeiten, indem wir solche Wesen werden, daß wir die Erde bearbeiten können. Indem wir so den Ahriman besiegen, machen wir die Erde zu einem Mittel für das Gute. - Den ersten Schritt, die Erde zu erlösen, taten die Angehörigen der persischen Kultur, und sie hatten die Hoffnung, daß die Erde auch einstmals ein guter Planet sein werde, daß sie erlöst sein würde, und daß eine Verherrlichung eintreten werde Ahura Mazdaos, des höchsten Wesens.

So hatte der gefühlt, der nicht in die erhabenen Höhen sah wie der Inder, der aber festen Fuß faßte auf dieser physischen Welt. So aber dachte nicht der Angehörige der indischen Kultur, der den festen Boden unter den Füßen verlor.

Und weiter ging die Eroberung des physischen Plans in der dritten Kulturstufe, in der ägyptisch-babylonisch-assyrisch-chaldäischen Kultur. Da war kaum mehr etwas vorhanden von dem uralten Widerwillen, mit dem die physische Welt als Maja gefühlt wurde. Die Chaldäer blickten zu dem Sternenhimmel hinauf, und der Lichtesglanz der Sterne war für sie nicht bloß Maja, sondern das waren für sie die Schriftzeichen, die die Götter dem physischen Plan eingeprägt hatten. Und auf den Wegen der Sterne verfolgte der chaldäische Priesterweise den Weg zurück in die geistigen Welten, und als er eingeweiht wurde, als er kennenlernte alle die Wesen, welche die Planeten, die Gestirne bewohnten, da erhob er seine Augen hinauf und sagte sich: Was ich sehe mit meinen Augen, wenn ich zum Sternemiimmel den Blick erhebe, das ist der äußere Ausdruck dessen, was mir das okkulte Schauen, die Einweihung gibt. Wenn der einweihende Priester mir die Gnade des Schauens des Gottes verleiht, dann sehe ich den Gott. Aber alles Äußere, was ich sehe, ist nicht bloß Illusion; in ihm sehe ich die Schrift der Götter.

So kam sich ein solcher Eingeweihter vor, wie wir uns vorkommen, wenn wir einem Freunde gegenüberstehen, dann lange voneinander getrennt sind und dann einen Brief von ihIn bekommen und die Schrifueichen des enffernten Freundes vor uns sehen. Wir sehen, das war seine Hand, die diese Schriftzeichen geformt hat, wir nehmen wahr die Gefühle des Herzens, die darinnen ausgedrückt sind. So fühlte ungefähr der chaldäische und auch der ägyptische Eingeweihte,

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der in die heiligen Mysterien eingeweiht war, der, während er im Mysterientempel war, mit seinem geistigen Auge sah die geistigen Wesenheiten, die mit unserer Erde verbunden sind. Und wenn er das alles sah und er dann hinausging, und wenn er dann die Welt der Sterne sah, so kam ihm das vor wie ein Brief der geistigen Wesen. Er vernahm eine Schrift der Götter, wenn die Blitze leuchteten, wenn der Donner rollte; im Sturmwind vernahm er eine Offenbarung der Götter. Die Götter hatten sich manifestiert für ihn in allem, was er äußerlich sah. So wie wir dem Briefe des Freundes gegenüber fühlen, so fühlte er die äußerliche Welt, so fühlte er, wenn er die Welt der Elemente, die Welt der Pflanzen, der Tiere, der Berge, die Welt der Wolken, die Welt der Sterne sah. Alles das wurde entziffert als eine Götterschrift.

Und indem die Ägypter vertrauten auf die Gesetze, die der Mensch finden konnte in der physischen Welt, wodurch der Mensch die Materie beherrschen kann, da entstand die Geometrie, die Mathematik. Mit ihrer Hilfe konnte der Mensch die Elemente beherrschen, weil er vertraute auf das, was sein Geist finden konnte, weil er glaubte, daß man einprägen konnte den Geist der Mat,enöe. Da konnte er die Pyramiden schaffen, die Tempel und die Sphingen. Das war ein gewaltiger Schritt für die Eroberung des physischen Planes, der in dieser dritten Kulturperiode getan wurde. Und damit war der Mensch so weit gekommen, überhaupt erst richtig den physischen Plan zu respektieren; die physische Welt war ihm jetzt erst etwas geworden. Aber was für Lehrer hatte er vorher gebraucht?

Vorher hatte der Mensch Lehrer gebraucht; auch die Eingeweihten haben Lehrer gebraucht, sagen wir in der alten indischen Zeit. Was für Lehrer haben die Eingeweihten gebraucht? Es war notwendig, daß der Eingeweihte künstlich dazu geführt wurde, in den Einweihungszuständen das wieder zu sehen, was früher der Mensch in seinem dumpfen Hellseherbewußtsein hat sehen können. ZurüCkgeführt werden mußte der Einzuweihende. Er mußte in die geistige Welt, in die frühere geistige Heimat wieder hinaufgeführt werden, damit er das, was er durch seine Erlebnisse erfahren konnte, den anderen vermitteln konnte. Dazu brauchte er Lehrer. So brauchten die

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Schüler der Rishis Lehrer, die ihnen vorwiesen, was geschah im alten Lemurien, was geschah in der alten Atlantis, als der Mensch noch hellsehen konnte. Und ebenso war es noch bei den Persern.

Anders wurde das bei den Chaldäern, anders besonders bei den Ägyptern. Oh, auch da gab es solche Lehrer, die den Schüler dahin brachten, daß er seine Kräfte so entwickelte, daß er durch hellsichtiges Schauen hineinsah in die geistige Welt, hinter die physische Welt. Das waren die Initiatoren, die zeigten das, was hinter dem Physischen liegt. Aber eine neue Lehre, eine ganz neue Methode wurde notwendig in Ägypten. Im alten Indien hatte man sich wenig gekümmert um das, wie dasjenige, was in der geistigen Welt vorgeht, eingeschrieben ist in den physischen Plan, um die Korrespondenz zwischen Göttern und Menschen; darum hatte man sich wenig gekümmert. In Ägypten aber war etwas anderes nötig: nicht nur daß der Schüler durch die Einweihung die Götter sah, sondern auch, wie -diese die Hände bewegten, um die Sternenschrift zu vollziehen, wie sich alle physischen Formen herausgebildet hatten. Die alten Ägypter hatten Schulen, ganz nach dem Muster der Inder, aber sie lernten noch hinzu, wie die geistigen Kräfte mit der physischen Welt korrespondieren. Jetzt hatten sie einen neuen Lehrstoff. In Indien würde man den Schüler gewiesen haben auf die geistigen Kräfte durch das Hellsehen; in Ägypten kam hinzu, daß man zeigte, was physisch korrespondiert mit den geistigen Taten. Man zeigte es an jedem Gliede des physischen Leibes, welcher geistigen Arbeit es entsprach; zum Beispiel wie das Herz einer geistigen Arbeit entspricht, das wurde gelehrt. Und der Stifter der Schule, durch welche nicht nur das Geistige gezeigt wurde, sondern auch seine Arbeit am Physischen, der Stifter dieser Schule war der große Initiator Hermes Trismegistos. So haben wir in ihm, dem dreimal großen Thoth, den ersten zu sehen, welcher den Menschen zeigte die ganze physische Welt als eine Schrift der Götter. So sehen wir Stück für Stück unsere nachatlantischen Kulturen ihre Impulse der Menschlieitsevolution einverleiben. Wie ein göttlicher Gesandter erschien den Ägyptern Hermes. Er gab ihnen das, was man zu entziffern hatte als die Tat der Götter in der physischen Welt.

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Damit haben wir ein wenig charakterisiert die drei Kulturepochen der nachatlantischen Zeit. Die Menschen hatten den physischen Plan schätzen gelernt.

Die vierte Kulturperiode, die griechisch-lateinische, ist die Epoche, in welcher der Mensch noch mehr mit dem physischen Plan in Berührung kommt. In dieser Zeit kommt der Mensch so weit, nicht nur die Schrift der Götter in der physischen Welt zu sehen, sondern auch sein Selbst, seine geistige Individualität in die objektive Welt zu setzen. Solche Schöpfungen der Kunst wie in Griechenland gab es vorher nicht. Daß der Mensch sich selbst hinaussetzte aus sich in der Skulptur, in den Bildwerken, daß er darin etwas wie sein physisches Selbst geschaffen hat, das war in der vierten Kulturperiode erreicht.

In dieser Zeit sehen wir das Innere, das Geistige des Menschen, hinaussteigen aus dem Menschen auf den physischen Plan und ein- fließen in die Materie. Am reinsten sehen wir dieses Eingehen einer Ehe zwischen dem Geistigen und der Matenöe in dem griechischen Tempel. Dieser Tempel ist für jeden, der ihn rückblickend schauen kann, ein wunderbares Werk. Die griechische Architektonik ist Urarchitektonik. Jede Kunst ~~at ihren Höhepunkt irgendwo. Hier hatte die Architektur ihren Höh`epunkt. Die Plastik, die Malerei, auch sie haben irgendwo einmal ihren Höhepunkt erreicht. Trotz der gigantischen Pyramide ist in dem griechischen Tempel das Wunderbarste an Architektur geschaffen worden. Denn was ist in ihm erreicht?

Einen schwachen Nachklang mag der empfinden, der ein künstIerisches Raumgefühl hat, das heißt, der empfindet, wie eine Linie, die horizontal ist, sich verhält zu einer Linie, die vertikal geht. Und eine ganze Summe von kosmischen Wahrheiten lebt in der Seele auf, die bloß fühlen kann, wie die Säule trägt dasjenige, was über der Säule liegt. Man muß es fühlen können, daß alle diese Linien schon vorher unsichtbar im Raum sich befinden. Der griechische Künstler sah gleichsam hellseherisch die Säule und fügte nur Materie hinein in das, was er sah. Er sah den Raum als lauter Lebendes, er sah ihn von lebendigen Kräften durchzogen. Wie könnte der heutige Mensch einigermaßen nur nachfühlen, welche Lebendigkeit dieses Raumgefühl hatte?

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Einen schwachen Nachklang können wir bei den alten Malern sehen. Man kann noch Darstellungen sehen, wo man zum Beispiel Engel im Raume schwebend sieht, und wir haben das Gefühl, die Engel halten sich gegenseitig. Wenig ist heute von diesem Gefühl des Raumes noch vorhanden. Ich will nichts einwenden gegen die Farbenkunst des Böcklin, aber jedes okkulte Raumgefühl geht ihm ab. Solch ein Wesen, wie es sich über seiner Pieta` befindet - man weiß nicht, ob es ein Engel sein soll oder sonst ein Wesen -, das muß unbedingt im Beschauer das Gefühl erwecken, daß es jeden Augenblick herunterfallen muß auf die Gruppe unter ihm. Das muß betont werden, wenn man hinweisen will auf etwas, wovon heute kaum eine Vorstellung hervorgerufen werden kann: auf das Raumgefühl der Griechen, von dem ausdrücklich betont werden muß, daß es okkulter Natur ist. Ein griechischer Tempel war etwas, als ob der Raum aus seinen Linien sich selber geboren hätte. Die Folge davon war, daß göttliche Wesenheiten, die der Grieche als Hellseher kannte, für die der Tempel errichtet war, wirklich in den Tempel sich hinunterneigten, wirklich sich darin wohl fühlten. Und es ist wahr: Pallas Athene, Zeus und so weiter waren wirklich in den Tempeln darinnen; sie hatten ihre Körper, ihre materiellen Körper in diesen Tempeln. Denn, da solche Wesenheiten sich nur bis in einen Ätherleib inkarnieren konnten, fanden sie in diesen Tempeln eine wirkliche Wohnstätte in der physischen Welt. Ihr physischer Leib konnte ein solcher Tempel werden, in dem sich ihr Ätherleib wohlbefand.

Wer den griechischen Tempel versteht, der weiß, daß er sich ganz bedeutsam unterscheidet von einem gotischen Dom. Darin soll keine Kritik gegen die gotische Baukunst liegen, denn der gotische Dom ist auch ein erhabenes Kunstwerk. Von einem griechischen Tempel aber kann derjenige, der in die Dinge hineinschaut, sich wohl vorstellen, daß, auch wenn er in seiner Einsamkeit dasteht, wenn weit und breit kein Mensch da ist, wenn er ganz allein ist, nur der Tempel da ist, er als ein Ganzes dasteht. Ein griechischer Tempel ist doch vollständig, auch wenn kein Mensch darinnen betet. Er ist nicht seelenlos, er ist nicht leer, denn der Gott ist in ihm, er wird bewohnt von dem Gott.

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Aber ein gotischer Dom ist nur halb, ist nicht vollständig, wenn keine Gläubigen, keine Beter darinnen sind. Den gotischen Dom kann sich derjenige, der das versteht, nicht so denken, daß er einsam, allein, ohne die gläubige Menge dastehe, die mit ihren Gedanken sich hineinbewegt in ihri. Und all die gotischen Formen und Zierate gehören zu dem, was von ihm ausgeht. Kein Gott, kein geistiges Wesen ist beim gotischen Dom, wenn nicht die Gebete der Gläubigen darinnen sind. Erst wenn die betende Gemeinde versammelt ist, dann ist er erfüllt von dem Göttlichen. Das drückt sich selbst in dem Worte «Dom» aus, denn es ist verwandt mit dem «tum» in Deutschtum, Volkstum und so weiter, das immer etwas Sammelndes hat, und das Wort «Duma» ist sogar damit verwandt. Der griechische Tempel ist kein Haus der Gläubigen. Er ist geformt als ein Haus, das der Gott selbst bewohnt; er kann allein stehen. Im gotischen Dom aber fühlte man sich nur heimisch, wenn die gläubige Menge ihn füllte, wenn die andächtige Gemeinde versammelt war, wenn durch die farbigen Fensterscheiben das Licht der Sonne schien und die Farben sich spalteten an den feinen Stäubchen, und dann, wie es oft und oft geschah, der Prediger auf der Kanzel im Dom sagte: Ebenso wie sich das Licht spaltet in die vielen Farben, so teilt sich auch das eine geistige Licht, die göttliche Kraft, unter die Menge der Seelen und in die vielen Kräfte des physischen Plans. - Oft sagte der Prediger so etwas. Wenn Anschauung und geistiges Erleben so zusanirnenflossen, dann war der Dom etwas Vollständiges.

So wie es mit den großen Tempelbauten war, so war es in allem Künstlerischen bei den Griechen. Der Marmor ihrer Skulpturen nahm den Schein des Lebendigen an, der Grieche drückte das im Physischen aus, was in Seinem Geistigen lebte; eine Ehe des Geistigen mit dem Physischen war bei den Griechen vorhanden.

Der Römer aber war noch einen Schritt weiter gegangen in der Besiegung des physischen Planes. Der Grieche hatte die Fähigkeit, das Seelisch-Geistige in seine Kunstwerke hineinzuschaffen, er fühlte sich aber noch als Glied eines Ganzen, der Polis, des Stadtstaates; er fühlte sich noch nicht als Persönlichkeit. So war es auch bei den früheren Kulturen: Der Ägypter fühlte sich nicht als einzelner Mensch,

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er fühlte sich als Ägypter, als Glied eines Volkes. So finden wir auch in Griechenland, wie der Mensch nicht Wert darauf legte, sich als Mensch zu fühlen, sondern wie es sein höchster Stolz war, ein Spartaner, ein Athener zu sein. Eine Persönlichkeit zu sein, selbst etwas zu sein in der Welt, das wurde zum ersten Male durch das Römertum empfunden.

Daß eine Persönlichkeit etwas für sich ist, das wurde erst für den Römer wahr. Der Römer erfand den Begriff « Bürger», daher entstand bei ihm dafür die Grundlage, die Jurisprudenz, das Recht, das man mit Recht eine römische Erfindung genannt hat. Nur heutige Juristen, die keine Ahnung von diesen Tatsachen haben, haben die Geschmack- losigkeit gehabt, davon zu sprechen, daß es schon vorher ein Recht in diesem Sinne gegeben habe. Die Leute reden Unsinn, die von orientalischen Rechtsschöpfern sprechen, wie zum Beispiel von Hammurabi. Es gab vorher keine Rechtsgebote, es gab nur göttliche Gebote. Man müßte harte Worte sprechen, wenn man objektiv sprechen wollte über diese Wissenschaft; man müßte, wollte man gerecht sein, furchtbar harte Worte sprechen, und jede Kritik ist r1ur eine mitleidige Kritik. Der Begriff des Bürgers wurde im alten Rom erst wirklich gefühlt. Da hatte der Mensch bis zu seiner eigenen Individualität das Geistige in die physische Welt gebracht. Im alten Rom wurde zuerst das Testament erfunden; da wurde der Wille der einzelnen Persönlichkeit so stark, daß sie sogar über den Tod hinaus bestimmen konnte, was mit ihrem Besitz, ihrem Eigentum geschehen sollte. Jetzt sollte der einzelne, persÖnliche Mensch maßgebend sein. Damit hatte der Mensch in seiner eigenen Individualität das Geistige bis auf den physischen Plan heruntergebracht. Das war der tiefste Punkt der Entwickelung.

Am höchsten stand der Mensch in der indischen Kultur. Der Inder schwebte noch in spiritueller Höhe, auf dem höchsten Punkt. In der zweiten Kultur, der urpersischen, stieg der Mensch schon hinunter. In der dritten Kultur, der ägyptischen, noch mehr. In der vierten Kultur stieg der Mensch ganz hinunter auf den physischen Plan, in die Materie. Da gab es einen Punkt, wo der Mensch am Scheidewege stand; entweder konnte er tiefer und tiefer steigen, oder er

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mußte auf dem tiefsten Punkt die Möglichkeit gewinnen, sich wieder heraufzuarbeiten, wieder zurückzukehren in die geistige Welt. Dazu mußte aber ein geistiger Impuls auf den physischen Plan selbst kommen, ein mächtiger Ruck, der den Menschen zurückführen konnte in die geistige Welt. Dieser mächtige Ruck aber wurde gegeben durch die Erscheinung des Christus Jesus auf Erden. Der göttlich-geistige Christus mußte zu den Menschen in einem physischen Menschenieibe kommen, mußte die physische Erscheinung in der physischen Welt durchmachen. Jetzt, wo der Mensch ganz in der physischen Welt war, mußte der Gott zu ihm heruntersteigen, damit er den Weg zurück- finde in die geistige Welt. Das wäre vorher nicht möglich gewesen.

Wir haben heute die Entwickelung der Kulturen der nachatlantischen Zeit bis zu ihrem tiefsten Punkte verfolgt; wir haben angedeutet gesehen, wie der geistige Impuls durch den Christus im tiefsten Punkte geschah. Jetzt soll der Mensch wieder heraufsteigen, durchgeistigt und durchsetzt von dem Christus-Prinzip. Wir werden so sehen, wie zum Beispiel die ägyptische Kultur in unserem Zeitraum wieder auftaucht, aber durchsetzt von dem Christus-Prinzip.

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ZEHNTER VORTRAG Leipzig, 12. September 1908

Es gibt viele Mythen und Sagen der alten Ägypter, welche in der geisteswissenschaftlichen Weltanschauung wohibekannt waren und auch wieder bekannt werden, welche aber eigentlich nicht vermittelt sind in der äußerlichen, geschichtlichen Tradition, die von den Ägyptern meldet. Einige dieser Mythen sind uns dann in jener Form geschichtlich erhalten, in der sie in Griechenland heimisch wurden, denn der größere Teil der nicht auf den Zeus und seine Familie bezüglichen Sagen Griechenlands ist aus den ägyptischen Mysterien herübergekommen. Und wir werden uns heute zu beschäftigen haben mit allerlei Sagenhaftem, das wir brauchen, wenn auch eine heutige Kulturgeschichte behauptet, daß eigentlich wenig für die Menschen in der griechischen Mythologie enthalten sei.

Wozu mußten wir uns denn anschauen sozusagen die andere Seite der menschlichen Entwickelung, das heißt die geistige Seite? Alles, was wir auf dem physischen Plan sehen, bleibt immer Ereignis, Tatsache des physischen Plans. Aber in der Geisteswissenschaft interessiert uns nicht nur dasjenige, was auf dem physischen Plan lebt, sondern auch alles das, was in den geistigen Welten vorgeht.

Wir wissen ja aus dem, was wir in geisteswissenschaftlichen Vorträgen gehört haben, was mit dem Menschen sich abspielt zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Wir brauchen uns nur zu erinnern, daß der Mensch im Tode übergeht in den Bewußtseinszustand, den wir Kamaloka nennen, in dem der Mensch, wenn er auch ein geistiges Wesen geworden ist, festgehalten wird durch den astralischen Leib. Es ist das die Zeit, wo der Mensch noch etwas verlangt von der physischen Welt, wo er leidet darunter, wo er etwas entbehrt dadurch, daß er nicht mehr in der physischen Welt ist. Dann kommt die Zeit, in welcher der Mensch sich vorzubereiten hat auf ein neues Leben: der Bewußtseinszustand des Devachan, wo der Mensch nicht mehr unmittelbar mit der physischen Welt, mit dem, was physische Eindrücke sind, zusammenhängt. Wollen wir uns vorstellen,

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wie sich das Kamalokaleben von dem Devachanleben unterscheidet, so können wir zwei Beispiele betrachten.

Wir wissen, daß der Mensch, wenn er gestorben ist, nicht gleich mit seinem Sterben seine Begierden und Wünsche verliert. Nehmen wir an, der Mensch ist im Leben ein Feinschmecker gewesen, der einen großen Genuß empfunden hat an leckeren Speisen. Wenn er gestorben ist, verliert sich nicht sogleich diese Genußsucht, dieser Wunsch nach leckeren Speisen. Der Mensch hat ja diese Wünsche nicht in dem physischen Leibe, sondern im Astralleib. Daher, weil der Mensch nach dem Tode den Astralleib behält, behält er auch den Wunsch, aber ihm fehlt das Organ, um diese Wünsche zu befriedigen: der physische Leib. Der Wunsch nach der Speise hängt nicht ab vom physischen Leib, sondern vom Astralleib, und da tritt nach dem Tode eine wahre Gier auf im Menschen nach demjenigen, was ihn im Leben am meisten befriedigte. Daher leidet der Mensch nach dem Tode so lange, bis er sich den Wunsch nach dem Genuß abgewöhnt hat, bis er abgeworfen hat alles, was er durch die physischen Organe an Begierden großgezogen hat. So lange befindet sich der Mensch im Kamaloka. Dann beginnt die Zeit, wo der Mensch nicht mehr Ansprüche dieser Art erhebt, die nur durch physische Organe befriedigt werden können. Dann geht er ein ins Devachan.

In demselben Maße, in dem der Mensch aufhört an die physische Welt gefesselt zu sein, in demselben Maße beginnt er ein Bewußtsein für die devachanische Welt zu erlangen. Sie leuchtet immer mehr und mehr auf. Nur hat er dort heute noch kein Ich-Bewußtsein wie in diesem Leben. Er ist dort noch nicht selbständig. Im Devachanleben fühlt sich der Mensch wie ein Glied, wie ein Organ der ganzen geistigen Welt. So wie die Hand sich als Glied am physischen Organismus nur fühlen würde> wenn sie fühlte, so fühlt der Mensch in seinem Devachanbewußtsein: Ich bin ein Glied der geistigen Welt, ein Glied auch der höheren Wesen. Er wird erst seiner Selbständigkeit entgegenwachsen. Aber er arbeitet auch jetzt schon dort mit am Kosmos, er arbeitet mit am Pflanzenreich aus der geistigen Welt heraus. Der Mensch arbeitet an allem mit, nicht aus eigener Berechnung, sondern als dienendes Glied der geistigen Welt.

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Wenn wir nun so schildern dasjenige, was der Mensch zwischen Tod und einer neuen Geburt erlebt, so dürfen wir uns nicht vorstellen, daß die Ereignisse der devachanischen Welt nicht auch einer Veränderung unterlägen. Die Menschen haben so im geheimen das Bewußtsein, daß hier unsere Erde zwar veränderlich sei, daß drüben aber, jenseits des Todes, alles gleich bleibe. Das ist gar nicht der Fall. Wenn heute so geschildert wird der Aufenthalt im Devachan, so bedeutet das, daß dieses ungefähr der heutige Zustand des Devachan ist. Aber erinnern wir uns, wie es war, als unsere Seelen in der Zeit der ägyptischen Kultur verkörpert waren. Damals sahen wir auf die gigantischen Pyramiden und auf die anderen großen Bauwerke hin. In früheren Zeiten sah es auf dieser Seite, der physischen Seite, ganz, ganz anders aus. Denken wir daran, wie sich das Antlitz der Erde seit damals sehr, sehr verändert hat. Wir brauchen nur die materialistische Wissenschaft zu verfolgen, und wir werden finden, wie zum Beispiel vor wenigen Jahrtausenden ganz andere Tiere in Europa waren, wie Europa ganz anders aussah. Das Antlitz der Erde ändert sich fortwährend, und daher kommt es, daß der Mensch immer wieder in neue Daseinsverhältnisse tritt. Das erscheint jedem ganz ein- leuchtend. Aber, wenn man die Verhältnisse der geistigen Welt schildert, dann glauben die Menschen so leicht, daß dasjenige, was in der geistigen Welt geschehen ist, wenn sie etwa tausend Jahre vor Christus gestorben sind, daß das, was sich drüben zugetragen hat, ganz genau dasselbe gewesen wäre wie dasjenige, was sich heute zuträgt, wenn sie heute wiedergeboren werden und heute wieder sterben.

Genau wie der physische Plan sich ändert, so ändern sich tatsächlich die Verhältnisse in der anderen Welt. Der Aufenthalt im Devachan war etwas ganz anderes als heute, wenn man eintrat ins Devachan aus dem ägyptischen Leben oder aus dem griechischen Leben. Auch da geht eine Evolution vor sich. Es ist ja nur natürlich, daß wir jetzt die gegenwärtigen Verhältnisse des Devachan schildern; die Verhältnisse haben sich aber geändert. Wir können das schon annehmen, wenn wir auf dasjenige hinblicken, was uns die letzten Vorträge und ihre Schilderungen gebracht haben.

Wir haben gesehen, wie der Mensch, wenn wir weiter zurückgehen,

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bis zur atlantischen Zeit mehr in der geistigen Welt lebte, wie er während des Schlafens in der geistigen Welt verkehrte. Wir fanden, daß das dann immer mehr abnimmt. Wenn wir jedoch weit genug zu- rückgehen, dann finden wir, daß der Mensch da überhaupt in der geistigen Welt lebt. In alten Zeiten ist auch der Unterschied zwischen Schlaf und Tod kein so großer. In urferner Vergangenheit haben die Menschen lange Schlafperioden gehabt. Das fiel ungefähr mit dem Zeitraum zusammen, der heute durch eine Inkarnation und durch das Leben nach dem Tode durchlaufen wird. Dadurch, daß der Mensch herunterstieg auf den physischen Plan, wurde er auch immer mehr verstrickt in diesen physischen Plan. Es ist gezeigt worden, wie der Inder in eine hohe Welt blickte, wie der Mensch in Persien schon versuchte, den physischen Plan zu erobern. Immer weiter stieg der Mensch herunter, und eine Ehe zwischen Geist und Materie, zwischen den geistigen Welten und dem physischen Plan war eingetreten in der griechisch-lateinischen Zeit. Je mehr sich der Mensch hereinlebte in die Mitte dieser letzten Epoche, um so mehr lernte er lieben die physische Welt und an ihr Interesse gewinnen. Damit änderte sich aber auch alles, was wir Erlebnisse nennen zwischen Tod und neuer Geburt.

Wenn wir bis in die erste Zeit der nachatlantischen Epoche zurückgehen, da finden wir, daß die Menschen wenig Interesse haben an dem physischen Plan. Die Eingeweihten der damaligen Zeit konnten entrückt werden in hohe Welten, in die devachanischen Welten, und sie teilten dann ihre Erlebnisse den anderen Menschen mit. In dem Menschen, der mit allen Gedanken, mit allen Sinnen sich hinauf entrückt fühlte in die wahre Welt, in die eigentliche Heimat, bewirkte dies, daß er wenig Interesse hatte an den Verhältnissen des physischen Planes. Wenn er aber aufrückte in das Devachan, nachdem er sich kaum mit der physischen Welt verbunden hatte, dann besaß er im Devachan ein verhältnismäßig helles Bewußtsein. Wenn dann ein solcher Mensch in der persischen Kultur sich wiederum inkarnierte, dann fühlte er sich schon mehr verwachsen mit der physischen Materie, da war es so, daß er einbüßte an Klarheit des Bewußtseins im Devachan. In der ägyptisch-chaldäischen Zeit, wo der Mensch anfing

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die äußere physische Welt lieb zu gewinnen, da war es so, daß er im Devachan schon ein sehr getrübtes, schattenhaftes Bewußtsein hatte. Dieses Bewußtsein war zwar der Art nach immer noch höher als das Bewußtsein in der physischen Welt, aber dem Grade nach sinkt es immer mehr herunter und wird immer dunkler bis zur griechisch-lateinischen Zeit. In dieser Zeit wurde das devachanische Bewußtsein immer dunkler und schattenhafter. Es war nicht ein Traumbewußtsein; das war es niemals. Es war ein Bewußtsein, auf das man aufmerken konnte; es war noch ein Bewußtsein, dessen sich der Mensch bewußt war. Eine Verdunkelung dieses Bewußtseins fand also mit dem Fortgang der Entwickelung statt.

Die Mysterien waren im wesentlichen dafür da, es dem Menschen möglich zu machen, daß er nicht nur ein schattenhaftes Bewußtsein in der geistigen Welt hatte, sondern das Bewußtsein wieder aufzuhellen. Denken wir uns, es hätte keine Mysterien gegeben, es wären keine Eingeweihten dagewesen. Dann würde der Mensch ein immer dämmerhafteres, immer schattenhafteres Bewußtsein gehabt haben in den geistigen Welten. Einzig dadurch, daß parallel mit der Verdunkelung des Bewußtseins im Devachan die Einweihung in die Mysterien ging, und damit die Aneignung gewisser Fähigkeiten, mit denen auserlesene Menschen schon hineinsahen in die geistigen Welten in heller Klarheit, einzig dadurch, daß die Eingeweihten in Mythen und Sagen darüber berichten konnten, ist sozusagen eine Schattierung von Hellerem, von Lichterem hineingekommen in das devachanische Bewußtsein zwischen Tod und einer neuen Geburt. Bei allen denjenigen aber, die sich schon so recht hineingefunden hatten in die physische Welt, war es so, daß sie schon empfunden haben dieses Abdämmern des Bewußtseins in der geistigen Welt, und es ist kein Märchen, es ist Wahrheit, daß der Eingeweihte in den eleusinischen Mysterien eine ganz besondere Erfahrung hat machen können. Das Einweihungsprinzip ist, daß der Mensch schon während des Lebens in die Welten des Geistes steigen und erfahren kann, was da vor sich geht. Der damalige Eingeweihte hat in der Tat unmittelbar von den Schatten in der geistigen Welt erfahren können. Es ist wirklich ein Ausspruch eines Eingeweihten, wenn es heißt: Oh, besser ein

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Bettler in der physischen Welt als ein König im Reiche der Schatten. - Dieser Ausspruch ist aus den Erfahrungen der Eingeweihten heraus gesprochen. Solche Dinge können wir nicht tief genug nehmen, und wir verstehen sie erst dann, wenn wir die Tatsachen der geistigen Welt kennen.

Jetzt wollen wir das, was gestern in abstrakter Form angedeutet worden ist, in eine konkretere Form bringen.

Wäre nichts anderes eingetreten als das Heruntersteigen der Menschen in die physische Welt, immer dunkler wäre das Bewußtsein geworden zwischen Tod und einer neuen Geburt. Die Menschen hätten zuleut den Zusammenschluß mit der geistigen Welt voll- ständig verloren. Nun mag es noch so sonderbar erscheinen demjenigen, der auch nur noch ein klein wenig angekränkelt ist im Inneren von irgendeiner Form des Materialismus, wahr ist es doch, was ich jetzt sagen werde. Wäre jetzt nichts eingetreten in der Entwickelung der Menschheit, dann wäre die Menschheit geistig dem Tode verfallen. Aber es ist eine Möglichkeit der Aufhellung des Bewußtseins zwischen Tod und einer neuen Geburt vorhanden, und diese Aufhellung kann entweder durch die Einweihung selbst errungen werden, oder heute schon in einem niedrigeren Grade dadurch, daß der Mensch schon in diesem Leben teilnimmt an der geistigen Welt, daß er schon Erlebnisse hat, die nicht mit seinen Leibern absterben, die mit ihm verbunden bleiben in seinem ewigen Wesenskern, auch in der geistigen Welt. Dafür sorgten nun die Mysterien, die ganze geistige Entwickelung, es sorgten dafür die großen Eingeweihten vor Christus und vor allem die Wesenheit selbst, die wir als Christus kennen. Alle anderen Eingeweihten waren in gewisser Weise Vorläufer des Christus, es waren Vorausgesandte, die auf das Er- scheinen des Christus hinwiesen.

Es soll die Erscheinung der Christus-Gestalt jetzt einmal geschildert werden. Denken wir uns einen Menschen, der nie etwas gehört hätte von dem Christus, welcher niemals die Geheimnisse des Johannes-Evangeliums in sich hätte aufnehmen können, der niemals sich hätte sagen können: Ich will dem Christus, der da lebt und wirkt, nachleben, seine Grundsätze will ich aufnehmen in meine Wesenheit.

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Denken wir uns also, der Christus wäre einem solchen niemals nahegetreten, er würde jenen Schatz nicht mit in die geistige Welt nehmen können, den der Mensch heute mitnehnien muß, wenn er die Verdunkelung seines Bewußtseins vermeiden will. Dasjenige, was der Mensch mitnimmt als Christus-Vorstellungen, das ist eine Kraft, die das Bewußtsein nach dem Tode hell macht, die den Menschen errettet vor dem Schicksal, das die Menschen gehabt hätten, wenn nicht Christus erschienen wäre. Wenn Christus nicht erschienen wäre, so würde das Menschenwesen zwar erhalten bleiben, aber das Bewußtsein würde sich nach dem Tode nicht erhellen können. Das ist dasjenige, was dem Auftreten des Christus die eigentliche Bedeutung gibt, daß dem Wesenskern des Menschen etwas einverleibt wird, was eine weite Bedeutung hat. Das Ereignis von Golgatha bewahrt den Menschen vor dem geistigen Tode, wenn er es mit seinem eigenen Wesen identifiziert.

Wir dürfen nun nicht glauben, daß die anderen großen Menschheitsführer nicht eine ähnliche Bedeutung hätten. Es handelt sich nicht darum, daß ein ausschließliches Dogma für das Christentum in Anspruch genommen werden soll. Das wäre ein Verstoß gegen das wahre Christentum, denn derjenige> der die Tatsachen kennt, der weiß, daß auch in den alten Mysterien das Christentum gelehrt worden ist. Und ein solches Wort, wie Augustinus es sprach, ist tief wahr: «Was man gegenwärtig die christliche Religion nennt, bestand schon bei den Alten und fehlte nicht in den Anfängen des Menschengeschlechtes, bis Christus im Fleische erschien, von wo an die wahre Religion, die schon vorher vorhanden war, den Namen der christlichen erhielt.» Es kommt nicht darauf an, daß man es so nennt, sondcrn daß man recht versteht die Bedeutung des Christus-Impulses.

Und wie der Christus die Gestalt war, die auftrat beim tiefsten Punkt der Entwickelung, so war es auch bei Buddha, Hermes und den anderen großen Wesenheiten so, daß sie durchaus das prophetische Bewußtsein hatten, daß der Christus kommen werde, daß er in ihnen selber lebte.

Insbesondere können wir das sehen, wenn wir es an der Gestalt des Buddha studieren, und wir müssen uns klarmachen, was er war.

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Was war denn Buddha eigentlich? Wir müssen da etwas berühren, was nur unter Schülern der Geisteswissenschaft gesagt werden kann. Die Menschen, auch die Theosophen, stellen sich die Geheimnisse der Reinkarnation gewöhnlich viel zu einfach vor. Man darf sich nicht vorstellen, daß irgendeine Seele, die heute in ihren drei Leibern verkörpert ist, einfach in einer vorhergehenden Inkarnation sich verkörperte und dann wieder in einer vorhergehenden Inkarnation, der dann wieder eine solche voranging, immer nach demselben Schema. Die Geheimnisse liegen viel komplizierter. Trotzdem sich H. P. Blavatsky viel Mühe gab, ihren intimen Schülern zu zeigen, wie kompliziert diese Geheimnisse liegen, wird das heute doch noch nicht richtig verstanden. Man stellt sich einfach vor, daß eine Seele immer wieder in einen Körper geht. So einfach liegt das nicht. Wir können oftmals eine historische Gestalt nicht in ein solches SChema bringen, wenn wir sie richtig verstehen wollen. Wir müssen da vielfach viel komplizierter zu Werke gehen.

Wir treffen schon in der AtIantis Wesen, die um den Menschen herum sind wie die heutigen Mitmenschen, die der Mensch dann aber sah und kennenlernte, wenn er leibentrückt war oben in der geistigen Welt. Es ist schon gesagt worden, wie er da den Thor, den Zeus, den Wotan, den Baldur als wirkliche Genossen kennengelernt hat. Bei Tage lebte er in der physischen Welt, aber im anderen Bewußtseinszustand lernte er geistige Wesenheiten kennen, die nicht denselben Entwickelungsgang durchmachten wie er. Der Mensch hatte in der Urzeit der Erde auch noch nicht einen so dichten Leib wie heute; von einem Knochengerüst war in einer bestimmten Zeit noch keine Rede. Den adantischen Leib hat man nur bis zu einem gewissen Grade mit physischen Augen sehen können. Aber es gab Wesen> die nur soweit herunter kamen, däß sie sich durchaus nur in einem Ätherleibe inkarnierten. Dann gab es Wesen, die damals, als die Luft noch durchsetzt war von Wasserdünsten, sich noch verkörperten. Damals, als der Mensch noch in der Wasser-Nebel-Atmosphäre lebte, waren ihnen diese Verkörperungen noch möglich. Eine solche Gestalt war zum Beispiel der spätere Wotan. Er sagte sich:

Wenn der Mensch sich so verkörpert in dieser lichtflüssigen Materie,

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dann kann ich das auch tun. - Es nahm ein solches Wesen Menschengestalt an und ging in der physischen Welt herum. Aber als dann die Erde immer dichter wurde und auch der Mensch immer dichtere Formen annahm, da sagte sich Wotan: Nein, in diese dichte öMaterie gehe ich nicht hinein. - Er blieb dann in unsichtbaren Welten, in erdenentrückteren Welten. Das war überhaupt so mit den göttlich- geistigen Wesen.

Von da an konnten sie aber etwas anderes tun. Dafür konnten sie mit Menschen, die ihnen entgegenkamen, die sich von unten herauf entwickelten, mit denen konnten sie eine Art Verbindung eingehen. Denken wir uns das so: Der Entwickelungsgang des Menschen war so, daß er auf dem tiefsten Punkt der Entwickelung ankam. Bis zu diesem Punkte gingen die Götter in Gemeinschaft mit den Menschen mit. Dann aber scHugen Sie einen anderen Weg ein, der für die Menschen auf dem physischen Plan unsichtbar war. Aber wenn es Menschen gab, die ein Leben nach der Anordnung von Eingeweihten führten und die dadurch ihre feineren Leiber läuterten, dann kamen sie den Göttern gewissermaßen entgegen; so daß der Mensch, der im Fleisch verkörpert war, wenn er sich läuterte, das so tun konnte,

daß er imstande war, überschattet zu werden von einem solchen Wesen, das nicht bis zum physischen Leibe heruntersteigen konnte. Der physische Leib wäre zu grob gewesen für ein solches Wesen. Für einen solchen Menschen trat das ein, daß der Astralleib und der Ätherleib durchsetzt wurden von einem solch höheren Wesen, das sonst keine Menschengestalt fiir sich selber gehabt hat, das aber in ein anderes Wesen hinemführö und durch ein anderes Wesen sich verkündete.

Wenn wir diese Erscheinung kennen, dann werden wir uns die Inkarnation doch nicht so einfach vorstellen. Es kann durchaus einen Menschen geben, der die Wiederverkörperung eines früheren Menschen ist, der sich hoch entwickelt hat, der seine drei Leiber soweit geläutert hat, daß er nun einGefäß ist einer höherenWesenheit. Und so wurde Buddha ein Gefäß für Wotan. Dieselbe Wesenheit, die Wotan genannt wurde in den germanischen Mythen, die trat als Buddha wieder auf. Buddha und Wotan sind sogar sprachlich verwandt.

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Wir können sagen, daß vieles von demjenigen, was die Geheimnisse der atlantischen Zeit waren, damit überging auf das, was der Buddha verkündigen konnte. Und damit steht es im Einklange, daß dasjenige, was der Buddha erlebte, etwas ist, was die Götter erlebt hatten in jenen geistigen Sphären, was auch die Menschen erlebt hatten, als sie noch selbst in jenen Sphären waren. Als so die Lehre des Wotan wieder auftrat, da war sie eine Lehre, die wenig Rücksicht nahm auf den physischen Plan, die nur betonen mußte, daß der physische Plan eine Stätte des Schmerzes ist und daß die Erlösung davon viel bedeute - denn es sprach viel von der Wotanwesenheit im Buddha. Deshalb haben das tiefste Verständnis für die Buddhalehren diejenigen gezeigt, die Nachzügler waren aus der Atlantis. Es sind unter der asiatischen Bevölkerung solche zurückgeblieben, die als Rassen durchaus stehengeblieben sind auf der atlantischen Stufe. Natürlich mußten sie äußerlich mit der Erdenentwickelung fortschreiten. In den mongolischen Völkern ist viel von der Atlantis zurückgeblieben; sie sind Nachzügler der alten Bevölkerung der Atlantis. Der stationäre Zug in der mongolischen Bevölkerung ist eine solche Erbschaft aus der Atlantis. Daher dienen die Lehren des Buddha vorzugsweise solchen Völkerschaften, und der Buddhismus hat große Fortschritte bei diesen Völkern gemacht.

Die Welt schreitet fort, sie geht ihren Gang. Derjenige, der hineinschauen kann in die Weltenentwickelung, der wähit nicht, der sagt nicht, ich habe mehr Geschmack an diesem oder jenem, der sagt Das sind geistige Notwendigkeiten, welche Religion ein Volk hat. Und dadurch, daß die europäische Bevölkerung sich in die physische Welt verstrickte, dadurch ist es ihr urimöglich, sich hineinzufühlen in den Buddhismus, sich zu identifizieren mit dem Innersten der Lehre des Buddha. Der Buddhismus konnte niemals eine Menschheitsreligion werden. Für denjenigen, der sehen will, gibt es da keine Sympathie oder Antipathie, sondern nur ein Urteilen nach den Tatsachen. Ebenso falsch, wie es wäre, aus einem Zentrum Asiens heraus, wo noch andere Völker sitzen> das Christentum ausbreiten zu wollen, ebenso falsch ist der Buddhismus für die europäische Bevölkerung. Keine Religionsanschauung ist richtig, die nicht für die innersten Bedürfnisse der

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Zeit geschaffen ist; eine solche kann niemals einen Kulturimpuls geben. Das sind Dinge, die man begreifen muß, wenn man die Zusammenhänge wirklich verstehen will.

Aber man darf nicht glauben, daß die historische Erscheinung des Buddha sich alles dessen bewußt gewesen wäre, was in seiner Er- scheinung vorlag. Wenn ich das alles auseinandersetzen wollte, brauchte ich mehrere Stunden dazu. Wir haben die Kompliziertheit des historischen Buddha noch lange nicht erschöpft. In dem Buddha lebte noch etwas. Es ist nicht nur eine Wesenheit, die herüberkam aus der adantischen Zeit, und die sich in dem verkörperte, der nebenbei auch noch ein menschlicher Buddha war; außer diesem war in ihm noch etwas anderes enthalten, etwas, von dem er sagen konnte: Das kann ich noch nicht umfassen, das ist etwas, was mich beseelt, aber ich nehme nur daran teil. - Das ist die Christus-Wesenlieit. Sie beseelte schon die großen Propheten. Sie war eine wohibekannte Weseniieit in den älteren Mysterien, und immer wies man überall auf den hin, der da kommen werde.

Und er kam! Aber er kam wiederum, indem er sich fügte den historischen Notwendigkeiten, welche der Evolution zugrundeliegen. In einem physischen Leibe hätte er sich ohne weiteres nicht verkörpern können. Es war noch möglich, daß er sich wie in einer Art Unterbewußtsein verkörpern konnte in dem Buddha. Aber wandelnd auf der Erde konnte er sich nur verkörpern, wenn ein physischer Leib und ein Ätherleib und ein Astralleib besonders zubereitet waren. Der Christus hatte die größte Kraft der Wirkung, aber verkörpern konnte er sich nur, wenn ein physischer Leib, Ätherleib und Astralleib durch eine andere Wesenheit vollständig geläutert und gereinigt worden waren. Und so konnte die Verkörperung des Christus nur so geschehen, daöß eine Wesenheit auftrat, die sich so hoch entwickelt hatte. Das war Jesus von Nazareth. Er war so hoch gekommen in seiner Entwickelung, daß er in der Lage war, während seines Lebens seinen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib so zu läutern, daß es ihm möglich war, irIi dreißigsten Jahre seines Lebens diese Leiber zu verlassen, aber so, daß sie noch lebensfähig, noch brauchbar waren für eine höhere Wesenlieit.

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Oft, wenn ich dies ausgesprochen habe, daß eine hohe Stufe der Entwickelung notwendig war, damit Jesus seine Leiber opfern konnte, machten die Menschen einen sehr merkwürdigen Einwand: Aber das sei doch gar kein Opfer, was könne man sich Schöneres denken? Man könne doch nicht von einem großen Opfer sprechen, wenn es sich darum handelte, einer so hohen Wesenheit seine Leiber zu überlassen. - Ja, schön ist es auch, und es wäre das Opfer nicht groß, wenn man es so abstrahierte. Aber man möchte antworten: Man mache es einmal so; das Opfer wolle wohi jeder bringen, aber man wolle es einmal probieren. - Es ist nötig, ungeheure Kräfte zu haben, um seine Leiber so zu läutern, daß man sie lebensfähig verlassen kann. Um diese Kräfte zu erlangen, dazu sind die Opfer notwendig. Jesus von Nazareth mußte schon eine außerordentlich hohe Individualität sein, damit er das konnte. Das Johannes-Evangelium deutet an, wann Jesus seinen physischen Leib, Ätherleib und Astralleib verließ und einging in die geistige Welt und das Christus-Wesen hineinfuhr in die dreifache Leiblichkeit. Das geschah bei der Taufe des Jesus im Jordan. Da geschah etwas sehr Bedeutungsvolles in der Leiblichkeit des Jesus von Nazareth. Wiederum muß das, was ich jetzt sage, ein Greuel sein für ein materialistisches Gemüt. Es ging etwas Besonderes vor, selbst in dem physischen Leibe des Jesus von Nazareth. Wenn wir das verstehen wollen, was da vorging in dem Moment der Taufe, als der Christus in den Jesus hineinfuhr, da müssen wir uns eines einmal vor die Seele führen, was recht sonderbar erscheinen wird, aber doch wahr ist.

Im Laufe der Menschheitsevolution haben sich einzelne Organe nach und nach entwickelt, mehr und mehr herausgebildet. Wir haben gesehen, wie, als die Organe bis zur Hüftmitte gekommen waren, bestimmte Strukturen und Funktionen im Menschen eintraten. Es ist in diesem immer mehr Selbständigwerden der mensc1llichen Individualität auch eine Verhärtung des Knochensystems eingetreten. Je selbständiger der Mensch wurde, desto mehr verhärtete sich auch sein Knochensystem, desto mehr wuchs aber auch die Gewalt des Todes. Darauf müssen wir jetzt achten, wenn wir das Folgende in der richtigen Weise verstehen wollen. Woran liegt es denn überhaupt,

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daß der Mensch sterben muß, daß der Leib ganz und gar verwest? Das liegt daran, daß im menschlichen Leibe etwas verbrannt werden kann: die Knochen. Es hat das Feuer eine Gewalt auch über die menschliche Knochensubstanz. Der Mensch hat keine Gewalt, wenigstens keine bewußte Gewalt über seine Knochen. Diese Gewalt liegt noch außerhalb der Macht des Menschen. In dem Augenblick, in dem in der Jordantaufe der Christus in den Leib des Jesus von Nazareth einzog, in dem Augenblick wurde das Knochensystem dieser Wesenheit etwas ganz anderes als bei anderen Menschen. Das war ein Fall, der sich vorher niemals Und auch nachher niemals bis auf heute ereignet hat. Es fuhr mit der Christus-Wesenheit in die Jesus-Wesenheit etwas herein, das Macht hatte über die Kräfte> die Knochen verbrennen. Heute ist es noch nicht in die Willkür des Nlenschen gestellt, die Knochen aufzubauen. Diese Gewalt aber griff bis in die Knochen hinein. Bis in die Knochen hinein griff die bewußte Gewalt der Christus-Wesenheit; das gehört zum Sinn der Johannestaufe. Damit war in die Erde etwas verpflanzt, was man nennen kann die Oberherrschaft über den Tod, denn mit den Knochen ist der Tod erst in die Welt gekommen. Dadurch, daß die Gewalt über die Knochen einzog in den menschlichen Leib, damit ist die Überwindung des Todes in die Welt gekommen. Damit wird ein tiefstes Mysterium ausgesprochen, damit war ein Heiligstes, ein im höchsten Maße Heiligstes, in das Knochensystem des Jesus von Nazareth durch den Christus eingezogen. Daher durfte es nicht angetastet werden. Daher mußte sich das Schriftwort erfüllen: Ihr dürft ihm kein Bein zerbrechen. - Da hätte in die Gotteskräfte Menschengewalt eingegriffen. Wir sehen hier in ein ganz tiefes Mysterium der Menschheitsentwikkelung.

Und damit kommen wir zu gleicher Zeit auf einen sehr bedeutungsvollen Begriff des esoterischen Christentums, der uns zeigen kann, wie dieses Christentum mit den höchsten Wahrheiten durchtränkt ist. Wir kommen zu dem, was uns außerdem noch in der Taufe entgegentritt. Dadurch, daß die Christus-Wesenheit von den drei Leibern Besitz ergr~ von dem, worin früher die Ich-Wesenlieit des Jesus war, da- durch war nun eine Wesenheit mit der Erde verknüpft, die früher einen

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Wohnplatz gehabt hat auf der Sonne. Bis zu dem Momente war sie früher mit der Erde verbunden gewesen, als die Sonne hinausging aus der Erde. Der Christus ist damals mit hinausgegangen und konnte seine Gewalt von da an nur entwickeln von außen auf die Erde herein.

Im Momente der Taufe vereinigte sich der hohe Christus-Geist im vollen Sinne wieder mit der Erde. Vorher wirkte er von außen, überschattete die Propheten und wirkte in den Mysterien. Jetzt war er in einem physischen Menschenleibe auf der Erde selbst verkörpert. Und wenn ein Wesen von einem fernen Punkte des Weltenalls durch Jahrtausende hätte heruntersehen können, dann würde ein solches Wesen, das nicht nur die physische Erde gesehen hätte, sondern auch ihre geistigen Strömungen, ihren Astralleib und Ätherleib, bedeutungsvolle Vorgänge gesehen haben in dem Moment der Johannestaufe und in dem Momente> wo das Blut aus den Wunden Christi floß auf Golgatha. Der Astralleib der Erde wurde dadurch gründlich verändert. Er nahm in diesem Momente etwas anderes auf, nahm andere Farben an. Es wurde der Erde eine neue Kraft einverleibt. Das, was früher von außen wirkte, wurde mit der Erde wieder verbunden, und da- durch wird die Anziehungskraft zwischen Sonne und Erde so stark werden, daß sich Sonne und Erde wieder vereinigen werden, und der Mensch mit den Sonnengeistern. Der Christus war es, der die Möglichkeit gab, daß die Erde sich wieder vereinigen kann mit der Sonne und dann im Schoße der Gottheit ist.

Das ist der Vorgang, der sich vollzog, und seine Bedeutung. Dies mußten wir vorausschicken, um verständlich zu machen, welch Bedeutungsvolles in die Erde eintrat mit dem Christus. Und wir können dadurch begreifen, wie in der Tat durch die Vereinigung mit dem Christus der Mensch etwas aufnehmen kann, wodurch das Bewußtsein des Menschen nach dem Tode wieder aufgehellt werden kann. Wenn wir uns das vor Augen halten, dann werden wir auch begreifen können, wie eine Evolution da ist für die Zeit zwischen Tod und neuer Geburt. Fragen wir nun, um wessentwillen das alles geschehen ist eigentlich?

Erst lebte der Mensch im Schoße der Gottheit. Dann stieg er herunter auf den physischen Plan. Wäre er oben geblieben, er hätte niemals

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sein heutiges Selbstbewußtsein erlangt. Er hätte nie ein Ich erhalten. Nur im physischen Leibe konnte er das Selbstbewußtsein in seiner hellen Klarheit entfachen. Es mußten äußere Gegenstände ihm entgegentreten, er mußte sich unterscheiden können von den Gegenständen, er mußte hinuntersteigen in die physische Welt. Nur um des Ichs des Menschen willen ist es geschehen, daß der Mensch heruntergestiegen ist. Der Mensch ist seinem Ich nach von den Göttern abstammend. Es ist heruntergestiegen aus der geistigen Welt; es ist geschmiedet worden an den physischen Leib, damit es hell und klar werden kann. Gerade das, was als die verhärtete Materie des Menschenleibes aufgetreten ist, das hat dem Menschen sein selbstbewußtes Ich gegeben, das hat ihm möglich gemacht, sich Erkenntnis zu erwerben. Es hat ihn aber auch geschmiedet an die Erdenmasse, an die Felsenriiasse.

Der Mensch hatte, bevor er sein Ich erlangte, physischen Leib, Ätherleib und Astralleib erlangt. Als sich in diesen drei Leibern nach und nach das Ich entwickelte, gestaltete es diese drei Leiber um. Man muß sich dabei klarmachen, daß an dem physischen Leibe alle höheren Glieder des Menschen arbeiten. Daß der physische Leib so ist, das hängt davon ab, daß Ätherleib, Astralieib und Ich an ihm arbeiten. Alle Organe des physischen Leibes hängen in einer gewissen Weise davon ab, daß auch die höheren Glieder verändert worden sind. Die zurückgebliebenen Wesenheiten sind zu den verschiedenen Tierformen geworden, zum Beispiel zu den Vögeln, durch Dominieren des Astralleibes. Dadurch, daß das Ich immer selbstbewußter wurde, hat es auch den Astralleib verändert. Es ist schon gesagt worden, daß sich Menschen absonderten. Dasjenige, was man als apokalyptische Tiere bezeichnet, sind Typen, bei denen dieses oder jenes höhere Glied die Oberhand hat. Das Ich hat die Oberhand erhalten bei den MenschMenschen. Nun sind alle Organe angepaßt den höheren Gliedern des Menschen. Indem das Ich einzog in den Astralleib, diesen ganz durchtränkte, haben sich in dem Menschen und in den Tieren, die sich später abzweigten, gewisse Organe gebildet. So zum Beispiel rührt ein bestimmtes Organ davon her, daß überhaupt ein Ich eingezogen ist auf der Erde. Auf dem Monde war kein Ich verknüpft mit den Wesen

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der Menschheitsevolution. Gewisse Organe hängen zusammen rnit dieser Entwickelung: die Galle und die Leber. Die Galle ist der physische Ausdruck des Astralleibes. Sie ist nicht mit dem Ich verknüpft, aber das Ich wirkt auf den Astralleib, und aus dem Astralleibe wirken die Kräfte auf die Galle.

Jetzt fassen wir das ganze Bild zusammen, welches der Eingeweihte dem Ägypter so klarmachte: Der Ich-bewußte Mensch ist gefesselt worden an den Erdenkörper. Stelle dir vor den Menschen, gefesselt von den Erdenfelsen> das heißt, gefesselt an den physischen Leib - und in der Evolution ist etwas entstanden, was nagt an seiner Unsterblichkeit! Stelle dir die Funktionen vor, welche die Leber bewirkt haben: sie sind dadurch entstanden, daß der Leib geschmiedet wurde an den Felsen der Erde. Da nagt der Astralleib daran.

Das ist das Bild, das in Ägypten dem Schüler gegeben wurde, und das herübergewandert ist nach Griechenland als die Prometheussage. Nicht mit groben Händen muß man einen solchen Mythus anfassen. Man darf ein solches Bild nur nicht wie einen Schmetterling des Staubes berauben. Wir müssen den Staub an den Flügeln lassen, wir müssen den Tau auf der Blüte lassen. Diese Bilder lassen sich nicht zerren und quälen. Wir dürfen nicht sagen: Prometheus bedeutet dies oder jenes; wir müssen versuchen, die wirklichen okkulten Tatsachen hinzustellen, und dann versuchen die Bilder zu verstehen, die entstanden sind aus den okkulten Tatsachen heraus und die übergegangen sind in das Bewußtsein des Menschen.

Der ägyptische Eingeweihte führte seinen Schüler bis zu der Stufe, wo er begreifen konnte die Ich-Entwickelung des Menschen. Ein solches Bild sollte seinen Geist formen. Die Tatsachen aber sollte der Schüler nicht mit groben Fäusten anfassen, sondern das Bild sollte licht und lebendig vor ihm stehen, und der ägyptische Eingeweihte wollte nicht banale, trockene Begriffe hineinpressen in Wahrheiten, sondern etwas in Bildern darstellen, was er geben konnte. Vieles hat bei der Prometheussage die Dichtung getan, hat verschönert und hat verziert, und wir dürfen nicht mehr hineinlegen, als die okkulten Tatsachen sind, und dem nur künstlerischen Tun seine feinen Gestaltungskräfte lassen.

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Nun wollen wir noch auf etwas anderes hindeuten. Der Mensch, als er auf der Erde ankam, war noch nicht Ich-begabt. Bevor das Ich in den Astralleib hineingeheimnißt worden ist, hatten andere Kräfte von dem Astralleib Besitz. Dann ist der lichtflüssige Astralleib durchzogen worden von dem Ich. Bevor das Ich darinnen war, waren die astralen Kräfte von den göttlich-geistigen Wesen von außen hinein- gesendet worden in den Menschen. Der Astralleib war auch da, aber durchglüht von göttlich-geistigen Wesen. Rein und hell war der Astralleib und umfloß dasjenige, was als physischer und Ätherleib als Anlage da war. Er umfloß und durchfloß es; rein war der Fluß des Astralleibes. Mit dem Eintritt des Ich aber war der Egoismus hinein- getreten, und verdunkelt war der Astralleib worden, verloren war der reine Goldfluß des Astralleibes, immer mehr war er verloren, bis der Mensch heruntergestiegen war auf den tiefsten Punkt des physischen Planes in der griechisch-lateinischen Zeit.

Da mußten die Menschen daran denken, wieder zu gewinnen den reinen Fluß des Astralleibes, und es entstand in den Eleusinischen Mysterien dasjenige, was man nannte: das Suchen nach der ursprünglichen Reinlieit des Astralleibes. Den Astralleib wieder in seinem ursprünglich reinen Goldfluß herzustellen, das wollten die Eleusinischen Mysterien, das wollten auch die Ägypter. Das Suchen nach dem goldenen Fluß war eine der Proben der ägyptischen Einweihungen: und das ist uns erhalten in der wunderbaren Sage des Aufsuchens des Goldenen Vlieses durch Jason und die Argonauten.

Wir haben die Entwickelung gesehen: Als die unteren Organe noch in ihrer Form den Kähnen glichen, von denen wir gesprochen haben, da hatte der astrallsche Leib in der Wassererde noch den goldenen Glanz. In der Wassererde hatte der Mensch seinen golddurchleuchteten Astralleib. Das Suchen nach diesem Astralleib ist dargestellt in dem Argonautenzug. Das Suchen nach dem Goldenen Vlies müssen wfr in einer feinen, subtilen Weise zusammenbringen mit der ägyptischen Mythe.

Äußere historische Tatsachen sind verknüpft mit geistigen Tatsachen. Man darf nicht glauben, daß das bloß Symbol ist. Der Argorautenzug hat wirklich stattgefunden, geradeso wie der Trojanische

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Krieg stattgefunden hat. Äußere Vorgänge sind Physiognomien für innere Vorgänge; alles das sind historische Vorgänge. Immer wieder bei den griechischen Einzuweihenden hat innerlich die historische Tatsache stattgefunden: der Zug nach dem Goldenen Vlies, die Erringung des reinen Astralleibes.

Das ist dasjenige, was wir uns vor die Seele führen wollten, und von wo ausgehend wir noch einiges aus den Mysterien kennenlernen und dann finden werden, wie die ägyptischen Mysterien mit dem heutigen Leben zusammenhängen.

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ELFTER VORTRAG Leipzig, 13. September 1908

Wir haben an verschiedenen Punkten unseres Vortragszyklus die Tatsachen der nachatlantischen Entwickelung hinzustellen versucht und angedeutet, daß in unserer Zeit eine Art Wiederholung, Wiederauferstehung stattfindet der Erlebnisse, die von der Menschheit durchgemacht wurden während der ägyptisch-chaldäischen Kultur. Jetzt wollen wir nur schematisch andeuten für diese beiden Zeiträume, was wir für die anderen schon angedeutet haben. Es ist gesagt worden, daß der indische Zeitraum sich wiederholen wird im siebenten Zeitraum, der persische im sechsten Zeitraum, der ägyptische in unserem Zeitraum, und daß der vierte, der griechisch-lateinische Zeitraum sozusagen für sich dasteht. Wir wollen nun schematisch andeuten, indem wir durch eine Linie die ägyptische und unsere Zeit verbinden, wieso eine gewisse Auferstehung von äußeren und inneren Erlebnissen zu sehen ist, indem wir unsere Zeit zur ägyptischen Zeit in Beziehung setzen.

Wir haben gesehen, daß geheimnisvolle Kräfte bestehen in den geistigen Welten, denen gewisse andere in der physischen Welt entsprechen, die bewirken, daß diese Wiederholungen eintreffen. So entstehen Auferstehungen von äußeren und inneren Erlebnissen. Zwischendrin, in der Mitte, steht für sich der griechisch-lateinische Zeitraum, in dem der Christus erschien auf der Erde und wo sich das Mysterium von Golgatha vollzog. Es ist auch darauf aufmerksam gemacht worden, daß sich nicht nur die äußeren Entwickelungsverhältnisse auf dem physischen Plan verändert haben, sondern daß auch die Verhältnisse in der geistigen Welt andere geworden sind. Ich habe darauf hingewiesen, wie anders die Seele des Menschen war in der ägyptischen Zeit> als sie auf die gigantischen Pyramiden schaute, und wie anders die Seele war, als sie wiederverkÖrpert war in der griechisch-lateinischen Zeit, und wie anders die Seele in unserer Zeit empfindet. Wir hahen gesehen, daß nicht nur dieses stattfindet, sondern daß auch für den Zeitraum zwischen dem Tod und einer neuen Geburt in dem

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Kamaloka und dem Devachan eine Art von Fortschritt, von Verwandlung geschieht, so daß die Seele nicht das gleiche erlebt, wenn sie aus einem ägyptischen oder aus einem griechischen oder aus einem jetzigen Leibe in das Kamaloka oder Devachan eingeht. Außen ändert sich die Welt des physischen Planes, aber auch im Geistigen, in der geistigen Welt geschieht ein Fortschritt, auch da erlebt die Seele immer wieder etwas Verschiedenes.

Nun werden wir vor allen Dingen auch vom Standpunkte dieses Jenseits - wenn wir es so nennen wollen - einmal die gewaltige Erscheinung des Christus auf unserer Erde heute zu betrachten haben. Wir werden uns heute in einer viel tieferen Weise die Frage vorlegen: Welche Bedeutung hat das Auftreten des Christus auf unserer Erde, welche Bedeutung hat die Erscheinung des Christus für die verstorbenen Seelen, für das Leben auf der anderen Seite, auf der geistigen Seite des Daseins? Dazu müssen wir verschiedenes vorausschicken, was sich diesseits und jenseits des physischen Planes in der ägyptischen Periode für die Seelen abgespielt hat.

Aus allem, was wir über die früheren großen Epochen der Erdenentwickelung verfolgt haben, können wir entnehmen, daß der ägyptisch-chaldäische Zeitraum eine Erkenntnis- und Erlebnisspiegelung geboten hat dessen, was sich in der lemurischen Zeit abgespielt hat, was sich abspielte auf der Erde während und nach dem Herausgehen des Mondes. Dasjenige, was die Menschen da erlebten, das erlebten sie wie eine Erinnerung in dem, was die ägyptischen Eingeweihten den Menschen gaben. Der ägyptische Eingeweihte selbst erlebte während seiner Initiation Ereignisse, die sonst der Mensch erst erleben kann, wenn er die Pforte des Todes durchschreitet. Allerdings erlebte der ägyptische Eingeweihte das in einer anderen Art als ein gewöhnllcher verstorbener Mensch. Er erlebte das anders und noch viel dazu.

Es ist nun gut, wenn wir als Bausteine dieser Betrachtungen mit wenigen Worten das Wesen der ägyptischen Einweihung bezeichnen. Das Wesen dieser Einweihung unterscheidet sich sehr von dem Wesen der Einweihung in der Zeit nach Christus. Denn durch dessen Erscheinen ist die Einweihung wesentlich verändert worden.

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Wir haben gesehen, daß die Menschen immer mehr und mehr in die materielle Welt steigen mußten, immer mehr Interesse gewinnen mußten an der physischen Welt. In demselben Maße aber wurden die Erlebnisse zwischen Tod und einer neuen Geburt in der geistigen Welt schattenhafter, blasser. Je lebendiger das Bewußtsein der Menschen in der physischen Welt wurde, je lieber sie da waren, je mehr sie die Gesetze für den physischen Plan entdeckten, desto schattenhafter wurde ihr Bewußtsein in der geistigen Welt. Und seinen Tiefstand hat das Bewußtsein in der geistigen Welt erlebt in der griechisch- lateinischen Zeit. Aber bevor der Mensch ganz heruntergestiegen war in diese materielle Tiefe, war es ihm nicht möglich, innerhalb des physischen Leibes vollständig das zu erleben, was man erleben muß, wenn man innerhalb des Zeitraumes zwischen Geburt und Tod einen Einblick gewinnen will in die geistige Welt.

Der Einweihungsvorgang läßt sich kurz charakterisieren, und zwar bezieht sich das auf jede, auf die vor- und nachchristliche Einweihung, nur der Schluß ist ein veränderter. Die Einweihung ist nichts anderes, als daß der Mensch die Fähigkeit gewinnt, in seinen höheren Leibern Schauorgane zu entwickeln. Der Mensch sieht heute in der Nacht Finsternis, es ist dunkel um ihn. Das kommt daher, daß der Mensch in seinem Astralleibe keine Wahrnehinungsorgane hat. Es müssen, ebenso wie die Augen und Ohren als physische WahrnehmungsOrgane sich gebildet haben, aus den höheren Wesensgliedern übersinniiche Organe entwickelt und ilsrien eingegliedert werden. Das geschieht dadurch, daß dem Schüler gewisse Übungen der Meditation und Konzentration gegeben werden. Diese Übungen macht der Mensch durch, nachdem er zunächst einen Überblick gewonnen hat über dasjenige, was von Eingeweihten als Kunde gegeben werden kann von den geistigen Welten. Das ist immer geschehen, daß die Schüler dasjenige lernen mußten, was wir heute elementare Geisteswissenschaft nennen. Man sah viel strenger darauf, daß in einer regelmäßigen Stufenleiter die Schüler die Wahrheiten kennenlernen korinten. Wenn eine genügende theoretische Vorbereitung vorhanden war, und die Schüler reif dazu waren, wurden ihnen die Übungen gegeben.

Diese Übungen haben einen ganz bestimmten Zweck.

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Wenn der Mensch im Tagesleben die Eindrücke der Sinne auf sich wirken läßt, so sind diese Eindrücke allerdings so, daß sie Früchte bringen für das gewöhnliche Leben auf dem physischen Plan. Diese Eindrücke setzen sich fort in den Astr:lllleib des Menschen, und dieser überträgt sie erst auf das Ich. Aber diese Eindrücke sind nicht solche, daß der Mensch imstande ist, sie festzuhalten, wenn er in der Nacht mit seinem Astralleibe und Ich aus seinem physischen und ätherischen Leibe schlüpft. Was der Mensch so vom physischen Plane bekommt, dringt nicht so stark in ihn ein, daß er es als bleibenden Eindruck behalten kann. Dann aber, wenn der Mensch die Übungen der Meditation und Konzentration macht, dann sind diese so eingerichtet nach jalirtausendealter Erfahrung> daß der Astralleib sie nicht verliert, sondem behält, wenn er nachts aus dem physischen Leibe schlüpft. Dann bekommt der Astralleib dadurch plastische Eindrücke, die ihn gliedern und formen, so wie die physischen Organe gegliedert worden sind. So wird durch gewisse Zeiten hindurch durch diese Übungen an dem Astralleibe gearbeitet. Dadurch prägen sich die übersiiinlichen Schauorgane dem Astralleibe ein. Es wÜrde nun der Mensch doch noch lange nicht seine Schauorgane gebrauchen können, wenn sie sich nur dem Astralleibe einprägen würden. Es muß mehr geschehen, damit der Astralleib, wenn er in den Ätherleib zurückkehrt, dasjenige, was in ihm sich gebildet hat, eindrückt dem Ätherleibe wie Siegelabdrücke.

Erst in dem Augenblick, wo in dem Ätherleibe sich abdrückt, was in dem Astralleibe sich gebildet hat, erst dann tritt auf die Erleuchtung, die erst möglich macht, daß der Mensch die geistige Welt sieht, wie er heute die physische Welt sieht.

Hier beginnt man zu begreifen dasjenige, was wir als einen Impuls bekommen haben durch das Erscheinen Christi auf Erden. In den alten Einweihungen war es so, daß der Astralleib nur die Kraft hatte auf den Ätherleib zu wirken dann, wenn der Ätherleib herausgehoben war aus dem physischen Leibe. Das geschah deswegen, weil in dieser Zeit der Ätherleib, verbunden mit dem physischen Leibe, zu großen Widerstand geleistet hätte, als daß in ihn sich eingeprägt hätte dasjenige, was der Astralleib in sich gebildet hatte. Daher wurde in den alten Einweihungen durch einen Zeitraum von dreieinhalb Tagen der

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Einzuweihende in einen todähnlichen Zustand versetzt, in dem der physische Leib vom Ätherleib verlassen war, und der Ätherleib, befreit vom physischen Leibe, sich mit dem Astralleib verband. Und dieser prägte nun dem Ätherleibe dasjenige ein, was ihni selbst eingeprägt worden war durch die Übungen. Wenn dann der Hierophant den Einzuweihenden wiedererweckte, dann war dieser ein Erleuchteter, dann wußte er, was in der geistigen Welt vorgeht, denn er hatte während der dreieinhalb Tage einen merkwürdigen Gang getan. Er war durch die Gefilde der geistigen Welt geführt worden, er hatte gesehen, was da vorgeht, er hatte durch die Erfahrung erlebt, was ein anderer Mensch nur durch die Offenbarung erfahren kann. So daß ein solcher, der eingeweiht worden war, aus seinen eigenen Erlebnissen heraus Kunde geben konnte von den Wesen, die in der geistigen Welt, jenseits des physischen Planes waren.

So war dem Menschen Kunde geworden von demjenigen, was man erlebte in der geistigen Welt, als der Mensch noch nicht so tief heruntergestiegen war auf den physischen Plan. Da war der Einzuweihende bekanntgeworden mit der wahren Gestalt des Osiris, der Isis und des Horus. Dasjenige, was Mythe war, sah der Eingeweihte während dieses Ganges in die geistige Welt. Das vermochte er den anderen Menschen nun zu sagen, indem er es in die Mythen und Sagen kleidete. Er sah das alles; er sah, wie eigenartig die Wirkungen des Osiris sich gestaltet hatten, als der Mond von der Erde sich getrennt hatte. Er sah das Hervorgehen des Horus aus Isis und Osiris; er sah die vier Menschent`,pen, den Stiertypus, den Löwentypus, den Adlertypus und den e.igentlichen Menschentypus. Er sah auch die Schicksale des Menschen zwischen Tod und einer neuen Geburt. Die Sphinx war ihm als eine wirkliche Gestalt entgegengetreten, er erlebte sie. Er konnte sagen: Oh, ich habe gesehen die Sphinx, den Menschen, wie er noch eine tierähnliche Gestalt hatte, und sein Ätherleib, menschenähnlich, nur herausragte aus dieser tierähiilichen Gestalt. - Die Sphinx ist ein wirkliches Erlebnis gewesen für den Eingeweihten. Er hörte auch die Frage der Sphin~~ mit ihrem rätselhaften Inhalt. Er sah, wie sich vorbereitete der Menschenleib aus der Tierheit heraus, in einer Zeit, wo der Kopf nur ätherisch angelegt war, der Ätherkopf der

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Sphinx. Das war eine Wahrheit für den Eingeweihten, aber ebensogut waren auch eine Wahrheit für ihn die älteren Göttergestalten, die sozusagen einen anderen Entwickelungsweg genommen haben.

Es ist in der vorigen Betrachtung gesagt worden, daß gewisse Wesenheiten einen anderen Gang in der Evolution durchmachen. Die Individualität des Wotan geht zum Beispiel einen solch anderen Weg. Sie geht bis zu einer gewissen Stufe mit dem Menschen gemeinsam, darin steigt sie aber nicht so tief herunter. Der Mensch steigt weiter in die MateriaIität herunter und wird erst später sich wiedervereinigen mit diesen Wesen, die ihre Evolution in der Erdenzeit vollenden. Wir haben gesehen, wie Wotan später nicht mehr in unserer Welt auf der Erde urnherwandelte. Solche Wesen waren aber nicht Wesen wie Osiris und Isis. Diese waren Wesen, die noch früher sich abgezweigt hatten, die in einer noch höheren Schicht, in voller Unsichtbarkeit ihre Evolution vollendeten. Diese Gestalten machten ihre besonderen Erlebnisse durch.

Blicken wir in das lemurische Zeitalter zurück. Da hat sich das Ätherische nicht menschenähnlich gestaltet; der Mensch ist im Ätherleibe noch tierähnlich, und die Götter, die da hemnterstiegen, mußten damals sich bequemen, in derselben tierähnlichen Gestalt zu erscheinen, in welcher der Mensch auf der Erde vorhanden war. Will eine Weseniieit einen best:imten Plan betreten, so muß sie die Bedingungen für diesen Plan erfüllen. So war es auch hier der Fall. Die göttlichen Wesenheiten, die mit der Erde während des Hinausgehens der Sonne und des Mondes verbunden waren, die auf der Erde waren, die mußten eine Gestalt annehmen, die darnals möglich war, eine tierähnliche Gestalt. Und da die ägyptische Religionsanschauung gewissermaßen eine Wiederholung darstellt der lemurischen Zeit, so sah der ägyptische EingeweiIIte hinauf zu den Göttern, zum Beispiel Osiris und Isis, wie auf eine tierähnliche Form. Die höheren Gottheiten sah er noch mit tierährilichem Kopfe. Daher war es nur ganz richtig aus dem okkulten Schauen heraus, wenn solche Gestalten dargestellt wurden nach dem, was die Eingeweihten wußten, mit einem Sperberoder einem Widderkopf. Sie wurden dargestellt, die Götter, wie sie auf Erden wandelten, in der Gestalt, die sie hatten, als sie auf Erden

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wallten. Die äußeren Abbildungen konnten nur ähnlich sein demjenigen, was der Eingeweihte sah, doch war es sehr getreu wiedergegeben. Diese verschiedenen göttlichen Wesenheiten verwandelten sich gar sehr. Anders waren die Gestalten in Lemurien, anders in der Atlantis. Viel schnellere Verwandlungen machten die Wesen in jenen Zeiten durch als jeut. Dazumal waren sie auch noch geistvolle Gestalten, und wenn man zurückblickt auf diese Gestalten, dann erblickt man sie in ihren drei Leibern, aber durchleuchtet und durchstrahit von dem astralischen und ätherischen Lichte. Und das wurde recht genau in den Bildern dargestellt. Die heutigen Menschen haben leicht zu lachen über die Gestalten, die abgebildet wurden, denn sie wissen nicht, wie realistisch sie waren.

Es gab eine Gestalt, die insbesondere Dienste leistete in der Zeit der Menschenentwickelung, als durch die kosmisch-tellurischen Mächte der kombinierende Verstand den Menschen eingegliedert wurde. Damals wurde das physische Gehirn so vorbereitet, daß der Mensch später die Inteingenz entwickeln konnte. Diese Fähigkeit wurde dem Menschen eingepflanzt und zu den Taten des Gottes ... gerechnet. Damit hing zusammen dasjenige, was dem Menschen als Intelligenz eingegliedert wurde. Wenn wir heute einen Menschen betrachten, in dem ein scharf ausgebildetes Urteils- und Kombinationsvermögen vorhanden ist, wenn wir ihn heute hellseherisch betrachten, so finden wir einen starken Ausdruck und eine Spiegelung davon in einem grünen Glitzern und Glänzen des Astralleibes, der astralischen Aura. Das Kornbinationsverr`iögen zeigt sich in grünen Farbeneinschlüssen der Aura, besonders bei denen, die einen scharfen, mathematischen Verstand haben. Die alten ägyptischen Eingeweihten haben

den Gott, der den Menschen die Fähigkeit der Inteffigenz einpflanzte, gesehen, und sie bildeten ihn ab und bemalten ihn grün, weil sie seine leuchtende Astral- und Äthergestalt grün schimmern sahen. Das ist heute noch die glitzernde aurische Farbe, wenn der Mensch in der Intelligenz sich bewegt. Und es könnte viel über diese Zusammenhänge studiert werden, wenn die Menschen diese wunderbare Realistik der ägyptischen Göttergestalten wirklich studieren wollten. Dadurch, daß diese Darstellungen der Göttergestalten so realistisch und keine

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willkürlichen sind, wirkten sie wie Zaubermittel; und derjenige, der tiefer sehen könnte, würde sehen, wie in den Farben dieser alten Gestalten Geheimnisse in hohem Maße vorhanden sind. Man könnte da tief hineinsehen in das Getriebe der Menschheitsentwickelung.

Wir haben gesehen, wie in der Sphinx festgehalten ist das, was die Eingeweihten gesehen haben. Zwar ist das nicht photographisch festgehalten, doch realistisch. Aber die Gestalten wandelten sich ja immer wieder. Die Gestalt der Sphinx gibt im Bilde wieder, wie der Mensch einmal war. Der Mensch hat sich seine heutige Gestalt selbst gestaltet. Wir wissen, daß durch die Evolution auf der Erde verschiedene Tier- gestalten abgespalten worden sind. Was ist überhaupt eine Tiergestalt? Es ist eine Gestalt, die stehengeblieben ist, während der Mensch in der Evolution weiterschritt. Wir sehen in ihnen stehengebliebene Stufein der Menschheitsentwickelung, insofern diese Stufen physisch geworden sind. Im Spirituellen hat sich etwas ganz anderes abgespielt. Was der Mensch geistig ist, hat mit den physischen Vorfahren gar nichts zu tun. Nur das Physische hat damit zu tun. Aber der Mensch stammt nicht von den Tieren ab, sondern die Tiergestalten sind stehengeblieben. Beim Menschen aber ist die Gestalt umgewandelt zu einer gewissen Höhe. Die Tiere sind in die Dekadenz gekommene frühere physische Menschengestalten.

Anders liegt die Sache für ein anderes Evolutionsgebiet. Nicht nur sind die physischen Gestalten der Tiere stehengeblieben, sondern auch die Anlagen zur ätherischen und astralischen Gestalt. Gerade wie d;er Löwe, damals als er sich abspaltete, anders aussah als jetzt, so werden auch gewisse seelisch-geistige Gestalten, die auf einer gewissen Stufe stehenbleiben, im Laufe der Zeit anders, sie verkommen. Ja, es ist ein Gesetz der geistigen Welt, daß dasjenige, was auf der geistigen oder seelischen Stufe stehenbleibt, immer mehr in die Dekadenz kommt.

Sagen wir zum Beispiel, daß, wenn die Sphinx stehenbleibt, sie dann verkommt, eine Gestalt bekommt, die etwas wie eine Karikatur ihrer ursprünglichen Gestalt zeigt. Die Sphinx ist daher bis auf unsere Zeit auf dem Astralplan so erhalten geblieben. Den Menschen, der als Eingeweihter oder sonst irgendwie auf eine reguläre Weise hinauf kommt

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in die höheren Welten, den interessieren diese dekadenten Gestalten wenig, die da sozusagen herabgekommenes Gesindel der geistigen Welt sind. Aber denen, die mit einer niederen Hellsehergabe ausgerüstet herausgeführt werden in Ausnahmefällen in die astrale Welt, denen treten solche dekadente Gestalten entgegen.

Dem Ödipus ist die wahre Sphinx entgegengetreten, aber gestorben ist sie auch heute nicht. Bis heute ist sie noch nicht gestorben, nur tritt sie in anderer, besonderer Gestalt dem Menschen entgegen. Wenn Menschen in der Landbevölkerung, die auf einer gewissen Stufe in der Entwickelung zurückgeblieben sind, im Sommer in der heißen Glut der Sonne mittags auf dem Felde ruhen und einschiafen, und etwas bei ihnen eintritt, was man nennen könnte einen latenten Sonnenstich, und wenn durch diese Einwirkung auf den physischen Leib sich der Astralleib und der Ätherleib aus einem Teil des physischen Leibes los- lösen, dann sind solche Menschen auf den Astralplan versetzt, und sie sehen diesen dekadenten letzten Nachkommen der Sphinx. Man benennt diese Erscheinung mit verschiedenen Namen. In einigen Gegenden nennt man sie die Mittagsfrau. Mancher auf dem Lande erzähit, daß ihm die Mittagsfrau begegnet sei. Sie ist überall vorhanden in den verschiedensten Gegenden, unter den verschiedensten Namen. Sie ist ein Nachkomme der alten Sphinx. Und wie die alte Sphinx den Menschen, die sie erlebten, Fragen stellte, so stellt auch die Mittagsfrau Fragen. Man kann erzähien hören, wie die Mittagsfrau an Menschen herangetreten ist und nicht enden wollende Fragen gestellt hat. Diese Fragepein ist selbst ein dekadenter Nachkomme der alten Sphinx. Die Mittagsfrau ist aus der alten Sphinx geworden. Das alles weist darauf hin, wie die Evolution vor sich geht, auch hinter der physischen Welt, wie da ganze Stämme geistiger Wesenheiten herabkommen und zu1etzt nur der Schatten sind von dem, was sie ursprünglich waren. Da sehen wir wiederum einen Zug von der Art der Zusammenhänge in der Evolution. Dies ist aus dem Grunde gesagt worden, damit man sieht, wie mannigfaltig die Evolution überhaupt ist.

Nun müssen wir aber, um alles richtig zu verstehen, dessen gedenken, daß der Mensch im Laufe der Zeit demjenigen, was er sich mitgebracht hatte zu Beginn der Erdenentwickelung als seinen physischen

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Leib, Ätherleib und Astralleib, eingegliedert hat das vierte Glied, das Ich. Ich habe gezeigt, wie dieses Ich den Astralleib durchsetzt, ihn so für sich in Anspruch nimmt, daß es die Herrschaft ausÜbt, die früher höhere geistige Wesenheiten ausübten. Es ist eine Tat der höheren Wesen, daß dieses Ich eingepflanzt wurde dem Astralleib. Wenn die Evolution dann im Sinne gewisser hoher Wesenheiten weitergegangen wäre, so wäre es zu einer anderen Evolution gekommen als zu der, welche wirklich stattgefunden hat. Es sind aber damals gewisse Wesen stehengeblieben. Sie waren nicht fähig dazu geworden, daran mitzuarbeiten, das Ich in den Astralleib einzupflanzen.

Der Mensch bestand, als er die Erde betrat, aus dem physischen Leibe, dem Ätherleibe und dem Astralleib und bildete diese weiter aus. Nun wurde ihm von gewissen erhabenen Wesen, die vorzugsweise auf der Sonne und dem Monde ihren Wohnsitz hatten, von diesen Wesen wurde ihm die Ichheit zuteil. Es wirkten sozusagen diese Wesen an dem Ich mit. Es gab aber gewisse andere Wesen, die während der Satum-, Sonnen- und Mondenentwickelung sich nicht soweit hinaufgeschwungen hatten, daß sie bei dieser Eingliederung des Ichs hätten mitwirken können. Sie konnten nur das, was sie auf dem Monde gelernt hatten. Sie mußten sich darauf beschränken, an dem Astralleib des Menschen zu arbeiten, so daß dem Menschen etwas eingegliedert wurde in den Astralleib, was nicht zu seinem Edelsten gehörte, was nicht von den erhabenen höheren Wesen, sondern von den verspäteten, zurückgebliebenen Eindringlingen gekommen ist. Hätten diese Wesen das auf dem Monde gemacht, so würde das ein Höchstes gewesen sein. Dadurch aber, daß sie es auf der Erde als Nachzügler machten, dadurch gliederten sie dem Astralleib etwas ein, was ihn niedriger stellte, als er sonst hätte werden können. Er wurde mit Instinkten und Leidenschaften und mit dem Egoismus begabt.

Das müssen wfr beachten, daß auf den Menschen von zwei Seiten gewirkt wurde, daß der Mensch auch Einschläge erhielt in den Astralleib, durch welche dieser erniedrigt wurde. So etwas, was auf den Astralleib wirkt, wirkt aber nicht nur bloß auf den Astralleib. Im Erdenmenschen ist es so, daß die Wirkung auf den Astralleib fortgesetzt wird durch diesen selbst auf den Ätherleib und dieser die Wirkung

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fortsetzt auf den physischen Leib. Der Astralleib wirkt überall hin, und so wirken jene Geister durch den Astralleib auf den Ätherleib und den physischen Leib. Wenn diese geistigen Wesen nicht solche Wirkung hätten ausüben können, dann würde im Menschenieben das nicht aufgetreten sein, was dazumal in den Menschen kam. Das ist eine gesteigerte Selbstheit des Menschen, ein gesteigertes Ich-Gefühl. Was dies im Ätherleib bewirkte, das ist alles dasjenige, was an Trübung des Urteils, an Irrtumsmöglichkeit entstand. Alles dasjenige, was vom Astralleib im physischen Leibe also bewirkt wurde, das ist die Grundlage von dem, was als Krankheit entstand. Das ist die geistige Ursache der Krankheiten des Menschen; bei den Tieren ist das Krankwerden etwas anderes.

Wir sehen, wie in den Menschen die Krankheit verpflanzt wird. Krankheit hängt zusamrnen mit den Ursachen, die hier angedeutet worden sind. Und da der physische und der ätherische Leib mit den Vererbungstatsachen zusammenhängen, so geht durch die Vererbungslinie das Prinzip der Krankheit. Es soll hier noch einmal betont werden, daß wir unterscheiden müssen von dem, was innere Krankheiten sind, dasjenige, was äußere Verletzungen sind. Wenn sich ein Mensch überfahren läßt, so hat das damit nichts zu tun. Auch gewisse innere Krankheiten können mit äußerlichen Ursachen zusammenhängen. Wenn der Mensch irgend etwas ißt, das den Magen verstimmt, so ist das natürlich auch etwas Äußerliches. Bevor im Laufe der Entwickelung jene Wesen Einfluß gewannen auf den Menschen, war er so organisiert, daß er in viel stärkerem Maße als heute reagierte anf das Schlechte, was auf ihn von außen einwirkte. In demselben Maße aber, als sie an Einfluß gewannen, verlor er das, was er an Instinkten besaß für das Nichtrichtige. Es war der Mensch vorher in seiner ganzen Organisation noch so, daß er feine Instinkte hatte für dasjenige, was für ihn nicht richtig war, so daß, wenn irgend etwas in den Magen hinein wollte, was heute darinnenbleibt und dann Unheil anrichtet, daß dem einfach durch die Instinkte der Eintritt verweigert wurde. Rückblickend kommen wir immer mehr in Zeiten, in denen der Mensch in einem feinen Zusammenhange stand mit Kräften seiner Umgebung, und wo der Mensch in feiner Weise reagierte auf die

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Kräfte seiner Umgebung. Aber immer unsicherer und unfähiger wurde der Mensch, das zurückzuweisen, was ihm nicht dienlich ist.

Nun hängt das noch mit etwas anderem zusammen. Es hängt zu- sammen damit, daß, je innerlicher der Mensch wurde, draußen in der Welt auch etwas geschah: daß nach außen dasjenige entstand, was wir als die anderen drei Naturreiche kennen. Die drei Reiche um uns sind erst allmählich entstanden. Zuerst war nur der Mensch vorhanden. Dann gesellte sich dazu das Tierreich, dann das Pflanzenreich und dann erst das Mineralreich. Wenn wir auf die Urerde zurückblicken würden, als die Sonne noch mit ihr vereinigt war, wir würden einen Menschen finden, in dem noch alle Stoffe der physischen Welt ein- und ausgehen. Da lebte der Mensch noch im Schoße der Götter, da verträgt der Mensch sozusagen noch alles. Dann mußte er zurücklas sen dasjenige, was als Tierreich abgesetzt ist. Würde er das mitgenommen haben, dann hätte er sich überhaupt nicht höher entwickeln können. Er mußte das Tierreich und später auch die Pflanzen heraus- stoßen. Was draußen in den Tieren und Pflanzen ist, ist nichts anderes als Temperamente, Leidenschaften, gewisse Eigenschaften der Menschen, die sie herausseuen mußten. Und als der Mensch seine Knochen bildete, setzte er heraus die mineralische Welt. Der Mensch konnte nach einiger Zeit schauen auf die Umgebung und sagen: Früher konnte ich euch vertragen, früher zogt ihr in mir ein und aus, wie jetzt die Luft. Als ich noch lebte in der Wassererde, da konnte ich euch vertragen, ich verarbeitete euch. Jetzt seid ihr draußen, ich kann euch nicht mehr vertragen, nicht mehr verarbeiten. - Als den Menschen die Haut umschloß, als er ein abgeschlossenes Sonderwesen wurde, sah er in demselben Maße um sich herum die Reiche.

Nehmen wir an, es wäre so weitergegangen, dann hätten diese Wesen nicht an dem Menschen gewirkt, dann wäre etwas anderes nicht gekommen. Solange der Mensch gesund ist, solange wird er in einem normalen Verhältnis zur Außenwelt stehen. Wenn er nun gestörte Kräfte in seinem Inneren hat, dann müssen diese zurückgetrieben werden von den Kräften, die der Mensch hat. Sind dazu seine Kräfte zu schwach, dann muß ihm etwas eingeflößt werden gegen das, wogegen er selbst nicht den Normalwiderstand findet, sondern wogegen er

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etwas von außen aufnehmen muß. Es muß ihm dann etwas eingepflanzt werden, damit der Widerstand aufgerufen wird, den er leistete, als noch die Kräfte von draußen bei ihm aus- und einzogen. Es kann nötig sein, wenn der Mensch krank ist, daß ihm zum Beispiel Kräfte eines Metalles eingeflößt werden. Darum ist die Berechtigung da, dem Menschen Metalle, Pflanzensäfte und dergleichen einzuflößen, etwas als Heilmittel zu verwenden, mit dem er früher in Zusammenhang war.

In der Zeit, als die ägyptischen Eingeweihten zurückschauen konnten auf den ganzen Verlauf der Weltentwickelung, da haben sie genau gewußt, wie die einzelnen Organe des menschlichen Körpers mit den Stoffen draußen korrespondierten, welche Pflanzen, welche Metalle dem Kranken eingeflößt werden mußten, und es wird einmal ein gewaltiger Schatz okkulter Weisheit gehoben werden auf dem Gebiete der Medizin, den die Menschheit früher gehabt hat. Heute wird nicht nur viel gepfuscht auf dem Felde der Medizin, sondern auch da sehr viel verfehlt, wo in einseitiger Weise dem oder jenem besondere Heilkräfte zugeschrieben werden. Der wahre Okkultist wird nie einseitig sein. Wie oft kommt es vor, daß man Bestrebungen abschütteln muß, die einen Kompromiß bilden wollen mit der Geistes- wissenschaft. Die Geisteswissenschaft kann nicht eine einseitige Methode unterstützen, sie will vielmehr die Allseitigkeit der Forschung begründen. Es ist einseitig zu sagen: Weg mit allen Giften! - Solche, die das sagen, kennen nicht die wahren Heilkräfte. Natürlich wird heute Unfug getrieben, denn die Fachleute können meist nicht die ganzen Zusammenhänge durchschauen. Und eine gewisse Tyrannis in der medizinischen Wissenschaft schlleßt das aus, was vom Okkultismus ausgehen kann. Wenn man keine Feldzüge gegen die ältesten Gebiete der Medizin führen würde, gegen die Metalleinflößung, dann könnte eine Reform eintreten. Mit der modernen Experimentiererei wird nichts gefunden, was wirklich standhält gegenüber den altbewährten Heilrnitteln, die nur laienhafter Unverstand so schroff bekämpfen kann, wie das oftmals geschieht. Gerade die alten ägyptischen Eingeweihten waren groß in diesen Geheimnissen. Sie konnten einen Einblick bekommen in wirkliche Zusammenhänge der Entwickelung. Und wenn heute gewisse Mediziner in einem gewissen herablassenden

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Tone von der ägyptischen Heilkunde sprechen, so kann man sehr bald an diesem Tone bemerken, daß sie gerade nichts davon wissen. Hiermit ist einiges angedeutet, was man von der ägyptischen Einweihung wissen muß.

Solche Dinge waren es, die übergingen ins Volksbewußtsein. Nun müssen wir bedenken, daß dieselben Seelen, die heute in unseren Leibern sind, auch inkarniert waren in jener alten Zeit. Denken wir, daß dieselben Seelen gesehen haben alle die Abbilder, die die Eingeweihten gemacht hatten von dem, was sie wußten durch Schauen in der geistigen Welt. Wir wissen, daß dasjenige, was die Seele von Inkarnation zu Inkarnation aufnimmt, immer wieder irgendwie Früchte trägt. Wenn auch der Mensch sich nicht erinnern kann, es ist doch so, daß dasjenige, was heute in der Seele lebt, deswegen in ihr lebt, weil es früher hineingelegt worden ist. Die Seele ist geformt worden diesseits und jenseits des physischen Lebens. Wenn sie war zwischen Geburt und Tod, wenn sie war zwischen Tod und einer neuen Geburt, ägyptische Vorstellungen haben gewirkt: daher sind heutige Vorstellungen aus ihnen entstanden. Heute entwickeln sich bestimmte Vorstellungen aus den ägyptischen Vorstellungen heraus. Nicht aus äußeren Gründen ist entstanden dasjenige, was man heute Darwinismus nennt. Dieselben Seelen sind es, die in Ägypten die Bilder der tierischen Gestalten der Vorfahren des Menschen erhalten haben. Alle die Anschauungen sind wieder erwacht, nur ist der Mensch noch tiefer herabgestiegen in die materielle Welt. Er erinnert sich daran, daß ihm gesagt worden ist: Unsere Vorfahren waren Tiergestalten - aber er erinnert sich nicht, daß das Götter waren. Das ist der psychologische Grund, weshalb der Darwinismus auftauchte. Die Göttergestalten treten in materialistischer Form auf. So besteht ein intimer geistiger Zusammenhang zwischen der alten und der neuen, der dritten und der fünften Kulturperiode.

Nun ist das nicht etwa das alleinige Schicksal unserer Zeit, daß der Mensch auf materielle Art sieht, was er früher im Geistigen, Spirituellen gesehen hat. Das wäre das Schicksal, wenn nicht in der Zwischenzeit der Christus-Impuls in die Menschheitsentwickelung eingetreten wäre. Dieses hat nicht nur für das Leben auf dem physischen

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Plan eine Bedeutung gehabt. Wir wollen uns heute vor die Seele führen, was für eine Bedeutung die Ereignisse von Palästina für die andere Seite des Lebens hatten, wo auch nach dem Tode die Seelen der alten Ägypter waren. Hier auf dem physischen Plan hat sich das zugetragen, was schon besprochen worden ist. Aber die drei Jahre der Wirksamkeit des Christus wie das Ereignis von Golgatha und die Taufe im Jordan sind ebenso von Bedeutung gewesen für die Seelen, die auf der Erde verkörpert waren, wie für die, welche sich in dem Zustand zwischen Tod und neuer Geburt befanden.

Wir erinnern uns an die Tatsache, daß der äußere physische Ausdruck für das Ich das Blut ist. Dasjenige, was physisch in den Kräften des Blutes wirkt, das ist der physische Ausdruck des Ich. Nun war im Laufe der Evolution ein zu starkes Maß von Egoismus gekommen, das heißt, daß sich die Ichheit zu stark einprägte dem Blute. Und dieses «Zuviel» an Egoismus, das muß aus der Menschheit wieder heraus, wenn der Menschheit die Spiritualität wiedergegeben werden soll. Auf Golgatha ist der Impuls gegeben worden zu dieser Herausbeförderung des Egoismus. Und in demselben Augenblicke, in welchem das Blut des Erlösers rann auf Golgatha, in demselben Augenblicke gingen noch andere Vorgänge vor sich in der geistigen Welt. Das Blut des Erlösers rann herab in der materiellen Welt, in die geistige Welt aber ging hinüber, was zuviel an überschüssigem Egoismus da war. Der überschüssige Egoismus mußte aus der Welt schwinden, und auf Golgatha wurde dazu der Impuls gegeben. Dazu kommt, daß an Stelle des Egoismus in die jetzige Menschheit tritt die allgemeine Menscherliebe.

Aber was war dieses Ereignis von Golgatha? Dieses Ereignis eines dreieinhalb Tage dauernden Todes auf dem physischen Plan? Es war dasjenige auf den physischen Plan herausgetragen, was auch in der geistigen Entwickelung erlebt hatte derjenige, der eingeweiht wurde. Dreieiniialb Tage war er da tot. Derjenige, der diesen symbolischen Tod durchgemacht hatte, der konnte der Menschheit sagen: Es gibt eine Besiegung des Todes. Es gibt ein Ewiges in der Welt. - Besiegt war der Tod durch die Eingeweihten, und sie fühlten sich als Besieger des Todes. Das Ereignis von Golgatha bedeutet, daß dasjenige,

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was sich oft in den Mysterien alter Zeiten abgespielt hat, einmal historisches Ereignis wurde: die Besiegung des Todes durch den Geist, daß das jetzt auf den physischen Plan, hinaus in die Welt getragen war. Wenn wir dies auf die Seele wirken lassen, so verspüren wir das, was mit dem Mysterium von Golgatha geschah, das Neue, als ein Bild der alten Einweihung. Historisch in die Welt getreten verspüren wir das einzigartige Ereignis.

Und das war die Folge davon? Was vermochte der Eingeweihte? Er vermochte zu seinen Mitmenschen aus seinen Erlebnissen heraus zu sagen: Ich weiß es, daß es eine geistige Welt gibt, daß man in der geistigen Welt leben kann. Ich habe dreieinhalb Tage in ihr gelebt und bringe euch von dort Kunde. Ich bringe euch die Gaben der geistigen Welt. - Nützlich und zum Heile der Menschheit waren diese Gaben. Umgekehrt konnte derjenige, der als ein Einzuweihender in der physischen Welt gelebt hatte, nichts ähnliches den Toten bringen. Er konnte drüben den Toten nur sagen: Alles dasjenige, was auf dem physischen Plan geschieht, ist so, daß der Mensch erlöst werden sollte. - So war es, wenn die alten Eingeweihten in der geistigen Welt mit den Toten verkehrten, denen sie nur die Lehre geben konnten: Leiden ist das Leben, nur die Erlösung ist das Heil.

So lehrte noch der Buddha. So lehrte bei den Lebendigen, so lehrte bei den Toten der Eingeweihte. Aber durch das Ereignis von Golgatha ist der Tod besiegt worden in der physischen Welt, und für die Verstorbenen, die in der geistigen Welt sind, bedeutet das etwas. Diejenigen, welche den Christus in ihr Inneres aufnehmen, erhellen wieder das schattenhafte Leben im Devachan. Je mehr der Mensch hier erlebt von dem Christus, desto heller wird es drüben in der geistigen Welt. Nachdem das Blut geflossen ist aus den Wunden des Erlösers - das ist etwas, was zu den Mysterien des Christentums gehört -, ist der Christus-Geist heruntergestiegen zu den Toten. Das ist eines der tiefsten Mysterien der Menschheit. Christus stieg hinunter zu den Toten und sagte ihnen: Drüben ist etwas geschehen, das nicht so ist, daß man von ihm auch sagen müßte: dasjenige, was drüben geschieht, ist nicht soviel wie das, was hüben hier geschieht. Dasjenige, was der Mensch mitbringt in das geistige Reich, in Anlehnung

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an dieses Ereignis, das ist eine Gabe, die mitgebracht werden kann aus der physischen Welt in die geistige Welt. - Das ist die Kunde, die Christus den Toten brachte in den dreieinhalb Tagen; er stieg herab zu den Toten, um sie zu erlösen.

In der alten Einweihung konnte man sagen: Die Früchte des Geistigen ernten wir im Physischen! Jetzt war ein Ereignis eingetreten in der physischen Welt, das seine Früchte brachte und wirkte in der geistigen Welt. Und man kann sagen: Nicht umsonst hat der Mensch den Abstieg vollendet zum physischen Plan. Er hat ihn vollendet, damit hier in der physischen Welt Früchte gezogen werden können für die geistige Welt.

Daß die Früchte gezogen werden können, geschah durch Christus, der da war hei den Lebenden und bei den Toten, der einen Impuls gegeben hat, so intensiv und so mächtig, daß er alle Welt erschüttert hat.

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ZWÖLFTER VORTRAG Leipzig, 14. September 1908

Um unsere Aufgabe zu vollenden, soweit sie beabsichtigt war, haben wir jetzt ein wenig in demselben Sinne den Charakter unserer Zeit zu studieren, wie wir den Charakter der verflossenen vier nachatlantischen Zeiträume studiert haben bis zum Erscheinen des Christentums. Wir haben gesehen, wie sich nach der atlantischen Katastrophe entwickelt hat der alte urindische Zeitraum, der urpersische Zeitraum, der ägyptisch-chaldäische Zeitraum. Und wir haben bei der Charakteristik des vierten Zeitraumes, des griechisch-lateinischen, gesehen, daß in einer gewissen Beziehung da der Mensch in den physischen Plan hineinarbeitete und daß da das Hineinarbeiten des Menschen in die physische Welt einen Tiefpunkt erreicht hatte.

Der Grund, warum diese Zeit, die wir auf der einen Seite einen Tiefstand der Menschheitsentwickelung nennen, auf der anderen Seite so anziehend, so sympathisch ist für den heutigen Betrachter, ist der, daß dieser Tiefstand der Ausgangspunkt für viele bedeutsame Ereignisse der heutigen Kulturepoche wurde. Wir haben gesehen, wie in dieser Zeit der griechisch-lateinischen Kultur eine Ehe zwischen Geist und Materie eingegangen worden war in der griechischen Kunst. Wir haben gesehen, daß der griechische Tempel ein Bauwerk war, in dem der Gott wohnen konnte, und der Mensch konnte sich sagen: Ich habe die Matenöe soweit gebracht, daß die Matenöe für mich ein Abdzuck des Geistes ist, daß ich in jedem Teile etwas von diesem Geiste spüren kann. So ist es mit allen griechischen Kunstwerken. So ist es mit allem, was wir vom Leben der Griechen zu erzählen haben. Und diese Welt der Kunstschöpfungen, in die der Geist eingepflanzt war, machte die Materie so ungeheuer anziehend, daß bei uns in Mitteleuropa der große Goethe die Vereinigung seiner selbst mit dieser Kulturepoche in der Helena-Tragödie im «Faust» darzustellen suchte.

Wenn nun die Kultur in der Folgezeit den Fortgang in derselben Richtung genommen haben würde, was würde die Folge gewesen

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sein? Wir können das durch eine einfache Skizze verdeutlichen. Im griechisch-lateinischen Kulturzeitraum ist der Mensch am tiefsten heruntergestiegen, aber so, daß er in keinem Stück Materie den Geist verloren hatte. Es war in allen Schöpfungen dieser Zeit der Geist in der Materie verkörpert. Betrachten wir eine griechische Göttergestalt, so erblicken wir überall, wie der griechische Schöpfergenius dem äußeren Stoffe eingeprägt hat das Geistige. Der Grieche hatte zwar die Njfatenöe sich erobert, aber den Geist nicht dabei verloren. Der normale Fortgang der Kultur wäre nun in der Folge gewesen, daß man unter das Niveau heruntergestiegen wäre, unter die Materie her- untergetaucht wäre, so daß der Geist geworden wäre zum Sklaven der Materie.

Wir brauchen nur einen unbefangenen Blick auf die Umgebung, die um uns ist, zu richten, und wir werden erkennen, daß auf der einen Seite in der Tat das geschehen ist. Der Ausdruck dieses Niederstieges ist der Materialismus. Es ist wahr, daß sich in keinem Zeitraum der Mensch die Materie mehr erobert hat als in unserer Zeit, aber nur zur Befriedigung leiblicher Bedürfnisse. Wir brauchen bloß zu betrachten, mit welch primitiven Mitteln die gigantischen Pyramiden aufgebaut worden sind und brauchen das nur zu vergleichen mit dem Schwung und dem Hochflug, den der ägyptische Geist in die Geheimnisse des Weltendaseins nehmen konnte. Wir brauchen bloß daran zu denken, in welch tiefstem Sinne für die Ägypter ihre Götterbilder Abdrücke, Abbilder waren von demjenigen, was im Kosmos und auf Erden in der Vergangenheit vorgegangen war. Derjenige, der in Ägypten daraals hineinschauen konnte in die geistige Welt, der lebte in dem, was unsichtbar geworden ist in der atlantischen Zeit, was aber Tatsache der Erdenentwickelung war in der lemurischen Zeit. Und derjtnige, der nicht Eingeweihter wurde, der zum Volke gehörte, der konnte mit seiner ganzen Empfindung, mit seiner ganzen Seele Anteil nebrnen an diesen geistigen Welten. Doch primitiv waren die Mittel, mit denen man äußerlich auf dem physischen Plan arbeiten mußte. Vergleichen wir das mit unserer Zeit. Wir brauchen nur die heutigen zahlreichen Lobreden zu lesen von unseren Zeitgenossen, die über die großen Fortschritte unserer Zeit handeln. Es braucht ja von seiten

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der Geisteswissenschaft gar nichts dagegen eingewendet zu werden. Immer mehr erreicht der Mensch durch die Eroberung der Elemente. Aber betrachten wir die Sache von einer anderen Seite.

Sehen wir hin auf weit zurückliegende Zeiten, wo die Menschen mit einfachen Reibsteinen das Korn der Erde zerrieben und daneben in ungeheure Höhen des geistigen Lebens hinaufschauen konnten. Von den Höhen, in die da geschaut wurde, davon hat die Menschheit heute in ihrer Mehrzahl gar keine Ahnung. Gar keine Ahnung hat sie von dem, was ein chaldäischer Eingeweihter erlebte, wenn er in seiner Art die Sterne, Tiere, Pflanzen, Mineralien im Zusammenhang mit dem Menschen sah, wenn er die Heilkräfte erkannte. Die ägyptischen Priesterweisen waren Menschen, denen die heutigen Ärzte nicht das Wasser reichen können. In diese Höhen des geistigen Lebens können sich die heutigen Menschen nicht hineinieben. Erst die Geisteswissenschaft wird in der Lage sein, einen Begriff zu bilden von demjenigen, was die alten chaldäisch-ägyptischen Eingeweihten sahen. Dasjenige, was zum Beispiel heute als Auslegung der Inschriften gegeben wird, in denen tiefe Mysterien lagen, das ist nur eine Karikatur gegenüber der alten Bedeutung. So finden wir in alten Zeiten wenig Macht der Menschen über die Mittel zur Arbeit auf dem physischen Plan, dagegen gewaltige Kräfte in bezug auf die geistige Welt.

Und immer tiefer steigt der Mensch in die Materie, immer mehr verwendet er die Geisteskräfte, um den physischen Plan zu erobern. Ist es nicht etwa so, daß man sagen könnte, der menschliche Geist wird ein Sklave des physischen Plans? Und in gewisser Weise steigt er noch unter den physischen Plan herunter. Wenn der heutige Mensch ungeheure Geisteskräfte verwendet hat, um das Dampfschiff, die Eisenbahn, das Telephon zu bilden, wozu braucht er diese? Welche Unsumme von Geist ist dadurch abgezogen worden von dem Leben für die höheren Welten! Der Geisteswissenschafter ist aber vollständig damit einverstanden, er will nicht Kritik an unserer Zeit üben, weil er weiß, daß es nötig war, den physischen Plan zu erobern, aber dabei bleibt es doch wahr, daß der Geist in die physische Welt heruntergetaucht ist. Bedeutet es für den Geist irgend etwas Besonderes, Bedeutenderes,

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irgend etwas mehr, wenn man anstatt daß man selbst Körner mit Reibsteinen zerreibt, wenn man heute mit dem Telephon nach Hamburg spricht, um dort zu bestellen, was man braucht, damit es per Dampfschiff von Amerika gesendet werden kann? Welch ungeheure Geisteskraft ist darauf verwendet worden, wenn heute eine Dampfschiffverbindung mit Amerika und mit vielen anderen fernen Ländern besteht! Wir fragen uns, wenn wir so eine Verbindung zwischen allen Erdteilen hergestellt haben, ist es nicht nur zur Befriedigung des materiellen Lebens, unserer körperlichen Bedürfnisse, für die eine Unsumtne von Geist verwendet worden ist? Und da alles verteilt ist in der Welt, so ist dem Menschen nicht viel Geistes kraft übriggeblieben außer der, welche er verwendet hat für die materielle Welt, um hinaufzusteigen in die geistige Welt. Der Geist ist der Sklave der Materie geworden. Hat der Grieche in seinen Kunstwerken den Geist verkörpert gesehen, heute ist der Geist tief heruntergestiegen, und wir haben ein Zeugnis dafür in den vielen technischen und maschinellen Einrichtungen unserer Industrie, welche nur den materiellen Bedürfnissen dienen. Und nun fragen wir uns, ist es wirklich geschehen, daß der Mensch zu tief hinuntergestiegen ist?

Es wäre geschehen,,und es wäre so gekommen, daß der Mensch in der Zukunft die größten, gewaltigsten Eroberungen gemacht hätte auf dem physischen Plan> wenn nicht das eingetreten wäre, wovon wir in der vorigen Betrachtung gesprochen haben. Auf dem Tiefpunkt der Menschheitsentwickelung wurde der Menschheit durch den Christus-Impuls etwas einverleibt, was ihr den Anstoß zu einem neuen Aufstieg gab. Das Eintreten des Clrristus-Impulses in die Menschheitsentwickelung bildet die andere Seite der Kultur fortan. Er hat den Weg gezeigt zur Überwindung der Materie. Er brachte die Kraft, durch welche der Tod überwunden werden kann. Dadurch hat er der Menschheit weiter die Möglichkeit geboten, wieder hinauf sich zu etheben über das Niveau des physischen Plans. Es mußte dieser gewaltigste Impuls gegeben werden, ein Impuls, der so wirkungsvoll wurde, daß die Materie in so grandioser Weise überwunden ward, wie das dargestellt worden ist im Johannes-Evangelium, in der Taufe im Jordan und im Mysterium von Golgatha.

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Christus Jesus, der vorherverkündet worden war von den Propheten, hat den gewaltigsten Impuls der ganzen Menschheitsevolution gegeben. So mußte sich erst der Mensch trennen von den spirituellen Welten, um erst wieder an diese anzuknüpfen mit der Christus-Wesenheit. Aber wir können das noch nicht vollständig verstehen, wenn wir nicht noch tiefer eindringen in die Zusammenliänge der ganzen Menschlieitsentwickelung.

Wir haben darauf hinzuweisen, daß das, was wir die Erscheinung des Christus auf der Erde nennen, ein Ereignis ist, das nur auf dem Tiefpunkt, als der Mensch soweit gesunken war, eintreten konnte. Der griechisch-lateinische Zeitraum steht mitten drinnen in den sieben nachatlantischen Epochen. Kein anderer Zeitpunkt wäre der richtige gewesen. Wo der Mensch Persönlichkeit wurde, da mußte auch zu seiner Rettung der Gott Persönlichkeit werden, um ihm die Möglichkeit zu geben, wieder hinaufzusteigen. Wir haben gesehen, daß der Römer erst im römischen Bürgertum seiner Persöniichkeit sich be,öuußt wurde. Früher hatte der Mensch doch noch in den Höhen der geistigen Welt gelebt; jetzt war er ganz heruntergestiegen bis zum physischen Plan. Und nun mußte er durch den Gott selbst wieder hinaufgeführt werden.

Tiefer müssen wir uns noch einiassen auf den dritten, den fünften und den mittleren Zeitraum. Wir dürfen nicht in schuIrimäßiger Weise ägyptische Mythologie treiben, aber wir müssen die charakteristischen Punkte hervorheben, welche uns tiefer hineiuführen in das Gefühlsund Empfindungsleben der alten Ägypter, um uns dann zu fragen, wie dieses in unserer Zeit wieder aufleuchtet. Da müssen wir etwas bedenken.

Wir haben gesehen, wie alle die gewaltigen Bilder von der Sphinx, von der Isis und dem Osiris in den ägyptischen Mythen und Mysterien Erinnerungen an alte Menschheitszustände waren. Alles das war wie eine Spiegelung in den Seelen, eine Spiegelung alter Vorgänge der Erde. Der Mensch sah zurück in seine uralte Vergangenheit, sah seinen Ursprung. Das geistige Dasein seiner Vorfahren, seiner Väter konnte der Eingeweihte wieder erleben. Wir haben gesehen, wie der Mensch sich heraufentwickelt hat ursprünglich aus einer

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Gruppenseelenhaftigkeit. Wir konnten darauf hinweisen, wie diese Gruppenseelen in den vier Gestalten der apokalyptischen Tiere er- halten geblieben sind. Der Mensch entwickelte sich auch aus einer solchen Gruppenseelenhaftigkeit heraus, aber so, daß er nach und nach seinen Körper verfeinert hat und zur Entwickelung der Individualität gekoinmen ist. Wir können das historisch verfolgen. Lesen wir die «Germania» des Tacitus. In den Zeiten, die da geschildert werden, die für die germanischen Gegenden die Zustände in dem ersten Jahr- hunderte nach Christus wiedergeben, finden wir, wie das Bewußtsein des einzelnen vielmehr noch im Gemeinsamkeitsbewußtsein aufgeht, wie noch der Stammesgeist herrscht, wie der Cherusker zum Beispiel sich noch als Glied seines Stamines fühite. Dieses Bewußtsein ist noch so stark vorhanden, daß der einzelne für einen anderen derselben Gruppe Rache niin1nt. Es findet in der Sitte der Blutrache seinen Ausdruck. Da war also noch eine Art Gruppenseelenhaftigkeit vorhanden. Diese Gruppenseelenhaftigkeit hat sich bis in späte nach- atlantische Zeiten erhalten. Alles das sind aber nur Nachklänge. In der letzten Zeit der Atlantis verschwand im allgemeinen das Gruppenbewußtsein im wesentlichen. Nur die Nachzügler haben wir eben geschildert. In Wahrheit wußten damals die Menschen nichts mehr von der Gruppenseele. In der atlantischen Zeit aber wußte der Mensch noch davon. Da sagte er noCh nicht «Ich» von sich. Dieses Gefühl der Gruppenseelenhaftigkeit übertrug sich dann nur in etwas auf die folgenden Generationen.

So sonderbar das scheinen mag, es ist so, daß das Gedächtnis in älteren Zeiten eine ganz andere Bedeutung und Kraft hatte. Was ist heute denn das Gedächtnis? Denken Sie eirimal nach, ob Sie sich noch erinnern an einzelne Vorgänge ihrer ersten Kindheit? Es wird nur wenig sein. Weiter als bis zur Kindheit geht es aber nicht. An nichts werden Sie sich erinnern, was vor Ihrer Geburt liegt. So war es damals noch nicht in der atlantischen Zeit. Auch noch in der ersten nachatlantischen Zeit erinnerte sich der Mensch an dasjenige, was sein Vater, Großvater, Urgroßvater erlebt hatten. Und es hatte gar keinen Sinn davon zu sprechen, daß zwischen Geburt und Tod ein Ich ist. Da ging das in der Erinnerung bis in die Jahrhunderte

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zurück. Soweit das BlUt herunterfloß von dem Urahnen auf die Nachkommen, so weit reichte das Ich. Das Gruppen-Ich ist damals nun nicht räumiich ausgebreitet über die Zeitgenossen zu denken, sondern hinaufgehend in die Generationen. Deshalb wird der heutige Mensch nie verstehen, was als Nachklang davon in den alten Patriarchenerzähiungen gegeben ist: daß Noah, Abraham und so weIter so alt geworden sind. Sie zählten ihre Vorfahren durch mehrere Generationen hinauf noch zu ihrem Ich. Davon kann sich der heutige Mensch keinen Begriff mehr machen. Es hätte in diesen Zeiten keinen Sinn gehabt, einen einzelnen Menschen zwischen Geburt und Tod zu benennen. Es setzte sich das Gedächtnis in der ganzen Ahnenreihe aufwärts durch Jahrhunderte hindUrch fort. Soweit der Mensch sich erinnerte durch Jahrhunderte hindurch, soweit gab man ihrn seinen Namen. Adam war sozusagen das Ich, das mit dem Blute durch die Generationen floß. Erst wenn man diese realen Tatsachen kennt, dann weiß man, wie es mit solchen Dingen steht. In dieser Generationenreihe fühlte sich der Mensch geborgen. Das ist in der Bibel gemeint, wenn es heißt «Ich und der Vater Abraham sind eins». Wenn das der Bekenner des Alten Testaments sagte, dann fühlte er sich erst recht als Mensch innerhalb der Generationenreihe. Auch noch bei den ersten nachatlantischen Menschen, selbst bei den Ägyptern, war dieses Bewußtsein vorhanden. Man fühlte die Gemeinsamkeit des Blutes. Und das bewirkte auch für das geistige Leben etwas Besonderes.

Wenn heute der Mensch stirbt, so hat er ein Leben in Kamaloka, an das sich ein verhältnismäßig langes Devachanieben anschließt. Das aber ist schon eine Folge des Christus-Impulses. Das gab es damals in den vorchristlichen Zeiten nicht, damals fühlte sich der Mensch gebunden bis in die Stammväterzeit. Heute muß sich der Mensch in Kamaloka abgewöhnen die Begierden und Wünsche, an die er in der physischen Welt sich gewöhnt hatte; davon hängt die Dauer dieses Zustandes ab. Der Mensch hängt an seinem Dasein zwischen Geburt und Tod; in alten Zeiten hing man noch an viel mehr. Da hing man mit dem physischen Plan so zusammen, daß man sich als ein Glied der ganzen physischen Generationenreihe fühlte. Da hatte man in Kamaloka

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nicht bloß das Hängen an dem individuellen physischen Dasein durchzumachen, man mußte wirklich durchlaufen in Kamaloka all das, was zusammenhängt mit den Generationen bis zum Urahn hinauf. Man durchlebte dieses rückwärts. Das hatte das zur Folge, was als tiefe Wahrheit dem Ausspruche zugmnde liegt: Sich geborgen fühlen in Abrahams Schoß. - Der Mensch fühlte: Nach dem Tode geht es hin- auf durch die ganze Reihe der Ahnen. Und der Weg, den man da durchzumachen hatte, wurde genannt: Der Weg zu den Vätern. - Erst wenn der Mensch diesen Weg durchgemacht hatte, erst dann konnte er hinaufgehen in die geistigen Welten, dann erst konnte er den Götterweg gehen. Es machte die Seele damals den Väterweg und den Götterweg durch.

Nun haben sich die Kulturen ja nicht so schroff abgelöst. Das Wesen der indischen Kultur ist ja geblieben, aber es hat sich geändert. Es ist geblieben neben den folgenden Kulturen. In der der ägyptischen gleichzeitigen Fortsetzung der indischen Kultur ist auch etwas Ähnliches aufgetaucht. Heute verwechselt man so leicht dasjenige, was später und dasjenige, was früher ist. Daher ist so stark betont worden, daß ich nur Andeutungen aus der allerältesten Zeit machte. Unter anderem haben nun die Inder auch aufgenommen die Anschauung von dem Väterweg und dem Götterweg.

Je mehr der Mensch nun eingeweiht worden ist, je mehr er sich frei gemacht hat von dem Hangen an der Heimat und an den Vätern, je mehr er heimat1os geworden war, desto länger wurde der Götter- weg, desto kürzer der Väterweg. Derjenige, der mit allen Fasern an den Vätern hing, hatte einen langen Väterweg, einen kurzen Götterweg. In der Terminologie des Orients nannte man den Väterweg Pitriyana und den Götterweg Devayana. Wenn wir heute den Ausdruck Devachan gebrauchen, so sollen wir uns klar sein, daß das nur ein Ausdruck ist, den wir gebrauchen mußten. Ein alter Vedantist würde uns einfach auslachen, wenn wir ihm mit Darstellungen kämen, die wir geben vom Devachan. Es ist nicht so leicht, sich in die orientalische Denk- und Anschauungsweise hineinzufinden. Wir müssen manchmal gegen diejenigen, die vorgeben, die orientalischen Wahrheiten zu geben, diese Wahrheiten geradezu in Schutz nehmen. Garmancher,

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der heute irgendwelche Darstellungen als sogenannte indische Lehre erhält, hat kein Bewußtsein davon, daß er eine recht konfuse Lehre erhält. Die heutige Geisteswissenschaft braucht doch keinen Anspruch darauf zu machen, eine orientalisch-indische Lehre zu sein. In gewissen Kreisen liebt man zwar das, was recht weit, zum Beispiel aus Amerika herkommt. Aber die Wahrheit ist überall zu Hause. Die antiquarische Forschung gehört den Gelehrten, aber Geisteswissenschaft ist Leben. Die geisteswissenschaftliche Wahrheit kann jeden Augenblick erforscht werden und überall. Das müssen wir uns vor die Seele halten.

Nun war bei den alten Ägyptern dasjenige, was wir eben auführten, nicht nur Theorie, sondern auch Praxis. Praktisch war auch das, was in den großen Mysterien der Ägypter gelehrt wurde. Es hatte damit eine besondere Bewandtnis, die wir bei tieferem Eindringen in dieselben noch kenneniernen werden. Die Mysterien der alten Ägypter erstrebten etwas ganz Besonderes. Heute kann der Mensch leicht darüber lächeln, wenn ihin gesagt wird, daß der Pharao in einer bestimmten Zeit eine Art Eingeweihter war, wenn ihm erzählt wird, wie der Ägypter stand zu seinem Pharao, wie er stand zu seinen Staats- einrichtungen. Für den europäischen Gelehrten der Gegenwart ist es ganz besonders lächerlich, wenn sich der Pharao den Namen «Sohn des Horus» oder sogar «Horus» selbst beilegte. Sonderbar erscheint uns heute, nicht wahr, wie der Mensch als Gott verehrt werden kann; etwas Abstruseres kann man sich ja nicht denken. Der heutige Mensch kennt eben den Pharao und seine Mission nicht. Man weiß eben nicht, was die Phara~Einweihung wirklich war. Heute sieht man in einem Volke nur eine Gruppe von Menschen, die man zählen kann. Ein Volk ist dem heutigen Menschen ein wesenloses Abstraktum, Realität ist einzig eine gewisse Summe von Menschen, die ein gewisses Gebiet erfüllen. Das ist das «Volk» nicht für denjenigen, der auf dem Standpunkte des Okkultismus steht. Wie der Finger als einzelnes Glied zum ganzen Leibe gehört, so gehören die einzelnen Menschen des Volkes zu einer Volksseele. Sie sind sozusagen in sie eingebettet, nur ist die Volksseele nicht physisch, sie ist nur als Äthergestalt real. Sie ist eine absolute Realität: der Eingeweihte kann sich mit dieser Seele unterhalten.

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Sie ist sogar viel realer für ihn als die einzelnen Individualitäten eines Volkes, viel realer als ein einzelner Mensch. Für den Okkultisten gelten auch die geistigen Erfahrungen, da ist die Volksseele etwas durchaus Reales. Betrachten wir eiiimal ganz schematisch diesen Zusammenhang der Volksseele mit den Individuen.

Wenn wir die einzelnen Individuen als kleine Kreise denken, die einzelnen Iche, so sind diese nur für die äußere physische Betrachtung Einzelwesen. Wer geistig sie betrachtet, der sieht diese einzelnen Individualitäten eingebettet wie in einen ätherischen Nebel, und das ist die Verkörperung der Volksseele. Nun denkt, tut, fühlt und will der einzelne Mensch etwas. Er strahlt seine Gefühle und Gedanken in die gemeinsame Volksseele hinein. Diese wird gefärbt von dieser Ausstrahlung. Dadurch wird die Volksseele durchsetzt von den Gedanken und Gefühlen der einzelnen Menschen. Und wenn wir absehen vom physischen Menschen und nur seinen Ätherleib und Astralleib betrachten, und dann den Astralleib eines ganzen Volkes betrachten,dann sehen wir, daß der Astralleib eines ganzen Volkes seine Farbenschattierungen von den einzelnen Menschen erhält.

Das wußte der alte ägyptische Eingeweihte, aber er wußte noch etwas mehr. Der alte Ägypter fragte sich, wenn er diese Volkssubstanz betrachtete: Was lebt denn eigentlich in der Volksseele? - Was sah er darin? Er sah in seiner Volksseele die Wiederverkörperung der Isis. Er sah, wie sie gewandelt war einst unter den Menschen selbst. Die Isis wirkte in der Volksseele. Er sah in ihr dieselben Wirkungen wie die vom Monde ausgehenden: diese Kräfte wirkten in der Volksseele. Und dasjenige, was der Ägypter als Osiris sah, wirkte in den individuellen geistigen Strahlen; darin erkannte er die Osiriswirkung. Die Isis aber sah er in dieser Volksseele.

Osiris war also für den physischen Plan nicht sichtbar. Osiris war gestorben für den physischen Plan. Nur wenn der Mensch gestorben war, wurde Osiris ihm wieder vor Augen gestellt. Daher lesen wir im ägyptischen Totenbuche, wie der Ägypter fühlte, er werde im Tode mit Osiris vereint, er werde selbst ein Osiris. Osiris und Isis wirkten zusammen im Staat und in dem einzelnen Menschen als seinen Gliedern.

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Nun betrachten wir den Pharao wieder und bedenken, daß das für ihn eine Realität war. Es bekam der einzelne Pharao vor der Initiation einen Unterricht, damit er das nicht nur mit dem Verstande begnöff, sondern damit für ihn das eine Wahrheit, eine Realität wurde. Er mußte soweit gebracht werden, daß er sich sagen konnte: Will ich regieren das Volk, so muß ich hinopfern von meiner Geistigkeit einen Teil, muß einen Teil meines Astralleibes, einen Teil meines Ätherleibes auslöschen. In mir müssen wirken das Osiris- und das Isisprinzip. Ich persönlich darf nichts wollen: wenn ich etwas spreche, muß Osiris sprechen; wenn ich etwas tue, muß Osiris es tun; wenn ich die Hand bewege, muß Isis und Osiris wirken. Darstellen muß ich den Sohn der Isis und des Osiris, den Horus.

Initiation ist keine Gelehrsamkeit. Aber so etwas zu können, sich so hinopfern zu können wie der Pharao, das hängt mit der Initiation zusammen. Denn, was er hinopferte von sich, das konnte ausgefüllt werden mit Teilen der Volksseele. Der Teil, dessen sich der Pharao begab, den er hinopferte, dieser Teil gab ihm gerade Macht. Denn die berechtigte Macht entsteht nicht dadurch, daß man die Persönlichkeit als eigene Persönlichkeit erhöht, sondern die berechtigte Macht entsteht dadurch, daß man in sich aufnimmt, was überragt die Grenzen der Persönlichkeit: eine höhere geistige Macht. Der Pharao hatte in sich aufgenommen eine solche Macht, und die wurde repräsentiert nach außen durch die Uräusschlange.

So haben wir wiederum in ein Mysterium hineingeschaut. Wir haben etwas viel Höheres gesehen, als gegeben wird heute als Erklärungen, wenn man heute von den Pharaogestalten spricht.

Wenn nun der Ägypter solche Gefühle hegte, woran mußte ihm da im besonderen liegen? Es mußte ihm daran liegen, daß die Volksseele so stark wie möglich wurde, daß sie möglichst reich an guten Kräften wurde, daß sie nicht vermindert wurde. Mit dem, was die Menschen durch die Blutsverwandtschaft hatten, mit dem konnten die ägyptischen Eingeweihten nicht rechnen. Aber dasjenige, was als geistige Güter die Vorväter gesammelt hatten, das sollte Gut werden der einzelnen Seele. Das wird uns angedeutet im Totengericht da, wo der Mensch den zweiundvierzig Totenrichtern gegenübergestellt wird. Da

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werden abgewogen die Taten der einzelnen. Wer sind die zweiundvier:zig Totenrichter? Es sind die Ahnen. Man hatte den Glauben, daß das Leben des Menschen sich verwoben habe mit dem von zweiundvierzig Ahnen. Drüben sollte er sich vor ihnen verantworten, ob er wirklich aufgenommen hatte, was sie ihm geistig geboten hatten. So war das, was die ägyptischen Mysterieniehren enthielten, etwas, was praktisch werden sollte für das Leben, was aber auch verwertet werden sollte für die Zeit jenseits des Todes, für das Leben zwischen TOd und einer neuen Geburt. In der ägyptischen Epoche hatte sich der Mensch schon verstrickt mit der physischen Welt. Zugleich aber mußte er aufschauen zu seinen Ahnen in der anderen Welt und mußte das von ihnen Ererbte in der physischen Welt kultivieren. Durch dies Interesse wurde er an den physischen Plan gefesselt, indem er mitwirken mußte an dem, was die Väter gewirkt hatten.

Nun müssen wir bedenken, daß die heutigen Seelen Wiederverkörperungen der alten ägyptischen Seelen sind. Was bedeutet nun das, was damals geschah, den heute lebenden Seelen, die es in ihrer ägyptischen Inkarnation erlebt haben? Alles was damals die Seele erlebt hat zwischen Tod und einer neuen Geburt, alles dasjenige hat sich verwoben mit der Seele, ist in dieser Seele und ist wiedererstanden in dem Zeitraume, der der unsrige, der fünfte ist, der die Früchte des dritten Zeitraumes wiederbnöngt, die in den Neigungen, in den Ideen anftreten der heutigen Zeit, die ihre Ursache haben in der alten ägyptischen Welt. Heute kommen wieder heraus alle Ideen> die damals keini~g in die Seelen hineingelegt worden sind. Deshalb ist es leicht einzusehen, daß dasjenige, was die Menschen sich heute erobern auf dem physischen Plan, nichts weiter ist als eine Vergröberung des Hinauslcgens des Interesses auf den physischen Plan, wie es im alten Ägypten vorhanden war, nur sind heute die Menschen noch tiefer in die Materie verstrickt worden. Wir haben schon in der Mumifizierung der Toten eine Ursache gesehen dessen, was als materielle Auffassung auf dem physischen Plan ausgelebt wird.

Denken wir uns eine Seele der damaligen Zeit. Denken wir uns eine Seele, die damals als Schüler eines alten Eingeweihten gelebt hat. Ein solcher Schüler hat den geistigen Blick hinaufgelenkt bekommen

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durch wirkliche Anschauung zu dem Kosmos. Wie im Monde Osiris und Isis wandelten, das war geistige Anschauung für ihn geworden. Alles war durchtränkt von geistig-göttlichen Wesenheiten. Das hat er in seine Seele aufgenommen. Er wird wieder verkörpert im vierten und fünften Zeitraum. Im fünften Zeitraum erlebt ein solcher Mensch das alles wieder. Es kommt ihin als eine Erinnerung zurück. Was geschieht nun damit? Zu allem, was da in der Sternenwelt lebt, blickte der Schüler auf. Dieser Auf blick lebt wieder auf in irgendeinem Menschen des fünften Zeitraums. Er erinnert sich an das, was er damals gesehen und gehört hat. Er kann es nicht wiedererkennen, weil es eine materielle Färbung bekommen hat. Das Geistige ist es nicht mehr, was er sieht, aber die materiell-mechanischen Beziehungen entstehen wieder, und er schafft sich den Gedanken in materialistischer Form als Erinnerung wieder. Wo er früher gesehen hatte göttliche Wesenheiten, Isis und Osiris, da sieht er jetzt nur noch abstrakte Kräfte ohne das geistige Band. Diese geistigen Beziehungen erscheinen ihm wieder in Gedankenform. Es ersteht alles wieder, aber in materieller Gestalt.

Wenden wir das auf eine bestimmte Seele an, die damals einen Einblick erhielt in die großen kosmischen Zusammeniiänge; denken wir uns, es ersteht dasjenige, was früher in Ägypten geistig gesehen worden ist, vor dieser Seele. Es ersteht heute wieder in dieser Seele, im fünften nachatlantischen Zeitraum: und wir haben die Seele des Kopernikus. Das kopernikanische Weltsystem ist so entstanden als eine Erinnerungsanschauung an die geistigen Erlebnisse im alten Ägypten. Ebenso steht es mit dem Weltsystem Keplers. Diese Menschen haben aus ihrer Erinnerung diese großen Gesetze wiedergeboren aus dem, was sie in der ägyptischen Zeit erlebt hatten. Und nun denken wir daran, wie so etwas in der Seele als eine leise Erinnerung auflebt, denken wir daran, daß dasjenige, was eigentlich ein solcher Geist denkt, im alten Ägypten in spiritueller Form von ihm erlebt worden ist. Was kann uns ein solcher Geist dann sagen? Daß es ihm ist, wie wenn er zurückblickte ins alte Ägypterland. Es ist so, wie wenn er das in neuer Gestalt nun wiederbringt, wenn ein solcher Geist sagt: «Nunmehr aber, nachdem mir seit anderthalb Jahren das erste Morgenrot,

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seit wenigen Monaten der volle Tag, seit wenigen Tagen endlich die reine Sonne der wundervollsten Betrachtungen aufgegangen, halt mich nichts mehr zurück; ich will schwärmen in heiliger Glut; ich will die Menschenkinder höhnen mit dem einfachen Geständnis, daß ich die goldenen Gefäße der Ägypter entwende, um meinem Gott ein Gezelt daraus zu bauen, weit entfernt von Ägyptens Grenzen.» Ist es nicht wie eine wirkliche Erinnerung, die der Wahrheit entspricht? Und diesen Ausspruch hat Kepler getan. Bei ihm finden wir auch den Ausspruch: «Es pocht die alte Erinnerung an mein Herz.» So wunderbar hängen die Dinge in der Menschheitsevolution zusammen. In so manchen sinnvollen, rätselhaften Aussprnch kommt Licht und Bedeutung, wenn man die geistigen Zusammenhänge verspürt. Dann erst wird das Leben groß und gewaltig, dann fühlen die Menschen sich hinein in ein großes Ganzes, wenn sie verstehen, daß der einzelne nur eine individuelle Ausgestaltung des durch die Welt ziehenden Spirituellen ist.

Ich habe auch schon einmal darauf aufmerksam gemacht, daß es eine materialistische Vergröberung dessen ist, was die Ägypter als Götter dargestellt haben in Tiergestalt, was auferstanden ist in unserer Zeit als Darwinismus. So konnte ich auch zeigen, daß, wenn man richtig Paracelsus versteht, man erkennen kann, daß seine Heilkunde ein Wiederaufleben dessen ist, was in den Tempeln des alten Ägyptens gelehrt wurde. Betrachten wir einen solchen Geist, wie Paracelsus war. Einen merkwürdigen Ausspruch finden wir bei ihm. Wer sich hineinvertieft in Paracelsus, der weiß, welch hoher Geist in ihm lebte. Er hat einen merkwürdigen Ausspruch getan, er sagte: In vielem habe er vieles gelernt, am wenigsten zwar habe er auf Akademien gelernt, er habe aber auf seinem Zuge durch die Länder viel von dem Volke und aus alten Traditionen gelernt. - Es entzieht sich uns die Möglichkeit, auf Beispiele nur hinzuweisen, wie tiefe Wahrheiten in unserem Volke noch vorhanden sind, die gar nicht mehr verstanden werden, die Paracelsus aber verwerten konnte. Er sagte, er habe ein Buch gefunden mit tiefen medizinischen Wahrheiten. Und welches Buch nennt er da? Die Bibel! Er meint damit nicht nur das Alte, im wesentlichen meint er das Neue Testament. Man muß nur die Bibel lesen können,

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um das darin zu finden, was Paracelsus darin fand. Und was wurde aus der Medizin des Paracelsus? Wahr ist es, sie ist eine alte Erinnerung an die alte ägyptische Heilmethode. Dadurch aber, daß er die Geheimnisse des Christentums aufnahm, den Impuls nach oben, sind seine Werke von spiritueller Weisheit durchdrungen worden, sie sind durchchristet worden. Das ist der Gang in die Zukunft. Das ist dasjenige, was alle tun müßten, welche den Rückweg immer mehr bahnen wollen aus dem Fall in die Materie in der neuesten Zeit. Es gibt da eine Möglichkeit, die großen materiellen Fortschritte nicht zu unter- schätzen. Es gibt aber auch die Möglichkeit, das Spirituelle in sie ein- fließen zu lassen.

Wer heute studiert, was die materielle Wissenschaft bieten kann, wer in die materielle Wissenschaft hinuntersteigt und nicht zu bequem ist, sich in sie zu vertiefen, der tut auch als Geisteswissenschafter gut daran. Viel kann man lernen von den rein materialistischen Forschern. Wir können dasjenige, was wir da finden, durchdringen mit dem reinen Geist, den die Geisteswissenschaft bieten kann. Wenn wir so alles durchdringen mit dem Spirituellen, dann ist das richtig verstandenes Christentum. Es ist nichts anderes als eine Verleumdung der Geistes- wissenschaft, wenn die Menschen sagen, sie sei eine phantastische Weltanschauung. Sie kann stehen ganz fest und sicher auf dem Boden aller Realität. Und es wäre nur ein elementarster Anfang der Geistes- wissenschaft, wenn man sich vertiefen wollte in ein schematisches Darstellen der höheren Welten. Nicht so sehr darauf kommt es an, daß der Geisteswissenschafter die Dinge bloß weiß und auswendig lernt die geisteswissenschaftlichen Begriffe. Darauf kommt es nicht allein an. Sondern darauf kommt es an, daß die Lehren und Anschauungen über die höheren Welten fruchtbar werden im Menschen, daß in alles, in das alltägliche Leben hineingetragen werden die wahren geisteswissenschaftlichen Lehren.

Nicht darauf kommt es an, daß man predigt von der allgemeinen Bruderliebe. Es ist am besten, so wenig wie möglich davon zu reden. ES ist mit einer solchen Phrase so, wie wenn man zum Ofen sagt: Lieber Ofen, deine Aufgabe ist, das Zimmer zu wärmen. Erfülle deine Aufgabe. - So ist es mit den Lehren, die durch solche Phrasen gegeben

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werden. Es kommt auf die Mittel an. Der Ofen bleibt kalt, wenn ich ihm bloß sage, er solle warm sein. Er wird warm, wenn er Heizmaterial hat. Der Mensch bleibt auch kalt bei Ermahnungen. Was ist aber Heizmaterial für den modernen Menschen? Die Einzeltatsachen der spirituellen Lehren sind Heizmaterial für den Menschen. Man darf nicht bequem sein und bei der «allgemeinen Bruderschaft» stehenbleiben. Heizmaterial muß den Menschen gegeben werden. Die Brüderlichkeit ergibt sich dann schon von selbst. Wie die Pflanzen ihre Blüten der Sonne entgegenstrecken, so müssen wir alle aufschauen zur Sonne des spirituellen Lebens.

Es kommt darauf an, daß wir solche Dinge, in die wir hineingeschaut haben, nicht nur als theoretische Lehren aufnehmen, sondern daß sie Kraft werden in unseren Seelen. Für jeden Menschen, auf jedem Posten im praktischen Leben können sie Impulse geben zu dem, was er zu schaffen hat. Die Menschen, die heute mit einem gewissen Hohn auf die Geisteswissenschaft herabschauen, die fühlen sich erhaben über die «phantastischen» Lehren der Geisteswissenschaft. Sie finden darin «nicht zu beweisende Behauptungen» und sagen, man solle sich halten an die Tatsachen. - Es könnte leicht, wenn der Geisteswissenschafter nicht stark, sondern kleinmütig gemacht würde durch das Leben in der Geisteswissenschaft, es könnte leicht geschehen, daß er beirrt würde in seiner Sicherheit und Energie, wenn er sieht, wie gerade diojenigen, wdche die Geisteswissenschaft verstehen sollten, wie gerade die sie absolut nicht begreffen.

Unsere Zeit blickt so leicht herab auf das, was die Ägypter ihre Götter genannt haben. «Wesenlose Abstraktion», sagt man. Der moderne Mensch ist aber viel abergläubischer. Er hängt an ganz anderen Göttern, die für ihn Autorität sind. Weil er gerade nicht die Knie beugt vor ihnen, merkt er nicht, was für einen Aberglauben er treibt.

Meine lieben Freunde, wenn wir so wieder zusammengewesen sind, sollen wir immer eingedenk sein, daß, wenn wir auseinandergehen, wir nicht nur mitnehmen sollen eine Summe von Wahrheiten, sondern daß wir mitnehmen sollen einen Gesamteindruck, einen Empfindungseindruck, der am richtigsten die Form annimmt, die der Geisteswissenschafter als Willensimpuls kennt: daß er die Geisteswissenschaft

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hineintragen will in das Leben und durch nichts in seiner Sicherheit sich beirren lassen will.

Stellen wir uns ein Bild vor die Seele. Man hört so oft: Ach diese Geistsucher! Die setzen sich da zusammen in ihre Loge, da treiben sie allerlei phantastisches Zeug. Darauf kann sich der Mensch, der auf der Höhe der heutigen Zeit steht, nicht einlassen. - Die Anhänger der Geisteswissenschaft nehmen sich heute manchmal aus wie eine verachtete Klasse von Menschen, wie ungebildet und ungelehrt. Braucht uns daraus Kleinmut zu ersprießen? Nein! Wir wollen ein Bild uns vor die Seele führen und die Gefühle, die sich daran knüpfen, wecken. Wir erinnern uns an Ähnliches in verflossenen Zeiten, wir erinnern uns, wie im alten Rom etwas ganz Ähnliches geschah. Wir sehen, wie das erste Christentum sich ausbreitet gerade im alten Rom in einer ganz verachteten Klasse von Menschen. Wir schauen heute mit berechtigtem Entzücken zum Beispiel auf das Kolosseum, das das kaiserliche Rom erbaut hat. Wir können aber auch auf die Leute, die sich damals auf der Höhe der Zeit dünkten, den Blick werfen, wie sie in dem Zirkus saßen und zuschauten, wie die Christen auf der Arena verbrannt wurden und wie Weihrauch angezündet wurde, damit der Geruch der verbrannten Leichen nicht hinaufsteige.

Und jetzt richten wir den Blick auf die Reihe der Verachteten. Sie lebten in den Katakomben, in unterirdischen Gängen. Da mußte sich verkriechen das sich eben ausbreitende Christentum. Da unten errichteten die ersten Christen Altäre auf den Gräbern ihrer Toten. Da unten hatten sie ihre wunderbaren Zeichen, ihre Heiligtümer. Wir werden von einer sonderbaren Stimmung ergriffen, wenn wir heute durch die Katakomben schreiten, durch das unterirdische, verachtete Rom. Die Christen wußten, was ihnen vorbehalten war. Verachtet war das, was der erste Keim des Christus-Impulses war, auf der Erde eingeschlossen in die unterirdischen Katakomben. Was ist von dem kaiserlichen Rom geblieben? Das ist von der Erde verschwunden. Aber was damals in den Katakomben lebte, ist erhoben worden.

Mögen heute die, die sich zu Trägern einer spirituellen Weltanschauung machen wollen, mögen sie die Sicherheit der ersten Christen erhalten. Mögen die Vertreter der Geisteswissenschaft leben, verachtet

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von der zeitgenössischen Gelehrsamkeit, mögen sie aber wissen, daß sie eben arbeiten für das, was blühen und gedeihen wird in der Zukunft. Mögen sie ertragen lernen alles Widerwärtige der Gegenwart. Wir arbeiten in die Zukunft hinein. Das kann man auch in Bescheidenheit und auch in Sicherheit, ohne Überhebung fühlen, stark gegen die Mißverständnisse in unserer Zeit.

Mit solchen Gefühlen versuchen wir das, was vor unsere Seele getreten ist, zum Bleibenden zu machen. Nehmen wir es mit hinaus als Kraft, und wirken wir brüderlich untereinander im rechten Sinne weiter!

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Einladung zum Vortragszyklus

An die

Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft (Adyar.)

Wir erlauben uns Ihnen mitzuteilen, daß Herr Dr. Rudolf Steiner in der Zeit vom 2.-14. September ds. J. in Leipzig eine Reihe von Vorträgen halten wird über das Thema:

„Aegyptische Mythen und Mysterien
im
Verhältnis zu den wirkenden Geistes-
kräften der Gegenwart“

und laden die Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft (Adyar) freundlich zur Teilnahme ein.

Die Vorträge finden jeweils abends pünktlich 8 Uhr im Künstlerhaus, Bosestraße 9 statt. Durch Veranstaltung eines geselligen Beisammenseins mit musikalischen Darbietungen in der Wohnung eines Mitgliedes, wozu Einladungen ergehen werden, soll den Gästen und den Mitgliedern Gelegenheit gegeben werden, einander kennen zu lernen. Zwei Nachmittage sind zur Fragebeantwortung vorgesehen, da an die Vorträge eine Diskussion nicht mehr angeschlossen wird.

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Karten für den ganzen Vortragszyklus zu Mark 10.- werden ab 1. Juni ds. J. ausgegeben gegen Voreinsendung des Betrags an Frau Else Dannenberg, Leipzig, Promenadenstraße 9 I. Außerdem stehen Freunden der Gesellschaft Einzelkarten à M. l.- pro Vortrag zur Verfügung. Alle weiteren Auskünfte erteilt gerne Frau E. Wolfram, Leipzig, Steinstraße 13 I.

In der Hoffnung, recht viele unserer Freunde bei uns begrüßen zu dürfen, bitten wir uns Anmeldungen so bald als möglich zukommen zu lassen.

Mit theosophischem Gruß!

Leipzig, Ende Mai 1908. Der Zweig Leipzig.

Steinstraße 13, part.

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HINWEISE

Zu dieser Ausgabe

Der vorliegende Vortragszyklus wurde von Rudolf Steiner im Zweig Leipzig der damaligen Deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft gehalten; eingeladen waren alle Mitglieder (siehe Einladung Seiten 176/177). Da der Zweig Leipzig von Elise Wolfram geleitet wurde, die sich besonders stark für Mythologien interessierte, selbst Vorträge hielt und Schriften publizierte, darf angenommen werden, daß sie um das Thema gebeten hatte. Allerdings hatte vier Wochen vorher bereits in Stuttgart ein Vortragszyklus unter ähnlichem Titel stattgefunden:

Textuntertagen: Rudolf Steiners frei gehaltene Vorträge wurden von stenographisch geschulten Freunden mehr oder weniger gut mitgeschrieben. Bei der hier vorliegenden Vortragsreihe muß ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht werden, daß die Nachschriften lückenhaft sind. Die erste Buchausgabe (Dornach 1931) brachte schon einige Ergänzungen aus einer anderen Nachschrift als derjenigen, auf Grund welcher die Ausgabe im Zyklenformat (Berlin 1911) erfolgte. Einige besonders mangelhafte Stellen sind in den folgenden Hinweisen vermerkt.

Rudolf Steiner selbst konnte den zu seinen Lebzeiten erschienenen Manuskriptdruck (Berlin 1911) infolge seiner totalen Überbeanspruchung durch ständige Vortragsreisen nicht selbst durchsehen. Die Herausgabe besorgte in seinem Auftrag Marie von Sivers (Marie Steiner). Sie gab auch die erste Buchausgabe (Dornach 1931) heraus> der sie Inhaltsangaben beifügte, die für die späteren

Auflagen innerhalb der Gesamtausgabe teilweise erweitert wurden. Auch sind Hinweise und ein Namenregister erstellt worden.

Der Titel des Bandes wurde für die 5. Auflage 1992 entsprechend dem von Rudolf Steiner für den Vortragszyklus gegebenen ergänzt.

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Hinweise zum Text

Werke RudolfSteiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben.

zu Seite

11 Goethe ... «Geheimnisse»: Ein Fragment (178#1786). Siehe hierzu Rudolf Steiners Vortrag in Köln, 25. Dezember 1907 »Die Geheimnisse. Ein Weihnachts- und Ostergedicht von Goethe», Einzelausgabe, und in »Natur- und Geistwesen - ihr Wirken in unserer sichtbaren Welt», GA 98.

15 Sammlungen des Veda: »Veda», d. h. heiliges »Wissen», nennt sich die Gesamtheit der ältesten in der Sanskritsprache abgefaßten religiösen Schriften der Hindus, denen ein überirdischer Ursprung zugeschrieben wird. Es handelt sich um eine umfangreiche Literatur, die lange Zeit nur mündlich weitergegeben wurde. Die vedischen Überlieferungen gliedern sich hauptsächlich in 1. die Sanhitas, 2. die Brahmanas und 3. die Aranyakas und Upanishads. Die Sanhitas sind »Sammlungen» von Liedern, Opferformeln und Zaubersprüchen. Man unterscheidet vier derartige Sammlungen, die man allgemein vereinfacht die »vier Veden» nennt.

15ff. Zarathustra: Gemeint ist der eigentliche oder erste Zarathustra. Im öffentlichen Vortrag über »Zarathustra», Berlin, 19. Januar 1911 in »Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins», GA 60, führt Rudolf Steiner aus: «Griechische Geschichtsschreiber wiesen immer wieder darauf hin, daß man Zarathustra weit hinauszuversetzen hat, etwa 5000 bis 6000 Jahre weit hinter den Trojanischen Krieg. »

15 Homer, 9. Jahrhundert v. Chr.

Äschylos, 525~56 v. Chr.

Sophokles, 497/49~06 v. Chr.

17 RaffaelSanti, 1483-1520.

18 das Wort «Ich bin, das da war .. .»: Inschrift auf dem Standbild der Göttin zu Sais.

22 Karl der Große, 72#814.

29 Gnostiker ... Pleroma: Siehe hierzu die näheren Darstellungen Rudolf Steiners im Vortrag Dornach 15. Juli 1923 in »Drei Perspektiven der Anthroposophie. Kulturphänomene, geisteswissenschaftlich betrachtet», GA 225.

40 Manu: Theosophisch-indische Bezeichnung für den großen Eingeweihten, der die Völkerstämme aus der Atlantis nach Osten führte. Siehe hierzu die näheren Darstellungen in »Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen. Ein Aspekt der geistigen Führung der Menschheit», GA 109.

53 als die Griechen ... nach Indien drangen: Vergleiche Hinweis zu Seite 64.

Alexander der Große, 35~323 v. Chr.; zog im Fiühjahr 327 nach Indien.

57 meine

58 Kama, Kama-Manas, Manas: Theosophische Bezeichnungen. Kama ist der Astralleib; Kama-Manas das sogenannte niedere Manas, die Verstandesseele; Manas, das sogenannte höhere Manas, wird in Rudolf Steiners »Theosophie» die »geisteifüllte Bewußtseinsseele» oder »Geistselbst» genannt.

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58 wie dem Prana die Budhi... entspricht: In den beiden ersten Ausgaben steht «wie dem Kama die Budhi entspricht», was auf einem Hörfehler der Nachschreiber beruht.

59 Veda-Zitat: Rigveda I, 164, 45.

Veda-Zitat: Rigveda I, 164, 37.

60 Sokrates, 470399 v. Chr.

Plato, 427-347 v. Chr.

64 Dieses Bild, das Brahman der In der (...), das den Griechen erschien wie Herakles: An der Stelle der Pünktchen (...) ist eine in früheren Ausgaben abgedruckte, nur mangelhaft überlieferte Stelle über Ich und Brahma weggelassen worden, offenbar ein Hinweis auf den berühmten Satz: Aham Brahma asmi = Ich bin Brahma. Siehe hierzu «Der Orient im Lichte des Okzidents. Die Kinder des Luzifer und die Brüder Christi», 3., 6., 7. Vortrag, GA 113.

84 Veda-Zirat: Rigveda X, 27, I5-l6.

91 Homer: 9. Jahrhundert v. Chr.

93 O Solon, Solon...: Zitat aus Platons «Timaios», 22 B/22 C.

106/107 der Ritus, der erwa`hnt wird bei Tacitus: Tacitus Publius, 55 bis etwa 116, römischer Geschichtsschreiber. Germania, Cap. XI.

117 Hermes Trismegistos: Siehe hierzu Rudolf Steiners Vortrag über «Hermes» in «Antworten der Geisteswissenschaft auf die großen Fragen des Daseins», GA 60.

121 Hammurabi, 1955-1913v.Chr.

127/128 Ausspruch eines Eingeweihten: Aus Homers »Odyssee», XI. Gesang, V. 488~91.

I29 Augustinus, 354430. Zitat aus: «Retractationes», L., 1. Capt. XIII, 3.

130 Die Menschen, auch die Theosophen, stellen sich die Geheimnisse der Reinkarnation gewöhnlich viel zu einfach vor: Siehe hierzu die Darstellungen in «Das Prinzip der spirituellen Ökonomie im Zusammenhang mit Wiederverkörperungsfragen», GA 109.

130 H. P Blavatsky, I831-1891. Gründete 1875 die Theosophische Gesellschaft.

l47 des Gottes.. .: In den beiden ersten Ausgaben heißt es gemäß Nachschrift »des Gottes Manu», wobei es sich um einen Hörfehler handeln muß. Der richtige Name konnte bisher nicht ermittelt werden.

163 Ta,citus: Vergleiche Hinweis zu Seite 106/107.

165 wennwtr... den Ausdruck Devachan gebrauchen: Die Stelle ist in der Nachschrift ungenügend und fehlerhaft. Daher wurde ein in den früheren Ausgaben enthaltener mißverständlicher Satz hier weggelassen. Sachlich ist Devachan eine Bezeichnung, die ebenso wie Devayana auf die höheren Geistgebiete hinweist. Sprachlich dagegen ist Devachari ein tibetanisches Wort, das als Übersetzung für das indische sukhavati, den Namen von Indra`s Himmel oder Paradies, geprägt wurde. Devayana ist rein indisch und bedeutet Götter- (deva) Weg (yana).

170 Nikolaus Kopernikus, 1473-1543.

johannes Kepler 1571-1630. Das Zitat ist aus der Vorrede zum fünften Buch von »Harmonices mundi».

171 Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim), 1493-1541.

NAMENREGISTER

#G106-1992-SE182 - Ägyptische Mythen und Mysterien

#TI

NAMENREGISTER

#TX

(* = ohne Nennung im Text)

Abraham 164, 165

Adam 164

Äschylos 15

Ahura Mazdao (Ormuzd) 35, 114, 115

Alexander der Große 53

Apollo 39, 94, 97

Argonauten 139

Athene 39, 119

Augustinus 129


Baldur 39, 130

Blavatsky, Helena Petrovna 130

Böcklin, Arnold 119

115

Brahma 35, 49, 53, 58, 64, 84

Buddha 129-133, 156

Darwin, Charles 154, I71


Georg, Heiliger 72

Goethe, Johann Wolfgang von 11, 158

Hammurabi 121

Hera 39

HerakIes 53, 64

Hermes Trismegistos 117, 129

Hertha (Nerthus) 107

Homer 15, 91, 127*

Horus 19, 35, 38, 83, 84, 86, 104, 145, 166, 168

Jahve (Jehova) 29, 72, 77, 79

Jason 139

Jesus I9, 133-135

Johannes, Evangelist 134, 161

Johannes der Täufer 136


Isis 18, 19, 35, 38, 82-86, 93, 95, 103, 105, 109, 112, 113, 145, 146, 162, 167, 168, 170

Mars 39

Karl der Große 22

Kepler, Johannes 170, 171

Kopernikus, Nikolaus 170

Manu 40, 41, 54, 56

Michael 72

Nerthus (Hertha) 107

Noah 164

Ormuzd (Ahura Mazdao) 35, 38, 114,

Osiris 35, 38, 74, 79-86, 92-97, 103, 104,

Paracelsus 171, 172

Pharao 166, 16

Plato 60

Polyphem 92

Prometheus 138

Raffael Santi 17

Rishi 54,56,59,62, 113, 114, 117

Seth (Typhon) 74, 79, 83, 85

Siegfried 72

Sokrates 60

Solon 93

Sophokles 15

Tacitus Publius 107, 163

Thor 39

Thoth 117

Typhon (Seth) 74, 79, 80, 83, 85, 86

Wotan 39, 130, 131

Zarathustra 15, 16,50, 114

Zeus 39, 119, 130

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.