GA 317

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ERSTER VORTRAG Dornach, 25. Juni 1924

#G317-1967-SE009 Heilpädagogischer Kurs

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ERSTER VORTRAG

Dornach, 25. Juni 1924

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Nun, meine lieben Freunde, wir haben ja eine ganze Anzahl von Kin­dern, die aus einer unvollständig gebliebenen Entwickelung heraus er­zogen werden sollen, beziehungsweise, soweit es möglich ist, geheilt werden sollen. Eine Anzahl dieser Kinder haben wir hier im Klinisch-Therapeutischen Institut, und eine Anzahl haben Sie im Lauenstein. Wir werden das, was wir hier zu besprechen haben, so einrichten, daß es möglichst auf die praktische Anwendung sogleich hinzielt. Wir wer­den dann auch in der Lage sein, dadurch daß uns Frau Dr. Wegman die hier befindlichen Kinder - wir können das ja unter uns - zur De­monstration zur Verfügung stellen wird, wir werden da auch einige Fälle unmittelbar ad oculos auseinandersetzen können.

Zunächst möchte ich aber heute von dem Wesen solcher Kinder sprechen. Es ist ja natürlich, daß vorangehen soll bei jedem, der unvoll­ständig entwickelte Kinder erziehen will, eine Erkenntnis, eine wirk­lich eindringliche Erkenntnis der Erziehungspraxis für gesunde Kinder. Das ist dasjenige, was sich jeder, der solche Kinder erziehen will, aneignen müßte. Denn man muß sich ganz klar darüber sein, daß all dasjenige, was eigentlich bei unvollständig entwickelten Kindern, bei krankhaften Kindern auftreten kann, in intimerer Art auch im so­genannten normalen Seelenleben bemerkbar ist, man muß nur ent­sprechend das normale Seelenleben beobachten können. Man möchte sagen, irgendwo in einer Ecke sitzt bei jedem Menschen im Seelenleben zunächst eine sogenannte Unnormalität. Nur so etwas wie, sagen wir, eine kleine Gedankenflucht oder eine Unfähigkeit, die Worte beim Sprechen in die richtigen Abstände zu stellen, so daß man entweder im Sprechen sich überschlägt, oder aber daß der Zuhörer spazieren gehen kann zwischen zwei Worten, die man herausbringt, oder ähnliche Un­regelmäßigkeiten, die auch imWillensleben und Gefühlsleben auftreten können, die sind, wenigstens in einer geringfügigen Anlage, bei der größten Anzahl von Menschen bemerkbar. Und man wird schon über solche Unregelmäßigkeiten dann später noch einiges zu sprechen haben,

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weil sie demjenigen, der namentlich auf die großen Unregelmäßigkeiten erzieherisch oder heilend eingehen will, als Symptom gelten müssen. Man muß in diesen Dingen seine Symptomstudien machen können, wie der Arzt bei Krankheitsfällen von Symptomen spricht, an denen er die Krankheiten erkennt, auch wohl von dem Symptomenkomplex spricht, an dem er das Krankhafte überschauen kann, aber niemals dasjenige verwechseln wird, was im Symptomenkomplex liegt, mit demjenigen, was eigentlich der substantielle Inhalt der Krankheit ist.

So sollte man auch nicht beim unvollständig entwickelten Kinde das, was man am Seelenleben bemerkt, für etwas anderes als für Sym­ptome halten. Die sogenannte Psychographie ist eigentlich nichts an­deres als eine Symptomatologie. Und wenn heute die Psychiatrie nichts anderes tut, als die abnormen Seelenerscheinungen nach Denken, Füh­len und Wollen zu beschreiben, so bedeutet das nicht viel anderes, als daß sie Fortschritte gemacht hat in der genauen Beschreibung der Symptomenkomplexe, daß sie aber, da sie nicht hinausgehen kann über solche Psychographie, absolut unfähig ist, in das Substantielle der Krankheiten einzudringen. Man muß hineinkommen ins Substantielle des Krankseins. Und da wird Ihnen eine Vorstellung nützlich sein können, die ich Sie bitte festzuhalten.

Nehmen wir an, wir hätten hier (siehe Abbildung 1) den physischen Leib des Menschen, so wie er uns entgegentritt im Wachsen des kleinen Kindes. Wir haben dann gewissermaßen aufsteigend, herausdringend aus diesem physischen Leib des Menschen das Seelenleben. Dieses See­lenleben, das uns eben als die Äußerungen der kindlichen Seele ent­gegentreten kann, das kann nun normal oder abnorm sein. Wir haben ja im Grunde genommen gar kein weiteres Recht, über die Normalität oder Abnormalität des kindlichen Seelenlebens oder menschlichen See­lenlebens überhaupt zu reden, als indem wir hinschauen auf dasjenige, was durchschnittsmäßig «normal» ist. Es gibt kein anderes Kriterium als dasjenige, was allgemein üblich ist vor einer Gemeinschaft von Philistern. Und wenn diese Gemeinschaft irgend etwas für vernünftig oder gescheit ansieht, so ist alles dasjenige «abnormes» Seelenleben, was nach Ansicht dieser Philister nicht «normales» Seelenleben ist. Ein anderes Kriterium gibt es zunächst nicht. Daher sind die Urteile so

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außerordentlich konfus, wenn man anfängt, indem man eine Abnor­mität konstatieren kann, dann alles Mögliche zu treiben, und damit abzuhelfen glaubt - statt dessen treibt man ein Stück Genialität heraus. Mit solch einer Beurteilung ist überhaupt nicht viel anzufangen, und das erste, was eintreten sollte, ist, daß der Arzt und Erzieher eine solche Beurteilung ablehnt, daß er hinauskommt über die Aussage:

das oder jenes ist gescheit oder vernünftig nach den Denkgewohn­heiten, die man so gewöhnlich hat. Gerade auf diesem Gebiete ist es von eminentester Notwendigkeit, überhaupt keine Kritik zu üben, sondern die Sachen reinlich anzuschauen. Denn was liegt eigentlich beim Menschen vor?

Sehen wir jetzt ganz ab von diesem Seelenleben, das ja ohnedies erst nach und nach herauskommt, an dem manchmal höchst zweifelhafte Erzieher einen Anteil haben, sehen wir ab von diesem Seelenleben, dann haben wir hinter der Körperlichkeit ein anderes Geistig-Seelisches, ein Geistig-Seelisches, das heruntersteigt zwischen Konzeption und Geburt aus den geistigen Welten. Dieses Seelenleben ist nicht dasjenige, was heruntersteigt aus den geistig-seelischen Welten, sondern es ist ein anderes Seelenleben, das zunächst für das irdische Bewußtsein nicht äußerlich sichtbar ist. Ich will es schematisch dahinterzeichnen (siehe Abbildung, gelb). Dieses ganze Seelenleben, das da heruntersteigt, das bemächtigt sich des Körpers, der vererbungsgemäß aufgebaut wird aus der Generationenfolge heraus. Wenn also dieses Seelenleben so geartet ist, daß es eine kranke Leber konstituiert, wenn es die Lebersubstanz ergreift, oder vererbungsgemäß im physischen und Ätherleib Krank­haftes findet und daher eine Krankheitsempfindung entsteht, dann liegt eben eine Erkrankung vor. Ebenso kann jedes andere Organ oder jeder andere Organkomplex falsch eingeschaltet sein in dasjenige, was aus dem seelisch-geistigen Kosmos heruntersteigt. Und erst wenn nun diese Verbindung hier da ist, diese Verbindung zwischen dem, was heruntersteigt und dem, was vererbt ist, wenn dieses Seelisch-Körper­liche sich gebildet hat, dann entsteht - mehr aber nur als Spiegelbild -dasjenige, was unser Seelenleben ist und was gewöhnlich beobachtet wird als Denken, Fühlen und Wollen (violett). Dieses Denken, Fühlen und Wollen ist überhaupt nur da wie Spiegelbilder, richtig wie Spiegelbilder,

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löscht aus, wenn wir einschlafen. Das eigentlich dauernde See­lenleben ist dahinter, steigt herunter, das geht durch die wiederholten Erdenleben und sitzt in der Organisation des Leibes darinnen. Und wie sitzt es darinnen?

Betrachten wir da zunächst den Menschen nach seinen drei Gliedern:

dem Nervensystem, dem rhythmischen System und dem Gliedmaßen­Stoffwechselsystem. Sehen Sie, das Nerven-Sinnessystem, denken wir es uns also - wir werden uns verstehen -,denken wir uns dieses Nerven­Sinnessystem, wie es der Hauptsache nach nur, aber schematisch, im Kopfe lokalisiert ist, sprechen wir vom Kopfsystem, indem wir vom Nerven-Sinnessystem sprechen; wir können das beim Kinde um so mehr, als der aufbauende Teil des Nerven-Sinnessystems vom Kopfe ausgeht und in den ganzen Organismus hineinwirkt. Dieses System, dieses Nerven-Sinnessystem ist im Kopfe, im Haupte lokalisiert. Das ist ein synthetisches System.

Es ist synthetisch. Was meine ich damit? Es faßt nämlich alle Tätig­keiten des Organismus zusammen. Sehen Sie, im Kopfe ist eigentlich der ganze Mensch in einer gewissen Weise enthalten. Wenn man spricht von der Lebertätigkeit, und man sollte eigentlich nur von Lebertätig­keit sprechen - was ich als Leber sehe, ist der fixierte Leberprozeß -, so ist diese Lebertätigkeit natürlich ganz im unteren Leibe. Aber jedem solchen Funktionenzusammenhang entspricht eineTätigkeit im mensch­lichen Haupte. Wenn ich das schematisch zeichne (siehe Abbildung 2), so ist das so: Hier sei die Lebertätigkeit. Dieser Lebertätigkeit entspricht irgendeine Tätigkeit im menschlichen Kopfe oder Gehirne. Hier im Unterleib ist die Leber relativ abgesondert von den andern Organen, von Nieren, Magen und so weiter. Im Gehirn fließt alles ineinander, da fließt die Lebertätigkeit mit den andern Tätigkeiten zusammen, so daß der Kopf der große Zusammenfasser ist alles desjenigen, was im Organismus vor sich geht. Durch diese synthetische Tätigkeit wird ein Abbauprozeß bewirkt. Es fällt das Substantielle heraus.

Genauso wie wir einen synthetischen Prozeß im Haupte haben, haben wir dann im ganzen übrigen Organismus, besonders im Stoff­wechsel-Gliedmaßensystem, einen analytischen Prozeß. Da wird alles auseinandergehalten, da wird im Gegensatz zum Kopfe alles auseinandergehalten.

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Während im Kopfe die Nierentätigkeit mit der Darm-tätigkeit zusammen vor sich geht, wird im Gegensatz dazu im übrigen Organismus alles auseinandergehalten, so daß wir also sagen können, wenn wir weiter schematisch zeichnen, meinetwillen die Lebertätigkeit, Magentätigkeit, so sind sie hier voneinander abgesondert; im Kopfe fließen sie ineinander, fließt alles zusammen, da synthetisiert sich alles. Nun liegt dieses Zusammenfließen - zu gleicher Zeit mit einem fort­währenden Herausfallen der Substanz, wie wenn es regnete -, nun liegt diese synthetische Tätigkeit des Kopfes im wesentlichen aller Denk-tätigkeit zugrunde. Damit der Mensch denken kann, damit der Mensch herauskommt und in Tätigkeit kommt, muß dasjenige, was aus dem Geistig-Seelischen kommt, nach dem Kopfe hin die zusammenfassende Funktion erhalten, und dadurch die Erbsubstanz synthetisch gliedern. Dadurch kann dann in der synthetisch gegliederten Erbsubstanz ein Spiegel gesehen werden. Sie haben also damit folgendes: wenn im Kopfe das eintritt beim Herunterkommen, daß der Kopf organisiert synthetisch, so wird der Kopf ein Spiegel, und dadrinnen spiegelt sich die Außenwelt, und das gibt das Denken, das wir gewöhnlich beobach­ten.Wir müssen also unterscheiden zwischen den zwei Denkfunktionen, derjenigen, die hinter dem Wahrnehmbaren liegt, die das Gehirn auf­baut - die ist das Bleibende -, und der Denkfunktion, die gar nichts Wirkliches ist, die nur gespiegelt ist und fortwährend ausgelöscht wird beim Einschlafen und vergeht, wenn man nicht nachdenkt.

Eine andere Partie dessen, was da aus dem Geistig-Seelischen her­unterkommt, baut nun analytisch das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem auf, baut die Organe auf, die auseinanderfallen, die deutlich unter­scheidbare einzelne Konturen haben. Wenn Sie nun den ganzen Körper betrachten mit seinen deutlich unterscheidbaren einzelnen Konturen, so haben wir darinnen Leber, Lunge, Herz und so weiter, mit denen auch das Gliedmaßen-Stoffwechselsystem zusammenhängt; das rhyth­mische System sieht man nicht, alles, was mit physischer Substanz aus­gefüllt ist, gehört zum Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, auch was man am Gehirn sieht, ist Stoffwechsel. Nun liegt das, was diese einzelnen analytisch aufgebauten Organe sind, dem gesamten Willensleben des Menschen zugrunde, wie die synthetische Tätigkeit zugrunde liegt dem

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Denken. So liegt all das, was an Organen da ist, zugrunde dem Willens­leben.

Nun betrachten wir einmal folgendes: Denken wir uns einen schon ziemlich erwachsenen Menschen. Was ist mit diesem ziemlich erwach­senen Menschen geschehen, während er sein Erdenleben geführt hat? Er ist vielleicht sieben Jahre alt geworden, er hat die zweiten Zähne bekommen; er ist vierzehn Jahre alt geworden, hat die Geschlechtsreife bekommen; er ist einundzwanzig Jahre alt geworden und hat damit die Konsolidierung seines Seelenlebens zustande bekommen. Wir müssen nun, wenn wir überhaupt die kindliche Entwickelung verstehen wollen, genau unterscheiden zwischen dem Körper, den ein Mensch trägt, der den Zahnwechsel durchgemacht hat, und einem Körper, den ein Kind trägt, das den Zahnwechsel noch nicht durchgemacht hat. Dasjenige, was da an besonders auffälligen Beispielen gebracht wird, geschieht fortwährend. Der Körper wird nach jedem Jahr ausgewechselt. Wir stoßen fortwährend von unserem Körper nach außen ab, es ist fort­während eine zentrifugale Strömung nach außen, die den Körper ab-stößt. Das führt dazu, daß der Körper tatsächlich alle sieben bis acht Jahre richtig erneuert wird.

Nun sehen Sie, diese Erneuerung ist ganz besonders wichtig um den Zahnwechsel herum, um das siebente Jahr herum. Warum? Nun, der Körper, den der Mensch von der Geburt bis zum Zahnwechsel trägt, er ist gewissermaßen nur ein Modell, das wir übernehmen von außen, von unseren Eltern, der enthält die Erbkräfte, daran bauen die Vor­fahren mit auf. Nun stoßen wir ihn ab, diesen Körper, im Laufe der ersten sieben Jahre. Und was ist? Ein ganz neuer Körper entsteht; das­jenige, was der Mensch an sich trägt nach dem Zahnwechsel, das wird nicht mehr durch die Vererbungskräfte aufgebaut, das wird ganz allein aus dem Geistig-Seelischen aufgebaut, das heruntersteigt, so daß der Mensch seinen Erbkörper substantiell nur bis zum Zahnwechsel trägt, und während er ihn abstößt, aus seiner Individualität einen neuen auf­baut. Unseren eigenen Körper haben wir eigentlich erst seit dem Zahn-wechsel. Nur geschieht die Sache so, daß der Erbkörper benutzt wird als Modell, und je nachdem das geistig-seelische Leben stark oder schwach ist, je nachdem wird dieses Geistig-Seelische leichter imstande

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sein, mehr individuell vorzugehen gegen das, was als Erbgestaltung da ist, oder es unterliegt der Erbgestaltung, es muß den zweiten Körper formen, wie der erste von den Eltern her geformt ist.

Das also, was gewöhnlich in der Vererbungstheorie vorgebracht wird, ist ja ein Kohl. In dem, was da gewöhnlich vorgebracht wird, setzt man einfach fort die Gesetze des Wachstums bis zum Zahnwech­sel weiter hinaus ins spätere Leben. Aber es ist so, daß dasjenige, was als Vererbung zu gelten hat, nicht weiter gilt als bis zum Zahnwechsel; nun eignet es sich die Individualität an und bildet den zweiten Körper aus.

Wir müssen also unterscheiden gerade beim Kinde zwischen dem Erbkörper und dem, was als Folge des Erbkörpers auftritt in dem individuellen Körper. Der bildet sich nach und nach, der individuelle Körper, den man erst den wahren Menschenpersönlichkeitskörper nennen kann. Und sehen Sie, jetzt kriegt man sozusagen im Alter zwischen dem siebenten und vierzehnten Lebensjahre das stärkste Ar­beiten, dessen die Individualität fähig ist: entweder obsiegt sie den Erbkräften, dann wird der Mensch, indem er durch den Zahnwechsel hindurchgeht und dadurch bemerken läßt, daß er sich herausarbeitet aus den Vererbungskräften, oder aber - das können wir sehr deutlich bemerken und müssen es daher als Erzieher ins Auge fassen -, es unter­liegt die Individualität vollständig den Erbkräften, dem, was im Mo­dell enthalten ist. Dann setzt sich einfach diese Vererbungsähnlichkeit mit den Eltern über das siebente Jahr fort. Das hängt von der Indivi­dualität ab und nicht von den Vererbungskräften. Gerade so wenig wie man sagen kann, wenn mir als Maler jemand etwas vorlegt, um es nachzuahmen, ich aber mächtig ändere, gerade so wenig wie ich da sagen kann, meine Malerei hat der erzeugt, der mir das vorgelegt hat -ebensowenig können wir sagen: Dasjenige, was wir von dem siebenten Jahre ab, was wir nach dem siebenten Jahr an uns tragen, haben wir vererbt bekommen. - Und das muß man sozusagen im geistigen Griffe haben und wissen, wie stark in dem einen oder andern Falle die Indivi­dualität wirkt.

Nun geht der Mensch zwischen dem siebenten und vierzehnten Le­bensjahre durch ein Wachstum und ein Werden hindurch, das möglichst

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stark seine Individualität, die der Mensch heruntergebracht hat, zum Ausdruck bringt. Dadurch ist der Mensch in dieser Zeit gegenüber der Außenwelt relativ abgeschlossen. Man hat gerade in dieser Zeit Ge­legenheit, die wunderbare Entfaltung der Individualkräfte ins Auge zu fassen. Und der Mensch würde später, wenn er diese Entwickelung fortsetzen würde, und wenn er nur mit dieser Entfaltung ins spätere Leben hineintreten würde, ein furchtbar abweisendes Wesen sein, er würde stumpf sein gegenüber der Außenwelt. Aber in dieser Zeit baut er sich schon seinen dritten Körper auf, der mit der Geschlechtsreife zum Vorschein kommt. Der wird wiederum unter Berücksichtigung der Kräfte in der irdischen Umgebung aufgebaut. Dasjenige, was als Beziehung der Geschlechter auftritt, ist nicht das Ganze; das Über­schätzen in dieser Beziehung ist nur eine Folge unserer materialistischen Anschauungen. In Wirklichkeit sind alle Beziehungen zur Außenwelt, die mit der Geschlechtsreife auftreten, im Grunde genommen gleich-geartet. Man sollte daher im Grunde sprechen von einer Erdenreife, nicht von einer Geschlechtsreife, und sollte unter die Erdenreife stellen die Sinnenreife, Atemreife, und eine Unterabteilung sollte auch sein die Geschlechtsreife. So ist der Tatbestand wirklich. Da wird der Mensch erdenreif, da nimmt der Mensch das Fremde wieder in sich hinein, da erlangt er die Fähigkeit, nicht stumpf zu sein gegen die Umgebung. Er wird eindrucksfähig gegenüber der Umgebung. Vorher ist er nicht eindrucksfähig für das andere Geschlecht, aber auch nicht für die übrige Umgebung. Da bildet der Mensch also seinen dritten Leib aus, der wirkt bis zum Beginne der Zwanzigerjahre.

Das, was heruntergestiegen ist aus der geistigen Welt, hat schon ein Ende gefunden durch den Zahnwechsel, hat in den ersten sieben Jahren, bis zum Zahnwechsel, und bis zum zwanzigsten Jahre seine Wirkung getan. Es hat bereits sich gestaltet in den Organen, die dann da sind, und es hat den Menschen individuell reif und erdenreif gemacht. Wenn da nun irgendeine Abnormität im Seelenleben, die sich gemäß des Auf­baues der Organe spiegelt, auftritt, die bedingt ist durch die ganze Ent­wickelung hindurch, dann ist natürlich eine seelische Abnormität wirk­lich da. Wenn aber, nachdem der Mensch das einundzwanzigste Jahr durchgemacht hat, eine Abnormität in der Leber oder einem andern

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Organe auftritt, so ist dieses Organ schon so weit verselbständigt und abgelöst, daß sich das Seelische des Willens unabhängig davon erhalten kann. Das kann um so weniger der Fall sein, je weiter man beim Kinde zurückgeht in seinem Lebensalter. Beim erwachsenen Menschen wird das Seelenleben, weil die Organe schon eine bestimmte Richtung haben, verhältnismäßig selbständig, und eine Organerkrankung wirkt nicht so stark auf das Seelenleben und kann als Organerkrankung behandelt werden. Beim Kinde wirkt noch alles zusammen; ein krankes Organ wirkt noch hinein bis in das Seelenleben, ganz wirksam.

Sehen Sie, die heutigen Krankheiten, welche man gewöhnlich in un­serer heutigen Pathologie diagnostiziert, sind die gröberen Krankheiten. Die feineren Krankheiten sind der Histologie nicht eigentlich zugäng­lich, liegen in dem flüssigen Teile, der ein Organ, zum Beispiel die Leber, durchzieht, in der Bewegung der Flüssigkeit oder sogar in der Bewegung des Gasförmigen, das die Leber durchzieht. Auch die Durch­wärmung eines solchen Organs ist von ganz besonderer Bedeutung für das Seelenleben.

Im kindlichen Organismus hat man also, wenn es sich um einen Wil­lensdefekt handelt, vor allem zu fragen: Mit welchem Organe, mit welcher Organentartung, mit welcher Organerkrankung steht ein sol­cher Willensdefekt in Zusammenhang? - Das ist die wichtigere Frage.

Von so ungeheurerwichtigkeit ist nicht der Denk defekt. Die meisten Defekte sind eigentlich Willensdefekte; denn auch wenn Sie im Denken einen Defekt haben, müssen Sie sorgfältig hinschauen, inwieferne der Denkdefekt ein Willensdefekt ist. Denn, wenn Sie zu schnell oder zu langsam denken, so können die Gedanken ganz richtig sein, es handelt sich nur darum, daß der Wille, der wirkt in der Ineinandersetzung, einen Defekt hat. Man muß hinschauen, bis zu welchem Grade der Wille darinnen steckt. Eigentlich einen Denkdefekt können Sie nur konstatieren, wenn unabhängig vom Willen Deformationen der Ge­danken auftreten, Sinnestäuschungen. Bei der Einstellung zur äußeren Welt treten sie im ganz Unbewußten auf, da wird das Vorstellungsbild selber unregelmäßig. Oder aber wir haben etwas wie Zwangsvorstel­lungen, und daß sie Zwangsvorstellungen sind, hebt sie aus dem Willen heraus. Aber auf das muß man vor allem aufmerksam sein, ob man es

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mit einem Willensdefekt oder Denkdefekt zu tun hat. Die Denkdefekte fallen zumeist schon in das Gebiet des abgesonderten Heilens. Mit den Willensdefekten hat man es meistens zu tun in der Erziehung von un­vollständig entwickelten Kindern.

Nun denken Sie sich aber, wie das ganze Wesen des Menschen hin­einspielt in seine Entwickelung. Sie können es ermessen aus dem, was angeführt ist für diese Entwickelung des Menschen. Man nehme nur die ersten sieben Lebensjahre, da können Vererbungsdefekte vorliegen, dafür kommen wesentlich die Vererbungsdefekte in Betracht. Nun, einen solchen Vererbungsdefekt, den darf man auch nicht in der schau­derhaften Weise ansehen, wie ihn die heutige Wissenschaft ansieht; der fällt uns ja nicht als Zufall zu, sondern er fällt uns als karmische Not­wendigkeit zu. Wir wählen den Körper, der nach der Generationsfolge defekt ist, aus unserer Unkenntnis heraus allerdings in der geistigen Welt. Wo also defekte Vererbungskräfte vorliegen, da lag vor der Kon­zeption eine Unkenntnis der menschlichen Organisation vor. Man muß nämlich, bevor man auf die Erde heruntersteigt, den menschlichen Organismus ganz genau kennen, sonst kann man nicht recht hinein-steigen in den ersten sieben Jahren und ihn nicht recht umwandeln. Und was man also erwirbt an Wissen in bezug auf die innere Organi­sation zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, das ist etwas ganz Unermeßliches gegenüber dem bissel von Wissen, das heute die Physio­logie oder Histologie von außen her erwerben. Das letztere ist ja nichts. Aber dieses Wissen, das wir da haben, das dann untertaucht in den Körper und daher vergessen wird, weil es untertaucht, das wendet sich nicht durch die Sinne nach der Außenwelt. Dieses Wissen, das ist etwas unermeßlich Großes. Dieses Wissen wird aber beeinträchtigt, wenn wir in einem Erdenleben für unsere Umgebung kein Interesse entwickeln, oder an diesem Interesse verhindert worden sind. Denken Sie, irgendein Zivilisationszeitalter sperre die Menschen ein in Räumen, halte sie dar­innen vom Morgen bis zum Abend so, daß sie kein Interesse haben kön­nen für die Außenwelt. Wie wirkt eine solche Zivilisation? Sie schließt die Erkenntnis des Menschen von der Außenwelt ab. Und wenn ein Mensch mit diesem Abgeschlossensein durch den Tod geht und in die geistige Welt wenig Vorbedingung hineinbringt, um in dieser geistigen

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Welt, in der alles enthalten ist, den menschlichen Organismus kennen­zulernen, aufzunehmen, so kommt ein solcher Mensch, wenn er her­untersteigt auf die Erde, mit einer geringeren Kenntnis herunter als einer, der sich einen freien Blick für seine Umgebung erworben hat.

Das andere Geheimnis ist dieses: Sie gehen durch die Welt. Jetzt glauben Sie, wenn Sie so durch die Welt gehen, zum Beispiel einen Tag, jetzt meinen Sie, das ist etwas Geringes: es ist auch etwas Geringes für das gewöhnliche Bewußtsein, es ist aber nichts Geringes für dasjenige, was im gewöhnlichen Bewußtsein das Unterbewußtsein bildet. Denn wenn Sie nur einen Tag durch die Welt gehen und sie genauer an­schauen, so ist das schon die Vorbedingung für die Erkenntnis des Inneren des Menschen. Außenwelt im Erdenleben ist geistige Innenwelt im außerirdischen Leben. Und wir werden davon sprechen, was unsere Zivilisation bewirkt und warum deshalb minderwertige Kinder auf­treten. Diejenigen Menschen, die heute abgeschlossen leben von der Welt, die werden alle einstmals herunterkommen mit Unkenntnis des menschlichen Organismus, und sie werden sich wählen die Vorfahren, die sonst unfruchtbar bleiben würden. Gerade die Menschen, die sonst schlechte Körper liefern würden, werden dann gewählt, während die­jenigen, die gute Körper liefern würden, steril bleiben. Es hängt tat­sächlich von der ganzen Entwickelung eines Zeitalters ab, wie sich beim Heruntersteigen wieder ein Geschlecht aufbaut. Und wenn wir ein Kind ansehen, müssen wir sehen, was da in dem Kinde von dem vorigen Erdenleben lebt. Man muß es verstehen, warum es sich wählt Organe, die nach den Vererbungskräften krankhaft sind, warum es sich wie­derum durch eine unvollständig entwickelte Individualität in diesen Körper hineinarbeitet.

Denken Sie sich, was da für Möglichkeiten gegeben sind bis zum Zahnwechsel hin für das Kind, weil ja nicht immer vollständig adäquat ist das, was herunterkommt, dem, was vorliegt. Da ist die Möglichkeit vorhanden, daß zum Beispiel ein Kind ein gutes Modell hat, das in der Leber gut ausgebildet ist. Weil aber die Individualität unfähig ist, das zu verstehen, was da drinnen liegt, so wird es in der zweiten Lebens-epoche unvollständig nachgebildet, und dann entsteht ein sehr bedeut­samer Willensdefekt. Gerade wenn das Beispiel vorliegt, daß die Leber

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in dieser Weise nach dem Lebermodell unvollständig nachgebildet wird, dann entsteht ein Willensdefekt, der sich äußert dadurch, daß das Kind will, aber es geht nicht über zum Ausführen des Willens, es bleibt das Wollen im Gedanken stecken. Das Kind fängt auch gleich an, etwas anderes zu wollen, wenn es etwas angefangen hat, und es stockt das Wollen, es spießt sich das Wollen. Denn die Crux ist, daß die Leber nicht bloß das Organ ist beim Menschen, das die heutige Physiologie beschreibt, sie ist im eminentesten Sinne dasjenige Organ, das dem Menschen die Courage gibt, eine ausgedachte Tat in eine wirklich aus­geführte umzusetzen. Also wenn es geschieht, daß ich so organisiert bin als Mensch, daß da ein Tram wegfährt, ich weiß, ich soll nach Basel fahren - es gibt solche Menschen - ich bin schon da: im letzten Moment kann ich nicht aufsteigen, es will mich etwas zurückhalten, ich komme nicht dazu, aufzusteigen! - Sehen Sie, so etwas enthüllt sich manchmal auf eine merkwürdige Weise, wenn eine Stockung des Willens auftritt. Wenn aber so etwas auftritt, dann liegt immer ein feiner Leberdefekt vor. Die Leber vermittelt immer das Umsetzen der vorgenommenen Ideen in die durch die Gliedmaßen durchgeführten Handlungen. So ist jedes Organ dazu da, irgend etwas zu vermitteln.

Sehen Sie, mir wurde mitgeteilt, daß ein gewisser junger Mann diese Krankheit wirklich hatte, daß wenn er in der Nähe eines Tramwagens stand, daß er plötzlich stehenblieb und nicht einstieg. Kein Mensch wußte, warum er nicht einstieg. Er wußte auch nicht, warum. Er blieb stehen. Der Wille stockt. Nun, was lag da vor? Eine sehr komplizierte Sache. Der Vater des Betreffenden war Philosoph, hat in einer merk­würdigen Weise die Seelenfähigkeiten eingeteilt in Vorstellen, Urteilen und in die Kräfte der Sympathie und Antipathie, und rechnete unter die Seelenkräfte nicht den Willen. Der Wille fiel heraus aus der Auf­zählung der Seelenkräfte. Er zählte nie den Willen auf, wenn er die Seelenkräfte aufzählte. Er wollte aber ehrlich sein. Er wollte nur das geben, was sich im Bewußtsein darstellte. Nun hatte er es so weit ge­bracht, daß das ihm ganz Natur war, keine Vorstellung vom Willen zu haben. Nun kriegte er in verhältnismäßig spätem Alter einen Sohn. Er, der Vater, hatte durch ewiges Nicht-Denken des Willens der Leber die Anlage eingepflanzt, die subjektiven Intentionen nicht umzusetzen

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in die Tat. Beim Sohne trat das als Erkrankung auf. Und da können Sie sehen, warum auch dieses Sohnes Individualität gerade diesen Vater gewählt hat: weil sie nichts anzufangen wußte mit der inneren Organi­sation der Leber. Da hatte sie sich eine Konstitution gewählt, bei der sie sich nicht bemühen mußte um die Leber. Denn die Leber war eben ohne diese Funktion, die der Betreffende nicht mit heruntergebracht hatte. Sie sehen also: in einer ganz merkwürdigen Weise muß man hin­einschauen auch in das Karma, wenn man das Kind verstehen will.

Das wollte ich zunächst heute einmal sagen, und wir wollen dann morgen um dieselbe Stunde weiterfahren.

ZWEITER VORTRAG Dornach, 26.Juni 1924

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ZWEITER VORTRAG

Dornach, 26.Juni 1924

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Ich machte gestern aufmerksam - wir wollen versuchen, die Dinge sozusagen aus den Fundamenten heraus zu arbeiten, um dann auf das Praktische einzugehen -, wie das gewöhnliche oberflächliche Seelen-leben nur als Symptomenkomplex aufgefaßt werden darf. Wenn man auf den eigentlichen Tatbestand, der irgendeiner sogenannten Geistes­krankheit oder sogenannten Geistesschwäche bei irgendeinem Kind zugrunde liegt, kommen will, so sieht man, daß ja alle geistigen Be­trachtungsweisen heute daran leiden, daß die oberflächlichen Seelen-zustände einfach beschrieben werden und dann der Übergang zu dem, was tiefer liegt, also zu dem Gebiete, wo das eigentliche Seelenleben, wie wir gestern gesehen haben, arbeitet, nicht gefunden werden kann. Nun kann hier nicht eingegangen werden auf die Art und Weise, wie man bei erwachsenen Geisteskranken sich zu verhalten hat, wobei ja immer in allem Verhalten etwas Problematisches ist. Aber was möglich ist, bei Kindern zu machen, das muß alles in diesen Stunden vor unsere Seele treten. Wie wenig nun dabei das oberflächliche Seelenleben - wo­bei ich oberflächlich nicht abträglich, sondern nur örtlich meine -, wie sehr die Betrachtung des oberflächlichen Seelenlebens irreführen kann, dafür möchte ich Ihnen einleitungsweise ein krasses Beispiel vorführen, das gerade für Ihre Aufgabe von besonderer Bedeutung sein wird.

Sehen Sie, es gibt heute einen ehemaligen Staatsanwalt Wulffen. Der hat sich vom Standpunkte der Kriminalpsychologie mit allerhand gei­tigen Abnormitäten beschäftigt und dicke Bücher über dieses Gebiet geschrieben. Wie kommt ein solcher Mensch, der zunächst nicht von der Medizin ausgeht, zu seinen Auseinandersetzungen? Er hat natür­lich ein reiches Gebiet von abnormem Seelenleben kennengelernt in seinem Amt als Staatsanwalt, läßt sich dann wohl im reiferen Alter darauf ein, allerlei medizinische Dinge kennenzulernen, verbindet dann das, was er in seinem Berufe erfahren hat, mit dem, was er sich dann auf diese Weise später erlesen hat und bildet sich daraus eine Theorie, die einfach heute entstehen muß aus den sogenannten wissenschaftlichen

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Vorbedingungen. Denn entweder nimmt man die ganze Sache ernst, dann kommt so etwas heraus, wie es bei Wulffen herauskommt, oder man nimmt sie nicht ernst, dann ist man genötigt, von anthropo­sophischen Gesichtspunkten auszugehen. Ein eigentlicher Mittelweg ist immer ein sehr bedenklicher Kompromiß.

Nun hat dieser Staatsanwalt Wulffen in Zürich jüngst einen Vor­trag gehalten, und zwar auf diesem Gebiet der Kriminalpsychologie, worin er gesprochen hat über abnormes Seelenleben. Es ist wichtig, solch eine Sache ins Auge zu fassen, denn Sie sind ja diesem in jedem Momente ausgesetzt. Wenn Sie heute nachdenken über das, was Sie gelernt haben, wenn Sie ein wissenschaftliches Buch in die Hand neh­men, wenn Sie irgendein Buch aus der wissenschaftlichen Denkungsart in die Hand nehmen, so finden Sie überall die Denkformen und die Denkweise, die hier bei diesem Staatsanwalt nur in besonders radikaler Art zum Ausdruck kommt, so daß man also wissen muß, wohin gerade auf dem Gebiete des sogenannten abnormen Seelenlebens notwendiger­weise die heutige Wissenschaft führen muß. Bevor ich Ihnen den Zei­tungsabschnitt vorlese, mache ich Sie darauf aufmerksam, daß der Staatsanwalt noch immer eine viel größere Kapazität ist, daß Wulffen mehr Recht hat als der Journalist, der darüber schreibt. Der kann sich nur darüber lustig machen, weil er heute, Gott sei Dank, noch das Publikum hinter sich hat gegen die Psychiatrie und die Kriminal­psychologie. Natürlich gilt doch, daß in diesem Falle der Ton, in dem berichtet wird, nichts für Sie bedeuten soll, denn der Journalist ist trotzdem im Verhältnis zu Wulffen der viel Unfähigere, kann sich nur lustig machen über die Sache, aber er ahnt dabei gar nicht, daß da das Lustigmachen über die heutige Wissenschaft geht und nicht über Wulffen. Denn eigentlich müßte die Wissenschaft, in der Wulffen dar­innensteht und aus der er schöpft, überall in einer solchen Weise spre­chen, wenn sie aufrichtig und ehrlich wäre. Nun, jetzt lassen wir uns, weil es uns ja angeht, gerade diesen Zeitungsabschnitt einmal vor die Seele treten. Er ist überschrieben: «Schiller unter der Psychoanalyse des Staatsanwaltes.» Es müßte überschrieben werden eigentlich mit:

«Friedrich Schiller unter der Psychoanalyse der heutigen Psychologie oder Psychopädagogik.»

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«Mit Fritz Schiller, vermögenslos, schwäbischer Herkunft, weiland Geschichtsprofessor in Jena und Verfasser verschiedener Revolutions­stücke, ging letzten Freitag, den 29. Februar 1924, der weit über seine Fachkreise hinaus bekannte und geschätzte Dresdener Staatsanwalt Dr. E. W. Wulffen in glänzend aufgebauter Rede über ins Gericht und erzielte vor zahl-reichem Auditorium des Zürcher Juristenvereins einen um so nachhal­tigeren Erfolg, als der Angeklagte todeshalber der Versammlung nicht beiwohnen konnte und vielleicht nur mit unsichtbarer Hand auf das wies, was sie bei Lebzeiten niederschrieb.

Herr Staatsanwalt Wulffen seinerseits ging mit wohlverzahnten Aus­führungen vor; die Beweisführung klappte widerspruchslos; sogar die private Korrespondenz Schillers hatte der Staatsanwalt beschlagnahmt, wollte sagen, gelesen, und siehe da: unter der Assistenz Dr.Wulffens fiel es der Versammlung wie Schuppen von den Augen: die Liebe unseres Volkes zu Schiller und die der Jugend zu ihm wird in ihren häßlichen Wurzeln bloßgelegt: Schiller ist populär wegen der ihm eingeborenen Grausamkeit, die ihm ein Schwelgen in der düstern Pracht des Furcht­baren besonders nahelegt und ihn zu Balladen treibt, wie , , , , , wo beispielsweise in den Hohn-worten: die aus dem Kampf Schillers mit seinem siechen Körper ständig genährte Grausamkeit bedeutsam zutage tritt. Und Schillers Tragödien, in denen der Zuschauer Furcht und Mitleid erregt wird, weshalb sind sie so bühnenwirksam? Weil sie an latente Verbrecherqualitäten des Publikums appellieren und ein ungefährliches Abreagieren gefährlicher [nstinkte ermöglichen.

Das alles sagt Herr Staatsanwalt Wulffen und gibt sich zum Schluß als überzeugter Verehrer Schillers zu erkennen; er schließt sogar mit Goethes Epilog zur : Gott schütze uns vor unsern Freunden!

Freilich, Herr Staatsanwalt Wulffen billigt Schillern trotz erdrük­kender Beweislast mildernde Umstände zu: sein Freiheitsgefühl, das aus frühzeitiger Unterdrückung und wohl im Anschluß an einen Min­derwertigkeitskomplex jäh aufloht in den und sich mählich

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läutert, um endlich im eine Revolution auf dem Boden der Ord­nung zu verherrlichen. - Im übrigen sei Schillers Einstellung zu Gut und Böse wesentlich von ästhetischen Gesichtspunkten aus erfolgt und, wie schon gesagt, die Schlagadern, die Schillers Dichtung nähren, sind von Herrn Dr. Wulffen rasch gefunden und definiert: Grausamkeit und Freiheitsdrang. Der Kampf mit diesen Trieben, die er in der Dich­tung ausgelebt hatte, habe Schiller den Weg zur Vollendung geführt.» Hier haben Sie den Minderwertigkeitskomplex, in seiner Kindheitszeit natürlich.

Nun, nicht wahr, man muß sich über das eine klar sein: was heraus­kommen würde, wenn die heutige Wissenschaft in die Pädagogik über­gehen würde und dann Pädagogen nach dem Schlage dieser Wissen­schaft in diesen Schulen lehren würden, wo etwa solch ein Schiller säße. Das muß man sich ganz klipp und klar vor die Augen stellen.

Nun nehmen Sie das alles zusammen, was ich gestern gesagt habe, so würden Sie eben sehen, daß, wie gesagt, gerade wie man in andern Krankheitsfällen aus eben andern Orientierungssymptomen auf den eigentlichen Tatbestand nur zurückschließen kann, so kann man auch aus dem, was das Seelenleben darstellt, Denken, Fühlen und Wollen auf den eigentlichen Tatbestand zurückschließen beziehungsweise zurück­schauen. Und wir haben ja an dem Beispiele der Leber gesehen, wie der Ursprung einer seelischen Abnormität, daß der betreffende Kranke nicht kommen kann von der Intention, irgend etwas zu tun, zur wirk­lichen Tat, wie der eigentliche Grund in irgendeiner feineren Abnor­mität der Leber gesucht werden muß und daß von da aus die Behand­lung, sowohl die erzieherische als therapeutische Behandlung in Angriff genommen werden muß.

Nun müssen wir, bevor wir auf das einzelne Praktische eingehen, noch einmal auf das kindliche Seelenleben zurückblicken. Wir haben ja auf der einen Seite gesehen, wie der Körper in den ersten sieben Lebensjahren ein Modell darstellt, nach dem sich die Individualität den zweiten Körper, der die Funktionen verrichtet zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, herausarbeitet. Wenn die Individualität stärker ist als dasjenige, was in den Erbeigenschaften darinnen ist, so wird das Kind im Verlaufe des Zahnwechsels die Erbeigenschaft mehr oder

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weniger überwinden und wird als Individualität auch äußerlich kör­perlich in seiner ganzen Seelenverfassung erscheinen. Ist aber die Indi­vidualität des Kindes schwach, so wird sie durch die Erbeigenschaften unterdrückt, sie betrachtet das Modell so, daß ein sklavischer Abguß des Modells sichtbar körperlich erscheint. Und man wird von vererb­ten Eigenschaften im eigentlichen Sinne reden können. Denn es ist zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife alles so, wie es aus der Individualität heraus kommt. Die vererbten Eigenschaften treten des­halb hervor, weil die Individualität zu schwach war, sie zu überwinden, um in ihrem Sinne nach dem Karma zu arbeiten. Deshalb erscheint der eigentliche Karmaimpuls übertönt von dem, was als vererbte Eigen­schaften herauskommt.

Nun, sehen Sie, meine lieben Freunde, wir müssen jetzt gleichsam auch wie eine generelle Symptomatologie ins Auge fassen, wie sich das Denken in seiner Entwickelung verhält zu der Entwickelung des Wil­lens beim Kinde. Sie haben schon gestern gesehen, in welchem Sinne man dies nur als symptomatisch betrachten kann. Sie haben gesehen, daß dem Denken, wie es sich äußert im oberflächlichen Seelenleben, eine synthetische Tätigkeit zugrunde liegt, die in dem Erbauen und Durchorganisieren des Gehirns liegt, und daß der Willensäußerung zu­grunde liegt eine analytische Tätigkeit, eine auseinanderhaltende Tätig­keit, die den Organen, namentlich dem Stoffwechsel-Gliedmaßen­menschen zugrunde liegt.

Nun fassen wir zunächst das Denken ins Auge mit der zugrunde liegenden synthetischen Tätigkeit des Gehirns. So müssen wir uns dar­über klar sein, was Gedanken eigentlich sind. Denn Gedanken treten ia stückweise immer in den kindlichen Organismus herein. Auch der erwachsene Mensch hat das, was überhaupt ein Mensch denken kann, mehr oder weniger in Fragmenten um sich. Der eine hat eine größere Fülle von Gedanken, der andere eine geringere. Aber was sind denn eigentlich Gedanken? Die heutige Anschauung, die dann in den Wulffenianismus ausartet, die sieht in den Gedanken etwas, was im Menschen entwickelungsgemäß stufenweise entsteht. Und wenn auch halt der Mensch dazu kommt, solche Gedanken zu haben, die in der Welt taugen, so sagt man: Er hat eben diese Gedanken aus sich heraus

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entwickelt. - Nun wird man, wenn man den Menschen mit anthropo­sophischer Anschauung wirklich prüft, gar nicht dazu kommen, irgend etwas in ihm zu entdecken, woraus Gedanken entstehen. Alle Unter­suchungen, die dahin zielen, zu prüfen, woraus Gedanken entstehen könnten, die sind so vor der Geisteswissenschaft, als wenn jemand täg­lich morgens von irgendwoher einen gefüllten Milchtopf gestellt be­käme, einen Topf mit Milch (siehe Abbildung 3), und eines Tages aus seiner Gescheitheit heraus anfangen würde nachzudenken, in welcher Weise der Ton, aus dem der Milchtopf geformt ist, jeden Morgen die Milch aus sich hervorbringt. Man wird im Ton, aus dem der Milchtopf geformt ist, niemals etwas finden, woraus die Milch hervorgehen könnte. Nun stellen wir uns vor, irgendein Dienstmädchen, nein, sagen wir, eine aus dem Gouvernantenstande heraus aufgestiegene moderne Hausfrau - wenn auch das fast unmöglich ist -, nicht wahr, es könnte aber einmal vorkommen, daß jemand niemals wahrgenommen hätte, wie die Milch in den Milchtopf hereinkommt: man würde eine solche Persönlichkeit für dumm halten, die nachdenken könnte darüber, wie aus dem Ton die Milch heraussickert, wie das bewirkt wird. Ja es ist wirklich eine Hypothese, die sich selbst ad absurdum führt, wenn man annimmt, daß mit Bezug auf den Milchtopf jemand zu dieser Ansicht kommt. Die Wissenschaft in bezug auf das Denken kommt zu dieser Hypothese. Sie ist so dumm, sie ist ganz zweifellos so dumm. Denn wenn man ans Untersuchen mit allen Mitteln herankommt, die die Geisteswissenschaft bietet, von denen nun schon seit mehr als zwanzig Jahren gesprochen wird, wenn man mit den Mitteln herangeht, so fin­det man in alldem, was menschliche Organisation ist, auch nichts, was Gedanken hervorbringen könnte. Das gibt es einfach nicht. Geradeso wie die Milch in den Milchtopf hereingegossen werden muß, damit sie darinnen ist, so müssen die Gedanken in den Menschen hineinkommen, damit sie darinnen sind.

Und woher kommen sie im Leben, das zunächst in Betracht kommt zwischen Geburt und Tod? Wo sind sie? So wie das Hervorgehen der Milch erforscht werden kann, so müßten Sie finden, wo die Gedanken sind. Wo sind diese Gedanken? Nun sehen Sie, wir sind umgeben von der physischen Welt. Aber auch von der ätherischen Welt, aus der ja

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unmittelbar, bevor wir heruntersteigen zu unserer physischen Inkar-nation, der menschliche Ätherleib genommen wird. Der menschliche Ätherleib wird ja aus dem allgemeinen Weltenäther genommen, der durchaus überall vorhanden ist. Nun, dieser Weltenäther, meine lieben Freunde, der ist in Wirklichkeit der Träger der Gedanken. Dieser Wel­tenäther, den alle gemeinsam haben, er ist der Träger der Gedanken, da sind die Gedanken darinnen, da sind jene lebendigen Gedanken eben darinnen, von denen ich Ihnen immer gesprochen habe auch in anthroposophischen Vorträgen, daß der Mensch ihrer teilhaftig ist im vorirdischen Leben, bevor er auf die Erde heruntersteigt. Das alles, was überhaupt an solchen Gedanken vorhanden ist, ist im lebendigen Zustande im Weltenäther darinnen und wird niemals entnommen aus dem Weltenäther im Leben zwischen Geburt und Tod, niemals, sondern alles, was der Mensch an lebendigem Gedankenvorrat in sich enthält, empfängt er dann in dem Augenblick, wo er aus der geistigen Welt heruntersteigt, also sein eigenes lebendiges Gedankenelement verläßt, wenn er heruntersteigt und sich seinen Ätherleib bildet. Dadrinnen sind noch die lebendigen Gedanken, in dem, was am Menschen bildet und organisiert.

Wenn ich also das Schema von gestern noch einmal mache (siehe Abbildung 4), wenn Sie hier den Menschen sehen, wenn wir hier das symptomatische Seelenleben, Denken, Fühlen, Wollen haben, wenn wir dahinter haben das Seelenleben, das wirkliche Seelenleben, so haben wir einen Teil des wirklichen Seelenlebens in den Gedanken. - Und diese Gedanken, die wir aus dem allgemeinen Weltenäther heraus­nehmen, die bilden uns vorzugsweise unser Gehirn und im weiteren Sinne unser Nerven-Sinnessystem. Das ist das lebendige Denken, das bildet uns das Gehirn zum Abbauorgan, zu dem Organ, das gewisser­maßen in folgender Art die Materie behandelt.

Wenn wir hinausschauen auf die Umgebung, da haben wir die Sub­stanz des Irdischen um uns herum, in ihren verschiedenen Prozessen und Wirkungsarten. Diese Prozesse, die da in der Natur leben, die werden stufenweise abgebaut von der Tätigkeit des lebendigen Den­kens, so daß fortwährend hier (siehe Abbildung 4) abgebaut wird, das heißt, die Prozesse gestoppt werden, die die Naturprozesse sind. Also

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im Gehirn wird der Anfang damit gemacht, daß die Naturprozesse gestoppt werden und die Materie fortwährend in Absonderung her­ausfällt. Die herausgefallene Materie, die also ausgeschiedene und un­brauchbar gewordene Materie: das sind die Nerven. Und diese Nerven bekommen dadurch, daß sie in dieser Weise vom lebendigen Denken bearbeitet werden, bekommen dadurch, daß sie fortwährend ertötet werden, eine Fähigkeit, die der Spiegelungsfähigkeit ähnlich ist. Da­durch bekommen sie die Fähigkeit, daß sich durch sie die Gedanken des umliegenden Äthers spiegeln, und dadurch entsteht das subjektive Denken, das oberflächliche Denken, das nur in Spiegelbildern besteht, das wir in uns tragen zwischen Geburt und Tod. Wir werden also da­durch, daß wir das lebendige Denken in uns wirkend tragen, fähig gemacht, der Welt unser Sinnes- und Nervensystem entgegenzustellen, die Eindrücke, die im umliegenden Äther leben, in Spiegelbildern zu erzeugen und in unser Bewußtsein zu schmeißen. So daß also dieses Denken und Vorstellen des oberflächlichen Seelenlebens nichts anderes ist, als der Reflex der im Weltenäther lebenden Gedanken.

Nun, wenn Sie sich selber mit Ihrem Spiegelbild vergleichen, so wer­den Sie darauf kommen, daß Sie etwas anderes sind als das Spiegelbild. Ebenso können Sie die Gedanken mit ihren Spiegelbildern vergleichen und bekommen dadurch das tote Denken, wie das Spiegelbild tot ist Ihnen gegenüber, der Sie als Lebender vor dem Spiegelbild stehen. Es kann ein verzerrter, ein unlogischer, ein verrückter Gedanke niemals im Weltenäther vorhanden sein. Die Gedanken aber, welche das ge­wöhnliche, das oberflächliche Seelenleben enthält, sind ja nur die Spie-gelungen der Gedanken im Weltenäther. Woher kann nun ein verrück­ter, ein querköpfiger Gedanke kommen? Dadurch, daß der Spiegel, all dasjenige, was da entstanden ist im Aufbau des Gehirns, nicht in Ordnung ist. Also handelt es sich darum, daß wir in richtiger Weise den Weg zurückfinden von den verzerrten Gedanken zu dem, was im menschlichen Gehirn beziehungsweise im Sinnes-Nervensystem eigent­lich wirkt, was der Mensch sich aufgebaut hat aus dem wirklichen lebendigen Gedankenleben heraus. Daraus ersehen Sie, daß es sich eigentlich ungeheuer stark darum handeln wird, daß wir von dem Be­wußtsein ausgehen: an den Gedankeninhalt selber, an die eigentlichen

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Gedanken können wir gar nicht herankommen, denn die sind ja im Weltenäther in ihrer absoluten Richtigkeit vorhanden.

Wir müssen nun alles versuchen, damit der Zögling, der uns angeht, der uns übergeben ist, in der richtigen Weise an diesen Weltenäther herankommen kann. Wir werden das nie tun, wenn wir nicht wirklich gefühlsmäßig als Erzieher durchdrungen sind davon, daß die allrichtig waltende Gedankenlebendigkeit im Weltenäther enthalten ist. Ohne daß wir diese kosmische religiöse Einstellung haben, werden wir un­möglich dazu vorrücken können, die richtige Haltung gegenüber dem Kinde zu entwickeln. Und auf diese Haltung kommt es an. Und ich will Ihnen beweisen, warum es auf die Haltung ankommt.

Was ist es denn, was auf das Kind wirkt, was in dem Kinde lebt, wenn es zu verzerrten Gedanken kommt, und was ist es, was vom Er­zieher aus in einem solchen Fall auf das Kind wirken kann? Sehen Sie, aus dem, was ich gesagt habe, können Sie entnehmen, daß der Äther­leib nicht in der richtigen Weise geformt worden ist, wenn so etwas zugrunde liegt. Auch wenn der Mensch aus dem vorirdischen Dasein heruntersteigend ankommt, sind natürlich nur richtige Gedanken im Weltenäther, aber diese richtigen Gedanken müssen aufgenommen werden von demjenigen, der sich in seinen Ätherleib einkleidet.

Nun gehen wir noch einmal zu unserem Milchtopf zurück. Die Milch, wir können von ihr nicht sagen, daß sie irgendwie falsch ge­formt ist: sie nimmt die Form eben an, die ihr durch die Umhüllung gegeben werden kann. Wenn wir ein vernünftiges Gefäß haben, so haben wir die Milch darin vernunftig untergebracht. Nehmen wir an, einem Querkopf, der recht querköpfig wäre, dem fiele es ein, ein Milch-gefäß so zu formen (siehe Abbildung 3), und jetzt gießt er die Milch hinein, da kann sie nicht herunter. Nun rechnet er aber, und wenn er den Kubikinhalt ausrechnet, dann rechnet er das - den unteren Teil -hinzu. Das ist der extremste Fall. Man kann nach allen Richtungen das Milchgefäß ungeschickt machen. Man kann es zum Beispiel so machen, daß es umfällt und von dreißig Monatstagen dadurch, daß man den Boden ungeschickt gemacht hat, an siebenundzwanzig Tagen die Milch ausfließt. Also es handelt sich darum, daß die Milch so sein wird in dem Gefäß, wie das Gefäß ist. Der Ätherleib mit all seiner

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Lebendigkeit ist so in dem Menschen, wie der Mensch aus dem vor-irdischen Dasein mit seinem Karma ankommt und den Ätherleib in sich aufnehmen kann. Dessen müssen wir uns bewußt sein.

Nun, da ist es gar nicht so unmöglich, daß der Mensch ankommt durch sein Karma mit etwas, das gar nicht unähnlich sieht diesem Milchgefäß. Wenn er zum Beispiel so ankommt, daß er seinem Karma gemäß das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem nicht ordentlich durch­dringen kann, so wird dieses in kümmerlicher Weise mit dem Ätherleib versorgt, und der Mensch hat dann seinen Ätherleib in der Kopfgegend ordentlich ausgebildet, er hat ihn in der Unterleibsgegend und Glied­maßengegend schlecht ausgebildet. Er ist leer von den formenden Ge­danken an diesen Stellen. So daß wir uns vor allen Dingen darüber klar sein müssen, daß wir einen mangelhaft ausgebildeten Ätherleib bei zahlreichen seelisch minderwertigen Kindern vorliegend haben. Und fragen müssen wir uns: Was wirkt auf einen Ätherleib, der in den Ent­wicklungsjahren der Kinder vorhanden ist, was wirkt auf einen Äther-leib?

Da tritt uns eben ein pädagogisches Gesetz entgegen, das ja in aller Pädagogik erscheint. Das ist dieses, daß wirksam ist in der Welt auf irgendein Glied der menschlichen Wesenheit, wo es auch immer her­kommt, das nächsthöhere Glied, und daß es nur dadurch wirksam zur Entwickelung kommt. Zur Entwickelung auf den physischen Leib kann wirksam sein ein im Ätherleib Lebendes, in einem ätherischen Leib Lebendes. Zur Entwickelung auf einen Ätherleib kann nur wirksam ein in einem astralischen Leib Lebendes sein. Zur Entwickelung auf einen astralischen Leib kann wirksam nur ein in einem Ich Lebendes sein. Und auf ein Ich kann wirksam sein nur ein in einem Geistselbst Lebendes. Ich könnte es noch weiter fortführen über das Geistselbst hinaus, aber da würden wir schon in die Unterweisung des Esoteri­schen hineinkommen.

Was heißt das? Wenn Sie gewahr werden, daß in einem Kinde der Ätherleib in irgendeiner Weise verkümmert ist, so müssen Sie Ihren eigenen astralischen Leib so gestalten, daß er korrigierend auf den Ätherleib des Kindes wirken kann. Wir können geradezu sagen, mit Bezug auf das Erziehungsschema kann hierher geschrieben werden:

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Kind: physischer Leib Erzieher: Ätherleib

Ätherleib astralischer Leib

Astralleib Ich

Ich Geistselbst

Der eigene Ätherleib des Erziehers muß - und das muß durch seine Seminarvorbildung geschehen -, er muß auf den physischen Leib des Kindes wirken können. Der eigene astralische Leib muß auf den Äther­leib des Kindes wirken können. Das eigene Ich des Erziehers muß auf den Astralleib des Kindes wirken können. Und jetzt werden Sie inner­lich sogar erschrecken, denn hier steht das Geistselbst des Erziehers, von dem Sie glauben werden, daß es nicht entwickelt ist. Das muß auf das Ich des Kindes wirken. Aber das Gesetz ist so. Und ich werde Ihnen zeigen, inwiefern tatsächlich nicht bloß im Idealerzieher, son­dern oftmals im allerschlechtesten Erzieher das Geistselbst des Er­ziehers, das ihm selber gar nicht zum Bewußtsein kommt, auf das Ich des Kindes wirkt. Das Erziehungswesen ist in der Tat in eine Reihe von Mysterien eingehüllt.

Aber jetzt geht uns auf, daß auf den verkümmerten Ätherleib des Kindes der gesundende astralische Leib des Erziehers wirken muß. Und sehen Sie, wie kann mit Rücksicht gerade auf diese Dinge der Astral­leib des Erziehers erzogen werden, selbsterzogen werden, wie es ja heute noch sein muß? Denn Anthroposophie kann heute nur Anregung geben, nicht für alles gleich Seminare begründen. Der eigene Astralleib des Erziehers muß so beschaffen sein, daß er ein instinktives Verständ­nis hat für die Verkümmerungen im Ätherleibe des Kindes.

Nehmen wir an, es sei in der Lebergegend des Kindes der Ätherleib verkümmert. Dadurch wird in dem Kinde die Erscheinung hervor­gebracht, daß es mit seinen Intentionen dasteht, immer will, aber dieses Wollen ihm immer vor der Tat stoppt. Wenn nun der Erzieher inner­lich sich ganz hineinfühlen kann in diese Lage, daß man mit seinem Willen sich durchdrücken muß in die Tat, wenn man mitfühlen kann dieses Stoppen und zu gleicher Zeit entwickeln kann aus seiner eigenen Energie heraus ein tiefes Mitleid mit diesem so innerlich Erlebten, dann bildet man im eigenen Astralleib das Verständnis aus für diese Lage

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des Kindes, und man wird nach und nach dazu kommen, jede Spur von Sympathie oder Antipathie mit dieser Erscheinung bei dem Kinde in sich auszutilgen. Dadurch, daß der Erzieher die Sympathie und Anti­pathie in sich austilgt, dadurch wirkt er erzieherisch auf seinen eigenen Astralleib Solange man mit einer solchen Eigenschaft des Kindes, daß es zum Beispiel gehen will und nicht gehen kann - das kann bis in pathologische Zustände hineingehen, das kann in auffällige Zustände hineingehen; es geht immer in pathologische Zustände hinein, bis, ich möchte sagen, bis in ganz auffällige pathologische Zustände, die man so bezeichnet, daß man sagt, das Kind kann nicht gehen lernen -, so­lange man damit Sympathie oder Antipathie hat, wenn es in gelindem Maße auftritt, solange man in Erregung kommen kann dabei, so lange kann man eigentlich noch nicht wirksam erziehen. Erst dann, wenn man es so weit gebracht hat, daß einem eine solche Erscheinung zum objektiven Bild wird, daß man sie mit einer gewissen Gelassenheit als objektives Bild nimmt und nichts anderes dafür empfindet als Mitleid, dann ist die im astralischen Leib befindliche Seelenverfassung da, die in richtiger Weise den Erzieher neben das Kind hinstellt. Und dann wird er alles übrige mehr oder weniger richtig besorgen. Denn, meine lieben Freunde, Sie glauben gar nicht, wie gleichgültig es im Grunde genommen ist, was man als Erzieher oberflächlich redet oder nicht redet, und wie stark es von Belang ist, wie man als Erzieher selbst ist.

Wie aber kommt man zu einem solchen Verständnis? Zu einem sol­chen Verständnis kommt man eben dadurch, daß man ein größeres und immer größeres Interesse entwickelt für das Mysterium der mensch­lichen Organisation überhaupt. Dieses Mysterium, dieses Interesse für die menschliche Organisation überhaupt, das fehlt ja der heutigen Zi­vilisation vollständig. Daher weiß die heutige Zivilisation eines nicht. Die heutige Zivilisation sieht hin auf einen, sagen wir, schwer Geistes­kranken [Lücke im Text]. Selbstverständlich, die Dinge gehen ja nicht anders, die Dinge können ja nur innerhalb der Zivilisation sich ab-spielen, daher können die Dinge, die wir begreifen sollen, auch nicht in dieser Art, wie wir sie im Begreifen hinstellen, von uns selbst in jedem einzelnen Fall ausgeführt werden. Deshalb ist es von großer Wichtigkeit, daß unter Ihnen nicht Fanatiker sitzen, nicht Leute sitzen,

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die von Anfang an fanatisch sind, und die nicht verstehen die Trag­weite einer Wahrheit zu nehmen in bezug auf die Dinge, die esoterisch ins praktische Leben eingreifen sollen. Daher kann man heute die Kreise, in denen man die Dinge mitteilt, nicht eng genug ziehen, weil der Mensch der heutigen Zivilisation nicht einsehen kann, warum es notwendig ist, daß man in zahlreichen Fällen sich nicht nach der Richt­schnur richten kann. Aber wissen muß man es und dann streben nach der Vernünftigkeit, und sie dort anwenden, wo sie doch anzuwenden ist, und - das wird bei der Erziehung der Fall sein, bei minderwertigen Kindern - sie in den entsprechenden Grenzen anzuwenden. Den er­wachsenen Geisteskranken gegenüber können Sie sie nicht anwenden, weil sich da etwas Unsachliches hineinmischt, die Polizei. In dem Au­genblicke, wo man es in einer solchen Angelegenheit mit andersgearte­ten Impulsen zu tun hat als mit solchen, die aus der Sache folgen, wenn man es mit der Gesetzgebung zu tun hat, ist die Sache nicht durchführ­bar. Denn die Gesetzgebung ist ein Generelles und kann nicht für das Individuelle angewendet werden, sie kann nur allgemein sein. Die Jurisprudenz ist in allen Fällen für die Behandlung von abnormen Menschen ein wirklicher Giftstoff. Aber der stehen Sie doch gegenüber. Sie können nicht in fanatischer Weise die Dinge anwenden, Sie müssen sie einfließen lassen in das Leben in der Weise, wie es geht, wie es eben möglich ist.

Nehmen Sie etwa an, Sie haben einen Menschen, von dem man sagt, er sei schwer geistig krank, und Sie können so, wie es heute üblich ist, psychographisch, das heißt in den Symptomen, beschreiben: Er macht die allerverrücktesten Sachen - nach der Ansicht, die eben bestehen muß. Ja, darüber denkt doch der Mensch der heutigen Zivilisation gar nicht nach, was da vorliegt, er denkt nicht nach. Sehen Sie, dasjenige, was da vorliegt, ist dieses: Dieser Mensch, der heute also als ein ganz verrückter sich auslebt, der kann unter Umständen eine sehr bedeu­tende Inkarnation gewesen sein in früheren Zeiten, in genialischer Weise sich in früheren Zeiten ausgelebt haben irgendeinmal. Aber sagen wir, dieses geniale Ausleben wäre in einer zweiten zurückliegen­den Inkarnation dagewesen (siehe Abbildung 5). Dann ware eine an­dere Inkarnation gefolgt, in der man den betreffenden Menschen in

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verhältnismäßig frühem Alter eingekerkert hat, so daß er gar nicht mit der Welt in Beziehung gekommen ist. Dann ist er durch den Tod ge­gangen und hat weitergelebt. Dann ist er als verrückter Mensch wieder­erschienen. Gerade deshalb, weil das, was er in der Inkarnation auf­genommen hat, vollständig außer dem Bereich des Erlebens des physischen und ätherischen Leibes geblieben ist, deshalb hat er nicht Gelegenheit gehabt, es zu verarbeiten, und er kommt daher in völliger Unkenntnis des Inneren des menschlichen Leibes zur Inkarnation, er kann nicht hinein in den physischen Leib und Ätherleib, bleibt immer draußen, und, weil er sich nicht bedienen kann des physischen Leibes, ist er eben verrückt. Er lebt sich so aus, daß wir das, was er ist, erst sehen, wenn wir ganz absehen von seinem physischen und seinem Ätherleib, wenn wir hinsehen auf seinen astralischen Leib und sein Ich.

Denken Sie, wir haben also einen solchen Menschen als Kind vor uns. Da haben wir dieses fortwährende Versuchen im kindlichen Men­schenwesen, in den physischen Leib und in den Ätherleib hineinzu­kommen, und dann wiederum dieses Zurückstoßen. Nun, wir können durchaus den Fall so haben, daß, sagen wir - schematisch wäre hier physischer Leib und Ätherleib (siehe Abbildung 6)-, irgendwelche Organe da sind, die durch die Vorbedingungen nicht in Ordnung sind; der Astralleib und das Ich wollen hinein. Sie kommen da überall hin­ein, aber da (siehe Abbildung) kommen sie nicht ordentlich hinein, sie mussen jedesmal eine Anstrengung machen. Sagen wir, der astralische Leib und das Ich müssen jedesmal eine Anstrengung machen, wenn Leber und Magen durchdrungen werden sollen. Diese Anstrengung wirkt sich nun in merkwürdiger Weise aus: es entsteht etwas wie ein abnormer Rhythmus, die Anstrengung führt dazu, daß das Ich in einem entsprechenden Momente sich verstärkt und dann sich wieder abschwächt. Und wir haben abwechselnd in dem Kinde ein starkes Leber-Magengefühl, und ehe das noch zum Bewußtsein gekommen ist, dann ein abgeschwächtes Leber-Magengefühl da. Und immer pendelt das Kind hin und her zwischen diesem starken Leber-Magengefühl und dem abgeschwächten Leber-Magengefühle. Dadurch kommt das Kind nicht dazu, seinen Körper in sogenannt normaler Weise zu be­nutzen. Denn den kann man nur benutzen, wenn dieser Rhythmus

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nicht eintritt, unterbleibt, und in ruhiger Weise der Astralleib und das Ich von den einzelnen Organen Besitz ergreifen.

Ja, aber wie kommt man zum Verstehen einer solchen Sache? Zum Verstehen einer solchen Sache kommt man eben dann, wenn man den ganzen Vorgang etwa so ansieht.

Nehmen wir an, wir haben einen sehr, sehr gescheiten Menschen vor uns, der aber eben gerade kein Uhrmacher ist. Aber er ist genötigt, sich seine Uhr, die stehengeblieben ist, selber zu reparieren. Es passiert ihm, daß, statt daß er die Uhr repariert, er sie total zugrunde richtet. Das hindert ja nicht daran, daß er ganz gescheit ist. Es ist ihm halt in einer Maßnahme aus Mangel an Beherrschung der Möglichkeiten, nicht aus Mangel an Gescheitheit seine Gescheitheit gescheitert. So scheitert unter Umständen beim Heruntersteigen aus dem vorirdischen Dasein in das irdische Dasein die Genialität generaliter, nur daß sich eben das Scheitern nicht in so kurzer Zeit abspielt, sondern im ganzen Erden-leben.

Das aber fordert uns erst recht auf, hinzuschauen auf das, was da heruntersteigt, liebevoll hinzuschauen auf dasjenige, was sich da in der sogenannten Verrücktheit auslebt, auf all die Einzelheiten hinzu-schauen, die sich in der Verrücktheit ausleben, und hinauszukommen über die bloße Symptomatologie des Seelenlebens, die zur Psycho­graphie führen kann, und mehr auf die karmischen Zusammenhänge hinzuschauen, in die dieser Verrückte hineinkommt, mehr auf seine Verbindung mit der Außenwelt zu schauen, in welche Lebenslagen er kommt - denn diese Lebenslagen sind unglaublich interessant -, auf dieses mehr objektiv zu schauen, und dann diese Verrücktheit außer­ordentlich interessant finden und sie zu nehmen für ein verzerrtes Ab­bild der höchsten Weisheit, für ein Toröffnen von seiten der geistigen Welt, die eben nur durch verzerrte Ausgangsmittel hereinkommt, immer mehr und mehr sich hineinzuleben in das Interessantfinden, nicht etwa sensationell, sondern tief innerlich Interessantfinden der Abnormitäten. Denn ergreift einmal eine Abnormität in Wirklichkeit den physischen und Ätherleib, kommt es dazu, daß dasjenige, was ich Ihnen da angedeutet habe, eintritt, daß ein Rhythmus entsteht durch starke Entfaltung astralisch-ichlicher Tätigkeit und daß physischer

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und Ätherleib stark ergriffen werden, dann überwunden werden, dann wieder schwach werden, und kommt man an das heran, daß man dem entgegenkommt, kommt man so heran, daß man beobachten kann, was eintritt in dem Momente des Sich-intensiv-Ergreifens, in dem Momente des Sich-schwach-Ergreifens, geht man selbst mit voller Liebefähigkeit daran, dann kann aus diesem Rhythmus das herauskommen, daß spä­ter, wenn der Rhythmus überwunden ist, gerade in einer intensiveren Weise, als dies gewöhnlich der Fall ist, Leber und Magen ergriffen werden, dann kann ein Genie der Tat, des Tuns, doch noch daraus her­vorgehen, während es sonst dem überlassen bleibt, daß in dem Weiter­leben zwischen Tod und neuer Geburt diese Sachen ausgeglichen wer­den. Denken Sie sich nur einmal, man muß sich bewußt sein, daß, wenn man minderwertige Kinder erzieht, man eingreift in dasjenige, was sich im naturgemäßen Gang ohne Eingreifen erst vollzieht, oder bei falschem Eingreifen sich erst vollzieht, wenn das Kind durch die Todes-pforte gegangen ist und im nächsten Leben wiedergeboren wird, wo­durch ins Karma tief eingegriffen wird. Bei jedem Behandeln eines minderwertigen Kindes wird in das Karma eingegriffen, und selbst­verständlich muß eingegriffen werden. Es ist ein richtiges Eingreifen ins Karma, es müssen da gewisse Dinge überwunden werden.

Daß gewisse Dinge überwunden werden, dafür haben ein paar von denen, die hier sind und in Breslau waren, vor kurzer Zeit ein Beispiel erlebt, das ich Ihnen hier erzählen will, damit Sie in der richtigen Weise in das Denken kommen über solche Dinge. Ich habe auf dem Landwirt­schaftlichen Kursus in Breslau Richtlinien angegeben, um die Land­wirtschaft in der richtigen Weise zu behandeln. Nun saß bei diesem Breslauer Kursus auch ein älterer Landwirt, der auch ein altes Mitglied der Gesellschaft ist. Er kam bei dem ganzen Kursus nicht hinaus über eine gewisse Empfindung, und immer in der Diskussion trat diese Emp­findung wieder hervor. Er sagte fortwährend: Ja, wenn man aber das tut, da benützt man ja okkulte Mittel, um praktische Dinge auszu­führen. Berührt das nicht die menschliche Moralität in einem zu inten­siven Sinne? Kann das nicht auch in unmoralischem Sinne ausgenutzt werden? - Er kam gar nicht hinaus über diesen Skrupel, er witterte in Anwendung solcher Dinge schwarze Magie. Natürlich wird diese Sache

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schwarze Magie, wenn man sie nicht so behandelt, wie sie behandelt werden muß. Deshalb habe ich einmal ganz klar gesagt: Ja, Moralität muß bei allen diesen Dingen sein. Deshalb setze ich voraus, daß die, welche teilgenommen haben, in voller Moralität der Menschheit zu dienen, der Landwirtschaft zu helfen, an diesem Kursus teilgenommen haben. Deshalb soll man nehmen den Landwirtschaftlichen Ring auch als einen moralischen Ring, der sich zur Aufgabe setzt, daß diese Dinge richtig angewendet werden. Die Magie, die Götter wenden sie an, aber der Unterschied zwischen weißer und schwarzer Magie besteht ledig­lich darin, daß man in der weißen Magie eingreift in moralischer Art, in selbstloser Art, bei der schwarzen Magie auf unmoralische, auf selbstische Art. Einen andern Unterschied gibt es nicht. Und so kann selbstverständlich, da alles Reden über die Erziehung minderwertiger Kinder ein bloßes Gerede ist, wo nichts dabei herauskommt, diese Er­ziehung nur mit Mitteln wirken, die auch hinübergehen können in die unmoralische Anwendung. Da kommt vor allen Dingen in Betracht die Erstarkung des Verantwortungsgefühles.

Nun muß ich Ihnen offen gestehen, meine lieben Freunde, könnte man heute innerhalb unserer gegenwärtigen Zeit mit einem stärkeren Verantwortungsgefühl rechnen, so könnte man vieles machen. Aber es muß heute, weil in unserer Zeit die Gewissenhaftigkeit nicht stark aus­gebildet ist, auch gerade deshalb über vieles geschwiegen werden. Wenn die Leute hören: das kann man machen und das kann man machen, so wollen sie es machen. Denn Lust, etwas zu tun, haben sie. Aber sobald es ans wirkliche Tun kommt, nicht bloß an die Fortsetzung der ehe­maligen Impulse, sobald es darauf ankommt, daß wieder neue Impulse aus der geistigen Welt herausgeholt werden - und die müssen heraus-geholt werden -, dann handelt es sich vor allen Dingen darum, daß Verantwortlichkeitsgefühl und Gewissenhaftigkeit gefördert werden müssen. Das wird nur gefördert, wenn man weiß, um was es sich han­delt. Und so muß man wissen, daß es sich handelt um ein tiefes Ein­greifen in die karmischen Tätigkeiten, die sich sonst vollziehen würden zwischen Tod und einer nächsten Geburt. Bei der Erziehung minder­wertiger Kinder ist es so, daß nun das, was man hier tut, daß das nun eingreift in die Arbeit der Götter, die dann sich vollziehen würde

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später. Stellt man das nicht als eine Theorie sich vor, sondern läßt man das fest auf sein Gemüt wirken, so wird man natürlich immer davor stehen, entweder das, was geschehen soll, zu tun, oder es zu unterlassen. Aber es darf nicht vergessen werden: jeder Schritt, der getan wird aus der geistigen Welt heraus, der führt den Menschen dazu, nach links, nach rechts zu blicken und stets einen neuen Entscheid durch den inneren Mut des Lebens herbeizuführen. Das gewöhnliche Leben zwi­schen Geburt und Tod, das bewahrt den Menschen vor der Notwendig­keit dieses inneren Mutes. Da kann er fortwährend das tun, was er gewohnt ist, woran er sich gewöhnt hat. Da trollt er fort nach dem, was in ihm steckt, da sieht er die Ansichten immer als die Richtigen an, hat nicht nötig, sich neue Ansichten zu geben. Das ist gut für das Leben, das bloß in der physischen Welt sich vollzieht, so darinnen zu stehen. Aber wenn man zum Wirken aus dem Geistigen kommt, muß man sich täglich, stündlich vor Entscheidungen gestellt fühlen, bei jeder Tat sich vor die Möglichkeit gestellt fühlen, sie tun zu können oder unter­lassen zu können, oder sich völlig neutral verhalten zu können. Und zu diesen Entscheidungen gehört eben Mut, innerer Mut. Das ist die allererste Bedingung, wenn man auf einem solchen Felde etwas tun will. Und der erwacht nur, wenn man sich die Größe der Dinge immer vor Augen stellt: du tust etwas, was die Götter sonst tun im Leben zwischen Tod und nächster Geburt. Das zu wissen, ist von gar großer Bedeutung. Nehmen Sie das meditierend auf. Es denken zu können, hat eine große Bedeutung. Führt man sich das jeden Tag meditierend vor die Seele, daß es so ist, wie man ein Gebet jeden Tag betet, sich das jeden Tag vor die Seele zu rücken, dann erzeugt das in uns die Ver­fassung des astralischen Leibes, die wir brauchen, um uns in der rich­tigen Weise dem minderwertigen Kinde gegenüberzustellen. Erst wenn wir daran glauben, daß wir selber uns so zurichten müssen, dann kön­nen wir über die weiteren Dinge reden. Daher wollen wir diese Dinge als die Einleitung betrachten und wollen sie uns ernstlich überlegen. Es kommt auf die Gemütsvorbereitung an, wenn man an solche Auf­gaben herangehen will,wie diejenigen sind,von denen wir hier sprechen.

DRITTER VORTRAG Dornach, 27. Juni 1924

#G317-1967-SE040 Heilpädagogischer Kurs

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DRITTER VORTRAG

Dornach, 27. Juni 1924

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Nun, meine lieben Freunde, wir haben gesprochen vom Zusammenhang von ätherischem, physischem, astralischem Leib und Ich-Organisation, wie er sich darstellen kann, dieser Zusammenhang, beim sogenannten abnormen Kinde. Aus dem, was ich gestern auseinandersetzte über die eigentümliche Art, wie der Ätherleib abnorm gestaltet sein kann durch eine nicht entsprechende Einfügung in das allgemeine Gedankensystem des Weltenäthers, haben wir uns versucht auseinanderzusetzen, daß dies, was da eintritt, nach den verschiedenen Seiten hin unregelmäßig sein kann. Wenn Sie dies begreifen können, werden Sie auch im Ver­laufe der Vorträge vielleicht eine Überzeugung mitnehmen können; das ist diese: Man wird im einzelnen die Behandlungsmethode fast jeder kindlichen Individualität gegenüber finden müssen, wenn man eine allgemeine Seelenstimmung ins Erziehen hineinträgt. Aber man muß etwas wissen zunächst, und das Wesentliche ist dieses, daß eigent-lich die gesamte heutige Psychiatrie von den sogenannten Seelenerkran­kungen der Methode nach nichts wissen kann. Wenn man die Dinge kennt, wird man zu den Behandlungsmethoden im einzelnen kommen. Daher ist es viel weniger wichtig, daß Sie Maßregeln für das einzelne bekommen, sondern besonders wichtig ist es, daß Sie im Prinzipe ein­sehen, daß auch auf diesem Felde eine gesunde Pathologie, eine ge­sunde Diagnose von selbst sich in das Therapeutische hinein entwickelt.

Nun liegt es ja bei vielen sogenannten Geisteskrankheiten so, daß man sie aus Gründen, die Sie auch im Laufe dieser Vorträge einsehen können, nicht mehr heilen kann, oder wenigstens nur unter äußerst schwierigen Verhältnissen heilen könnte, selbst wenn man auch das Geisteswissenschaftliche berücksichtigen könnte. Dazu würde man ei­gene Sanatorien brauchen für diese Geisteskranken,wo man erwachsene Geisteskranke - wenn auch außerordentlich schwer - heilen könnte; ich meine Kranke besonderer Art, besonders solche Fälle, die uns für das kindliche Alter wichtig sind. Andererseits werden Sie sehen, daß man durch eine richtige pädagogische Behandlung im kindlichen Alter

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durchaus helfen kann. Und wir werden sehen, daß dasjenige, was auch zu dem Schwersten gehört, wenn man es bei dem Erwachsenen vor-liegen hat, zum Beispiel die Epilepsie, eigentlich in frühem Kindheits-stadium viel Aussicht hat, ausgebessert oder gar weggebracht zu wer­den, wenn man die Sache nur richtig ansehen kann. Man kommt dann schon im einzelnen individuellen Falle zu den Maßregeln, wenn man das Prinzip des Überganges kennt von dem, was zugrunde liegt, zu dem, was man tun soll. Aber man muß eben wissen, was der Erkrankung zugrunde liegt.

Nun, sehen Sie, daß man das mit der heutigen Psychiatrie nicht wissen kann, das beruht darauf, daß man heute gar keine Ahnung hat, daß es so etwas wie eine besondere Ich-Organisation oder einen beson­deren astralischen Leib gibt, sogar den Ätherleib leugnet man heute noch vielfach. Ich bestehe nicht auf Namen, aber wenn gewisse Leute aus der Theorie heraus von gewissen Begriffen sprechen wie Driesch, so erkennen sie den Atherleib nicht, weil sie sich davor fürchten. Aber immerhin vom Physischen aus dringt zu der Erkenntnis des Organisch­Atherischen die heutige Wissenschaft schon vor. Nun ist das Wichtige, was man nicht wissen kann, wenn man vom astralischen Leib und der Ich-Organisation nichts weiß, dieses: Nehmen Sie einmal zuerst den Zusammenhang zwischen physischem Leib und ätherischem Leib. Er bleibt aufrechterhalten das ganze Leben hindurch, von der Konzep­tion, vom Embryonalzustand bis zum Tode, denn er geht durch alle Schlafzustände hindurch. Dagegen wird durch jeden Schlaf hindurch unterbrochen der Zusammenhang mit astralischem Leib und Ich-Organisation.

Die Art und Weise, wie sich nun die Ich-Organisation und der astra­lische Leib im Wachzustande im physischen Leib und Atherleib ver­halten, muß richtig angesehen werden, wenn man überhaupt einen realen Begriff über sogenannte Geisteskranke haben will. Es ist uner­läßlich, daß man diese Eingliederung des astralischen Leibes und des Ichs in den physischen Leib und ätherischen Leib ihrem Wesen nach kennt, wenn man überhaupt einen vernünftigen Gedanken fassen will über eine sogenannte Geisteskrankheit. Nun, sehen Sie, gewöhnlich glauben auch die Anthroposophen - nicht weil die Anthroposophie,

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die sehr präzise in ihren Formulierungen vorgeht, dazu Veranlassung gibt, aber weil man eben alte Denkgewohnheiten hat -, gewöhnlich glauben auch die Anthroposophen: wenn der Mensch aufwacht, gehen halt sein astralischer Leib und die Ich-Organisation über in den phy­sischen und ätherischen Leib, verbinden sich so, wie sich Wasserstoff und Sauerstoff verbinden. So ist es nicht. Wenn man die Sache hell­seherisch anschaut, so ist es so (siehe Abbildung 7): wenn man hier den physischen Leib, hier den ätherischen Leib hat, so kommt der astra­lische Leib allerdings hinein und auch die Ich-Organisation kommt hinein; das kommt alles hinein und man sieht diesen Übergang. Aber dieser Übergang, der also darin besteht, daß der astralische Leib und die Ich-Organisation den physischen und Ätherleib ergreifen, das ist nicht alles. Und hier beginnt eben, möchte ich sagen, eine Tatsache des menschlichen Lebens, die von außerordentlicher Wichtigkeit ist.

Gehen wir zunächst zur Ich-Organisation. Die Ich-Organisation er­greift nicht bloß den ätherischen und den physischen Leib, wenn sie zu­rückgeht beim Aufwachen, sondern sie ergreift im menschlichen Leibe die äußere Welt, die Kräfte der äußeren Welt. Was heißt das? Nun stellen Sie sich vor, wir haben die Schwerkraft, die so wirkt (siehe Ab­bildung 8). Innerhalb der Richtung der Schwerkraft stehen wir ja auf­recht, wenn wir wachen. Stellen Sie sich einfach die Schwerkraft als solche vor, die da wirkt, also die Richtung der Gewichtskräfte. Nun gibt es zwei Vorstellungen; machen wir uns das recht klar: die eine könnte darin bestehen, daß das Ich - sehen wir zunächst vom ätheri­schen Leibe ab - den physischen Leib ergreift, der physische Leib fügt sich dann der Schwerkraft, nicht wahr, wir stellen uns in die Schwer­kraft hinein, wenn wir gehen, wir müssen das Gleichgewicht aufsuchen und so weiter. Das wäre die eine Vorstellung: wir ergreifen im Auf­wachen mit dem Ich den physischen Leib; der physische Leib, der ist schwer und unterliegt dem Gewichte der Erde, und jetzt unterliegen wir mit unserem physischen Leib dem Gewichte der Erde und haben dadurch mittelbar eine Beziehung zur physischen Schwerkraft. Das ist die eine Möglichkeit. Es ist gerade so, wie wenn ich mit dem Gewichte des Buches eine mittelbare Beziehung zur Schwerkraft habe, indem ich das Buch ergreife. Das ist die eine Vorstellung; die ist falsch, unrichtig.

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Die andere Vorstellung ist diese: das Ich schlüpft hinein in den phy­sischen Leib, ergreift den physischen Leib, aber schlüpft so weit hinein, daß es den physischen Leib unschwer macht; der physische Leib ver­liert, indem das Ich hineinschlüpft, seine Schwerkraft. Wenn ich also als wacher Mensch aufrecht stehe, so ist für mein Bewußtsein, für das Ich selbst, für die Ich-Organisation, die auch im Wärmeorganismus ihren physischen Ausdruck hat, die Schwerkraft überwunden. Es ist keine Möglichkeit vorhanden, in mittelbare Beziehung zur Schwerkraft zu treten. Das Ich tritt in unmittelbare Beziehung, stellt sich als Ich in die Schwerkraft hinein, schaltet also den physischen Leib aus. Das ist dasjenige, um was es sich handelt. Sie stellen sich fortwährend in die wirkliche Schwerkraft der Erde hinein mit der Ich-Organisation, wenn Sie gehen, nicht auf dem Umwege durch den physischen Leib, Sie treten in unmittelbare Beziehung zu dem Tellurischen.

Ebenso ist es mit dem Ätherleib Auch der Ätherleib ist in Kräfte eingeschaltet. Nehmen wir eine von diesen Kräften. Ich habe oft dar­auf aufmerksam gemacht, wir unterliegen, indem wir als Mensch auf der Erde herumgehen, einem sehr starken Auftrieb. Wir haben unser Gehirn; das ist durchschnittlich 1500 Gramm schwer. Wenn diese Schwere von 1500 Gramm auf die Basis unseres Gehirns mit den feinen Adern drücken würde, würden diese sofort zerquetscht werden. Es drückt eben nicht, es schwimmt in Wahrheit in dem Gehirnwasser. Dadurch erleidet es einen Auftrieb, es verliert soviel von seinem Ge­wicht, als die verdrängte Wassermasse Gewicht hat. Diese verdrängte Wassermasse hat ein Gewicht, das ungefähr 20 Gramm weniger ist als das Gewicht des Gehirns selbst, so daß das Gehirn nur mit einem Ge­wichte von 20 Gramm auf seine Unterlage drückt. Wir haben also ein schweres Gehirn, das aber nicht hinuntergedrückt wird, sondern einen Auftrieb hat. In diesem Auftrieb leben wir darinnen, unser Ätherleib lebt darinnen. Aber indem wir hineinschlüpfen mit unserer Ich-Organisation in unseren Ätherleib, stehen wir nicht mittelbar in dem Auftrieb darinnen, sondern direkt mit der Ich-Organisation. Mit allen Kräften der Erde, mit der ganzen physischen Welt steht unsere mensch­liche Organisation in Beziehung, und zwar in direkter unmittelbarer Beziehung; nicht in indirekter Beziehung.

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Nun, sehen Sie, womit steht da unsere Ich-Organisation in Bezie­hung? Da steht unsere Ich-Organisation erstens in Beziehung zur Schwerkraft, das heißt zu dem Irdischen. Denn, meine lieben Freunde, das, was die Physiker Materie nennen, das gibt es ja nicht. In Wirk­lichkeit existieren nur Kräfte, und die Kräfte sind durchaus ähnlich wie zum Beispiel die Schwerkraft - es gibt natürlich noch andere Kräfte, gewisse elektrische Kräfte, magnetische Kräfte -, mit allen steht die Ich-Organisation in unmittelbarer Beziehung und ist während des ganzen Wachzustandes im normalen Menschen darinnen. Wir kön­nen sagen, alles dasjenige, was wir unter Erde umfassen, das sind diese Kräfte. Alles dasjenige, was wir unter Wasser umfassen, was im Gleich­gewichtszustande ist, mit dem steht die Ich-Organisation in unmittel­barer Verbindung. Alles, was luftförmig ist - nicht wahr, wir müssen in der Physik neben der gewöhnlichen Mechanik auch eine Hydro­mechanik, eine Aeromechanik lernen, weil die Gleichgewichtsprozesse und meteorologischen Prozesse in der Luft ihre besondere Formung haben -, mit dem steht die Ich-Organisation in unmittelbarer Verbin­dung. Dann steht die Ich-Organisation noch in Verbindung mit einem Teile des allgemeinen Wärmezustandes, mit einem Teile der allgemei­nen Wärmekräfte, durch den wir immer durchgehen, wenn wir in der physischen Welt leben.

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Ich durchstreiche «Wärme>, weil es nur ein Teil ist. - Wir wachen auf und stellen uns als Geist mit unserer Ich-Organisation in die Welt der irdischen Kräfte hinein. Unsere Beziehung ist in Wirklichkeit nicht eine physisch vermittelte, sondern eine magische. Nur daß diese nur räumlich ausgeübt werden kann, rein räumlich begrenzt durch die Grenzen unseres Organismus. Wenn Sie anfangen zu begreifen, daß die

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Beziehung unserer Ich-Organisation nicht eine physische, sondern eine magische ist, dann haben Sie sehr viel gewonnen.

Wenn wir jetzt zum Astralleib gehen: der Astralleib steht nun auch nicht etwa bloß durch den Ätherleib, sondern in unmittelbarer Bezie­hung zu gewissen Kräften, die auf uns wirken, wenn wir im Wach­zustand sind. Nun, das ist wiederum ein Teil der Wärmekraft; die Wärme nämlich wirkt mit einem Teil auf den physischen Organismus und mit einem Teil auf den Ätherorganismus zurück. Dann ist der astralische Leib in unmittelbarer Beziehung zu den Lichtkräften. Aber da müssen Sie wissen, daß Lichtkräfte für Geisteswissenschaft etwas anderes sind als das, was die Physik heute darunter versteht. Wir wol­len nicht auf Theorien eingehen, aber nicht wahr, dem, was die Welt rings um uns herum in Beleuchtung wahrnehmen kann, dem liegt na­türlich etwas zugrunde, und zwar im Äther, so daß wir schon sagen können: Licht ist eine Ätherkraft. - Wir sprechen nun in der gewöhn­lichen Wissenschaft heute von dem Licht, als in dem Beleuchteten ent­halten. Geisteswissenschaft spricht so vom Licht: sie nennt Licht auch dasjenige, was andern Sinneswahrnehmungen zugrunde liegt, wie zum Beispiel das Licht der Tonwahrnehmungen. Wenn wir Tonwahrneh­mungen haben, so ist die äußere Physik überhaupt nur versucht, als von dem äußeren Korrelat der Tonwahrnehmung, von der bewegten Luft zu reden. Die bewegte Luft ist nur das Medium des wirklichen Tonelementes. Das wirkliche Tonelement ist ein Ätherisches, und die Vibration der Luft ist nur die Wirkung dieses ätherischen Vibrierens. Licht lebt auch in der Geruchswahrnehmung. Kurz, für alle Wahr­nehmungen liegt zugrunde ein viel Allgemeineres als Licht, als was man in der Physik heute Licht nennt. Es ist gewiß irreführend, das gebe ich Ihnen zu, daß so vom Licht gesprochen wird. Denn im Grunde ge­nommen hat man so vom Lichte gesprochen in der alten Geisteswissen­schaft bis zum 12., 13. nachchristlichen Jahrhundert. Dann hat sich das Verständnis dafür verloren, und man hat versucht, andere Aus­drücke anzuwenden, die aber noch unverständlicher sind. Deshalb sind die Bücher über Alchimie, die auf das 12.Jahrhundert folgen, so unverständlich. Für Sie ist von Bedeutung, daß man dies Licht nennt. Mit diesem Licht nun steht der astralische Leib in Verbindung mit alldem,

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was den Sinneswahrnehmungen unterliegt auf der Erde, nicht auf dem Umweg durch den Ätherleib, sondern direkt in Beziehung. Das ist ganz besonders interessant. Draußen lebt das Licht im Äther, aber wir haben auch Ätherisches in uns. Das Licht wirkt auf den Ätherleib Aber mit diesem Licht, das in uns ist, kommen wir beim Aufwachen nicht allein in Beziehung, sondern mit Umgehung dieses Lichtes glie­dern wir uns in das äußerlich strömende Licht ein. Ebenso ist es auch mit dem äußern, durch die Welt wirkenden Chemismus. Auch in den Chemismus gliedern wir uns ein auf eine unmittelbare Art. Und das ist besonders wichtig, denn damit wird gesagt, daß der Mensch wachend in eine Art kosmischen Chemismus eingegliedert ist. Nun kennt unsere heutige Wissenschaft nur den leblosen Chemismus, höchstens ein biß­chen den organischen Chemismus, aber sie kennt gar nicht jenen Che­mismus, der ein allgemeiner Weltenchemismus ist. In den gliedern wir uns ein, wenn wir aufwachen. Und ebenso gliedern wir uns ein in das allgemeine Weltenleben, in den Lebensäther; alles unmittelbar.

Und das, was ich Ihnen jetzt skizziert habe, das muß erreicht wer­den, wenn der Mensch so, wie ich es geschildert habe, nach und nach seinen zweiten Körper aus dem ersten aufbaut und auch den dritten aufbaut. Das alles muß erreicht werden, indem der Mensch in sich untertaucht, mit Durchdringung seines eigenen Wesens, in die irdisch-kosmischen Agenzien hinein. Er muß die Welt ergreifen können durch sich. Wir haben heute in unserer Wissenschaft noch eine solche Sache nur ganz klar auf einem einzigen Gebiet, wo in der Tat die Physik in ähnlicher Art vorgeht, wie man es auf vielen Gebieten wünschen könnte. Das ist die Augenorganisation.

Denken Sie, wenn man das Auge betrachtet, richtig wie ein knüppel-dicker Physiker, wie eine physische Vorrichtung, ein physikalisches Instrument: man zeichnet ins Auge hinein genau dieselben Figuren, wenn man das Auge begreifen will, von Lichtbrechung durch die Linse, Bildung des objektiven Bildes und so weiter, nur daß man nicht über­gehen kann zu der Art, wie das Seelische in das Physikalische eingreift. Aber das Ganze ist furchtbar interessant. Denn nun hat man, wenn man so physikalisch vorgeht, diese ganze Zeichnung da vor sich, und jetzt stockt man, jetzt will man durch das Gehirn hindurch an das

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Seelische heran. Schauen Sie sich einmal diese drolligen philosophischen Purzelbäume an, alle diese interessanten, aber in der Tat blitzdummen Theorien vom psychophysischen Parallelismus oder von der Wechsel­wirkung. In Wahrheit kommen eben im Auge die Ich-Organisation und der astralische Leib unmittelbar an das, was wir physisch zeichnen, heran, ergreifen innerhalb des Auges das Physische. Für das Auge ist man also nahe daran, den richtigen Tatbestand zu ergreifen, weil man dazu genötigt ist durch diese eigentümliche Absonderung des Auges, weil das Auge fast nach außen liegt und in der embryonalen Entwicke­lung von außen eingebaut wird. Beim Auge macht man das. Das ist aber beim ganzen Menschen der Fall. Man müßte den ganzen Menschen innerlich physikalisch, geist-physikalisch erfassen, so daß man zu den irdischen Kräften auch die flüchtigen Lichtkräfte hinzufügen kann. Man müßte innerhalb der menschlichen Organisation dasjenige, was eigentlich aus der Umgebung heraus am Menschen da vorhanden ist und was vom Menschen so unmittelbar ergriffen wird, das physika­lisch Konstruierte, das müßte man erkennen.

Wie kann nun aber die Sache in abnormen Zuständen liegen? Im abnormen Zustande kann tatsächlich irgend etwas, irgendein Organ -es kann nicht der ganze Organismus sein - so liegen, daß der Mensch keine Möglichkeit hat, durch dieses Organ hindurch den Anschluß an die Außenwelt unmittelbar zu finden. Ein Organ kann sozusagen sich in den Weg stellen, so daß der Mensch durch dieses Organ nicht den Anschluß an die Außenwelt findet. Was muß dann eintreten? Nehmen Sie irgendein Organ (siehe Abbildung 9), die Lunge meinetwegen, die Lunge stellt sich so hinein in den menschlichen Organismus, daß der Mensch, wenn er aufwacht, nicht den Anschluß an die Außenwelt fin­det. Nehmen Sie aber an, der Mensch schläft, und es tritt da während des Schlafes etwas in der Lunge auf, was die Lunge so organisiert, daß der Mensch, wenn er nun aufwachen würde, untertauchen würde in die Lunge, aber nicht in die Außenwelt heraus könnte. Dann ist sein Ich und astralischer Leib für die Lungenorganisation genötigt, sich in die Lunge hineinzupressen, aber sie können nicht wieder herauskom­men. Denn die Sache muß so sein, daß der Mensch mit seinem Astral­leib untertaucht, aber wieder heraus kann nach allen Seiten in die

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Welt hinein. Die Lunge muß bloß den Übergang darstellen können. Nun liefert sie den Übergang nicht, sondern hält Astralleib und Ich fest, das heißt, würde sie festhalten, wenn der Mensch aufwachen würde. Das Unglück ist, daß er unter solchen Umständen auf jeden Fall aufwacht, weil dasjenige, was in die Lunge eintritt, durch den be­sonderen Chemismus eine Infiltration irgendeines Stoffes in feiner Verteilung ist. Die so verlegte Organisation füllt irgendein feiner Stoff aus, der besondere Affinität zur Lunge hat. Dann ist die Lunge un­regelmäßig, und der Mensch wacht infolgedessen auf. Aber wie? Er wacht auf, aber ohne daß er das Bewußtsein kriegt. Daß man das Be­wußtsein kriegt, dazu ist es notwendig, daß man herauskommt. Man bekommt das Bewußtsein, wenn man durchgedrungen ist. Wenn man bloß hineingekommen ist, wacht man auf; wenn man durchdringt, bekommt man das Bewußtsein. Man bleibt darin stehen, man bleibt darin stecken, und es setzt sich der Schlaf, der gesunde Bewußtseins-losigkeit ist, in die kranke Bewußtseinslosigkeit fort, das heißt, der Mensch wacht zwar auf, kriegt aber nicht das Bewußtsein.

Sie sehen, man schildert nach der einen Seite genau aus dem Innern heraus den Zustand des Epileptikers. Die Epilepsie ist so, und ist ins­besondere im kindlichen Alter so, wie ich es geschildert habe. So daß also gesagt werden muß: Was liegt bei einem Epileptiker eigentlich vor? - Bei einem Epileptiker liegt das vor, daß er mit seiner Ich-Organisation und seinem astralischen Leib zwar in den physischen und Ätherleib untertauchen kann, daß er aber auf der andern Seite nicht herauskommt in die physische Welt, daß er darinnen festgehalten wird. Nun denken Sie sich doch, wie ist es denn da eigentlich, wenn nun da der astralische Leib hineingeht, sagen wir in die Lunge, da drinnen festgehalten wird, da nicht wieder heraus kann? So wird er ja an der Oberfläche der Lunge gepreßt. Der astralische Leib und die Ich-Organisation werden da gepreßt, stauen sich da. Sehen Sie, deshalb entsteht in einem solchen Falle unter der Oberfläche der Organe eine Stauung der Ich-Organisation und des astralischen Leibes. Das tritt in der Außenwelt als Krampf auf. Das sind Krämpfe. Jedesmal, wenn Krampf auftritt, findet eine innere Stauung an der Oberfläche irgend­eines Organs statt. Diese Stauungen sind ja vorzugsweise in den Gehirnpartien

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vorhanden - und wir wissen ja, wie sich die Gehirnpartien zu den andern verhalten -, können aber durchaus darin bestehen, daß sich in Leber oder Lunge etwas staut und die Gehirnstauung nur eine Projektion, ein schwächeres Abbild ist. Jedesmal, wenn ein Krampf vorliegt, bemerkt man diese Stauung der Ich-Organisation und des astralischen Leibes innerhalb eines Organs. Und dann ist man erst auf der wahren Ursache der epileptischen Krämpfe, für die man sonst nichts hat als die äußere Deskriptive. Man kann nicht diesen Zustand wirklich kennenlernen, wenn man nicht in der Lage ist, von physi­schem und Ätherleib aufzurücken zu Ich und astralischem Leib. Sonst hat man keinen Inhalt, wenn man von Krämpfen spricht, wenn man nicht weiß, daß da an der Oberfläche Astralleib und Ich-Organisation furchtbar zusammengeschoppt sind. Sie können nicht heraus, drängen dann nach außen und werden zurückgehalten.

Wenn Sie nun dasjenige nehmen, was wir da auseinandergesetzt haben, dann werden Sie sich von selbst sagen: Was tue ich nun, wenn im kindlichen Lebensalter die Symptome der Epilepsie vorliegen, Be­wußtseinsausfälle mit Krämpfen verknüpft oder ihre Ersatzerschei­nungen, von denen wir noch sprechen werden? Was kann man tun im einzelnen Fall? - Im einzelnen Fall muß man sozusagen aus dem In­stinkte heraus probieren. Man probiert zunächst, ob die Bewußtseins-störungen sehr verwandt sind, wie es bei manchen Epileptikern durch­aus der Fall ist, den Erscheinungen des gewöhnlichen Schwindels. Es treten die Schwindelerscheinungen auf. Man wird sie beim Kinde be­merken in der Anlage. Man wird sich klar sein können, wenn, sagen wir, die Bewußtseinsausfälle nur kurz sind, dafür aber stark bemerk­bare Schwindelerscheinungen auftreten, wo es irgendwie fehlt. Es wird hier fehlen: die Ich-Organisation und der astralische Leib kommen nicht in unmittelbare Beziehung zu den Gleichgewichtskräften. Da müssen Sie zunächst erforschen, ob bei irgendeinem Kinde das vorliegt, daß die Ich-Organisation und der astralische Leib nicht in die richtige Beziehung zu den Gleichgewichtskräften kommen. Jetzt lassen Sie es turnen oder eurythmisieren, indem Sie beim Turnen oder Eurythmisie-ren ihm immer äußere Gegenstände geben, die bekannten Hanteln (siehe Abbildung 10) oder dergleichen, lassen es namentlich Gleichgewichtsübungen

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machen, lassen es diese Gleichgewichtsübungen machen im Lebensalter zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife. Dann wird das Kind noch die Möglichkeit haben, daß es, wenn Sie ihm zwei gleichschwere Hanteln geben - die müssen aber apotheker-mäßig ausgewogen sein - und lassen es hanteln und eurythmische Be­wegungen oder sonstige Turnbewegungen mit Hanteln machen, dann werden Sie eines getan haben. Jetzt nehmen Sie in die linke Hand eine Hantel, welche leichter ist als die in der rechten, lassen es wieder turnen, dann in die rechte Hand eine leichtere Hantel als in die linke, lassen es wieder turnen, dann binden Sie ihm etwas, was schwer ist, es braucht nicht besonders schwer zu sein, an das eine Bein an, lassen es damit gehen, daß es gewahr wird die Kraft, die da am Bein zieht. Wenn es ge­wöhnlich geht, wird es nicht gewahr die Kraft; es muß sich aber mit der Ich-Organisation hineinversetzen und es wird es gleich gewahr, wenn Sie ihm etwas anhängen. Dann hängen Sie das Gewicht an das andere Bein an, dann veranlassen Sie es, die Sache mehr geistig zu machen, veranlassen Sie es zu spüren, sich hineinzudenken in die Be­wegungen, in die Streckbewegung des linken Armes, in die Streck-bewegung des rechten Armes, in die Streckbewegung beider Arme; lassen es bewußt wahrnehmen die Schwere, indem Sie es ein Bein auf­heben lassen, das andere stehen lassen. Kurz, Sie machen in diesen Fällen, wo Sie durch die Schwindelanfälle merken: in die irdischen Kräfte geht es nicht recht herein, solche Bewegungen, in denen das Kind genötigt ist, die äußere Gleichgewichtslage beherrschen zu lernen. Ebenso wird man es dazu bringen, epileptische und epileptoide Kin­der zu behandeln, wenn man sie in die andern Kräfte sich einfügen läßt.

Nun, nicht wahr, bis hierher geht es ja noch. Sie werden schon etwas erreichen bei manchen Epileptikern, bei denen Sie etwa sehen, daß sie namentlich ein gestörtes Zirkulationssystem haben, daß der Säfte-umlauf eigentlich die Erscheinungen bewirkt. Wenn Sie also wahr­nehmen, daß mit den epileptischen Anfällen, wenn sie als Krämpfe oder auch noch als Schwindelanfälle auftreten, da besondere Übelkeits-empfindungen verbunden sind, dann hat man es zu tun mit dem Nicht-einfügen-Können ins Wasserelement. Dann wird man gut tun, wenn

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man dem Kinde möglichst bemerkbar macht das wäßrige Element, bevor es in den Organismus aufgenommen wird, wenn man versucht, dem Kinde die Speisen so vorzubereiten, daß es die Speisen stark spürt. Äußerlich könnte man etwas erreichen, wenn man es schwimmen ler­nen lassen könnte. Schwimmenlernen ist für Epileptiker ein sehr gutes Mittel, nur muß man verständig hinschauen auf das, um was es sich handelt.

Für die eigentlichen Bewußtseinstrübungen, die auftreten, aber ohne daß der Betreffende starke Übelkeiten hat, sind dann sorgfältig regu­lierte Atemübungen nicht schlecht, um die Verbindung mit der Luft herzustellen. Und für den richtigen Zusammenhang mit der Wärme ist es nötig, daß man besonders epileptische Kinder daran gewöhnt, daß sie die Wärme fühlen. Das heißt, wenn es schon bei gewöhnlichen Kin­dern etwas Schauderhaftes ist, wenn man sie halb nackt herumgehen läßt mit unbedecktenUnterschenkeln,was ja sehr häufig die Ursache ist von Blinddarmreizungen, sogar Blinddarmentzündungen im späteren Lebensalter - die Leute wissen das nicht -, so ist das bei epileptischen Kindern durchaus Gift. Epileptische Kinder sollte man so anziehen, daß sie immer etwas neigen zum Schwitzen, so daß das Schwitzen immer ein bißchen im Status nascendi vorhanden ist, daß sie ein biß­chen zu warm angezogen sind. Das ist eigentlich Therapie. All dieses schreckliche Reden von Abhärtung führt dazu, daß die Leute als Kin­der furchtbar abgehärtet werden, und die Ergebnisse dieser Abhärtung bestehen darinnen, daß, wenn sie nachher alt geworden sind, sie nicht einmal über einen sonnenbeschienenen Marktplatz gehen können, ohne in die Knie zu sinken. Man ist nicht abgehärtet, wenn man nicht un­beschadet über einen sonnenbeschienenen Marktplatz gehen kann. Sie sollen nur sehen die Herren, wie sie den Zylinder abnehmen, wenn sie über einen sonnenbeschienenen Marktplatz gehen und fortwährend in die Knie sinken wollen. Das sind in der Regel die Lebensergebnisse der heutigen Abhärtungen.

Nun damit sind wir hauptsächlich auf die Dinge eingegangen, wel­che gerade im kindlichen Alter die Ich-Organisation noch hineinleiten in die Elemente, in die sie hineingeleitet werden muß. Hier beginnt aber schon das Gebiet, wo unmittelbar an das Pädagogische der Arzt

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herantreten muß. Denn bei diesen Dingen, da können wir, wenn epi­leptische Erscheinungen da sind, eben nur auf dem Wege des Heil­mittels der Sache beikommen, und wir müssen auch nicht zurück­schrecken, auf dem Wege des Heilmittels der Sache beizukommen. Sobald die epileptischen Erscheinungen verknüpft sind, namentlich mit demjenigen, mit dem sie verknüpft werden, wenn der astralische Leib in der Hauptsache dabei engagiert ist, wenn also die oberen, die ätherischen Elemente aufhalten das Durchdringen des astralischen Leibes in die Außenwelt, dann müssen wir ja auf diese Elemente im Menschen drinnen selber wirken. Und da handelt es sich darum, daß wir wirklich den Weg finden, aber vor allen Dingen zuerst erkennen. ob der astralische Leib engagiert ist oder nicht.

Und wie erkennen wir, ob der astralische Leib engagiert ist? Nun, wer viel epileptische oder epileptoid veranlagte Kinder beobachtet hat, wird zwei voneinander sehr verschiedene Zustände bemerken. Das eine sind diejenigen Zustände, wo, ich möchte sagen, gegenüber einer mo­ralischen Beurteilung das Kind nicht herausfordernd ist, weil das Kind sich in das, was man jedem Kinde in moralischer Beziehung beibringen will, hineinfügt. Wenn man es also mit epileptischen oder epileptoiden Kindern zu tun hat, die sich leicht in die moralische Weltordnung hin-einfügen, kann man vielleicht bei dem stehenbleiben, was ich gesagt habe. Wenn man es aber zu tun hat mit solchen Kindern, die unzugäng­lich werden für das Moralische, die also zum Beispiel leicht gewalttätig werden in ihren Anfällen - denn die epileptischen Anfälle können sich dadurch maskieren, daß zum Beispiel Gewalttätigkeiten beim Kinde auftreten, an die oftmals keine Erinnerung vorhanden ist -, wenn dies eintritt, daß also moralisch erscheinende Defekte auftreten, dann handelt es sich darum, daß man im kindlichen Alter noch mit wirklichen Heilmitteln eingreift, so daß man tatsächlich also die Epi­lepsie zum Beispiel versucht zu bekämpfen mit den Mitteln, die über­haupt gebräuchlich oder von uns angegeben werden in gewisser Be­ziehung, wie Schwefel oder Belladonna, und hier eine regelmäßige Therapie einleitet. Nun, über diesen mehr medizinischen Teil werden wir noch sprechen. Ich möchte heute nur hinweisen darauf, wie man aus den äußeren Anschauungen übergehen muß von der mehr pädagogischen

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Behandlung in die mehr medizinische Behandlung. Und bei gewissen epileptischen Kindern wird es sich durchaus darum handeln, daß man sogar, weil sie ja ganz gut in die äußere Welt eingeschaltet sind, vermeiden muß die äußere Übung und vorzugsweise durch innere Therapie zu wirken hat.

Nun ist hier zu gleicher Zeit der Punkt,wo die epileptischen Erschei­nungen ganz sukzessive übergehen in andere Erscheinungen. Ich habe gestern davon gesprochen, daß Gedanken eigentlich nicht falsch sein können, und jetzt habe ich fortwährend davon gesprochen, von dieser Art und Weise, wie der Mensch sich die Gedanken eingliedert. Solch eine Erscheinung, daß der Astralleib sich staut in der Lunge, beruht darauf, daß der Gedanke der Lunge nicht richtig eingegliedert ist. Also das sind alles Gedankendefekte. Die treten ein, wenn wir nicht im­stande sind, beim Heruntersteigen unseren Organismus in der richtigen Weise zu beherrschen, daß wir ihn das zweite Mal aufbauen können. Aber wir bringen auch das Willensmäßige, das auf die einzelnen Organe verteilt ist, aus unserem früheren Erdenleben mit. Wenn nun die Ge­danken überhaupt nicht falsch sein können, sondern immer richtig sind, sie nur verzerrt durch unseren Organismus in uns erscheinen, dadurch also auch Organe verzerrt aufbauen können, so ist es beim Willen, wie er aus dem vorirdischen Dasein ins irdische Dasein eintritt, so, daß er kaum richtig sein kann. Er kommt in völliger Unsicherheit an und muß sich im Gedankensystem aufbauen. Beim Gedankensystem ist es so, daß es in der Welt nirgends unrichtig ist, beim Willenssystem ist es so, daß es kaum irgendwie richtig ist, ohne daß der Mensch etwas dazu tut. Der Mensch bringt unter allen Umständen ein unrichtiges Willenssystem in die Welt herein. Und das bewirkt, daß wir niemals in die Welt, indem wir physische Menschen werden, mit Moralität her­untersteigen. Die Moralität müssen wir uns erst nach und nach er­werben. Das, was Moralität war für unsere frühere Inkarnation, das haben wir gebraucht zwischen Tod und neuer Geburt, wo wir be­schäftigt waren mit unserem weisheitsvollen Bauen, das haben wir längst verschwitzt; die Moral müssen wir uns immer in jedem einzelnen Erdenleben neu erwerben. Das heißt, jetzt tritt etwas sehr bedeutungs­volles ein: jetzt müssen wir, indem wir aus dem vorirdischen Dasein

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amoralisch hereinkommen, in unserem Willen Sinn entwickeln; wir kommen mit unserem Willen herein in unsere Organe, wir müssen in unserem Willen Sinn entwickeln für dasjenige, was uns moralisch ent­gegengebracht wird.

Da ist es außerordentlich wunderbar, wie mit dem Sprechenlernen die moralischen Impulse in das Kind hineinfließen. Deshalb ist es uns von so ungeheurer Bedeutung, zu erkennen, daß das Imitieren bis in die intimsten Dinge hineingeht. Daß das beachtet wird, ist sehr bedeut­sam: denn wenn die Erzieher und Eltern in der Umgebung des Kindes unmoralisch sind, unmoralisch reden, so wird nicht die äußere Hand­lung, sondern der unmoralische Gehalt in der tiefen Innenorganisation des Kindes mit imitiert. Da handelt es sich also darum, daß wir auch mit der Außenwelt in Beziehung treten, aber auf dem Umwege durch den ganzen Organismus, nicht durch einzelne Organe. Und wenn da eine Stauung auftritt, dann tritt diese Stauung auf dadurch, daß wir, während wir vorher nicht mit unseren Gedanken überall herauskom­men, hier nicht mit unserem Willen herauskommen. Und das tritt in den moralischen Defekten zutage. Jetzt sehen Sie die inneren Ursachen der moralischen Defekte, wenn im ganzen menschlichen Organismus sich staut dasjenige, was aus dem vorirdischen Dasein hereinkommt und durchstoßen und sich durchfinden soll, wenn es den Durchgang zur moralischen Beurteilung unserer Umwelt finden soll. Wir müssen die Moral unserer Umwelt aufnehmen können. Das können wir unter Umständen nicht, wenn unsere geistig-seelische Organisation sich staut, wenn wir darinnen steckenbleiben - in der physischen Organisation -, wenn wir nicht durchkommen mit unserer geistig-seelischen Organi­sation.

Nun, sehen Sie, da handelt es sich darum, daß man in der Tat ganz auf moralischem Gebiete steht. Nur muß das auch in der richtigen Weise erkannt werden. Sie werden, wenn Sie es mit eigentlichen epilep­tischen Erscheinungen zu tun haben, das aus den Symptomen, die ich angeführt habe, Schwindelanfälle, Bewußtseinsauslöschung und so weiter, das werden Sie aus solchen Erscheinungen, die am Menschen auftreten, vorübergehend auftreten, diagnostizieren müssen. Wollen Sie im moralischen Gebiete moralische Defekte erkennen, dann müssen

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Sie nicht an die vorübergehenden Symptome denken, sondern an die bleibenden Symptome.

Die hauptsächlichsten Störungen, wodurch können sie auftreten? Natürlich ist alles im Karma bedingt; man muß von zwei Seiten spre­chen, von der Beschaffenheit, mit der der Mensch auftritt, und von seiner karmischen Bedingtheit. Nun denken Sie sich einmal, der Embryo lagert so im Organismus, daß er hier zusammengedrückt wird, daß das Gehirn zu schmal gebildet wird für die ganze übrige Organisation. Jetzt haben Sie dies zu beachten: während der kindlichen Entwicke­lung durch das zu schmal entwickelte Gehirn haben Sie jene Strah­lungen von dem Gehirn, die gerade wichtig sind vom siebenten bis zum vierzehnten Lebensjahre, dadurch gestört und gestaut, weil von dem, was hier sich staut, ein Abbild eintritt in der Milzfunktion. Was ist die Folge? Die Folge dieses Stauens ist, daß das Kind keine innerliche Sym­pathie entwickelt für irgend etwas, was ein moralisches Urteil ist; es fehlt ihm die Sympathie dafür. Wie für einen Farbenblinden die Far­ben nicht da sind, so sind für gewisse Kinder die moralischen Impulse, die in unserem Sprechen, in unseren Ermahnungen liegen, nicht da. Das Kind wird dadurch moralblind. Und wir haben dann die Aufgabe, diese Moralblindheit zu beheben. - Wir werden also an äußeren De­formationen, wenn wir sorgfältig vorgehen, immer ein wunderbares Symptom haben können. Und man wird immer gar vieles finden, was gegen diese scharlatanhafte Betätigung aller Phrenologie eingewendet wird, aber zur Beurteilung von moralischen Defekten sollte eigentlich von jedem eine echte Phrenologie schon studiert werden. Denn es ist schon interessant, zu sehen, daß moralische Defekte, die mit dem Kar­ma zusammenhängen, daß diese so starke Kräfte sind, wo karmische Immoralität ist, daß sie unweigerlich in Deformationen des physischen Organismus auftreten.

Aber auf der andern Seite sind gerade auf diesem Gebiete heilpäd­agogische Versuche außerordentlich angezeigt, und man wird, wenn man die gestern erwähnten Eigenschaften mitbringt, diesen inneren Mut und dieses Sich-Stellen vor Entscheidungen, seinen Ermahnungen, die man dann braucht, eben auch die nötige innere Kraft geben kön­nen. Innere Kraft braucht man dazu. Daß Heilung eintreten kann, das

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habe ich öfter schon an einem bestimmten Beispiel klargemacht. Sehen Sie, ein ganz bekannter deutscher Dichter ließ sich einmal phrenologi­sieren von einem Sachverständigen. Er war schon ein berühmter Dich­ter. Und der Phrenologe, der gedacht hat, allerlei Interessantes zu fin­den, wurde plötzlich leichenblaß, als er eine bestimmte Stelle betastete, und da getraute er sich nicht weiterzureden, während er sonst bei inter­essanten Dingen immer redselig war. DerDichter fing an zu lachen und sagte: Ich weiß schon, Sie haben den Diebssinn entdeckt; den habe ich stark gehabt! - Er hatte entdeckt, daß der Betreffende ein Kleptoman hätte werden können. Nun hat er die Kleptomanie in Dichtkunst um­gewandelt.

Da ist eben das, wo man die Dinge so anfassen muß, wie ich es ge­stern erklärt habe; und man darf tatsächlich schon von vorneherein diese Dinge nicht so beurteilen, wie man sie sonst beurteilt. Denn sehen Sie, es ist ja so: wenn man dem Menschen gegenübersteht, so hat er seine menschlichen Eigenschaften nach zwei Polen hin hauptsächlich ausgebildet, nach dem Pol des mehr Gedanklich-Vorstellungsmäßigen und nach dem Pol des Willensmäßigen. Ja, das Vorstellungsmäßige ist krank, wenn es nicht ein Dieb ist, und zwar ein ganz ausgiebiger Dieb. Die Hirn-Vorstellungsorganisation muß ein furchtbarer Dieb sein, nicht Moral anwenden auf das, was sie aufnehmen soll. Sie muß den Sinn haben, sich alles anzueignen. Das ist der eine Pol. Und man ist eben geneigt, entweder zur Epilepsie oder zu irgend etwas, wenn man nicht nach allen Seiten hin mit der Vorstellungsorganisation grapst. Aber das darf um Gottes Willen nicht hinunterschlüpfen in die Willens-Organisation! Die muß zurückhaltend sein, sie muß empfänglich sein, sie muß einen Sinn haben für Mein und Dein, der erst am äußeren Le­ben entwickelt wird. Denken Sie: die Tiere, die mehr im Vorstellungs-leben leben als die Menschen, die würden fortwährend verhungern, wenn sie nicht den Sinn hätten, sich alles anzueignen. Diese Dinge muß man durchschauen. Das darf nicht in die Willensorganisation hinunter-schlüpfen, das muß in der feinen Vorstellungsart bleiben. Wenn ich so sagen darf, wenn die astrale Infiltration unseres Gehirns, die ganz be­rechtigt ist, sich alles anzueignen, hinunterschlüpft bis in die Stoff-wechsel-Gliedmaßenorganisation oder in das rhythmische System hinein,

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dann entsteht im Willen als Tendenz dasjenige, was in der Vor­stellungsorganisation da sein muß: es entsteht dieser Drang, sich alles anzueignen. Er kann in verhältnismäßig harmlosem Sinne auftreten, was Sie dann beobachten können, wenn ein Kind anfängt, alles was es findet, aufzuheben und sich eine Sammlung davon anzulegen. Natür­lich, man bekämpft solche Dinge fortwährend; deshalb treten sie nicht so kraß auf. Man muß sich angewöhnen, die Anlage dazu zu sehen. Gewiß, das Kind bringt es gewöhnlich nicht dazu, weil man anfängt, es durchzuprügeln. Aber darauf muß man sorgfältig aufpassen, ob das Kind diese Neigung hat, irgendwie Dinge sich zurückzulegen, sich zusammenzulegen, und man muß eine Empfindung dafür haben, wo das Krankhafte beginnt. Es beginnt das Krankhafte, wenn es über ein gewisses Maß hinausgeht. Die Philistrosität hat vieles, aber hat kein Urteil darüber, wenn nicht gerade eine Veranlassung dazu vorliegt, wieviel man sammeln darf. Man kann ein grandioser Philister sein und Postmarken sammeln, da ist die Sammelwut mehr unschädlich. Wenn sie aber beim Kinde auftritt im Nachahmen, dann deutet das darauf, daß das Kind das heruntergerutscht hat, dieses Sich-Aneignen, in die Willenssphäre. Da handelt es sich wirklich darum, daß Sie sorgfältig sehen, wenn es sich um karmisch-moralische Defekte handelt in der Kleptomanie, daß Sie es sehen aus den Zusammenhängen heraus, die ich gestern geschildert habe, und aus einer solchen Seelenverfassung heraus an das Kind herankommen, indem Sie möglichst wirksam mo­ralisch erziehen mit einer ungeheuren inneren Lebendigkeit, nicht mit Lässigkeit. Mit innerer Lebendigkeit erfindet man Geschichten, wo­durch dasjenige, was das Kind tut, im Leben ad absurdum geführt wird. Man erzählt ihm einen Fall von Stehlen und macht das wiederum und immer wiederum. Das greift tatsächlich in das Karma ein.

Da wirkt man auf dem Wege des Heilpädagogischen, das im Mora­lischen stehenbleiben kann, wenn man wirklich ganz dabei ist, wenn man sich ganz individuell interessiert, wie die Dinge gemacht werden. Jeder Kleptomane ist außerordentlich interessant. Es sind ihm bis in die Zehenspitzen, bis in die Fingerspitzen die Vorstellungseigenschaften hineingerutscht. Das muß man natürlich wissen, wenn man ihn erziehen will. Man muß in die Erzählungen unter Umständen Gesten hineinflechten,

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die der Kleptomane gern macht. Man versetzt sich ganz in diesen Fall hinein, erfindet Legenden, Märchen, in denen diese Dinge ad absurdum geführt werden.

Denken Sie nach, wir werden auch Kleptomanen vorführen, den­ken Sie die Dinge immer weiter durch, Sie werden sehen, gerade da­durch kommen Sie auf diesem Gebiet durch die Diagnostik in die The­rapie hinein.

VIERTER VORTRAG Dornach, 28. Juni 1924

#G317-1967-SE059 Heilpädagogischer Kurs

#TI

VIERTER VORTRAG

Dornach, 28. Juni 1924

#TX

Nun, meine lieben Freunde, wir wollen heute eine Art Abrundung ver­suchen der einleitenden Betrachtungen und werden dann von morgen ab zu der praktischen Betrachtung einzelner Fälle übergehen können. Es handelt sich darum, daß eine wirkliche Betrachtung des Wesens des sogenannten seelischen Krankseins auch notwendigerweise dazu führen muß, Anhaltspunkte zu gewinnen für die Behandlung. Daß die Behand­lung bei Erwachsenen unseren Methoden heute noch Schwierigkeiten bieten muß, das hat seine Gründe in dem, was ich gestern ausgeführt habe: daß zu der Behandlung solcher Dinge gewisse Vorbedingungen da sein müssen, die, solange die Weltverhältnisse so stehen, wie sie jetzt stehen, überhaupt nicht innerhalb unserer Gesellschaft für seelisch Kranke verwirklicht werden können. Dagegen liegt bei Kindern die Sache so, daß die Erziehung in der Tat außerordentlich viel machen kann. Wie Sie aber eingesehen haben, meine lieben Freunde, handelt es sich bei seelischen Erkrankungen - natürlich bei andern auch, aber hier viel tiefer, in viel tieferem Sinne, in viel bestimmterem Sinne - um karmische Zusammenhänge, die in den Krankheiten zum Vorschein kommen.

So ist natürlich die Frage berechtigt aufgeworfen - nicht so sehr ausdrücklich, sie muß unbewußt aufgeworfen werden, wir müssen es fühlen, was da zugrunde liegt -: Wie weit kann eine Besserung herbei­geführt werden? - Jeder Grad von Besserung, den wir herbeiführen können, ist für den kranken Menschen ein Gewinn. Wir dürfen uns niemals trösten damit: das Karma ist so, und daher nehmen die Dinge so diesen Verlauf. Das sagen wir bei äußeren Schicksalsereignissen und können es auch tun; können es aber niemals tun bei demjenigen, was die freiströmende Gedanken-, Gefühls-, Tatenrichtung ist im Menschen selbst. Denn da kann das Karma verschiedene Wege gehen. Und es kann ein Abbiegen des Karmas stattfinden, so daß nicht etwa die Dinge nicht erfüllt werden, die zu erfüllen sind, aber sie können auf verschie­dene Weise erfüllt werden. Ich habe oftmals, wenn davon gesprochen

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worden ist, vorgeburtliche Erziehung soll geübt werden, womit man meint, Erziehung in der Embryonalzeit, ich habe oftmals gesagt:

Solange das Kind nicht atmet, handelt es sich um Erziehung und das Verhalten der Mutter. Und im übrigen soll man nicht in das Werk der Götter eingreifen. Da handelt es sich ganz um das, was sich abspielt bei der Mutter selbst.

Nun aber, eine sachgemäße Betrachtung kann so angestellt werden, wie wir sie für das epileptische Irresein gestern begonnen haben, wobei berücksichtigt wird physischer Leib, Ätherleib, astralischer Leib und Ich-Organisation. Nun, was haben wir herausbekommen für all die Formen des kindlichen Irreseins, die epileptisch oder epileptoid sind? Wir haben gefunden, daß es sich handelt um ein Stauen des astralischen Leibes und der Ich-Organisation in irgendeinem Organ. Die Oberfläche eines Organs läßt nicht heraus den Astralleib und die Ich-Organisation, die stauen sich. Die stauen sich innerhalb des Organs. Es entsteht eine verdichtete astralische und Ich-Atmosphäre innerhalb des Organs. Das gibt die Veranlassung zu den Krämpfen. Denn jedesmal, wenn ein Krampf vorhanden ist, ist folgendes vorhanden: Das Wesen des Krampfes besteht darinnen, daß wenn hier ein Organ ist (siehe Ab­bildung 11), mit seinem Ätherleib darin, so besteht ein ganz bestimmtes Verhältnis zwischen diesem physischen Leib und Ätherleib für jedes Organ, zum astralischen Leib und zum Ich.

Nicht wahr, Sie alle kennen ja das - man kann nur, wenn man sol­che Voraussetzungen macht, darüber sprechen -, was die bestimmten äußeren Verhältnisse sind, in denen sich in der unorganischen äußeren Natur die Stoffe miteinander verbinden. Wie es die Chemie tut, ist es zwar nicht richtig, aber bestimmte Verhältnisse bestehen - ich sage nicht Atom- oder Gewichtsverhältnisse, weil das schon in die Theorie greift -, aber die Tatsache besteht, daß in einem bestimmten Verhältnis Wasserstoff und Sauerstoff sich verbinden. Wenn wir die Schwefel­säure haben, H2SO4, so haben wir darinnen Wasserstoff, Schwefel und Sauerstoff in einem bestimmten Verhältnis, in dem sie zueinander ge­hören. Wenn dieses ein anderes wird, so kann unter Umständen der Stoff, der da entsteht, ein ganz anderer sein. Wenn wir ein anderes Ver­hältnis haben als in der Schwefelsäure zwischen Wasserstoff, Schwefel

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und Sauerstoff, so bekommen wir da die schweflige Säure, H2SO3, obwohl dieselben Stoffe darinnen enthalten sind.

So besteht ein ganz bestimmtes Verhältnis im sogenannten normalen Menschen; ich sage sogenannt, weil der Ausdruck «bei dem normalen Menschen» absolut philiströs ist, da glaubt man, es ist eine Grenze da. Nun, innerhalb bestimmter Grenzen ist das Verhältnis variabel. Aber wenn es über eine bestimmte Variabilität hinauskommt, und die kann wiederum individuell sein für einzelne Menschen, wenn es über eine bestimmte Grenze hinauskommt, so ist Abnormität, Krankhaftigkeit vorhanden. - Es ist also so, daß in einem Organ astralischer Leib und Ich-Organisation darinnen sitzen, so daß sie es in einem bestimmten Verhältnis nicht ausfüllen können und nicht über das Organ so hinaus­ragen können, wie wir es gestern als notwendig erkannt haben, über den physischen Leib. Staut sich nun der Astralleib und das Ich in einem bestimmten Organ, dann ist der überschüssige Astralleib und die über­schüssige Ich-Organisation in diesem Organ drinnen, dann ist nicht die gehörige Menge darinnen, sondern es ist eine gestaute Menge, eine über­schüssige Menge darinnen, und das Organ wird dadurch so, daß es die Astralität spüren muß, empfinden muß. Wenn die richtige Menge der Astralität darinnen ist, so empfindet das Organ die Astralität nicht. Denn jede nicht ins Organ gehörige Tätigkeit des Astralleibes und der Ich-Organisation muß das Organ empfinden. Geht irgend etwas nicht ins Bewußtsein über, staut es sich, so daß eine zu große Menge von Astralität und Ich-Organisation da ist, die nicht ins Bewußtsein über­geht, dann entsteht der Krampf. Und damit haben Sie schon die Be­gleiterscheinung gegeben, die Bewußtseinsstörung. Die Bewußtseins-störung muß dann immer eintreten,wenn es sich um ein Organ handelt, das überhaupt mit Bewußtsein zu tun hat. Handelt es sich um ein Or­gan, das nicht direkt etwas mit dem Bewußtsein zu tun hat - es gibt auch solche Organe, welche nicht direkt, sondern invers mit dem Be­wußtsein etwas zu tun haben, welche Hemmungsorgane sind -, dann entsteht nicht Bewußtlosigkeit, sondern Schmerz. Schmerz ist erhöhtes, nicht abgeschwächtes Bewußtsein. Der Krampfzustand als solcher ist ja nicht schmerzhaft, das ist einfach eine Tatsache; das,was als Schmerz eintreten kann, ist dann das, was eintritt, wenn in einem Hemmungsorgan,

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nicht in einem bewußtseinsfördernden Organ, sondern in einem bewußtseineinhaltenden Organ die Stauung stattfindet. Da tritt er­höhtes Bewußtsein, Schmerz ein. Das ist das Wesen des Schmerzes.

Nun, damit haben wir alle diejenigen Formen des Irreseins erfaßt, auch im kindlichen Organismus, die ins Epileptische oder Epileptoide ausmünden, die wir genau besprechen werden, aber am besten an in­dividuellen Fällen.

Nun werden Sie aber leicht einsehen, die Sache kann ja auch anders sein. Sie kann so sein, daß nun nicht ein Organ auftritt so, daß seine Oberfläche in sich die Ich-Organisation und den Astralleib zurückhält, sondern daß die Oberfläche zu viel durchläßt, daß gewissermaßen das Organ nicht genügend für seinen eigenen Verbrauch in sich selber zu­ruckhält, so daß hier also nicht die Astralität, wozu auch die Ich­Organisation gehört, sich staut, sondern daß sie gewissermaßen über das Organ leicht hinaus fließt (siehe Abbildung 11). Man könnte sagen, die Oberfläche wird für die Astralität und die Ich-Organisation zu durchlässig, das Organ rinnt aus in bezug auf seine Astralität und Ich­Organisation. Wir sehen dann mit dem imaginativen Bewußtsein das Organ ausstrahlen, es rinnt aus. Solch ein ausrinnendesOrgan ist immer verbunden mit dem physischen Korrelat der Sekretion, die natürlich bei gewissen Organen nicht stark auftritt, die aber durchaus auch be­merkbar auftreten kann. Wir werden davon zu sprechen haben. Sehen Sie, da haben wir es dann, wenn es das kindliche Alter betrifft, zu tun mit einer Erscheinung, die nur dadurch geheilt werden kann, daß man den Astralleib und die Ich-Organisation befestigt, sozusagen zurück­bringt ins Organ.

Nun, zu welchen Formen, zu welchen äußerlich wahrnehmbaren Symptomkomplexen führt dann eine solche innere Beschaffenheit? Da kommen wir auf ein Kapitel, wo für das kindliche Alter etwas anderes auftritt als für den Erwachsenen. Da kommen wir zu Formen des Irre-seins, die für die Zeit der menschlichen Entwickelung von der Geburt bis zur Geschlechtsreife besondere Formen annehmen müssen, wir kommen da zu Formen des hysterischen Irreseins. In diesen Formen des hysterischen Irreseins leben heute alle Unklarheiten der äußeren Wissenschaft. Es leben darinnen alle unsachlichen Wortprägereien.

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Das beginnt schon bei der allerersten Anschauung, die man über diese Sache hat; denn man wird natürlich in irgendeiner Weise nach den heutigen Anschauungen dieses hysterische Irresein mehr oder weniger in Zusammenhang zu bringen haben mit dem Geschlechtsleben. Man bringt es sogar in Formen, die man darunter notifiziert, mehr als mit dem Geschlechtsleben des Mannes mit dem Geschlechtsleben der Frau in Zusammenhang. Nicht die Wortbezeichnung ist es, worauf es an­kommt. Welche Fälle man heute darunter notifiziert, ob sie die Be­zeichnung hysterisches Irresein, so wie man das meint, verdienen, oder ob man einen viel größeren Komplex erfassen muß, darauf kommt es an.

Nun liegt die Sache so, daß einfach das Kind bis zur Geschlechts-reife diese Form des Irreseins eigentlich gar nicht haben kann, die man ihm zuschreibt, wenn man an das Geschlecht bei der Hysterie denkt, sondern daß das Kind überhaupt in seinen ersten Lebensepochen etwas haben kann, was ich beschrieben habe als das Hinausragen des astra­lischen Leibes und der Ich-Organisation über ein Organ. Nur das kann es haben. Wir müssen von allen Beschreibungen, die da bestehen für das Erfassen des hysterischen Irreseins, absehen, denn alle diese Be­schreibungen haben das schon an sich, daß man an gewisse Oberbegriffe dabei denkt; wenn man aber dabei an einen gewissen Oberbegriff denkt, so wird die Beschreibung falsch. Und so sind heute zahlreiche Beschreibungen auf dem Gebiet der Psychiatrie einfach falsch. Man kann so etwas nicht machen, wie man es heute eben macht.

Sehen wir uns einmal an, was da in Wirklichkeit vorliegt. Das Kind erfaßt die Außenwelt, wie ich es gestern gesagt habe, schwer. Es erfaßt schwer den Gleichgewichtszustand mit der Flüssigkeit, den Gleich­gewichtszustand mit der Luft, die Differenzierungen in der Wärme, die Differenzierungen im Lichte, die Differenzierungen im Chemismus, die Differenzierung im allgemeinen Weltenleben, diese erfaßt es, statt, wie es bei dem epileptischen Irresein der Fall ist, zu schwach, zu stark; es steckt überall in die Umgebung, in die Schwere, in die Wärme steckt es seinen Astralleib und das Ich hinein, es erfaßt ein jegliches in so in­tensiver Weise, wie es eigentlich beim sogenannten Normalen nicht möglich ist. Was entsteht denn da?

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Nun, Sie brauchen sich nur vorzustellen, Sie haben irgendwo die Haut geritzt und Sie greifen ein Ding an mit einer wunden Fläche, mit einer Fläche, wo Sie die Haut abgeschürft haben, wo Sie empfindlich sind. Sie sind deshalb empfindlich, weil Sie da mit Ihrem innerlich astralischen Leibe zu stark an die Außenwelt kommen. Man darf mit seinem astralischen Leib und der Ich-Organisation nur in einem ge­wissen Maße an die Außenwelt herankommen. Das Kind, das nun von vorneherein seinen astralischen Leib hinausbringt, ergreift in feiner Art alle Dinge gerade so, wie wenn es verwundet wäre. Dadurch ent­steht ganz selbstverständlich das Erlebnis einer Hyperempfindlichkeit, einer hyperempfindlichen Hingabe an die ganze Umgebung. Es emp­findet dann ein solches Menschenwesen viel stärker, viel intensiver die Umgebung, spiegelt sie auch viel stärker in sich. Es entstehen daher auch Vorstellungen, die in sich weh tun. In dem Augenblicke, wo man den Willen entfaltet demgegenüber, greift man hinein in etwas, dem­gegenüber man überempfindlich ist. Es entsteht in den bewußten Par­tien eine eigentümliche Tatsache, wenn man den Willen entfaltet: es entsteht ein zu großes Bewußtsein an der Willensentfaltung, es entsteht ein Schmerz bei der Willensentfaltung; im Entstehungsstadium ist die­ser Schmerz da, im Status nascendi. Man will ihn zurückhalten. Das geschieht intensiv. Man zappelt im Tun, weil man den Schmerz zurück­halten will.

Sie sehen, man bekommt da Beschreibungen, die in ganz bestimm­tem Sinne ins Leben münden. Sie bekommen da Beschreibungen her­aus, wo das Kind etwas tun will, und die Sache ist so: es spürt einen Schmerz und kann es nicht tun, hat aber statt dessen, daß das Seelen-leben ins Tun ausfließt, ein furchtbar starkes Innenerleben, vor dem es zurückschaudert. Es schaudert vor sich selbst zurück. Oder auch, wenn es sich nicht um ein Tun handelt, sondern um ein maskiertes Tun, das im Vorstellungsleben liegt - da lebt nämlich der Wille mit -, wenn es sich um ein Tun im Vorstellungsleben handelt, wenn Vorstellungen sich entwickeln sollen, so kann es sein, daß die Vorstellungen im Mo­ment, wo sie entstehen sollen, bei gewissen Formen des Krankseins Angst hervorrufen und nicht entstehen können. Jede solche Vorstel­lung, die im Moment, wo sie ins Bewußtsein kommen soll, im Moment

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des Entstehens Angst hervorruft, jede solche Vorstellung bewirkt zu gleicher Zeit, daß das Gefühlsleben unter ihr sich entfaltet. Die Gefühle schäumen auf, der depressive Zustand beginnt dann immer. Die Ge­fühle, die von Vorstellungen nicht erfaßt werden, sind depressiv; nur die Gefühle sind nicht depressive Gefühle, die sogleich vom Vorstel­lungsleben erfaßt werden, wenn sie entstehen.

Das, was man aus der Sache heraus beschreibt, kann man sehen, und das ist schon im Grunde ein Symptomenkomplex. Lernt man also erkennen das Wesen einer solchen Abnormität, dann kann man es in der Anschauung unmittelbar sehen. Das ist es, um was es sich handeln muß, wenn Geisteswissenschaft mit ihrer Anschauung in diese prak­tischen Gebiete des Lebens eingreift. Da müssen für die, die da ein­greifen sollen, die Beschreibungen nun ganz aus dem Abstrakten her­ausgehen, ganz ins Lebendige hineingehen, so daß die Beschreibung dort mündet, wo dann derjenige, der die Beschreibung hat, es am Kranken sieht. Und hier sehen Sie förmlich das, was da geschieht: das Ausrinnen irgendeines Organes oder irgendeines Organkomplexes an Astralität oder Ich-Organisation.

Eine ganz grobe Erscheinung beim Kinde, die äußerlich gewisser­maßen den Symptomenkomplex vergröbert ausdrücken wird, wird das Bettnässen sein. Es ist ganz selbstverständlich. Damit aber rücken Sie das Bettnässen des Kindes erst in seine richtige Perspektive. Es hat sei­nen Ursprung in dieser Tatsache. Sie können also überall, wo es sich um das Bettnässen handelt, voraussetzen: Da rinnt der astralische Leib heraus. Denn alle Art von Aus- und Abscheidungen hat es zu tun init der Tätigkeit des astralischen Leibes und der Ich-Organisation. Die müssen in Ordnung sein, wenn die Aus- und Abscheidungen in Ord­nung sein sollen.

Nun können wir wiederum sagen, daß also die Ich-Organisation und der astralische Leib durch den physischen Leib im Zusammenhang stehen mit den gewöhnlichen sogenannten vier Elementen, daß im Ätherleib die Ich-Organisation und der astralische Leib mehr im Zu­sammenhang stehen mit den oberen Elementen, mit einem Teil der Wärme, mit dem Lichte, mit dem Chemismus und mit dem allgemeinen Weltenleben. Wenn man also Ausdrücke, die ganz bezeichnend sein

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können, ausdehnt auf das Geistige, wie es durchaus auch früher im instinktiven Hellsehen geschehen ist, wo man noch nicht so stark das Physische von dem Geistigen unterschieden hat, so kann man sagen:

Es gibt ein seelisches Wundsein des Kindes. Und dieses seelische Wund­sein des Kindes, das umgreift als Oberbegriff all das, was da auftritt. Und es wird, wenn dieses seelische Wundsein eben durch Heilpädagogik nicht gebessert werden kann, dann bei der Geschlechtsreife die weib­liche oder die männliche Form dieses Wundseins auftreten. Die weib­liche Form wird dann den Charakter des Hysterischen haben, wie man es bezeichnet hat, solange man eine Anschauung gehabt hat; die männ­liche Form hat eine andere Gestaltung, die wir auch besprechen können, aber die in anderer Art auftritt.

So werden Sie also überall dazu geführt, überall wo ein solches dem epileptischen oder epileptoiden Irresein Entgegengesetztes vorliegt, darauf zu achten, wie die Ausscheidungen beschaffen sind. Sie werden darauf geführt, insbesondere die Schwitzverhältnisse des Kindes or­dentlich ins Auge zu fassen. Sie werden namentlich sorgfältig acht-geben müssen darauf, ob, wenn Sie dem Kinde etwas beibringen wollen, also Vorstellungen hervorrufen wollen, die innere Wundheit gegenüber einer Vorstellung sich auslebt in Schwitzzuständen. Dabei besteht eine gewisse Schwierigkeit. Sie werden unter den gewöhnlichen Verhält­nissen glauben, daß, wenn man nun irgend etwas hervorgerufen hat von einem solchen inneren Zustand, dann nachträglich gleich die Schwitzverhältnisse beobachtet werden können. Das kann in gewissen Verhältnissen der Fall sein, braucht aber nicht der Fall zu sein. Denn da tritt das Eigentümliche ein, daß das, was da an innerer Angst oder innerer Zurückhaltung, an Empfindung des inneren Wundseins da ist, nicht so wirkt wie eine äußere Wundempfindung, sondern daß das­jenige, was da entsteht, erst im Menschen verdaut wird und manchmal noch die sonderbarsten Wege im Inneren des Menschen durchmacht und nicht in der allernächsten Zeit, sondern kurioserweise erst nach einiger Zeit, im Laufe der nächsten drei oder dreieinhalb Tage, zum Vorschein kommt. Man hat es bei alledem, was bei der Vergrößerung des Astralleibes und der Ich-Organisation eintritt, mit demjenigen zu tun, was bei der normal eintretenden Vergrößerung des Astralleibes

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und der Ich-Organisation im Tode eintritt. Wenn es sich um eine Stau­ung gehandelt hat, da tritt das Entgegengesetzte vom Sterben ein. Im Epileptischen liegt der Versuch vor, das Leben im Organismus zusam­menzustauen, nachzuahmen in einem abnormen Verhältnis das Hinein-kriechen in den physischen Organismus beim Heruntersteigen. Bei den Zuständen, von denen wir jetzt sprechen, hat man es mit dem Nach­ahmen dessen zu tun, was im Sterben geschieht: Der Astralleib und das Ich dehnen sich aus mit dem Zerfließen des Lebens nach dem Tode. Mit dem hat man es zu tun.

Hat man dieses Gefühl, so eignet man sich nach und nach das an, was wichtig ist bei der Beobachtung solcher Fälle: Man bekommt ein Geruchsorgan für dasjenige, was im Kinde vorhanden ist, man riecht dieses Ausfließen. Man riecht es nämlich in Wirklichkeit. Und das ist schon zu dem esoterischen Teil dieser Dinge gehörig, daß man sich eine Geruchsempfindung dafür aneignet, daß das Aurische anders sich an-riecht von solchen Kindern als von normalen Kindern. Und tatsäch­lich: etwas leise Leichenartiges haben solche Kinder in ihren aurischen Ausschwitzungen. Dadurch aber sehen Sie, daß das so ist, es treten auch die Begleiterscheinungen dieses Sterbens auf, nämlich dieses Schwitzen aus dem einen oder andern Grund. Die können auftreten im Laufe der nächsten drei Tage, annähernd in dem Zeitraum, in dem diese Rückschau nach dem Tode auch auftritt, wenn die Vergrößerung stattfindet von astralischem Leib und Ich-Organisation.

Sie müssen sich also aus einer solchen Erkenntnis heraus angewöh­nen, festzuhalten an irgend etwas, was Sie in dem Vorstellungs- oder Willenszusammenhang eines solchen Kindes bemerkt haben, und müs­sen dann das Kind durch die nächsten drei bis vier Tage verfolgen. Dann bekommen Sie heraus, ob nun wirklich die Form vorliegt des abnormen Seelenlebens, von der ich eben gesprochen habe. Dann ent­steht für Sie schon mit ganz entsprechenden Vorbedingungen die Frage:

Wie behandele ich ein solches Kind?

Ein solches Kind tritt mir so entgegen, daß ich in jeder Handlung, die es tut, schon seine Seele offen daliegen habe. Seine Seele fließt mit hinein in alles dasjenige, was das Kind um mich herum tut. Sie begrei­fen, daß in einem solchen Falle, wenn gewissermaßen die Seele des

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Kindes an einen heranflutet, die Erziehung ganz besonders von dem abhängt, was nun der Erzieher seinerseits in seiner Seelenverfassung, in seiner ganzen Stimmung dem Kinde entgegenbringen kann, indem er selber irgend etwas in seiner Umgebung handhabt, indem er selber etwas tut. Nehmen wir nun an, Sie seien ein zappliger Erzieher, so ein Mensch, der fortwährend so handelt, daß er mit dem, was er tut, den andern Menschen einen Schock verursacht. Diese Charaktereigentüm­lichkeit, die eine menschliche Temperamentseigentümlichkeit ist, ist im Leben viel verbreiteter, als man denkt. Sie ist häufig in der Lehrer­schaft ganz außerordentlich verbreitet. Wenn man einen trivialen Aus­druck gebrauchen dürfte: Sind nicht die meisten Lehrer heute häse­bäsig? Dieses zapplige Wesen, das sich im Tun fortwährend über­schlägt! Das muß so sein, weil die Seminarbildung so ist, wie sie ist. Die Seminarbildung ist heute so, daß sie tatsächlich hypertrophiert dasjenige, was in den Menschen hineingebracht werden soll. Vor allen Dingen dürften die Seminaristen - und da ich heute nur die Aufgabe habe, über die Lehrerseminaristen zu sprechen, kommen die andern nicht in Betracht -, vor allem dürften die Lehrerseminaristen niemals einem Examen unterzogen werden. Denn das Examen ist schon das­jenige, was einen in Stimmungen hineinbringt, die in diese Zappligkeit hineinführen.

Nun sehen Sie gleich, in welche sonderbare Lage man hineinkommt, wenn man aus der Sache heraus die Dinge entwickeln muß. Es handelt sich um die Einrichtung des Lauensteinschen Institutes für minderwer­tige Kinder. Aus der Polizeigesetzgebung heraus muß denjenigen, die das Institut übernehmen, geraten werden, daß sie ihr Examen machen. Wenigstens einer muß es machen. Aber das ist ganz unsachlich, weil es selbstverständlich ein weiteres Mittel zum Zappligwerden ist. Das ist etwas, was in ganz trockenem Sinne einfach eingesehen werden muß, sonst geht man mit verbundenen Augen durch die Welt. Es bleibt also nichts anderes übrig, als nach dem Examen sich die Zappligkeit wieder abzugewöhnen. Das tun die meisten nicht.

Also alles muß vermieden werden in der Umgebung des Kindes, was leise Schockwirkungen hervorruft, wenn sie aus dem Unbewußten, aus dem Temperament des Lehrers kommen. Warum? Weil der Lehrer es

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ganz in der Hand haben muß, ganz aus seinem Bewußtsein heraus, mit Willkürlichkeit, solche Schockwirkungen auszuführen. Denn sie sind manchmal für solche Zustände die allerbesten Heilmittel. Aber sie wir­ken nur, wenn man sie nicht gewohnheitsmäßig tut; sie wirken nur dann, wenn man sie in vollem Bewußtsein, durch und durch beobach­tend, vor dem Kinde vollbringt.

Sie müssen also, wenn Sie einen solchen Symptomenkomplex beim Kinde bemerken, das Kind nehmen, und - nun bringen Sie ihm bei, irgend etwas zu schreiben, zu lesen oder zu malen -, aber jetzt, was tun? Sie versuchen, das Kind so weit kommen zu lassen, als es eben seiner besonderen Menschenbeschaffenheit nach kommen kann. An einem bestimmten Punkte versuchen Sie, das ganze Tempo der Arbeit in ein schnelleres übergehen zu lassen. Dadurch wird das Kind genötigt, nicht das Wundsein zurücktreten zu lassen, wohl aber die Ängstlichkeit gegenüber dem Wundsein, weil Sie ja vor dem Kinde sind und das Kind dadurch in die Ängstlichkeit hineinsteigen muß. Dadurch aber, daß es in diesem Moment in die Ängstlichkeit hineinsteigen muß, daß das Kind jetzt in einen künstlich hervorgerufenen Eindruck hinein-geht, der von dem vorhergehenden Eindruck abweicht, dadurch, daß es in einen solchen Eindruck hineingeht, stärkt es dasjenige, was aus­fließen will in seinem Innern, konsolidiert es. Und wenn Sie solches systematisch mit einem Kinde immer und immer wieder durchführen, dann tritt die Konsolidierung des Ich und des Astralleibes ein. Nur müssen Sie nicht ermüden, müssen es immer und immer wieder machen, den ganzen Unterricht so vorbereiten, daß er methodisch so verfließt, daß er an gewissen Stellen einfach sich umbiegt. Dazu müssen Sie den Unterricht selber in der Hand haben. Wenn Sie alle dreiviertel Stunde einen andern Gegenstand haben, dann können Sie nach dieser Rich­tung nichts beabsichtigen. Sie können aufbauen einen Unterricht für abnorme Kinder, wenn Sie auf Grundlage desjenigen, was wir in der Waldorfschule eingeführt haben, auf der Grundlage des Epochen­unterrichtes arbeiten, wo also in den hauptsächlichsten Unterrichts­stunden ein einziger Gegenstand durch Wochen hindurch fortgeführt wird, wo man also durch Wochen hindurch die Möglichkeit hat, zwi­schen acht und zehn Uhr gar keinen Stundenplan zu haben; man kann

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machen, was man will, was man eben methodisch als das Richtige einsieht.

Aus einer solchen pädagogischen Grundlage können Sie nun auch herausarbeiten dasjenige, was Sie dann für die abnormen Kinder tun müssen. Da können Sie hineinbringen jene Methode, die fortwährend die Umwandlung des Unterrichtes, die Änderungen im Tempo des Unterrichtes bewirkt. Und mit solchen Dingen werden Sie ungeheuer stark auf die Drüsensekretion und damit auf die Konsolidierung des astralischen Leibes beim Kinde wirken. Sie müssen dabei nur eine ge­wisse Resignation haben; denn die Welt wird nicht bemerken, wo Heilung eingetreten ist, wenn die Kinder so behandelt worden sind, daß die Kinder gesund geworden sind. Die Welt wird nur bemerken, daß im einzelnen Fall keine Heilung eingetreten ist, weil man immer im Leben das Normalwerden als etwas Selbstverständliches ansieht. Es ist aber das Normalwerden gar nicht etwas so Selbstverständliches. Das ist das eine.

Sie sehen also: hat es sich beim epileptischen und epileptoiden Irre-sein darum gehandelt, mehr manuelle und moralische Maßnahmen zu ergreifen, wie ich gestern ausgeführt habe, so handelt es sich bei diesem Irresein, das ich heute behandelt habe, vorzugsweise darum, didak­tische Methoden auszubilden, welche die Sache bekämpfen können. Diese Schockwirkungen hervorrufen, ist das eine. Das andere ist: sorg­fältig beobachten, wie die Zustände zwischen Depression und einer Art Maniewirkungen, Heiterkeits-Lustanwandlungen, abwechseln.

Denn wodurch entsteht nun bei diesen Formen des Krankseins der Wechsel von Depressionszuständen und manischen Zuständen? Er fin­det ja fortwährend statt deshalb, weil das Kind innerlich wund ist und die Sehnsucht hat, den Willen überhaupt nicht zur Entfaltung kommen zu lassen. Kommt der Wille imVorstellungsleben nicht zur Entfaltung, dann entstehen die depressiven Zustände. Wiederum, wenn das lange geschehen ist und das Kind nicht mehr zurückhalten kann, sondern sich einmal entladen muß, dann entsteht, weil zurückgedämpft wird das innere Wundsein, weil das Kind im Herausfließen im Astralischen ganz ausfließen kann, ein erhöhtes Wohlgefühl, und es wechseln dann Zustände von Traurigsein und Heitersein, die man gerade bei einem

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solchen Kinde, das die andern Symptome: Schwitzen, Bettnässen, äußerlich zeigt, sorgfältig beobachten muß.

Denn man muß nun gerade die Didaktik in diese Wechselzustände hineintreiben. Nehmen wir an, wir haben einen depressiven Zustand des Kindes. Wir werden einem solchen depressiven Zustand in dem Augenblick beikommen, wo das Kind das Gefühl bekommt: wir sind recht stark mit seinem Inneren verbunden, wir verstehen es. Aber das Kind hat gerade, weil es sich da handelt um eine Art Hypertrophie des Vorstellungs- und Willenslebens, das Bedürfnis, da nicht zu erleben eine Teilnahme bloß an der Traurigkeit. Wenn wir mit dem Kinde bloß verstimmt und traurig werden, hat das Kind nichts davon. Son­dern es wird nur etwas davon haben, wenn wir dem Zustande, den wir miterleben können, gewachsen sind, und das Kind wirksam trösten können, wenn das Kind einen wirksamen Trost erhält.

Da wird der Erzieher, der verständnisvoll auf diese Dinge eingehen kann, sich Typisches aneignen. Er wird zum Beispiel wissen, daß eine ständige Vorstellung bei solchen Kindern die ist, daß sie meinen, sie sollten etwas tun, können es aber nicht. Es ist eine komplizierte Vor­stellung, aber man muß sie studieren können: Sie sollen etwas tun und können es nicht, sie müssen es doch tun, dann wird es anders, als sie es haben tun wollen. Prüfen Sie nur bei solchen Kindern, von denen ich gesprochen habe, das Seelenleben und gehen Sie geradezu darauf aus, abzufangen im Seelenleben dasjenige, was man so bezeichnen kann:

Ich will etwas tun - ich kann es eigentlich nicht; ich muß es aber doch tun - deshalb wird es anders, als es sein soll.

In diesem Vorstellungskomplex lebt nämlich die ganze Krankheit des Kindes. Das Kind spürt, fühlt die eigentümliche Konstitution, die in dem Ausfließen des Astralleibes und der Ich-Organisation besteht. Das selber wirkt schon so, wie ein Hinauswirken in die Welt des Astral-leibes. Ich will etwas tun - aber das Kind weiß, es kommt sogleich an die äußere Welt, an die Agenzien heran. Da ist die Wundheit, es schmerzt; und es muß spüren: Ich kann es eigentlich nicht. - Aber nun weiß das Kind: Es muß ja doch geschehen. Ich muß hinausgreifen mit meinem Astralleib in die Agenzien der Welt. Da bewältige ich das nicht, was ich in die Hand nehme; da bin ich so ungeschickt mit meinem

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ausfließenden astralischen Leib; es wird anders, weil ich nicht ganz dabei sein kann. Der Leib fließt zu stark aus.

Gerade an solchen Kindern bemerkt man in der wunderbarsten Weise, was das Unterbewußtsein, das in das Empfindungsleben hin­aufragt, was es eigentlich tut. Es ist ja so furchtbar gescheit. Es prägt in die deutlichsten Begriffe dasjenige, was in der inneren Konstitution und im Verhältnis zwischen Menschen und der Umgebung vorgeht. Das löst sich im Unterbewußtsein los, nur kommt es nicht in sein Be­wußtsein herauf. So also kann man sagen: Man muß losgehen darauf, diese inneren unbewußten Vorstellungskomplexe beim Kinde zu ent­decken. - Und jetzt: Er tritt auf. Man merkt ihn. Er ist fast jedesmal da, wenn das Kind etwas beginnen soll im äußeren Tun oder durch Denken. Er ist fast immer da. Greifen Sie in diesem Moment so ein, daß Sie sanft und mild mittun in dem, was das Kind tun soll, daß Sie gewissermaßen jede Handbewegung in der eigenen Handbewegung fühlen, dann hat das Kind das Gefühl, der zweite Teil wird korrigiert durch das, was Sie tun. Aber natürlich hat das Kind nichts davon, wenn Sie wirklich alles machen, was das Kind machen soll. Sie müssen nur fiktiv eingreifen. Sie lassen das Kind malen, malen aber nicht selbst, fahren aber mit dem Pinsel nebenher, nahe in der Nachbarschaft weiter, indem Sie jede Bewegung begleiten. Sie lassen das Kind so vor­stellen, daß Sie das Kind, indem es seine Vorstellungen bildet, sanft leiten, indem Sie möglichst wohlwollend und deutlich dasjenige, was das Kind machen soll, mitmachen, es seelisch in der Nachbarschaft streichelnd begleiten. Bis in solche Intimitäten hinein können wir durch wirkliche Beobachtung der Sachlage finden, was wir zu tun haben.

Nun müssen wir wissen, daß es bei dem, was Geisteswissenschaft geben kann, sich immer nur handeln kann um den Appell an den Men­schen. Man strebt immer nach Vorschriften: Das sollst du so machen und das andere so. - Derjenige, der Erzieher werden will für abnorme Kinder, der ist nie fertig, für den ist jedes Kind wieder ein neues Problem, ein neues Rätsel. Aber er kommt nur darauf, wenn er nun geführt wird durch die Wesenheit im Kinde, wie er es im einzelnen Fall machen muß. Es ist eine unbequeme Arbeit, aber sie ist die einzig reale.

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Daher handelt es sich im Sinne dieser Geisteswissenschaft so stark darum, daß wir gerade als Erzieher im allereminentesten Sinne Selbst-erziehung pflegen.

Wir werden die beste Selbsterziehung üben, wenn wir mit Interesse die Krankheitssymptome verfolgen. Wenn wir das Gefühl haben: so ein Krankheitssymptom ist eigentlich etwas Wunderbares. Man darf es aber nicht hinausposaunen: Die Irrsinnigen sind die eigentlich gött­lichen Menschen. - Man darf es nicht tun in unserer Zeit. Aber man muß sich klar sein: Wenn ein abnormes Symptom auftritt, so ist etwas da, das, geistig angesehen, näher dem Geistigen steht als dasjenige, was der Mensch in seinem gesunden Organismus tut. Dies Näher-dem-Geistigen-Stehen kann nur nicht in der entsprechenden Weise im ge­sunden Organismus sich betätigen. Hat man einmal das, dann wird man auf solche Intimitäten hingewiesen werden.

Sie sehen: es ist einmal so, daß auf jedem Gebiete die Diagnostik und Pathologie zu einer wirklichen Therapie führt, wenn die Diagno­stik auf das Wesen der Sache eingehen kann.

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 30. Juni 1924

#G317-1967-SE074 Heilpädagogischer Kurs

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 30. Juni 1924

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Sie konnten schon sehen, wie gewisse Ahnormitäten in der Seele, im Seelenleben, die als Erkrankungssymptome auftreten, bei Kindern in einer unbestimmten Weise zutage treten, um sich dann später in be­stimmterer Art auszubilden. Und so konnte ich Sie aufmerksam machen darauf, wie dasjenige, was später hysterische Erscheinung wird, im kindlichen Alter in einer ganz eigenartigen, noch unbestimmten Weise auftritt. Um aber die eigentlichen Abnormitäten des kindlichen Alters richtig beurteilen zu können, muß man doch den ganzen Zusammen-hang ins Auge fassen zwischen dem vorgeburtlichen Leben des Men­schen, das sozusagen den Karmaimpuls hereinträgt ins physische Leben, und der allmählichen Entwickelung des Kindes durch die zwei ersten Lebensepochen, vielleicht sogar darüber hinaus durch die drei ersten Lebensepochen des Kindes.

Da werden wir heute zur Vorbereitung zunächst noch etwas mehr Theoretisches besprechen, dann werden wir an praktischen Beispielen alles weiter Nötige besprechen können. Und es wird ja Frau Dr. Weg-man uns zunächst schon morgen früh einen Jungen hier zur Verfügung stellen, den wir schon längere Zeit hier in Behandlung des Klinisch-Therapeutischen Institutes sehen, und an dem wir dann demonstrieren können einiges ganz besonders Charakteristisches.

Um Ihnen das aber zu zeigen, was Sie noch vorher wissen müssen, möchte ich schematisch den menschlichen Organismus, die menschliche Totalorganisation vor Sie hinstellen (siehe Abbildung 12). Ich möchte, damit das alles deutlich wird, in der folgenden Zeichnung die Ich-Organisation immer rot zeichnen. Ich möchte dann die astralische Or­ganisation mit diesem Violett zeichnen, möchte dann die Ätherorgani­sation in diesem Gelb zeichnen, und möchte die physische Organisation in diesem Weiß zeichnen. Wollen wir also heute dasjenige, was für uns in Betracht kommt, ganz genau einmal festhalten, wollen wir uns be­mühen, die Sache genau ins Auge zu fassen. Es ist nämlich nicht so in der menschlichen Organisation, daß wir sagen können: Da ist die Ich-Organisation,

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da ist die astralische Organisation, da ist die Äther­Organisation und so weiter -, sondern die Sache ist so: Stellen Sie sich einmal vor eine Wesenheit, welche so organisiert ist, daß die Ich-Organisation zunächst außen liegt; daß dann weiter nach innen die Astralorganisation liegt, dann die Ätherorganisation kommt, und dann die physische Organisation. So daß wir also gewissermaßen hier ein Wesen haben, das seine Ich-Organisation nach außen präsentiert, wei­ter nach innen drängt die Astralorganisation, weiter nach innen die Ätherorganisation und am weitesten nach innen drängt die physische Organisation.

Stellen wir daneben eine andere Anordnung, wo wir hätten die Ich-Organisation ganz im Innern, nach außen gewissermaßen strahlend die Astralorganisation, noch weiter nach außen die Ätherorganisation, und noch weiter nach außen die physische Organisation (siehe Abbildung 12, links). Sehen Sie, jetzt haben wir zwei polarisch sozusagen entgegen­gesetzte Wesenheiten. Wenn Sie ansehen diese zwei polarisch einander entgegengesetzten Wesenheiten, so können Sie sich sagen: Die zweite Wesenheit wird nach außen eine starke physische Organisation zeigen, in die noch die ätherische Organisation hineinspielt, dann wird mehr nach innen verschwinden die Astral- und Ich-Organisation. - Nun kann aber dadurch, daß das so ist, die Konfiguration etwas sich ändern. Die Konfiguration desjenigen,was ich hier an zweiter Stelle hergezeich­net habe, kann so sein: wir können die physische Organisation gewisser­maßen nach oben voll ausgebildet haben und nach unten offen, ver­kümmert. Wir können dann die ätherische Organisation wiederum nach unten etwas stärker als die physische Organisation ausgebildet, aber doch noch verkümmert haben. Wir können die Astralorganisation schon mehr nach unten ausschweifend haben und die Ich-Organisation gewissermaßen wie eine Art von Faden nach unten gehend. Denn das­jenige, was schematisch hier in Kugelform angeordnet ist, kann näm­lich durchaus so erscheinen (siehe Abbildung 12, unten links).

Nun will ich aber die Sache noch etwas anschaulicher machen, in­dem ich diese Ich-Organisation hier Ihnen so zeichne, darauf die Astral­organisation, die Ätherorganisation und die physische Organisation. Und jetzt wollen wir anschließen das andere Wesen. Dieses andere

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Wesen wollen wir so anschließen, daß wir zunächst die Ich-Organisa­tion, die hier außen ist, etwas konfiguriert sein lassen; also statt daß ich einen Kreis gezogen habe, habe ich den Kreis etwas konfiguriert sein lassen. So ist es ja immer in den Bildsamkeiten des Naturwesens, des Weltwesens überhaupt, daß dasjenige, was kugelig, was kreisig ist, sich in verschiedener Weise konfiguriert. Weiter nach innen habe ich jetzt an die Ich-Organisation anzuschließen die Astralorganisation, noch weiter nach innen die Ätherorganisation und endlich ganz nach innen geschlagen die physische Organisation (siehe Abbildung 12, rechts). Und Sie haben das eine, erste Wesen, in den Kopf des Menschen verwandelt. Sie haben das zweite Wesen in das Stoffwechsel-Glied­maßenwesen des Menschen verwandelt. Und, in der Tat, in Wirklich­keit ist es so, daß wir in der Kopforganisation des Menschen dasjenige haben, wo das Ich sich im Innern verbirgt, der Astralleib auch noch verhältnismäßig sich im Innern verbirgt, und nach außen konfiguriert der physische Leib und der Ätherleib auftreten und die Form geben des Antlitzes.

Dagegen im Stoffwechsel-Gliedmaßensystem haben Sie die Sache so, daß eigentlich überall außen in der Wärme- und Drucksinnlichkeit des Organismus, überall außen vibriert das Ich, und vom Ich ausgehend vibriert nach innen der Astralleib, dann weiter drinnen wird es äthe­risch, und in den Röhrenknochen wird es physisch nach innen.

So daß wir zentrifugal, vom Ich zum physischen Leibe nach außen, die Anordnung in der Kopforganisation haben, zentripetal, von außen nach innen, vom Ich bis zum Physischen, die Stoffwechsel-Gliedmaßen­Organisation angeordnet haben. Und fortwährend durcheinander­flutend, so daß man gar nicht weiß: ist das von außen nach innen oder von innen nach außen, so ist die Anordnung im rhythmischen System dazwischen. Das rhythmische System ist halb Kopf, halb Stoffwechsel­Gliedmaßensystem. Wenn wir einatmen, ist es mehr Stoffwechsel­Gliedmaßensystem, wenn wir ausatmen ist es mehr Kopfsystem. So daß zwischen Systole und Diastole die Sache so verläuft, daß man sagen kann: Kopfsystem - Gliedmaßensystem = Ausatmung - Einat­mung. Nun sehen Sie also, daß wir, vermittelt durch den mittleren Teil des rhythmischen Organismus, eigentlich zwei vollständig polarisch

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entgegengesetzte Wesenheiten in uns tragen. Was folgt daraus? Daraus folgt etwas außerordentlich wichtiges.

Denken Sie sich, wir nehmen etwas auf durch unseren Kopf, wie bei der Vermittlung durch die Sprache des andern, nehmen etwas auf mit dem Kopf, so geht das zunächst in das Ich hinein, in den Astralleib. Aber die Dinge stehen im Organismus in Wechselwirkung, und in dem Augenblicke, wo etwas hier angeschlagen wird, durch einen Eindruck in der einen Ich-Organisation, vibriert das auch in die andere Ich-Organisation, und in dem Augenblick, wo etwas in die eine astralische Organisation einschlägt, vibriert das auch durch in die andere astra­lische Organisation. Wenn das nicht wäre, meine lieben Freunde, hätten wir kein Gedächtnis, denn alle Eindrücke, die wir von der Außenwelt bekommen, haben ihre Spiegelbilder in der Stoffwechsel­Gliedmaßenorganisation; und habe ich einen Eindruck von außen, so verschwindet er von der Kopforganisation, die vom Physischen nach dem Ich hinein zentripetal angeordnet ist. Das Ich muß sich aufrecht erhalten, das kann nicht einen einzigen Eindruck stundenlang haben, sonst würde es identisch werden mit dem Eindruck. Aber unten bleiben die Eindrücke, und da müssen sie wieder herauf, wenn erinnert wird.

Wenn Sie das aber bedenken, so bekommen Sie folgende Möglich­keit: Es kann das ganze untere System, das polarisch entgegengesetzt ist dem oberen System, im Menschen zu schwach veranlagt sein. Dann geschehen Eindrücke. Diese Eindrücke prägen sich nicht tief genug dem unteren System ein. Das Ich bekommt einen Eindruck. Ist alles normal, so prägt sich das dem unteren System ein, und es wird nur heraufgeholt in der Erinnerung. Ist das System unten, die Ich-Organisation, die ganz peripherisch herumliegt, zu schwach, prägen sich die Eindrücke nicht stark genug ein, so strahlt fortwährend das, was nicht unter-taucht in die Ich-Organisation, nach oben zurück, strahlt in den Kopf hinein.

Wir haben ein Kind, das so organisiert ist. Wir haben ihm einmal, sagen wir, zum erstenmal eine Uhr gezeigt. Die hat es interessiert. Aber seine Gliedmaßenorganisation ist zu schwach. Dann taucht der Ein­druck nicht unter, sondern strahlt zurück. Jetzt beschäftige ich mich mit dem Kinde, fortwährend sagt es: Die Uhr ist schön. - Kaum bin

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ich ein paar Worte weitergegangen, so sagt es wieder: Die Uhr ist schön. - Es kommt zurück. Auf solche Anlagen, die manchmal nur ganz leise angedeutet sind, die aber außerordentlich wichtig sind, müs­sen wir die Aufmerksamkeit in der Erziehung des Kindes richten. Denn bringen wir es nicht zustande, die schwache Gliedmaßen-Stoffwechsel­Organisation zu stärken, dann wird das auch immer stärker, dieses Zurückschlagen, und im späteren Leben tritt jene paranoische Erkran­kung auf, die mit Zwangsvorstellungen verknüpft ist. Dann wird das zu festen, konsolidierten Zwangsvorstellungen. Es weiß, daß sie sich ganz unrichtig hineinstellen in sein Seelenleben, es kann sie aber nicht abweisen. Warum kann es sie nicht abweisen? Weil da oben das be­wußte Seelenleben ist, aber das unbewußte unten ist unbeherrscht, es stößt zurück gewisse Vorstellungen, und es treten Zwangsvorstellun­gen auf.

Sie sehen, wir haben es da zu tun mit einem zu schwach ausgebilde­ten Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Was heißt das? Ein zu schwach ausgebildetes Stoffwechsel-Gliedmaßensystem ist dasjenige, welches verhindert, daß die Eiweißsubstanz im menschlichen Organismus die richtige Menge des Schwefels enthält. Also ein Stoffwechselsystem, das schwefelarmes Eiweiß entwickelt. Das kann nämlich da sein. Da gilt eine andere Stöchiometrie als sonst. Dann tritt dieses ein, was ich jetzt beschrieben habe, daß diese sich im kindlichen Organismus ankündi­genden Zwangsvorstellungen kommen.

Aber es kann ja auch das Umgekehrte da sein. Das Stoffwechsel­Gliedmaßensystem kann so veranlagt sein, daß es eine zu starke An­ziehung zum Schwefel hat: dann wird das Eiweiß zu schwefelreich. Dann haben wir im Eiweiß Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasser-stoff, und im Verhältnis dazu zuviel Schwefel. Wir bekommen dann in dieser Stoffwechselorganisation, die ja namentlich von der Zusammen­setzung der Substanzen, die darinnen sind, in ihrer Offenbarung beein­flußt ist, den Drang, nicht alles zurückzustoßen, sondern im Gegenteil:

Durch den überreichlichen Schwefel werden die Eindrücke zu stark absorbiert, sie nisten sich da zu stark ein. Das ist noch etwas anderes als das Stauen an der Oberfläche der Organe, das ich das frühere Mal beschrieben habe. Das Stauen bewirkt Krampfzustände. Aber hier

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haben wir es zu tun nicht mit dem Stauen, sondern mit einem Einsaugen der Eindrücke. Und die Folge davon ist, daß die Eindrücke verschwin­den. Wir verursachen, daß das Kind Eindrücke hat, aber wir können nichts machen: gewisse Eindrücke, nach ihrer besonderen Beschaffen­heit, verschwinden hinein in die schwefelreiche Eiweißsubstanz. Und nur, wenn wir es dann dahin bringen, diese Eindrücke aus der schwefel-haltigen Eiweißsubstanz wieder herauszukriegen, dann bringen wir ein gewisses Gleichgewicht im geistig-seelisch-physischen Organismus her­vor. Denn dieses Verschwinden der Eindrücke in die Schwefelhaltigkeit hinein bewirkt in der Tat einen höchst unbefriedigenden Seelenzustand, weil es innerlich aufregt. Fein, gelinde regt es auf, macht den ganzen Organismus innerlich fein erheben.

Sehen Sie, ich habe öfters gesagt: Psychoanalyse ist Dilettantismus im Quadrat, weil der Psychoanalytiker weder die Seele, noch den Geist, noch den Körper, noch den Ätherleib kennt, er weiß überhaupt nicht, was da vorgeht, er beschreibt nur. Und weil er nicht mehr kann, als beschreiben, sagt er: Die Dinge sind unten verschwunden, man muß sie wieder heraufholen. - Das Merkwürdige ist, daß der Materialismus die Eigenschaften des Materiellen nicht erforschen kann. Sonst würde man wissen, daß dasjenige, was vorliegt, in der Eiweißsubstanz des Willensorganismus, die zu schwefelreich ist, seinen Grund hat. Die Eigentümlichkeit der physischen Substanz findet man erst auf geistes-wissenschaftlichem Wege.

Und so wäre es schon gut, wenn derjenige, der abnorme Kinder zu erziehen hat, sich einen Blick dafür aneignet, ob ein Kind schwefelreich oder schwefelarm ist. Wir werden ja von den verschiedensten Formen der seelischen Ahnormitäten sprechen können, aber wir sollten uns aneignen die Möglichkeit, wirklich nach bestimmten Symptomen in bestimmte Fährte hingetrieben zu werden. Wenn ich ein Kind zur Er­ziehung bekomme, bei dem ich sehe, daß Eindrücke zunächst Schwie­rigkeiten machen, so kann das natürlich zurückzuführen sein auf solche Zustände, wie ich sie in den letzten Tagen beschrieben habe. Es kann aber auch auf das heute Beschriebene zurückzuführen sein. Wie kann ich da vorgehen?

Zunächst sehe ich mir das Kind an. Man hat es zunächst kennengelernt;

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man muß es kennenlernen. Zunächst sehe ich es mir an und nehme eines der oberflächlichsten Symptome: die Färbung der Haare. Hat das Kind schwarze Haare, so werde ich nicht viel danach suchen, ob es schwefelreich sein könnte; denn wenn es schwarze Haare hat, kann es höchstens schwefelarm sein. Und ich werde dann, wenn ab­norme Symptome da sind, sie in irgendeiner andern Sphäre suchen müssen als in einem Schwefelreichtum, höchstens in der Schwefelarmut bei schwarzhaarigen Kindern. Und wenn sich dann noch zeigen wieder­kehrende Vorstellungen, so muß ich woanders suchen als im Schwefel-reichtum. Habe ich aber ein blondes oder ein rothaariges Kind, so werde ich in der Richtung des Schwefelreichtums der Eiweißsubstanz suchen. Blonde Haare kommen von zu reichlichem Schwefel, schwarze Haare von Eisenhaltigkeit des menschlichen Organismus. So können wir bis in die physische Substantialität hinein die sogenannten geistig­seelischen Abnormitäten verfolgen.

Nun, nehmen wir einen solchen feuerspeienden Berg, ein schwefel­haltiges Kind, das also gewissermaßen in die Willensregion hineinsaugt die Eindrücke, so daß sie sich darin versteifen und nicht heraus können. Diese Erscheinung können wir beim Kinde sehr bald bemerken. Das Kind wird Depressionszuständen unterworfen sein, melancholischen Zuständen. Es quälen diese verborgenen Eindrücke, die da im Inneren sind. Wir müssen sie an die Oberfläche heben, müssen nicht psycho­analytisch im heutigen Sinne vorgehen, sondern im richtigen Sinne psychoanalytisch. Das können wir dadurch, daß wir uns nun bekannt­machen mit demjenigen, wovon wir merken, daß es beim Kinde mehr oder weniger verschwindet. Und so sollten wir das Kind, das uns ent­gegentritt auf der einen Seite mit innerlicher Aufgeregtheit, auf der andern Seite mit einer gewissen äußeren Apathie, so ins Auge fassen, daß wir uns genau bewußt werden: an was erinnert sich dieses Kind leicht, was läßt es in sein Inneres verschwinden? Dasjenige, was ihm nicht wieder auftritt, sollten wir möglichst in rhythmischer Folge immer wieder und wiederum vor das Kind bringen. In dieser Bezie­hung, meine lieben Freunde, läßt sich sehr viel tun. Manchmal auf eine viel einfachere Weise, als man denkt; denn Heilen und Erziehen - und beide sind ja miteinander verwandt - beruht ja nicht so sehr darauf,

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daß man allerlei Mixturen, seien es physische, seien es seelische, kom­pliziert hervorbringt, sondern daß man weiß, was eigentlich hilft.

Deshalb haben wir es ja auch mit unseren Heilmitteln etwas schwer. Mit Recht verlangt natürlich der Arzt von unseren Heilmitteln, daß wir ihm sagen, was es ist, weil er es wissen möchte. Aber da die Heil­mittel in der Regel darauf beruhen, daß man weiß, was hilft, da es ein­fache Substanzen sind, so kann in dem Augenblick, wo man es gesagt hat, jeder sie nachmachen. Rechnet man zu gleicher Zeit auf ökono­mische Arbeit, so ist man in einer Zwickmühle. Es handelt sich also darum, das, was angewendet werden soll, wirklich zu kennen, darauf wirklich zu kommen.

Ich habe es in der Waldorfschule öfters erlebt, daß Kinder da sind, die in einer gewissen Weise Apathie zeigen, aber auch wieder innere Aufgeregtheit zeigen. So hatten wir insbesondere in der Klasse, die Herr K. hat, einen in dieser Richtung sehr sonderbaren Kauz. Er war aufgeregt und apathisch zugleich. Jetzt ist er schon besser geworden. Als er in der dritten Klasse war - jetzt ist er in der fünften -, aber als er noch in der dritten Klasse war, zeigte sich seine Apathie darin, daß man nicht leicht etwas an ihn heranbrachte. Er nahm nichts auf, lernte langsam und schwer. Aber kaum ging Herr K. von der hinteren Bank weg und beugte sich vorn zu einem andern, flugs war der Feuerstein da und gab dem Herrn K. eins hintendrauf. Und so war er zu gleicher Zeit innerlich willensmäßig ein Quecksilber, intellektuell ein apathi­sches Kind.

Ja sehen Sie, solche Kinder, mehr oder weniger mit solchen Anlagen, gibt es viele. Nun handelt es sich darum, daß bei solchen Kindern in der Regel das da ist, daß sich die Absorptionsfähigkeit für äußere Ein­drücke auf ganz bestimmte Arten von Eindrücken beschränkt, die be­stimmten, typischen Charakter haben. Wenn man nun einen richtigen Einfall hat - und das kommt einem, wenn die richtige Gesinnung da ist -, dann findet man zum Beispiel für das Kind einen bestimmten Satz, und man bringt das Kind gerade auf diesen Satz. Das kann Wun­der wirken. Es handelt sich nur darum, daß man die ganze Strebens­richtung des Kindes in einer gewissen Weise orientiert. Dahin muß es aber eigentlich doch der Erzieher bringen. Er kann es leicht dahin

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bringen, wenn er nicht gar zu gescheit sein will, wenn er so leben will, daß ihm die Welt anschaulich wird, daß er nicht zuviel über die Welt nachdenkt, sondern sie anschaulich nimmt.

Denken Sie doch nur einmal - und das ist etwas, was Sie in die Ge­sinnung aufnehmen müssen, wenn Sie abnorme Kinder erziehen wol­len -, wie langweilig es ist, immer wieder mit ein paar Begriffen, die der Mensch hat, operieren zu müssen. Es ist furchtbar langweilig und öde, das Seelenleben vieler Menschen, weil sie mit ein paar Begriffen operieren müssen. Die Menschheit kommt zu stark in die Dekadenz hinein mit diesen paar Begriffen. Wie schwer ist es heute schon für den Dichter, Reime zu finden, weil alles schon abgereimt ist. Ebenso ist es in den andern Künsten: überall Anklänge, weil eigentlich alles schon durchgemacht ist. Denken Sie sich nur, wie Richard Strauß, der jetzt so berühmte und berüchtigte, alles mögliche schon ins Orchester hinein-setzt, um nicht nur die ewigen alten Dinge zu bringen! Dagegen, wie interessant ist es, ich will sagen, nur einmal alle möglichen Nasenfor­men zu studieren - jeder Mensch hat eine andere Nase - und sich einen Blick anzueignen für alle möglichen Nasenformen! Da hat man Man­nigfaltigkeit darinnen. Da hat man auch die Möglichkeit, die Begriffe innerlich lebendig zu machen, da geht man immer über von einem zum andern. Nun, nicht wahr, ich habe nur die Nasenformen herausgegrif­fen; wenn man für Formen, für Anschaubares Sinn entwickelt, dann lebt man sich allmählich in eine Seelenstimmung hinein, bei der einem etwas einfällt, wenn die Veranlassung dazu da ist.

Und Sie werden es eben erleben, meine lieben Freunde, daß, wenn Sie sich so in ein anschauliches, wenn ich so sagen soll, Anschauen der Welt hineinleben, nicht in ein denkendes, dann werden Sie es erleben, daß, wenn Sie so ein Kind haben, das innerlich schwefelig, regsam ist, äußer­lich apathisch ist, Ihnen dann durch die Anschauung an seiner Kon­figuration so etwas aufgeht an dem Kinde, das Ihnen die richtige Idee herbeiführt. Sie werden das Gefühl haben, diesem Kinde muß ich sagen jeden Morgen: Die Sonne bescheint den Berg - oder irgend etwas; es kann eine ganz gleichgültige Sache sein. Es handelt sich darum, daß so etwas rhythmisch an das Kind von außen dringt. Wenn es so rhyth­misch von außen herandringt, wird alles in ihm befindliche Schweflige

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entlastet, wird freier. Und wir erreichen also bei solchen Kindern, wel­che behütet werden sollen in zarter Kindheit, daß sie nicht später die beliebten Objekte der Psychoanalytiker werden, wir erreichen bei sol­chen Kindern sehr viel, wenn wir gerade auf ihr rhythmisches Wesen rechnen, und wenn ihnen immer wieder von außen herein durch uns so etwas beigebracht wird.

Aber sehen Sie, es wirkt schon günstig, wenn man so etwas über­haupt zur allgemeinen Regel macht. Bei uns in der Waldorfschule wer­den die Stunden begonnen mit einem Spruch, der schon an sich in rhythmischer Folge jeden Tag das Vorstellungsleben in einer gewissen Weise durchsetzt. Dadurch wird schon manches gerade von dem zu starken Absorbieren im Organismus freigelegt.

Nun sollten abnorme Kinder, wenn man sie richtig behandeln will, doch eigentlich jeden Morgen in gewissen Gruppen vereinigt werden. Hat man eine geringe Anzahl von abnormen Kindern, so kann man ja zunächst alle einmal zusammennehmen. Und da kann etwas ganzWun­derbares herauskommen, wenn man einen gebetartigen Spruch die Kin­der sagen läßt, selbst wenn solche darunter sind, die nichts sagen kön­nen. Es ist doch eine wunderbar ausgleichende Wirkung in dem, was da chormäßig zustande kommt. Es wird also sich vorzugsweise darum handeln, daß man für solche Kinder, bei denen Eindrücke verschwin­den, durch rhythmische Wiederholung hervorruft bestimmte Eindrücke, die man etwa alle drei bis vier Wochen wechseln kann, daß man immer wieder von außen solche Eindrücke bringt und dadurch das Innere freilegt, so daß auch das Eiweiß sich allmählich seinen höheren Schwe­felgehalt abgewöhnt. Worauf beruht da die Sache? Die Sache beruht darauf, daß das Innere die Eindrücke nicht zurückgibt, also es geht etwas zu Schwaches von unten herauf, das ist negativ. Bringen wir dagegen ein Starkes von oben heran, so regen wir das Schwache hier zu einer stärkeren Tätigkeit an.

Nehmen wir an, wir haben den umgekehrten Fall: wir haben es mit Kindern zu tun, die schon die erste Keimanlage zu Zwangsvorstellun­gen haben. Es strahlt zu stark zurück, es ist zu wenig Schwefel im Plasma. Da werden wir auch wirklich das Entgegengesetzte tun müs­sen. Und da ist von besonderer Wirkung, wenn wir merken, es kommt

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immer wiederum derselbe Satz, derselbe Eindruck an das Kind heran, wenn wir jetzt von außen wiederum einen Eindruck formen, von dem wir instinktiv glauben, daß er für dieses Kind passen kann, aber jetzt diesen Eindruck wie in ganz leisem Raunen ihm beibringen, lispelnd diesen Eindruck an das Kind heranbringen. Also die Behandlung kann die folgende sein: Sieh' einmal, das ist rot! - Das Kind: Die Uhr ist schön. - Der Lehrer: Du mußt auf das Rote aufmerksam sein! - Das Kind: Die Uhr ist schön. - Jetzt versuche man immer leiser und leiser einen bestimmten Eindruck, der sogar einfach den ersten paralysierend ist, ganz leise zu wiederholen: Die Uhr vergiß! - Die Uhr vergiß! -Die Uhr vergiß! - Also in dieser Weise raunen zum Kinde, und Sie werden sehen, nach und nach, durch dieses Raunen, durch dieses rhyth­misch raunende Absprechen von der Zwangsvorstellung, wird die Zwangsvorstellung sich bequemen, auch immer leiser zu werden. Es ist das Merkwürdige, wenn sie ausgesprochen wird, wird sie schwächer gemacht, sie dämpft sich allmählich ab, und zuletzt kommt das Kind über die Sache hinaus, so daß wir auch das in der Hand haben und in der Tat durch unsere einfache seelische Behandlung außerordentlich viel bewirkt werden kann.

Ja, solche Dinge müssen nur gewußt werden. Denn stellen Sie sich nur vor, in der gewöhnlichen Schule: Sie haben eine Klasse, darin sind Kinder, die zunächst schon solche Anlagen zu Zwangsvorstellungen haben, aber noch leise. Sie werden nicht in Klassen für Minderbegabte versetzt, sondern sie gehen mit in der Klasse. Aber es ist ein donnernder Lehrer da, der alles so andonnert, daß die Wände einstürzen. Dann werden aus solchen Kindern richtige Verrückte, die an Zwangsvorstel­lungen leiden. Es wäre nicht eingetreten,wenn der Lehrer gewußt hätte, daß er unter Umständen auch seine Stimme dämpfen muß, und daß er den Kindern leise hätte etwas zuraunen müssen. Es kommt viel darauf an, daß wir uns in der richtigen Art zu den Kindern verhalten.

Dann kann natürlich gerade bei diesen Dingen sich die psychische Behandlung einfach mit dem gewöhnlichen Therapeutischen verbinden. Wir werden natürlich, wenn wir ein Kind haben, bei dem Eindrücke verschwinden, gut tun, uns zu sagen: Nun, wir wollen bei diesem Kinde vor allen Dingen einmal die starke Neigung zur Schwefelbildung im

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Eiweiß bekämpfen.- Das können wir schon dadurch, daß wir das Kind in der richtigen Weise ernähren. Geben wir ihm zum Beispiel viel Fruchtnahrung oder viel von derjenigen Art von Nahrung, die aus der Fruchtsubstanz kommt, so werden wir sein schwefliges Wesen fördern. Geben wir ihm eine Diät, die mit Wurzeligem zusammenhängt, die zu­sammenhängt mit alledem, was nicht zuckerreich, sondern salzreich ist - natürlich dürfen wir ihm nicht die Suppe versalzen, sondern wir müssen das geben, wo das Salz verarbeitet ist -, dann werden wir ein solches Kind heilen können. Und sehen Sie, man kommt auf solche Dinge dadurch, daß man sich einen Blick aneignet für das,was geschieht.

Herr Dr. Steiner erzählt eine Beobachtung aus seinem Leben: Die Bevölkerung einer bestimmten Gegend bevorzugte instinktiv eine bestimmte Diät, die einem in der dortigen Gegend herrschenden Leiden entgegenwirkte.

Also durch eine entsprechende Diät gerade bei solchen Kindern, die später das Objekt für Psychoanalytiker werden, wäre es viel besser, statt sie dem Psychoanalytiker auszuliefern, sie mit etwas salzhaltiger Nahrung im kindlichen Alter zu behandeln.

Nehmen Sie den umgekehrten Fall: Kinder, die nicht absorbieren die Eindrücke, bei denen sie zurückströmen, die schwefelarm sind, die wird man physisch am besten so behandeln müssen, daß man ihnen möglichst viel Obstnahrung beibringt, daß man sie gewöhnt, gerne Obst zu essen. Und kommt das schon stark ins Pathologische herüber, dann versucht man, ihnen auch namentlich Aromatisches beizubringen, Früchte mit Aroma. Denn im Aroma liegt ein starkes schwefeliges Ele­ment. Und wenn es gar zu pathologisch wird, muß man direkt thera­peutisch mit Sulfur vorgehen. Aber Sie sehen, gerade aus der geistigen Betrachtung der Sache kommt man auch auf die Therapie, die man in einem solchen Fall anzuwenden hat. Und das ist wichtig, daß man sich niemals zufrieden gibt mit der bloßen Beschreibung einer Erscheinung -denn da hat man nur die Symptomatologie -, sondern daß man ver­sucht, wie ich es dargestellt hatte, in das innere Gefüge des Organismus hineinzusteigen.

Nun sehen Sie, das sind Unregelmäßigkeiten, die dadurch hervor­gerufen werden, daß sozusagen das Untere zum Oberen im Menschen nicht richtig paßt, daß die Eindrücke, die das Obere, die Kopforganisation

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bekommt, nicht die richtige Resonanz finden in der Stoffwechsel­Gliedmaßenorganisation. Nun kann es aber auch so sein, daß im gan­zen die Ich-Organisation, die astralische und die ätherisch-physische Organisation nicht zusammenpassen, daß, sagen wir, die physische Organisation zu dicht ist. Ja, dann haben wir das vor uns, daß das Kind absolut nicht in die Lage kommt, seinen Astralleib in diese ver­dichtete physische Organisation unterzutauchen. Es bekommt also einen Eindruck in den Astralleib, der Astralleib kann die entsprechende Astralität des Stoffwechselsystems zwar anregen, aber diese Anregung geht nun nicht in den Ätherleib und namentlich nicht in den physischen Leib über. Wir können dieses beobachten, ob es so ist, wenn wir merken, daß das Kind es nicht recht zustande bringt,wenn wir sagen: Marschiere einmal, gehe einmal fünf, sechs Schritte! - Es versteht nicht recht, was es tun soll, das heißt, es versteht das Wort ganz gut, aber es bringt es nicht in die Beine hinein, es ist, als ob die Beine es nicht aufnehmen wollten. Daß der physische Körper zu verhärtet ist und auch Gedan­ken nicht aufnehmen will, das Kind schwachsinnig erscheint, das mer­ken wir am ehesten, wenn wir Schwierigkeiten finden beim Kinde, wenn wir ihm etwas befehlen, was durch die Beine ausgeführt werden soll, und das Kind zögert, seine Beine überhaupt in Bewegung zu setzen. Solche Zustände werden dann, weil eben der Körper zu schwer wirkt, seelisch begleitet sein von depressiv-melancholischen Stimmungen.

Dagegen, wenn die Beine gar nicht abwarten irgendeine Aufforde­rung, sondern immer laufen wollen, dann haben wir im Kinde die An­lage zum Maniakalischen. Es braucht sich zunächst nur ganz schwach zu zeigen, aber in den Beinen merkt man das alles zuallererst. Daher sollte es durchaus auch in den Bereich der Beobachtung fallen, was das Kind sonst mit seinen Beinen und mit seinen Fingern tut. Sehen Sie, ein Kind, welches am liebsten seine Hände und Beine - man kann es auch an den Händen beobachten - auf alles fallen läßt, überall aufliegen läßt, das hat die Anlage zum schwachsinnig werden. Ein Kind, das fortwährend seine Finger bewegt, das alles anfaßt, überall mit den Füßen herumschlägt, hat die Anlage, stark maniakalisch zu werden, tobend eventuell zu werden. Aber, was wir am stärksten an den Glied­maßen bemerken, können wir an aller Tätigkeit bemerken; nur bei

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gewissen, mit Geistigem verknüpften Tätigkeiten tritt es schwächer, aber besonders charakteristisch hervor. Denken Sie nur einmal, wie stark bei manchem Kinde das Folgende der Fall ist: Es lernt irgend­einen Handgriff, sagen wir, es eignet sich an die Möglichkeit, ein Ge­sichtsprofil zu zeichnen. Es kann gar nicht mehr aufhören, überall, wenn es einen Menschen sieht, möchte es sein Gesichtsprofil zeichnen. Es wird ganz mechanisch. Das ist ein sehr schlechtes Zeichen für ein Kind. Und es läßt sich gar nicht davon abbringen. Wenn es dabei ist, ein Profil zu zeichnen, kann ich zu ihm reden, was ich will, ihm selbst eine Leckerei bringen, es bleibt dabei, das Gesichtsprofil muß auf­gezeichnet werden. Das hängt zusammen mit dem maniakalischen Charakter des Ausschweifens des Intellektualistischen. Dagegen der Drang, selbst wenn alle Bedingungen dazu da sind, nichts zu tun, nicht überzugehen zur Arbeit, das hängt wiederum zusammen mit dem Schwachsinn, der im Anzuge sein kann.

Das alles weist uns doch eben darauf hin, wie nach beiden Richtun­gen hin, indem wir die Glieder in regelmäßiger Weise beherrschen lernen, wir dem Schwachsinn und dem Maniakalischen entgegenwirken können. Und da haben Sie den unmittelbaren Übergang gerade bei schwachsinnigen Kindern zur Heileurythmie. Wenn Sie ein schwach­sinniges Kind vor sich haben, so haben Sie die Notwendigkeit, sein Stoffwechsel-Gliedmaßensystem überzuführen in die Beweglichkeit. Dadurch wird angeregt sein Geistiges. Lassen Sie es RLSI machen, und Sie werden sehen, wie günstig Sie auf das Kind wirken. Haben Sie es mit einem maniakalischen Kinde zu tun, wissen Sie, wie es zusam­menhängt mit dem Gliedmaßen-Stoffwechselsystem, lassen Sie es MN B P AU machen, und Sie werden wiederum sehen, wie das auf seinen maniakalischen Charakter zurückwirkt. Wir müssen eben überall die­sen innigen Zusammenhang, der beim Kinde noch da ist, zwischen dem Physisch-Ätherischen und dem Seelisch-Geistigen berücksichtigen. Dann kommen wir auch zu den entsprechenden Behandlungsmethoden.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 1.Juli 1924

#G317-1967-SE088 Heilpädagogischer Kurs

#TI

SECHSTER VORTRAG

Dornach, 1.Juli 1924

#TX

Meine lieben Freunde, den heutigen Tag möchte ich so betrachten, daß wir ihn als Beispiel auffassen, das nach den verschiedenen Seiten dann ausgreifen kann. Ich möchte zunächst, damit wir eine Grundlage haben für das Besprechen, die Krankengeschichte eines Jungen behandeln.

Der Junge ist hier seit dem 11. September 1923; er ist neunjährig hier angekommen. Während der Schwangerschaft fühlte sich die Mut­ter sehr gut und machte im fünften Monat eine Reise durch Spanien. Die Geburt war sehr schwer, er mußte gewendet und mit der Zange geholt werden. Der Junge befand sich im ersten Jahr sehr gut, so daß man gar nicht an eine Abnormität dachte. Mit sechs Monaten hat er einmal sehr lange in der Sonne gelegen, und bekam danach durch die­ses Lange-in-der-Sonne-Sein eine Art Ohnmacht und nachher Fieber. Er ist nur drei Monate mit Muttermilch ernährt worden. Dann vom neunten Monate bis zum dritten Jahre aß er sehr schlecht. Er wollte damals gar nichts essen. Im zweiten Sommer fiel den Eltern auf, daß die Augen sich veränderten und weniger klar wurden. Und er konnte auch im zweiten Jahre noch nicht sprechen und noch nicht gehen und begann meistens nachts um vier Uhr ohne Ursache zu schreien. Er hat die Gewohnheit entwickelt - die Gewohnheit, die wir immer zu be­achten haben -, am Daumen zu lutschen. Er bekam deshalb Kartons am Ellbogen und nachts bekam er Aluminiumglocken an der Hand zu tragen. Die trug er drei Jahre. Dann blieb die Entwickelung immer zu­rück. Mit fünf Jahren konnte er noch immer nicht zusammenhängend sprechen. Nun beginnt die Periode des Zahnwechsels. Sie beginnt mit dem siebenten Jahre, die mittleren Zähne sind gewechselt, die oberen noch nicht alle gewechselt. - Hat er noch Zähne gewechselt? Einen Zahn hat er noch bekommen. Der eine Vorderzahn ist auch noch nicht da? - Jetzt ist er da. Der andere war schon dazumal stark entwickelt. Die Mutter gibt an, daß auch sein Vater sich spät entwickelt und auch sehr spät den Zahnwechsel gehabt hat. Nun war er dazumal, als er an­kam, schwächlich; 24 Kilo Gewicht. Er hat zarte Knochen. Hände und

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Füße im Verhältnis zum Körper sind sehr groß. Die Hände sind sehr ungeschickt. Aller äußere Befund ist negativ. Dann haben wir fort­schreitend ein Unruhiger- und Schwierigerwerden zu beobachten. Er ist etwas unmanierlich. Die körperlichen Funktionen sind in Ordnung. Seit Januar 1924 ist er wesentlich ruhiger, menschlicher geworden. Die Dinge der Außenwelt begannen ihn zu interessieren und setzten ihn in Erstaunen. Dasjenige ist eingetreten, was gesucht werden muß herbei­zuführen: Aufmerksamkeit auf die Außenwelt, und zwar nicht bloß intellektuelle, sondern vor allen Dingen gemüthafte Aufmerksamkeit auf die Dinge der Außenwelt zu entwickeln. Dinge der Außenwelt setzen ihn in Erstaunen. Es handelt sich darum, daß intellektuelle Auf­merksamkeit nicht therapeutisch wirken kann, sondern daß man das Gefühl, den Willen engagieren muß bei der Aufmerksamkeit gegen­über der Außenwelt. Er wird zu den Menschen zutraulich, und, während er anfangs ziemlich teilnahmslos an den Menschen vorbeigegangen ist, erkennt er sie jetzt wieder. Zum Handeln ist er schwer zu bringen. Was er tut, tut er nicht gern, doch hat er bis zum Januar die nützliche Be­schäftigung des Strickens etwas gelernt. Es handelt sich darum, daß man eine solche Beschäftigung an das Kind heranbringt, die es auf der einen Seite zum Mechanischen, zum Bewegtwerden bringt, und auf der andern Seite dazu, doch aufmerksam zu sein; denn man kann beim Stricken Maschen verlieren. Sein liebstes Spiel ist ein Wagen oder Schlitten. Er kann stundenlang nichts anderes sprechen als von seinem Wagen; das ist eine Sache, die anklingt an dasjenige, was ich gestern besprochen habe. Er lernt schnell deutsch sprechen und verstehen. Nun, das ist dasjenige, was der unmittelbare Befund war.

Nun, wenn Sie den Jungen einmal betrachten - komm einmal her! -, dann werden Sie allerlei bemerken. Vor allen Dingen mache ich Sie aufmerksam darauf, daß er eine stark ausgebildete untere Gesichts-hälfte hat: Sehen Sie sich diesen Nasenschnitt an und die Mundpartie. Er trägt den Mund ein bißchen offen, was durch die Zahnbildung be­wirkt ist und was nicht unberücksichtigt bleiben darf aus dem Grund, weil diese Dinge Zusammenhang haben durchaus mit der ganzen geistig-seelischen Konstitution. Und man darf hier nicht das Um­gekehrte sagen, wegen der Zahnbildung ist der Mund offen; sondern

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das führt auf gemeinschaftliche Ursachen zurück, daß nämlich von seiten des oberen Menschen der untere Mensch nicht vollkommen be­herrscht werden kann. Indem Sie sich das ansehen, werden Sie viel bemerken. Stellen wir uns vor, daß hier der Sitz der Kraft des oberen Menschen ist, des Sinnes-Nervenmenschen. Der wirkt auf den ganzen übrigen Menschen ein. Denn dieser Teil ist ja in der ersten Lebenszeit derjenige, der am meisten entwickelt ist und die meisten Kräfte mit­bringt, aus der Embryonalzeit mitbringt und in der Embryonalzeit die meist entwickelten Kräfte hat. Alles übrige ist sozusagen wiederum abhängig. Während das Untere direkt aus der Konstitution des mütter­lichen Leibes sich bildet, ist alles übrige abhängig mittelbar von dem, was sich hier bildet. Dasjenige, was sich hier als Kiefersystem, als Glied­maßensystem bildet - und zu ihm gehört auch das Kiefersystem; das ist Gliedmaßensystem -, das ist völlig einbezogen in das Kopfsystem. Hier ist das Kopfsystem nicht stark genug, um das Gliedmaßensystem völlig einzubeziehen, daher wirken auf das Gliedmaßensystem die äußeren Kräfte zu stark ein. Wenn Sie einen wohlgebildeten Menschen haben mit einem harmonischen Ansatz der unteren Kopfpartie, dann müssen Sie sich vorstellen, daß in möglichst großem Maße das Nerven­system der Beherrscher des Stoffwechsel-Gliedmaßensystems ist. Dann wirken keine äußeren Kräfte in übermäßiger Weise ein. Ist der Kopf nicht fähig, das ganze übrige System zu beherrschen, dann wirken zu stark die äußeren Kräfte ein auf das übrige System. Insbesondere kön­nen Sie das sehen daran, daß die Arme nicht das Maß haben und die Beine auch nicht, das sie haben würden, wenn sie einbezogen würden, aber sie sind zu groß entwickelt, weil zu viel äußere Kräfte hinein-wirken. Er faßt das mit Humor auf. Ich glaube, Fräulein Dr. B. fragte ihn, warum er den Mund offen habe. Er sagte, damit die Fliegen her­einkommen. Er ist fest dieser Ansicht. Das alles ist zunächst das Obere der Organisation.

Sie können nun beobachten, daß der Kopf nach beiden Seiten hier (vorne) etwas schmal ist und gerade nach rückwärts zusammengedrückt ist. Da haben Sie wiederum die Schmalköpfigkeit hier. Die drückt aus, daß das intellektuelle System wenig vom Willen durchdrungen ist. Diese Partie (rückwärtige Partie) drückt aus, daß sie stark willensdurchdrungen

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ist; diese Partie des Kopfes (Vorderkopf) ist diejenige, die für äußere Einflüsse nur zugänglich ist auf dem Wege der Sinnes-wahrnehmung, während der Hinterkopf allen möglichen äußeren Ein­flüssen zugänglich ist, so daß schon hier beginnt dieses, was dann stark hervortritt bei den Armen und Beinen. Es vergrößert sich das Gehirn, es breitet sich das Gehirn im Hinterkopfe aus.

In gewisser Beziehung ist die Betrachtung eines solchen Kindes sehr interessant. Er ist schon interessanter als manches normale Kind, ob­wohl manches normale Kind angenehmer ist. Hier (vorne) liegt vor­zugsweise diejenige Partie des Gehirns, der ganzen Hauptesorganisa­tion des Menschen, die ihre Substanzen, ihre Stoffe aus dem übrigen Organismus heraufgeliefert bekommt. Hier lagert sich dasjenige ab, was der Substanz nach, nicht den Kräften nach, ganz und gar aus der äußeren Nahrung stammt. Dagegen beginnt hier (hinten) dasjenige, was der Substanz nach nicht aus der Nahrung stammt, sondern was aufgenommen werden muß durch die Atmung, durch die Sinne und so weiter, was kosmischen Ursprungs ist. Der Hinterkopf ist schon der Substanz nach kosmischen Ursprungs.

Dadurch, daß hier (vorne) der Kopf zusammengedrückt ist, was auf einen rein mechanischen Insult zurückweist bei der Geburt beziehungs­weise im Embryonalzustand - wahrscheinlich ist es, daß hier ein rein mechanischer Insult vorliegt, wobei Sie auf nichts anderes sehen kön­nen als auf das Karma, denn es liegt in den Vererbungskräften nicht begründet -, dadurch, daß hier der Kopf zusammengedrückt ist, da­durch ist er geneigt, zu wenig Substanz aus den Nahrungsstoffen her­aufzubefördern. Überhaupt hat er keine Neigung, gleich die Nahrung in sich zu verarbeiten, weil das Fordernde (vorne) für diese Nahrung hier zu wenig vorhanden ist, so daß Sie aus der äußeren Kopfform ein-Fach sehen, daß er zu einer gewissen Zeit appetitlos sein muß. Hier beginnt die zu geringe Anhäufung desjenigen, was durch die Nahrung aufgenommen wird.

Die geringe Beherrschung, die ausgeübt wird auf das ganze Glied­maßensystem, die wirkt sich aus auf das ganze Atmungssystem. Es ist wenig beherrscht, es hat die Tendenz, sich aufzuplustern. Das hängt zusammen mit der ganzen Bildung des Unterkiefers. Er bekommt viel

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Luft in sich hinein, zu viel Luft. Dadurch aber, daß er zu viel Luft in sich hineinbekommt, sammelt sich Substantielles zu stark hier an und in den Gliedern. So daß bei einem solchen Kinde vor allen Dingen das vorliegt, daß die Einatmung nicht das richtige Verhältnis zur Aus-atmung hat. Er hat im Verhältnis zur Ausatmung eine zu starke Ein­atmung. Dadurch hat er nicht die Möglichkeit, in ausreichendem Maße in sich die Kohlensäure zu entwickeln. Er ist dadurch zu kohlensäure-arm.

Sie sehen da aber auch zugleich, daß bei einem kohlensäurearmen Menschen das Gliedmaßensystem zu stark entwickelt ist. Damit hängt alles zusammen, was im motorischen System begründet ist. Das mo­torische System muß nach und nach im Laufe des Lebens ein Diener werden desjenigen, was im intellektuellen System liegt.

Herr Dr. Steiner sagt zum Kinde:

Nun bleib einmal ein bißchen stehen, geh zu mir her, mach so.

Herr Dr. Steiner macht ihm vor, wie es nach etwas greifen soll. Es macht es nicht.

Das schadet nichts, wir müssen ihn nicht zwingen, daß er es macht. Sie sehen, daß es ihm schwer wird, es zu machen. Aus alldem ersehen Sie, daß er nicht die entsprechende Kraft hat, sein Stoffwechsel-Glied­maßensystem richtig zu beherrschen.Würde er es beherrschen, so würde er in der richtigen Weise den Arm heben.

Nun, damit hängt zusammen, daß er die verspätete Zahnbildung hat, denn der richtige Zahnwechsel muß damit zusammenhängen, daß gerade zusammenwirken das Sinnes-Nervensystem und das Stoff­wechsel-Gliedmaßensystem, welches hergeben muß dasjenige, was dem Zahnwechsel zugrunde zu liegen hat. Alle diese Erscheinungen stehen stark miteinander im Einklang.

Was ist die Folge? Die Folge ist, daß der Junge zunächst, als er ge­boren wurde und das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem noch nicht aus­gebildet war, wie es eben bei einem Kinde der Fall ist, daß er es in der ersten Zeit gut beherrschen konnte. Man merkte gar nicht, daß etwas abnorm an ihm war. Erst im Laufe der Zeit, als es herausgewachsen war, erst dann konnte das hervortreten, was als Abnormität vorliegt. Daher liegt die Sache so, daß man erwarten konnte, daß er verhältnismäßig

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spät zu alldem kommen würde, was auf der Beherrschung des unteren Systems durch das obere beruht: das Sprechen- und Gehen-lernen. In den ersten Jahren wäre natürlich die richtige Erziehung diese gewesen, daß man darauf stark Rücksicht genommen hätte, daß man zum Beispiel bei diesem Jungen schon in ganz früher Zeit, wie er noch nicht gehen konnte, angefangen hätte einfach dadurch, daß man seine Gliedmaßen selbst in eurythmischem Sinne bewegt hätte, daß man an­gefangen hätte mit einer Heileurythmie. Würde man damit begonnen haben, so hätte man dasjenige, was man ausführt in den Gliedmaßen, zur Spiegelung gebracht im Nerven-Sinnesorganismus, und es würde in der Zeit, in der noch alles biegsam war, sich sogar die Kopfform er­weitert haben. Man erreicht durch Bewegungsformen, die man früh­zeitig auf das Kind anwendet, immerhin sehr viel in der Formierung des Kopfes und man muß ungeheuer froh sein, wenn man in der For­mierung des Kopfes so viel erreichen kann. Hier - es wird am Kinde gezeigt - ist es schwierig, wo der Kopf, die Schädelknochen eingeengt sind durch den äußeren Insult, hier ist es schwierig, daß sich der Kopf vergrößert.

Ich hatte einen abnormen Knaben,während meinerErziehungstätig­keit, im Lebensalter von elfeinhalb Jahren bekommen. Diesem abnor­men Knaben standen die Eltern und der Hausarzt, von dem ich im sechsten Kapitel meines <(Lebensganges» geschrieben habe, ratlos gegen­über. Der Junge mußte ein Handwerk lernen. Das war etwas Furcht­bares. Außer der Mutter, die ruhig war, waren alle außer sich, denn das war etwas Schändliches bei einer angesehenen Bürgerfamilie, daß man einen Jungen ins Handwerk bringen sollte. Dies alles zu besprechen war nicht meine Aufgabe. Der Junge war noch außer allem übrigen hydrozephal, und ich hatte die Bedingung gestellt, daß der Junge mir völlig überlassen würde. Nun handelte es sich darum, daß der Junge so weit gekommen war: er hatte kurz vorher das Examen für eine der ersten Klassen der Volksschule sich abnehmen lassen. Alles, was er da geleistet hat, war, daß er mit einem großen Radiergummi ein großes Loch in ein Heft hineinradiert hat. Außerdem hatte er die merkwür­dige Angewohnheit, daß er bei Tisch nichts essen wollte und dasjenige, was an Kartoffelschalen in den Mülleimer hineingetan wurde, mit

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großem Vergnügen aß. Nach eineinhalb Jahren war es dazu gekommen, daß er die erste Gymnasialklasse besuchen konnte. Die Sache beruhte darauf, daß die Bewegung der Gliedmaßen stark in die Hand genom­men wurde und dadurch der Hydrozephalus verschwand. Der Kopf ist kleiner geworden, und das ist ein Anzeichen, daß man einen Erfolg haben kann.

Der Kopf, der eingeengt ist hier in die durch einen äußeren Insult zusammengedrängten Schädeiknochen, der wird Mühe haben, sich zu vergrößern, aber noch hätte man etwas erreichen können.

Nun entsteht für uns die Frage: Was ist das allerbedeutsamste Kenn­zeichen des Knaben für die Erziehung? - Das allerbedeutsamste Kenn­zeichen ist das, daß er in einen nicht harmonisch in seinen Kräften aus­gebildeten Körper sein geistig-seelisches Wesen hineinzutragen hat. Da liegen karmische Verwicklungen zugrunde. Sie mögen mir es glauben oder nicht, der Junge ist ein Genie. Was meine ich damit? - er versteht es nicht -, ich meine nach seinen karmischen Antezedenzien könnte er es sein. Aber es liegt insoferne eine Abnormität vor, als er unter den gegenwärtigen Verhältnissen, worunter er doch geboren werden mußte, das, was nach seinen Antezedenzien vorliegt, nicht hat ausbilden können. Die Wahl seiner Eltern liegt vor. Die ist in einer gewissen Beziehung eine schwierige. Und so schaut er sich die Welt an durch schwierige körperliche Verhältnisse, die er zunächst dadurch, daß die Kräfte des oberen und unteren Menschen nicht harmonisch ineinander eingreifen, so versteift und verhärtet hat. Man hat es zu tun mit einer Verhärtung des Organismus. Wenn er aufwacht, können der astralische Leib und die Ich-Organisation nicht ordentlich untertauchen. Sie stoßen auf so etwas wie eine Felsennatur des Organismus auf. Nun hängt die ganze Aufmerksamkeit, die wir der Welt entgegenbringen, davon ab, daß wir mit unserem Geistig-Seelischen in der richtigen Weise ins Körperlich-Physische eingreifen können. Es bleibt bei Men­schen, die das nicht können, wenn es sich nur um Oberflächliches han­delt, zunächst eine Ungeschicklichkeit. Ein Rest von Nicht-Eingreifen-Können, muß ich sagen, der zeigt sich jetzt bei den allermeisten Menschen. Ich finde, verzeihen Sie das harte Wort, daß die meisten Menschen höchst ungeschickt sind. Die Menschen werden nicht geschickt.

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Sie haben es schwer, geschickt zu werden. Wenn ich Umschau halte über die achthundert Kinder, die wir in der Waldorfschule haben, so kann man nicht sagen, daß sich ein großer Prozentsatz durch große Geschicklichkeit auszeichnet. Sie werden überall bemerken, daß dieses Hineingegossensein des astralischen Leibes und der Ich-Organisation in die physische Organisation bei den meisten Menschen fehlt, weil wir in der Hochblüte des intellektualistischen Zeitalters leben. Unsere Geistesart greift nur ins Knochensystem, nicht mehr ins Muskelsystem ein. Der Mensch, der seine Knochen benützen will, wird deshalb nicht geschickt. Das Intellektuelle ist nur geeignet, ins Knochensystem und seine Beweglichkeit einzugreifen, aber das muß es mit Hilfe der Mus­keln tun. Nun ist aber die Unterkriechfähigkeit des astralischen Leibes und der Ich-Organisation ins Muskelsystem denkbar gering. Das hängt davon ab, daß das Zeitalter als solches nicht den tief-religiösen, den ehrlich-religiösen Charakter hat. Die Konfessionen sind nicht wirklich Religion erzeugend. Die Ausbildung von Muskeln an den Knochen hängt davon ab, daß große Vorbilder in der Welt vorhanden sind. Selbst wenn der Mensch nur dem Gedanken nach auf Vorbilder hin­schauen kann, entwickelt sich ein Ineinandergreifen des Muskel- und Knochensystems. Die Interesselosigkeit bei diesem Jungen war also von Anfang an ganz besonders vorhanden.

Sie sehen aber: das bewahrheitet sich bei diesem Jungen vollständig, daß die Gedanken nicht alteriert werden. Denn die Gedanken, die ein Mensch produziert, die können als solche nicht falsch sein. Es handelt sich nur darum, ob der Mensch sie bei der richtigen Gelegenheit pro­duziert, ob er zu viel oder zu wenig produziert. Sie sind Spiegelungen der äußeren Ätherkonstitution. Wenn er gefragt wird, warum er den Mund offen hält, antwortet er: Damit die Fliegen hineinfliegen kön­nen. - Das ist ungeheuer gescheit, das ist aber ein Gedanke, der falsch angewendet ist. Würde er ihn anwenden später, im Gedanken an eine Maschine, die erfunden werden soll, so könnte dieser Gedanke ein groß­artiger Erfindergedanke werden. Gedanken sind immer richtig, denn sie sind in der Gedankenkonstitution des Weltenäthers darinnen.

Das Wesentliche ist, daß eine gewisse Möglichkeit vorliegt, das Gei­stig-Seelische durch die Körperhülle mit der Außenwelt in der richtigen

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Weise zu verbinden. Da handelt es sich darum, daß man bei einem sol­chen Kinde in zweifacher Beziehung wirkt. Es ist so, daß es sich nun bei einem solchen Jungen darum handelt, daß man möglichst wenig Eindrücke vor ihn hinstellt und diese wenigen Eindrücke zur Assozia­tion zu bringen versucht. Daß man alles, was man unterrichtend an ihn heranbringt, in so wenig Elementen an ihn heranbringt, daß es über­sichtlich ist. Nun werden die Dinge übersichtlich dadurch, daß man sie übersichtlich macht, daß man möglichst darauf sieht - das gilt nicht nur für ihn, das wird sich bewahrheiten auch bei den andern Kindern -, daß dasjenige, was die Kinder tun sollen, begleitet wird von solchen Dingen, welche die Aufmerksamkeit erregen. Für solche Kinder, die nicht herauskönnen aus ihrem Körper, die das Seelische nicht hinein­bringen, die das Körperliche nicht beherrschen, handelt es sich darum, daß wir ihnen Gelegenheit geben, möglichst viel Interesse zu entwik­keln. Nehmen wir an, wir fangen an zu malen (siehe Abbildung 13). Da werden wir vor allen Dingen darauf bedacht sein, daß wir gar nicht ängstlich werden, wenn die Kinder - das geschieht auch in derWaldorf­schule, verzeihen Sie den harten Ausdruck - Schweinereien machen. Wenn wir darauf sehen, daß alles immer ganz sauber ist, wenn wir darauf sehen, daß immer alles sauber bleibt, wenn die Kinder aus der Klasse herausgehen, das ist dann ein falsches Prinzip. Darauf muß weniger gesehen werden, dagegen muß darauf gesehen werden: die scharfe Aufmerksamkeit von seiten des Unterrichtenden muß darauf verwendet werden, daß die Kinder jeden Handgriff, alles was sie tun, in einer gewissen Weise mit Aufmerksamkeit begleiten müssen. Da ge­hört dazu, daß man wirklich beim Unterrichten ganz dabei ist, und mehr als bei andern Kindern ist es notwendig, daß man bei diesen Kin­dern beim Unterrichten ganz dabei ist, vor allen Dingen versucht, durch dieses Dabeisein die Gedankenlosigkeit zu vermeiden.

Sieh, jetzt nimm dir den Pinsel, jetzt streichst du über das Papier. -Wenn man in dieser Weise die ganze Handhabung begleitet mit dem, was die Aufmerksamkeit erregt, dann hat man viel erreicht. Man wird sehen, daß da bis ins zwölfte, dreizehnte, vierzehnte Jahr hinein noch viel im Biegsamwerden des Organismus geleistet werden kann. Wenn man die Dinge durchführt, da muß man die Möglichkeit haben, zu

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sagen: Sieh einmal, da ist der Baum, jetzt mach den Baum, der draußen steht (siehe Abbildung 13). Man ist eben ganz dabei. Sieh, da kommt das Pferdchen gelaufen. - Dabei weist man auf die Farben hin. Jetzt kommt dem Pferdchen der Mussolini entgegen, der kleine Hund. Der kleine Hund bellt das Pferdchen an, und das Pferdchen, das macht jetzt so mit den Beinen. - Man versucht, mit möglichster Lebendigkeit das Ganze zu verfolgen. Diese Lebendigkeit, die Geistiges trägt, die überträgt sich wirklich auf die Kinder. Man muß, wenn man in dieser Weise auf die Kinder wirken will, Enthusiasmus und Temperament sich anschaffen. Wenn man im Behandeln des Kindes stumpf ist, wenn man immer sitzen will, wenn man nicht aufstehen will, wenn man nicht geneigt ist, möglichst viel selber in Beweglichkeit überzugehen, dann kann man nicht erziehen. Es handelt sich nicht darum, daß man da besonders abgezirkelte Kunstgriffe anwenden kann, sondern daß man von Fall zu Fall dasjenige tut, um was es sich handelt.

Dann sollte man bei diesen Kindern nicht versäumen, möglichst viel Konversation zu machen. Auf diese Konversation ist er nicht eingegan­gen. Jetzt geht er darauf ein. Sie können sehen, wie weit er darauf ein­geht. Erinnerst du dich, wie du mir gesagt hast einmal, ein Pferdchen ist gekommen? Sag mir einmal, wie groß ist das Pferdchen, hast du das Pferdchen auch schon geführt? - Ja, im Sonnenhof läuft das Pferdchen immer herum. Es tut im Grase liegen. - Ist es im Stall, wenn es regnet, ist auch ein großes Pferdchen dabei? - Ja, es heißt Markis. - Wenn man sich mit ihm beschäftigt, macht er schon jetzt in der Konversation mit, während er früher einen angebrüllt hat. Da ist es außerordentlich inter­essant, daß er, als wir ihn bekommen haben, nur englisch sprach. Nun hat er sich verhältnismäßig schnell das Deutschsprechen angeeignet. Sie sehen an ihm, wie an einem schönen Beispiel, wie die Sprache sich hier hin eingegossen hat in den Ätherleib und physischen Leib. Aber die Organisation der Sprache ist bei ihm fester als bei andern Kindern. Daher wird man bei ihm wunderbar studieren können, wie die Sprach-organisation drinnen sitzt. Er sagt nicht: Ich bin gewesen -, sondern:

Ich habe gebeen. - Er findet sich mit der Konfiguration der englischen Sprache in die deutsche Sprache hinein. Ähnliche Dinge sagt er viel. Geh aweg. - Und Sie können sehen an der Art, wie sich die englische

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Sprache in ihm festgelegt hat, wie versteift der Körper ist. Wenn man nun darauf sieht, daß er viel redet, daß man viel Konversation mit ihm macht, sehen Sie, dann ist Stärkeres zu überwinden als bei andern Kin­dern. Denn dasjenige, was er schon gelernt hat, setzt sich furchtbar stark fest. Dadurch, daß man aber Leben in ihn hineinbringt, immer neues Leben hineinbringt, dadurch wird das Versteifte innerlich be­weglich; wenn man es bei ihm zustande kriegt, daß er sagt: Ich bin ge­wesen -, so hat er viel überwunden. Dann hat er in sich Beweglichkeit hervorgerufen. Das soll man nicht durch Eintrichtern machen, sondern durch unermüdliches Fortsetzen der Konversation. Vor allen Dingen muß ein solches Kind darauf aufmerksam werden, daß man sich für es interessiert, daß man teilnimmt an dem, was es tut. Man fragt ein sol­ches Kind um dasjenige, was es wissen muß, aus dem, was es vorgenom­men hat. Man zeigt Teilnahme an dem, was es erlebt hat. Das ist von Wichtigkeit.

Nun brauchen Sie sich nur zu vergegenwärtigen, wie Heileurythmie auf einen solchen Jungen wirken kann. Nehmen wir: er macht Rund L. R ist die Drehung, da dreht sich etwas, da ist schon die Beweglichkeit drinnen. Die meisten von Ihnen, die ja beim Eurythmiekurs sitzen, wis­sen nun aber auch, was das L bedeutet. Denken Sie nur, was die Zunge für Gestaltungskräfte in sich entwickelt beim L. Daher ist L der Buch­stabe, der anzeigt das Anschmiegen, das sich Hineinversetzen in etwas. Er braucht das Geschmeidigmachen des Organismus, um sich hinein­zuversetzen in etwas. Nun, wenn Sie bedenken, daß bei einem solchen Jungen der Einatmungsprozeß, wie ich es auseinandergesetzt habe, den Ausatmungsprozeß überwiegt, dann werden Sie sich sagen müssen:

Wir müssen sehen, daß der Ausatmungsprozeß möglichst mit Teilnahme angeregt wird, das geschieht im M. Das ist der Ausatmungslaut. Wenn man ihn hervorbringt eurythmisch, so kommt in ihm eben das ganze Gliedmaßensystem zu Hilfe. Im N liegt das Zurückleiten ins Intellek­tuelle. So daß man machen wird RMLN. - Sie sehen aber auch da:

überschaut man einen Tatbestand, dann ist die Sache so, daß man weiß, was man zu tun hat. Man muß wissen, welches die Natur des Lautes ist. Man muß in der Eurythmie darinnenstehen, man muß auf der andern Seite aber auch tatsächlich hineinschauen in die körperliche

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Organisation. Beides sind Dinge, die man lernen kann, die in der gegen­wärtigen Pädagogik vollständig fehlen.

Dann wird man bei einem solchen Jungen selbstverständlich in einem noch höheren Maße einhalten müssen, daß er auf dem Wege des Malens das Schreiben lernen kann. Daher handelt es sich darum, daß man den Unterricht beginnt mit dem Malen in der Weise, wie ich es angedeutet habe.

Aus alidem können Sie sehen, daß der astralische Leib und die Ich-Organisation nicht hineindringen in diesen physischen Leib und Äther-leib. Man muß dem zu Hilfe kommen. Man muß daher auch thera­peutisch eingreifen. Was muß man unterstützen? Das Nervensystem, insoferne es die Grundlage ist für den astralischen Leib und die Ich-Organisation. Wie kann man das erreichen? Auf das Nervensystem müssen wir zunächst wirken. Wie tut man das? Wir haben da vorzugs­weise drei Wege, auf Menschen therapeutisch zu wirken: per os, durch Injektion, durch Bäder oder Abwaschungen. Wenn Sie dem Menschen etwas innerlich eingeben, auf was wirkt es? Auf das Stoffwechsel-system im Grunde genommen. Sie rechnen darauf, daß einfach auf das Stoffwechselsystem gewirkt wird, wenn Sie eingeben. Wollen Sie auf das rhythmische System wirken, dann müssen Sie injizieren, wollen Sie auf das Nervensystem wirken, dann müssen Sie von außen heran­kommen, dann müssen Sie Bäder geben oder Abwaschungen. Nun wirkt auf die Beweglichkeit des astralischen Leibes, insoferne der astralische Leib untertauchen will, und auch auf die Form des astralischen Leibes stark das Arsen. Leute, die Arsenkuren machen, denen kann man an­sehen, wie ihr astralischer Leib ihnen in den physischen Leib hinein-rutscht. So daß bei einem solchen Kinde, wo es sich darum handelt, einen Einklang hervorzurufen zwischen astralischem Leib und Äther­leib und physischem Leib, Arsenbäder dasjenige sind, um was es sich handeln muß. Ein gewisses Quantum Levicowasser von bestimmtem Prozentgehalt und darinnen baden lassen, dadurch wird auf das Ner­vensystem gewirkt und der astralische Leib stark gemacht. Nun muß man hier, da es sich um ein zu schwaches Kräftewirken des Kopf-systems auf den übrigen Körper handelt, muß man auch dem zu Hilfe kommen. Man kann dem Strömen, das vom Kopfe nach der unteren

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Organisation geht, das insbesondere in den ersten Lebensjahren stark ist, aber auch noch anhält zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, ia sogar am Ende der Periode stärker ist als im siebenten, neunten oder elften Jahre, kann man diesem Strömen bei einem solchen Kinde zu Hilfe kommen, damit Korrespondenz zwischen Stoffwechselsystem und Nervensystem ist, dadurch, daß man das Sekret der Hypophyse nimmt. Man nimmt das Sekret der Hypophyse - wir erzeugen es -; es hat die Eigentümlichkeit, daß es diesem Kräfteströmen entgegenkommt und vom Kopfe aus harmonisierend auf das Gliedmaßensystem wirkt. So daß sich zusammensetzen wird die Behandlung aus der Hypophysis cerebri, Arsenbädern und Heileurythmie in der Weise, wie ich es an­gegeben habe. Wenn diese Dinge zusammenwirken, wird man mit einem solchen Jungen weiterkommen.

Aber sehen Sie, es ist wirklich gerade bei so etwas zu betonen, wie man Sinn haben muß für das Dabeisein bei den Dingen. Man muß gerade beim Erziehen und Unterrichten solcher Kinder durchaus dabei sein. Und aus der anthroposophischen Bewegung werden sich die Mög­lichkeiten entwickeln, daß man viel dabei ist bei diesen Dingen, wenn überhaupt die Gesinnung da ist, bei allem möglichst viel dabei zu sein. Dem steht doch manches entgegen. Man kriegt manchmal ein biß­chen Schmerzen, wenn man in anthroposophische Ansiedlungen oder Zusammenrottungen kommt. Da ist manchmal eine solche bleierne Schwere. Man kriegt die Leute nicht zum Beweglichwerden. Bleierne Schwere ist da; wenn man eine Diskussion beginnt, macht keiner den Mund auf, weil auch die Zunge bleiern schwer ist. Die Leute machen ein «Gesicht bis ans Bauch». Sie sind so wenig geneigt, zum Heiter-werden, zum Lachen zu kommen!

Vor allen Dingen, was gehört zum Erziehen von solchen Kindern dazu? Nicht die bleierne Schwere, sondern Humor, wirklicher Humor, Lebenshumor. Man wird trotz allen möglichen gescheiten Kunstgriffen solche Kinder nicht erziehen können, wenn man nicht den nötigen Le­benshumor hat. Also es wird schon Platz greifen müssen in der anthro­posophischen Bewegung, daß man Sinn hat für Beweglichkeit. Ich will nicht auf zu viel hinweisen. Aber es ist schon wirklich wahr, am wenig­sten wird man verstanden mit dem, was ich, wenn ich gefragt werde,

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wenn es sich um die eine oder andere Kapazität handelt, was sollen wir tun, wenn ich da antworte: Enthusiasmus haben. Enthusiasmus haben, das ist dasjenige, auf was es ankommt. - Und auf Enthusiasmus kommt es gerade bei Kindern an, welche abnorm sind.

Das ist dasjenige, was ich Ihnen noch heute habe sagen wollen.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 2. Juli 1924

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SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 2. Juli 1924

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Damit nicht eins ins andere kommt, möchte ich den Fall von gestern noch weiter besprechen. Es handelt sich darum, daß der Knabe noch eine eigentümlich psychische Tatsachenreihe aufzeigt. Als er kam, be­gann er das schon, er brachte das mit, daß er an dem Zeigefinger der rechten Hand einen kleinen Geist hatte. Den nannte er immer konse­quent «Bebe Assey». Mit diesem Geist unterhielt er sich so, wie man sich mit Wesen unterhält. Er sprach mit ihm - nicht wahr? -, unter­hielt sich also mit ihm und betrachtete ihn durchaus als ein reales We­sen. Außendem hatte er die Eigentümlichkeit, daß er sich verwandelte, ähnlich, wie das einmal der Fall war bei den Werwolfgeschichten. Er verwandelte sich plötzlich. Er stellte sich zum Beispiel eine Zeitlang vor, er sei ein Löwe, dann verhielt er sich ganz brüllend wie ein Löwe. Hatte er auch andere Verwandlungen? Das liebste Tier war ein Löwe. Sie sehen schon daraus, daß er mit seinem Astralleib, mit dem er unter-tauchen sollte in den physischen Leib, nicht in Ordnung kam. Da blieben Reste übrig. Denn dieser Bebe Assey ist natürlich ein Rest von seinem Astralleib, wobei natürlich solche Dinge so sein können, daß, wenn irgendein Lappen astralischer Leib heraushängt, daß der beseelt wird von einem objektiven Elementarwesen. Das Objekt und Subjekt gehen dabei ganz ineinander über, fließen zusammen. Dasjenige, was für den Erzieher wichtig ist, ist das, daß durch den verhärteten Orga­nismus der Astralleib nicht völlig hineinkommt.Wenn Sie Ihren Astral­leib herausziehen würden aus dem physischen Leib, wenn er nicht voll­ständig im physischen Leib pulsiert, so wäre das schon so, daß er in allen möglichen Verwandlungsarten, in tierformähnlichen Gestalten sich zeigen würde. Denn die Tierform ist dasjenige, was der Astralleib dann zeigt, wenn er zwar in der Nähe, oder halb oder dreiviertel ver­bunden ist mit dem physischen oder Ätherleib, aber doch unabhängig von ihnen ist in einer gewissen Weise. Alle diese Erscheinungen sind bei diesem Knaben ganz besonders charakteristisch und sie zeigen, daß man bei diesem Knaben es recht schwer hat, die entsprechende Harmonie

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zwischen Astralleib und Ätherleib und physischem Leib herzu­stellen.

Nun wollen wir ein anderes Kind betrachten, wollen wir die Kran­kengeschichte durchgehen. Die Mutter gibt an, daß das Kind vier Wo­chen zu spät geboren sei. Die Mutter hat in den ersten vier Monaten der Schwangerschaft Theater gespielt und zeitweise dabei viel gesprungen. In der späteren Zeit erlitt sie einen Sturz. Mit zweieinviertel Jahren hat das Kind eine Ernährungsstörung gehabt. Mit zwei Jahren hat es erst stehen können. Es war in den ersten vier Jahren apathisch, aber gierig auf Essen. Der erste Laut, den es sprach, war das R, was eine seltene Erscheinung ist. Es weinte immer mit R. Bis zum vierten Jahre hat es nur einzelne Worte gelallt. Dann bekam es Sprechübungen, Sätze vorwärts und rückwärts zu sprechen. Das ist auf meinen Rat geschehen. Mit dem Sprechenlernen begann eine motorische Unruhe. Es schläft wenig und schläft schlecht ein und ist abends sehr erregt und müde. Es kann nicht einschlafen. Im Essen ist es gierig.

Nun würden Sie so einem Jungen, wenn Sie ihn so ansehen, nicht ansehen, wie alt er ist. Der Junge ist jetzt sechsdreiviertel Jahre alt, also nahezu sieben Jahre alt. Sie sehen daraus, daß er in der Entwicke­lung der ganzen physischen Organisation zurückgeblieben ist. Nur wenig ist das zu bemerken, daß der Kopf etwas zu groß ist. Der Junge ist im ganzen zurückgeblieben. Daraus ersehen Sie, daß gerade da in dem Lebensalter, das wir die erste Lebensepoche nennen, von der Ge­burt bis zum Zahnwechsel, wo die physische Organisation wirken sollte, die physische Organisation eigentlich nicht wirkt. Da müssen Sie sich dabei erinnern an das, was ich über die physische Organisation in der ersten Lebensepoche gesagt habe. Das ist der eigentlich vererbte Organismus. Derjenige Organismus, den er in dieser Epoche, die er verlebt hat, gehabt hat, diesen Organismus hat er ererbt. Erst jetzt kommt seine Ich-Organisation heraus, und die hat auch nicht die An­lage, irgendwie erheblich von seiner ersten rasch abzuweichen. Denn jetzt ist sein Ätherleib tätig und dieser Ätherleib hat sich bei dem Jungen außerordentlich stark an den Modelleib der ersten sieben Jahre angepaßt. Im Zahnwechsel ist er zurückgeblieben. Er hat noch keinen

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Zahnwechsel. So daß wir das auch an ihm zu beobachten haben, daß er auch da zurückgeblieben ist.

Nun müssen wir zuerst den objektiven Befund ins Auge fassen. Wir haben einen verhältnismäßig sehr schwachen Astralleib und eine schwache Ich-Organisation, die nicht aufkommen gegenüber dem ver­erbten Organismus. Aber auch der vererbte Organismus ist klein ge­blieben. Nun bleibt es dubios, ob das stimmt, denn das braucht ja nicht zu stimmen, was hier angegeben ist, daß das Kind vier Wochen zu spät geboren ist. Wenn es so ist, dann ist das die Folge davon, daß es zu klein geblieben ist. Es blieb länger Embryo, weil es zu klein geblieben war, weil es am Ende der zehn Mondenmonate nicht vollständig aus­gebildet gewesen ist. Nun haben wir uns jetzt zu fragen, woher kommt das alles? Und da haben wir ja die Erklärung, daß in den ersten vier Monaten der Schwangerschaft von der MutterTheater gespielt worden ist. Eine Tätigkeit, die ganz gewiß in dem Zusammenhange, indem sie sich vollzogen hat, mit einem gewissen Enthusiasmus und mit Hingabe erfolgt ist. Es handelt sich um eine freieTruppe, die sich mit Enthusias­mus der Sache widmet, da liegt eine außerordentlich starke Anspan­nung des Astralleibes der Mutter vor, die einfach diesen Astralleib so gestaltet, daß er nach der Seite, in der er mit dem Wachstum nicht viel anfangen kann, sich betätigt, nach der Seite des intellektuellen Be­fähigtseins. Und so geht das Intellektualisieren schon an bei dem Aus­gestalten des astralischen Leibes in der Embryonalzeit. Wir haben es also zu tun mit einer Minderwertigkeit, die bedingt ist schon durch die Embryonal zeit.

Nun wird es sich darum handeln, wie man ein solches Kind, das im ganzen zurückgeblieben ist, zu behandeln hat. Sie sehen ja auch: der Astralleib bleibt ganz machtlos, der Junge ist in den ersten vier Jahren apathisch, er entwickelt nichts anderes als die rein tierischen Instinkte des physischen Organismus, er ist eßgierig und lernt spät sprechen. Ja, sehen Sie, nun spricht er zuerst das R.

Zu dem Jungen:

Sag einmal: Robert rennt.

Der Junge spricht es mit tiefer brummender Stimme.

Sehen Sie, er ist ganz auf das R hin orientiert. Vergessen Sie nicht, wie

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sich in einer solchen Erscheinung ein ganzes Leben ausspricht. Schauen Sie sich die Mutter während der Embryonalzeit an, wie sie auf dem Theater beweglich ist, gehen Sie ein in den Charakter des R, wie das R im Eurythmiekurs charakterisiert ist als das Drehende, so werden Sie in seiner Sprache das Theaterspiel der Mutter fortwirkend finden. Alles andere tritt zurück, weil dieses so präponderiert. Man sieht wirk­lich da ganz außerordentlich tief in Zusammenhänge hinein, die man beherrschen muß, wenn man sich über die Dinge ganz klar werden will.

Nun, in den ersten Jahren sollte ja von einem starken Astralleib und Ich aus der Stoffwechsel-Gliedmaßenmensch geregelt werden. Aber der Astralleib ist eben schwach, er regelt das nicht, und daher haben Sie zweierlei bei ihm, welches Sie beachten müssen. Sehen Sie - ich weiß nicht, ob alle von Ihnen bei diesen Vorträgen waren, wo ich die eigentliche Bedeutung des menschlichen Gehirnes auseinandergesetzt habe -, durch alles, was der Mensch in seiner Organisation trägt, zer­Fällt die menschliche Gesamtorganisation in Aufbau und Abbau. Der Abbau ist immer verknüpft mit Ausscheidungsprodukten. Ausschei­dungsprodukte sind da als übrigbleibende Spuren des Abbaues. Nun nehmen Sie den Kopf, da wird abgebaut, denn nur auf dem Abbau beruht ja die intellektuell-gemüthafte Tätigkeit der Seele, insofern sie sich des Kopfes als ihres Stützorganes bedient. Durch den schwachen Astralleib wird so abgebaut, daß der Abbau auch unregelmäßig ist. Es werden die Abbauprodukte nicht regelmäßig weggeführt, sie blei­ben liegen, namentlich aber verhärten sie nicht in demselben Maße, in dem sie verhärten sollten. Ohne daß wir es mit einem eigentlichen Hydrozephalus zu tun haben, haben wir es zu tun mit einem Kopf, der ein zu weiches Gehirn in sich schließt. Jetzt nehmen Sie das Spiegelbild des Gehirns, den Darminhalt. Der kann auch nicht in Ordnung sein, wird auch nicht in Ordnung sein. Die Darmtätigkeit kann nie in Ord­nung gewesen sein. Eine unregelmäßige Gehirntätigkeit und eine un­regelmäßige Darmtätigkeit werden insbesondere beim Kinde durchaus miteinander parallel gehen. Wenn Sie von vornherein sagen würden:

also regele ich seine Darmtätigkeit - damit regeln Sie noch nicht seine Gehirntätigkeit! Da muß heilkundig eingegriffen werden, wenn man sie durch eine Regelung in Einklang bringen will.

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Er hat auch eine gewisse Unreinigkeit in seinem psychischen Verhal­ten zur Außenwelt. Versuchen Sie nur einmal, von ihm irgend etwas zu verlangen, was er versteht: er grinst Sie ein bißchen an, er nimmt nicht rein auf. Nun, wir wollen dann das weitere anknüpfend an den Fall besprechen. Ich will jetzt nur sagen, daß diese Sprechübungen schon mit vier Jahren mit ihm begonnen wurden, und daß Sie wissen müssen, daß immer dann, wenn man Sprechübungen macht, so daß man sie nach vorn und rückwärts macht, man damit regulierend auf den Zu­sammenhang von Ätherleib und Astralleib wirkt. Dasjenige, was da­mals gemacht worden ist, zielte auf ein harmonisches Zusammenwir­ken des Astralleibes und Ätherleibes ab.

Nun handelt es sich darum, ihn dazu zu bringen, seine physische Organisation überhaupt deutlich zu empfinden. Denn im Empfinden schleift sich sozusagen die Wachstumskraft der physischen Organisa­tion ein. Also man muß mit ihm Übungen machen in Heileurythmie, welche ihn dazu bringen, seine eigene physische Organisation zu spüren. Das E ist dazu besonders geeignet, denn da berührt sich der Mensch in seiner Organisation selber, ebenso das U und das Ö. Ö nimmt man zur Regulierung. U und E sind dazu da, damit sich das Kind in sich selber verspürt. Denn alles dasjenige, was zum Erfassen des eigenen Organismus führt, das kann in diesem Falle weiterbringen. Was haben wir sonst gemacht? Heileurythmie und Sprechübungen. Er malt auch mit der Gruppe. Natürlich muß er malen, er kommt schon in das schulpflichtige Alter. Wenn er auch langsam vorwärtskommt, so wird er doch vorwärtskommen.

Es wird das nächste Kind hereingeführt.

Diesen Jungen lernte ich auf einer Reise kennen. Nun, er ist ja ein verhältnismäßig schwieriges Kind. Er ist elf Jahre alt. Sie werden gleich hören, um was es sich handelt. Er ist ein einziges Kind. Die Ge­burt war angeblich normal, doch soll die Mutter während der Schwan­gerschaft unvernünftig gelebt und auch Alkohol getrunken haben. Die Entwickelung der ersten drei Jahre soll ohne besondere Eigentümlich­keiten vor sich gegangen sein. Wir werden das schon später besprechen. So ganz, wie es dargestellt ist, kann die Sache nicht gewesen sein, denn

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mit drei Jahren erkrankte das Kind plötzlich mit hohem Fieber und hatte einen Krampfanfall in der Nacht; der dauerte kurz. Diese An­fälle waren seitdem sehr häufig, ebenfalls in der Regel nachts und traten dann später durchschnittlich jedes Vierteljahr einmal auf - so ganz die charakteristischen Erscheinungen des Krampfes, die wir be­sprochen haben -, und zwar traten die Krampfanfälle vom vierten Lebensjahre ab auf. Bis dahin ist der Organismus nicht so weit, daß er zurückstößt die Astralorganisation, daß gewisse Wandungen der Or­gane die astrale Organisation zurückstoßen. Bei diesen Krampf-anfällen tritt vollständige Bewußtlosigkeit ein. Das haben wir auch ge­funden, daß es ganz im allgemeinen so ist. Er hat dann heftige Zuckun­gen, und zwar der linken Körperhälfte, dann dreht er dabei die Augen nach links; nachher ist er sehr erschöpft und hat oftmals Erbrechen.

Sie sehen daraus, daß bei ihm mit dem dritten Jahre das eintritt, daß die Wandungen der Organe nicht durchlassen die astralische Or­ganisation, daß dadurch die Krämpfe zustande kommen. Mit den Krämpfen ist - aus den Gründen, die ich auseinandergesetzt habe - die Bewußtlosigkeit verknüpft. Nun ist aber bei ihm das der Fall, daß nach einiger Zeit doch bis zu einem gewissen Grade die Astralorgani­sation durchbricht durch die Wände, so daß er also vorher eine unter-bewußte, halbbewußte Anstrengung macht. Diese Anstrengung dauert ebenso lange, wie der Krampf dauert. Dann hat er sie überwunden, dann ist dafür eine gewisse Leere im Organismus im Verhältnis zu früher, und diese Unregelmäßigkeit drückt sich aus in seinen heftigen Zuckungen.

Nun wissen Sie, daß die linke Körperhälfte etwas schwächer ist als die rechte. Daher wird in einem solchen Falle der Astralleib, der befreit sein will, nachdem der Krampf zu Ende ist, nach dem schwächeren Teil der Organisation ausweichen wollen (siehe Abbildung 14), was sich ausdrückt dadurch, daß er das Auge nach links stellt. Nun soll er - vor einem Jahr, im Januar? - nach Angaben von Ärzten in Jena Gehirn­grippe gehabt haben; damals hatte er einen schweren Anfall, nach vor­ausgegangenen Magenbeschwerden und Fieber. Also hier haben wir dann, durch eine Magenverstimmung eingeleitet, herbeigeführt einen schweren Anfall. Vierzehn Tage nachher, nachdem das Kind bereits

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wieder wohl war, trat eine linksseitige Lähmung ein an Armen und Beinen, eine sehr charakteristische Erscheinung, die aber so einfach als möglich sich erklärt. Denn Sie sehen ja, daß das Kind stets, nachdem es die Anstrengungen durchgemacht hat, den Astralleib durchdrücken will, und nachher, nachdem es dies durchgemacht hat, die hinter der Durchdrückungsstelle liegende Leere spürt; dann bekommt es Zuckun­gen und läßt seinen Astralleib nach links ausweichen.

Nun ist aber eines zu berücksichtigen. Innerhalb des menschlichen Organismus ist alles dasjenige, was von außen in die Organisation hin­einkommt - also nicht von der Organisation selbst zubereitet ist, nach­dem es die Organisation durchbricht -, eigentlich Gift. Wenn Sie also eine Organisation haben (siehe Abbildung 15) und Sie haben eine Ver­schiebung der astralen Organisation von rechts nach links gehend und das setzt sich fort, wie es ja, wenn es heftig ist, natürlich sich fort­setzen kann in die ätherische Organisation, wo es dann die physische Organisation mitnimmt, dann entsteht eine leichte Giftinfiltration nach der linken Körperhälfte hin. Eine solche Giftinfiltration ist nach außen hin in dem Symptom der Lähmung hervortretend. Das Kind wurde dann mit Massage behandelt, und die Lähmung ist nach einem Vierteljahr besser geworden. Leichte Schwäche ist geblieben. Diese leichte Schwäche kann man schon bei ihm sehen.

Zu dem Knaben gewendet:

Nimm das so! - Sehen Sie, er ist ungeschickt mit der Linken.

Seit Januar 1923 hat sich der Charakter der Anfälle wesentlich ge­ändert. Sie dauern nur noch ganz kurze Zeit und treten meistens neun Stunden nach dem Einschlafen auf. Das Kind schreit dann plötzlich, wacht auf, stellt sich auf. Dabei ist zu beobachten, daß starke Blähun­gen im Darm vorhanden sind, eine charakteristische Erscheinung. Zur Zeit tritt fast jede Woche ein Anfall auf, aber nicht mehr mit Bewußt­seinsstörungen. Es kommt nicht mehr zu Zuckungen. Die Krampf­anfälle gehen vorüber, er springt auf. Nun sehen Sie, 1924 wurde ein Balkenstich gemacht, aber ohne jeden Erfolg. Zuletzt wurde eine Be­handlung mit Calcium lacticum gemacht. Er schläft spät ein, redet oft im Schlaf, besonders wenn er spät gegessen hat. Er hat guten Appetit,

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aber Abneigung gegen Obst, Säuren, Gemüse, dagegen Vorliebe für Fleisch. Die Verdauung ist jetzt ziemlich gut, früher hatte er eher Ver­stopfung; rasche Ermüdung. Er hat sehr lebhafte Phantasie; ist sehr zutraulich zu jedem Menschen, hat keine Zuneigung zu bestimmten Personen, auch nicht zu den Eltern. Er ist jähzornig, hat Liebe zu den Tieren und zu den Pflanzen. Das muß das Charakteristische sein, daß er sehr viel schwätzt. Das gehört in die Krankengeschichte hinein. Es ist ihm ein wirkliches Bedürfnis, er muß es tun, wie irgend etwas an­deres. Er hat sich so bemerkbar gemacht, daß Sie im wesentlichen alles bei ihm gesehen haben.

Sehen Sie, bei diesem Kinde ist eben auch das vorhanden - nur haben wir es in einem Stadium vor uns, wo der zweite Körper schon längst ausgebildet ist, der Körper, der nicht Modellkörper ist, ist längst ausgebildet, er ist ja elfjährig - und wir haben es auch wieder damit zu tun, daß schon der Modellorganismus dadurch in Dekadenz gekommen ist, daß die Mutter während der Schwangerschaft unvernünftig gelebt hat, viel Alkohol getrunken hat. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, nach der ganzen Art, wie sich der Junge zeigt, daß schon der erste Modell-körper außerordentlich unregelmäßig war. Zwar ist durchaus anzu­nehmen - was hier nicht steht -, daß die Geburt vielleicht sogar um zwei Wochen zu früh eingetreten ist, weil die Mutter ihren Organismus nicht so gehalten hat, daß er eine wirkliche Stätte sein konnte, wo der Embryo sich nach allen Seiten voll entwickeln konnte. Insbesondere wenn Alkohol getrunken wird während der Schwangerschaft, ist das ganz besonders der Fall. Nun wird hier angegeben, die Entwickelung sei in den ersten drei Jahren ohne Besonderheiten gewesen. Aber ich vermute vielmehr, daß man nicht eine Veranlagung hatte, feinere Be­sonderheiten zu beobachten. Jedenfalls muß das Kind verhältnismäßig früh das Bedürfnis gehabt haben, zu sprechen, weil die Astral- und Ich-Organisation eigentlich zum Halse oder Mund herausgehangen haben. Immer muß es Schwierigkeiten gehabt haben, unterzutauchen. Eine gewisse nervöse Aufgeregtheit, die sich nach außen äußert, die zurückweist bis zu einem gewissen Grade das Imitationsprinzip, die mehr die inneren organischen Impulse in der Entwickelung heraus­stellt, die muß dagewesen sein in den ersten drei Jahren.

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Dann haben wir ja, insbesondere, wenn das Lebensalter von drei­einhalb Jahren herankommt - die Hälfte von sieben Jahren, die erste Lebensepoche -, besonders hervortretend die Rückwirkungen, die ent­stehen, wenn während der ersten sieben Jahre das Ich und der Astral-leib von der Kopforganisation aus nicht richtig arbeiten können. Dann werden diese Organe, die jetzt langsam und allmählich entstehen -denn mit sieben Jahren sind sie fertig -, verkümmert herauskommen. Nun, warum sind sie in diesem Fall verkümmert herausgekommen? Weil das Kind die Embryonalzeit nicht vollkommen absolviert hat. Die Organe wären viel vollkommener, modellierter geworden, wenn das Kind die Embryonalzeit völlig absolviert hätte. Nun hat man kein vollkommen ausgebildetes Modell. Daher gerade in dieser wichtigen Zeit, mit dreieinhalb Jahren, wenn die Organe mehr dazu kommen, sich in die Form zu prägen, sogar da das Modell versagt; da entwickelt sich die Anlage, daß der Astralleib - der jetzt durch die ganze Organi­sation soweit kommen will, daß er durch die Wandungen der Organe tritt -, daß, wenn er nicht hindurch kann, infolgedessen alle die Er­scheinungen entstehen, die besprochen worden sind. Daß in einem sol­chen Falle eintreten muß eine Verstimmung der Magen- und Darm-organisation, muß Ihnen auch wieder begreiflich erscheinen. Denn, wenn dieser Astralleib nicht ordentlich die Strömungen vom Kopf gegen die Gliedmaßen bewirkt, so bleibt die Darm- und überhaupt die Verdauungsorganisation schwach: Die Ich-Organisation steckt nicht ordentlich darinnen.

Nun nehmen Sie diese schwache Verdauungsorganisation, nament­lich die in den Kräften schwache Verdauung: es steckt die Ich-Organi­sation nicht ordentlich darinnen. Diese schwache Verdauungsorgani­sation kann nicht vertragen dasjenige, was gerade in der Verdauungs­Organisation wirken muß.

Wir haben ja die Sache so, daß, wenn wir die Pflanze anschauen, die Wurzel ihre entsprechende Wirkung in der Kopforganisation hat, das Kraut in der rhythmischen (siehe Abbildung 16). Dasjenige, was als Frucht oder Blüte sich entwickelt, hat seine Wirkung in der Darm-Organisation, in der Verdauungsorganisation. Es ist also keine Ver­wandtschaft da zwischen der schwach entwickelten Verdauungsorganisation

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und demjenigen, was nach oben sich ausbildet. Dagegen werden Sie begreifen, daß, weil dieser Astralleib im ganzen Bauch darinnen, ohne daß er sich eigentlich einlebt in die Verdauungsorganisation, frei liegt, dieser Astralleib, der als. solcher bei jedem Menschen die große Verwandtschaft zum Fleisch hat, hier die Vorliebe für Fleisch erzeugt. Dann ist noch eine Abneigung gegen die Säure vorhanden, aber auch wieder begreiflich. Denn Säuren wirken auf den Astralleib besonders stark. Und wenn dieser dann in den Organismus ordentlich unter­getaucht ist, dann lädt er seine Säurewirkung ab auf den physischen Organismus. Wenn er aber nicht ordentlich untergetaucht ist, bleibt er wund, empfindlich für Säurewirkungen. In solchen Dingen kann man ganz besonders sehen, wie der Organismus eigentlich wirkt, denn bei einer solchen Unregelmäßigkeit kann man natürlich gar nicht erstaunt sein, wenn Magenverstimmung eintritt. Aber Magenverstimmung ist nur ein Symptom dafür, daß diese Unregelmäßigkeit, die ich bespro­chen habe, für den Stoffwechsel da ist. Aber in dieser Unregelmäßig­keit besteht die ganze Krankheit, durch die Unregelmäßigkeit kommen die Symptome heraus, und natürlich kann immer eingeleitet werden ein neuer Anfall durch solche Magenverstimmungen.

Nun haben wir dann seit Januar 1923 die wesentliche Änderung im Charakter der Anfälle, sie dauern kurz, treten neun Stunden nach dem Einschlafen auf, das Kind schreit, das Kind schreit auf, wacht auf. Es ist zu beobachten, daß starke Blähungen im Darm vorhanden sind und zur Zeit ein Anfall jede Woche auftritt. Das ist etwas, was zunächst bedrohlich ausschaut, was aber auf der andern Seite wiederum etwas Tröstliches hat. Denn es zeigt eine Art von Genesung, von natur­gemäßem Besserwerden. Es ist eine Krisis, die sich innerlich entlädt, damit eingetreten, die allerdings langsam verläuft, aber etwas anderes war auch nicht zu erwarten. Warum treten denn neun Stunden nach dem Einschlafen diese Dinge auf? Weil da der Astralleib wieder an­fängt, seinen Rückweg in den physischen Leib zu vollziehen. Das wird ihm noch schwer, er kann nicht hinein, und fortwährend muß er unter-tauchen und muß zurückgestoßen werden. Da können Sie sich vor­stellen, daß all diese Erscheinungen eintreten: Aufstehen, Schreien. Während, wenn er dann seinen Astralleib darinnen hat in der ganzen

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physischen Organisation, so hält das den Tag über leichter an. Daß starke Blähungen auftreten, rührt davon her, daß der Astralleib noch nicht vollständig in die Darmorganisation eingegliedert ist. Von dieser relativen Selbständigkeit des Astralleibes rührt her alles dasjenige, was als besonders charakteristisch im Seelenleben auftritt: sein fortwähren­des Schwätzen, auch die leichte Erregbarkeit, auch die lebhafte Phan­tasie. Nun fragt es sich, was da in einem solchen Falle zu tun ist.

Nun, sehen Sie, in einem solchen Falle handelt es sich vor allen Din­gen darum, daß man dem sehr stark selbständig wirkenden Astralleib alle Möglichkeiten entzieht, Kräfte zu entwickeln, die ihm hinderlich sind in der Anpassung an den Ätherleib und physischen Leib. Nun, sofort, wenn das Kind in dieser Weise auftritt, wie es heute aufgetreten ist, sieht man, was als erste Maßregel zu gelten hat: Man muß ihm sein Spielzeug wegnehmen. Daß er dieses Spielzeug hat, das ist seelisches Gift für ihn. Er darf vor allen Dingen seine Phantasie nur anregen an von der Natur noch nicht fertig Gestaltetem. Er muß angeregt werden, möglichst viel zu malen, aber vor allem Formen zu prägen, zu schnit­zeln. Er soll also einfach ein Stück Holz bekommen, soll angeregt wer­den, dieses Stück in der Form eines Menschen zu gestalten. Das wird das Pädagogische sein, was mit ihm zunächst zu machen ist. Man muß vermeiden, ihn heranzubringen an die Dinge, die schon fertig sind. Man muß versuchen, daß er selbst vieles macht, so daß seine Glied­maßen in Bewegung kommen. Wir haben noch nicht diese Anordnun­gen getroffen; das ist das, was bei ihm noch notwendig ist.

Nun ist bei diesem Jungen diese Eigentümlichkeit vorhanden, daß man nicht sagen kann: es ist ein ganz bestimmtes Organ, das den Astralleib nicht durchläßt - sondern es ist eigentlich die Gesamtheit aller Organe gleichmäßig so ausgebildet. Daher auch die leichte Defor­mierbarkeit. Aber dadurch tritt gerade das ein, daß, wenn der Astral-leib gerade untertaucht, er nach der linken, schwächeren Seite aus-weicht. Dadurch ist immer die Gefahr vorhanden, daß nach der linken Seite Lähmungserscheinungen auftreten. In diesem Alter schaden sie noch nicht, wenn sie schwach sind. Sie können zu einer Verstärkung führen.

Nun würde zu raten sein, daß man gerade das, wogegen er starke

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Abneigung haben muß wegen dieser Konstitution, daß man alles das, was Fruchtsäure hat, in einer möglichst geringen Dosis den andern Speisen zusetzt, zu denen er Neigung hat, so daß er es mit diesen bei der Verdauung mitreißt. So daß man also einfach, bevor man ihm Fleisch gibt, in das Gefäß, worin er sein Fleisch genießt, irgend etwas gibt, was Fruchtsäure hat. Er muß sich gewöhnen, ganz geringe Men­gen von Kompott mit dem Fleisch zusammen zu genießen.

Dann handelt es sich ja darum, daß man wirklich nach einer ver­nünftigen Methode, wie das in der Waldorfschule ist - gleichgültig wie schnell er vorwärtskommt -, den Unterricht beginnt; beziehungsweise er muß den Unterricht fortsetzen. Eurythmieübungen werden bei ihm darin bestehen, daß man bei ihm nicht sich auf einzelne Buchstaben beschränkt, sondern alles dasjenige macht, was die Gliedmaßen be­sonders in Bewegung bringt, so daß man das Bestreben der Gliedmaßen fördert, den Astralleib herauszugestalten. Wie der Junge jetzt ist, hilft er selber mit vorwärtszukommen.

Dagegen ist ein solches Kind, wie das vorangegangene, deshalb außerordentlich schwer zu behandeln, weil man eine Art von kleinem Dämon vor sich hat. Denken Sie sich nur: in demselben Maße, wie das Kind klein bleibt seinem physischen Leibe nach, in demselben Maße vergrößert sich, ohne daß er sich der physischen Organisation anpaßt, sein Astralleib. Nun wird das Kind tatsächlich im Astralleib ein Schau­spieler, ohne daß es dies weiß. Wenn man das Kind einseitig ausbilden könnte, wenn man zum Beispiel für den Schauspielunterricht nicht einen einzelnen Menschen verwenden würde, sondern ein ganzes Kol­legium, und dem Kollegium Detailaufgaben geben könnte, so könnte man dieses Kind, in dem es ein kleiner Stöpsel bleibt, dazu ausbilden, daß es den Schauspielern den R-Laut und verwandte Laute beibringt. Es ist trotz seiner scheinbaren Ruhe außerordentlich bewegt. Daher hat man eine Art damönisches Wesen vor sich, ein richtiges übersinn­liches Wesen ist da in diesem kleinen Jungen. Das ist so: was da vor Ihnen gesessen hat, in dem ist so ein kleiner Einschlag darinnen, der zwerghaft ausgebildete Knirps. Dagegen ist mächtig der Schauspieler da, der alle möglichen Purzelbäume schlägt, Rad schlägt und so weiter, wenn der Junge auch ganz lässig herumgeht. Sie haben es also mit

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einem Kinde zu tun, dem man außerordentlich schwer beikommt. Alles, was man versucht mit dem physischen Körper - mit Ausnahme der Heileurythmie und der Sprechübungen, die auf den physischen Körper gehen und das Intellektuelle bewirken -, würde nur dem quecksilbrigen Astralleib entgegenkommen. Aber Sie können durch den physischen Leib an den Menschen nicht heran. Im Gegenteil. Es könnte Ihnen so gehen wie dem Zauberlehrling, wenn er den Besen spaltet, daß zwei Besen da sind. Wenn Sie herankommen können, könnte es Ihnen leicht so gehen, daß Sie etwas machen, wodurch Sie die Beweglichkeit noch mehr verstärken. Es handelt sich darum, daß man es mit einem außer­ordentlich beweglichen Astralleib zu tun hat.

Wie muß man da die Erziehung einrichten? Die Erziehung muß man so einrichten, daß man das Entgegengesetzte macht von dem, was sehr häufig gemacht wird. Sehr häufig legt man einen großen Wert bei dem, was man einem Kinde beibringt, auf die dramatische Steigerung. Bei diesem Kinde handelt es sich darum, daß man auf die Steigerungen im Unterricht die Abschwächung folgen lassen muß. Aber dieses Prinzip muß man auf allen Unterricht ausdehnen. Und so muß man die Geduld haben, die Aufmerksamkeit dieses Kindes richtig zu erregen - von dem, was in seinem Astralleib vor sich geht, weiß es nichts -, es könnte die­sem Organismus alles entgegenkommen, was einer richtigen Phantasie entspricht. Erfinden Sie also die kostbarsten beweglichsten Geschich­ten, werden Sie ein phantasiereicher Dichter in der Umgebung dieses Kindes. Und wenn Sie sich dann dadurch, indem Sie eine Geschichte hinaufgesteigert haben bis zu großer Beweglichkeit, wenn Sie ganz sich hineingefunden haben in diese unterbewußte astrale Organisation, dann versuchen Sie, die Sache zurückzutreiben. Dann versuchen Sie zuerst, sich etwas lächerlich zu machen über irgend etwas, was geschehen ist, so daß der Spaß verdorben wird. Sie hängen dem Helden, der die ganze Geschichte vollbracht hat, der das Kind begeistert, etwas an. Sagen Sie: Nun ja, wenn der so etwas tut, dann muß er immer schneu­zen - irgend etwas, wodurch Sie sich lustig machen über das, was die höchste Steigerung bedeutet, und dann gehen Sie weiter heran, bis das Ganze in eine Luftblase sich aufgelöst hat; das aber nicht so, daß Sie beim Kinde die Freude verderben, das muß auch freudig verlaufen,

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dieses sich als Luftblase erweisen. Und während dieser ganzen Tätig­keit, während Sie zurückreagieren, hat fortwährend der Astralleib die Tendenz, sich dem physischen Leibe anzupassen. Wenn Sie also Geduld haben, sich mit einem solchen Kinde in dieser Weise zu beschäftigen, indem Sie selbst dabei zum Dichter werden, und dann sich wieder ironisieren in der Dichtung, so daß nichts übrigbleibt, dann können Sie es erreichen, daß er bis zu seinem neunten, zehnten Jahre anfängt, ein naturgemäßes Wachstum zu entwickeln. Damit wäre außerordent­lich viel gewonnen. Dadurch würde dieser übermäßig phantastische Gesamtorganismus, der schon während der Embryonalzeit geschaffen worden ist, der würde zurückverwandelt werden. Es würden die Dinge, die schon da sind, mit dem, was Sie tun, verschwinden. Das Unwirk­samste bei solchen Erscheinungen besteht darinnen, daß man direkt auf die Erscheinungen losgeht. Dem das R abzugewöhnen, das wäre ebenso unmöglich, wie es einem Schauspieler in Weimar ganz unmöglich ge­wesen wäre, obwohl er kein Kind war. Er sprach niemals Freunderl, sondern betonte jede Silbe, er hatte dieses Prinzip ganz besonders aus­gebildet, alles zu betonen. Er sprach: Fréundérl, Köpfchén, Kíndleín. Man kann auf solche Erscheinungen nicht direkt eingehen. Dem Kinde das R abzugewöhnen, wäre eine falsche Bestrebung. Man macht es da­durch nur leer, faul, lässig. Dagegen wird die Neigung zum R von selber verschwinden, wenn Sie diese Dinge machen, die ich besprochen habe.

ACHTER VORTRAG Dornach, 3.Juli 1924

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ACHTER VORTRAG

Dornach, 3.Juli 1924

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Meine lieben Freunde! Ich werde zunächst nur die Zeichnungen von diesem Jungen zeigen. Er macht sehr schöne Sachen; er hat Sinn, die Details der Dinge so stark aufzufassen; gerade hier sehen Sie, wie er sich alles genau anschaut. Da ist ein Blatt, woran Sie sehen, wie er ein­teilt; er hat wohl gerade eine Neigung, diejenigen Dinge zu machen, die er in der Schule lernt. Er macht das in der Schule drüben, wo das so eingeteilt ist, daß jeder seine eigenen Sachen macht. - Bei uns wird ökonomisch vorgegangen. Es werden alle zwei Seiten benutzt.

Zu dem Jungen gewandt:

Du wirst gestatten, daß ich dich auf die Tafel zeichne. So, das habe ich von dir gebraucht.

Von dem Jungen wird später gesprochen. Es wird ein neues Kind hereingebracht.

Wir werden das so machen, daß wir das Kind hierher bringen. -Nun sehen Sie sich die ungeheure Vergrößerung eines kindlichen Kop­fes als Hydrozephalus einmal an. Wir werden das nachher besprechen. Er hat jetzt einen Umfang von 64 Zentimeter, als wir ihn bekommen haben, hatte er 44 Zentimeter. Am 25. Februar hatte er 541/2 Zenti­meter, bis zum 7. April war er auf 56 Zentimeter gewachsen, vom 7. auf den 11. April ist er wieder gewachsen, am 19. April hatte er

58 Zentimeter, am 28. Mai hatte er 61 Zentimeter, am 1.Juli hatte er

64 Zentimeter. Das Kind hat im übrigen den Körper nicht unnormal entwickelt, es ist durchaus so, wie ein anderes Kind. Es greift die Dinge an, hat sehr guten Appetit und ist eigentlich - mit Ausnahme einer Krisis - absolut munter. Sie sehen die ungeheure Größe, wenn Sie sich die Öhrchen anschauen, die er natürlich in der entsprechenden Größe hat, so daß Sie sehen, wo die Vergrößerung des Kopfes einsetzt. Sie setzt hier an und geht hier weiter. Das Gesicht nimmt daran nicht teil, es ist etwas aufgetrieben, es nimmt nicht teil. Das Kind ist durchaus so, daß Sie, wenn Sie es jetzt ansehen, wohl vielleicht empfinden können,

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daß es mit den Augen wahrnimmt; es ist aber eben nur ein ganz allgemeiner Lichteindruck, kein präziser Lichteindruck.

Nun liegt das Tragische vor, daß ich, bevor ich hinaufgekommen bin, ein Telegramm bekommen habe, daß sein Vater an Herzkrampf gestorben ist.

Wenn Sie sich das ganze Kind anschauen und vergleichen es mit einer Embryonalbildung, dann werden Sie gar nichts anderes haben als ein Riesenembryo, so daß Sie unmittelbar daran sehen: das Kind ist im Embryonalstadium geblieben und hat die Wachstumsgesetze des Em­bryonalstadiums beibehalten und setzt sie im Postembryonalzustand fort. Daß wir bis jetzt noch keine Verkleinerung haben erreichen kön­nen, das ist darauf zurückzuführen, daß die Dinge außerordentlich stark von innen her sind. Ich hoffe noch durchaus, daß wir in der Lage sein werden, wenn ein bestimmter Punkt überschritten ist, die Har­monisierung des Kopfes bis zu einem bestimmten Grad durchzufüh­ren. - Er ist sonst ein fideler Junge.

Es ist so mit den Menschenrätseln: die Dinge, die in solchen Abnor­mitäten auftreten, sind tief hineinleuchtend ins Leben, nicht nur des Menschen, sondern der ganzen Welt.

Es wird nun aus der Krankengeschichte vorgelesen.

Das Kind ist mit sechs Monaten bei uns angekommen, das Kind ist geboren im August des vorigen Jahres und hat dazumal von mir seinen Namen bekommen, gerade zur Zeit, als ich in England abwesend war. Das Kind wurde normal geboren. Die Mutter war während der Schwangerschaft immer gesund - die Dinge bitte ich Sie so zu be­trachten, daß sie nachher ihre Interpretation finden müssen -, fühlte sich besonders wohl, auf diese Bemerkung bitte ich Sie, besonders Wert zu legen, sie schrieb in dieser Zeit sehr viel Schreibmaschine. Das Kind zeigte bei der Geburt nichts Absonderliches. Also halten Sie fest, daß das Kind bei der Geburt, unmittelbar nachdem es aus dem Embryonal-zustand entlassen war, nichts Sonderliches zeigte, weil der Embryonal-zustand dauernd normal war. Es fing an abnormal zu werden, nach­dem es durch die Lunge atmete. Die Nabelschnur war um den Hals gewickelt, im Fruchtwasser war Kindspech. Das Kind wog fünfeinviertel

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Pfund, vierzehn Tage nach der Geburt hatte es einmal Krämpfe, bitte, das zu beachten. Also es begann sich deutlich die Unmöglichkeit zu zeigen, daß die Ich-Organisation und der astralische Leib in den physischen und Ätherleib hineinfahren. Es schlug mit den Armen um sich und wurde blau. Das Blausein bedeutet immer das Nicht-Unter­tauchenkönnen in den physischen Leib. Es ist dann, wenn es sehr stark ausgebildet ist, in besonderer Eigenart vorhanden. Es braucht nichts anderes zu sein, als daß der astralische Leib bei der Geburt stark kon­figuriert ist. Er kann bei der Geburt stark konfiguriert sein, wie es bei Goethe der Fall war, der ganz blau geboren worden ist, der erst später dazu gebracht worden ist, daß er den astralischen Leib und die Ich-Organisation aufnahm. Der Krampf trat später auf. Dann fand im ersten halben Jahr eine ganz normale Entwickelung statt. Natürlich, es war nicht ganz normal, es wurde das spätere Mißverhältnis zwi­schen Kopf und Gliedmaßen nicht bemerkt. Es wurde mit Muttermilch ernährt. Der Kopf war bei der Geburt auffallend klein, was bezeugt, daß die Dinge nicht so sehr gesucht werden dürfen in einer Schwäche der Nerven-Sinnesorganisation. Vom September ab begann langsam eine Zunahme des Kopfumfanges. Natürlich begann sie schon früher, die Mutter hielt es nicht für abnorm; damals, als es beträchtlich sein mußte, hielt die Mutter es noch nicht für abnorm, bis das Kind einmal in einer Woche 380 Gramm Körpergewicht zunahm. Mitte Dezember war der Kopfumfang 49 Zentimeter. Das Kind war still und weinte nicht viel; es war apathisch. Die Fontanellen waren sehr gespannt. Der Appetit war gut. An der Kopfhaut bildeten sich Eiterbläschen. Appetit und Stuhlgang waren gut. Jetzt wurde das Kind zu uns gebracht.

Nun handelte es sich darum, über einen solchen Fall aus dem Vor­liegenden, wo natürlich das Allerwichtigste die unmittelbare Anschau­ung, auch die Anschauung des Geistigen ist, eben eine Anschauung des Geistigen zu gewinnen. Nun ergibt sich bei diesem Kinde, daß es einen astralischen Leib an sich trägt - die Mutter war dazumal auch da -, der ganz deutlich mit einer ungeheuren Klarheit die Züge des astrali­schen Leibes der Mutter trägt. So auffällig, wie das da ist, ist das etwas sehr Seltenes. Man kann nicht sagen, daß die Ich-Organisation auch diese Züge trägt, das ist nicht der Fall. Das Ich ist einfach noch verkümmert,

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es weist Sie hin auf eine Ich-Organisation, die sonst Kinder haben im sechsten, siebenten Monat der Schwangerschaft; da ist er stehengeblieben. Die letzten Monate der Schwangerschaft scheint die Ich-Organisation nicht mitgemacht zu haben wegen des außerordent­lich stark entwickelten astralischen Leibes. Nun behielt das Kind nach der Geburt alle die Kräfte in sich durch diesen astralischen Leib, die es während der Embryonalzeit gehabt hat. Nun müssen Sie nur denken, daß namentlich in den ersten Monaten der postembryonalen Entwicke­lung die Orientierung der Embryonalzeit im wesentlichen fortdauert, daß man in der Tat in den ersten Monaten beim Kinde auch außerhalb des Mutterleibes noch eine starke Ähnlichkeit dieser Entwickelung mit der Entwickelung im Embryonalzustand hat. Das kommt davon her, daß ja die radikale Umänderung, die das Leibeswesen des Kindes er­fährt, im Atmungssystem zunächst liegt. Das Kind kommt mit der äußeren Luft in Verbindung, aber diese Verbindung mit der äußeren Luft, die muß sich erst langsam einleben und ergreift erst nach einiger Zeit den ganzen Organismus. Wir wissen, sie beeinflußt ihn ja schon von Anfang an, ergreift aber doch erst nach und nach den ganzen Or­ganismus. Es ist dadurch in der ersten Zeit wegen des Fortwirkens der Embryonalkräfte immer noch nicht zu bemerken, was dann später für Verheerungen im menschlichen Organismus eintreten, wenn der Infan­tilismus so weit geht, wie wir es hier mit einem radikalen Fall von Infantilismus zu tun haben, wo er eben so weit geht, daß die Embryo­nalorganisation beibehalten ist.

Nun wissen Sie ja, sie ist dadurch charakterisiert, daß wir es zu tun haben mit einer mächtigen Kopforganisation und mit einem kleinen Körper. Diese mächtige Kopforganisation, die ist durchaus das Ergeb­nis des Zusammenwirkens kosmischer Kräfte. Dasjenige, was zunächst im Embryonalzustand mit der Kopforganisation vor sich geht, ist in seinem ganzen Umfang fast ein Werk kosmischer Kräfte. Der mütter­liche Uterus gibt die Stätte ab, wo gegen die irdischen Kräfte geschützt ist dasjenige, was geschieht. Sie müssen sich den mütterlichen Uterus als ein Organ vorstellen, welches den Raum abschließt, der die Wir­kung der irdischen Einflüsse nicht einläßt, so daß der Raum ausgespart wird für kosmische Wirkungen. Wir haben einen Raum, der unmittelbar

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mit dem Kosmos in Verbindung steht, in dem sich kosmische Wir­kungen abspielen. Nun, da geht die Entwickelung der Kopforganisa­tion vor sich. Wenn die menschlichen Kräfte des Mutterleibes, insofern die menschlichen Kräfte des Mutterleibes das Kind in Empfang nehmen, auf es wirken, dann beginnt die Stoffwechsel-Gliedmaßen­Organisation in diese Kräfte sich orientieren zu lassen, so daß Sie sehen:

bei dem Kinde sind einfach für den postembryonalen Zustand die kos­mischen Kräfte geblieben. Sie behalten die Überhand über dasjenige, was an Stärke hätte mitgegeben werden sollen, an Kräften, die sonst das Kind bekommt für die irdische Entwickelung, für die Entwicke­lung des Gliedmaßen-Stoffwechselsystems. Nun, die Folge davon ist ganz klar. Würde das Kind länger im Mutterleibe sein - das ist eine absurde Hypothese -, würde es länger da sein als zehn Monate, so würde der Kopf fortwährend wachsen und die Gliedmaßen würden nicht zur Entwickelung kommen können. Da ist nur Gelegenheit ge­geben, Außerirdisches, Kosmisches wachsen zu lassen.

Nun mußte man sich fragen: Woher ist das alles gekommen? - Und da muß ich schon sagen, es ist ganz merkwürdig, eigentlich erschüt­ternd, daß in dem Momente, wo jetzt gesprochen werden soll über diese ganze Erscheinung, das Telegramm eintrifft, daß der Vater an Herz-krampf verschieden ist. Man kam auf folgendes, was dann durch Anamnese sichergestellt worden ist, man kam darauf, daß zum Beispiel die Mutter gefragt werden mußte: Ja, haben Sie nichts besonderes See­lisches während der Schwangerschaft gehabt? - Und ich drückte das so aus, daß ich sagte: Ist Ihnen nicht leid gewesen, daß das Kind nicht in Ihnen geblieben ist, sondern zur Welt gekommen ist? - Die Mutter bejahte das. Die Mutter hatte ihre ganze Verbindung auf jene Gemein­schaft gegründet, es war in ihrem Gefühlsleben, es läßt sich so aus­drücken, daß es ihr leid war, daß sie es nicht hat bei sich im Mutterleib behalten können, daß ihr das Kind durch die Geburt entrissen worden ist. Dieses Gefühl, das deutet auf der einen Seite auf einen ganz außer­ordentlich starken Zusammenhang im karmischen Sinne, und aber auf der andern Seite darauf, daß geradezu damit die Bedingungen gegeben waren, daß im Kinde blieben jene Kräfte, die während der Embryonal-zeit wirksam sind. Sie sehen, hier beginnt das abnorme Seelenleben bei

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der Mutter, und - natürlich mit einem tiefen karmischen Zusammen­hang - überträgt es sich auf das Kind.

Nun, die Lebensverhältnisse sind sehr kompliziert, meine lieben Freunde, so daß es schwer ist, immer alles zu überschauen, aber in einem solchen Falle schauen manchmal die Tatsachen die Dinge zu­sammen. Sehen Sie, noch nicht ein Jahr ist vergangen, seit das Kind geboren worden ist und der Vater stirbt an Herzkrampf. Solche Zu­stände sind ja immer zusammenhängend, sie sind ja so, daß sie sich nicht von heute auf morgen ereignen. Es lag bei dem Vater eine Herz-erkrankung seit längerer Zeit vor. Sie brauchen nur daran zu denken, wie stark Herzerkrankungen mit der Beeinflussung der menschlichen Gliedmaßen zusammenhängen, und nur daran zu denken, wie die Or­ganisation der Beine sofort schwach wird unter dem Einflusse gewisser Herzerkrankungen, wie dasjenige, was bei den Gliedmaßen das Wich­tigste ist, die Gelenkgewebe und Gelenksäfte, unter dem Einfluß einer Herzerkrankung leiden. Nun dürfen wir nicht vergessen, daß in den Vererbungsverhältnissen das begründet ist, daß gerade die Gliedmaßen-organisation vom Vater am stärksten, während die Kopforganisation von der Mutter am stärksten beeinflußt wird. Nun denken Sie sich die Konzeption so, daß unter Umständen ein Unvermögen, die Kräfte der väterlichen Organisation in die Gliedmaßen hineinzubringen, schon ins Kind übergeht, daher die Kopfesorganisation von der Mutter ins Ungeheure getrieben wird. Jetzt haben Sie die Rückerklärung, warum die Mutter das Kind im Mutterleibe liebt, weil das Kind wenig väter­liche Erbkräfte mitbekommen hat, weil die Mutter die Hauptsache dazu geben konnte.

Nun sehen Sie, damit haben wir einen Fall vor uns hingestellt. Sie müssen nur wissen, daß gerade ein solcher Fall das Urphänomen für eine ganze Reihe von Kindern mit Abnormitäten liefert. Dasjenige, was Sie an diesem Kinde gesehen haben, das ist nur der radikalste Fall von Infantilismus, der bis in den Embryonalzustand zurückgeht. Das­selbe haben Sie in allen möglichen Formen während der kindlichen Entwickelung. Wie hier der Embryonalzustand überwuchert alles das­jenige, was später hinzukommt, so kann nach dem Zahnwechsel die erste Lebensepoche beim Kinde überwuchern. Wie das Nicht-Hineingewachsensein

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in den Postembryonalzustand vorkommt, kann es auch vorkommen, daß das Kind nicht in die dritte Lebensepoche hinein­wächst; die Kinder werden äußerlich geschlechtsreif, wachsen aber nicht mit ihrer ganzen menschlichen Konstitution in diese Lebens-epoche zwischen Geschlechtsreife und Anfang der Zwanzigerjahre hinein, behalten die Orientierung der Kräfte, die zwischen dem sie­benten und dem vierzehnten Jahre wirken. Wir haben es zu tun mit einer ganzen Reihe von Infantilismen. Das ist nun der radikalste Fall, und es ist vom medizinisch-pädagogischen Standpunkt aus günstig, daß Sie sehen konnten an diesem radikalen Fall, was Sie in entspre­chenden Abschwächungen haben können bei zahlreichen minderwerti­gen Kindern.

Damit wir heute zurechtkommen und das Therapeutische und Pa­thologische morgen anführen, möchte ich heute die einzelnen Fälle vor­nehmen und sie morgen pädagogisch zu Ende besprechen.

Dr. Steiner bespricht jetzt das anfangs der Stunde kurz gezeigte Kind:

Sie haben vorher den Jungen gesehen, der eigentlich bei den Men­schen die Vorstellung hervorruft: Warum zeigen wir ihn eigentlich? -Denn das ist so; und Sie werden kaum, wenn Sie ihn oberflächlich kennenlernen, ihn anders kennenlernen, als einen freundlich entgegen­kommenden, gutmütigen Jungen, der so malen lernt, wie die andern Kinder eben malen lernen, der die gutmütigsten, schönsten Antworten gibt, mit dem Sie sich stundenlang unterhalten können. Ist es nicht so? Die ihn behandeln, werden es wissen. Sie können nichts Abnormes am Kinde bemerken und würden vielleicht sagen: diese Anthroposophen sind doch merkwürdige Leute, die geben ihre Kinder, die als Muster hingestellt werden können für andere Kinder, in ein klinisch-therapeu­tisches Institut zur Behandlung.

Der Junge ist nun in unglaublicher Weise kleptoman. Fast wie aus­geschaltet vom übrigen Seelenleben ist die einseitige Art der Klepto­manie. Dabei hat dieser Junge gerade die Eigentümlichkeit, daß das Bewußtsein, das, ich möchte sagen, strahlen soll auf alle Lebenserschei­nungen, die im Menschen zutage treten, geradezu ausgeschaltet ist für seine kleptomanischen Handlungen. Man hat deutlich das Gefühl: der

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weiß nicht viel über dasjenige, was er da tut, trotzdem er es - und das bitte ich Sie zu berücksichtigen - in der allerraffiniertesten Weise aus­führt. Er mußte überführt werden, als er in Bern die Schule besuchte, und an einem andern Ort die Schule besuchte, da mußte man sehr viel tun, um ihn überführen zu können. Er stellt die Dinge ungemein schlau an, und er ist nicht egoistisch dabei. Er ist imstande, die Dinge, die er sich auf die raffinierteste Weise erstiehlt, einfach an Freunde zu ver­schenken oder mit ihnen zu verprassen, nur um ihnen eine Freude zu machen; dazu ist er imstande. Dabei entwickelt sich selbstverständlich eine besondere Form des nicht ganz bewußten Lügens; denn da er nicht genau weiß - das Bewußtsein überstrahlt die einzelnen Erscheinungen nicht -, was da vorgeht, erzählt er die unglaublichsten Märchen, wie er zu einer Sache gekommen ist, die er einfach gestohlen hat. Da zeigt er auch in einer recht schlauen Weise, wie er die Dinge gefunden hat, wie sie da waren an diesen Orten, eine ganz lange Geschichte erzählt er, wie er zu einer Sache gekommen ist. Die Dinge geschehen wirk­lich koboldartig. Wenn ich richtig verstanden habe, wie mir Frau Dr. Wegman erzählt hat, so konnte man eine Zeitlang meinen, daß er ein ganz ordentlicher Junge geworden wäre, bis man eines Tages merkte - man wußte nicht, daß er etwas an sich genommen hatte -, daß aus dieser Tasche etwas verschwunden war, aus einer andern Tasche etwas verschwunden war, so daß auf eine merkwürdige Weise die Leute die Erfahrung machten: sie haben eines Tages ihre Sachen nicht mehr. Diese zwei Tatsachen hatte man nebeneinander stehen. Man hatte auf der einen Seite die merkwürdige Geschichte der De­materialisation von Dingen im Klinisch-Therapeutischen Institut, dann wußte man von früher: der Junge ist von allen Schulen heraus­geworfen worden; das wußte man von früher. Die Dinge waren bloß verschwunden. Das waren zwei Tatsachen, die nebeneinander standen. Es ist schon eine unangenehme Geschichte, wenn man plötzlich in die Nötigung versetzt wäre, zu denken, es könnte bei Erwachsenen auch da sein; ein solches Institut hat in sich gegenwärtig zweiundfünfzig Leute und, nicht wahr, es können diese und andere Leute da sein, man weiß gar nichts. Man weiß nur, daß da hier ein Spiritist die Gelegen­heit hat, zu erklären in reichlichstem Maß, daß sich Dinge dematerialisieren.

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Man kann eine ganze Theorie aufbauen über die Dematerialisa­tion der Gegenstände.

Wir haben den Jungen jetzt hier, an dem Sie bitte beachten sollen, wie stark zusammengedrückt hier (an den Schläfen) die Kopforganisa­tion ist und hier (nach rückwärts) auseinandergeht. Und der geistige Befund ist der, daß außerordentlich stark entwickelt sind die Organ-partien des astralischen Leibes, insbesondere hier links auf dieser Seite, sonst werden Sie äußerlich nicht viel an ihm bemerken.

Jetzt werden Sie so gut sein und das andere Kind noch vorführen. Die Behandlungsweise werden wir morgen besprechen.

Es wird das nächste Kind, ein Mädchen, hereingeführt.

Sehen Sie einmal, wie nett sie ist, wie prachtvoll sie ist. Sehen Sie, wie schöne blonde Haare sie hat. Das ist doch die, bei der es so interes­sant war, daß die Kinder einmal allein zusammen waren für eine kurze Zeit. Sie hatten sich tief befreundet, und der Junge (der hier vorgestern vorgestellte) hat die Notwendigkeit verspürt, eine Schere zu holen. Sie hat ihn dazu veranlaßt, die Schere zu holen - er ist ein guter, gehor­samer Gentleman -, er hat die Schere gebracht, und sie hat sich die Haare glatt abgeschnitten mit dieser Schere. Sie ist kein Philister. Beachten Sie, das möchte ich besonders empfehlen, ihre schönen blauen Augen, beachten Sie ihre blonden Haare, die eine sehr schöne Glanz-nuance haben, und Sie werden da unmittelbar den Eindruck be­kommen, daß das Kind sehr sulfurig ist, in seinem Benehmen auch außerordentlich sulfurig. Sie ist ein liebes Kind, aber sie hat in sich ein Sulfuriges, sie ist in sich beweglich und auch stramm.

Das Mädchen beißt in den Arm.

Sie beißt bloß ins Gewand.

Das Kind hat bei der Geburt nicht ganz vier Pfund gewogen, war aber ausgetragen, hat ihre regelmäßige Embryonalzeit durchgemacht. Es wurde sieben Monate lang mit Muttermilch ernährt. Mit einem Jahr hat es gehen gelernt. Das ist ein verhältnismäßig frühes, aber nicht un­normales Gehenlernen. Auch das Sprechen lernte sie zur richtigen Zeit. Die Entwickelung hat einen normalen Anblick gewährt, mit anderthalb

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Jahren hat sie das Bett nicht mehr naß gemacht, jedoch macht sie sich jetzt noch bei Tage naß, dagegen nie in der Nacht. Sie sehen, diese Abnormität liegt vor, daß das Kind eine schwache Organisation nach dieser Richtung hin schon hat, daß aber diese schwache Organisation sich dann geltend macht, wenn der astralische Leib eingeschaltet ist, und nicht ausgeschaltet ist. Vor anderthalb Jahren, als sie dreieinhalb Jahre alt war - bitte das zu beachten, dieser Zeitpunkt ist genau die Hälfte der Siebenjahrepoche und von großer Bedeutung, geradeso wie der entsprechende Zeitpunkt in der zweiten Epoche zwischen dem sie­benten und dem vierzehnten Jahre -, hatte das Kind Kopfschmerzen mit hohem Fieber und gleich darauf Masern; es war disponiert für Erkrankungen. Seither ist das Kind besonders aufgeregt, auch die Mutter war zur selben Zeit krank an Grippe und ist seither aufgeregt. Sie sehen den Parallelismus zwischen Mutter und Kind. Der Appetit des Kindes ist immer schlecht, trotzdem es so stramm in sich ist und eigentlich gerade die Gliedmaßenorganisation stark hat. Wie Sie wis­sen, wird die Gliedmaßenorganisation in ihrer Substanz nicht auf­gebaut aus den Nahrungsmitteln, sondern vom Kosmos her auf dem Umwege durch die Atmung und Sinnesbetätigung. Dieser schlechte Appetit, der beeinträchtigt die Ernährung, muß sich ausleben in der Betätigung des Kopfes. Sie ist lebhaft, phantasievoll, sie ist nicht nur zappelig, auch mit den Gedanken ist sie es; ad oculos bezeugt sie es, daß die Phantasie nicht vom Kopf her kommt, sondern von den Glied­maßen her kommt. Die Kopforganisation ist sehr schwach. Die Glied­maßenorganisation ist besonders stark. Das Phantasievolle kommt von den Gliedmaßen.

Sie träumt manchmal unruhig. Was hier nicht steht, aber was noch beachtet werden muß, das ist das, daß man nun sich deutlich vor Augen halten muß, wie das Kind träumt, ob es vor dem Aufwachen oder nach dem Einschlafen träumt. Wie es hier ist, so hat man die Träume nach dem Einschlafen beachtet. Aber das Kind wird auch sehr Interessantes darbieten, wenn man es dahin bringt, seine Träume nach und nach zu erzählen. Da sind es die Aufwacheträume, die bei diesem Kind außer­ordentlich interessant sein werden bei dem Aufrufen in die Erinnerung, und die muß man sich erzählen lassen.

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Das sind die Fälle, die ich Ihnen vorführen wollte. Wir werden morgen um halb neun einen Vortrag haben, und wir werden dann die Behandlungsweise besprechen.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 4. Juli 1924

#G317-1967-SE127 Heilpädagogischer Kurs

#TI

NEUNTER VORTRAG

Dornach, 4. Juli 1924

#TX

Nun, meine lieben Freunde, wir haben eine Reihe von Kindern gestern vorzunehmen gehabt, und die Dinge, die sich bei der Behandlung für abnorme Kinder ergeben, müssen ja zumeist an Beispielen besprochen werden, weil die Abnormität eine solche ist, die nach allen Seiten geht und jeder Fall ein Fall für sich ist, und man nur etwas lernen kann dadurch, daß man an einem Fall die Praxis sich heranbildet, die für andere Fälle notwendig ist.

Sie erinnern sich an unseren gestrigen Fall, an den Jungen, der zwölf Jahre alt ist, den ich als Kleptomanen vorführen mußte. Es ist geistig gesehen bei einem solchen Kleptomanen so, wie ich es charakterisiert habe in der Aussprache über das Prinzipielle, daß er durch die Hem­mungen, die im astralischen Leibe liegen, nicht den Zugang findet zu dem, was die Urteilsmäßigkeit ist unter den Menschen in der äußeren Welt. Sie müssen sich vorstellen, daß dasjenige, was sich auf die Mo­ralität bezieht, alles, was sich auf die Moralität bezieht, was in seinen Begriffsformationen moralische Impulse in sich schließt, daß das nur innerhalb des Erdendaseins zum Ausdruck kommt. Man könnte sagen, wenn das nicht mißverstanden würde von der heutigen Oberflächlich­keit: da, wo die Erde aufhört, wo Sie hinauskommen ins Ubersinnliche, gibt es in diesem Sinne wie auf der Erde nicht moralische Urteile, weil dort das Moralische selbstverständlich ist. Moralische Urteile beginnen erst da, wo die Wahl eintritt zwischen Gut und Böse. Dagegen ist Gutes und Böses für die geistige Welt einfach eine Charaktereigenschaft. Es gibt gute Wesen, es gibt böse Wesen. Gerade so wenig wie bei einem Löwen man davon sprechen kann, ob er das Löwenhafte haben soll oder nicht haben soll, ebensowenig kann man, von der Erde weg­gekommen, von Gutem und Bösem so sprechen. Dazu gehört ein Ja und Nein, das nur innerhalb der Organisation des Menschen in Frage kommt und zwischen den in ihrer moralischen Umgebung lebenden Menschen. Es ist einfach so bei einer solchen Erkrankung, wie es die Kleptomanie ist, daß der betreffende Mensch seinen astralischen Leib

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nicht so weit zur Entwickelung gebracht hat, weil er die schon charak­terisierten Hemmungen hat, daß er einen Sinn für moralische Urteile entwickeln kann. Daher ist es bei einem solchen Jungen so, daß er in dein Augenblick, wo er irgend etwas hat, für das er besonderes Interesse hat, gar keinen Grund einsieht, warum er das Ding sich nicht aneignen soll. Denn er begreift nicht, daß es jemand gehören kann, daß der Be­griff: Ich besitze etwas - Bedeutung hat. Er betritt nicht so weit die physische Welt mit seinem astralischen Leib, daß er einen Sinn für solche Urteile hat.

Es ist genau dieselbe Erscheinung, wie wenn jemand blaublind oder rotblind ist, daß er gar keine Empfindung für Blau oder Rot hat und die ganze Welt blaufrei oder rotfrei sieht. So also, wie Sie eine Fläche grün sehen, so sieht der Rotblinde eine blaue Fläche. Sehen Sie eine Fläche grün, so sieht der Blaublinde eine rote Fläche. Es ist interessant Für einen Blaublinden, einen Wald zu malen, der hat rote Bäume; wenn man es mit einem Blaublinden zu tun hat, muß man die Bäume rot malen. Und wie es da wenig Sinn hat, bei Farbenblindheit von den Farben zu sprechen, ebensowenig hat es Sinn, von Besitz oder Nicht-besitz in der höheren Welt zu sprechen. So weit betritt ein solcher Junge die physische Welt nicht, daß er imstande wäre, irgendwie für sich eine Vorstellung zu verbinden mit demjenigen, was man redet über Besitzverhältnisse. Für ihn gibt es besonders stark den Begriff des Auf­findens, den Begriff: etwas überrascht ihn, etwas interessiert ihn. Da hört aber schon das Begriffsvermögen auf. Jetzt ist einfach sein astra­lischer Leib nicht bis in die Willensregion vorgedrungen, sondern mehr oder weniger in der intellektuellen Sphäre geblieben, was sich so dar­bietet, daß die Organe des Willens an der Seite verkümmert sind. Die Folge davon ist, daß er das, was im Intellektuellen gut ist, auf den Willen anwendet. Tritt derselbe Fehler auf im Intellektuellen, so sind die Kinder stumpfsinnig. Tritt derselbe Fehler auf im Willensmäßigen, so sind die Kinder kleptoman.

Nun ist gerade eine solche Abnormität außerordentlich schwierig zu bekämpfen. Denn, sehen Sie, zunächst bemerkt man in dem Lebens­alter, wo es darauf ankommt, sich hart dagegenzustellen, die Sache nicht. In diesem Lebensalter ahmen die Kinder nach, machen dasjenige,

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was die Umgebung macht, und man merkt an ihrem Verhalten nicht, daß sie die kleptomane Veranlagung haben. Diese kleptomane Ver­anlagung, sie wird erst herauskommen, wenn der Zahnwechsel vorüber ist. Aber wenn der Zahnwechsel vorüber ist, dann ist das Kind immer noch nicht geeignet - weil es noch nicht weit genug draußen ist mit der Seele auf dem physischen Plan -, einen andern Sinn für moralische Urteile zu entwickeln als den: das Gute gefällt mir, das Böse mißfällt mir. Hier bleibt alles beim ästhetischen Urteil. Da ist der Erzieher an­gewiesen darauf, beim Kinde zu wecken den Sinn für das Gute da­durch, daß das Kind den Erzieher sich zur Norm macht. Deshalb sieht unsere Waldorfschul-Pädagogik darauf, daß in diesem Lebensalter die Autorität wirksam sein muß, daß das Kind in selbstverständlicher Hingebung aufschauen soll zum Erzieher und der Erzieher nur reden soll von dem, was gut ist so, daß es dem Kinde sympathisch wird, und von dem Bösen so, daß es dem Kinde antipathisch wird. Zu alledem ist notwendig, daß die selbstverständliche Autorität da ist. Ist nun diese bei einem sogenannten normalen Kinde notwendig, so ist sie im höch­sten Maße notwendig bei einem solchen Kinde, wie dieses es ist. Das­jenige Erziehungsmittel, das am wirksamsten ist, ist die Zutraulichkeit, die das betreffende Kind haben kann zu dem, der sein Erzieher ist. Darauf ist man bei diesen Kindern ganz besonders angewiesen. Es ist durchaus notwendig, daß das als eine Voraussetzung gemacht wird.

Nun, selbstverständlich darf in einem solchen Kurse nicht vergessen werden, darauf hinzuweisen, daß schon dann, wenn man kleine Kinder zur Erziehung hat, wenigstens darauf geachtet werden soll, wie sich die Entwickelung des Kindes gestaltet. Merkt man, daß das Kind sehr früh eine besondere Lebhaftigkeit und Freude entwickelt an dem, was es ge­lernt hat, also so gelernt hat, wie man eben vor dem Zahnwechsel lernt, wenn man das Sprechen lernt, merkt man, daß das Kind eine Wollust hat an dem Angeeigneten, da muß man voraussetzen, daß da etwas schief gehen kann. Kinder, die später kleptomane Menschen werden, die entwickeln den Egoismus im zarten Kindesalter zum Beispiel in der Art, daß sie mit der Zunge schnalzen, wenn sie sich ein neues Wort angeeignet haben. Das ist in seltenen Fällen bei Kindern der Fall, aber es kann schon durchaus bei Kindern der Fall sein.

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Man muß schon ein gewisses Auge haben für das, was in der Folge­zeit daraus entstehen kann, was in der Welt vorgeht. Deshalb ist es für den Arzt wie für den Erzieher noch viel notwendiger, als daß er seine Prinzipien kennt - die eine Selbstverständlichkeit sein müssen -, daß er sich einen Sinn aneignet für das, was in der Welt vorgeht. Sehen Sie, man muß in dieser Beziehung nicht so sein wie der Staatsanwalt Wulffen, man muß so sagen können: Es ist natürlich ungeheuer viel abhängig davon, wie die ganze Umgebung eines Menschenkindes ist, wenn dieses Menschenkind aufwächst. - Sehen Sie, nehmen Sie einmal den folgenden Fall an: ein Kind hat diese Eigenschaft, die ich bezeich­net habe mit Zungenschnalzen in jedem Moment, wenn es sich etwas angeeignet hat. Nun, diese Freude an Aneignen im Intellektuellen, die wandelt sich, so um die Zeit des Zahnwechsels herum, in eine deutlich bemerkbare Eitelkeit, Eitelkeit auch für die andern Dinge. Es hat etwas Bedenkliches, wenn um die Zeit des Zahnwechsels wie autochthon her­auswächst die Gier, besonders sich zu kleiden. Diese Dinge muß man beachten.

Es können zwei Fälle eintreten: so ein Kind kann aufwachsen - ich will ein kleines Territorium ins Auge fassen - in einer Umgebung, die gewohnt ist, lässig zu leben, sich gehen zu lassen, in der man die Miliz ansieht für etwas, was man haben muß für die Verteidigung des Lan­des, aber man hat keinen Enthusiasmus dafür, höchstens einen künst­lich herangezogenen. Da entwickelt sich bei allen Leuten, die um das Kind herum sind, in jedem einzelnen Fall zwischen dem siebenten und vierzehnten Jahre, die Stimmung für dasjenige, was man als Angehöri­ger der Menschheit tun muß. Das Kind wächst heran, und wenn man nicht besonders darauf achtet, daß es durch einen Erzieher, zu dem es liebevoll hinschaut, wenn man nicht dafür sorgt, daß es auf den Er­zieher hinschaut - was in diesem Lebensalter bei den Eltern ja nicht immer der Fall sein muß -, dann rutscht die intellektuelle Anlage ins Willentliche herunter und die Kleptomanie kann herauskommen.

Nehmen wir einmal an, ein solches Kind wächst auf nicht da, wo man die Miliz als etwas Lästiges betrachtet - das sind nur Charakte­ristiken, die ich im einzelnen Falle gebe -, es wächst auf in einer Art Preußentum, wo man nicht den Militarismus bloß als etwas betrachtet,

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das etwas Notwendiges ist, sondern als etwas, woran man eine arge Freude hat, was einem in die Augen sticht, wonach man sich hält. Das Kind bleibt auch nicht in der Familie, wird für das Gymnasium be­stimmt, für die Hochschule. Es kommt ihm etwas zugute, was einem andern Kinde nicht zugute kommt. Solch ein Kind lebt dasjenige, was in jener Anlage gelebt hat, von der ich gesprochen habe, dadurch aus, daß es Naturforscher wird, daß es Präparate macht, daß es nach allen Seiten ausgreift, um es unter das Mikroskop zu bringen, daß es in einer irregulär-regulären Weise diese Sehnsucht befriedigt; es lebt das ganz aus. Es kommt das betreffende Kind in ein Milieu hinein, in dem ge­wohnheitsmäßig nicht gestohlen wird, oder wenn gestohlen wird, so sind es Objekte, auf die der Begriff des Stehlens nicht angewendet wird. Die Kleptomanie entwickelt sich dann unter der Oberfläche. Das be­treffende Kind wird ein physiologischer Rhetor, wird der berühmteste Physiologe seines Zeitalters, und es bleibt ihm für das Leben nur der eigentümlich kleptomane Zug, der liegt in einer gewissen Kriegsbegei­sterung, die deplaciert hervortritt in seinen Reden. Er begibt sich in seinen Bildern in der Rede auf das Gebiet des Kriegführens, des Kämp­fens und so weiter. Aber es kann in eigentümlichen Fällen diese Nei­gung merkwürdig in Eitelkeit ausarten. Es kann bleiben ein Gefühl dafür, daß die rhetorischen Figuren des Betreffenden ein anderer nicht gebrauchen darf. Dann, wenn sich ein mutwilliger Student im Examen findet, der genial ist und auch dieselben Redefiguren gebraucht, dann fällt er durch. Wenn er nun auch mit der Zunge schnalzt, dann wird die Sache besonders schlimm.

Solche Dinge gerade zu durchschauen, das ist dasjenige, was einem den Sinn gibt, sie in der rechten Weise zu behandeln. Man muß den Sinn dafür haben, das Leben kennenzulernen, das Leben in seinen man­nigfaltigsten Nuancen kennenzulernen. Dann wird man es gleich be­merken, wenn dann die Dinge herauskommen, die nach der einen oder andern Seite hinweisen.

Ich habe schon gesagt, ein gutes Heilmittel auf psychologischem Ge­biet ist das, daß man erfinderisch ist und dem Jungen eine Geschichte erzählt, die man erfunden hat, in der nun seine Eigenschaft eine Rolle spielt, wo man erzählt, es gibt Menschen, die tun so etwas, aber sie

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graben sich eine Grube und fallen hinein. Diesen dramatischen Fort­gang mit innerem Enthusiasmus entwickelt, das ist etwas, das schon zum Ziele führen kann, wenn man nicht dabei erlahmt. Außerdem muß bei einem solchen Knaben angewendet werden Therapeutik, Injek­tionen mit Hypophysis cerebri und Honig, weil, wie Sie gesehen haben, verkümmert sind die Schläfenlappen und deshalb gesorgt werden muß, daß diese Deformation durch entgegengesetzte Wachstumskräfte be­einflußt werden kann.

Besonders günstig kann gewirkt werden, wenn es nur stramm ener­gisch angewendet wird, dadurch, daß man Heileurythmie anwendet, daß man alles das, was vokalisch ist, mit den Beinen machen läßt, aus dem Willen heraustreibt das Intellektuelle, und das Bemühen, das in den Vokalen liegt, aber in den Willen hineintreibt.

Nur muß man sich klar sein, daß man solch ein Kind dazu bringen muß, mit ihm durch die Autorität, die man hat, restlos besprechen zu können das Abscheuliche, was in einer solchen Handlung liegt. Nur darf man das nicht zu früh tun. Man muß in den Intellekt das hinein­bringen, nur nicht zu früh, weil man sonst alles tötet. Man muß durch erfundene Geschichten wirken und nach und nach das hinüberleiten. Sehen Sie, es ist außerordentlich schwer, bei diesen Dingen auf Erfolg hinzuweisen, weil die Erfolge nicht beachtet werden. Aber es würde eben mancher Kleptomane nicht da sein, wenn man, wenn sich solche Symptome zeigen, wie ich sie besprochen habe, ganz früh anfangen würde mit solchen Geschichten. Die wirken doch immer, nur darf man nicht die Geduld verlieren. Man kann sicher sein, daß man bei einem solchen Kinde oftmals, wenn die Sache arg eingefressen ist, erst nach sehr langer Zeit etwas erreichen kann.

Nun, das andere schwierige Kind, das noch nicht ganz ein Jahr alt ist, das ich gestern besprochen habe, der Hydrozephalus. Da war die Behandlung tatsächlich zunächst eine außerordentlich schwierige. Denn, sehen Sie, was liegt vor? Vor allen Dingen liegt vor eine außer­ordentliche Erregbarkeit und Reizbarkeit des Sinnes-Nervensystems. Nur dadurch ist möglich die ungeheure Vergrößerung des Kopfes. Also eine ganz erhöhte Reizbarkeit des Nerven-Sinnessystems. Jede beson­dere Reizbarkeit des Nerven-Sinnessystems drückt sich in einer Ver­größerung

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des Kopfes aus. Nur muß man dabei im Auge haben Ver­hältniszahlen, nicht absolute Zahlen. Wenn eine kleine Figur veranlagt ist, so kann er einen Kopf haben, wie ihn sonst ein großer Mensch hat, für ihn aber ist es ein großer Kopf. Das muß man dabei ins Auge fassen, wenn man nicht abnorme Fälle hat. Der Junge ist auch abnorm. Da liegt eine übergroße Empfindlichkeit vor und Reizbarkeit des Sinnes-Nervensystems, bewirkt durch jene Umstände, die ich gestern in bezug auf das Embryonale und das Zusammenwirken von Vater und Mutter gesagt habe.

Was hat man mit diesem Kinde zu tun, wenn es einigermaßen in die Normalität hineingebracht werden will? Es muß jeder Reiz auf das Sinnes-Nervensystem für die meiste Zeit, in der es lebt, vermieden werden. Daher lassen wir das Kind im dunklen Raume sein, in einem Raume, der vollständig verdunkelt ist, so daß das Kind eigentlich immer im Stillen und Finstern liegt, keine Eindrücke empfängt. Ich habe zunächst sogar die Möglichkeit, dadurch zu wirken, etwas über­schätzt, weil das Kind noch nicht lichtempfindlich ist. Es ist ganz schwach lichtempfänglich, und dadurch ist die Hintanhaltung von Licht weniger von Bedeutung, als man voraussetzte. Nun bleibt das bestehen, daß man zunächst bei einem solchen Kinde daran denken muß, es im Stillen und Finstern leben zu lassen, möglichst wenig Ein­drücke in seine Umgebung zu bringen, dann wird innerlich der Impuls des Zappelns, des Willens erregt und es wird dem Sinnes-Nerven-system entgegengewirkt. Das ist eine erste Maßregel, an die man den­ken kann. Eine andere ist diese, daß man versucht, auf das Sinnes-Nervensystem zu wirken durch Agenzien, die darauf wirken. Nun, da wurde bei diesem Kinde innerlich Gneis angewendet, um vor allen Dingen nicht Schockwirkungen hervorzurufen, indem man direkt Quarz anwendet, um dasjenige, was in der Quarzwirkung liegt, mehr zu verteilen. Beim Quarz wirken die Kräfte sehr strahlig und spießig, während, wenn sich die Quarzkräfte im Gneis verteilen, wirken sie mild und breiten sich aus im Organismus und kommen leichter an die Peripherie heran. Gneis in einer hohen Potenz wird da zum Ziele führen können. Man muß versuchen, das Aufgeregtsein der Nerven -der ganze Mensch ist als Kind Sinnes-Nervensystem - auch in der

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Willensregion zu beruhigen. Das erreicht man durch Mohnbäder von Wiesenmohn. Es werden Wiesenmohnbäder bereitet. Es muß bei einer solchen Sachlage, wie man sie da hat, fortwährend Hand in Hand gehen die Beobachtung des Falles und die mögliche Therapie. Man hat einen individuellen Fall vor sich. Und sehen Sie, ich will Ihnen das weiter begreiflich machen, indem ich Ihnen nun die weitere Fortset­zung sage, die da eingetreten ist in der Beobachtung. Da haben wir zunächst beobachtet, daß während der Injektionskur die Temperatur niedriger geworden ist. Dann haben wir kurz darauf konstatiert, der Kopfumfang nimmt zu, das Kind schläft am Tage und weint in der Nacht. Das änderte sich, als man ihm die Mohnbäder abends gab. Der Stuhlgang ist hart; da macht es einen Unterschied, ob man die Mohn-bäder bei Tag gibt oder bei Nacht. Abends hat der astralische Leib einen ganz andern Zusammenhang mit dem physischen Leib als mor­gens.

Nun handelt es sich darum, gerade dasjenige in Ordnung zu bringen, was vom Verdauungssystem aus ins Gehirn wirkt. Nun können Sie sich denken, daß Muttermilch nicht unter allen Umständen auf ein solches Kind so wirken kann, wie sie auf ein anderes Kind wirkt. Die Mutter-milch ist dazu bereitet, daß sie vom Verdauungssystem aus sich in nor­maler Weise umsetzt bis ins Sinnes-Nervensystem hinein. Daher wurde Anfang März die Muttermilch bei diesem Kinde weggelassen. Das Kind wurde anders ernährt. Dem Kinde wurden Nektariensäfte gegeben, der Inhalt von Nektargefäßen, die man in der Blütenregion von ge­wissen Pflanzen findet. Dadurch wird insbesondere das Ich in der Willensregion gestärkt. Man appelliert, indem man so etwas gibt, was dynamisch-parasitär aus der Blütenregion sich entwickelt, an die innere Individualität des Kindes, um diese herauszubringen und diese zur Tätigkeit zu bringen. Das ist sogar in einer gewissen Weise gelungen, nur muß man sich, wenn man mit so etwas zu tun hat, ganz einrichten auf die richtige Gelegenheit. Es kann überall Rückschläge geben, die derjenige, der laienhaft eine solche Sache beurteilt, verkennt. Es wird weiter verzeichnet: Seit einigen Tagen bekommt das Kind Nektar, darauf wurde der Stuhl weicher, dann kam es zum Durchfall, nach Absetzen der Nektarsäfte hörte der Durchfall auf und es tritt in der

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Nacht vom 11./12. Juni ein Zustand ein, wie eine Krisis, das Kind schreit, wimmert und uriniert viel, preßt bei jeder Ausatmung, es sind Krämpfe am linken Bein, Spannungen am linken Arm, die Fontanellen sind ganz prall gespannt, die Reflexe gesteigert. Nach heißen Kom­pressen und Mohnpackungen schläft das Kind ein und ist das Befinden am nächsten Tage gut. Appetit und Stuhlgang sind in Ordnung. Daß solche Krisen eintreten, das ist gar nicht zu vermeiden, wenn man nicht die Gesundung vermeiden will. Es muß sich einmal dasjenige, was man vornehmen muß im Organismus, das muß sich einmal entladen. Da ist es dann natürlich notwendig, daß momentan so eingegriffen wird, wie Frau Dr. Wegman es getan hat. Nach heißen Kompressen und Mohn-packungen wird die Krisis auslaufen in der entsprechenden Weise. Da kann man einen andern Rat nicht geben als: es ist notwendig, sich nicht verblüffen zu lassen. Es ist in einem solchen Falle vom momentanen Eingreifen unter Umständen alles abhängig. Ich selber habe dabei die kleine Erfahrung gemacht: ich habe von anderer Seite gehört, daß es dem Kinde schlecht gehen sollte. Frau Dr. Wegman sprach nichts dar­über. Ich war daher beruhigt, daß die Sache so abläuft, wie sie ab­laufen muß. Das ist dasjenige, was als eine Grundstimmung durch die ganze Sache hindurchgehen muß. Man kann sich anhören, wenn je­mand, der die Sache nicht überblicken kann, an der Sache etwas Be­sonderes findet. Aber in solchen Fällen, wo alles eintreten kann, muß man sich klar sein darüber, daß man seine Pflicht tut, und damit, daß die Pflicht getan wird, ist alles so, wie es sein soll.

Sehen Sie, es handelt sich immer darum, auf Krisen aufmerksam zu sein, aber auch zu wissen, daß sie kommen in einem solchen Fall. Da können einem dann nie etwas helfen jene Mitleidsgefühle oder mitleids-ähnlichen Gefühle, die sich verblüffen lassen in einem solchen Fall, sondern nur das, den Fall ganz objektiv zu nehmen und zu tun, was zu tun ist.

Nun gehen wir aber in der Behandlung jetzt noch weiter. Denn Sie wissen ja, wir haben es gesehen, mit einer psychologisch-pädagogischen Behandlung ist da noch nicht viel anzufangen. Ja, psychologisch ist das schon auch möglich: Ruhe und möglichst Finsternis zu haben. Nun handelt es sich aber darum, wirklich an die Stelle dieses nach dem

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Wässerigen, nach dem Flüssigen Hintendierens des Organismus, das Prinzip des Zerfalls zu bringen. Wasser zerfällt nicht, sondern dehnt sich eben flüssig aus. Man muß diejenigen Kräfte aufrufen, die Zerfall bewirken können, die das stärken, und das sind eben die Kräfte des Bleies. Im Blei haben wir wirklich ein sehr wirksames Mittel, Zerfalls-kräfte hervorzurufen. Daher muß man medizinisch immer dann, wenn man sieht, daß an Stelle der Abbaukräfte die wuchernden Aufbau-kräfte entstehen - denn was ist es denn, als daß wuchernde Aufbau-kräfte über die Abbaukräfte vorherrschen, das ist das Grundphänomen, wenn man einen solchen Riesenembryo vor sich liegen hat -, eine Blei-kur anwenden, die namentlich, wenn das Blei injiziert wird, außer­ordentlich gut wirken kann. Sie müssen nur folgendes bedenken, wenn man das Blei in seiner Wirkungsweise bespricht, und man tut das seit Jahrtausenden. Auf die medizinische Wirkung des Bleies machen die, die etwas von den Dingen verstehen, seit Jahrtausenden aufmerksam, nur ist das Wissen von der wohltätigen Wirkung des Bleies mehr und mehr geschwunden. Heute kommt es von einer andern Seite in ganz merkwürdiger Weise zum Vorschein. Denken Sie nur, wo die stärksten Abbaukräfte liegen in der ganzen Erde: da, wo das Radium auftritt, da liegen die stärksten Abbaukräfte, da tritt das auf, daß man aus dem Radium durch ein Zwischentransformationsprodukt das Helium ge­winnt; das kann man weiter verwandeln unter gewissen Verhältnissen. Da haben Sie also die inneren Zusammenhänge. Im Kosmos da draußen bereiten sich die stärksten Zerklüftungskräfte im Blei diejenige Sub­stanz, in der sie konzentriert sind. Bringen Sie also Blei in den Organis­mus, so bringen Sie in ihn direkt den Weltenabbau hinein. Das müssen Sie bedenken. Und bringen Sie das nun durch Injektion in die Blut­zirkulation. In der Blutzirkulation haben Sie ein unmittelbares Abbild des ganzen Weltbaus. Die 25 920 Jahre, in denen die Sonne die Welt umkreist, haben wir darinnen in der Zirkulation, in der Pulszahl. Wir bringen direkt die Abbaukräfte in den Organismus hinein. Daß sich der Kosmos Zeit läßt, zu wirken, das ist bekannt, aber wenn man inner­lich hineinsieht in die Dinge, wird man sich doch klar sein darüber, daß solche Dinge helfen können.

Nun wird es sich bei diesem Kinde darum handeln, daß man solche

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Behandlungen anwendet. Wir haben auch Hypophysis als Salbe an­gewendet bei den Beinen, um die formierenden, der Deformation ent­gegenwirkende Kräfte des Hypophysis-Sekrets zu verwenden. Und so wird in einer solchen Weise die Heilung formiert. Natürlich handelt es sich dann darum, daß man Anreize hervorrufen muß, damit die Heil­mittel wirken.

Nun, ich möchte sagen, man kann froh sein, daß wir eine erste Krisis bei dein Knaben überwunden haben, daß sie da war zwischen dem elften und zwölften Monat, wo das Kind die angeführten Erscheinun­gen zeigte. Das Kind wird wahrscheinlich öfter durch solche Krisen hindurchgehen, und dasjenige, was man eben zu bemerken hat, ist das, daß man das Kind im positiven Sinne kuriert. Denn selbstverständlich kann eine Kur auch im negativen Sinne geschehen. Aber das ist alles dem überlassen, daß man nicht zu Tode kuriert, sondern zum Leben. Die Dinge sind, gerade was ein Organ betrifft im Therapeutischen, sehr zart.

Ich will noch darauf aufmerksam machen, daß bei einem solchen Kinde mit einem Punktieren und Ablaufenlassen des Wassers nichts zu machen ist, weil die Sache von selbst wieder in Gang kommt und sich vergrößert. Natürlich können wir nicht, solange wir nicht Erfolge haben im Zurückgehen des Kopfum fan ges, über die Sache mit Bekritte­lung von andern Behandlungsweisen reden.

Der Fall wird ganz besonders interessant sein, und ich muß sagen, für mich ist dieser Fall tatsächlich ein außerordentlich interessanter. Denn jedesmal, wenn ich über das Kind denke, oder es sehe, kommt mir aus diesem Kinde nicht nur dieses Kind selbst in den Sinn, sondern denken Sie sich dieses Kind dreißig Jahre alt geworden, und es wäre gewachsen - das kann sein. Und es wäre dann in einer sechsmaligen Vergrößerung vorhanden. Der Kopf vielleicht auch dreieinhalbmal so groß, der übrige Körper sechsmal. So habe ich einen Menschen vor mir, den ich gerade als Knabe, als ich sechs Jahre alt war, vor mir hatte. Wir verkehrten mit ihm, er kam immer zu den Zügen. Er mußte auf Krücken gehen, weil der Körper den Kopf nicht tragen konnte. Die Gehmuskulatur war zurückgeblieben. Er hatte einen riesigen Kopf. Das war also ein dreißigjähriger Embryo geblieben. Er hat auf mich

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einen außerordentlichen Eindruck gemacht aus dem Grunde, weil er unglaublich gescheit war. Ich unterhielt mich außerordentlich gerne mit dem Menschen. Natürlich eine solche Deformation macht auch gemüthaft einen außerordentlichen Eindruck, wenn man selbst so ganz jung ist, sieben bis acht Jahre alt ist. Aber auf der andern Seite war er unglaublich gescheit. Man konnte viel von ihm hören und seine Urteile waren alle von einer großen Milde. Die Milde ist ebenso ausgeflossen, wie das sein Kopf war. Man spürte fast, wenn er sprach in seinen Sätzen - die nicht überlang gezogen waren, die schon als Sätze die normale Zeitlänge hatten -, man spürte fast so etwas, wie wenn er die Sätze immer so sprechen würde, indem er Zuckersaft auf den Lippen hätte, als ob die Lippen sich in Zuckersaft aufeinander reiben würden. Es war etwas ganz Eigentümliches an diesem Menschen, und er war eigentlich erfinderisch. Man sagte ihm allerlei Erfindungen zu, die er so im kleinen gemacht habe. Ja, es war eine sehr interessante Persön­lichkeit. Er empfand dann seine Abnormität nicht mehr so stark, weil er sich das gewohnheitsmäßig angeeignet hatte. Nun, nicht wahr, es war auf dem Dorfe. Da leben unter Umständen solche Leute so, daß sie mit einem gewissen Verständnis angesehen werden. Ich habe noch nie ein Dorf gefunden, wo nicht das eine oder andere Kind auf diese Weise herangewachsen wäre. Und es war dann das Kind des ganzen Dorfes. Der Mensch konnte immer gehegt und gepflegt werden.

Bekommt man dann ein solches Kind älter, dann müssen diejenigen Dinge eintreten, die ich Ihnen zum Teil schon auseinandergesetzt habe, die ich anwenden mußte auf den Jungen, den ich als Hydrozephalus im elften Lebensjahre bekommen habe, und der vollständig geheilt worden ist.

Nun gehen wir zum nächsten Kind über, zu dem Mädchen, das etwas ungebärdig war. Dieses Kind hatte bei der Geburt ein Gewicht von vier Pfund, war ganz ausgetragen, wurde sieben Monate gestillt. Es hat im ersten Jahr gehen gelernt, auch sprechen zur richtigen Zeit. Mit anderthalb Jahren hat es das Bett nicht mehr naß gemacht in der Nacht, aber dann gerade am Tage. Mit dreieinhalb Jahren bekam es Grippe mit Kopfschmerzen und hohem Fieber und drei Wochen danach Masern. Die Mutter hatte zur selben Zeit Grippe und war

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aufgeregt. Der Appetit des Kindes ist schlecht, es träumt manchmal unruhig.

Es ist ein normal-abnormes Kind, wie es häufig vorkommt, es ist ein normal-abnormes Kind, bei dem vor allen Dingen dafür gesorgt wer­den muß, daß der astralische Leib sich so formiert, daß er in einer ge­wissen harmonischen Art in den Atherleib und in den physischen Leib eingreift. So etwas erreicht man immer durch Arsenbäder, von außen herangebracht, zuweilen durch Arsen von innen herangebracht. Das harmonisiert die Beziehung zwischen astralischem Leib, Atherleib und physischem Leib. Nun, damit aber das Arsen gut zur Wirkung kommt von außen, wird es unterstützt, indem man an den Füßen, vor und nach dem Bade, Packungen von Senfsaft macht, geriebenen Meerrettich verwendet. Nur mache ich darauf aufmerksam, daß man in einem sol­chen Falle, wo man Packungen mit Meerrettich macht, sie immer so machen muß, daß man das Reiben des Meerrettich unmittelbar vorher besorgt und den eben geriebenen Meerrettich nimmt. Wenn man ihn stundenlang liegen läßt, ist er nicht mehr wirksam.

In bezug auf das Psychische wird es sich bei einem solchen Kinde durchaus darum handeln, daß man die Eigenheit, die es hat, so auf­geregt zu sein - sie ist immer aufgeregt, ich glaube nicht einmal, daß das, was sie hier an Umgebung gehabt hat, besonders auf sie gewirkt hat -, daß man das bricht, wie Sie überhaupt die wohltätige Wirkung des Brechens von gewissen Charaktereigenschaften ins Auge fassen müssen. Und so wird man bei einem solchen Kind außerordentlich viel erreichen, wenn man es, und sei es selbst durch Anwendung von me­chanischen Mitteln, zur Ruhe bringt bei dem, was es sich anhört und wo es sonst leicht aufgeregt wird. Also man beobachte, wodurch das Kind, wenn man ihm etwas erzählt, besonders aufgeregt wird, und dann zwingt man es dazu, nicht aufgeregt zu werden, sondern an sich zu halten, innerlich etwas steif zu werden und an sich zu halten, und dann wird man bemerken, daß nach einiger Zeit eine Art von Brechen dieser Charaktereigenschaft eintritt. Das Kind wird beim Erzählen statt eines aufgeregten einen müden Charakter zeigen. Dann läßt man die Müdigkeit einige Zeit, acht bis vierzehn Tage wirken, und dann läßt man das Kind eine Zeitlang laufen, indem man es wie ein normales

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Kind behandelt. Dann wird wieder etwas zurückkommen vom Auf­geregtsein, und dann muß man es wieder behandeln. Man muß mit Pausen die Kur machen, weil, wenn man die Sachen fortsetzt, eine Reaktion kommt. Denn die leise Depressionserscheinung, die Müdig­keit, wenn man die zu weit treibt, geht sie über in körperliche Depres­sionszustände und man verdirbt das Kind eher.

Sie sehen, ich konnte Ihnen im Prinzip zeigen, wie man auch psy­chisch mit solchen Kindern vorzugehen hat. Man muß den Sinn haben, das zu beachten, was da ist, und sich klar sein, daß man in den see­lischen Abnormitäten Symptome hat für das, was in dem Kinde vor­geht, für irgendein Verhalten des Atherleibes, astralischen Leibes, Ich-Organisation und so weiter. Ich sage: und so weiter. Denn sehen Sie, wir gliedern ja den Menschen in:

1. Physischer Leib

2. Atherleib

3. Astralleib

4. Ich-Organisation

5. Geistselbst

Aber nun wird man gewöhnlich einfach hinzufügen: Geistselbst, das hat der Mensch noch nicht entwickelt, das geht uns noch nichts an, das lesen wir zwar in den Büchern, aber der Mensch kommt ja im gegen­wärtigen Zeitalter nur bis zur Ich-Organisation; daher braucht man sich um das Geistselbst nicht zu kümmern. Ja, meine lieben Freunde, aber so ist es nicht. Die Menschen kommen schon bis zur Ich-Organisa­tion, aber nicht alle Wesen, mit denen wir es zu tun haben, kommen nur bis zum Ich. Wir haben es durchaus - und gerade, wenn wir es mit aufwachsenden Kindern zu tun haben - zu tun mit Wesen, die bis zum Geistselbst kommen, die voraus sind der Entwickelung des Menschen. Wenn man so etwas ausbilden will, wie die Waldorfschul-Pädagogik, und diese aber lebendig wirken soll, dann muß man nicht bloß an die Menschen appellieren, die man dort anstellt, sondern auch an geistige Wesenheiten, die mehr entwickelt haben als die Menschen, die bis zum Geistselbst eine deutliche Entwickelung zeigen. Mit einer bestimmten Art solcher Wesenheiten haben wir es gerade beim heranwachsenden

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Kinde besonders zu tun: Mit den Wesen, die man als Sprachgenien be­zeichnet. Wenn man es den Menschen überlassen würde, die Sprache zu übertragen auf die nächste Generation, dann würden die Menschen alle verkümmern. In der Sprache lebt etwas so Wesenhaftes wie im Menschen selber. Was mit der Sprache an den Menschen herankommt, darinnen leben Wesen, die durchaus in ihrem gewöhnlichen Leben das Geistselbst so ausgeprägt haben, wie der Mensch die Ich-Organisation. Diese Wesen inspirieren uns; diese Wesen leben in uns, dadurch daß wir sprechen.

Denken Sie sich, wie wir ein Kunstsprechen in der Eurythmie aus­arbeiten müssen, damit eine sichtbare Sprache zustande kommt. Wir umfassen ja die Sprache gar nicht. Einen kleinen Teil dessen, wie der Sprachgenius wirkt, arbeiten wir in der Eurythmie aus, damit eine sichtbare Sprache herauskommt. Denken Sie sich, wie wir in der Heil­eurythmie appellieren an dasjenige, was diese Wesenheiten mit dem Geistselbst im Menschen erreichen können in der intuitiven Impulsie­rung seines Willens.

Also wir haben es in dem Augenblick, wo überhaupt von Erziehung gesprochen wird, zu tun mit einem Heranrufen der Geister, die das Geistselbst entwickelt haben. Und in alledem, was wir in der Sprache erläutern, beschreiben wir das Geistselbst. Daher ist es schon gut, wenn diejenigen, die abnorme Kinder erziehen wollen, dasjenige meditieren, was in den Büchern gesagt ist über das Geistselbst. Das ist ein guter Meditationsstoff. Das ist ein Gebet an diejenigen geistigen Wesen­heiten, die von der Art des Sprachgenius sind. Aber solche geistigen Wesenheiten sind da.

Wenn wir in die Schule hineinkommen und Gebärden machen, ja wenn diese Gebärden adäquate Ausdrücke sind desjenigen, was wir seelisch erleben, wirken sie ungeheuer auf das Kind. Aber sie bezeugen auch, daß man mit den geistigen Wesenheiten in Verbindung steht, die das Geistselbst in sich tragen. Man braucht wirklich nicht irgendwelche äußere Agitation zu treiben, selbstverständlich nicht, diese Dinge müs­sen objektiv wirken, wie die Krise bei dem kleinen Kinde hingenom­men werden muß. Aber wenn ganze Volksgemeinschaften sich an­gewöhnen, die Hände in die Hosentaschen zu stecken, damit sie keine

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Gebärden machen, bedeutet das geradezu: man will von den Göttern verlassen sein, von den Göttern, welche die allernächsten sind dem Geistmenschen. Man will nichts wissen von denjenigen Wesenheiten, die das Geistselbst ausgebildet haben, wie der Mensch die Ich-Organi­sation. Und dann wird zunächst die Sprache verschlampt. Das ist die große Gefahr der westlichen Kultur, daß die Sprache nicht zu dem gemacht wird, was sie sein soll, sondern daß sie sich verschlampt.

Bei dem sich entwickelnden Kinde muß man vor allen Dingen dar­auf hinschauen - gerade bei abnormen Kindern -, daß sie rein sprechen, deutlich sprechen. Man muß nichts hingehen lassen, was irgendwie eine Verschlampung im Sprechen ist. Das kann man bei allen abnormen Kindern als Regel betrachten, daß man sehen muß auf ein deutliches, klares, konfiguriertes Sprechen. Das wirkt gut zurück. Aber selbst wenn das Kind noch nicht spricht, so ist es gut - wenn nicht gerade die spezielle Anweisung gegeben werden muß, daß es stille sein muß -, wenn gut konfiguriert um das Kind herum gesprochen wird. Man braucht es nicht zu vermeiden, möglichst viel an ein Kind, das man gerade zwischen dem siebenten und dem vierzehnten Jahr zur Erzie­hung übernommen hat als abnormes Kind, daß man viel gutes Sprach­liches, Rezitatorisches an das Kind heranbringt. Immer wieder und wiederum in guter sprachlicher Gliederung an die abnormen Kinder herantreten, diese Notwendigkeit geht aus dem innern Wesen der Ab­normität hervor.

ZEHNTER VORTRAG Dornach, 5. Juli 1924

#G317-1967-SE143 Heilpädagogischer Kurs

#TI

ZEHNTER VORTRAG

Dornach, 5. Juli 1924

#TX

Es wird sich zunächst darum handeln, daß ich mit einigen Bemerkun­gen zurückkomme auf die Fälle, die Sie selber am Lauenstein vorliegen haben.

Da möchte ich zunächst besprechen jenen ältesten Buben, den Sie haben, der sechzehn Jahre alt ist und der im wesentlichen eine Minder­wertigkeitsform dadurch gerade zeigt, daß er mit seinem Ich und astralischen Leib durch seine physische Organisation nicht durch­kommt. Er ist Ihnen ja in verhältnismäßig spätem Alter erst über­geben worden. Ist es nicht so, daß Sie vorher nicht um ihn waren, Sie haben ihn erst im sechzehnten Lebensjahre bekommen? Daher liegt natürlich ein Fall mit deutlich entwickelten Antezedenzien vor. Hätte man den Knaben früher so behandelt, daß er einfach hätte fühlen kön­nen die Prinzipien der Waldorfschul-Pädagogik, also das Autoritäts­prinzip zwischen Zahnwechsel und Geschlechtsreife, und wäre er ge­führt worden unter fortwährender Beobachtung derjenigen Dinge, für die er sich interessiert, hätte man dann, ausgehend von diesen Dingen, für die er sich interessiert, das Interessenfeld weiterziehen können, hätte man in diesem Lebensalter gerade mit einer sanft angebrachten Bleikur gewirkt, so hätte man den Jungen doch heute auf einem andern Seelenniveau. Denn der Junge hat ja, wie sich deutlich zeigt, Interessen. Hat auch ein ganz bestimmtes Können, aber Sie haben gesehen an der Probe, die da gemacht worden ist, wie die Sache liegt. Die Probe war eine verhältnismäßig einfache, aber an dieser ganz einfachen Probe konnten Sie sehen, was eigentlich vorliegt. Nicht wahr, der Junge be­kam von mir eine ganz einfache Rechenaufgabe. Eine Subtraktion, wie man sie gewöhnt ist, nach der Methode der Waldorfschul-Pädagogik zu machen. Daß also gefragt wird: Was muß man von einer andern Zahl abziehen, damit eine bestimmte Zahl herauskommt? - Daß also nicht, wie es im gewöhnlichen Rechnen geht, ein Minuend und ein Subtrahend gegeben wird, sondern daß man den Minuend und den Rest gibt, der Subtrahend zu suchen ist. Das ist, was besonders hineinzieht

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in die Verfassung des seelischen Lebens, aber auf der andern Seite zur Entwickelung außerordentlich viel mehr beiträgt, als wenn man das Umgekehrte macht.

Nun, Sie haben gesehen, daß der Junge die Aufgabe lösen konnte, aber er konnte sie nicht im Augenblick lösen. Er kam ganz erfreut, nachdem er sie gelöst hatte, nachdem ich ihm gesagt hatte, in eineinhalb Stunden müsse er sie gelöst haben. Er hatte das Spatium von eineinhalb Stunden und war ganz erfreut, daß er die Aufgabe gelöst hatte. Da haben Sie klar gesehen, der Junge konnte die Sache. Alle Glieder seines Organismus sind eingeschaltet auf die Sache. Er braucht nur einen län­geren Zeitraum, um die Sache auszuführen, das heißt sein Atherleib und sein physischer Leib stemmen sich sofort entgegen, sie entfalten nicht ihre Funktion, trotzdem die Möglichkeiten zu dieser Funktion da sind.

Nun handelt es sich darum, daß der Junge, wenn man verfolgt, wie sich seine Interessen abspielen, durchaus die Interessen hat so, daß sie mn der Kopforganisation bleiben. Sie können nicht hinunter in die übrige Organisation.

Für diese Sache ist ein kleines Stückchen ganz bezeichnend. Sie sahen, er kam mit seinem kleinen Kodak und wollte uns aufnehmen, er besorgte das ganz ordentlich und besorgte es mit tiefgehendem Inter­esse. Nun versuchte ich ihm nachher zu sagen, er solle noch eine andere Aufnahme machen. Dazu wäre aber nötig gewesen, daß er sich erst den Film geholt hätte, daß das Interesse weitergegriffen hätte als das, was unmittelbar nahe lag. Da sträubte er sich. Dazu war er nicht zu bringen. Wenn ihn ein Interesse im Augenblick ergreift, ist er ganz da. Soll er aber das hinunterbringen in das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, sträuben sich sein Atherleib und physischer Leib ganz mächtig. Und gerade da ist es notwendig, daß in diesem Lebensalter immer mehr, trotzdem es schwieriger wird wie früher, immer mehr mit einer päd­agogischen Therapie eingegriffen werden muß, was notwendig macht, daß man diejenigen Dinge, die er mit einem gewissen Interesse verfolgt, als Ausgangspunkt nimmt, von da aus aber durchaus weitergeht, um den Interessenkreis nach allen Seiten hin zu erweitern. Man wird bei diesem Jungen ganz besonders viel erreichen, wenn man den immerhin ganz gesunden Instinkt berücksichtigt, den er trotzdem in sich hat.

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Man sieht nämlich immer, daß gesunde Instinkte bei abnormen Organi­sationen dennoch vorhanden sind. Der Junge wird sogleich eine Erwei­terung des Interessenkreises erfahren, wenn man ihn hinleitet auf Dinge, zu denen Geschicklichkeit notwendig ist.

Er kann zunächst jenen Weg, der gemacht wird von der Kopforgani­sation zu der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation und,wie Sie gehört haben von mir, darüber hinaus, er kann diesen Teil des Weges schwierig besorgen, weil da keine Perzeptionsfähigkeit vorhanden ist. Auch nicht jene leise, die bei einem normalen Menschen vorhanden ist. Dagegen, sieht er das, was er selber vor sich hat, sieht er die Geschicklichkeit seiner eigenen Gliedmaßen, wird er daran große Freude haben. Man muß ihn also Sachen machen lassen, an denen er die Geschicklichkeit seiner eigenen Gliedmaßen sieht. Das wird insbesondere dadurch ge­fördert werden können, daß man ihn heileurythmische Cbungen machen läßt mit Beinen und Händen, aber dabei in einem ganz ener­gischen Maße die Zehen und die Finger zur Beweglichkeit bringt und ihn seinen Blick auf diese ganzen Bewegungsvorgänge der Gliedmaßen richten läßt, sich also selber ansehen läßt.

Es ist für solche Kinder, die deutlich schon zeigen, frühzeitig, daß sie diese Schwierigkeiten haben, daß sie dasjenige, was der Kopf aus­macht, nicht in den Organismus hinuntergehen lassen, für solche Kin­der ist es gut - bei diesem Jungen ist es schon zu spät, aber Sie können ja immer solche Kinder bekommen -, da ist es ganz gut, wenn man ver­sucht, erstens sie mit ihrem Kopfe ihre Füße erreichen zu lassen. Wenn Sie das selber probieren, werden Sie sehen, daß das eine schwierige Pro­zedur ist. Aber es ist gut, wenn man Kinder, die es schwer haben in dieser Hinsicht, dazu bringt, daß sie ihre eigenen Zehen küssen können. Dann ist es auch gut - und es wird immer wirken, es könnte sogar bei diesem Knaben noch außerordentlich segensreich sein -, wenn man solche Kinder veranlaßt, daß sie zwischen der großen Zehe und der nächsten Zehe den Bleistift halten und damit einzelne Buchstaben­formen zuwege bringen und dann daran ihre Freude haben, zu schrei­ben mit dem Fuße. Das könnte vielleicht auch noch bei diesem Jungen ganz gute Dienste leisten. In solchen Fällen wird ihm dann - und das ist auch eine Art Heileurythmie, wenn er lernt mit den Zehen zu schreiben

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- die Heileurythmie große Dienste leisten können. Nun, ob auch noch eine Bleikur bei diesem Alter die nötigen Dienste leistet, das wird sich ja zeigen, wenn man beginnt, die Dinge zu probieren und die Wir­kungen ansieht.

Gerade aus dem, was ich gesagt habe, sehen Sie, daß eine feinere Beobachtung da notwendig ist. Man muß solche scheinbaren Kleinig­keiten, wie dieses Ausrechnen nach anderthalb Stunden, wie dieses Nicht-Wollen-ins-Haus-Zurückgehen, sich den Film holen und der­gleichen, man muß dieses zu einem Gegenstand fortwährender Beob­achtung machen. Dann geht eben daraus hervor, daß ein Wesentliches in der Erziehung von minderwertigen Kindern auch dadurch in die Hand des Erziehenden gegeben ist, daß diese Erziehenden sich an­gewöhnen müssen, einen Sinn zu haben für alles dasjenige, was mit dem betreffenden Kinde vor sich geht. Sehen Sie, Sie werden sagen: Ja, welche Zeit nimmt denn die Erziehung von minderwertigen Kindern in Anspruch? Man muß immer seine Aufmerksamkeit darauf verwenden, man kann gar nicht meditieren, man hat gar keine Zeit, etwas anderes zu tun. - Das ist nicht der Fall, und diese Ansicht innerlich zu bekämpfen, gehört schon zu der Esoterik einer solchen Lebensaufgabe. Es handelt sich gar nicht darum, daß man den ganzen Tag gewissermaßen auf Aus-lug steht, sondern daß man sich einen Sinn erwirbt für charakteristische Vorkommnisse. Unter Umständen kann derjenige, der eine Anzahl von Kindern beobachten gelernt hat, in verhältnismäßig kurzer Zeit, in fünf oder zehn Minuten ein Kind durchaus durchschauen, wenn er überall den Blick richtig anwendet. Nicht darauf kommt es an, wieviel Zeit man mit den Dingen verbringt, sondern wie stark man sich innerlich damit verbindet. Viel Zeit wird gerade in geistigen Berufen erspart werden, wenn man berücksichtigen wird, daß man sich innerlich mit den betreffenden Erscheinungen wirklich verbinden muß.

Nun war da auch ein Knabe, ein typischer Fall, ein fünfzehnjähriger epileptischer Knabe. Für diesen Knaben haben Sie den typischen Fall an demjenigen, den wir hier gehabt haben, nur ist er wieder eine An­zahl von Jahren älter, der Ihrige. Da handelt es sich darum, daß man die Schwierigkeit berücksichtigt, die dadurch gegeben ist, daß man bei Ihrem Knaben den Übergang in die Geschlechtsreife hat. Wurde er

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nicht kastriert? Der Vorgang im ganzen Organismus liegt vor. Und da der Junge kastriert ist, hat man es um so mehr mit einer außerordent­lich vehementen Erscheinung zu tun, nämlich mit der Reaktion, die durch diesen künstlichen Einfluß auf die Geschlechtsentwickelung aus­geübt wird. So wie der Junge sich darstellt, stellt er sich dar als ein Junge, bei dem sich gerade der Übergang in die Geschlechtsreife außer­ordentlich schwierig ergeben wird. Denn das Geschlechtsreifwerden ist ja ein Vorgang im ganzen Organismus. Und für ihn hat jetzt die Ka­stration gar keine weitere Bedeutung noch, als daß sie reaktiv zurück­wirkt auf die Geschlechtsreife. So daß es sich bei diesem Jungen einfach darum handeln wird, zu berücksichtigen, daß er in einem Stadium steht, wo es notwendig ist, ihn so zu behandeln, wie man im Ge­schlechtsreifealter stehende Knaben zu behandeln hat: sie nämlich sorgfältig in Zusammenhang bringen mit allem demjenigen, was ihnen Interesse für die Vorgänge der Welt, in die sie hineingestellt sind, bei-bringt. Vor allen Dingen handelt es sich darum, daß man Waldorf­schul-Pädagogik auf sie anwendet. Daß man versucht, ihn nicht seinen innerlichen Erregungen zu überlassen, sondern daß man versucht, ihn nach außen hin fortdauernd zu beschäftigen, so daß er für äußerliche Dinge und Vorgänge ein intensives Interesse entwickelt.

Schildern Sie mir, wie weit der Junge im Schulmäßigen ist. Viel­leicht können Sie das schildern, wie weit er im Schulmäßigen ist.

S.: Er kann weder lesen noch schreiben, es wurde überhaupt noch gar nichts an­gefangen in bezug auf das Schulmäßige im vorigen Jahr. Im vorigen Ja r hatte Frau F. mit ihm angefangen das Lesen und Schreiben, aber mit diesem Montessorikasten; er kam durchaus nicht weiter, konnte keine Fortschritte machen, und so ist er eigent­lich im Schulmäßigen auf dem Nullpunkt.

Er zeigt eine gewisse Stumpfheit gegenüber den äußeren Eindrük­ken. - Nun, wir haben da gerade die Notwendigkeit, die Waldorfschul-Pädagogik so wie bei ganz kleinen Kindern anzuwenden, also vom Malerischen auszugehen und ihn einfach dahin zu bringen, daß er das­jenige, was ihn innerlich quält, in die Farben hineinlegt. Man läßt ihn zunächst malen und wird sehen, was er dabei herausbekommt. Und von da aus geht man dann weiter in demjenigen, was sich aus seinen eigenen Veranlagungen da ergibt.

Es wird gerade bei diesem Jungen aber unbedingt notwendig sein,

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therapeutisch einzugreifen. Wir hatten doch noch keine Therapie be­sprochen? Er sollte Algen bekommen und Belladonna. Also dies würde das Therapeutische sein, was da einzugreifen hätte. Die Algeninjektio­nen, die können Sie ja ihrem Wesen nach verstehen, aber es ist gut, wenn Sie über diese Dinge tiefer nachsinnen, weil Sie sie ja selbständig in den einzelnen Fällen anwenden sollen. Warum kann man mn emnem solchen Fall an Algeninjektionen denken? Bei der Alge haben wir es zu tun mit einer Pflanze, die weder stark ausgebildete Wurzelbildung hat, noch stark ausgebildete Blütenbildung. Es schieben sich eigentlich Blüte und Wurzel zusammen. Und das hauptsächlichste ist eigentlich die Krautorganisation, die alles übrige aus sich hervorbringt. Das Blatt überwiegt, so daß bei dieser Pflanze kein sehr intensives. Verhältnis zur Erde da ist. Auf der andern Seite ist auch zum äußeren Kosmos kein intensives Verhältnis vorhanden, sondern es ist ein Verhältnis zu alle­dem vorhanden, was sich abspielt im wäßrigen und luftförmigen Ele­ment, unmittelbar an der Erdoberfläche. Algen und Pilze sind die­jenigen Pflanzen, die ganz eingetaucht sind in die Wechselwirkungen zwischen Luft und wäßrigem Element. Nun ist das Eigentümliche dieses, daß diese Pflanzen zu der sehr geringen Menge von Schwefel, der heute überall verbreitet ist, sowohl im Wäßrigen wie in der Luft, daß sie zu diesem eine starke Anziehung haben. Dadurch eignen sich diese Pflanzen, wenn man sie in den rhythmischen Organismus hinein-bringt, ganz besonders gut dazu, die Harmonie herzustellen zwischen dem astralischen Leib und dem Ätherleib. Nun, das fehlt gerade bei einem solchen Jungen.

Nun merkt man, daß man es zu tun hat mit einer Störung, die da­von ausgeht, daß die Ich-Organisation den astralischen Leib zu stark in Anspruch nimmt und nicht hineinläßt in den ätherischen Leib, dann muß man mehr zu den Pilzen greifen. Zu den Algen, die sich mehr nähern den gewöhnlichen Pflanzen, wird man greifen, wenn sich der physische Leib und der ätherische Leib weigern, den astralischen Leib hineinzulassen, wenn die Disharmonie dadurch zustande kommt, daß von dem Ätherleib aus der Widerstand kommt, wo nicht eine über­wiegende Anziehung der Ich-Organisation da ist, sondern vom Äther-leib aus der besondere Widerstand kommt.

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Dann war ein Mädchen da. Können Sie das nicht schildern nach den Angaben, die ich gemacht habe?

S.: Ich habe das Mädchen auch nur einmal gesehen, ein Mädchen mit aufgewor­fenen Lippen. Da wiesen Sie darauf hin, daß zwischen dem dritten und vierten Jahr etwas Besonderes geschehen sein müsse mit dem Astralleib, daß es ein starkes Jucken und Kratzen hat haben müssen. Die Mutter bestätigte uns nachher, daß hohe Tem­peraturen aufgetreten sind und daß Jucken da war. Für die Therapie ist angegeben:

Nikotinklysma, und wenn das nicht hilft: Nikotininjektionen. Sie ist fünfzehn Jahre alt.

Nun, nicht wahr, wir haben ein Mädchen, das fünfzehn Jahre alt geworden ist, das aber deutlich zeigt, daß in einer wenig intensiven Weise die astralische Organisation in den ganzen Organismus eingegrif­fen hat. Der ganze Typus des Mädchens zeigt das. Vor allen Dingen erweist sich die astralische Organisation als viel zu schwach, das Ich festzuhalten gegenüber jenen Versuchungen, die beim Menschen ent­stehen, wenn er ißt, das Essen, das Schmecken gar zu süß, zu lieblich, zu wohltuend zu empfinden. Wenn der astralische Leib nicht genügend tätig ist in der Region des unteren Antlitzes, dann werfen sich die Lippen besonders am Munde auf, weil eine zu starke Wollust mit dem Schmecken, mit dem Verarbeiten der Speisen schon im Munde vor­handen ist. Solche Erscheinungen haben lange Antezedenzien und es kann natürlich so etwas auftreten in irgendeinem Zeitraum, der ver­hältnismäßig spät liegt. Nun, nicht wahr, ich gab dazumal an, daß eine Unregelmäßigkeit in der kindlichen Entwickelung aufgetreten sein müßte zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr.

So etwas zu bemerken, können Sie natürlich von sich selber erst ver-langen, wenn Sie sich mit der eben geschilderten Liebe, auf die ich ja so großen Wert legen muß, in solche Dinge überhaupt erst einleben. Sie dürfen eigentlich nie die Ausrede gebrauchen: Ja, um solche Dinge wahrzunehmen, muß ich erst hellsehend sein. - Das ist eine innere Faulheit, die derjenige, der einen Erzieherberuf ergreift, eigentlich gar nicht haben darf. Sondern es handelt sich darum, daß Sie lange, bevor Sie jene Hellsichtigkeit erlangen, die zum Beispiel für die Forschung im allgemeinen notwendig ist, daß Sie durch die liebevolle Hingabe an dasjenige, was aus dem Menschen herauskommt, was sich entwickelt gerade in abnormen Zuständen, daß Sie durch die liebevolle Hingabe in sich die Fähigkeit erzeugen, hinzublicken einfach auf das, worauf es

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ankommt. Sie sagen sich in dem Momente selber das Richtige. Natür­lich gehört dazu der esoterische Mut. Dieser esoterische Mut, der wird mm Menschen entwickelt, wenn ihm nicht eines gegenübersteht.

Sehen Sie, es ist ja eine merkwürdige Erscheinung, daß diese inneren Intuitionen von den Menschen, die sie verhältnismäßig gut haben kön­nen, sowenig bemerkt werden. Die Anthroposophen haben doch so viele Gelegenheiten, auf diese inneren Intuitionen achtzugeben, sie haben sme auch viel mehr, als man glaubt, aber sie geben nicht acht darauf, weil sie sich hingestellt finden in dem Augenblick, wo sie auf so etwas achtgeben sollen, vor eine beim Menschen schwer besiegbare Eitelkeit. Nicht wahr, mit diesem Entdecken von Fähigkeiten sprossen herauf alle möglichen Eitelkeitsimpulse, und zu all den Dingen, die ich zum Beispiel vom heutigen Zeitalter gestern geschildert habe, die ich auch bei andern Gelegenheiten geschildert habe, gehört auch die Neigung, die ungeheure Neigung der heutigen Menschheit, zu Eitelkeiten zu kommen.

Sehen Sie, da liegt schon etwas vor, was insbesondere diejenigen be­rücksichtigen müssen, welche aus der heutigen Jugend heraus - und dazu gehören Sie ja auch - sich irgendwie einem großen Beruf widmen, wie sie schon eigentlich entstehen müssen und die wieder regenerierend auf die Menschheit wirken müssen. Es ist wirklich nicht mit Mißver­ständnis oder Unverständnis von der heutigen Jugendbewegung ge­sprochen, sondern aus einem wirklichen Verständnis heraus, wenn ich Ihnen das Folgende sage: Die heutige Jugendbewegung ist eine Not­wendigkeit, ist etwas außerordentlich Bedeutsames, auch etwas für die verständigen Älteren im höchsten Grade Interessantes. Also gegen die Jugendbewegung soll gar nicht das Geringste gesagt werden. Es soll auch nichts dagegen gesagt werden, daß die ältere Generation so wenig Anlage hat, die heutige Jugendbewegung zu verstehen und daß gerade daran vieles gescheitert ist, weil man sie zu leicht nimmt, nicht ge­nügend eingeht auf sie. Aber auf der andern Seite muß dann, wenn es sich in der Jugendbewegung darum handelt, konkrete, bestimmte Auf­gaben zu ergreifen, etwas berücksichtigt werden von der Jugend selber. Natürlich müssen diejenigen, die in solchen Dingen Erfahrung haben, darauf aufmerksam machen. Von der Jugend muß etwas berücksichtigt sein, was ungemein erschreckend ist für alles, was aus der Jugendbewegung

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hervorgehen soll. Das ist eine gewisse Eitelkeit. Eitelkeit ist auf dem Grunde der Jugendbewegung überall vorhanden, weniger vor­handen aus irgendeiner Ungezogenheit als vielmehr aus jenem Grunde, welcher das wohl notwendig macht: weil gerade, weil das Wollen not­wendig macht eine starke Entfaltung innerer Fähigkeiten, einfach durch ahrimanische Einflüsse die Eitelkeit in einem hohen Maße herauf-dämmert. Sehen Sie, ich habe in meinem Leben viel hoffnungsvolle Menschen der verschiedensten Lebensalter beobachten können. Es war mir möglich, manche Erscheinung auf diesem Gebiete ganz intim zu beobachten, aber man konnte sehen, daß mit dem Heraufkommen des Zeitalters, das auf das Kali Yuga folgte, die Eitelkeit - nicht bloß bei der Jugend, aber hier interessiert uns jetzt diese spezielle Form, die bei der Jugend heraufkommt - ganz besonders stark aufsprießte und die Jugend selber hindert, die Eigenschaft zu entwickeln, die eben im heutigen Jungsein liegt. Daher die Erscheinung, die so häufig eintritt:

das allgemeine Reden von Missionen, von großen Aufgaben, und die geringe Neigung, auf die speziellen kleinen Dinge, die man dazu braucht, einzugehen.

Man wird gerade in der Zukunft brauchen das, was einmal auf einem außerordentlich philiströsen Territorium, aber aus einer gewissen Intuition heraus, genannt worden ist: die Andacht zum Kleinen. Das ist etwas, was sich gerade die Jugend aneignen müßte. Sie schwelgt zu stark in Abstraktionen. Das ist aber das, was mit Wucht hinaufreißt in die Eitelkeit.

Sie müssen bedenken, was für eine Schwierigkeit da vorliegt und müssen das zum Inhalt Ihres esoterischen Strebens machen. Sie müssen daran denken, welche ungeheure Schwierigkeit da vorliegt. Derjenige, der dazu kommen soll, daß er aus intuitivem Blick heraus einem Men­schen irgend etwas sagt - auf der flachen Hand liegen die Dinge ja nicht, und das, was der Laie sagt, ist in der Regel falsch gegenüber minderwertigen Kindern, es kommt darauf an, daß man durchschaut auf dasjenige, was da eben ist -, braucht etwas dazu, dazu braucht er, daß er in energischer, mutvoller Weise sich selber sagt, nicht bloß im Augenblick, sondern es zum fortdauernden qualitativen Inhalt seines Bewußtseins hat: Ich kann das. - Wenn Sie das ohne Eitelkeit, sogar

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mit Opferwilligkeit, mit Überwindung derjenigen Dinge, die dagegen smnd, wenn Sie sich das mmmer wmeder und wieder sagen, nicht bloß empfinden, dann werden Sie sehen, wieviel Sie nach dieser Richtung gerade können. Also nicht im Spintmsmeren, nmcht in Gedankengeweben das suchen, was sich entwickeln soll, sondern in diesem fortdauernden mutvollen Bewußtsein, das sich dadurch einfach entwickelt, daß man mn der allereinfachsten Weise dasjenige, was von ungeheurem Schmutz und Sumpf und Torfmoor bedeckt ist, bildlich gesprochen, aus semner Seele heraufholt.

Die Menschen können im allgemeinen auf dem Gebiete der Pädago­gik nichts erreichen, weil sie nicht ernsthaftig jemals eine Wahrheit in sich rege gemacht haben. Die besteht darin, daß Sie sich am Abend ein-leben in das Bewußtsein: In mir ist Gott, in mir ist Gott, oder der Gottesgeist, oder was immer - aber sich dieses nicht bloß theoretisch vorschwätzen, die Meditationen der meisten Menschen bestehen darin, daß sie sich etwas theoretisch vorschwätzen -, und am Morgen so, daß das hineinstrahlt in den ganzen Tag: Ich bin in Gott. - Bedenken Sie nur, wenn Sie diese zwei Vorstellungen, die ganz Empfindung, ja Wil­lensimpulse werden, in sich rege machen, was Sie da eigentlich tun. Sie tun das, daß Sie dieses Bild vor sich haben: In mir ist Gott - und daß am nächsten Morgen Sie dieses Bild vor sich haben: Ich bin in Gott. - Das ist eines und dasselbe, die obere und untere Figur (siehe Abbildung 17). Und Sie müssen einfach verstehen: das ist ein Kreis, das ist ein Punkt. Es kommt nur abends nicht heraus, es kommt nur mor­gens heraus. Morgens müssen Sie denken: das ist ein Kreis, das iSt ein Punkt. Sie müssen verstehen, daß ein Kreis ein Punkt, ein Punkt ein Kreis ist, und müssen das ganz innerlich verstehen.

Sehen Sie, damit kommen Sie überhaupt erst an den Menschen her­an. Denn wenn Sie sich erinnern an die Zeichnung, die ich Ihnen vom Stoffwechsel-Gliedmaßenmenschen und vom Kopfmenschen gegeben habe, bedeutet diese Zeichnung gar nichts anderes als die Ausprägung und Verwirklichung dessen, was jetzt in einer einfachen Weise in einer Meditationsfigur vor Sie hingestellt wird. Im Menschen ist das ver­wirklicht, daß der Ich-Punkt des Kopfes im Gliedmaßenmenschen zum Kreis wird, der natürlich konfiguriert ist. Und Sie lernen verstehen

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überhaupt den ganzen Menschen, wenn Sie in dieser Weise an ihn herangehen, wenn Sie versuchen, ihn innerlich zu verstehen. Aber zuerst müssen Sie dieses haben, daß die zwei Figuren, die zwei Vorstel­lungen ein und dasselbe sind, daß sie gar nicht unterschieden sind von­einander. Nur von außen angesehen sind sie verschieden. Da ist ein gelber Kreis, da ist er auch. Da ist ein blauer Punkt, da ist er auch. Warum? Weil das die schematische Figur des Kopfes ist, weil das die schematische Figur des Leibes ist. Aber wenn der Punkt sich behauptet in den Leib hinein, dann wird er eben zum Rückenmark; wenn der Punkt hier sich hineinbegibt, wird dasjenige, was er sein soll in der Kopforganisation, dann eben Rückenmarkansatz (siehe Abbildung 18). Die innere Dynamik der Morphologie ergibt sich Ihnen einfach da­durch. Sie können eine Anatomie, eine Physiologie bekommen, indem Sie von dem ausgehend meditieren. Dann kriegen Sie schon die innere Intuition, inwiefern Ihr Oberkiefer und Ihr Unterkiefer Gliedmaßen sind, inwiefern der Kopf ein ganzer Organismus ist, der aufhockt oben - seine Gliedmaßen sind verkümmert -, in der Verkümmerung sie umbildet zu Kiefern, und Sie bekommen die Anschauung, wie in einem polarischen Gegensatz Zähne stehen und Zehen. Sehen Sie sich nur einmal die Ansätze der Kieferknochen an, so werden Sie die ver­kümmerte Zehenbildung, die verkümmerte Fuß- und Handbildung darin wahrnehmen.

Aber es darf eben die Meditation, die in solchen Dingen wirkt, nicht die Stimmung haben, meine lieben Freunde: Ich will mich innerlich in ein warmes Nest legen, es soll mir immer warm und wärmer werden -, sondern es muß die Stimmung vorliegen, daß man in die Wirklichkeit untertaucht, daß man die Wirklichkeit ergreift. Andacht zum Kleinen. Ja zum Kleinsten. Es darf nicht das Interesse für dieses Kleine aus­getrieben werden, meine lieben Freunde. Es muß so sein, daß Sie das Ohrläppchen, der abgeschnittene Fingernagel, ein Stück des mensch­lichen Haares ebenso interessiert, wie Saturn, Sonne, Mond. Denn schließlich ist in einem solchen menschlichen Haar alles andere dar­innen, und derjenige, der kahlköpfig wird, verliert ja tatsächlich einen ganzen Kosmos. Es ist tatsächlich so, daß innerlich erschaffen werden kann dasjenige, was äußerlich sichtbar ist, wenn man nur jene Überwindung

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hat, welche im meditativen Leben eben notwendig ist. Aber diese Überwindung trifft man nie, wenn irgend Spuren von Eitelkeit auftauchen, und die tauchen eben an allen Ecken und Enden auf. Deshalb, meine lieben Freunde, ist es notwendig, wenn Sie wirklich Erzieher, besonders minderwertiger Kinder werden wollen, daß Sie diese Andacht im Kleinen in der allerallerbescheidensten Weise ent­wmckeln, und davon ausgehend, dann auch wiederum diese Andacht zum Kleinen in der übrigen Jugendbewegung erwecken.

Dann kommen eben diese Möglichkeiten, auf so etwas hingewiesen zu werden, was ja dann - wie es ja auch in diesem Falle geschehen ist -äußerlich verifiziert wird. Da muß ich nun sagen, da sehe ich die größ­ten Fehler, die bei den Unternehmungen innerhalb unserer anthropo­sophischen Bewegung geschehen. - Sehen Sie, da liegt also der Fall vor:

Bei dem Mädchen sagte ich Ihnen, es müsse eine Art von Abnormität dagewesen sein zwischen dem dritten und vierten Lebensjahr. Sie fra­gen die Mutter, die Mutter bestätigt Ihnen das. Was haben Sie nachher getan? Wollen Sie das einmal ganz ehrlich und aufrichtig schildern, was haben Sie getan, wie Ihnen die Mutter das bestätigt hat?

Schweigen.

Wollen Sie einmal ganz esoterisch ehrlich sein, Sie drei? Was haben Sie getan?

Schweigen.

Wenn Sie das Richtige getan hätten, würden Sie sagen: Wir sind ge­sprungen darüber, daß der Plafond ein Loch bekommen hat! - Dann aber würde auch noch heute der Reflex von diesem Sprung nicht nur sprechen aus Ihnen, sondern leuchten.

Das ist es gerade: der Enthusiasmus im Erleben der Wahrheit! Das ist dasjenige, was da sein muß. Das ist dasjenige, was mir seit Jahren in einer so furchtbaren Weise in der anthroposophischen Bewegung Schmerz macht, daß die Menschen so fest auf den Beinen stehen, die Jungen fast genau so fest wie die Alten. Und denken wir darüber nach, wie sie fest auf ihren Beinen stehen können! Sehen Sie, da war im Grunde genommen der Nietzsche doch ein anderer Kerl, wenn er auch krank darüber geworden ist. Er hat seinen Zarathustra einen Tänzer werden lassen. Werden Sie doch Tänzer, in dem Sinne, wie es bei Zarathustra

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gemeint ist! Leben Sie mit innerster Freude an der Wahrheit! Es gibt ja nichts Entzückenderes als das Erleben der Wahrheit. Das ist etwas, was eine viel wichtigere und wesentlichere Esoterik ist als das, was mmt den langen Gesichtern herumläuft. Dieses innere Erleben der Wahrheit, das ist das, was lange vorangehen muß allem übrigen Sich-Einreden von einer Mission.

Bei dem Mädchen zwischen drei und vier Jahren trat ein okkultes Fieber auf. Das nennt man auch in der Medizin okkultes Fieber. Das ist eine derjenigen Stellen in der Medizin, wo diese ihre frühere Sprach-weise beibehalten hat. Wenn irgendein Arzt nicht weiß, woher das Fie­ber kommt, nennt er das ein okkultes Fieber. Dieses okkulte Fieber trat auf, es war eine besondere Schwäche in diesem Zeitraum vorhanden zwischen dem dritten und vierten Jahr, es war eine besondere Schwäche des astralischen Leibes. Der physische Leib und der Ätherleib machten eine Reaktion, und es entwickelten sich diese dann zu stark, es konnte nicht mehr nach der astralische Leib. Daher ist es bei diesem Kinde ganz besonders notwendig, daß man erstens weiß: hier tritt mit dem dritten Jahre ein ein merkwürdiges Verkümmern, In-sich-Verkrampfen des astralischen Leibes; ich muß dem nachhelfen. Dem muß ordentlich nachgeholfen werden, und das kann man auf pädagogische Weise da­durch, daß man das Interesse beweglich macht. Nun schildern Sie, wie war es bei diesem Mädchen mit dem Schulmäßigen?

S.: Das Mädchen werden wir nicht in der Anstalt haben, es wird nur zur Behand­lung kommen. Es war in der Hilfsschule bis zum sechzehnten Jahr, kann lesen und schreiben, und rechnen mit Zahlen bis ungefähr tausend. Sonst ennen wir das Mäd­chen weiter nicht, es war nur zur Vorstellung oben. - Es wurde angegeben Klysma mit Tabak.

Es wird sich darum handeln, daß es mit Heileurythmie behandelt wird.

Warum ist das? Das ist aus dem Grunde, weil infolge des Verküm­merns des astralischen Leibes bei dem Kinde eine sehr starke Neigung zur Deformation des oberen Organismus eingetreten ist. Das Kind hat ein außerordentlich brutales Aussehen, weil sich alles, was nach den Kauwerkzeugen hin liegt, deformiert. Nun gerade in diesem Falle wird die nun wirklich von dem hiesigen Klinisch-Therapeutischen Institut so sehr sorgfältig ausgeprüfte antideformierende Wirkung des Nikotinsaftes

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seine gute Wirkung tun können. Man kann dann auch zunächst langsam vorwärtsgehen, gibt es zuerst per os und beobachtet dann sorg­fältig; man muß sich einen Blick dafür aneignen, ob die Kauwerkzeuge anfangen, mehr in die Herrschaft des Organismus zu kommen. Hier liegen sie fast ganz außerhalb des Bereiches dessen, was das Kind mit der Seele ergreift. Sie lagern nur da. Das Kind kann durch die Bei­bringung von Nikotinsaft per os in einer entsprechenden Dezimale -man kann anfangen mit der sechsten und bis zur fünfzehnten gehen -behandelt werden. Findet man aber, daß die Wirkungen zu schwach sind, bringt man den Nikotinsaft in Hochpotenzen in die Zirkulation, so daß unmittelbar durch die Zirkulation der astralische Leib ergriffen wird dadurch, und man wird sehen, daß man das, was man durch das innerliche Eingeben nicht erreicht, auf diesem Wege erreicht.

Es ist aber vielleicht gut - das muß ich noch nachträglich hinzu­fügen -, wenn man dann versucht, die Wirkungen, die da innerhalb des astralischen Leibes erhalten bleiben sollen, nicht zu stark in die Ich-Organisation heraufspielen zu lassen, sie stoppt vor der Ich-Organisa­tion. Das kann dadurch erreicht werden, daß man, wenn auch selten, vielleicht nur in der Woche einmal, ein Bad mit einem schwachen Schwefelzusatz verabreicht, ein schwaches Schwefelbad.

Sehen Sie, wir werden noch morgen die andern Fälle besprechen, die da waren, und es wird mir eine besondere Befriedigung sein, die inter­essante Erscheinung, die ja gerade dort bei Ihnen sich besonders stu­dieren läßt, die interessante Erscheinung der Albinos ins Auge zu fas­sen. Wir hatten zwei solche Menschenkinder, ein älteres mit fünfzehn Jahren und ein ganz kleines Schwesterchen vorliegen. Haben Sie viel­leicht davon die Horoskope gemacht?

Frage an Fräulein Dr. Vreede, welche die Horoskope übergibt.

Das ist das ältere Mädchen, das ist das jüngere. - Wie steht der Uranus? Konstellationen haben Sie nicht besondere gefunden?

Fräulein Dr. Vreede: Doch, hier gerade bei Uranus und Neptun. Neptun in Oppo­sition zu Uranus, bei dem älteren Mädchen.

Sehen Sie, nicht wahr, nun sind diese Kinder da. Überall, wo man diese Kinder sieht, zeigen sich ja zwei Haupterscheinungen. Die ganz

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hellen Haare und das schlechte Sehen mit der Veränderung der Augen. Diese zwei Erscheinungen sind die Urphänomene. Das weist aber schon bei ganz oberflächlicher Betrachtung darauf hin, daß man es zu tun hat bei den Albinos mit einer gegenüber der Eisenverarbeitung sehr schwachen Organisation, und daß man es zu tun hat mit einer Organi­sation, die ungeheuer leicht den Schwefel verarbeitet. Also die Tatsache liegt da vor, daß die Organisation sich sträubt gegen das Eisen, und zwar namentlich sich sträubt gegen das Eisen in der Verarbeitung zur Peripherie hin, es stoppt vor der Peripherie; und es wird gerade der Schwefel nach der Peripherie hingetrieben und über die Peripherie hin-ausgetrieben, so daß man sieht in der Region der Haarbildung überall die Schwefelaura, die die Haarbildung bleicht, ihnen ihre Kraft heraus-nimmt. Und in der verhältnismäßig selbständigen Augenbildung, die sogar embryonal von außen in den Organismus hineingebildet werden, sieht man erst recht die selbständige Schwefelaura, die die Augen förm­lich dazu drängt, aus dem Ätherischen heraus in das Astralische hinein ihr Wesen zu treiben. Man sieht geradezu bei solchen Kindern das Auge aus seiner Felsenhöhle ausgerissen, den Ätherleib unberücksichtigt gelassen, den Astralleib im Auge ganz besonders stark in Anspruch genommen.

Nun entstehen da sehr wichtige Fragen. Der Mensch steht auf der einen Seite in bezug auf seine Bildung im Zusammenhang mit denjeni­gen Kräften, die in der Erde sind, und die sich uns verraten durch die Substanz der Erde, und er steht im Zusammenhang mit dem ganzen Kosmos. Von beiden iSt er abhängig. Beide sitzen sowohl in der indi­viduell-karmischen Fortentwickelung wie auch in der Vererbungs­strömung. - Nun die Vererbungsströmungen. Bei den zwei Kindern, die präsentiert worden sind, liegen weder bei Vater noch bei Mutter etwas von Albinoerscheinungen vor. Nichts, gar nichts, normale Men­schen. Dagegen in der Aszendenz gab es irgendwo eine Großmutter, von der gesagt wird, daß sie auch Albinoerscheinungen hatte.

Fräulein Dr. K.: Es war eine Schwester der Mutter dieses Kindes.

Also eine Tante. Es liegt eben in der Aszendenz. Wir brauchen nur auf das einzugehen, daß in der Aszendenz durchaus eine Neigung dazu

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vorliegt. Sagten Sie mir an diesem Tage nicht, daß sich noch andere Kinder ergeben hätten, auch in Jena, aus der Saalegegend?

Fräulein Dr. K.: Zwei Kinder und ein Erwachsener, Zweiunddreißigjähriger, der bereits verheiratet ist. Unter diesen dreien findet sich bloß ein Fall, wo ein Albino in der Aszendenz vorhanden war.

Sie sehen, daß die Sache auftritt, man möchte sagen, in einem ge­wissen Sinne endemisch gebunden an das Territorium. Aber von einer andern Seite aus scharf durchkreuzt. Ganz sporadisch, unter gewissen Umständen wächst aus dem Territorium ein Albino heraus und sonst nicht. Da liegt also die Frage vor: Wie wächst der Albino heraus aus einem Territorium?

Wir wissen, daß es eine Verschwefelung bis nach außen hin ist, so daß kleine Schwefelinfarkte in der Aura auftreten, in der Peripherie. Dann suchen wir in der Umgebung, wo Schwefel auftritt. Nun ist das ganze Saaletal yersehen mit Schwefelkies, und Sie haben also die Ver­bindung von Schwefel und Eisen in einer solchen Art vorhanden, daß man studieren kann: wie ist das Eisen in der Umgebung, wie ist der Schwefel in der Gegend, wo besonders in dieser Gegend die wunderbar schönen Pyrite auftauchen, die in der Saalegegend sind. Diese schönen, feinen, goldglänzenden Pyritwürfel tauchen in der Saalegegend auf (siehe Abbildung 19). Die andern Gegenden dort in der Nähe sind gipshaltig. Gips ist, wie Sie wissen, mit zwanzig Prozent Wasser schwe­felsaurer Kalk. Also wieder haben wir die Möglichkeit, den Schwefel zu studieren in seiner Bindung in dem Gips. Das wirft Licht auf alles dasjenige, was in der Atmosphäre lebt und so weiter, so daß man zu­nächst eingehen muß auf alles dasjenige, was aus dem Boden heraus mit der Schwefel- und Eisenabsorption zusammenhängt. Sie haben auch sonst ein sehr eisenreiches Territorium und die Frage entsteht:

Wie bildet sich ein gegenseitiges Verhältnis heraus zwischen Erde und Mensch, so daß die Erde das Eisen stark heranziehen kann, der Mensch aber nicht oder nur mit Schwierigkeit? Welche Konstellationen müssen da sein, um den Menschen besonders geeignet zu machen, Eisen zurück-zuweisen und den Schwefel aufzunehmen? - Da kommen Sie auf das Kosmische, da untersuchen Sie die Konstellationen, die vorhanden sind - bei der Konzeption kann man das nicht - bei der Geburt bei

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einem solchen Kinde. Da wird sich zeigen, daß die Frage herantritt, ob bei diesen Kindern, die als Albino auftreten, ganz besondere Konstel­lationen vorliegen, und zwar so vorliegen, daß sie nicht so auftreten können, daß sie nur selten auftreten können. Da werden wir das Ent­sprechende nicht zu suchen haben bei denjenigen Angaben, die hervor­gehen aus Planetenumdrehungen, die schnell vor sich gehen, sondern wir werden bei denjenigen Planeten die Konstellation zu suchen haben, die lange brauchen, bis sie sich umdrehen, also bei Saturn und Uranus. Sie sehen also, wie sich die Fragen stellen in einem solchen Falle. Erst muß man die Fragen haben, dann kann man eingehen auf einen solchen Fall.

Nun möchte ich eine kleine Kur auch hier angeben. Ich werde also das, was hier angedeutet ist, auch hier anwenden. Ich werde das mor­gen hier besprechen.

Nach dem, was mir heute morgen gesagt worden ist, wollen Sie noch etwas anderes, als die Vorträge enthalten, weil sie zu stark nach der «Andacht zum Kleinen» gehen, nach dem, was Sie brauchen; ich möchte Ihnen auch da in der stärksten Weise entgegenkommen, indem ich eben­so die neue Methode anwende, wie ich sie bei den Arbeitern angewendet habe. Da habe ich die Vorträge nach und nach so auslaufen lassen, daß ich frage, über was ich sprechen soll, so daß von einem gewissen Punkt an die Themen, die sie besprochen haben wollen, von ihnen selber ge­stellt werden. Jetzt können die Arbeiter niemals schimpfen, daß ihnen nicht über das vorgetragen wird, was sie wollen.

ELFTER VORTRAG Dornach, 6.Juli 1924

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ELFTER VORTRAG Dornach, 6.Juli 1924

Nun wollen wir noch die Fälle besprechen, die gestern nicht zur Sprache gekommen sind. Es war noch ein jüngeres Mädchen von zehn Jahren da, das litt an Gedächtnisschwund. Es ist erst in der zweiten Schulklasse. Es hat Wucherungen im Nasenrachenraum; das hängt zusammen mit dem zu starken ätherischen Wuchern in der Blasengegend, das sein Spiegelbild hat im Kopf. Bei dem Mädchen konnte man ja tatsächlich auf den physischen Ursprung der Minderwertigkeit kommen. Das Mäd­chen ist zehn Jahre alt, ist also in einem Stadium, von dem ich immer angebe, daß es besonders wichtig ist, wie sich der Erzieher zu einem solchen Kinde verhält.

Nun natürlich hat das Mädchen alle Antezedenzien, die zu diesem Zeitpunkte hinführen, ja verschlafen. Die entzündlichen Erscheinungen in der Nähe der Blasengegend, die ihr Spiegelbild im oberen Organis­mus haben, die zeigen ja ganz deutlich, daß sich der Ätherleib in dem Organismus nicht in richtigerweise einlebt, weil das Zusammenarbeiten mit dem Astralleib eben nicht ordentlich stattfinden kann. Sie müssen nun natürlich immer ins Auge fassen, daß alles dasjenige, was so vor sich geht, wenn es sich ausdrückt im seelischen Organismus, daß es dann in der feineren Organisation begründet ist, daß also sozusagen die grobe Organisation nicht auf die Spur führen kann. Natürlich kann man leichter etwas in der oberen Organisation bemerken als in der unteren Organisation. Aber wenn man einem solchen Kinde, dessen Ätherleib durch den defekten Astralleib nicht ordentlich funktioniert, so daß nicht hineindringt in die Organisation dasjenige, was es auf­nimmt, wenn man einem solchen Kinde beikommen will, so handelt es sich darum, daß man möglichst das, was Eindruck machen soll auf das Kind, verstärkt, daß man mit starken Eindrücken für ein solches Kind arbeitet. Sie müssen das bedenken: das Gedächtnis hängt ja an einer ordentlichen Organisierung von physischem Leib und Ätherleib. Der Astralleib und das Ich nehmen ja nicht mit dasjenige, was von Ein­drücken erinnerungsmäßig festgehalten wird. Träume treten ja auch

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erst auf, wenn eine teilweise Einlagerung des Astralleibes und des Ich in den physischen und Ätherleib stattfindet. Also für das Ich und die astralische Organisation ist ja eigentlich alles vom Einschlafen bis zum Aufwachen vergessen. Es lagert in dem, was im Bette übrigbleibt. Wenn nun das, was da übrigbleibt, nicht ordentlich organisiert ist, so einver­leibt es sich nicht die Reste, die Überbleibsel der Eindrücke, und es wird sich in einem solchen Falle darum handeln, daß man zunächst starke Eindrücke hervorruft, um die obere in der unteren Organisation, ich meine das Ich und den Astralleib im Ätherleib und physischen Leib zur tatkräftigen Wirksamkeit zu bringen.

Nun weiß ich nicht, ob es schon versucht worden ist, sein Gedächt­nis nach einfachen Volksmelodien zu prüfen?

Fräulein Dr. K.: Das geht leichter.

So versuche man einmal auf der Grundlage dieser vorhandenen Ein­drucksfähigkeit weiterzuarbeiten, von da ausgehend zum Beispiel die Aufmerksamkeit zu lenken auf solche kleinen Gedichte, in denen ein bestimmtes Motiv nach je drei Zeilen immer wiederkehrt, so daß das Kind einen starken Rhythmuseindruck empfängt und damit dann der Zeitpunkt heranrückt, in dem man auch rhythmenlose Eindrücke an das Kind heranbringen kann. Es ist nicht anzunehmen, daß der Zeit­punkt, in dem man etwas erreichen kann in diesem Falle, kürzer sein wird als drei bis vier Jahre, bis zur Geschlechtsreife. Wenn nach diesen Gesichtspunkten gearbeitet wird bis zu diesem Zeitpunkte, namentlich wo rhythmische Eindrücke wirken können, und von da aus das andere erarbeitet wird, kann man erzieherisch etwas erreichen. Die Therapie haben wir schon festgestellt: es sollte Umschläge bekommen mit Ber-beris vulgaris zehn Prozent und Heileurythmie L M S-U.

Sie sehen ja: es ist auch da die Anschauung zugrunde liegend, daß das Gestaltende, das sich Anschmiegende in die Beweglichkeit des Astralleibes hineinkommt, dem M entgegenkommt. Das M ist dasjenige, was, wie ich Ihnen gesagt habe, den ganzen Organismus in die Aus­atmung hineinlegt, so daß sich dadurch astralische und ätherische Or­ganisation begegnen sollen. Das S ist dazu da, um den Astralleib in eine starke, lebendige Tätigkeit zu versetzen, aber doch so, daß er an sich

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hält, und dazu ist dann das U. Diese Dinge ergeben sich dann im un­mittelbaren Anblicke, wir rufen sie hier wiederum zurück. Daß das Kind Umschläge mit Berberis vulgaris erhält, das beruht darauf, daß wir nötig haben, die entzündlichen Ursachen zu neutralisieren, und das kann auf diese Weise geschehen.

Dann haben wir gehabt einen sechzehnjährigen Jungen, der Klepto-mane war, der genau ein Bild des kleptomanen Knaben abgibt, der hier vorgeführt worden ist. Da haben Sie in der Vorführung das allerbeste Beispiel gehabt. Er ist typisch genau so zu behandeln. Man wird nur sehen müssen, ob die Eindrücke, die man ihm gibt, an dieses oder jenes anknüpfen können. Es kann, je nachdem was die Kinder vorher als Erziehung genossen haben, Verschiedenes sein.

Nun bleibt das Kind, das eigentlich ein zappeliges Kind ist. Es ist ein schläfriges, zurückgebliebenes Kind. Es ist noch nicht alt, es hat nicht sprechen gelernt, es ist in alledem zurückgeblieben, was gerade in der ersten Lebensepoche heranerzogen werden soll. Es ist also sehr leicht zu begreifen, woran es bei diesem Kinde fehlt: es griff nicht hinein in das Imitationsprinzip, es biß nicht an auf das Imitieren. Das heißt mit ändern Worten: es kann seine Organe vom Ich und Astralleib aus nicht in Bewegung bringen. Es ist ein außerordentlich liebenswürdiges Kind, aber es kann die Ruhesehnsucht seines physischen Leibes eigentlich außerordentlich schwer überwinden. Nun wird das Kind so behandelt werden müssen, daß es zunächst einmal Toneurythmie treibt. So wird es vorwärtsgebracht werden können. Ich kann nur das Ideale an der Sache angeben. Wenn es in ordentlicher Weise Toneurythmie treibt, so kann es zunächst dahin kommen, daß es in seinem Astralleib so an­geregt wird, daß der Rhythmus dann den Ätherleib ergreift.

Dann handelt es sich darum, daß man das Kind nachsprechen läßt rhythmische Sätze, so daß das Kind wirklich in den Ton hineinfällt:

«Und es wallet und woget und brauset und zischt.» Nun handelt es sich darum, daß man so etwas: «Und es wallet...» mit dem Kinde sach­gemäß langsam durchnimmt, langsam hin und rückwärts. Ich sage in diesem Falle absichtlich «woget» statt «siedet», weil es zu therapeu­tischem Zwecke verwendet wird. Immer so langsam vor- und rück­wärts. Und womöglich macht man das jetzt auch bei folgendem Laut-162

Zusammenhang. Das Kind ist innerlich aufzuwecken auf diese Weise, daß wir es in die Verwunderung bringen: A intonieren lassen, dann E I, dann zurück IEA-AEI-IEA und so weiter. So weckt man solch ein Kind allmählich auf, und es wird da doch durch das Nachahmungs­prinzip wiederholen. Sie müssen nur das Kind einzeln vornehmen und danach trachten, daß in alledem, was Sie durchnehmen, Imitation liegt, immer das Kind in einem kurzen Zeitpunkt nachintonieren lassen.

Dann würde es sich darum handeln, daß man bei diesem Kinde auch therapeutisch vorgeht, und zwar so, daß man zusammenwirken läßt ein Auseinandertreibendes, etwas, was die Substantialität des Organis­mus in den Umfang treibt, ein Zentrifugales - das ist immer die Hypo­physe, aber das Kind ist ja eigentlich nicht so, daß man Hypophyse auf es anwenden muß, wie man sie anwendet, wenn man es zu tun hat mit rachitischen Kindern, bei denen man mit der Hypophyse auf das Aus­einandergehen wirken will, sondern es handelt sich darum, daß man auch das gegenteilige Prinzip, das Zentripetale, in Anwendung bringt, was mit der Hypophyse zusammen die Tendenz hat, den menschlichen Organismus aus dem Substantiellen heraus aufzubauen, und das ist entweder Carbo vegetabilis oder Carbo animalis. Es würde sich dar­um handeln, Carbo animalis anzuwenden und dieses zu alternieren, so daß man das Formprinzip in der Carbo animalis hat, und das andere Mal das Organisationsprinzip, das ins Wachstum schießen läßt, daß man das in der Hypophysis cerebri hat.

Nun natürlich, für den Anfang eines solchen Erziehungsinstitutes ist ja die Hauptsache, daß diejenigen, die daran teilnehmen, alles das­jenige, was sie vornehmen, beobachten. Es handelt sich schon darum, daß man mit einer gewissen inneren Vertrauenskraft die Sache leitet. Sehen Sie, bei diesem Kinde wird das Schlimmste nicht das Kind sein -bei dem werden Sie bald Fortschritte bemerken -, aber das Schlimmste sind in einem solchen Fall die Eltern, die Mutter, die ganz gewiß die Meinung hat, daß man schnell Wunder wirken soll. Nun habe ich so­gar gehört, daß die Mutter mit will mit dem Kinde.

Zwischenruf: Sie bringt es nur hin.

Nun, das ist schon eine Erleichterung, wenn man die Mutter nicht da-163

bei hat. Aber jedenfalls muß man in einem solchen Falle mit einer ge­wissen Zähigkeit sich aufrechterhalten gegen die begreiflichen, aber zuweilen furchtbar unverständigen Forderungen der Eltern, die nicht wissen und auch nicht wissen können, was bei einem solchen Kinde not­wendig ist.

Nun, nicht wahr, ist es bei einem solchen Kinde ganz gut, wenn man es auch physisch in jene abwechselnden Lagen bringt, die durch so etwas angedeutet sind wie A E I - I E A und so weiter. Und das können Sie sehr gut dadurch hervorrufen, daß Sie es abwechselnd und verhältnis­mäßig kurz in mäßig warmes Wasser bringen und dann ihm eine mäßige Dusche geben. Dadurch bringen Sie in Lebendigkeit dasjenige, was in Lebendigkeit kommen soll. Es wird überhaupt, wenn Sie sehen, daß die Abnormität sich in Trägheit auslebt, diese letztere Maßregel immer von einer guten Wirkung sein, nur daß man sie nicht übertreibt. Man darf aber auch keine Angst davor haben, wenn die Kinder unmittelbar, nachdem man begonnen hat mit einer solchen Badekur, etwas aufgeregt werden. Das geht vorüber. Die Reaktion kommt schon, es stellt sich allmählich ins Richtige hinein.

Nun ist noch ein Junge zu besprechen, der sieht alles in Farben. Das ist der Junge, der kein Geld hat - ich habe ihn jetzt schon vor mir. Bei diesem Jungen liegt ein Grundphänomen vor, das ist nämlich so: er kann nicht recht an die äußere Welt herankommen, er bleibt in sich stecken. Ich muß Ihnen dieses Phänomen so erklären, daß es ganz plastisch erklärt wird. Er kann nicht hinein in die Außenwelt, dadurch stößt er fortwährend von innen her mit seiner Ich-Organisation an seinen eigenen Astralleib heran und hat eine innere Ungeschicklichkeit dadurch, vielleicht besser gesagt, eine innere Schlampigkeit. Und dieses geht Hand in Hand damit, daß er eine feine Empfindlichkeit entWik­kelt bei diesem Anstoßen an seinen Astralleib und daß er dadurch etwas hat von einem feinen Menschen. Das hängt zusammen mit dem Farbensehen. Er sieht sie, weil er wachend in seinem eigenen Astralleib leben kann. Nun ist es so bei ihm, daß er erzogen werden kann nur dadurch, daß man die Dinge, die immer mehr sich ausbilden verden, schaut: eine gewisse leise Sehnsucht nach Idealen, dabei aber wieder ein Zurückzucken, so ein Nicht-Zurechtkommen mit der Welt. Nun

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wird alles davon abhängen, daß man gerade bei diesem Jungen, der ganz so unterrichtet werden kann, wie die Waldorfschul-Methodik ist, daß man das naturgemäße Vertrauen zu ihm faßt. Es kann eigentlich gerade mit diesem Jungen kaum etwas anderes gemacht werden. Nicht wahr, der Junge hat die Eigentümlichkeit, daß er etwa so schreibt (siehe Abbildung 20). Nun gehen Sie daran, sorgfältig darauf zu ach­ten, daß der Junge eine fein modellierte Handschrift aus seiner jetzigen herausbekommt, dann werden Sie schon sehen, dann wird er schon in seiner ganzen inneren Konstitution umgewandelt erscheinen. Wenn Renommagebestrebungen auftreten, so versuchen Sie sofort, das aus dem Vertrauen heraus, das er zu Ihnen gewonnen hat, ad absurdum zu führen durch irgend etwas.

Nun sprach ich gestern von den Albinos. Ich führte die Betrachtung so weit, daß ich sagte: Wir müssen nun den kosmischen Impuls finden, der da wirken kann. Nun, da können wir ja zunächst die Fachpersön­lichkeit für solche kosmische Konstellationen einmal fragen, ob ihr bei diesem oder ändern Horoskopen etwas Besonderes aufgefallen ist, das diese Albinos gemeinsam hätten.

Zu Fräulein Dr.Vreede:

Ist Ihnen aufgefallen, daß unter den äußeren Planeten Uranus und Neptun stark hervortreten?

Fräulein Dr.Vreede: Ja, da sind viele Aspekte. Sonst könnte ich nichts über die Horoskope sagen.

Ich frage absichtlich Sie, weil Sie oftmals nachdenken über Ho­roskope und eigentlich wahrscheinlich solche Dinge oftmals im Kopfe gehabt haben. Ich habe zunächst von Ihnen nur diese zwei. Da es sich um ein neues Gebiet handelt, ist es das Beste, in dieser Sache ganz heuristisch vorzugehen. Es gibt eine Menge anderer Dinge noch, die in Betracht kommen, aber man hat zunächst zu berücksichtigen das Fol­gende noch.

Nehmen Sie den Menschen einmal. Wir gliedern ihn ja, indem wir auf diejenige Gliederung schauen, welche mehr vom ätherischen Prin­zip aus die ganze Wesenheit organisiert, wir gliedern ihn ja in den physischen Leib, den ätherischen Leib, den Empfindungsleib, den wir in Zusammenhang bringen mit der Empfindungsseele, die Verstandes-

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seele, was die Griechen Kraftseele nennen, die Bewußtseinsseele, und hier kommen wir zu Geistselbst, Lebensgeist und Geistesmensch. Nun sehen Sie, wenn man diese Glieder der menschlichen Natur ansieht, so stellen sie sich zunächst heraus als etwas, was in relativer Selbständig­keit betrachtet werden muß und den Menschen zusammensetzt. Aber eigentlich ist die Zusammensetzung bei jedem Menschen eine andere:

Der eine hat ein bißchen mehr Kraft im Ätherleib, dafür weniger im physischen Leib, der andere ein bißchen mehr Kraft in der Bewußt­seinsseele und so weiter, das hängt zusammen. In alldem steckt dann ja der Mensch mit seiner eigentlichen Individualität drinnen, die durch die wiederholten Erdenleben durchgeht, der diesen ganzen Zusammen­hang erst vom Freiheitsprinzip aus in eine individuelle Regulierung bringen muß. Aber dasjenige, was vom Kosmischen herkommt, hängt so am Menschen, daß dem Physischen entspricht die stärkste Sonnen­wirkung (siehe Abbildung 26), die überhaupt auf die Menschen einen starken Einfluß hat. Dem ätherischen Leibe entsprechen die stärksten Mondwirkungen, dem Empfindungsleib die stärksten Merkurwirkun­gen, der Empfindungsseele die stärksten Venuswirkungen. Der Ver­standesseele entsprechen die stärksten Marswirkungen, der Bewußt­seinsseele die Jupiterwirkungen, dem Geistselbst der Saturn. Und das, was heute beim Menschen noch nicht entwickelt ist, das kommt im Uranus und Neptun zur Geltung, das sind ja die Vagabunden, die sich unserem Planetensystem später zugesellt haben, bei ihnen haben wir also die planetarischen Einflüsse zu suchen, die eigentlich unter nor­malen Verhältnissen auf die Geburtskonstellation nicht einen sehr star­ken Einfluß haben.

Geistesmensch Neptun

Lebensgeist Uranus

Geistselbst Saturn

Bewußtseinsseele Jupiter

Verstandesseele Mars

Empfindungsseele Venus

Empfindungsleib Merkur

Ätherleib Mond

Physischer Leib Sonne

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Nun wissen Sie ja aus ändern anthroposophischen Vorträgen, wie stark der Einfluß des Mondes auf dem Umwege durch den menschlichen Ätherleib ist. Er hängt ja zusammen mit dem gesamten Vererbungs­prinzip. Er prägt diesem Modell des physischen Leibes von den Eltern aus alle möglichen Kräfte ein. Dieser Mondeinfluß gibt von der frü­hesten embryonalen Kindheitsentwickelung aus die ganze Richtung eigentlich an.

Nun denken Sie einmal, daß ja beim Menschen eine solche Konstel­lation da sein kann, daß dieser Impuls vom Monde aus möglichst stark oder wenigstens hinlänglich stark ist, so daß der Mensch etwas mit­bekommt auf dem Wege der Vererbung, was ihn gewissermaßen her­unterzieht in die Stoffwechselorganisation. Es kann aber auch so sein, daß von den Mondeinflüssen etwas weggerissen wird, daß dasjenige, was nicht will die Mondeinflüsse, was auf der ändern Seite liegt, näm­lich Uranus und Neptun, daß das heranzieht dasjenige, was eigentlich im Mondbereiche sein soll. Es können auch andere Konstellationen sein. Aber bei diesen Kindern liegt eben diese Konstellation vor, und bei ihnen ist es schon so, daß man an dem, was sich im Horoskop zeigt, sieht, worum es sich handelt.

Nehmen wir das eine Horoskop, dann finden Sie hier - das kann Ihnen aufgefallen sein - Uranus mit Venus und Mars in diesem Bereich. Nicht wahr, Sie brauchen dabei nicht über die Trigonstellung hinaus­zugehen. Hier finden Sie Mars, Venus und Uranus. Und wenn Sie den Mars nehmen, so steht er hier sogar bei diesem Kinde, das 1909 geboren ist, in vollständiger Opposition zum Monde. Der Mars also, der bei sich hat in der Nähe Venus und Uranus, er steht selber in starker Opposition zum Monde. Hier ist der Mond, da ist der Mars. Der Mars schleppt den Uranus und die Venus in seiner Nähe mit (siehe Abbildung 21/22).

Nun mache ich Sie noch auf etwas aufmerksam: Der Mond steht vor der Waage zu gleicher Zeit, hat also durch den Tierkreis einen möglichst geringen Halt, schwankt, ist also selber ein Schwachmatikus in dieser Stunde; sein Einfluß wird ihm aber noch dadurch abgenom­men, daß der Mars, der den luziferischen Einfluß mit sich schleppt, mit ihm in Opposition steht.

Jetzt schauen wir uns das Horoskop des jüngeren Kindes an, da

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haben Sie die Sache so: Sie haben Venus und Uranus und Mars wieder­um in einem Gebiete, so daß sie einander nahe liegen, nur diesen Um­fang des Himmels umfassen sie. Sie stehen wieder einander nahe. Bei dem einen haben wir gesehen, daß sie in Opposition zum Monde stehen und zugleich, daß der Mond in der Waage steht. Jetzt fassen wir das zweite Horoskop an, da haben wir Mars, Venus, Uranus wiederum in der Nachbarschaft, genau so wie es früher war. Schauen wir nach dem Mars, so finden wir da keine völlige, aber doch schon fast eine Oppo­sition zum Monde. Also das jüngere Kind erreicht nicht eine so völlige Opposition zum Monde, aber es ist eine annähernde Opposition zum Monde da. Aber das Eigentümlichste ist, wenn wir den Mond aufsuchen, so finden wir ihn wiederum in der Waage, fast in Opposition zum Mars, der Uranus und Venus mit sich schleppt. Nun, das ist also wie­derum in der Waage. Es muß nicht so sein, aber hier haben Sie auch keine ordentlichen Geburtsdaten. Da ist der Mond in der Waage und hier auch.

Fräulein Dr.Vreede: Auffällig ist, daß bei beiden dieselbe Konstellation ist zwi­schen Mond und Neptun.

Das müßte für sich erklärt werden. Horoskope müssen individuell interpretiert werden. Daß hier eine solche Ähnlichkeit herauskommt, ist nicht zu verwundern, das sind ja Geschwister. Daß bei dem älteren Kinde eine stärkere Opposition ist als bei dem jüngeren, das schon be­einflußt ist durch das ältere, ist wiederum nicht verwunderlich. Aber es handelt sich hier darum, daß man eine ganz durchschaubare Kon­stellation herausbekommt, die, wenn man sie interpretiert, dazu führt:

der Mars, der der Träger von Eisen ist, er verselbständigt sich gegen­über dem Fortpflanzungsprinzip, gegenüber dem Mond, bringt vor allen Dingen dasjenige, was dem Menschen schon durch das Venus­prinzip zukommt, all das, was zusammenhängt mit der Liebe, das bringt er ab von seiner eigentlichen Aufgabe, reißt es heraus aus der eigentlichen Aufgabe, läßt es nicht in Zusammenhang mit dem, was in der Fortpflanzung ist und dann im Wachstum. Und wir sehen daher dann heraufrücken dasjenige, was im Unterleib leben sollte und im Zusammenhang mit den Wachstumskräften steht, in die Kopforgani­sation, und finden, daß dadurch im Wachstum drinnen das Eisen

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fehlen muß, dagegen alles dasjenige, was zusammenhängt mit der Be­kämpfung des Eisens, der Sulfur, im Übermaß vorhanden sein muß.

Also man hat es schon zu tun mit einer außerordentlich starken Präponderation des Willens und hat vor allen Dingen darauf zu sehen, daß beim Erziehen die Sinnes-Nervenorganisation, die im ganzen labil ist, möglichst zart behandelt wird. Das beruht eigentlich auf Hand­griffen. Man muß bei solchen Kindern die Sinnes-Nervenorganisation ganz zart behandeln, also vor allem versuchen, die Augen nicht für das Lesen und dergleichen anzustrengen, sondern allen Unterricht ohne das Schauen mit den Augen, ohne Lesen zu erteilen. Dagegen die Augen gewöhnen an Farbeindrücke, die schwach voneinander abweichen, namentlich in Übergängen die Regenbogenfarben langsam ineinander übergehen lassen und das Kind durch Blicke folgen lassen. Nun, das wären Maßnahmen, die man ergreifen könnte.

Will man in die Organisation noch therapeutisch eingreifen, dann kann ich bis heute nur dieses sagen, daß nach der Geschlechtsreife die Sachen nicht mehr sehr wirksam sein können. Aber das kann Ihnen einen wichtigen Fingerzeig geben, denn das eine Kind ist 1909, das andere 1921 geboren, und die Wirkungen können hier in ihrer Ver­schiedenheit gut beobachtet werden. Es wird sich darum handeln, daß man ein solches Kind tatsächlich in starke Eisenstrahlungen von der Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation aus hineinbringt. Diese starke Eisenstrahlung können Sie nur erreichen, wenn Sie Pyrit staubförmig gestalten, diesen Pyrit möglichst aufsickern lassen auf eine Fläche, durch die die Eisenstrahlungen wenig durchgehen, zum Beispiel eine Glasfläche - aber das können Sie nicht verwenden in diesem Falle. So müssen Sie versuchen, ein möglichst fettgetränktes, reines Papier zu verwenden, am besten wäre ein ganz dünnes pergamentartiges Papier, aber es muß dünn sein, daß es sich anschmiegt an den Leib. Das ge­wöhnliche Leinen-Lumpenpapier ist nicht gut zu verwenden dazu. Darauf müßte man Tannenharz oder so etwas verstreichen und den Staub vom Pyrit darauf sickern lassen. Dadurch wird man das Eisen zur Strahlung nach innen bringen. Das muß man die Beine entlang und auf die Schulterblätter legen und dann versuchen, wiederum einen ziehenden Umschlag, etwa einen Cochleariaumschlag auf die Stirne zu

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legen. Wenn man es in der Zeit namentlich anwendet auf den Organis­mus, wo der Zahnwechsel sich vollzieht - wo also ganz starke Strö­mungen und Gegenströmungen sich vollziehen -, so kann es sein, daß man die Labilität bei einem solchen Kinde durchaus bekämpfen kann.

Das würde eben dasjenige sein, was bei diesen Dingen herauskommt. Aber es muß das Problem selbstverständlich weiter verfolgt werden;

denn bis jetzt hat die Welt ja mit Albinos nichts weiter getan, als daß sie in Schaubuden vorgeführt werden, wo sie erklären; Ich bin etwas dick, habe weiße Haare, bei Tag sehe ich nichts, bei Nacht sehe ich besser. - In dieser Form werden die Albinos vorgeführt und man weiß nicht viel, da auf solche Dinge sich die Wissenschaft der Gegenwart nicht einläßt. Sobald man aber darauf kommt, auf solche eklatanten Dinge, wie ich sie angeführt habe, wird schon klar werden, daß der kosmische Einfluß ein sehr starker ist, wenn eine völlige Unregelmäßig­keit in der Zusammenlagerung der Glieder in der menschlichen Orga­nisation auftritt.

Nun bitte ich Sie noch das als Frage zu stellen, was Sie gerne als Frage stellen würden.

Frage: Daß wir in diese Situation gekommen sind, Fragen zu stellen, beruht dar­auf, daß Dr. L. zu Frau Dr.Wegman ging und namentlich in einer ändern Veranlas­sung fragen wollte. Er hat gefunden, daß die Stimmung der Teilnehmer nicht die richtige sei.

Es ist aber gar nicht nötig, die Zeit damit zu verlieren, daß wir die Sache erörtern, sie liegt viel einfacher. Dr. L. ist zu mir gekommen und hat mir erklärt, daß unter den Lauensteiner Teilnehmern die Stimmung war, sie wollten etwas unternehmen in der Anthroposophischen Be­wegung, was ein Allererstes darstellt, eine Mission, eine Mission, die erst beginnt, und die damit verbunden sein müßte, daß vor allen Dingen erörtert sein müßten die karmischen Zusammenhänge zwischen den­jenigen, die eine solche Sache machen und dergleichen.

L. schüttelt den Kopf.

Nun ja, wollen wir den Hauptwert darauf legen, daß L. sagte: Sie haben die Meinung, daß etwas ganz Grundlegendes beginnen mlisse, und ich sagte darauf, da wird es sich vor allem darum handeln, daß wirklich gelernt wird, was in diesem Kurs vorkommt. Wenn man nicht

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zufrieden sein würde mit diesem Kurs und beim Abstrakten stehen­bleiben würde, zum Beispiel eine ganz neue Bewegung zu organisieren, dann würde man ja etwas tun, was aus dem, was bei uns längst ge­trieben worden ist, herauswächst. So würde man vor der Gefahr des Größenwahns stehen. Damit aber die teilweise berechtigten Unter­gründe recht zur Geltung kommen würden, sagte ich: Sie sollen Fragen stellen. - Das ist doch so, daß L. zu mir kam und sagte, daß dieses grundlegende Neue in der Welt aufsprießen müsse, daß der Lauenstein selber im Mittelpunkt der Welt stehen müsse - das alles hat die Ver­anlassung dazu gegeben, ist es nicht so? - Na, es ist ja nicht so schlimm. Jetzt ist es am besten, wir stellen konkrete Fragen, und denken über das andere gar nicht nach.

S. stellt eine Frage, wie das Lauensteiner Institut zusammenhängt mit der Tat­sache, daß Trüper als erster die Erziehung minderwertiger Kinder inauguriert habe?

Was meinen Sie, daß dieser Mann sich mit diesen Kindern zuerst be­schäftigt hat? Dasjenige, was da angedeutet wird, das darf nicht auf die Spitze getrieben werden. Das, um was es sich handeln kann bei der Erziehung minderwertiger Kinder: ich glaube nicht, daß die schon verhältnismäßig sehr früh mit gewissem Erfolge aufgetretenen Erzie­hungsinstitute für minderwertige Kinder in Hannover von diesem Manne beeinflußt gewesen sein können. Die Aufnahme der Erziehung minderwertiger Kinder datiert viel weiter zurück. Dasjenige, was immer gefehlt hat, das ist gerade dasjenige, was möglich macht, in die ganze Wesenheit solcher Kinder hineinzuschauen. Man kommt ja nicht auf die einfachsten Dinge, meine lieben Freunde, wenn man das An-throposophische bei der Betrachtung nicht hat. Auf der ändern Seite liefert gerade der Mensch die allertiefsten Einblicke in die Anthropo­sophie als solche.

Bedenken Sie doch nur einmal, wenn man heute die Goethesche Me­tamorphosenlehre ansieht, wie sie durch Goethe hat werden können, der ein gescheiter Mensch war. Sie ist ja eine völlige Abstraktion, wie etwas, das überall Ansätze hat, das aber überall schon dabei stehen­bleiben muß, zu zeigen, wie das Blatt in der Blüte lebt, wie sich ein Blütenblatt umwandelt in ein Staubblatt, also eine ganz elementare Metamorphose ins Auge faßt, beim Tier und Menschen dabei stehen-

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bleibt, die Umwandelung der Wirbelknochen in Schädelknochen scheu anzuführen. Überall ist man über das Elementare nicht hinausgegan­gen. Ich selber war erschüttert, ich sagte mir: Ist denn nicht Goethe aufgegangen - daran krankte ich in den achtziger Jahren -, daß das ganze Gehirn die Umwandelung eines einzigen Gehirnganglions ist? Geistig konnte ich schauen, daß es ihm aufgegangen war. Dann aber fiel mir erst auf seine Zurückhaltung, das auszusagen, was ihm auf­gegangen war. Als ich nach Weimar kam, fand ich in einem mit Blei­stift geschriebenen Notizbüchlein die Notiz: Das Gehirn ist ein trans­formiertes Hauptganglion. - Das ist erst in den neunziger Jahren durch meine Bemühungen gedruckt worden. In den neunziger Jahren ist ja plötzlich ein ganz neuer Schriftsteller auf getreten: Goethe wurde sozusagen der fruchtbarste Schriftsteller am Ende des 19. Jahrhun­derts.

Denken Sie nur, welch weiter Weg von der Goetheschen Metamor­phosenlehre hin ist zu jener Metamorphosenlehre, die dadurch eintritt, daß Sie hier ein einjähriges normales Kind zu dem metamorphosisch umgebildet finden, was da vor einigen Tagen als Riesenembryo vor Ihnen gelegen hat. Das ist die retardierende Metamorphose, das Zu­rückhalten des Embryonalzustandes.

Aber das erlangen Sie als Einsicht, meine lieben Freunde, wenn Sie gerade diese Meditation immer wieder und wieder machen, die ich Ihnen gestern gegeben habe, indem ich Ihnen sagte: Hier ist ein Kreis, hier ist ein Punkt, da ist der Kreis Punkt, da ist der Punkt Kreis und so weiter (siehe Abbildung 23). Lassen Sie immer wieder und wiederum in Ihrer Meditation den Punkt in den Kreis hineinschlüpfen, den Punkt zum Kreise sich ausdehnen, und spüren Sie dabei das Entstehen der Gliedmaßen-Stoffwechselorganisation aus der Kopforganisation. Bringen Sie es bis dahin, daß Sie den Kopf empfinden, wenn Sie sich sagen: Der Punkt ist Punkt, der Kreis ist Kreis. - Spüren Sie, daß Sie vom Kopf heruntergleiten zum Stoffwechselsystem, wenn Sie sich sagen: Der Punkt ist Kreis, der Kreis ist Punkt -, das Umgekehrte. Dann werden Sie die ausgebildete Metamorphosenlehre darinnen haben und Sie werden sich sagen können: Durch diese ganze Art des Denkens, die hervorruft die Anthroposophie, wird es erst möglich, in

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die Minderwertigkeit der Kinder eine Anschauung hineinzubringen. Das haben wir in diesen Vorträgen versucht.

Nun ist, wenn man wirken will, nicht gut, sich das Karma so vor­zustellen, daß man sagt: Da ist ein Engel, der hat den S. hingestellt, der andere Engel hat den P. hingesetzt, ein anderer Engel hat den L. hin­gesetzt. Dann hat ein Engel noch die etwas widerspenstige Dr. K. hin­gesetzt, ein besonders gütiger Engel hat dann noch die Fräulein B. hin­eingebracht, wir fühlen uns von fünf Engeln so zusammengesetzt. -Das ist, wenn man wirken will, gar nicht die richtige Auffassung von Karma, in die man eintreten soll. Sondern die richtige Auffassung ist diese, daß man eben aufsucht die Enthusiasmusimpulse, die auf das fortwirkende Karma hinzielen. Da können Sie die Frage stellen;

Welche Antezedenzien sind in Jena da, die wir aufgreifen können, an die wir uns anschließen können? - Denn natürlich, wenn man in ein möbliertes Haus einzieht, so wird man nicht die Möbel alle heraus­schmeißen, sondern man wird in manchen Fällen, wenn es geht - und hier geht es - sich fragen: Wie benutzt man dasjenige, was schon drin ist? - Und so kann es auch nur sein, daß Sie sich fragen: Wie benutzt man dasjenige, was schon drin ist?

Nun wissen Sie, daß in Jena die Merkwürdigkeit vorliegt, daß aus ganz ähnlichen Jugendveranlagungen heraus, aus religiös-spirituellen Tendenzen - aber das Spirituelle methodisch vorstellenden Lebens­tendenzen - sich einmal der deutsche Abt Hildebrand wandte nach Rom und der Papst Gregor der Siebente wurde, daß er von Rom aus einen starken Einfluß nach der Richtung hin nahm, von der aus alles organisiert wurde. Wir haben da einen starken römischen Impuls, der sich von Rom nach Europa ergießt, durch den ins Römische umgesetz­ten Cluniazenser Impuls. Das studieren Sie einmal. Das Merkwürdige ist dies, daß diese selbe Individualität im darauffolgenden Leben ge­trieben wird ebenso nach Jena, und als Ernst Haeckel wieder erscheint. Das ist gerade so, als wenn im Menschen selber die Abbauprinzipien in regulärer Weise eingreifen in die Aufbauprinzipien. Dadurch haben Sie in diesem Jena eine Strahlung, die entgegenläuft ganz klar der römischen Strömung. Den Begegnungspunkt haben Sie da (siehe Ab­bildung 24).

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Und als Ernst Haeckel bei seinem sechzigsten Geburtstag in Jena gesprochen hat, zunächst im Zoologischen Institut, konnte man den Eindruck haben, daß der alte Hildebrand aufgestanden ist. Er hatte ganz dieselbe Sprechweise, er redete ganz wie dieser: mit leise umflorter Stimme, die Worte immer so wägend wie jemand, der, trotz­dem er viel gesprochen hat, doch noch immer des Sprechens nicht ganz mächtig ist. Und das Kuriose ist: der Abt Hildebrand, der ja nur die Miene des strengen Papstes hatte - er zeigte einfach das Organ der Kirche -, er hatte die Eigentümlichkeit, daß er gern Dinge erzählte, bei denen die ändern nicht so stark, aber doch recht wohlgefällig lächelten. Es war nun wunderschön, wie Haeckel in die Stimmung ver­fiel beim Diner, gerade die Schnurren aus seinem Leben zu erzählen zwischen den einzelnen Gängen, die den ändern die Zunge lösten und sie zum Lächeln brachten. Es ist so, daß er dazumal durch sein ganzes Verhalten als Sechzigjähriger kindlich lächelnd, herausfordernd, die ändern alle aus dem Konzept brachte. Ich erinnere mich noch, wie drollig es war, als Oscar Hertwig seine Rede nun in hochschwangerem Zustande trug und sie nicht gebären konnte, während Haeckel noch immer Schnurren erzählte.

Ja, das ist nun so, daß ich meine, daß Sie aus diesem, was ich für eine gewisse esoterische Unterlage gegeben habe, noch etwas Beson­deres dadurch erreichen könnten, daß Sie sich die Rede beschaffen würden, die Haeckel gehalten hat im Zoologischen Institut bei sei­nem sechzigsten Geburtstag. Sie war nicht lang, aber sie war persön­lich und hat etwas außerordentlich Objektives. Und dann stellen Sie dagegen die Rede, die der Professor Gärtner gehalten hat, der durchaus die Tendenz hatte, Haeckel nicht als etwas, was in der Welt­geschichte irgend etwas bedeutet, gelten zu lassen, der ausdrücklich sagte, das ist etwas, was wir außer acht lassen, der immer mit Wohl­behagen nur sprach nicht von Haeckel als vom Schöpfer der «Natür­lichen Schöpfungsgeschichte», sondern der ausdrücklich sagte: Das ist etwas, was wir außer acht lassen können, aber wir wollen hervorheben, wieviel Vorträge der Kollege Haeckel gehalten, daß er mehr Vorträge gehalten hat, als alle ändern zusammen, was sich sonderbar ausnimmt, daß die ändern Kollegen so wenig Vorträge gehalten haben, daß das-

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jenige, was Haeckel gemacht hat, nicht zusammen gekriegt würde von der ganzen Akademie! - Er war ein philiströser Knopf. Es war ur­komisch, diese Rede da einschlagen zu hören von diesem Mann. Wenn Sie Haeckels Rede nehmen, so haben Sie so etwas frisch Lebendiges, dann kommt hereingetragen das Schafott, dann kommt der Kollege Gärtner und köpft. Und der Physiologe, der ein katholischer Kleriker war, schaut betrübt zu, denn teilnehmen mußten sie alle. Aber da drin den Haeckel zu sehen, wie er verjugendlichend wirkte! Es war auch die Studentenschaft an diesem Tage geistreich geworden. Man sah sehr viele, und die Studenten waren merkwürdig imaginativ. Verschaffen Sie sich doch nur einmal ein Büchelchen, wo all die Lieder drinnen stehen, die alle gesungen worden sind im Laufe dieses Tages, wie da vorkommt in kauziger Weise, wie ein Archäopteryx an einer Kirch­turmspitze seinen Schnabel wetzt - und stellen Sie sich dabei vor all das jugendfrische Leben. Das ist wieder zur Meditation zu empfehlen, dann stehen Sie darin in dem, wie Jena dasteht in der europäischen Geistesentwickelung. - Nun werde ich, damit die Sache einen Abschluß hat, morgen um neun Uhr den letzten Vortrag vor Ihnen halten.

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ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 7.Juli 1924

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ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 7.Juli 1924

Nun, wir werden damit beginnen, daß Sie noch Ihre verschiedenen Wünsche aussprechen, und dann werde ich den Kursus abzuschließen haben. Also ich bitte, mir jetzt noch zu sagen, was noch flammt in Ihren Herzen, um noch weiterzukommen.

S.; Ich möchte sagen, daß wir keine weiteren Fragen mehr haben.

Nun hat es sich ja gehandelt in diesen Besprechungen um die Ver­tiefung unserer Waldorfschul-Pädagogik bis zu denjenigen Erziehungs­methoden, welche an das sogenannte abnorme Kind heranführen. Und Sie haben ja aus den Auseinandersetzungen gesehen, daß das abnorme Kind eigentlich in eine andere Beurteilungsweise sofort eintreten muß, wenn es entsprechend behandelt werden soll, als das sogenannte nor­male Kind, daß es aber auch anders beurteilt werden muß vom Er­ziehenden und Unterrichtenden, als es in Laienkreisen heute beurteilt wird, wo man zumeist dabei stehenbleibt, auf die Abnormität hinzu­weisen und nicht weiter zurückgeht auf dasjenige, was eigentlich zu­grunde liegt. Man ist durchaus heute noch nicht so weit wie Goethe in einer gewissen elementarischen Art gewesen ist in seiner Betrachtung des Pflanzenwachstums, des Pflanzenwesens. Goethe sah mit einer be­sonderen Freude hin auf dasjenige, was bei Pflanzen an Mißbildungen entsteht. Und es gehören zu den interessantesten Artikeln, die man bei Goethe finden kann, diejenigen, die von diesen Mißbildungen handeln, wo irgendein Organ an der Pflanze, das man gewohnt ist, sonst in einer bestimmten, sogenannten normalen Form zu finden, entweder mit der Größe über die Norm hinauswächst, oder wie es sich abnorm gliedert, wie es zuweilen sogar Organe heraustreibt, die normalerweise an einer ändern Stelle stehen und so weiter. Gerade darin, daß sich die Pflanze in solchen Mißbildungen äußern kann, sieht Goethe die besten Anhaltspunkte, um auf die eigentliche Idee der Urpflanze zu kommen. Denn er weiß, daß sich dasjenige, was hinter der Pflanze als Idee steckt, gerade in solchen Mißbildungen besonders zeigt; so daß, wenn

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wir in einer Reihe von Beobachtungen an Pflanzen sehen würden, wie die Wurzel in Mißbildung verfallen kann, wie das Blatt, der Stengel, die Blüte, wie auch die Früchte mißgebildet sein können - natürlich muß man das an einer Reihe von Pflanzen sehen -, so würden wir aus dem Zusammenschauen der Mißbildungen die Urpflanze gerade her­ausschauen können.

Und so ist es im Grunde genommen bei allem Lebenden, auch bei dem im Geiste Lebenden. Wir kommen immer mehr darauf, daß das­jenige, was auch hinter dem Menschengeschlecht lebt und sich in Ab­normitäten äußert, daß das die eigentliche Geistigkeit im Menschen­geschlecht nach außen offenbart. Und wenn wir die Dinge so ansehen, dann kommen wir auch darauf, wie in älteren Zeiten gedacht und an­geschaut worden ist, als man in dem Erziehen etwas sah, was dem Heilen ungeheuer nahesteht. Man sah in dem Heilen ein Annähern von ahrimanisch und luziferisch Gebildetem an dasjenige, was die Mittel­linie zwischen dem Luziferischen und Ahrimanischen in dem Sinne des Fortganges des guten Geistigen hält. Gleichgewicht zwischen dem Ahrimanischen und Luziferischen sah man in dem Heilen. Und als man in einem viel höheren Sinne sah, daß der Mensch erst während seines Lebens gebracht werden muß in das Gleichgewicht durch die Erzie­hung, sah man auch in einem gewissen Sinne durchaus in dem Kinde noch etwas Abnormes, was in einer gewissen Beziehung eigentlich krank ist und was geheilt werden muß, so daß die Urworte für Heilen und Erziehen genau dieselbe Bedeutung haben. Die Erziehung heilt den sogenannten normalen Menschen, und das Heilen ist nur ein Speziali­sieren für den sogenannten abnormen Menschen.

Nun ist es ja ganz natürlich, daß, wenn man eine solche Grundlage als richtig ansieht, man dann auch weiter nach dieser Richtung gehen muß und Weiteres fragen muß. Eigentlich haben wir es bei jeder Krank­heit, die aus dem Innern auftaucht, mit etwas Geistigem zu tun, aber schließlich auch bei jeder Krankheit, die auf einen äußeren Insult hin im Inneren auftaucht. Denn selbst bei einem Beinbruch ist dasjenige, was auftritt, eine Reaktion des Inneren auf das Äußere und die Chir­urgie täte ganz gut, sich von einer solchen Anschauung befruchten zu lassen. Wenn man aber auf diese Dinge sieht, dann kommt man noch

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in einem viel höheren Grade zu der Frage: Wie hat man eigentlich das Kind zu behandeln in der ganzen Verhaltungsweise des Physischen und des Geistig-Seelischen? Beide sind gerade beim Kinde ganz innig miteinander verbunden, und man darf nicht glauben, wenn man dem Kinde irgendein stoffliches Arzneimittel beibringt, daß das beim Kinde - wie man heute annimmt - nur physisch wirkt. Ein Stoff wirkt beim Kinde sogar wesentlich geistiger, als er beim späteren Erwach­senen wirkt. Und die Wirkung der Muttermilch besteht darin, daß in der Muttermilch durchaus dasjenige lebt, was in älteren Betrachtungs­weisen genannt worden ist die gute Mumie im Gegensatz zur schlechten Mumie, die in ändern Abscheidungsprodukten lebt. Die ganze Mutter lebt in der Muttermilch. Da haben wir durchaus etwas als Kraft lebend, was eigentlich seine Region nur geändert hat innerhalb der mensch­lichen Organisation. Bis zur Geburt des Kindes ist das im wesentlichen tätig in derjenigen Region, die hauptsächlich gehört zum Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, nach der Geburt ist es hauptsächlich tätig in der Region des rhythmischen Systems. Es wandern also diese Kräfte in der Organisation um eine Etage höher. Indem sie um eine Etage höher wandern, verlieren sie ihren Ich-Inhalt, der im wesentlichen tätig war während der Embryonalzeit, behalten aber noch ihren astralischen Inhalt. Wenn dieselben Kräfte, die in der Muttermilch wirken, noch eine Etage höher steigen, bis zum Kopf, verlieren sie auch ihren astra­lischen Inhalt und würden nur in sich wirken haben physische und ätherische Organisation. Darauf beruht aber die schädliche Einwirkung auf die Mutter, wenn diese Kräfte in die höhere Etage steigen. Da sehen wir alle die abnormen Erscheinungen, die bei der Mutter auftreten.

So haben wir bei der Muttermilch noch astral formende Kräfte, die durchaus geistig wirken, und wir müssen nur bedenken, welche Ver­antwortung sich auf uns legt, wenn wir nun das Kind übergehen lassen zur eigenen Ernährung, wo heute gar nicht mehr ein Bewußtsein vor­handen ist davon, wie in der äußeren Welt eigentlich überall das Gei­stige wirkt: wie aufsteigend von der Wurzel bis zur Blüte und Frucht die Pflanze immer geistiger und geistiger wird und wirkt. Wenn wir an der Pflanzenwurzel beginnen, so haben wir an ihr dasjenige, was zunächst am Ungeistigsten als Wurzel wirkt. Die Wurzel steht in einer

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verhältnismäßig stark physischen und ätherischen Relation zu der ganzen Umgebung, aber es beginnt in der Blüte der Pflanze ein Leben, das wie in Sehnsucht sich hinstreckt zu dem Astralischen. Es vergeistigt sich die Pflanze, indem sie nach oben wächst. Und so werden wir uns weiter fragen müssen: Wie verhält sich denn diese Wurzel der Pflanze im Weltzusammenhange? - Ihr Weltzusammenhang ist ihr Eingewach­sensein in den Erdboden. Ja, meine lieben Freunde, diese Wurzel ist in den Erdboden so eingewachsen, wie wir mit unserem Kopf in die freie Luft und in das Licht eingewachsen sind, so daß wir sagen können:

hier unten haben wir bei der Pflanze das Wahrnehmen, das Kopf­mäßige, hier oben haben wir bei der Pflanze das Verdauliche, das Er­nährende (siehe Abbildung 25). Hier oben haben wir bei der Pflanze dasjenige, was die von dem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem ersehnte Geistigkeit enthält und deshalb auch verwandt ist mit dem mensch­lichen Stoffwechsel-Gliedmaßensystem. Und wenn wir uns auf der einen Seite die Muttermilch anschauen und auf der ändern Seite uns anschauen dasjenige, was da als von der Pflanze ersehntes Astralisches über der Pflanze darüberschwebt, dann ergibt sich für eine okkulte Anschauung eine ungeheuer nahe Verwandtschaft nicht eine völlige Gleichheit - zwischen derjenigen Astralität, welche mit der Mutter­milch aus der Mutter kommt und derjenigen Astralität, die aus dem Kosmos an die Pflanzenblüte heranschwebt.

Alle diese Dinge werden ja nicht gesagt, damit man irgend etwas Theoretisches weiß, sondern damit man die richtigen Gefühle bekommt gegenüber demjenigen, was in der Umgebung des Menschen ist und in die Sphäre seines Tuns, seines Handelns eingeht. Und so werden wir uns zu bemühen haben, daß wir das Kind nach und nach so gewöhnen an die äußere Ernährung, daß wir es anregen durch das Fruchtende, durch das Blühende unterstützen sein Stoffwechselsystem, und das­jenige, was es vom Kopf zu besorgen hat, durch sanfte Beimischung des Wurzelhaften. Diese Dinge sollen eigentlich nur, ich möchte sagen, im Anlauf theoretisch erworben werden. In der Praxis sollen sie sich in die Handhabung, aber auf geistige Art in die Handhabung hineinergießen.

Sehen Sie, nun kommt dazu, daß es heute außerordentlich schwierig ist, aus dem, was man lernt, auf allen Gebieten lernt, in den Menschen

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überhaupt hineinzuschauen. Es wird der Blick immerfort abgelenkt gerade von dem, was das Wesenhafte ist. Man wird heute nicht geschult, auf das Wesenhafte hinzusehen. Es ist schon so, daß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz der Blick für das Wesenhafte abgestorben ist. So war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch eine Vorstellung vorhanden, die heute nur noch in der Sprache fortlebt, in dem Sprach­genius. Die könnte man etwa in der folgenden Weise charakterisieren:

Es gibt, wenn man so überschaut das Menschengeschlecht, die aller­verschiedensten Krankheiten. Diese verschiedenen Krankheiten könnte man nun, wenn man ins Abstrakte geht, aufschreiben. Man könnte dann, wenn man sie in der Ebene aufschreibt, eine Art Landkarte her­stellen: in der einen Ecke die verwandten Krankheiten, in der ändern Ecke die todbringenden, könnte das hübsch anordnen; dann hätte man eine solche Landkarte der Krankheiten, würde namentlich darauf sehen können, wo ein Kind, das in irgendeiner Weise organisiert ist, hin­gehört. Und man könnte sich denken, wie dasjenige, was als Krank­heitsneigung auftritt, in schematischer Weise auf Wachspapierblättern gezeichnet würde, und man den Namen eines Kindes dorthin schreibt, wo er hingehört. Nun denken Sie sich, man hätte so eine Vorstellung, man täte das.

Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte noch die Vorstellung, daß man dort, wo man die Krankheiten hinschreiben müßte, immer Tiernamen hinschreiben könnte. Sie haue noch die Meinung, das Tier­reich schreibt in die Natur hinein alle möglichen Krankheiten. Jedes Tier, richtig angesehen, bedeutet eine Krankheit. Für das Tier ist die Krankheit sozusagen gesund. Kommt dieses Tier in den Menschen hin­ein, statt seine eigene Organisation, artet der Mensch nach der Organi­sation des Tieres hin, so ist er krank. Solche Vorstellungen haben in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht bloß die abergläubigen Men­schen gehabt, sondern das war sogar die Vorstellung Hegels, und es war eine durchaus tragfähige Vorstellung. Bedenken Sie doch nur, wie hell Sie werden können über die Wesenheit irgendeines Menschen, wenn Sie sagen können, er artet nach dem Löwen, nach dem Adler, nach dem Rinde hin, oder auch er artet nach einem Hinausreißen des Menschen in das zu stark Geistige hin. Oder wenn Sie weitergehen, sich klar wer-

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den darüber, daß Sie, wenn, sagen wir, der Ätherleib zu weichlich wird, eine straffe Affinität des Ätherleibes zur physischen Substanz haben, und Sie dann die Organisation, die sonst nur im niederen Tierreich sein kann, angedeutet im Menschen finden. Das sind grundlegende Vorstel-stellungen, die Sie sich aneignen müssen. Und was Sie wiederum als Er­zieher zur Selbsterziehung leisten müssen, liegt etwa in dem Folgenden.

Sie können ja von ganz bestimmten Meditationen ausgehen. Eine ganz besonders starke Erziehermeditation ist eben diejenige, die ich Ihnen hier angegeben habe. Aber Sie werden dasjenige, was Sie so mit einer gewissen Orientierung in sich als Meditation üben, in seiner Fruchtbarkeit dadurch sehen, daß Sie wie in absentia corporis in Ihrem Fühlen, in Abwesenheit des Körpers, wie in einem astralen Wellenbade weitergetrieben werden, hineingetrieben werden in eine Welt, die sich eben leise wellend vor Sie hinstellt und Ihnen die Möglichkeit gibt, Dinge um sich herum zu sehen, die Ihnen dann Antwort geben auf Ihre Fragen. Sie müssen nur, um überhaupt zu solchen Möglichkeiten vor­zudringen, tatsächlich nicht bloß theoretisch an demjenigen festhalten, was zum Beispiel als Vorbedingungen für eine meditative Entwicke­lung in «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?» gerade gegeben ist.

Nicht wahr, da ist nun einmal dasjenige als ein Hindernis angegeben für eine solche Entwickelung, was menschliche Egoität in dem Sinne ist, daß der Mensch zu sehr sein Urteil auf das eigene Ich konzentriert. Denn bedenken Sie nur, was die Konzentration auf das eigene Ich eigentlich bedeutet. Wir haben unseren physischen Leib, der stammt von Saturnzeiten her, ist kunstvoll ausgebildet in vier majestätisch wirkenden Etappen. Wir haben den ätherischen Leib, der ist dreimal kunstvoll umgebildet, wir haben den astralischen Leib, der ist zweimal umgebildet. Die alle fallen nicht in den Bereich des Erdenbewußtseins, nur das Ich fällt in den Bereich des Erdenbewußtseins. Aber eigentlich ist das nur ein Schein des Ich, denn das wahre Ich kann man nur sehen durch den Rückblick in eine frühere Inkarnation. Das gegenwärtige ist erst das werdende und wird erst eine Realität in der folgenden Inkar­nation. Das Ich ist erst das Baby. Und wer die Dinge durchschaut, hat, wenn jemand so richtig schwimmt in seinem Egoismus, die Imagination

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einer wollüstigen Kinderfrau, die Wollust empfindet in ihrem Herzen gegenüber dem kleinen Kinde; aber da ist die Wollust etwas Berechtig­tes, denn da ist das Kind ein anderes. Aber nun hat man dem Egoismus gegenüber dieses Bild vor sich, daß der Mensch das Baby, dieses Kind recht zärtlich herzt. Und heute gehen die Menschen so herum - wenn man sie astraliter malen würde, müßte man sie so malen, daß sie in einem Arm ihr Kind herumtragen. - Die Ägypter konnten noch den bekannten Skarabäus formen, wo das eigene Ich wenigstens von der Kopforganisation getragen wurde. Der heutige Mensch trägt sein ei­genes Ich auf dem Arm und herzt es zärtlich. Dieses Bild zu vergleichen mit dem, was man als tägliche Handlung tut, ist wiederum eine außer­ordentlich nützliche Meditation für den Erzieher. Und dann wird man in das hineingeführt, was ich bezeichnet habe als das: in einem Geistes­wellenbade schwimmen. - Fragen beantwortet bekommen aus diesen Anschauungen heraus, dazu gehört natürlich die innere Ruhe, die man sich für solche Augenblicke zu bewahren zu suchen hat. Und man er­kennt sogleich, ob jemand veranlagt ist, nach dieser Richtung hin irgendeine Entwickelung zu erfahren. Das erkennt man daran, ob er über Abhaltungen klagt oder nicht. Wer eine Entwickelung durch­macht, klagt nie darüber, daß er abgehalten werden könnte. Denn man wird in Wirklichkeit nicht von dem oder jenem abgehalten. Es wäre denkbar, daß jemand die wirksamste Meditation macht vor einer ent­scheidenden Handlung, die unmittelbar darauf folgt, oder wiederum nach einer entscheidenden Handlung, mit vollständigem Vergessen dessen, was er in der Handlung erlebt hat. Denn darauf kommt es an, daß man es in seiner Macht hat, sich herauszureißen aus der einen Welt und sich hineinzufinden in die andere Welt. Und das ist überhaupt der Anfang alles Aufrufens innerer Kräfte.

Sehen Sie, beobachten Sie einmal, welcher Unterschied es ist, wenn Sie an das Kind mehr oder weniger gleichgültig herantreten, oder wenn Sie an das Kind herantreten mit wirklicher Liebe. Es ist sofort, wenn man mit wirklicher Liebe an das Kind herangetreten ist, wenn der Glaube aufhört, daß man mit technischen Kunstgriffen mehr machen könne als mit wirklicher Liebe, sofort die Wirksamkeit der Erziehung, besonders bei abnormen Kindern, da.

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Und so ist es schon einmal, daß eigentlich aus jeder Grundlegung für ein spezielles Tun innerhalb der anthroposophischen Bewegung ge­sehen werden müßte das Herausblühen einer bestimmten Gesinnung. Die Dinge, die angegeben werden, sollten eigentlich nur wie die Wur­zeln angesehen werden, aus denen die Gesinnungspflanze aufsprießt. Und da ist es wirklich notwendig, daß vor allen Dingen empfunden werde das Substantiell-Anthroposophische als eine Realität. Und Sie werden nichts erreichen, das kann im voraus gesagt werden, wenn Sie dasjenige, was Sie hier aufgenommen haben, nur wie etwas hinnehmen, was Sie eben erfahren haben und was nicht gesinnungsbildend gewesen ist. Das war schon einmal die, ich möchte sagen, damals selbstverständ­liche, aber immer noch selbstverständlicher werdende Voraussetzung, die dem zugrunde liegt, was nun als Anthroposophische Gesellschaft seit der Weihnachtstagung existieren soll. Da muß als ganz real an­gesehen werden, was vom Goetheanum in seinen Einrichtungen aus­geht, und so kann es in der Zukunft gar nicht anders sein, als daß durch die verschiedenen Sektionen dasjenige geht, was in der Zukunft anthro-posophisch wirken soll. Denn es muß eben nach alldem, was Sie ver­spüren aus solchen Auseinandersetzungen, ein Organismus werden diese Anthroposophische Gesellschaft, in dem wie Lebensblut die Ver­antwortlichkeiten wirken. Und die Dinge wirken schon zusammen in der richtigen Weise, wenn sie richtig empfunden werden. Wie für ge­wisse Organisationsfunktionen im menschlichen Organismus Herz und Nieren zusammenwirken müssen, damit ein Einheitliches entstehe, so müssen zusammenwirken für dasjenige, was Sie gerade anstreben, müssen zusammenwirken die Sektionen, die in sich gerade diejenige Substanz pflegen, für die sie im besonderen verantwortlich sind. Aber derjenige, der dann etwas unternimmt in der Welt, der muß zusammen­wirken lassen in seinem Tun dasjenige, was dann von den Sektionen ausgeht, und man muß real nehmen das anthroposophische Wirken.

Denken Sie also, Sie haben die Intention, für minderwertige Kinder zu wirken. Da haben Sie zuerst zu beachten, was in der anthroposophi­schen Bewegung lebt als pädagogische Strömung. Die pädagogische Strömung muß Ihnen etwas sein, was so, wie sie da ist, einfließen muß in Ihre eigene Tätigkeit. Es muß Ihnen klar sein, daß Sie in dem, was

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die eigentliche pädagogische Strömung in sich enthält, dasjenige vor sich haben, was den typischen Menschen heilt, so daß er sich in die Welt hineinstellen kann. Sie müssen dann sich klar sein darüber, daß die medizinische Sektion Ihnen dasjenige allein geben kann, was nun die Pädagogik vertiefen kann nach der Abnormität des Menschen hin. Und wenn Sie da in der richtigen Weise sich hineinvertiefen, so werden Sie selbst bald finden, daß das nicht in der Weise gegeben werden kann, daß man hört: das ist für das gut, das ist für das gut -, sondern nur dadurch, daß ein fortwährender lebendiger Zusammenhang entsteht. Dieses Auseinanderreißen des lebendigen Zusammenhanges ist etwas, was nicht da sein sollte. Da darf nicht beginnen ein gewisser Egoismus im Spezialwirken, sondern nur die Sehnsucht, sich hineinzustellen in das Ganze. Indem die Heileurythmie herantritt an die Heilpädagogik, tritt wiederum die ganze Eurythmie heran an die Heilpädagogik. Daraus sollten Sie wiederum sehen, daß auch nach dieser Richtung hin ein lebendiger Zusammenhang gesucht werden muß, was sich auch darin äußern sollte, daß bis zu einem gewissen Grade derjenige, der Heileurythmie treibt, die Grundlagen der Eurythmie haben sollte. Die Heileurythmie sollte aus einer, wenn auch nicht bis zur künstlerischen Vollendung gebrachten, doch allgemeinen Kenntnis der Laut- und Toneurythmie herauswachsen. Dann aber vor allen Dingen muß ja das den Menschen durchdringen, daß er sich an den Menschen anschließen muß, und so kann nicht anders als da, wo Heileurythmie ausgeübt wird, die Anlehnung an den Arzt gesucht werden. Und es ist eine Be­dingung gestellt worden, als die Heileurythmie gegeben worden ist, daß sie nicht ausgeübt werde ohne den Zusammenhang mit dem Arzt. Das alles weist schon darauf hin, wie verschlungen, lebendig verschlun­gen die Dinge werden müssen, die in der Anthroposophie sich ausleben.

Aber dazu kommt noch das: es wird in der Zukunft die Entschei­dung an die Anthroposophische Gesellschaft herantreten, die in ganz intensiver Weise dahin geht: Sind die Verantwortlichkeiten aufrecht­zuerhalten, oder sind sie nicht aufrechtzuerhalten? - Sie brauchen es nicht zu glauben, könnten es aber aus allem, was geschieht, ehen:

dazumal, als die Weihnachtstagung ins Werk gesetzt werden sollte, sind diese Verantwortlichkeiten scharf ins Auge gefaßt worden mit einer

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manche vielleicht grausam berührenden Ausschließlichkeit in bezug auf die Qualität der menschlichen Persönlichkeiten, die eben da sind. Indem aus solchen Unterlagen heraus der Vorstand am Goetheanum gebildet worden ist, ist es nicht anders möglich, als daß dieser Vorstand angesehen werde innerhalb dessen, was in der Anthroposophischen Ge­sellschaft geschieht, als die volle autoritative Stelle. Für die einzelnen Dinge, die in Betracht kommen, muß einfach dieser Vorstand als die volle autoritative Stelle angesehen werden. Wird das in Zukunft verstanden werden oder nicht, innerhalb der anthroposophischen Be­wegung?

Und das ist dasjenige, was insbesondere bei einer solchen Gründung, wie die Ihrige, ich möchte sagen, als eine Art von' Grundsteinlegung gesagt werden muß. Wenn nicht dasjenige, was Kritik ist an irgend­einer Stelle im menschlichen Zusammenhang aufhört - denn Kritik bezieht sich ja niemals auf den Inhalt des Gelehrten, sondern auf den Inhalt dessen, was gewirkt wird -, wenn diese Kritik nicht aufhört, wenn nicht tatsächlich namentlich in bezug auf die Dinge, wo Okkul­tes hineinwirkt, ein Prinzip des Autoritativen - nicht im Lehren, son­dern im Wirken - tatsächlich da sein wird, dann wird unmöglich das aus der anthroposophischen Bewegung heraus werden können, was aus ihr unbedingt werden muß, wenn sie bleiben soll. Das verhohlene Sich-Aufstemmen gegen diejenigen, welche die Verantwortlichkeiten haben, das ist dasjenige, was in der Zukunft nicht bleiben kann; und da wird dann schon die Mitgliedschaft zur Schule das nötige Korrektiv schaffen müssen, indem, wenn nicht das nötige Verständnis auftritt, die Mit­gliedschaft zur Schule aufhören muß. Man könnte sagen: vor derWeih-nachtstagung war es so, daß, weil ja ein Vorstand mk der Absicht, esoterisch zu wirken, nicht da war, daß das Denken und Fühlen mir überlassen worden ist. Und in ausgiebigstem Maße hat in Anspruch genommen jeder aus der Gesellschaft heraus, wie es ihm genehm war, das Wollen. Das ist das Urphänomen bis zur Weihnachtstagung ge­wesen. Wenn es sich handelte darum, sich an das Denken oder auch an das Fühlen zu wenden in anthroposophischen Sachen, dann kam man zu mir ungefähr so, wie man zum Schuster kommt, wenn man sich von ihm Stiefel machen läßt. Das ist um so intensiver gewesen, als man es

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ja nicht gemerkt hat, sondern das Gegenteil davon glaubte. Aber kuriert werden kann das Ganze nur, wenn tatsächlich das Bewußtsein eintritt, daß auch ein gesellschaftliches Wollen ausgehend von dem Vorstand am Goetheanum vorhanden ist. Und man wird sich schon verständnisvoll, wahrhaftig nicht unter Zwang, in dieses finden können.

Aber die Denkweise ist eine ganz merkwürdige. Sie haftet so sehr an Worten. Grotesk trat mir das gestern entgegen, wie allüberall an Wor­ten gehaftet wird, aus Worten dann aufgebauscht und an Worten er­hitzt die Sehnsüchte zu Handlungen entstehen. So soll ich in Breslau gesagt haben von dem Vorstand der Freien Anthroposophischen Ge­sellschaft, die ändern seien nun heraus und es sei der Rumpf vorstand zurückgeblieben. Daraus wurde sofort geurteilt: das ist ein Rumpf­vorstand, jetzt muß er einen Kopf bekommen. - Nun, sehen Sie, die Tatsache, die hier zugrunde liegt, ist doch diese, man klammert sich an ein Wort: Weil hier einmal der Kopf Rumpf genannt worden ist aus dem Sprachgebrauch heraus, klammert man sich an dieses Wort, während man die Tatsache gar nicht sieht, daß sich zunächst der Vor­stand am Goetheanum ja vollständig im Einklang mit diesem sogenann­ten Rumpfvorstand befindet. Sonst hätte er dazu mau oder sonst etwas gesagt. Da er aber nicht mau gesagt hat, ist die Tatsache da, daß er vorläufig einverstanden ist. Und so handelt es sich darum, daß nach den Tatsachen geurteilt wird.

Das ist von einer ganz eminenten Wichtigkeit, wenn man mit der anthroposophischen Bewegung zurecht kommen soll. Deshalb ist es notwendig, daß Sie Ihre Begründung in Lauenstein, die ja die größten Hoffnungen machen kann, so auffassen, daß sie in vollem Einklange mit der ganzen anthroposophischen Bewegung wirkt; daß Sie auf der einen Seite von dem Bewußtsein durchdrungen sind, daß die anthropo-sophische Bewegung dasjenige, zu dem sie auf eine solche Weise ihr «ja» sagt, auch hegen und pflegen wird, aber nur so hegen und pflegen kann, wie es ihren Einrichtungen heute nach der Weihnachtstagung gemäß ist. Aber auf der ändern Seite muß auch das vorliegen, daß ein solches Glied dann auch wiederum dasjenige, was es tut, zur Erhöhung der Kraft der anthroposophischen Bewegung tut.

Das möchte ich Ihnen, meine lieben Freunde, allen ans Herz legen,

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und betrachten Sie ein solches aus dem Herzen kommende Wort als das, was ich Ihnen mitgeben möchte als den Impuls, der schon weiter wirken wird.

Denken Sie in einer geistigen Bewegung daran, diese geistige Be­wegung für das praktische Leben fruchtbar zu machen, dann muß man diese geistige Bewegung als eine lebendige ansehen.

Das zur Kraft, zur Steuer und zum guten Wirken Ihres Willens, meine lieben Freunde!

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HINWEISE

188 HINWEISE Zu Seite 9 Frau Dr.Wegman: Dr.med. Ita Wegman, 1876-1943. Begründete das Klinisch-Therapeutische Institut in Ariesheim. Später Mitarbeiterin Rudolf Steiners auf medizinischem Felde; wurde an Weihnachten 1923 in den Vorstand der neu­begründeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft berufen. 22 Staatsanwalt Wulffen: Erich Wulffen, geb. 1862, Kriminalist und Schriftsteller. 23 Zeitungsabschnitt: «Neue Zürcher Zeitung» Nr. 342, 7. März 1924. 37 In Breslau waren,...: anläßlich der Koberwitzer Tagung vom 7. bis 16. Juni 1924, wo der Landwirtschaftliche Kurs gegeben wurde, hielt Rudolf Steiner am 9. Juni in Breslau und am 17. Juni 1924 in Koberwitz je eine Ansprache an junge Menschen. Am 9. Juni war eine Fragenbeantwortung an die Rede angefügt. Beide Ansprachen sind erschienen mit anderen zusammen unter dem Titel «Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend», Dornach 1957. Der Landwirtschaftliche Kurs von Koberwitz erschien 1963 in der Gesamt­ausgabe unter dem Titel «Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft». 41 Hans Driesch: 1867-1941, Zoologe und Philosoph, Vertreter des Neovitalismus. 54 in der physischen Organisation: wurde sinngemäß ergänzt nach «darinnen steckenbleiben». 67 aus dem einen oder anderen Grund: Es wurde hier «Grund» statt wie in der Nachschrift, «Symptom» gesetzt. 70 ... innerlich wund ist, und die Sehnsucht hat. «und» ... «hat» sind vom Herausgeber eingefügt. 74 'Klinisch-therapeutisches Institut' in Ariesheim, Schweiz, gegründet von Frau Dr. Ita Wegman, 1876-1943. 100 Man nimmt das Sekret der Hypophyse - wir erzeugen es -: gemeint ist die Herstellung des Hypophysenpräparates in der Weleda AG, Ariesheim. 105 bei diesen Vorträgen waren, wo ich die eigentliche Bedeutung des menschlichen Gehirnes auseinandergesetzt habe -: Gemeint ist wohl der Vortrag vom 2. März 1924, in «Esoterische Betrachtungen karmischer Zusammenhänge», Bd. I, Ge­samtausgabe Dornach 1964. 136 25 000 Jahre: genau 25 920. 143 'Lauenstein' in Jena-Lichtenhain, Heilpädagogisches Heim, eingerichtet Mai 1924 durch Franz Löffler, Siegfried Picken und Albrecht Strohschein. 146 In der Ausgabe von 1952 hat der Herausgeber, Herr Pache die folgende Notiz dem Text beigefügt*: Bei seinem Besuche auf dem gerade eingerichteten «Lauenstein» am 18. Juni 1924 waren Rudolf Steiner die dortigen Kinder vorgestellt worden. Er hatte jedes einzelne Kind angeschaut, mit ihm gesprochen und sich über die Krank­heitsgeschichte berichten lassen und dann Erläuterungen über die jeweiligen * Der Abdruck der Beifügungen von Herrn Werner Fache (1903-1958) erfolgt mit gütiger Erlaubnis der Inhaberin der Autorenrechte, Frl. Wallerstein, Sonn>.nhof, Ariesheim, wie auch die Reproduktion der Tafelzeichnungen, welche Herr Pache nach den Originalzeichnungen Rudolf Steiners, die bisher nicht aufgefunden wer­den konnten, anfertigte. 188 Zusammenhänge gegeben sowie Hinweise für die Therapie und heilpädagogi­sche Behandlungsweise. Die mancherlei von Rudolf Steiner gegebenen Erklärungen und Anregun­gen bei diesem Besuche wurden notiert. Sie stellen wertvolle Ergänzungen zu dem im Kurs Besprochenen dar. Darüber hinaus war die Art des Umganges mit den Kindern, das hingebungsvolle Interesse und das liebevolle Eingehen auf alle Einzelheiten, welches uns Rudolf Steiner vorlebte, für die ersten bei die­sem Besuche anwesenden heilpädagogischen Mitarbeiter ein tiefgehendes Erleb­nis, dessen Erinnerung in den «Heil- und Erziehungsinstituten für seelenpflege-bedürflige Kinder» stets gepflegt wird. Es seien hier einige Angaben Rudolf Steiners beigefügt. Bei diesem Knaben hatte Rudolf Steiner darauf hingewiesen, daß es ihm an Gehirnsand fehle. Die Krampte und der gesamte Krankheitszustand müßten auf einen Schreck der Mutter während der Schwangerschaft zurückgehen (was sich auf Befragen bestätigt hat). In solchen Fällen müßte man immer nach der Schwangerschaft der Mutter fragen. Die Krampte wären sekundär. Für die Therapie hatte er angegeben, daß Schilddrüsensekret injiziert wer­den sollte. Es handele sich darum, dieses zentripetal hineinzubringen, damit eine Gegenwirkung herausgefordert wird, welche zentrifugal zurückwirke. Es müßte darauf gesehen werden, daß Epithelkörperchen in dem Präparat erhal­ten seien. Am Tage nach der Injektion müßte die Fieberkurve, sowie der Puls und Atem quantitativ und qualitativ gemessen werden. Im weiteren: Levicowasser Vs auf ein ganzes Glas im Verlauf eines Tages auszutrinken. Heileurythmie: 01 L. 148 Anmerkung von Herrn Pache in der Ausgabe von 1952; Dieser ganz schwachsinnige, im allgemeinen sehr unruhige Junge war, als er bei dem erwähnten Besuche Rudolf Steiners zu ihm gebracht wurde, für einen Moment ganz ruhig und friedlich geworden, so daß der sonst stark überlagerte feine Zug seines Wesens auf schönste Art zum Vorschein gekommen war. Rudolf Steiner interessierte sich für die Sinneswahrnehmungen. Es wurde fest­gestellt, daß er in die Ferne nur wenig sieht. Auf die Erwähnung der schlechten Zähne stellte Rudolf Steiner fest, daß auch seine Fingernägel schwach und weich waren. Aus dem Gespräch liegen die folgenden Notizen vor: «Ist Ihnen an der Mutter nichts aufgefallen? Es ist ein merkwürdiger karmi­scher Fall. Der Astralleib ist überreif. Es wirkt etwas aus der vorigen Inkar­nation herein. Er hat nur kurze Zeit zwischen Tod und neuer Geburt verbracht, so daß er jetzt noch etwas hineingenommen hat von dem Astralleib der vorigen Inkarnation. Noch jetzt hat er in der Nacht merkwürdige Träume. Das wird sich so äußern, daß er nach dem Aufwachen merkwürdige Dinge abgebrochen sagt. Es könnte sein, daß er sieht, wie Schlangen sich herausschlängeln, wofern er schon Schlangen gesehen hat. Es ist ein schlechter Astralleib, der vor allem da im Hinterkopf sitzt (wobei Rudolf Steiner mit intensivstem Interesse seine Hand auf das von allzu starrem schwarzen Haar bedeckte Hinterhaupt des Knaben gelegt hatte). Dem könnte man beikommen, wenn man die entgegen­gesetzte Astralität zuführt; das wäre möglich vermittels der Algen. Die Algen ziehen die Astralkräfte der umgebenden Luft ein; die Pilze noch mehr. Aber man braucht nicht gleich mit dem Stärksten anzufangen. Die Schmarotzer­pflanzen ziehen stark die Astralität heran. Durch Algeninjektion wird die ge­sunde Astralität herangezogen, das ist die entgegengesetzte wie die im Körper. Dort ist schlechte Astralität. Also Therapie: Algenimpfung D 5; Belladonna D 4, D 10, D 15, D 20, D 30». Beim Betrachten der Anfallstabelle und der Erwägung, ob die Anfälle parallel mit den Mondenrhythmen auftreten, meinte Rudolf Steiner: Die Mondenwir- 189 kung könne hier nicht unmittelbare Ursache der Anfälle sein, sie könne höch­stens das Bewußtsein beeinflussen. Eurythmie: vor allem mit den Beinen. 149 zu "Der ganze Typus des Mädchens zeigt dasr fügte Herr Pache in der Aus­gabe 1952 die folgende Anmerkung bei: Dr. Steiner auf dem Lauenstein: «Sie hat einen geknickten Astralleib; er ist nicht einheitlich gestaltet, oben schwach, unten stark*. 150 Jugendbewegung: siehe dazu «Die Erkenntnis-Aufgabe der Jugend», Dornach 1957; und «Geistige Wirkenskräfte im Zusammenleben von alter und junger Generation» (Pädagogischer Jugendkurs), Gesamtausgabe Dornach 1964. 155 . . . mit Heileurythmie behandelt wird. Anmerkung in der Ausgabe von 1952: Auf dem Lauenstein war angegeben worden: Nikotinklystiere 5Zu dieser Anmerkung muß gesagt werden, daß diese 5 "/o ige Abkochung von Tabakblättern nach Angabe des damals im Lauenstein wirkenden Arztes Herrn Dr. Hardt und seiner Frau nicht als Klysma gemacht worden sind. Es muß auch unbedingt davor gewarnt werden, diese Konzentration in Klysmaform zu ge­ben, da möglicherweise der Prozentsatz in der Angabe verhört worden ist. Abkochungen auch von unfermentierten Tabakblättern sind nicht ungefährlich, je nach dem Nikotingehalt der Blätter, der natürlich nicht ohne weiteres fest­gestellt werden kann. Es wird vor der kritiklosen Anwendung und Verallge­meinerung einer solchen Angabe gewarnt und dazu soll betont sein, daß es sich um eine Angabe an einen Arzt und nicht an Laien handelte. 156 Horoskope: Anmerkung in der Ausgabe von 1952: «Die Daten der Horoskope sind: Jena, 6. Dez. 1909, ± 4 Uhr vorm. und Jena, 18. Mai 1921, ± 3 Uhr vorm.» Frl. Dr.Vreede: 1879-1943, wurde an der Weihnachtstagung 1923 von Rudolf Steiner in den Vorstand der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft auf­genommen. 162 ... vorher als Erziehung genossen haben. Verschiedenes sein. Dazu Anmerkung von Herrn Pache in der Ausgabe 1952: Auf dem Lauenstein: Die krankhaften Erscheinungen bei diesem Knaben seien auf etwas zurückzuführen, was er in der früheren Inkarnation erlitten hätte. Er sei vielleicht lange allein gewesen, etwa bei einem Schiffbruch ausgesetzt und sehr lange in der Einsamkeit herumgetrieben worden. Dieses träte heute transformiert als Ich-schwache auf. - Medizinisch solle er Zuckerinjektionen D 6 haben, 7 Injektionen in 14 Tagen; danach 14 Tage lang Abwaschungen mit stärkehaltigem Wasser. Dadurch, daß der Körper die Stärke in Zucker ver­wandeln muß, wird er auf andere Art zur Entwicklung des Ich angeregt. Erzieherisch sei zu raten: Der Junge müßte Tagebuch führen über sich, was er den Tag über gemacht habe. Dadurch solle sein Ich gefestigt werden. Man solle ihm pädagogische Geschichten erzählen, in denen es darauf hinauslaufe, daß die diebischen Leute hereinfallen. Die Elster handelt immer diebisch und macht sich unmöglich unter den ändern Vögeln. Des weiteren solle er praktische Sachen machen lernen. Er solle wissen, wie man Stiefel macht. Er könnte die Stiefel für das ganze Haus machen. Auch gärtnern könnte er. Man solle ihn anregen, Sachen «auszutifteln», kleine praktische Probleme zu lösen, zum Bei­spiel wie eine Eisenbahnwagentür so eingerichtet werden könnte, daß sie beim Besteigen des Trittes sich selbsttätig öffnet und sich dann ebenso wieder selbst­tätig schließt, und ähnliches. 164 Nun ist noch ein Junge zu besprechen ...: Anmerkung in der Ausgabe 1952: Bei diesem Jungen sprach Dr. Steiner von einem «verkümmerten Gehirnan­hang». Therapie; Injektionen von Hypophyse und Arsenbehandlung wie oben. HeUeurythmie: L, M, S, R. 190 169 Präponderation: wurde sinngemäß eingesetzt für das wahrscheinlich vom Nach­schreibenden verhörte Wort: Prädestination, das frühere Ausgaben haben. 171 Johannes Trüper, 1855-1921, Begründer und langjähriger Leiter des Jugend­sanatoriums «Sophienhöhe» in Jena. 174 Oscar Hertwig: 1849-1922, Anatom. Haeckels Rede: Siehe «Bericht über die Feier des sechzigsten Geburtstages von Ernst Haeckel am 17. Februar 1894 in Jena», S. 13 ff. die Rede, die der Professor Gärtner gehalten hat: August Gärtner, 18481934, Hygieniker; seine Rede ist abgedruckt in «Bericht über die Feier des sechzigsten Geburtstages von Ernst Haeckel am 17. Februar 1894 in Jena», S. 8 ff. Prof. Gärtner rechnete dort die Vorträge zusammen, die Haeckel in der «Medizinisch-Naturwissenschaftlichen Gesellschaft» im Laufe der Jahre gehalten hat und setzt sie in Vergleich zu den Vortragsleistungen anderer. Es ist deshalb der Text dementsprechend abgeändert worden (statt: Präparate gemacht). Es wird auch Haeckels Detailarbeit in Gärtners Rede in den Mittelpunkt gestellt und die großen Züge seiner Arbeiten und Anschauungen als weniger wichtig als diese charakterisiert. Der ganze Satz ist so, wie er in den früheren Drucken steht, nicht voll verständlich und enthält einen Widerspruch. Vermutlich ist er ver­hört worden oder aus notierten Bruchstücken nachträglich geformt worden. Es ist der Rede Gärtners entsprechend der Text abgeändert worden in: «... der immer mit Wohlbehagen nur sprach nicht von Haeckel als vom Schöpfer der 175 der Physiologe, der ein katholischer Kleriker war: Es dürfte sich um den Phy­siologen Prof. Wilhelm Biedermann, der seit 1888 eine Professur in Jena inne­hatte, handeln. ein Bächelchen, wo all die Lieder drinnen stehen,. ..: Siehe «Lieder zum Commers in Jena am 17. Februar 1894», Seite 7 und 8. Die entsprechende Strophe - aus dem Lied «Zoologischer Jubelgruß» von Edwin Bormann - lautet; Staunet nicht, o Festkumpane, Wenn ein Archaeopt'ryx jetzt Eben an der Rathausfahne Seinen werthen Schnabel wetzt; Wer heut' heimwärts sucht die Pfade Geh' voll Fürsicht Schritt für Schritt, :,: Daß er auf der Promenade Nicht 'nen Plesiosaurus tritt. :': 184 Anthroposophische Gesellschaft: Siehe dazu «Die Weihnachtstagung zur Be­gründung der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Jahresausklang und Jahreswende 1923/1924», Gesamtausgabe Dornach 1963. «Die Konstitu­tion der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft und der Freien Hoch­schule für Geisteswissenschaft. Der Wiederaufbau des Goetheanum», Gesamt­ausgabe Dornach 1966. 191

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.