GA 203

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE VOR MITGLIEDERN
DER ANTHROPOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT

Die Verantwortung des Menschen
für die Weltentwickelung

durch seinen geistigen Zusammenhang
mit dem Erdplaneten und der Sternenwelt

Achtzehn Vorträge, gehalten in Stuttgart,
Dornach und Den Haag
zwischen dem 1. Januar und 1. April 1921

GA 203

1989

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Stuttgart, 1. Januar 1921

Lassen Sie uns heute eine Betrachtung anstellen, welche sich anschließen soll an die Festeszeit, an jene Zeit, die ja in jedem Jahr wiederum er­neuert die Erinnerung und das Gedenken an das Mysterium von Gol­gatha, auch die unmittelbare Empfindung des Mysteriums von Gol­gatha.

Wir haben eigentlich drei solcher Festeszeiten innerhalb der christ­lichen Entwickelung: das Weihnachtsfest, das Osterfest und das Pfingst­fest. Und man kann sagen, daß diese drei Feste in verschiedener Art den Menschen in ein Verhältnis bringen zu demjenigen, worin die christliche Entwickelung den Sinn des ganzen Erdengeschehens sieht. Auch in bezug auf die menschlichen Seelenkräfte unterscheiden sich diese drei Feste.

Das Weihnachtsfest knüpft mehr an die Empfindung an. Es ist auch dasjenige Fest, welches in gewissem Sinne das populärste ist, weil sein Verständnis eben die Vertiefung der Empfindung, die Vertiefung des Gefühls fordert, und weil es dasjenige ist, was dem Menschen im wei­testen Umkreis zugänglich ist.

Das Osterfest, das notwendig macht, daß der Mensch sich aufschwingt zu einem Verständnis des eigentlichen Mysteriums von Golgatha, des Hereindringens einer übersinnlichen Wesenheit in die menschheitliche Entwickelung, es stellt die größten Anforderungen an das menschliche Verstehen. Es ist ein Fest, das gewissermaßen das menschliche Verstehen auf das höchste Niveau hinauf erhebt, das ja natürlich auch allgemein begangen wird, aber nicht in derselben Weise populär sein kann wie das Weihnachtsfest.

Das dritte Fest, das Pfingstfest, stellt besonders ein Verhältnis her zwischen dem menschlichen Willen und der übersinnlichen Welt, der Welt namentlich, welcher das Christus-Wesen als solches angehört. Die Überleitung von Willensimpulsen, die dann wiederum auf die Welt übertragen werden, sie wird ja dem Menschen zum Bewußtsein gebracht durch den rechten Sinn des Pfingstfestes.

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So wird in dreifacher Weise dasjenige, was man das christliche Ge­heimnis nennen könnte, anschaulich gemacht durch diese jährlichen Festeszeiten. Wie das Weihnachtsmysterium an den Menschen heran­tritt, das kann man sich in der verschiedensten Weise vor das Bewußt­sein stellen, und wir haben ja im Laufe der Jahre den Weihnachts-gedanken von den verschiedensten Gesichtspunkten aus gerade ge­legentlich der Weihnachtsfeste ins Auge gefaßt.

Diesmal wollen wir erinnern an etwas, was jedem klar werden kann, der das Weihnachtsmysterium von seiten der Evangelien aus betrachtet. In den Evangelien wird uns eine zwiefache Verkündigung der Geburt des Christus Jesus dargestellt. Die eine Verkündigung ist diejenige, welche ergeht an die armen Hirten auf dem Felde draußen, denen - man nenne es nun im Traume oder irgendwie - ein Engel verkündet die Geburt des Christus Jesus. Wir haben es da zu tun mit dem Gewahr-werden dieses Ereignisses durch die inneren Seelenkräfte, die in einer besonderen Verfassung sind bei diesen Hirten aus 4er Umgebung des Geburtsortes des Christus Jesus. Und es wird uns eine zweite Verkün­digung dargestellt in den Evangelien: diejenige, welche ergeht an die drei Könige oder die drei Magier aus dem Morgenlande. Sie folgen - so wird uns gesagt - der Sprache eines Sternes, die ihnen verkündigt, daß der Christus Jesus in die Welt gekommen ist.

Wir werden da verwiesen auf zwei Arten, wie eine frühere Mensch­heit zu ihren höheren Erkenntnissen kam. Es handelt sich auch da um etwas, was in der Gegenwart eigentlich niemals mehr in der richtigen Weise angeschaut wird. In der Gegenwart stellt man sich vielfach vor, daß die Menschen nun einmal eine Wahrnehmung, ein Denken haben, und daß diese Wahrnehmung, dieses Denken, kurz, die Entfaltung der inneren Seelenkräfte, im Grunde genommen durch alle Jahrhunderte und Jahrtausende, wenn sie auch in früheren Zeiten primitiver waren, so doch im wesentlichen so waren, wie sie heute sind. Wir wissen aus unserer anthroposophischen Geisteswissenschaft, wie die Seelenverfas-sung der Menschen sich im Laufe der Zeiten geändert hat, wie in alten Zeiten, etwa im 7., 8. Jahrtausend der nachatlantischen Zeit oder frü­her, die Menschheit in einer ganz anderen Weise sowohl das eigene Leben wie auch das Wesen der Umwelt angesehen hat, und wie sich

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dann diese Seelenverfassung immer wieder gewandelt hat, wie sie dann diejenige geworden ist, die wir als die verstandesmäßige Zergliederung der Welt in der Gegenwart kennen und als die rein sinnliche Auffas­sung, die wir auch in der Gegenwart in den äußeren Dingen haben. Diese Entwickelung geht von einem gewissen älteren, instinktiven Hell-sehen durch unsere gegenwärtige Seelenverfassung, um in der Zukunft sich wiederum zurückzuwenden zu einer Art Hellsichtigkeit, zu einem Schauen der Welt, das aber dann durchsetzt sein soll von der vollen Bewußtheit der Menschheit.

Zur Zeit, als das Mysterium von Golgatha sich auf der Erde ereig­nete, war das alte Hellsehen, das ein instinktives war, zum großen Teil schon, wenn ich so sagen darf, abgelähmt. Die Menschen hatten zwar eine andere Seelenverfassung, als die heutige ist, aber sie hatten auch nicht mehr das alte Hellsehen; sie hatten auch nicht mehr die alten For­men, durch allerlei Weisheit die Welt sich genauer zu zergliedern. Sowohl die alten Weisheitslehren wie auch das alte instinktive Hell-sehen waren abgeglommen, als das Mysterium von Golgatha an die Menschheit herankam. Aber Reste davon waren noch vorhanden, und wir werden gerade durch die Evangelien deutlich darauf hingewiesen, wenn wir sie richtig verstehen, daß solche Reste vorhanden waren. Bei einzelnen auserlesenen Persönlichkeiten waren solche Reste vorhanden. Solche auserlesenen Persönlichkeiten können nun sowohl gewesen sein die armen Hirten auf dem Felde, die aus ihrem frommen Herzen heraus eine gewisse hellsichtige Kraft, die wie traumhaft über sie gekommen ist, besessen haben; es können auch gewesen sein solche Persönlich­keiten, die uns auf der Spitze der sozialen Stufenleiter vorgeführt wer­den, wie die drei Magier aus dem Morgenlande, welche aus alten Zeiten die Fähigkeit bewahrt haben, durch eine gewisse Weisheitslehre hinein-zuschauen in den Gang der Weltenereignisse. Und so konnten die armen Hirten in einer Art traumhaften Erlebens, in einer Art innerlicher Wahrnehmung dasjenige an sich herankommen sehen, was in dem Er­eignis der Geburt des Christus Jesus sich vollzog. Auf der anderen Seite konnten die drei Magier aus dem Morgenlande eine solche Wissenschaft entwickeln, daß sie aus der Verfolgung der Weltenerscheinungen, der Erscheinungen am Himmel, dasjenige sich zu vergegenwärtigen vermochten,

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was über den gewöhnlichen Gang des Lebens hinausliegend Bedeutungsvolles auf der Erde geschah.

Wir werden also auf zwei ganz bestimmte, aber voneinander ver­schiedene Erkenntnisarten verwiesen. Wenden wir uns zunächst zu demjenigen, was bei den drei Magiern aus dem Morgenlande vorhanden war als ein letzter Rest einer alten Weisheitslehre. Es wird uns ja deut­lich gezeigt, wie diese Magier den Gang der Sterne enträtseln konnten. Wir werden also durch diese Darstellung verwiesen auf eine alte Ster­nenkunde, auf eine alte Anschauung über die Geheimnisse der Sternen-welt, in der sich auch die Geheimnisse des menschheitlichen Geschehens offenbarten. Diese alte Sternenkunde war etwas anderes als unsere Sternenkunde. Unsere Sternenkunde ist ja auch in einer gewissen Weise prophetisch; sie kann voraussagen den Gang von Sonnen- und Mond­finsternissen und ähnliches. Aber unsere Sternenkunde ist bloß mathe­matisch-mechanisch. Unsere Sternenkunde spricht bloß von den Ver­hältnissen des Raumes und der Zeit, insofern man sie mathematisch zum Ausdruck bringen kann. Dasjenige aber, was sich in bezug auf das innere Menschenleben abseits von Raum und Zeit, aber doch im Raum und in der Zeit, jedoch mit einer höheren Bedeutung abspielt, das sah eine alte Sternenkunde, eine alte Sternenweisheit aus dem Gang der Sterne heraus. Wenn wir die Wissenschaft einer älteren Menschheit uns vor das Bewußtsein bringen, so finden wir, daß diese Sternenweisheit im wesentlichen das ist, was dieser alten Wissenschaft überhaupt den Inhalt gab. Aus den Sternen erforschten die Menschen dasjenige, was auf der Erde geschah. Aber ihnen war die Sternenwelt nicht jenes ab­strakte, maschinenartige Wesen, das sie der heutigen Menschheit ge­worden ist. Ihnen war die Sternenwelt etwas, was voll Leben war. Sie empfanden bei jedem einzelnen der Planeten ein Wesenhaftes in der Welt. Gewissermaßen sprachen sie durch eine innere Seelensprache mit jedem einzelnen Planeten so, wie wir heute nur von Mensch zu Mensch durch die äußere Sprache sprechen. Man war sich klar darüber, daß man im Inneren seelisch etwas erlebt, was in einer gewissen Weise abspiegelt und wiedergibt dasjenige, was draußen im großen Raume durch den Gang der Sterne sich vollzieht. Es war eine lebendige, durchgeistigte Anschauung des Weltenalls. Und der Mensch selber fühlte sich in einer

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geistigen, in einer seelenhaften Weise in dieses Weltenall hineingestellt. Es wurde die Weisheit von diesem Weltenall auch gepflegt in Schulen, die man Mysterienschulen nennen könnte, in denen die Zöglinge in einer sorgfältigen, intimen, innerlichen Art vorbereitet wurden, den Gang der Sterne so verstehen zu können, daß er das menschliche Leben auf der Erde verständlich machte.

Welcher Art waren diese Vorbereitungen? Diese Vorbereitungen gerade für die Erkenntnis des Sternenhimmels und seiner Wirkungen waren so, daß der Mensch auch damals schon, in der Zeit instinktiven Hellsehens, erzogen wurde zu einem wacheren Leben, als das normale äußere Leben war. Die Menschen der breiten Massen hatten eine Art instinktiven Hellsehens. Das entsprach einer Seelenverfassung, die weniger wach war, als es unsere normale Seelenverfassung ist. Man konnte in alten Zeiten der Menschheitsentwickelung nicht in solcher Weise wach denken, wie man das heute kann. Man konnte nicht in demselben Sinne wie heute zu der Mathematik, zu der Geometrie kom­men. Es war des Menschen Leben durch das ganze Dasein zwischen Geburt und Tod mehr ein hinträumendes gewesen, das aber eben gerade deshalb, weil es ein hinträumendes war, in einer lebendigeren Art als unser ganz waches Leben die Umwelt wahrnahm. Und das Eigentüm­liche ist, daß die einzelnen Zöglinge der Mysterien, in deren letzten Resten eben solche Menschen wie die drei Magier standen damals in alten Zeiten, man könnte sagen noch etwa bis in das 2. Jahrtausend, sogar anfangs des 1. Jahrtausends vor dem Mysterium von Golgatha eingeführt wurden in ein Wissen, das ganz ähnlich unserem geometri­schen oder mathematischen Wissen ist.

Für die äußere Menschheit hat Euklid zuerst die Geometrie hinge-stellt. Das war aber eben nur eine Übermittlung der Geometrie an die äußere, große Menschheit. Was Euklid als Geometrie hingestellt hat, das war in den Mysterien lebendig durch Jahrtausende schon; es wurde aber nur mitgeteilt an die auserlesenen Schüler der Mysterien. Bei ihnen wirkte es anders, als es später wirkte. Es sieht sonderbar und paradox aus, ist aber doch so: was heute bei uns schon die Kinder lernen, unsere Geometrie, unsere Rechenkunst, das lernten in den Mysterienschulen einzelne Menschen, die besonders dazu auserlesen wurden, die man

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innerhalb der Masse für besonders befähigt hielt und die man hinein­nahm in die Mysterien.

Man kann heute oftmals hören, in den Mysterien seien geheimnis­volle Dinge gelehrt worden. Ihrem rein abstrakten Inhalte nach sind diese geheimnisvollen Dinge dieselben, die heute den Kindern gelehrt werden. Es sind gar keine anderen Dinge, und das Mysterienhafte liegt nicht darin, daß diese Dinge heute den Menschen etwa unbekannt seien, sondern es liegt in der anderen Art, wie die Sache an die Menschen herangebracht worden ist. Es ist natürlich etwas ganz anderes, wenn man den Inhalt unserer Geometrie einfach appellierend an den Ver­stand an die Kinder heranbringt in einem Zeitalter, wo der Mensch vom Aufwachen bis zum Einschlafen in unserem Wachbewußtsein lebt, oder ob man im Zeitalter des alten, instinktiven Hellsehens mit einer traum-haften Art des Bewußtseins diese Dinge an besonders auserlesene Men­schen mit reiferem Bewußtsein heranbrachte. Es sind heute durchaus nicht immer zutreffende Vorstellungen in der Menschheit über diese Dinge vorhanden.

Sehen Sie, es gibt ein Gedicht an Varuna in der morgenländischen Literatur. Das spricht davon, daß Varuna erscheint in der Luft, die als Wind die Wälder durchweht, daß Varuna erscheint in dem Donner, der aus dem Wolkenwasser hervorzuckt, daß Varuna erscheint in dem menschlichen Herzen, wenn es zum Willen sich aufrafft, daß Varuna erscheint am Himmel, wenn die Sonne über den Himmel geht, daß Varuna enthalten ist auf den Bergen in dem Somasaft. Sie werden heute in den Büchern meistens finden: daß man eigentlich nicht wisse, was der Somasaft ist. Die Menschen konstatieren heute in ihrer Gelehrsamkeit, daß man nicht wisse, was der Somasaft ist, trotzdem es Menschen gibt, die ihn literweise trinken und von einem gewissen Gesichtspunkte aus sehr gut kennen. Aber es ist etwas anderes, die Sachen vom Mysterien-standpunkt aus zu kennen, als vom Standpunkte des wachen Bewußt­seins in profaner Empfindung. Und Sie können heute lesen vom Stein der Weisen, der gepflegt wurde in einer gewissen Zeit, in der man das Wesen der Substantialität eben anders angesehen hat als heute. Und wiederum werden Ihnen die Geschichtsschreiber der Alchimie sagen, man kenne den Stein der Weisen nicht. Ich habe schon immer da und

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dort in meinen Vorträgen angedeutet, daß dieser Stein der Weisen den meisten Menschen sehr gut bekannt ist. Sie kennen nur nicht seine Wesenheit und wissen nicht, warum er so genannt wird. Er ist den meisten Menschen sehr gut bekannt, da sie ihn eigentlich kiloweise ver­wenden.

Es handelt sich eben bei den Dingen zuweilen um etwas ganz an­deres als um dasjenige, was sich unsere heute abstrakt-theoretische und lebensfremde, wirklichkeitsfremde Anschauung vorzustellen vermag. Es gibt heute auch keine rechte Anschauung davon, was es heißt, mit ganz anderer Seelenverfassung, als diejenige der heutigen Menschheit ist, im reifen Zustande aufzunehmen unsere geometrische, unsere arith­metische Wissenschaft. Ich habe auf diese besondere Artung des Myste­rienwesens in meiner Schrift «Das Christentum als mystische Tatsache» ja hingewiesen. Allein solch wichtige Dinge versteht man gewöhnlich nicht in der richtigen Weise; man nimmt sie gewöhnlich nicht tief genug. Daß die Art und Weise, wie die Dinge an die Menschen herangebracht worden sind, das Mysterienhafte in alten Zeiten ausmachte, das ist das­jenige, was man verstehen sollte. Und so war es wirklich bei rein mathe­matischen Betrachtungen, deren Gefühls- und vollmenschlichen Inhalt Novalis noch nachgefühlt hat, als er die Mathematik wie ein großes Gedicht empfand, was die meisten Menschen heute gewiß nicht drin finden. So war es dieses gefühlsmäßige, aber in mathematische Formen ergossene Erfassen der Welt, in das der Zögling der alten Mysterien eingeführt wurde. Und wenn so das mathematische Verständnis des Weltenalls an den Zögling der alten Mysterien herantrat, dann wurde er ein Mensch mit einer solchen Weltbetrachtung, wie es diejenige war, die uns als die der Magier aus dem Morgenlande geschildert wird. Dann enthüllte die Mathematik des Weltenalls, die bei uns zu etwas ganz Ab­straktem geworden ist, Wesenhaftes, weil das, was sie enthüllte, durch anderes ergänzt wurde, was ihm entgegenkam. Und so war dasjenige, was als äußeres Wissen einer alten Kultur entsprach, was sich in den letzten Resten für die Magier erhalten hatte, was an die Magier aus dem Morgenlande herangekommen ist, die Veranlassung zu der einen Ver­kündigung: der Verkündigung durch die Weisheitslehre, durch die äußere Wissenschaft.

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Auf der anderen Seite konnte sich das innerliche Erleben der Mensch­heitsgeheimnisse bei besonders dazu veranlagten Menschen entwickeln, wie diejenigen waren, die uns dargestellt werden sollten in den Hirten auf dem Felde. Da mußten die inneren Kräfte, die im Menschen sind, eine besondere Stufe erreichen. Dann wurde unmittelbare Anschauung, imaginative, instinktiv-imaginative Bilderwahrnehmung dasjenige, was in der Menschheitswelt geschah. So kündigte sich durch inneres Schauen für die armen Hirten auf dem Felde dasjenige an, was sich ihnen zu­sammenfaßte in den Verkündigungsspruch: «Es offenbart sich der Gott in den Himmelshöhen, und durch ihn kann sein der Friede bei allen Menschen, die eines guten Willens sind.»

Es sprachen also die Weltengeheimnisse sowohl zum Innersten der armen Hirten auf dem Felde wie zu dem Äußersten, wozu sich mensch­liche Weisheit aufschwingen konnte in der damaligen Zeit; es sprachen die Weltengeheimnisse sowohl zu den Hirten wie zu den Magiern aus dem Morgenlande. Und es wurde verkündigt von zwei Seiten das große Mysterium des Erdenlebens.

Was erlebten die Magier aus dem Morgenlande? Was wurde bei sol­chen Schülern besonders entwickelt dadurch, daß die Mathematik in ihre Seelenverfassung hereingebracht wurde, wenn diese Seelenverfas-sung schon eine besonders reife war? Sehen Sie, Kant sagt von den mathematischen Erkenntnissen, sie seien a priori. Mit dem a priori meint er: sie sind vor der äußeren, empirischen Erkenntnis, vor der Er­fahrung errungen. Das ist eine Wortweisheit. Es ist gar nichts gesagt mit diesem a priori. Das Wort bekommt erst einen Sinn, wenn man aus der Geisteswissenschaft heraus darauf hinweisen kann, daß die Mathe­matik aus uns aufsteigt, daß sie etwas ist, das aus dem Inneren des Men­schen in das menschliche Bewußtsein kommt. Und woher kommt sie? Nun, sie kommt aus den Erlebnissen, die wir vor der Empfängnis oder vor der Geburt in der geistigen Welt durchgemacht haben. Da lebten wir im großen, weiten Weltenall. Da erlebten wir dasjenige, was wir erleben konnten, bevor wir unsere Leibesaugen und Leibesohren hatten. Da erlebten wir a priori gegenüber dem Leben auf der Erde. Dasjenige, was da a priori erlebt wird, es steigt heute für unser Bewußtsein un­bewußt aus dem Inneren herauf. Der Mensch weiß nicht, wenn er es

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nicht wie Novalis durch solch eine Ahnung erlebt, daß da aufsteigen die Erlebnisse von vor der Geburt oder Empfängnis, wenn er mathema­tisiert. Für denjenigen, der diese Dinge in der richtigen Weise anzu­schauen vermag, ist allein schon das mathematische Erkennen ein Beweis dafür, daß er vor der Empfängnis in einer geistigen Welt da war. Für jene, denen das kein Beweis ist für ein vorgeburtliches Leben, für die besteht die andere Tatsache, daß sie eben nicht gründlich genug über die Erscheinungen des Lebens nachdenken, daß sie keine Ahnung haben von dem, was eigentlich der Ursprung des Mathematischen ist.

Die Schüler der alten Mysterien, die in jener Weisheitsverfassung waren, wie sie sich als letzte Reste bei den Magiern aus dem Morgen-lande erhalten hatte, bekamen einen deutlichen Eindruck davon: Wenn wir so die Sterne anschauen, daß wir sie durchdringen mit den mathe­matischen Linien, mit unserer Rechnung, dann breiten wir über die äußeren Raumesweiten dasjenige aus, worin wir gelebt haben vor un­serer Geburt. Und so kam sich solch ein Schüler der heiligen Mysterien vor, daß er sich sagte: Jetzt lebe ich hier auf der Erde, schaue durch meine Augen hinaus in den Weltenraum, bemerke dasjenige, was räum­lich um mich herum ist. Ich habe auch gelebt innerhalb dieser Erschei­nungen des Weltenraumes vor meiner Geburt oder Empfängnis. Da habe ich selber gezählt von Stern zu Stern dasjenige, was ich mir jetzt hier nur nachbildlich vergegenwärtige durch Mathematik; da bin ich selber hingeeilt mit den inneren Kräften von Stern zu Stern; da lebte ich in dem, was ich jetzt nur konstruiere. Gegenwärtig wurde den Men­schen dadurch alles, was sie erlebt hatten vor der Geburt oder Empfäng­nis. Daher nahmen sie es auch in einem heiligen Sinne auf. Daher wuß­ten sie auch: es ist die geistige Welt, in die sie sich da einleben, es ist die Welt, in der sie gelebt haben, bevor sie die Erde betreten haben. Dieses Wissen um die Welt, die der Mensch durchlebt, bevor er die Erde betritt, war in einem letzten Rest bei den Magiern aus dem Morgenland vor­handen; durch das erkannten sie das Herannahen der Christus-Wesen­heit.

Woher kam denn die Christus-Wesenheit? Sie kam ja aus jener Welt, die wir durchleben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, und ver­einigte sich mit dem Leben, das wir durchleben zwischen Geburt und

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Tod. Diejenige Wissenschaft, die handelt von der Welt, die wir durch­leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, kann daher so etwas wie das Mysterium von Golgatha enthüllen. Auf dem Wege dieser Wis­senschaft wurde also den Magiern verkündet das Mysterium von Gol­gatha, das Weihnachtsmysterium.

Indem der Mensch hier auf der Erde lebt und das entfaltet, was ihm seine Erkenntnisse bringen über die Umwelt, was die Impulse zu seinem Handeln, seinem sozialen Leben sind, erlebt er ja in sich unbewußt noch etwas anderes. Er weiß es nicht, aber geradeso wie er die Nachwirkun­gen seines vorgeburtlichen Lebens erlebt, erlebt er auch dasjenige, was dann durch die Pforte des Todes schreitet und der Inhalt des Lebens nach dem Tode wird. Das sind die Kräfte, die keimhaft schon vorhan­den sind zwischen Geburt und Tod und die erst im nachtodlichen Leben sich zur vollen Blüte entfalten. Diese Kräfte wirkten mit einer großen Intensität im alten instinktiven Hellsehen; und sie wirkten im letzten Rest noch bei den armen Hirten auf dem Felde durch ihre besondere Frömmigkeit. In diesen Kräften leben wir ja insbesondere zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen, wenn unsere Seele aus der Körper­lichkeit draußen ist und im äußeren Raume lebt. Dann lebt sie auf solche Art, wie sie bewußt erst wiederum leben wird, wenn sie den äußeren physischen Leib abgelegt hat nach dem Tode. Diese Kräfte, die aus der Traumes-, aus der Schlafeswelt heraus in besonderen Zuständen in das Tagesleben eindringen können, waren da sehr regsam in dem alten in­stinktiven Hellsehen. Die armen Hirten erlebten diese Kräfte, und in ihnen enthüllte sich dasjenige, was ihnen, von einer anderen Seite als den drei Magiern, das Mysterium von Golgatha ankündigen konnte.

Was erfährt man durch diejenigen Kräfte, die dem Menschen be­sonders eigen sind zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, wenn sie in dem Leben zwischen Geburt und Tod angefacht werden wie bei den Magiern aus dem Morgenlande? Man erfährt dasjenige, was außer dem Irdischen geschieht. Man wird von der Erde hinweggetragen in die Welt der Sterne, in der man ist zwischen dem Tod und einer neuen Geburt. Das war die Welt, in die eingeführt wurden die Magier aus dem Mor­genlande, von der Erde weg in den Himmelsraum.

Was erfährt man durch diejenigen Kräfte, die innerlich aufsteigen,

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besonders in der Traumeswelt, die überhaupt aus dem menschlichen Inneren kommen? Da erfährt man, was im Inneren der Erde geschieht Da wirken vorzugsweise die tellurischen Kräfte, diejenigen Kräfte, die wir haben durch unseren Leib, durch das Wohnen in unserem Leibe. Die wirken besonders in demjenigen, was wir durchleben zwischen dem Einschlafen und dem Aufwachen. Wir sind auch da in der äußeren Welt, aber vorzugsweise in jener äußeren Welt, die zur Erde gehört.

Sie werden sagen: Das ist ein Widerspruch gegenüber der Wahrheit, daß wir außerhalb unseres Leibes sind. - Das ist kein Widerspruch. Man nimmt immer nur das wahr, was man außerhalb hat; dasjenige, in dem man lebt, das nimmt man nicht wahr. Nur diejenigen Menschen, die über irgendwelche Gebiete besonders unwissend sind und ein reines Phrasenwissen entwickeln möchten, bringen es fertig, über solche Dinge leicht hinwegzugleiten mit Phrasen und etwa zu sagen: Es käme nicht darauf an, eine Geisteswissenschaft zu begründen mit einem Wissen, gewonnen außerhalb des Menschen, denn das Wichtige sei gerade, daß der Mensch zu dem äußeren Naturwissen ein Wissen durch das Innere bekäme. - Ja, mit einem solchen Phrasenschwall kann man heute Darm­städter Weisheitsschulen begründen, aber man bleibt doch eben bloß ein Phraseur, auch wenn man Weisheitsschulen begründet. Denn wenn man die Sache in der richtigen Weise versteht, kann man sogar sagen: Ja, man muß die Welt von innen beschreiben, um zum Übersinnlichen zu kommen; aber dann muß man ja erst ins Innere hineinkommen, und das, was dann äußerlich ist, das muß man betrachten aus dem Leibe heraußen, und man muß den Leib zurück betrachten. Die Keyserling­schen Reden von einem Betrachten von seelischen Gesichtspunkten aus wollen aber eigentlich nicht in das menschliche Innere hinein, sondern sie bedienen sich bloßer Phrasen. Daher ist es auch so: wenn wir in dem Zustand zwischen Einschlafen und Aufwachen sind, schauen wir zu­rück und empfinden gewissermaßen zurück in unseren Leib. Wir emp­finden also dasjenige, worin unser Leib mit dem Irdischen zusammen­hängt; er ist ja von der Erde. Die armen Hirten auf dem Felde empfan­den eigentlich die Offenbarung der Erde aus ihrem Leibe, indem sie in einem traumhaften Zustande dasjenige, was geschah, als die Stimme des Engels wahrnahmen.

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Und es entspricht das ganz dem Mysterium von Golgatha, daß von zwei Seiten her die Offenbarung gekommen ist: die der Magier aus der Himmelskunde, die der Hirten aus der Erdenoffenbarung. Denn ein himmlisches Wesen, ein Wesen, das bis dahin nicht zur Erde gehört hat, das kommt an. Das muß man also erkennen in seiner Ankunft aus der Himmelsweisheit heraus. Da lernt man erkennen, daß vom Himmel etwas heruntersteigt. - Hat man die Hirtenweisheit, so lernt man die Erde kennen; man empfindet sich hinein in das Weben und Leben der Erde, welches die Ankunft des Himmeiswesens wahrnimmt. Es ist von der anderen Seite dieselbe Ankündigung. In wunderbarer Weise ist zu­sammengeflossen dasjenige, was als einheitliches Ereignis von zwei Sei­ten her den Menschen mitgeteilt wird.

Und wenn man nun sieht auf die Art und Weise, wie die Menschheit das Ereignis von Golgatha aufnahm, so muß man sagen: Es waren ja in dieser und in anderer Beziehung nur noch Reste der alten Weisheit vor­handen. Ich habe schon darauf hingedeutet, wie n'it den Resten der alten Weisheit, mit einer gewissen Gnosis zunächst in den ersten Jahr­hunderten unserer Zeitrechnung das Mysterium von Golgatha verstan­den worden ist. Dann versuchte man immer mehr und mehr mit dem bloßen verstandesmäßigen Zergliedern in das Ereignis von Golgatha einzudringen. Und im 19. Jahrhundert kam allmählich der Naturalis­mus auf diesem Bekenntnisgebiet herauf. Es wurde nichts mehr begrif­fen von dem übersinnlichen Inhalt des Ereignisses von Golgatha Der Christus wurde zum bloßen naturalistisch aufgefaßten weisen Mann aus Nazareth. Es wurde eben notwendig eine neue, geistige Erfassung des Mysteriums von Golgatha Man darf nicht verwechseln die Tat­sache des Mysteriums von Golgatha mit der Art und Weise, wie die Menschen in ihrem Verständnis sich zu dieser Tatsache verhalten.

Nun, solche Seelenverfassung, wie sie die Hirten auf dem Felde hat­ten, wie sie die Magier aus dem Morgenland hatten, war ja in den letz­ten Resten vorhanden zur Zeit, als das Mysterium von Golgatha eintrat. Das hat sich alles in der Menschheitsentwickelung geändert. Die Dinge ändern sich und erleiden Metamorphosen.

Was ist geworden aus der Magierweisheit aus dem Morgenlande? Es ist daraus geworden unsere Mathematik mit ihrer Himmelskunde. Die

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Magier hauen ein überirdisches Wissen, das im Grunde genommen ein grandioses Erinnern an das vorgeburtliche Leben war. Das ist bei uns zusammengeschrumpft und abgelähmt zu unserem mathematisch-mechanischen Himmelserfassen, wo wir auf die äußeren Erscheinungen nichts mehr anwenden als die Gesetze der Mathematik, der Mechanik. Was aus unserem Inneren heraufsteigt, gerade wenn wir auf das hinschauen, was uns als mathematische Astronomie geblieben ist, das ist die heutige Metamorphose desjenigen, was die Magier gehabt haben.

Und wenn wir auf dasjenige hinschauen, was unser äußeres Sinnes-wissen ist - bloßes Augenwahrnehmen, Ohrenwahrnehmen -, so ist es das veräußerlichte innere Wissen der Hirten auf dem Felde. Was den Hirten auf dem Felde noch die inneren Geheimnisse des Erdendaseins gegeben hat, das läßt uns kalt anschauen die äußere Welt in unserer naturwissenschaftlichen Beobachtung. Unsere naturwissenschaftliche Beobachtung ist dieTochter der Hirtenweisheit. Aber die Tochter schaut der Mutter sehr unähnlich aus. Und unsere Mathematik, die zur Him­melskunde wird, ist die Tochter der Magierweisheit. Die Menschheit mußte durch das hindurchgehen. Wenn unsere Naturforscher mit ihrem trockenen Forschen in den Laboratorien, in den Kliniken sitzen, haben sie ja nicht mehr viel Gemeinschaftliches mit den Hirten, aber es ist die gradlinige Metamorphose der Hirtenweisheit. Und unsere Mathemati­ker sind die in gradliniger Strömung gekommenen Nachfolger der Magier aus dem Morgenlande. Das Äußerliche ist innerlich, das Inner­liche ist äußerlich geworden. Und damit sind wir zunächst im Grunde genommen sehr abgekommen von dem Verständnis des Mysteriums von Golgatha; und dessen sollten wir uns bewußt werden. Ja, wir sind sehr abgekommen von diesem Verständnis. Vielleicht am meisten aber sind viele von denjenigen abgekommen vor diesem Verständnis, die sich im offiziellen Sinne heute die Prediger ur. Verkündiger des Christentums nennen.

Mit denjenigen Erkenntniskräften und Empfindungskräften und Glaubenskräften, die heute im Menschen spielen, ist auch das Ereignis von Golgatha in seiner wahren Wesenheit nicht mehr zu durchschauen. Es muß schon durchaus neu gefunden werden. Zur trockenen Mathematik,

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durch deren Bilder nur der Himmel noch angeschaut wird, ist die Magierweisheit geworden; sie ist innerlich geworden. Das Innerliche muß sich wieder beleben. Es muß gewissermaßen das, was äußerlich ist, wiederum aufbauen von innen her.

Versuchen Sie jetzt, von diesem Gesichtspunkte aus zu verstehen den Inhalt eines solchen Buches, wie es meine «Geheimwissenschaft im Um­riß» ist. Die Magier überschauten die Sternenwelten; sie sahen in den Sternenwelten das Geistige, weil sie in das menschliche Erleben vor der Geburt hineinschauen konnten. Das ist abstrakt geworden in unserer Mathematik. Aber dieselben Kräfte, die unsere Mathematik entwickelt, können wiederum verlebendigt werden, verintensiviert werden im ima­ginativen Anschauen. Dann gebiert sich aus unserem Inneren eine Welt, die wir nun wiederum, obwohl wir sie aus dem Inneren heraus schaffen, als die äußere Welt anschauen, die uns nun wiederum wie Saturn, Sonne, Mond, Erde, Jupiter, Venus, Vulkan ist. Wir sehen den Himmel durch innere Anschauung, wie die Weisen aus dem Morgenlande durch äußere Anschauung die Geheimnisse des Mysteriums von Golgatha wahrge­nommen haben. Das Äußere ist innerlich geworden, ist bis zur Abstrakt­heit der Mathematik gekommen; also muß das Innerliche wiederum erweitert werden zum äußerlichen Weltenall, indem uns wiederum das innerliche Anschauen zu einer neuen Astronomie, zu einer innerlich erlebten Astronomie führt.

Nur durch eine solche Hinwendung zu einem neuen Christus-Ver­ständnis erfüllen wir heute mit einem gewissen Sinn dasjenige, was das Weihnachtsfest ist. Hat denn für die meisten Menschen heute das Weih­nachtsfest noch einen besonderen Sinn? Es ist eine sehr schöne Sitte ge­worden, die noch nicht sehr alt ist, kaum hundertfünfzig Jahre alt, den Weihnachtsbaum zum Symbol des Weihnachtsfestes zu machen. Der Weihnachtsbaum ist ja erst im 19. Jahrhundert heraufgekommen. Was ist er? Man kann sich anstrengen, den Sinn des Weihnachtsbaumes zu finden. Gerade wenn man sich anstrengt und wenn man weiß, wie der Weihnachtsbaum allmählich erwachsen ist, wie er aus dem kleinen Zweige, den zuerst der Knecht Ruprecht, der Nikolaus, zum 6. Dezem­ber in seinem Arme trug, zum Weihnachtsbaum ausgewachsen ist, gerade wenn man die Geschichte des Weihnachtsbaumes verfolgt, kommt man

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darauf, wie der Weihnachtsbaum doch wieder mit dem Paradiesesbaum unmittelbar etwas zu tun hat. Das menschliche Bewußtsein lenkt sich zum Paradiesesbaum, zu Adam und Eva hin. Was heißt das? Es ist die eine Seite, wie in unserer Zeit das Mysterium von Golgatha wieder ver­kündet wird.

Man wendet sich vom Mysterium von Golgatha zurück zur Welt­erschaffung, zu dem Ausgangspunkte der Welt. Man begreift nicht den Sinn der Welterlösung und wendet sich wiederum zum weltschaffenden Gott. Das drückt sich darin aus, daß allmählich verschwindet das eigentliche Weihnachtssymbol, das Krippensymbol, das so großartig da war noch in den Weihnachtsspielen der früheren Jahrhunderte, und indem heraufkommt der Weihnachtsbaum, der eigentlich der Para­diesesbaum ist. Die alte Jahve-Religion trat wiederum an die Stelle der Christus-Religion, und der Weihnachtsbaum ist das Symbolum für dieses Heraufkommen der Jahve-Religion. Nur tritt diese Jahve-Religion vervielfacht auf bei den Menschen. Denn Jahve ist als der Einheitliche mit Recht verehrt worden in einer Zeit, als sein Volk sich eben als das Einheitsvolk fühlte, das nicht über seine Grenzen hinaus sah und in der Erwartung war, daß es einmal ganz die Erde erfüllen würde.

In unserer Zeit reden die Leute vom Christus Jesus und verehren nur den Jahve. Denn in den einzelnen Nationalitäten, das hat sich beson­ders im Kriege gezeigt, wurde zwar von Christus gesprochen; es war aber nur der ursprüngliche Gott, der in der Vererbung, in der Natur lebende Gott Jahve. Der Weihnachtsbaum auf der einen Seite, die Nationalgötter, die nicht bis zum Christlichen hinaufkamen, auf der anderen Seite waren das, wodurch die Menschen von der Erfassung des Mysteriums von Golgatha zu der Erfassung einer viel früheren Zeit zurückkehrten. In der Geltendmachung des Nationalitätenprinzips, in der Verkündigung, daß die einzelnen Völker ihren Göttern folgen, ist ein Rückschritt vorhanden in die alte Jahve-Religion. Den Christus verleugnen am meisten diejenigen, die ihn in irgendeiner nationalen Form anbeten wollen.

Sehen Sie, was man berücksichtigen muß, das ist, daß in jeder Art von Verkündigung, in der Hirtenverkündigung und in der Magierver­kündigung, etwas ganz allgemein Menschliches gegeben ist; denn die

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Erde ist allen Menschen gemeinschaftlich. Und indem die Hirten die Erdenverkündigung bekommen haben, haben sie eine Verkündigung bekommen, die nicht volksmäßig verschieden sein kann, die nicht volksmäßig sich differenzieren kann. Und indem die Magier die große Sonnen-, die Himmelsverkündigung bekommen haben, haben auch sie ein allgemein Menschliches empfangen. Denn wenn die Sonne zuerst auf dem Territorium des einen Volkes geschienen hat, dann scheint sie auch im Territorium des anderen. Der Himmel ist allen gemeinschaft­lich, die Erde ist allen gemeinschaftlich. Das ganz allgemein Mensch­liche wird mit dem Christentum in der Menschheit rege. Darauf weist auch jene Weihnachtsdarstellung hin, die sich in der zweifachen Ver­kündigung darstellt. Solche Dinge, die für eine ganz andere Seelenver-fassung voll verständlich waren, werden heute erst wiederum verständ­lich durch die Geisteswissenschaft.

Und wie wird diese Geisteswissenschaft behandelt? - Ja, sie wird sehr sonderbar behandelt gerade von denjenigen, welche sich offizielle Vertreter des Christentums nennen. Es sind gewiß auch eine Anzahl unter Ihnen, welche jene Gruppe in Dornach gesehen haben, mit der Christus-Figur in der Mitte, die am Ostende des Dornacher Goethe­anums stehen soll. Sie wissen, wenn ich diese Christus-Figur erkläre, so erkläre ich, wie oben ein ideales Antlitz des Menschen ist, wie es mir erscheint als das wirkliche Antlitz des Christus. Diejenigen, welche die Figur gesehen haben, werden sich erinnern, daß es ein rein menschliches, idealisiertes Angesicht ist. Jetzt ist die Figur etwas weiter gediehen in der letzten Zeit, aber sie war, solange sie gezeigt wurde, bis zur Mitte unten ein Holzklotz, wie ihn die Arbeiter gemacht haben. Denn unten wird namentlich der Wille im Schreiten sich auszudrücken haben. Diese Figur ist umgeben oben von zwei luziferischen Gestalten, die abgeson­dert sind von der Christus-Gestalt, und unten von zwei ahrimanischen Gestalten. - Nun gibt es einen gewissen Missionsprediger, der den Na­men Frohnmeyer trägt. Der hat ein Büchelchen erscheinen lassen über die Theosophie. Das behandelt auch in ganz äußerlicher Weise die An­throposophie. Da steht - und nicht, als ob dem Manne das irgend jemand gesagt hätte, sondern als ob er selber dagewesen wäre und es sich angesehen hätte -, da steht in dieser Schrift: In Dornach soll ein

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Christus dargestellt werden, welcher oben luziferische Züge trägt und unten tierische Merkmale.

Ich habe oftmals die Erzählung gehört, daß man in einer ganz be­sonderen Weise abends manchmal seinen Seelenzustand prüfen kann, indem man, wenn man nach Hause kommt, sich ins Bett legt und den Zylinder auf die Bettdecke legt. Ist der Zylinder einfach vorhanden, so ist man nüchtern, ist er doppelt vorhanden, so ist man entschieden betrunken. - Nun, wer in Dornach die Christus-Figur oben mit luzi­ferischen Zügen sieht und unten mit tierischen Merkmalen, der war gewiß in der Lage eines Mannes, der zwei Zylinderhüte sieht, wenn er einen auf die Bettdecke gelegt hat.

Die Sache hat einen sehr ernsthaften Hintergrund, denn das schreibt ein Mensch, welcher ein christlicher Missionsprediger ist. Das erscheint in einer Schrift, in der andere Sachen stehen von gleichem Wahrheits­gehalt. Der Mann wurde vor einiger Zeit von einer theologischen Fakul­tät zum Dr. theol. gemacht. Der Mann lehrt an einer theologischen Fakultät, wo er als Dozent eingeschrieben ist. Sie können sich vorstel­len, von welchem Wahrheitsgehalt die Lehre eines Menschen durch­drungen sein kann, der ein solches Verhältnis zur Wahrheit hat und der behauptet, er hätte das gesehen, was er da beschreibt.

So steht es heute mit der Wahrhaftigkeit derjenigen, die offiziell das Christentum vertreten wollen. Ich frage Sie: Beweisen nicht gerade diese christlichen, das heißt antichristlichen Vertreter - antichristlich wegen ihres unwahrhaftigen, verlogenen Sinnes - die Notwendigkeit einer Erneuerung des Christentums? Sind diese Leute nicht der leben­dige Beweis dafür, daß das Christentum einer Erneuerung bedarf? Vielleicht ist es auch aus diesem Grunde heraus am meisten begreifbar, warum man an diesen Leuten die schärfsten Feinde hat: weil heraus­kommen soll, was für Christen diese Menschen sind! Das wollen sie natürlich nicht. Sie wollen weiter im trüben fischen, wollen ihre Ver­leumdungen und Unwahrheiten überall verkündigen und dann selber als Leuchten des Christentums dastehen.

Das sollen wir uns heute ins Herz schreiben: Wir haben nötig, wenn wir an das Weihnachtsmysterium denken, tatsächlich auf eine Geburt hinzuschauen. Wir haben nicht bloß zu schwätzen über das Weihnachtsfest

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und auch nicht bloß zu schwätzen in unserer Empfindung, sondern wir haben hinzuschauen auf etwas, was in unserer Zeit neu geboren werden muß. Das wahre Christentum, wahrhaftig, es muß neu geboren werden. Wir brauchen ein Weltenweihnachtsfest. Geisteswissenschaft will sein dasjenige, was ein Weltenweihnachtsfest unter den Menschen in der richtigen Weise vorbereitet.

ZWEITER VORTRAG Stuttgart, 6. Januar 1921

#G203-1989-SE033 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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ZWEITER VORTRAG

Stuttgart, 6. Januar 1921

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Es kommt heute alles darauf an, dasjenige, was als Erkenntnisse und als Seelenimpulse durch die Geisteswissenschaft fließen will, in wirk­lich lebendiger Weise in das Dasein einzuführen. Immer wieder muß es betont werden, daß gegenüber den großen Aufgaben der Gegenwart es nicht genügt, irgendwie theoretisch sich zu unterrichten über die Wahrheiten, welche dem Menschenleben, dem Weltendasein zugrunde liegen und die man aus anthroposophischer Geisteswissenschaft ge­winnen kann, sondern daß es sich darum handelt, im konkreten Leben zu sehen, wie die Zusammenhänge sind, und aus den geisteswissen­schaftlichen Untergründen heraus das Leben selbst zu verstehen. Die Menschheit hat sich durch Jahrhunderte hindurch gewöhnt, von dem Wirklichen nur einen Teil zu sehen. Und gerade dadurch sind nach und nach jene Menschenstimmungen vorbereitet worden, die dann hinein-geführt haben in das gegenwärtige katastrophale Leben. Die Menschen stehen ohne Verständnis des Lebens, ohne dasjenige Verständnis des Lebens heute im Dasein drinnen, welches verlangt wird von der gegen­wärtigen Entwickelungsstufe der Menschheit.

Wir werden ja ganz gewiß als Bekenner anthroposophischer Geistes­wissenschaft leicht vordringen zu der Überzeugung von den wieder­holten Erdenleben, von der Verursachung dessen in einem früheren Leben, was - trotz des vollen Bestandes der Freiheit - mit einem Men­schen vorgeht, oder was ein Mensch unternimmt in seinem jetzigen Leben. Wenn es sich aber darum handelt, das konkrete Leben zu begrei­fen, dann fügen wir uns allzuleicht den Vorstellungen, die die letzten Jahrhunderte hervorgebracht haben und die ja eigentlich zum Ergreifen des Menschenlebens durchaus nicht ausreichen, die ganz geeignet sind, gewisse Tatsachen des natürlichen Geschehens zu begreifen, die aber stumpf sind gegenüber der ganzen Kompliziertheit des Menschenlebens. Und man möchte sagen: Am weitesten zurückgeblieben hinter dem, was heute Lebensforderung ist, ist eigentlich das wissenschaftliche Leben. Aber dieses wissenschaftliche Leben übt wiederum einen großen Einfluß

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aus auf das Denken der breitesten Menschenmassen. Ich habe gar nicht, wenn ich von der Wirkung dieses wissenschaftlichen Lebens rede, diejenigen im Auge, die zur Wissenschaft in irgendeiner Beziehung stehen. Ich habe die ganze breite Masse der Menschheit im Auge, die sich in den wichtigsten Lebensfragen den autoritativen Weisungen der­jenigen fügt, die nun einmal durch die äußeren Einrichtungen berufen erscheinen, über diese oder jene Dinge zu urteilen. Dann richtet man sich nach solchen Urteilen. Aber in solchen Urteilen ist nichts enthalten von einem wirklichen Verständnis des Menschenlebens. Es muß hinein-getragen werden in dieses Menschenleben dasjenige, was aus anthropo­sophischer Geisteswissenschaft fließen kann. Vor allen Dingen muß es hineingetragen werden in diejenigen Zweige des öffentlichen Unter­richtes, welche die Grundlage abgeben für das Verständnis des Lebens.

Wenn heute der eine oder der andere herantritt an Geisteswissen­schaft, so fängt er an, das, was den wiederholten Erdenleben zugrunde liegt, zu begreifen. Wenn er aber dann sich unterrichten will über das­jenige, was in der Gegenwart vorgeht, und wenn er außer anderem viel­leicht an die Geschichte herantritt - ich meine jetzt unter Geschichte das, was zur Bildung der breitesten Masse gehört -, dann herrscht gerade in dem, was da Geschichte ist, jene Denkweise, die nur geeignet ist, die Naturdinge und Naturtatsachen zu erklären. Immer mehr ist die Menschheit dazu gekommen, gerade aus der Geschichte alles Geistige herauszustreichen. Und wenn heute jemand sich die Tatsachen erklären will, die aus dem geschichtlichen Leben auf irgendeinem Gebiet hervor­gehen, dann kann er das kaum anders, als daß er sich über dasjenige unterrichtet, was erlebt hat die frühere Generation, die zweite frühere Generation, die dritte Generation und so weiter, hinauf durch die Jahr­hunderte. Wie lernt, um ein konkretes Beispiel herauszugreifen, heute der Deutsche seine Geschichte? Er faßt ins Auge eben die Menschen, die da in Mitteleuropa gelebt haben, zu denen er selber gehört. Er läßt sich er-zählen die Hergänge, die sich abgespielt haben mit diesen Menschen; erver-folgt diese Hergänge hinauf zu den Vätern, Großvätern, Urgroßvätern, zu den früheren Generationen. Er dringt dann vor, rückwärtsgehend, vielleicht bis in die Zeit des Mittelalters. Man hat immer das Bewußtsein, daß man es da zu tun hat mit einer fortströmenden Menschheit, die man

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bis zur Völkerwanderung und so weiter zurückverfolgt, und man will sich erklären, was den Menschen der Gegenwart geschieht, aus dem, was geschehen ist mit Bezug auf diese vorhergehenden Generationen. Man lernt kennen den fortlaufenden Strom des geschichtlichen Wer­dens, wie er sich in der Folge dieser Generationen abspielt. Man hat eigentlich nur den Begriff der Vererbung mit Bezug auf die Menschen, man denkt sich, daß die Söhne gewisse Dinge von ihren Vätern ererbt haben, seien es ihre Eigenschaften, sei es, daß ihnen geblieben ist, was die Väter gestiftet haben und so weiter. Also man geht in der Zeit hin­auf von der gegenwartigen Generation zur vorhergehenden und so fort.

Wenn wir nun die Sache geisteswissenschaftlich ansehen, ist sie denn dann eine volle Wirklichkeit? Liegt denn die Sache nicht so, daß die Seelen, die in den gegenwärtigen Menschenleibern eine Generation sind, durchaus nicht in ihrem früheren Erdenleben in diesem Mitteleuropa verkörpert gewesen zu sein brauchen, daß sie vielleicht ganz woanders unter ganz anderen Verhältnissen verkörpert waren? - Die Kräfte, die sie sich mitgebracht haben aus ihren früheren Verkörperungen, die tragen sie in die gegenwärtigen Leiber herein. Die wirken doch wahr­haftig ebenso wie das, was mit dem Blut heruntergeronnen ist durch die Generationen, die wirken zusammen mit diesen äußerlichen, physisch vererbten Merkmalen. Kann man sich denn der Illusion hingeben, daß man die Gegenwart versteht hinsichtlich ihrer Menschen, hinsichtlich der Tatsachen, die geschehen, wenn man nur ein Stück Wirklichkeit, nicht die volle Wirklichkeit ins Auge faßt, wenn man sich nicht sagt: In den Menschen der Gegenwart leben eben Seelen, in denen Kräfte walten, die uns durchaus nicht zurückführen durch die Generationen, sondern die uns vielleicht in ganz andere Regionen führen, wo diese Seelen in einem früheren Leben waren? - Man versteht nicht, was auf der Erde vorgeht, wenn man nicht im konkreten Sinne ernst nimmt dasjenige, was in der Anerkennung der Tatsache der wiederholten Erdenleben liegt. Man kann nicht in ehrlicher Weise auf der einen Seite ein abstrakter Bekenner der wiederholten Erdenleben sein und auf der anderen Seite Geschichte so betrachten, wie sie heute betrieben wird. Da schneidet man eben mitten auseinander auf der einen Seite das äußere Leben, in dem man sich ganz fügt dem Traditionellen, und auf

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der anderen Seite dasjenige, was man eigentlich für das Wesentliche anerkennt. Es muß immer mehr und mehr das Bedürfnis entstehen, die Dinge, die man aus geistigen Untergründen heraus als Wahrheit erkannt hat, wirklich auch im Leben drinnen zu sehen. Weil das so ist, stehe ich nicht an, über gewisse Forschungen auch zu sprechen, die vielleicht heute von manchen Menschen als sehr paradox empfunden werden, die aber durchaus heute verkündet werden müssen, weil heute die Mensch­heit nach dem Begreifen der ganzen Wirklichkeit verlangt, und weil alles, was nicht nach dem Begreifen der ganzen Wirklichkeit hingeht, einfach dem niedergehenden Leben angehört. Es ist ja natürlich schon einmal so, daß die meisten Menschen heute noch, wenn sie sich vor den vollen Ernst der geisteswissenschaftlichen Wahrheiten gestellt sehen, zurückschrecken. Die Dinge kommen ihnen zu kühn vor. Es ist ihnen ein zu weiter Weg von dem, was sie gewohnt sind zu denken und zu empfinden, zu dem, was die Geisteswissenschaft sagt. Daher nippen sie vielleicht an dieser Geisteswissenschaft, aber sie kommen nicht bis zum vollen Ernste ihrer Erfassung, denn sie haben nicht den Mut, die Dinge in das Leben wirklich hineinzutragen, nicht einmal in die Betrachtung des konkreten Lebens.

Ich muß da etwas noch einmal betonen, auf das ich öfters aufmerk­sam gemacht habe, bevor ich die folgenden Auseinandersetzungen gebe. Ich sagte schon öfters: Derjenige, der etwas finden will in geistiger Er­forschung aus den geistigen Welten heraus, der muß sich wohl hüten vor bloßen Begriffskombinationen oder Ideenverbindungen. Denn das, was man sich vorstellt, ist gewöhnlich das Gegenteil der Wahrheit oder wenigstens etwas, was sehr abweicht von der Wahrheit. Gerade die tieferen Wahrheiten erscheinen zunächst paradox. Sie können nur ge­funden werden durch wirkliches Erlebnis, durch wirkliche Erfahrung.

Wir wollen also einmal ernst nehmen die Frage: Wie steht es denn, wenn wir von wahrer Geisteswissenschaft aus die Verhältnisse der Gegenwart, die Menschen der Gegenwart betrachten, mit den Menschen dieser Zivilisation, die in solch eine Katastrophe hineingeführt hat? -Ich bemerke ausdrücklich, daß dasjenige, was ich über Dinge, die ich auch jetzt besprechen will, im einzelnen da oder dort schon angedeutet habe, durchaus so ist, wie ich es angedeutet habe. Aber natürlich kann

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man das, was das Feld einer weitausgreifenden Wirklichkeit ist, nur charakterisieren, indem man immer Einzelheiten anführt.

Ich habe ja öfters darauf aufmerksam gemacht, wie in der Gegen­wart viele Seelen leben, die in einem früheren Leben in den ersten Jahr­hunderten des Christentums mehr im Süden von Europa inkarniert waren, und die jetzt mehr in Mitteleuropa verkörpert sind. Das ist durchaus eine Wahrheit, allein es bezieht sich nur auf eine gewisse An­zahl von Seelen. Ich will heute das vor Sie hinstellen, was sich auf große Teile der gegenwärtigen Erdenbevölkerung bezieht. Da kommen wir zu der Frage, und dasjenige, was ich als Antwort geben werde auf diese Frage, beruht eben auf wirklicher, intensiver geistiger Forschung: Wo waren denn die Seelen eines großen Teiles, geradezu das Gros der euro­päischen Westbevölkerung und auch eines großen Teiles der mittel­europäischen Bevölkerung bis weit nach Rußland hinein in einem frü­heren Erdenleben? - Wenn man diese Frage gewissenhaft untersucht mit den zur Verfügung stehenden geistigen Forschungsmitteln, dann stellt sich heraus, daß man es zu tun hat mit Seelen, die ein verhältnis­mäßig kürzeres Leben durchgemacht haben zwischen dem letzten Tod und dieser Geburt. Man wird nach Westen hinübergeführt. Man wird dort hingeführt auf seinen Forschungswegen, wo nach der Entdeckung Amerikas ja ein großer Teil der europäischen Bevölkerung dieses Amerika besiedelt und die Urbevölkerung ausgerottet oder wenigstens außerordentlich zurückgedrängt hat. Man wird in die Jahrhunderte der Eroberung Amerikas geführt, zu denjenigen Seelen, die in den Indianer-leibern waren, über die sich die Eroberungen ergossen haben. Man wird, was ich zu sagen habe, nur verstehen, wenn man diese von den Euro­päern ausgerotteten Indianer in der richtigen Weise beurteilt. Gewiß, in dem Sinne waren das nicht gebildete Leute, in dem man jetzt unter uns Bildung auffaßt, aber es war etwas in diesen Seelen, was ich bezeich­nen möchte als eine universelle pantheistische religiöse Empfindung. Gerade bei diesen Indianern, nicht gerade bei den entarteten Leuten, aber bei denen, die dort das tonangebende Element bildeten, hat man angetroffen ein religiöses Gefühl, das sich richtete auf eine geistige Wesenheit, monotheistisch sogar, das einen einheitlichen Geist in den Naturerscheinungen und auch in den Taten der Menschen lebendig und

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intensiv empfand. Diese Seelenstimmung muß man ins Auge fassen und muß durch manches Vorurteil wie durch Gestrüpp hindurch begreifen, daß man in diesen Seelen doch etwas anderes zu sehen hat als das, was man nur dann im Indianer sieht, wenn man ihn nach äußerlicher, natu­ralistischer Methode gewissermaßen wie ein halbes Tier ansieht. Und die Seelen dieser ausgerotteten, besiegten Indianerbevölkerung leben heute in dem Gros der westeuropäischen und mitteleuropäischen Men­schen bis weit nach Rußland hinein. Wir begreifen nicht, wie die Wirk­lichkeit ist, wenn wir nicht dieses uns scheinbar so paradox Anmutende zu unserem Verständnis bringen.

Das waren Seelen, die in ihrer früheren Inkarnation nichts vom Christentum gehabt haben. Dem Gros der europäischen Bevölkerung ist daher das Christentum auch nicht etwas, was schon in ihren Seelen lag vor der gegenwärtigen Geburt oder Empfängnis. Es ist ihnen aner­zogen, allerdings anerzogen zum großen Teil mit den Lauten der Spra­che. Es ist etwas, was äußerlich erworben ist. Die Art, wie das Christen­tum eigentlich in den heutigen europäischen Seelen lebt, wird derjenige verstehen, der weiß, daß in dem Gros dieser Seelen in einem früheren Erdenleben gar nicht christliche Impulse vorhanden waren, sondern die Impulse, die nach dem großen, universellen Geiste mit einer Art pan theistischer religiöser Empfindung hingingen. Allerdings hat sich ja in diese Bevölkerung vieles hineingemischt von Seelen, die mehr vom Süden heraufkamen, die eben in den ersten Jahrhunderten des Chri­stentums in mehr südlichen Gegenden Europas verkörpert waren, die in nordafrikanischen Gegenden gelebt haben und die dann wiederverkör­pert sind in diesem Gros, das ich eben bezeichnet habe. Aus diesen zwei Seelenarten setzt sich in der Hauptsache das zusammen, was west- und mitteleuropäische Bevölkerung ist, wie gesagt, bis weit nach Rußland hinein. Wir müssen uns klar sein darüber, daß wir zu studieren haben die Art und Weise, wie sich eine Seele äußert in der Gegenwart, wie ihre Aspirationen sind, wie ihre Art des Denkens ist. Um das alles zu wissen, müssen wir uns davon unterrichten, daß ein großer Teil der gegen­wärtigen Bevölkerung nur begriffen werden kann, wenn wir nicht bloß wie gang und gäbe Geschichte in der Generationenströmung hinnehmen, sondern wenn wir wissen, daß in denjenigen Leibern, die allerdings in

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bezug auf die bloße Blutsverwandtschaft zurückgehen auf ihre Väter, Großväter, Urgroßväter und so weiter bis hinauf in die Zeiten Karls des Großen und weiter zurück, Seelen tätig sind, ihnen die ganze see­lische Konfiguration gebend, welche im fernen Amerika gelebt haben und von Europäern überwunden worden sind.

Wir haben noch eine andere Wahrheit, die sich ergeben kann durch eine solche geistige Forschung. Wir können zurückblicken auf diejenige Bevölkerung, welche in Europa zur Zeit der Völkerwanderung, etwas früher und etwas später, vorhanden war, also gerade auf die europä­ische Bevölkerung, die vom Süden her das Christentum entgegenge-nommen hat, es entgegengenommen hat in der Form, die noch eine andere war als heute, da es noch durchaus durchsetzt war mit elemen­taren, ursprünglichen inneren Seelenkräften, da es eine imponderable Macht war, die innerhalb des ganzen Lebens wirkte. Es war noch nicht von abstrakter, verstandesmäßiger Theologie durchsetzt, es war etwas, was vor allen Dingen auf die Grundempfindungen der Seele wirkte. Diese Seelen, die in dem damaligen Europa vorhanden waren und die in dieser Weise das Christentum entgegengenommen haben, sind nun nach einem Leben zwischen Tod und neuer Geburt, das etwas länger dauerte als bei anderen, weil eben gerade durch diese besondere Art der Seelenbildung, die da in die Menschen hineingekommen ist, dieses Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt verlängert wird, diese See­len sind heute zum großen Teil in Asien drüben verkörpert. Insbeson­dere sind viele von diesen Seelen, die gerade durchchristet worden sind in der bezeichneten Zeit, in japanischen Leibern heute verkörpert. Wer dieses eigentümliche Leben in Asien, das ja heute wirklich viele Rätsel bietet, verstehen will, muß sich darüber klar sein, daß in Asien heute gerade viele Seelen leben, die im vorigen Erdenleben in einer gewissen Gestalt die christlichen Empfindungen aufgenommen haben, die diese christlichen Empfindungen hineingetragen haben in gegenwärtige orientalische Leiber, die umgeben waren von Kindheit auf schon durch die Sprache von dem, was in Dekadenz aus älterer orientalischer Kul­tur geblieben ist. Ich möchte sagen, es lebt etwas von wahrem Christ­lichen in dem Durchdringen des Christlichen, dem solche Seelen früher unterworfen waren, gegenüber dem, was an ihr Ohr heranklingt, was

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an ihr Gemüt herantönt von der dekadenten orientalischen religiösen und sonstigen Kulturwelt. Selbst bis zu den Gebildeten, bis zu den Allergebildetsten hinauf, läßt sich das verfolgen, und man gewinnt eigentlich nur ein Verständnis, wenn man es so verfolgt. Es wird einem erst klar, was eine solche Persönlichkeit wie Rabindranath Tagore eigentlich bedeutet, wenn man sich klar ist darüber: Auch das ist wohl eine Seele, die in einem früheren Erdenleben europäisch christlich war, die aus dieser europäischen Christlichkeit eine gewisse Wärme der Empfindung durch alles ergießt, was sie von sich gibt. - Dagegen fließt dann aus dem dekadenten Orientalismus alles dasjenige, was gerade bei Tagore einem entgegentritt in seinem koketten Wesen, in dieser Kultur­koketterie. Es ist ja eine merkwürdige Zwitterbildung in dieser Persön­lichkeit gerade des Tagore. Auf der einen Seite wird man immer, wenn man ein natürliches, gesundes Empfinden hat, aufmerksam darauf, daß da alle heutige orientalische Koketterie vorhanden ist, dann aber wie­derum zieht einen die ungeheure Seelenwärme an.

Es geht eben heute nicht, bloß obenhin naschend zu nehmen, was sich einem theoretisch darbietet als die Anschauung von den wiederholten Erdenleben. Das ganz konkrete Leben will heute so betrachtet werden, wenn dies auch eigentlich den Menschen heute noch unbequem ist. Denn im Grunde zittern die Menschen heute davor zurück, sich selber kennen­zulernen. Sie versuchen gar nicht, das, was sie sich abstrakt vorhalten, auch im wirklichen Leben zu sehen. Gewissermaßen fühlt sich der Mensch geniert, so in sein Wesen hineinzuschauen. Er möchte nicht so vor der Welt dastehen, wie er wirklich ist. Daher verpönt er es, die Realitäten auf diesem Gebiete wirklich zu untersuchen. Was das gegen­wärtige Leben an Verworrenheit, an Rätseln hat, es wird verständlich, wenn man solche Dinge in Erwägung zieht, wie ich sie Ihnen jetzt vorlegte.

Aber nehmen wir eine andere Bevölkerung. Gerade wenn der Gei­stesforscher solche Untersuchungen gemacht hat, deren Ergebnisse ich Ihnen jetzt eben gesagt habe, wird er zu der Frage getrieben: Was ist denn eigentlich geschehen mit derjenigen Bevölkerung, die zeitlich etwas weiter zurückliegt, in Asien drüben? - Es ist ja beim geistigen Forschen so, daß man irgendwo, gedrängt durch das Leben, durch

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irgendeine Rätselfrage, die sich einem aufgibt, das angreift, was man erforschen kann. Erst ist es das Leben, das einen hinführt, an irgend­einer Stelle mit der Forschung einzusetzen, dann entzündet sich das Schauen daran. Eine Frage bringt einen auf ein anderes Gebiet, und man kann dann nur sagen: Es stellt sich zuletzt schon als sinnvoll her­aus, warum man so getrieben wird von einer Frage, von einem Ergeb­nis zu dem anderen. Man wird gewissermaßen aufmerksam: Wenn du erforschen willst, was aus den Indianerseelen geworden ist, was aus anderen Seelen der früheren europäischen Bevölkerung geworden ist, dann mußt du die Frage stellen, und sie wird sich dir beantworten: Was ist aus denjenigen Seelen geworden, die mit der besonderen Bildung der damaligen Zeit in Vorderasien, in Asien überhaupt, in Afrika waren, als das Christentum entstanden ist, also in der Zeit, da sich das Mysterium von Golgatha abgespielt hat? - Ich meine nicht diejenigen Seelen, welche die Lehren von dem Mysterium von Golgatha aufgenom­men haben, sondern die Seelen, die sie nicht aufgenommen haben, die die alte orientalische asiatische Kultur fortgepflanzt haben. Von dem Bestand dieser alten orientalischen asiatischen Kultur - heute ist sie in der Dekadenz -, in der Zeit, als sich das Mysterium von Golgatha ab­gespielt hat, hat man ja nicht immer einen genauen Begriff. Es war bei sehr vielen Menschen eine durchgeistigte, eine sehr durchgeistigte Kul­tur. Die schloß bei sehr vielen Menschen die Fähigkeit in sich, sich sehr klare Vorstellungen zu machen über gewisse Zusammenhänge der gei­stigen Welten. Was aus dem Menschen wird, wenn er sich vom Christen­tum durchziehen läßt, das war natürlich bei denen, von denen ich jetzt rede, nicht vorhanden. Aber es war ein sehr stark von Bilderbegriffen durchsetztes Verstehen geistiger Zusammenhänge da. Es war eine in hohem Grade spirituelle Weltanschauung, der diese Menschen angehör­ten, eine Weltanschauung, die sie dazu brachte, in vieler Beziehung nur die geistige, die spirituelle Welt für die wahre, für die erstrebenswerte zu halten und in einer gewissen Weise zu fliehen die Welt der äußeren sinnlichen Wirklichkeit. Es waren Menschen, die viele Spekulationen anstellten, aber Spekulationen, die zum Teil noch genährt waren aus alten, instinktiven hellsichtigen Kräften, Spekulationen über den Her-vorgang der Welt aus den verschiedenen geistigen Entwickelungsstufen

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früherer, urferner vergangener Zeiten. Es waren Menschen, die da sprachen von Äonen, die einander folgten und die immer gröber und gröber, materieller und materieller wurden, bis zuletzt das zustande kam, was das gegenwärtige Gebilde der äußeren physischen, realen Welt ist. Kurz, es waren Menschen, die ernst und tief hinaufschauten in das Geistige. Diese Seelen bereiteten eben gerade durch diese besondere Seelenstruktur, diese Seelenverfassung sich ein längeres Leben vor zwi­schen Tod und neuer Geburt, sie brauchten lange, bis in ihnen wiederum der Trieb erwachte in eine neue Körperlichkeit herunterzusteigen. Und eine Anzahl dieser Seelen, sehr viele derselben sind verkörpert in der heutigen amerikanischen Bevölkerung. Diese amerikanische Bevölke­rung, die in vieler Beziehung gerade neigt zu der Auffassung des prak­tischen, materiellen Lebens, ist in ihrer gesamten Konstitution dadurch hervorgerufen, daß die Seelen früher gelebt haben in einer solchen geistigen Erfassung der Welt, wie ich sie geschildert habe, dann aber untergetaucht sind in eine sehr, sehr dichte Leiblichkeit und die im Grunde genommen jetzt in einer raffinierten Behandlung dieser mate­riellen Welt dasjenige auszuleben suchen, was sie früher in einer feinen Geistigkeit gehabt haben. Man begreift die besondere Art des amerika­nischen Geistes, sich wirklich praktisch und wissenschaftlich her-zumachen über die Dinge der Welt, wenn man weiß, wie das zurückgeht auf ein früheres Hingelenktsein auf die geistige Welt, das heute gerade ins materielle Leben hereingetragen wird, ohne daß man sich dessen bewußt wird, daß man das Geistige im Materiellen erfassen will. Es ist das materielle Gegenbild des Spirituellen, das diese Seelen in ihrem früheren Erdenleben durchgemacht haben.

Sie werden sehen, wie fruchtbar es ist, wenn Sie dasjenige, was Ihnen in dieser oder jener Tatsache, in diesem oder jenem Benehmen von Men­schen der gegenwärtigen Generation entgegentritt, sich dadurch ver­ständlich zu machen versuchen, daß Sie solche Dinge ins Auge fassen, und wenn Sie dabei das Bewußtsein entwickeln: Jetzt erst ergreife ich die volle Wirklichkeit, während ich im Grunde genommen - wenn es auch eine äußerlich wahrnehmbare Abstraktion ist - doch nur vor einer Abstraktion stehe, wenn ich mir erzählen lasse die Geschichte der Generationen.

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Es ist schon notwendig, daß Sie sich klarmachen, wie wenig die große Mehrheit der heutigen Menschheit geneigt ist, in einer solchen Weise wirklich zur Selbsterkenntnis hinzustreben, wie wenig man den Mut findet, hinauszugehen aus demjenigen, was auch in der Geschichte nur die äußerliche, physisch-sinnliche Beobachtung ist. Es ist ja gerade auf dem Gebiete desjenigen, was dann auf dem Wege des Unterrichts in unsere jungen Seelen fließt, so klar zu bemerken, wie die Menschen heute herausgerissen werden aus der ganzen vollen Wirklichkeit des Lebens dadurch, daß ihnen eigentlich überall nur ein Stück der Wirk­lichkeit beigebracht wird. Natürlich ist es für die heutigen Menschen etwas, vor dem sie zurückschrecken, wie wenn sie sich daran verbren­nen würden, wenn man ihnen zumutet, ernst zu nehmen das geistige Leben, das sich in wiederholten Erdenleben für die Seele äußert, und daß sie wirklich absehen sollen von dem bloß Äußerlichen. In dieser Beziehung erlebt man ja heute geradezu die unglaublichsten Dinge in dem, was einem von den wissenschaftlichen Führern der heutigen Menschheit entgegentritt. Natürlich ist noch nicht die Zeit gekommen, um solche Dinge, wie ich sie eben jetzt auseinandergesetzt habe, gerade­zu in öffentlichen Vorträgen zu sagen. Aber man muß heute schon ziemlich weit gehen in öffentlichen Vorträgen. Ich habe zum Beispiel neulich in Zürich ungefähr das auseinandergesetzt, was ich auch hier am Dienstag im öffentlichen Vortrag dargelegt habe, und habe, um mich verständlich zu machen, in welcher Sphäre das spielt, was der Geistesforscher zur Ausbildung seiner Methoden an besonderen inneren Seelenübungen durchmacht, gesagt: Das fließt in eine Sphäre, die durch­zogen sein muß vom inneren Willen des Menschen, von innerer Klar­heit, wie es sonst nur beim Verfolgen der mathematischen Ableitungen, beim Verfolgen der Wahrheiten des Mathematischen der Fall ist. -Diesen Vortrag hat sich ein Zürcher Wissenschafter angehört, wahr­haftig nicht der schlechteste, sondern einer, der sogar zu den Begab­teren gehört. Aber unter manchem anderen, wirklich recht Stumpfen, was er dann in einem ausführlichen Feuilleton der #SE203-044

werden müssen, wie es nachgebildet ist dem klaren Seelen-verfahren in der Ausbildung mathematischen Urteils. - Dazu sagt die­ser Gelehrte, es ist sogar ein junger Gelehrter, also eine «hoffnungsvolle Leuchte» für die Zukunft, und man kann wirklich gar nicht seines Erstaunens Ende finden, wenn man so etwas von einem Menschen liest, der ernst genommen werden will: Die Gewißheit der Mathematik bezieht sich ja eigentlich nur darauf, daß man die mathematischen Ge­bilde miteinander verbindet. Wenn man den Punkt hat und die Linie hat und den Winkel, kann man Punkt und Linie und Winkel verbinden, dann bekommt man Wahrheiten, Gewißheiten heraus. Aber der Punkt und die Linie sind doch selber ungewiß, geradeso wie das Atom und das Molekül ungewiß sind.

Der Mann glaubt, etwas furchtbar Gescheites zu sagen, aber es ist nur charakteristisch dafür, wie verrenkt eigentlich das Denken des gegenwärtigen Wissenschafters ist. Denn wenn sich jemand mit ge­raden, gesunden Sinnen darauf beruft, daß in dem Verfahren der Seelenübungen bei anthroposophischer Forschung mathematische Klar­heit ist, geht ihn ja alles das nichts an, was man nun diskutieren kann über die Gewißheit der Linienzusammenhänge und die Ungewißheit eines einzelnen Punktes. Das ist ja ganz gleichgültig, was solch ein philosophischer Privatgelehrter denkt über die Gewißheit von Punkten und Linien und so weiter. Lasse man das gewiß oder ungewiß sein, was s:ch solch ein Mensch vorstellen will. Aber man lebt in einer gewissen Seelenstimmung, wenn man sich den pythagoräischen Lehrsatz klar-macht. Was man da durchmacht, dem wird nachgebildet die anthropo­sophische Methode, gleichgültig, was man darüber streiten kann, ob das Dreieck des pythagoräischen Lehrsatzes gewiß ist für sich oder ob sein eines Quadrat gewiß ist für sich.

Also man muß sich schon klar sein darüber, daß man da tatsächlich zumeist keine Brücke schlagen kann zu einem solchen Gelehrten, denn diese «Verstande» sind ganz und gar verbildet durch dasjenige, was eben von der Gegenwart herangezüchtet worden ist. Aber auf der anderen Seite ist es schon dringend notwendig, daß Wirklichkeitssinn in unser ganzes Leben hereinkommt. Ohne diesen Wirklichkeitssinn kommen wir nicht weiter. Daher muß derjenige, der es nun ehrlich

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meint mit den Wahrheiten und Erkenntnissen der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft, nicht zurückschrecken davor, die­jenigen Dinge, die er vielleicht im Abstrakten ganz gut begreift wie die Lehre von den wiederholten Erdenleben, auch in das konkrete Leben hereinzutragen. Dabei bleibt es durchaus richtig, daß man gerade die Dogmen, das heißt, die abstrakte Dogmenform der Wahrheit eigentlich so spät wie möglich ausbilden soll. Es bleibt zum Beispiel durchaus rich­tig, daß so etwas wie unsere Waldorfschule keine Weltanschauungs-schule sein soll. Es handelt sich daher dort viel weniger darum, daß irgendwie der abstrakte Gedanke der wiederholten Erdenleben schon begriffen werde von den jungen Seelen. Aber es läßt sich, ohne daß man diesen abstrakten Gedanken berührt, einfach indem man selber im Hin­tergrund hat solche Erkenntnisse, wie ich sie heute dargelegt habe, das geschichtliche Leben im Unterricht beleuchten und zum Verständnis bringen. Dann wird etwas ganz anderes in den Gemütern dieser Seelen leben, die vielleicht ganz ohne die Theorie und Dogmatik von den wie­derholten Erdenleben eine solche geschichtliche Darstellung übermittelt bekommen, leben einfach dadurch, daß man die Methoden findet, das Leben der Gegenwart so zu beschreiben, wie man es selber versteht, indem man den Zusammenfluß von ganz fremdem Seelenleben mit dem findet, was in der Generationenfolge durch das Blut leiblich in gerader Strömung aus der Vorzeit heruntergeflossen ist.

Es kommt heute darauf an, vom Geiste nicht nur zu reden, sondern das Verständnis des Geistes wirklich so weit zu treiben, daß man das Wirken dieses Geistes im konkreten, im materiellen Dasein findet. Unsere Wissenschaften haben überall eine abstrakte Form angenom­men, selbst da, wo sie bloß nur so herumplätschern im äußerlichen Hantieren. Da ist das, was man im äußerlichen Hantieren entwickelt, wenn es auch eine anschauliche Abstraktion ist, doch ebenso eine Ab­straktion, wenn man es ohne das zugrundeliegende Geistige hat. Und wer einwendet: Da muß man ja glauben denjenigen, die da schauen das geistige Leben; man kann ja die Initiationswissenschaft nicht so einfach erlangen wie etwas anderes! - der steht im Grunde genommen mit einem solchen Einwand auf dem Standpunkt des Pfarrers und Professors Traub, der da sagt, daß ich Dinge, die mich im Grunde genommen wenig

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berühren, wie zum Beispiel die Geburt Alexanders des Großen, nicht selbst erlebt zu haben brauche, daß ich aber das, was ich als mich un­mittelbar angehend anerkennen soll, selbst erlebt haben oder selbst er­leben können muß, denn das will ich nicht bloß annehmen als das Erlebnis eines anderen. - Ich möchte Leuten, die solche Logik haben, nur empfehlen, einmal nachzusehen, wann sie das ihnen persönlich doch wohl naheliegende Datum ihrer eigenen Geburt in ihr Tagebuch ein­geschrieben haben, ob da nicht doch ein Faktum vorliegt, das ihnen dem persönlichen Leben nach sehr naheliegt und das sie auf keine andere Weise zu ihrem Bewußtsein bringen können als auf Treu und Glauben anderer hin! - Dies zunächst über das Ablehnen des sogenannten Autori­tätsprinzips. Aber man soll es nur einmal versuchen, den Weg aufzu­finden, der schon durch den gesunden Menschenverstand zum Verstehen desjenigen führt, was Geisteswissenschaft bietet. Man soll nur die Dinge einmal gründlich und intensiv ernst nehmen, dann wird man sehen, daß selbst zu solch anscheinend paradoxen und abgelegenen Wahrheiten, wie ich sie heute vorgebracht habe, dem unbehinderten, ungehemmten gesunden Menschenverstand der Zugang schon möglich ist. Allerdings, wenn man sich den gesunden Menschenverstand durch jene Mauern verbaut, welche aufgerichtet werden, indem man Geschichte nur be­trachtet als ein System, sei es physisch, dem Blute nach vererbter Men­scheneigenschaften, oder sei es im fortlaufenden Strom auf einem Ge­biete sich abspielender Ereignisse, solange man sich verbaut das Ver­ständnis für die Wirklichkeit durch solche Vorurteile, wird man eben an diese Wirklichkeit nicht herankommen können. In dem Augenblick aber, in welchem man sich dem gesunden Menschenverstande übergibt in der richtigen Weise, wenn man nur anfängt, begreifen zu wollen, wird man sehen, was da lebt in den Seelen der Gegenwart. Man begreift es nicht als bloß herkommend aus dem Blut durch Vererbung oder aus dem innerhalb der Generationenreihen fortfließenden Strom, wenn man es nur begreifen will. Allerdings handelt es sich darum, daß man den Mut findet, heranzugehen an die Dinge. Findet man aber diesen Mut, dann wird man über die bloßen Abstraktionen hinaus zum kon­kreten Ergreifen der Wahrheiten schon kommen.

DRITTER VORTRAG Stuttgart, 9. Januar 1921

#G203-1989-SE047 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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DRITTER VORTRAG

Stuttgart, 9. Januar 1921

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Ich habe das letzte Mal hier darauf aufmerksam gemacht, wie aus der Verkörperung der Seelen zu verstehen sind die Verhältnisse über die heutige zivilisierte Erde hin. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, wie dasjenige, was anthroposophische Wahrheiten sind, gesehen werden muß in der äußeren Wirklichkeit, wie Ernst gemacht werden muß mit demjenigen, was uns hindert, was uns davon abhält, zum Beispiel die geschichtliche Entwickelung der Menschheit so zu nehmen, wie sie heute vielfach genommen wird: bloß als eine Art von Fortwirken der außen wahrnehmbaren Mächte durch die Generationen hindurch. Man muß sich eben durchaus darüber klar sein, daß dasjenige, was mit dem Blute durch die Generationen fließt, nicht erklärt die Ereig­nisse der Gegenwart. Diese Ereignisse werden einzig und allein er­klärt, wenn man sich bewußt ist, daß ja die Seelen aus ganz an­deren Gegenden herkommen als aus denjenigen, in denen die leiblichen Vorfahren der gegenwärtigen Menschheit irgendeines Territoriums gelebt haben. Wir haben versucht, darüber einiges Licht zu verbreiten. Heute will ich diese ganze Situation, die wir gekennzeichnet haben für unser Erdendasein, von einer anderen Seite her noch einmal besprechen.

Ich werde dabei allerdings auf manches hinzuweisen haben, was schon in vorangehenden Vorträgen von verschiedenen Gesichtspunkten aus durchgeführt worden ist. Allein es handelt sich ja gegenwärtig durchaus darum, daß wir immer mehr und mehr innerliche Impulse bekommen, um den Aufgaben der Gegenwart gewachsen zu sein. Dieses Gewachsensein, das kann nicht kommen, wenn nur wenige Menschen in allem Ernste ahnen, worin die großen Aufgaben der Gegenwart bestehen. Wir leben einmal in einer Zeit, in der vielen Menschen das­jenige aufgehen muß, was zu geschehen hat. Und daher muß daran gearbeitet werden, daß möglichst viele Menschen dasjenige durch­dringen, was eben in der Gegenwart gewußt, gewollt, empfunden wer­den soll, damit die Menschheit zu einer Art von Aufstieg kommen

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könne. Denn Nicht-Aufsteigenwollen bedeutet in der heutigen Zeit Niedergehenwollen.

Nun ergibt sich aber auch noch eine andere Erkenntnis mit Bezug auf das Einkörpern der Seelen in Gegenwartsleiber, als diejenige ist, von der ich das letzte Mal gesprochen habe.

Ich habe ja schon in früheren Vorträgen angedeutet, daß deutlich bemerkbar ist für die geisteswissenschaftliche Erforschung, wie viele Seelen, die jetzt gewissermaßen aus geistigen Welten herunter sollen in physische Leiber, dieses Einkörpern in die physischen Leiber mit einer Art von Abneigung, mit einer Art von Antipathie betrachten. Es ist in der Gegenwart - und das liegt ja gerade unseren gegenwärtigen Erden-verhältnissen zugrunde - schon eine gewisse Antipathie vorhanden für die menschlichen Seelen, wieder herunterzukommen in physische Lei­ber. Es ist ja selbstverständlich, daß man, indem man dieses andeutet, von Seelenerlebnis sen spricht, die der Einkörperung in physische Leiber vorangegangen sind und die nicht dem gewöhnlichen heutigen Gedächt­nis angehören, so daß, was man in dieser Art charakterisiert, vielen Menschen heute unbewußt ist. Aber es kann bewußt werden, wenn das­jenige, was aus der Geistesforschung heraus geboren wird, gemessen wird an den Erscheinungen des Tages, an den Erscheinungen der Gegen­wart. Wir sollten überhaupt dieses Messen von Erkenntnissen, die aus der Geistesforschung kommen, an den Vorgängen der Gegenwart eigent-lich recht, recht ernst nehmen.

Die Gegenwart ist im Grunde genommen eine Zeit, die nicht so an die Menschen herantritt, wie verflossene Zeiten an sie herangetreten sind. Sie wissen ja, ich bin durchaus abgeneigt, die Phrase mitzumachen von einer «Übergangszeit» - man lebt nämlich immer in einer Über­gangszeit. Es kommt nur darauf an, was übergeht. Und weniger kommt es darauf an, daß man die Phrase breittritt, daß man in einer Über­gangszeit lebt, als darauf, daß man gerade in dieser Gegenwart erkennt, was von der Vergangenheit her als zu überwindend in die Gegenwart hereinkommt, was für die Zukunft vorbereitet werden muß. Und da muß man schon sagen: Dieses 20. Jahrhundert, in dem wir leben, das ist so beschaffen in seinen Verhältnissen zur sich entwickelnden Mensch­heit, daß die Menschheit dadurch, daß sie in diesem 20. Jahrhundert

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zum Teil lebt, daß also diejenigen Seelen, die in physischen Leibern sind, etwas ganz Besonderes durch dieses Leben auf der Erde erfahren sollen. Die Erlebnisse sollen bedeutsam sein, entscheidend sein in einer gewissen Weise. Versuchen Sie nur einmal, dasjenige, was in der Gegen­wart erlebt werden kann, zu vergleichen mit den Menschheitserleb­nissen voriger Zeiten, und Sie werden darauf kommen, daß es zwar vielleicht von manchem leichtfertig gesprochen ist, wenn er sagt: Was sich im 20. Jahrhundert bisher zugetragen hat, duldet keinen Vergleich mit vorhergehenden Ereignissen derjenigen Geschichte, die man ver­zeichnet hat in den menschlichen Annalen. - Aber gerade wenn man tiefer hineindringt in die Ereignisse der Gegenwart, so muß man bemer­ken, daß dieses so ist, daß allerdings in unserer Zeit für die Menschheit Dinge erfahren werden sollen, welche sich nicht vergleichen lassen mit den Dingen früherer Zeiten.

Man könnte nun vieles herausgreifen aus den Vorgängen der Gegen­wart, um das zu erhärten, was ich eben gesagt habe. Aber ich will nur Weniges anführen. Gerade vom Gesichtspunkte desjenigen Erdengebie­tes, in dem wir leben, und die Dinge mehr vom geistigen Standpunkte aus jetzt augenblicklich betrachtend, können wir sagen: Es ist doch etwas im Grunde genommen vielleicht erschreckend zu Nennendes, daß in diesem Mitteleuropa mit einer so ungeheuren Raschheit die Verwand­lungen vor sich gegangen sind, die sich eben vollzogen haben etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in unser 20. Jahrhundert hinein. Man beachtet nur gewöhnlich nicht, was da alles geschehen ist. Derjenige, der für so etwas eine Empfindung hat, der kann vergleichen die ganze Art und Weise, wie die Menschen Mitteleuropas vor siebzig, achtzig Jahren gedacht haben und wie sie heute denken, namentlich aber wie sie damals empfunden haben und wie sie heute empfinden. Es ist ein ganz deutlicher äußerer Unterschied. Die Seelenverfassung gerade der mitteleuropäischen Menschheit hat sich außerordentlich geändert. Und zu dem kommt noch etwas anderes hinzu. Gewiß, die Menschen, wenig­stens die meisten Menschen, verschlafen ja die wichtigsten Geschehnisse, sie bemerken sie nicht. Aber diese Geschehnisse sind doch da. Es gibt heute wohlmeinende Schriften, die von Menschen der mehr westlichen Erdengegenden, von Engländern, Amerikanern, ausgehen und die voll

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äußeren Mitleids sind für die materielle Lage der mitteleuropäischen Menschheit. Das ist richtig. Aber was gerade dieser geistigen Strömung zugrunde liegt, das ist etwas, was in Mitteleuropa mit den aufmerksam­sten Blicken verfolgt werden sollte. Denn dieses Mitteleuropa, das ja wirklich heute mehr denn je an den entscheidenden Ort hingestellt ist, zwischen den Orient und den Okzident - wobei ich mit dem Okzident mehr diejenigen Gegenden, in denen das angloamerikanische Element tonangebend ist, verstehe -, das scheint vor allen Dingen, wenn man heute die äußeren Verhältnisse betrachtet, um seine besondere geistige Art gebracht werden zu sollen. Ich bitte Sie durchaus, das nicht miß­zuverstehen, was ich jetzt sage. Gewiß, man kann volles Verständnis haben für die materiellen Nöte, und es ist ja nicht so schwierig, das heute zu haben in der Zeit des Elends und der Not; aber die geistige Not, das ist etwas, was vor allen Dingen auch heute ins Auge gefaßt werden muß.

Versuchen Sie doch einmal, ohne hinzuhorchen auf das, was aus Vor­urteil heraus gesagt wird, was vielleicht in Ihrem eigenen Gemüt aus Vorurteil heraus gesagt wird, zusammenzufassen dasjenige, was die heutigen Ereignisse in ihrem Schoße tragen für das Schicksal Mittel­europas in geistiger Beziehung. Tendiert nicht alles, alles darauf hin, diese mitteleuropäische Geistigkeit eigentlich auf der Erde auszurotten? Man müßte schon, wenn man unbefangen diese Tatsache ins Auge faßt, in sich den Impuls erglimmen fühlen, alles, was man tun kann zum Fortgang dieser wirklichen mitteleuropäischen Geistigkeit, zu tun. Wenn nicht ganz bedeutsame Kraftentfaltungen geschehen, so wird sowohl der Osten der Erde wie der Westen der Erde über Mitteleuropa hin sich verbinden, zuerst wahrscheinlich in einer furchtbaren Feind-schaft, aber dann doch über die Feindschaft hinweg zu irgendeiner Strömung, die eigentlich von Mitteleuropa aus nicht gewollt sein darf, zu irgendeiner Strömung, die sich dann fortpflanzen will als Welt-kultur, als Weltzivilisation. Und das, was ich jetzt sage, hängt zusam­men mit der Antipathie, welche heute auf die Erde heruntersteigende Seelen haben gegenüber dem Wohnen in heutigen physischen Leibern. Nicht nur diejenigen Seelen, von denen ich Ihnen neulich gesagt habe, daß sie zum großen Teil aus dem früheren Mitteleuropa stammen, dann nach dem Osten hinübergezogen sind mit ihrer jetzigen Verkörperung,

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haben eigentlich vor ihrer Einkörperung keine große Lust gehabt, in diesen Leibern zu sein, sondern auch diejenigen Seelen, die in den west­lichen Gegenden sind, in Amerika, in großen Teilen Englands, die ja, wie Sie wissen, früher in orientalischen Leibern gelebt haben vor ver­hältnismäßig langer Zeit, haben nicht in dem Sinne, wie das in früheren Zeiten der Erdenentwickelung der Fall war, mit voller Sympathie ihre Einkörperung betrachtet. Die Seelen weder des Ostens noch des Westens leben, wenn das Wort erlaubt ist, auf ganz normale Weise in diesen Leibern. Das ist deutlich zu bemerken, wenn man mit den Mitteln geisteswissenschaftlicher Forschung an die heutige Zivilisation heran­tritt.

Da haben wir vor allen Dingen diese Menschen des Ostens. Wir wis­sen jetzt, welche Seelen es sind. Und aus den verschiedenen Darstellun­gen der geisteswissenschaftlichen Kulturgeschichte, die gegeben worden sind, wissen wir ja auch, in welchen Leibern diese Seelen wohnen. Diese Seelen des Ostens haben gewiß nicht alle ein gemeinschaftliches Inter­esse, aber es ist doch ein gewisses Interesse vorwiegend bis herein in die europäischen östlichen Gegenden. Diese Seelen, die tonangebenden See­len, sie ziehen alle aus der Antipathie gegenüber ihrer Verkörperung unbewußt die Konsequenz, nicht vollständig sich hinzuversetzen auf den Schauplatz der irdischen Ereignisse, nicht voll aufzugehen in den Tatsachen dieser irdischen Ereignisse. Es ist eine eingehorene Abgeneigt­heit bei den Seelen des Ostens, gerade bei den bedeutendsten Menschen des Ostens vorhanden gegen das Bekanntwerden und Mittun mit dem­jenigen, was in Mitteleuropa und im Westen äußerliche Kultur gewor­den ist, was äußere Naturwissenschaft, äußere Technik geworden ist und so weiter. Und man kann sagen: Ganz im Gegensatz zu demjenigen, was gerade die beste mitteleuropäische Seelenverfassung früherer Zeiten war, sehen wir heute, wie auch zahlreiche Seelen Mitteleuropas aus den Verhältnissen der Verkörperung heraus, die ich das letzte Mal geschil­dert habe, ergriffen werden von dieser Abneigung, in die Tatsachen, in die Verhältnisse der Gegenwart sich hineinzufügen. - Betrachten wir nur einmal ganz unbefangen unsere Zeit. Wie viele Menschen sind da, die heute in einer ganz falschen Weise sich wiederum zurückversetzen wollen seelenhaft in die Geistesauffassung des Orients, die gerade einen

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gewissen mystischen Drang fühlen, nicht teilzunehmen an demjenigen, was heute in der äußeren Welt vorgeht, die fliehen möchten in mystisch-schwärmerische Lebensbetrachtung, die also dasjenige, was einmal be­rechtigt war für das orientalische Leben der früheren Zeiten, was jetzt dekadent zurückgeblieben ist, hereintragen möchten in unser ganz andersartiges Leben.

Das ist das eine, was in unserer Gegenwart so schädlich ist: die welt­fremde Mystik. Diese weltfremde Mystik ist in verschiedenen Gestalten vorhanden. Sie ist in denjenigen vorhanden, die schwärmen für allerlei nach orientalischem Muster gearbeitete Geistesanschauung. Sie ist aber auch noch vorhanden in einer Weise, die weniger bemerkt wird und die auch bemerkt werden soll. Wir leben nämlich heute über die ganze zivilisierte Erde hin, vom Osten bis zum Westen, in einem ganz merk­würdigen Verhältnis zu etwas, was innig zusammenhängt mit unserer ganzen Zivilisation, ja mit dem Leben überhaupt: wir leben in einem merkwürdigen Verhältnis zur Sprache. Je weiter wir nach dem Orient herübergehen, desto mehr ist das Bestreben vorh£nden, die Sprache selber nicht recht herunterkommen zu lassen auf den physischen Plan, die Sprache, das Sprechen von einer gewissen Richtung der Seele durch­drungen sein zu lassen, in die Worte nicht aufzugehen, sondern ein überströmendes, überquellendes Gefühl zu haben, das sich nicht be­müht, in den Worten völlig aufzugehen. Man möchte sagen, es ist das Bestreben vorhanden, die Sprache nicht anpassen zu wollen an die Ver­hältnisse des physischen Planes, sondern sie gewissermaßen zurückzu-behalten im Menschen, um in der Sprache Rauschzustände, Rausch-erlebnisse mehr zum Ausdruck zu bringen. Man muß sich einen Blick dafür aneignen, wie es viele Menschen in der Gegenwart gibt, die es geradezu für verachtenswert finden, wenn der Mensch sich bemüht, seine Sprache so plastisch wie möglich zu machen. Sie finden das dann zu intellektualistisch, sie finden es dann zu sehr in die Verhältnisse des physischen Planes sich einlebend. Sie möchten die Sprache in einem Halbdunkel, in einem Dämmerzustand halten. Sie finden nur dasjenige poetisch, was die Sprache in einem Dämmerzustand hält, sie lieben solches Verschwärmen des sprachlichen Elementes. Wenn man danach strebt, in jedem Wort, in jedem Satz etwas zu haben, was sich deckt

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mit irgendeiner voll erlebten Wirklichkeit, so ist das etwas, was dann für solche Seelen nicht sympathisch erscheint. Solche Seelen möchten sprechen, ohne mit demjenigen zu leben, wofür die Sprache da ist -mit den Realitäten. Dieses Nicht-Lebenwollen mit den Realitäten, das ist etwas, was sehr charakteristisch ist für einen großen Teil un­serer gegenwärtigen Menschheit. Und das ist mehr oder weniger das Charakteristikum der Sprache selbst, je mehr man nach dem Osten hinkommt.

Dagegen haben die westlichen Sprachen ein anderes Charakteristi­kum. Sie streben schon danach, mit der Sprache die Realität zu treffen, mit der Sprache in die Realitäten unterzutauchen, aber sie bilden die Sprache nicht selber aus, sie lassen die Sprache verschwimmen, so daß sie zwar untertauchen in die Realitäten, aber mit einer nicht genügend plastisch gemachten Sprache, mit einer Sprache, die nicht liebevoll genug die Dinge umfängt. Das hängt zusammen mit anderen Neigungen des Westens. Vom Westen ist ja im wesentlichen hergekommen diejenige Betrachtungsweise, die eigentlich bis zum Menschen gar nicht hinauf-dringt. Da haben wir zunächst den Darwinismus, der ganz gewiß be­wundernswürdige Dinge enthält, wenn es sich darum handelt, die Tier­welt zu begreifen. Man braucht ja weniger auf die Fanatiker des Dar­winismus zu sehen als auf den Darwinismus selbst. Da ist vieles, was ganz bewundernswert in die Tierwelt eindringt, und man kann dann sagen: Der Mensch steht an der Spitze der Tierwelt. - Aber damit wird nichts getan, um den Menschen selber zu begreifen. Das sehen wir in diesem Westen auch auf sozialem Gebiet. Wir sehen im Westen merk­würdige Anschauungen sich geltend machen, die auch eigentlich den Menschen aus dem Felde der Betrachtung ausschließen. Wir sehen, wie innerhalb der Nationalökonomie des Westens eigentlich der Mensch als solcher keine besondere Rolle spielt. Es spielt dasjenige eine Rolle, was an dem Menschen als Äußerlich-Materielles hängt. Das Privateigen­tum, das ein Mensch hat, das wird eigentlich als die Individualität in der Nationalökonomie betrachtet, nicht der Mensch selber. Und nicht von jener Freiheit spricht man eigentlich im Westen, welche heraus-quillt aus dem ganzen menschlichen Wesen, sondern man spricht - in sich überzeugt - nur von der wirtschaftlichen Freiheit. Seit Adam Smith

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und seit Zeiten, die noch früher liegen, spricht man von der wirtschaft­lichen Freiheit, von demjenigen, was der Mensch dadurch in die Waag­schale der Zivilisation zu werfen hat, daß er etwas besitzt, was er in der Welt genießen kann, und dadurch, daß ihm der Besitz wirtschaftliche Unabhängigkeit gibt und so weiter. Aber man spricht nicht von dem, was der Mensch eigentlich ist, was aus des Menschen eigenem Inneren mit dem Charakter der Freiheit herausquillt.

Diese Dinge alle weisen aber noch auf viel tiefere Erscheinungen hin. Diejenigen Seelen, die mit einer gewissen Antipathie sich heute in orien­talische Leiber hinein verkörpern, weil andere Verhältnisse sie dazu zwingen, die haben eigentlich vielfach das Bestreben, die Erkenntnis-fähigkeiten dieser Leiber nicht zum Erfassen der Erdengegenwart kom­men zu lassen. Sie haben das Bestreben, den Menschen gewissermaßen in seinem Bewußtsein zu erhalten außerhalb der Erdengegenwart. Es ist etwas im eminentesten Sinne Luziferisches in dieser Seelenverfassung, und dieses Luziferische weht aus dem Osten herüber.

Im Westen hingegen ist etwas im eminentesten Sinne Ahrimanisches in den Seelen. Sie wollen nicht in der Weise von den Leibern Besitz ergreifen, daß sie durch diese Leiber mit offenen Sinnen hinausblicken in die Welt, sondern sie versenken sich so in diese Leiber, daß sie diese Leiber selber nicht in vollem Sinne umfassen, durchgeistigen. Sie leben in den Leibern, aber sie durchdringen sie nicht vollständig. Dadurch kommt das zustande, was die notwendige Folge sein kann, wenn man im Menschenleibe lebt und keinen offenen Sinn hat für dasjenige, was ringsherum in der Welt ist. Hat man einen offenen Sinn, so entdeckt man in dieser Welt nicht nur die äußere physisch-sinnliche Wirklich­keit, sondern man entdeckt die dieser physisch-sinnlichen Wirklichkeit zugrunde liegende Geistigkeit. Diese zugrunde liegende Geistigkeit ent­deckt man nicht, wenn man zwar im Leibe steckt, aber diesen Leib nicht bis zur Peripherie voll durchdringt. Das ist die Seelenstimmung des Westens. Durch diese Verhältnisse, so kann man sagen, ist es so, daß tat-sächlich manche Leiber westlicher Menschen so beschaffen sind, daß die Seelen in ihnen, wenn die Leiber heranwachsen, gar nicht voll zur Gel­tung kommen. Dadurch aber, daß die Menschenseelen in diesen Leibern nicht voll zur Geltung kommen, können die Leiber die Hüllen, die

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Gehäuse werden für ganz andere Wesenheiten, die dann in sie einziehen, Wesenheiten, welche dasjenige geradezu verschlafen, was in den Eigen­tümlichkeiten der Menschenseele selber liegt.

Und durch all diese Dinge breitet sich von Osten her die eine, von Westen her eine andere Stimmung aus. Die Stimmung, die sich von Osten her verbreitet, ist diese, den Menschen zu erhalten in Gefühls-weisen, Empfindungsweisen älterer Zeiten, die noch mehr instinktiv nach einer Geistigkeit hinaufgehen, den Menschen nicht so weit hin-unterkommen zu lassen auf die Erde, daß er sich voll verbinden kann mit der Situation hier auf der Erde. Im Westen dagegen macht sich die Strömüng geltend, dasjenige, was jetzt da ist, nicht so zu betrachten, daß man in ihm die in allem Dasein immer fortschreitende Geistigkeit wahrnimmt, sondern daß man bei dem, was der Mensch einmal gewor­den ist, stehenbleibt, weil man ihn zwar bewohnt, aber nicht durch­dringt, weil man ihn eigentlich nicht selber so liebt, daß man ihn völlig durchdringen will. Konservieren den gegenwärtigen Zustand der Menschheit mit seiner materialistischen Gesinnung, seinem materialisti­schen Handeln, möchte man vom Westen aus. Nicht kommen zu lassen bis zu dem, was uns zusammenbringt mit den materiellen Verhältnissen der Erde, sondern den Menschen abzuhalten, die Gegenwart in sich voll aufzunehmen, das möchte man vom Osten aus. Von beiden Seiten ist eigentlich das Bestreben vorhanden, den Menschen nicht kommen zu lassen zum vollen Erfassen der Gegenwart. Und eine ungeheure Furcht, die sich unbewußt der Menschheit bemächtigt, unterstützt das noch. Wer unbefangen diese Gegenwart betrachtet mit den großen Entschei­dungen, die sie in ihrem Schoße hat, der muß sich in einer gewissen Weise mutvoll diesen Entscheidungen gegenüberstellen.

Nun kann man es sich auf zweierlei Weise ersparen, sich den Ent­scheidungen der Gegenwart gegenüberzustellen. Die eine Art ist diese, daß man schwärmerischer Mystiker oder Theosoph wird und in einer oberflächlichen Weise das wiederholt. Dann kann man sich ein innerliches Wohlgefühl begründen in einem gewissen Fliehen vor den Ereignissen der Gegenwart. Man kann sich über sie hinweg-heben, kann sich sogar als ausgezeichneter Mensch in dieser Mystik oder Theosophie fühlen und kann alles verachten, was um einen herum vorgeht,

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als «die schlechte Welt», als die Welt der Materie, die minder­wertig ist. Das ist aber eben das Schädliche dieses einen Extrems, wie auch das andere Extrem schädlich ist, das zutage tritt in der mehr west­lichen Strömung, die dann in ihrer letzten Konsequenz den materialisti­schen Menschen hervorbringt, bei dem die Furcht vor dem Sich Gegen­überstellen den Entscheidungen der Gegenwart den anderen Charakter annimmt, so daß er sagt: Der Mensch ist das Produkt desjenigen, was in ihm physisch-physiologisch vorgeht, und von irgend etwas zu spre­chen, was in des Menschen eigene Entscheidung gelegt ist, ist ein Unsinn, darauf braucht man keine Rücksicht zu nehmen. Es ist notwendig, daß das gepflegt werde, was sich einmal in der Menschheit leiblich-physisch herausgebildet hat. Man ist abergläubisch, wenn man von einer beson­deren Geistigkeit spricht. - Auf dieser Seite flieht man die Geistigkeit, während man auf der anderen Seite die Materialität flieht.

So haben wir heute zwei Extreme der menschlichen Seelenverfas-sung: auf der einen Seite den Materialismus, der ahrimanisch ist, auf der anderen Seite den Mystizismus, der luziferisch ist. Wir haben auf der einen Seite den großen Weltanschauungszug vom Westen nach dem Osten, der nur aus der Materie heraus eine mechanistische Naturwissen­schaft erarbeitet, der sozusagen unsere äußere Bildung durchzieht. Wir haben auf der anderen Seite den Zug vom Osten nach dem Westen, der wahrhaftig heute nicht wenig Geister ergreift, der immer mehr Geister ergreifen wird. Und man möchte wünschen, daß dasjenige, was Anthro­posophie ist, von diesen Geistern nicht dadurch zerstört wird, daß es gerade von ihnen im Geiste einer schwärmerischen Mystik ausgelegt wird. Wir haben ja diese andere Strömung, die nur schöpfen will aus einer weltfremden Sphäre, wir haben insbesondere diesen Zug in der­jenigen theosophischen Weltanschauung vorhanden, welche herüber-tragen will aus dem Orient längst verklungene Dinge, die heute für die Menschheit durchaus nicht taugen.

Das sind die beiden Extreme, die sich eigentlich, vielleicht über eine furchtbare Feindschaft hinweg, die durch die äußeren Verhältnisse und den inneren Gegensatz bewirkt ist, die Hand reichen möchten von bei­den Seiten her. Und weil diese Strömungen vorhanden sind, und weil das der Fall ist, geht es, wollte man es trivial ausdrücken - es ist aber

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wahrhaftig nicht trivial, sondern tragisch gemeint -, den Menschen der mitteleuropäischen Gegenden gerade geistig so schlecht.

Das ist dasjenige, was man mit wachem Seelenauge verfolgen sollte. Denn wenn man die Sache etwas radikal ausdrücken wollte, möchte man sagen: In diesem Mitteleuropa hat sich vorbereitet die höhere Syn­these, der Zusammenklang, die höhere Harmonie dieser zwei Extreme, aus welcher Harmonie, aus welchem Zusammenklang allein ein Fort­schritt für die Menschheit ersprießen kann. Denn hier in Mitteleuropa haben gegipfelt geistige Strömungen, die aus wirklich bedeutsamen Untergründen hervorgegangen sind - zuletzt aus dem, was, wie ab-glimmend dazumal und überwuchert von dem anderen, zunächst als eine intellektualistische Spiritualität im deutschen Idealismus erschie­nen ist, in solchen Weltanschauungen wie sie Fichte, Schelling, Hegel hatten, wovon diejenige Schellings sogar an ihrem Ende nahe daran war, herauszugebären nach und nach dasjenige, was hätte einlaufen können in eine wirkliche anthroposophische Geisteswissenschaft, für die nur die Zeit dazumal noch nicht reif war.

Aber es erscheint einem ja so, als ob sich alle Welt verschworen hätte, dasjenige, was da im Anzuge war, nur ja nicht irgendwie zu einer Ent­faltung kommen zu lassen. Ich möchte sagen: Vom Orient und Okzi­dent aus sind Luzifer und Ahriman verschworen, daß diese Synthese nicht gedeihen kann. Denn hier in dieser mittleren Gegend der Erde sind eigentlich diejenigen Menschen gewesen, die, wenn sie auch wegen der Verhältnisse der Zeiten manchmal auf halbem Wege haben stehen­bleiben müssen, nach der Geistigkeit gestrebt haben, aber zu gleicher Zeit gestrebt haben nach einer hingebungsvollen Naturerkenntnis. Welcher wunderbare Pendelschlag ist zum Beispiel bei Goethe zwischen dem fortwährenden Angezogensein davon, die Welt geistig zu betrach­ten, und wiederum davon, die Welt in der Breite ihrer äußeren Natur­erscheinungen zu betrachten. Wie sehr suchte Goethe den Einklang zwischen demjenigen, was ihm der Geist sagte, und dem, was ihm die Natur offenbarte. Und wie sehen wir gerade diesen Goetheschen Sinn, der ja schon Wurzeln hat in ganz Mitteleuropa, wie sehen wir ihn über­wuchert! Wir sehen auf der einen Seite fortwährend den Einfluß des Westens. Wir haben ihn gesehen in unserer äußeren Wissenschaft, die

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ja ganz, wenn ich mich des Ausdrucks bedienen darf, «verwestet» ist, die ganz und gar ablehnend ist in ihren Methoden gegenüber dem Gei­stigen. Wenn sie auch manchmal dem Glauben nach etwas Geistiges aufnimmt, ist sie doch abgeneigt, in ihren Methoden das Geistige zu verarbeiten, namentlich bei den wissenschaftlichen Forschungen. Und was haben wir andererseits an denjenigen Menschen, welche sich heraus-arbeiten wollen aus dieser Gegenstimmung, welche die Schwingen lähmt, in den letzten Jahrzehnten erfahren müssen? - Innerhalb der­jenigen Zivilisation in Europa, die in ihrem Schoße hat entstehen sehen so etwas wie Schillers «Ästhetische Briefe», an denen hätte erwachsen können eine wunderbare Entfaltung des Seelischen und des Geistigen, haben sich zahlreiche Menschen an das Gequassel von allerlei gerade amerikanischen Mystikern gehalten, an Ralph Waldo Trine und der­gleichen, an jenes mystische Gequassel, das im Vergleich mit demjeni­gen, was da ist in der mitteleuropäischen Geistessubstanz, etwas außer­ordentlich Inferiores ist, ein seelisch-egoistisches Streben nach einem inneren Wohlsein, nicht nach einem wirklichen geistigen Aufschwung. Da sehen wir die ganze Tragweite desjenigen, was ich nennen möchte: die Tendenz zur Überflutung des ureigenen Mitteleuropäischen von dem Westlichen. Selbstverständlich - auf anthroposophischem Felde ist das eben durchaus selbstverständlich - soll nicht irgend etwas gegen Menschen dabei gesagt sein. Menschen müssen über die ganze Erde hin gleich geachtet werden. Aber ist denn dasjenige, was in den Menschen lebt, einerlei mit dem, was als eine Kultur, eine Zivilisationsatmosphäre durch die menschlichen Seelen durchzieht? Ist es denn überhaupt irgendwie das Rechte, wenn jemand sagt, da wende sich einer gegen westliche Geistesströmungen und treffe dadurch die westlichen Men­schen? - Nein, er trifft nicht die Menschen, sondern er will hindeuten auf dasjenige, was als eine geistige Atmosphäre in diesem Westen lebt.

Und sehen wir nicht auf der anderen Seite wiederum dieses Mittel­europäische geradezu erfüllt bei vielen Menschen von einer Sehnsucht, irgendwelche Fragmente alter Weisheit aus dem Oriente in das Geistes-leben hineinzubekommen? Dem Kenner tut bei solchem Hereinnehmen orientalischer Geistesweisheit wirklich die Seele weh. Selbst wenn man verhältnismäßig leicht Assimilierbares nimmt wie die Bhagavad Gita,

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muß man sich doch darüber klar sein, daß dasjenige, was der mittel-europäische Mensch heute von der Bhagavad Gita erhalten kann, höch­stens etwas von ihm selbst Zurechtgeschmiedetes sein kann, daß das aber durchaus nicht orientalische Geistesweisheit ist. Denn das hat man selbst im Orient nicht mehr. Die Leute schwärmen, wenn sie irgendeine Stelle aus der Bhagavad Gita meditieren können, haben aber im Grunde genommen nichts Ernsthaftes davon, sondern haben nur etwas, wo­durch sie sich eine gewisse innere Wollust bereiten. Sie haben nicht den Mut, dasjenige zu ergreifen, was nun ausgleichend gerade in mittleren Gegenden der Erde als eine geisige Atmosphäre atembar wäre. Man muß schon sagen: Gerade in dem Eindringen der sogenannten östlichen Theosophie liegt etwas, was seit langem eine schädliche Gegenströmung innerhalb Mitteleuropas ist. - Dieses Urteil erstreckt sich nicht darauf, daß man nicht für gewisse Dinge sich der Nomenklatur des Orients, der Begriffe auch des Orients bedienen kann, daß man nicht versuchen soll, den Orient zu verstehen. Das ist selbstverständlich. Es handelt sich um ganz andere Dinge, um die Dinge eben, die ich versuchte, in diesen Andeutungen zu charakterisieren.

Demgegenüber muß eben darauf hingewiesen werden, wie eine sol­che Hingabe - sei es an den offenen Materialismus des Westens, wie er in dieser Strömung zutage tritt, oder an den verbrämten Materialismus des Westens, wie er durch Trine oder durch Christian Science herein-tritt, die auch nichts anderes ist als Materialismus, nur von der um­gekehrten Seite - geistigen Rückschritt bedeutet. Sowohl die Hingabe daran, wie die Hingabe an alle möglichen Mystizismen, das ist es, was auf geistigem Gebiet ganz entschieden den Rückschritt bringt. Was den Fortschritt bringen kann, ist dasjenige, was im Grunde genommen gut vorbereitet ist, was aber heute schon sozusagen wie die unter dem Boden liegende Schicht mitteleuropäischer Zivilisation da ist, über die sich schon darübergeschichtet hat dasjenige, was Zusanimenfluß ist aus Orient und Okzident. Denn es ist eine Wahrheit, was hier oftmals an­gedeutet worden ist, was Sie auch aus meinen Schriften und Vortrags­zyklen entnehmen können: Was man als äußere Bibel hat, was man äußerlich als Neues Testament hat, das hat im Grunde genommen das­selbe Schicksal erfahren wie andere orientalische Schriften. Die hat man

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heute nicht in ihrer wahren Gestalt. Und wenn man versucht, zur wah­ren Gestalt zu kommen, so kann es nur durch Geisteswissenschaft ge­schehen, die erst wiederum die Lebendigkeit bringt, welche notwendig ist, um in diese Dinge einzudringen. Wenn man aber diese Lebendigkeit in die Bibel hineinbringt, in das Neue Testament, dann sind diejenigen, die heute die offiziellen Vertreter sind, die Traubs und so weiter, die allerersten, welche das als eine Phantasterei, als etwas ganz Ungeheuer­liches, als etwas Verdammungswürdiges vor die Welt hinstellen.

Hier in Mitteleuropa wären im Grunde genommen diejenigen Men­schen vorhanden, die wirklich auf der einen Seite sich erheben wollten zur Geistigkeit und die auf der anderen Seite auch einen Sinn hätten für das Erfassen der ganzen Breite der äußeren natürlichen Erscheinungs­welt. Das ist dasjenige, was heute notwendig ist. Nur aus diesem Geiste heraus kann die Menschheit vorwärtskommen. Daher ist es auf dem Erkenntnisgebiet ebenso notwendig, daß die Menschen heute sich ver­tiefen in dasjenige, was Naturanschauung bieten kann, wie es auf der anderen Seite notwendig ist, daß sie sich vertiefen in dasjenige, was Geisteswissenschaft bringen kann. Weder das eine noch das andere ent­hält die volle Wahrheit, allein der Zusammenklang von beiden in der menschlichen Seele gibt die volle Wahrheit. Und ebenso ist es auf prak­tischem Gebiet. Nicht die einseitige Religionsausübung, welche die Welt fliehen möchte oder wenigstens die Welt so mitmachen möchte, wie sie eben gerade ist, dafür in allen möglichen religiösen Erhebungen leben möchte, die weltfremd sind, weder diese religiöse Praxis noch auf der anderen Seite die äußere Routine, die in unserem öffentlichen Leben herrscht, können irgendwie vorwärtsbringen. Nur derjenige kann auch im äußerlichen praktischen Leben vorwärtskommen, der liebevoll bei­des umfaßt, auf der einen Seite dasjenige, was die Außenwelt von uns an praktischen Maßnahmen fordert, und der auf der anderen Seite geneigt ist, das was die Außenwelt von uns fordert, zu verbinden mit dem, was man sich aneignen kann durch eine geisteswissenschaftliche Erziehung, durch die man geschickt gemacht wird so, daß diese Ge­schicklichkeit nicht bloß eine äußerliche Trainierung ist, sondern eine von innerlicher Geistigkeit durchleuchtete Handlungsart ist, die zu gleicher Zeit in der Seelenverfassung wurzelt. Nur dadurch kann man

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zu dem kommen, was die gegenwärtige Zeit als Aufgabe stellt. Das ist es, was wir vor allen Dingen einsehen müssen.

Es gibt heute so viele Menschen, welche diese hier gemeinte Geistes­wissenschaft bekämpfen, weil diese Geisteswissenschaft ganz unverhoh­len von den geistigen Tatsachen spricht, weil diese Geisteswissenschaft geradeso wie man in der Physik von der Anode und Kathode spricht, davon spricht, daß sich Seelen unter diesen oder jenen Stimmungen - mit Sympathie oder Antipathie - aus den geistigen Welten in irdische Leiber hineinfinden. Weil diese Geisteswissenschaft hinschaut auf das, was Naturerscheinungen sind, ebenso wie auf das, was geistige Tat­sachen sind, deshalb lehnt man sie von vielen Seiten ab. Diese Geistes­wissenschaft wird von denjenigen, die nur auf die äußere Natur sehen wollen, abgelehnt, weil sie sich eigentlich darunter gar nichts vorstellen können, weil sie in ihr vielleicht nur Worte finden. Diese Geisteswissen­schaft wird aber auch abgelehnt von all denjenigen Menschen, die in unklarer Mystik, in alten, herkömmlichen Religionsbekenntnissen leben wollen, die nicht den Anschluß gefunden haben an die neuere Lebens-praxis. Diese Geisteswissenschaft wird auch von denjenigen abgelehnt, die überhaupt keinen Inhalt in ihren Begriffen haben, sondern die nur fortrollen und fortrutschen in dem, was in dem Wortklang, in dem Wortinhalte liegt, wie soviele Philosophen der Gegenwart, sogar solche, die gegenwärtig «Weisheitsschulen» gründen. Das ist aber dasjenige, was wir eben gerade nicht brauchen. Wir brauchen nicht eine Worte-weisheit, die es ablehnt, in die Tatsachen der Natur einzudringen. Wir brauchen auch nicht eine unklare, schwärmerische Mystik. Und wir können nicht brauchen das, was geistlos in die Naturerscheinungen ein­dringen will. Was wir brauchen, ist eine Synthese, eine Verbindung von beiden, denn das ist erst die Realität. Und von diesem Gesichtspunkte aus muß durchaus ins Auge gefaßt werden, daß unsere Sprache, die Menschensprache, einfach indem man vordringt von dem Osten nach Westen, im Grunde genommen auch in Mitteleuropa, gerade diejenigen Formen angenommen hat, welche dieser Sprache Plastik geben, welche diese Sprache etwas sein lassen, was man verbunden fühlt im Innersten des Menschen mit der ganzen Seelenstimmung und Seelenverfassung. Auf der anderen Seite will aber gerade die Sprache Mitteleuropas etwas

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sein, was nun auch ausfließt in die äußeren Ereignisse, was nicht egoistisch im Menschen zurückbehalten wird. Das ist etwas, was zum Beispiel gesehen werden könnte in einer solchen Sprache, wie die Goe­thes und Hegels ist. Da ist es deutlich in der Anlage vorhanden. Und die Anlagen, die da vorhanden sind, die sind sehr, sehr weiterentwickel-bar, die wollen gerade hin zu demjenigen, was wir erstreben wollen durch die geisteswissenschaftlichen Absichten.

Zu verwundern braucht man sich ja allerdings nicht, daß Geistes­wissenschaft sowohl von denjenigen, die orientalisch, wie auch von den­jenigen, die okzidentalisch angesteckt sind, verleumdet wird, unbewußt verleumdet wird, objektiv verleumdet wird, meinetwillen. Aber auf der anderen Seite muß die Geisteswissenschaft auch immer wieder und wieder klarstellen, was eigentlich ihr Wesen ist. Und deshalb war es heute schon meine Verpflichtung, von diesen Dingen vor Ihnen zu sprechen, und denjenigen, die innerhalb der anthroposophischen Be­wegung stehen, würde es eigentlich obliegen, zu versuchen, ganz klar dasjenige herauszuarbeiten, was diese anthroposophische Geisteswissen­schaft will, klar herauszuarbeiten, wie man sich nicht scheut innerhalb dieser anthroposophischen Geisteswissenschaft, von den geistigen Tat­sachen, von der übersinnlichen Welt als von einer vollständigen Realität zu reden in derselben Weise, wie man von der physischen Welt redet, herauszuarbeiten auch, daß es dieser Geisteswissenschaft gerade darauf ankommt, aus der geisteswissenschaftlichen Erziehung der Seele heraus diese Seele so stark zu machen, daß der Mensch ein offenes, freies Urteil erhält über dasjenige, was heute praktische Notwendigkeiten sind. Daß unsere praktischen Unternehmungen mit einer gewissen inneren Kon­sequenz herausfließen gerade aus unserer geistigsten Anschauung, das ist dasjenige, was eigentlich jeder sich ganz klarmachen sollte, der innerhalb dieser geisteswissenschaftlichen Bewegung steht. Denn ihm obliegt es dann, gegenüber den Irrtümern der Welt diese Geisteswissen­schaft in das rechte Licht zu stellen, zu zeigen, was sie eigentlich will. Man kann heute der Gelegenheiten nicht zu viele finden, denn man läßt immer noch unzählige ungenützt vorübergehen, bei denen man in der Lage wäre, das richtige Antlitz dieser Geisteswissenschaft in das rechte Licht zu stellen.

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Es mag Ihnen erscheinen, als ob ich manches von gar zu vielen Seiten her beleuchten würde. Aber es kommt nicht darauf an heute, daß wir immer mehr und mehr interessante Tatsachen aus geistigen Welten her­aus erfahren sollen, sondern darauf, daß wir die Impulse, die uns aus diesen Tatsachen der übersinnlichen Welten kommen können, in der richtigen Weise in die sinnlichen Welten hineinprägen.

Es ist heute notwendig, daß sich die wache Seele wirklich bewußt ist der Gefahr, welche sowohl von derjenigen Seite her der Menschheits-entwickelung droht, die die Menschen in einer luziferischen Schwärme­rei erhalten will, wie auch von derjenigen Seite her, die sie ganz her­unterstoßen will in das Ahrimanisch-Materielle. Denn falsche Mystik, falsche Intellektualität, Weltfremdheit, die nach einem Rausch streben, nicht nach äußerer voller Klarheit und innerem Lichte, diese falsche orientalische Stimmung strebt eben zur inneren Unwahrheit hin. Sie wird zur inneren Unwahrheit, wie die okzidentalische Stimmung, die den Menschen herunterdrücken will in materialistische Anschauungen und materialistisches Gebaren, zur äußeren Lüge hinführt.

Das ist ja dasjenige, was der Menschheit heute droht: der Verfall auf der einen Seite in innere Unwahrheit durch falsche Mystik und durch das Fortkonservieren alter religiöser Bekenntnisse, auf der anderen Seite in äußere Lügenhaftigkeit - die Phrasenhaftigkeit unserer Zeit ist schon der Anfang der äußeren Lügenhaftigkeit - durch das Unter-tauchen in die bloße Materialität. Diese zwei Gefahren müßten eigent­lich gerade von denjenigen, die Verständnis für anthroposophische Geisteswissenschaft suchen, mit wacher Seele durchschaut werden. Das wollte ich Ihnen heute in die Seele hineinschreiben als einen Gedanken, der nicht bloß ein Gedanke sein soll, der angehört wird, der theoretisch genommen wird, sondern der ein Gedanke sein will, der in den Seelen wirklich warm wird und dessen Wärme Lebensimpulse im Gefolge hat. Denn Geisteswissenschaft ist nicht das, was sie sein will, wenn sie nicht die Seele durchwärmt und dadurch auf dem Umwege durch diese Durchwärmung der Seelen wirklich in ihr Lebensimpulse schafft. Tun wir das, so gut wie wir es können, jeder einzelne, so wird aus der Ver­einigung so gestimmter Seelen etwas werden, was die Gegenwart gar sehr, sehr notwendig hat.

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Und nun, meine lieben Freunde, möchte ich noch eine Zwischen­bemerkung machen, die mir sehr schmerzlich ist, die ich aber machen muß. Ich habe es schon einmal ausgesprochen, muß es heute aber noch einmal sagen, daß ich vielen Wünschen nach Privatgesprächen und der­gleichen jetzt nicht entsprechen kann, daß ich jetzt nicht das Privat­leben so pflegen kann wie früher, denn wenn diese Aufgaben jetzt den Tag und manchmal auch ein Stück Nacht in Anspruch nehmen, so soll­ten die Freunde schon einsehen, daß dazwischen keine Zeit liegt für Privatgespräche. Es scheint, als ob das sehr, sehr schlecht eingesehen würde. Aber auf der anderen Seite gibt es ein gutes Mittel, um diesen, ich gebe es zu, schädlichen Zustand abzuschaffen: das würde darin bestehen, daß wir wirklich alle, so viel es in unserer Kraft ist, mit­arbeiten würden an den Aufgaben der anthroposophischen Bewegung. Denn, daß Einzelne so überlastet sind jetzt, ist lediglich die Folge da­von, daß wir so wenig Menschen haben, die wirklich tatkräftig mit­arbeiten. Auch dieses wird natürlich leicht mißverstanden, denn ge­wöhnlich wird es so verstanden, daß jeder möglichst so mitzuarbeiten versucht, wie es ihm gerade gefällt. Aber man muß sich eben doch die­sem Mißverständnis aussetzen, wenn man die Wahrheit betonen muß, daß wir zu viele Mitarbeiter haben. In den Stellen, die wir schaffen konnten, haben wir nicht zu wenige, sondern zu viele, nach mancherlei Rücksichten zu viele. Aber es kommt nicht darauf an, daß alle sich nach demjenigen drängen, was geschaffen ist, sondern daß eine Mög­lichkeit herbeigeführt werde, wirklich tatkräftig zu arbeiten dadurch, daß immer weiteres und weiteres geschaffen wird. Nur wenn wir so die Sache auffassen, können wir in der richtigen Weise fortkommen.

Wie gesagt, es ist mir außerordentlich schmerzlich, aber es ist eben eine absolute Notwendigkeit, daß ich vieles von dem zurückweisen muß, was Privatwünsche sind. Und, meine lieben Freunde, viele Dinge, die persönliche Angelegenheiten sind, können ja wirklich anders er­ledigt werden, bis wiederum einmal günstigere Zeiten kommen. Es ist dieser Konservativismus unter uns sehr verbreitet, geradezu mit Gewalt diejenigen Zustände herbeizuführen, die einmal ja ganz gut waren, die aber jetzt nicht mehr da sein können, so lange, bis wir ,eben in einer tat-kräftigeren Weise an den Aufgaben, die jetzt unbedingt notwendig sind,

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vom Morgen bis zum Abend, soweit uns die Zeit gegeben ist, noch über den Abend hinaus arbeiten müssen. In diesen Dingen müssen wir uns schon einmal verstehen, sonst kommen wir durchaus nicht innerhalb unserer Bewegung auf einen grünen Zweig. Es ist viel zu wenig das Bewußtsein vorhanden, daß auch gegenseitiges Sich-Helfen, Sich-Beraten notwendig ist bei der heutigen Ausbreitung der Bewegung. Stellen Sie sich vor, wenn ich jedesmal bei dem Aufenthalt, den ich hier in Stuttgart haben kann, nun wirklich mit jedem Einzelnen von denen, die dasitzen, Privatgespräche führen wollte, wie dann die Aufgaben gelöst werden könnten, welche uns jetzt gerade obliegen. Es werden vielleicht manche sagen, sie verstehen die Dinge nicht recht, aber es wird auch solche hier geben, die schon wissen, warum ich diese Dinge sagen muß.

VIERTER VORTRAG Stuttgart, 16. Januar 1921

#G203-1989-SE066 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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VIERTER VORTRAG

Stuttgart, 16. Januar 1921

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Unsere Betrachtungen während meiner diesmaligen Anwesenheit be­zogen sich darauf, wie voller Lebensernst gemacht werden kann aus der anthroposophischen Erkenntnis gegenüber den großen Aufgaben un­serer Zeit. Wenn man sagt «gegenüber den großen Aufgaben unserer Zeit», so braucht man ja durchaus nicht immer an dasjenige zu denken, was gewissermaßen über den Menschen schwebt und was von einigen autoritativen Menschen über die Köpfe der anderen hinüber geregelt werden muß, sondern man muß sich heute darüber klar sein, daß durch­aus dasjenige, was von Mensch zu Mensch im Alltag spielt, das in sich enthält, gewissermaßen durch sich durchströmend hat, was zu den großen Aufgaben der Zeit gehört. Das sollte doch selbstverständlich als eine erste Konsequenz anthroposophischer Weltanschauung durch un­sere Seelen ziehen. Denn diese anthroposophische Weltanschauung führt uns ja dahin, anzuerkennen, daß das Geistige in allem lebt, nicht lebt irgendwo in abstrakten Höhen, sondern lebt in dem uns umgebenden Leben, in dem wir alltäglich drinnenstehen. Und gerade das müssen wir anwenden lernen auf die großen Aufgaben des Lebens und auf die klei­nen alltäglichen Erlebnisse und Handlungen.

Wenn wir das heutige Leben gerade von diesem Gesichtspunkte aus ins Auge fassen, können wir uns fragen: Was haben wir denn als die Bestandteile dieses Lebens, namentlich in bezug auf das Geistige, um uns herum? Worin leben wir denn heute in diesem Zeitalter als Men­schen geistig? - Wir haben dasjenige, was die Überreste alter Bekennt­nisse sind, dieser verschiedenen Bekenntnisse, welche ihre Anhänger in Gemeinden versammeln und ihnen auf irgendeine Weise, die traditio­nell ist, die überliefert ist, beibringen, was angesehen wird als der Glaube an die ewige Natur des Menschen. In den verschiedensten For­men, den verschiedensten Nuancen wird eben durch die verschiedenen Bekenntnisse dieser Glaube den Menschen beigebracht. Die Menschen leben dann in diesem Glauben und meinen auch, den Bedürfnissen ihrer Seele Genüge zu tun durch diesen Glauben. Neben diesem Glauben

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haben wir dann heute schon durchaus so populär, wie die einzelnen Bekenntnisse selbst jeweilig bei ihren Anhängern sind, dasjenige, was aus der Wissenschaft stammt, die heute an unseren Bildungsanstal­ten getrieben wird. Diese Wissenschaft hat sich ja allmählich da­zu ausgebildet, bloß das sinnlich-physische Material zu betrachten, höchstens es zu durchdringen mit einigen unzulänglichen geistigen Vorstellungen, die aber auch schon mehr oder weniger im Schwinden sind. Immer mehr und mehr geht die Tendenz dahin, als Wissenschaft nur dasjenige anzusehen, was in sinnlich-physischer Beobachtung aufgefunden und höchstens durch den Verstand kombiniert werden kann.

Wir mögen die heutige zivilisierte Welt wo immer ansehen, es wird sich uns der Anblick darbieten, daß die Menschen aus diesen zwei Quellen heraus schöpfen: einerseits aus demjenigen, was ihnen bei­gebracht wird als sogenanntes ernstes, exaktes Wissen, das sie auf Au­torität hin annehmen; denn auf Autorität hin nimmt ja jeder das Wissen auf, der nicht gerade in einem der Wissensfächer selber arbeitet, und nimmt vor allen Dingen die große Menge der Menschen das Wissen auf. Und neben dem, daß man in seiner populären Zeitschrift sich unter­richten läßt darüber, wie man zu denken hat über astronomische, physi­kalische, chemische Tatsachen, über Biologisches, Zoologisches, Mineralogisches, Botanisches, Geschichtliches und so weiter, neben dem, daß man diese Dinge aufnimmt und sich auf diese Weise unterrichten läßt und dann sagt: Das alles muß wahr sein, denn es rührt ja von denjenigen Leuten her, welche für die Sache durch die gewohnten Instanzen als Autorität bestellt sind, neben dem nimmt man das andere auf, das aus den verschiedenen Bekenntnissen fließt. Eine Brücke zwischen beiden schlägt man nicht, denn aus den Bekenntnissen heraus wird ja zumeist den Leuten gelehrt, daß sie nur ja Wissen und Glauben auseinander­halten sollen, daß sie nur ja Wissen und Glauben nicht in irgendeiner Weise verschmelzen sollen. Ein Aufraffen zu einem bewußten Durch­schauen dieses Tatbestandes findet nur in den seltensten Fällen statt. Man bemüht sich, durchaus anzuerkennen, was durch die gewohnten Kanäle von den wissenschaftlichen Autoritäten her den Menschen als exakte Wahrheit mitgeteilt wird. Aber man geht den Dingen nicht

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nach, um zu prüfen, wie es sich in Wirklichkeit mit der Arbeitsmethode verhält, durch die solche Wissenschaftlichkeit gewonnen ist.

Auf der anderen Seite geht man auch wenig der Entstehung des­jenigen nach, was sich als Bekenntnisse durch die Zeiten herauf fort-gepflanzt hat und traditionell von den heutigen amtlichen Vertretern dieser Bekenntnisse an die Menschheit herangebracht wird. Ein Auf­raffen zu einem vollen Bewußtsein dessen, was da eigentlich vorliegt, das findet in den seltensten Fällen statt. Und wenn es stattfindet, dann kommt man heute nur wenig dazu, die Sache im richtigen Licht zu sehen. Denn nehmen wir an, es bäumt sich irgend jemand, sagen wir, innerhalb des katholischen oder protestantischen Bekenntnisses auf gegen das, was Dogma genannt wird, dann wird es in der Regel so ge­schehen, daß dieses Dogma als ein «Unsinn» angesehen wird, daß man gegen dieses Dogma polemisiert und damit dasjenige fortwirft, was traditionelles Bekenntnis ist, daß man aber nicht die Möglichkeit fin­det, irgend etwas an die Stelle zu setzen.

Ein solches Dogma - ich will gleich ein Zentraldogma anführen -ist zum Beispiel das der Trinität, der Drei-Persönlichkeit des göttlichen Wesens. Wer ein solches Dogma so vorfindet, wie es ihm heute durch die Bekenntnisse entgegengebracht wird, hat es in einer gewissen Weise leicht, gegen ein solches Dogma zu polemisieren, wenn er sich wiederum auf den Standpunkt der heutigen wissenschaftlichen Denkweise stellt. Denn er wird in diesem Sinne sehr leicht enthüllen können, was «Un­sinn» an einem solchen Dogma ist. Derjenige aber, der zurückgeht auf die Entstehungsweise eines solchen Dogmas, der findet, daß die Dog­men der gebräuchlichen Bekenntnisse sich durch lange Zeiten in der Menschheit fortgepflanzt haben, daß aber am Ausgangspunkt bei der Entstehung dieser Dogmen dasjenige steht, was ich oftmals charakteri­siert habe als das in früheren Entwickelungsstufen der Menschheit vor­handene instinktive Hellsehen, das atavistische Heilsehen, das Hinein­schauen in die geistige Welt. Aus diesem Hellsehen sind also solche Dogmen hervorgegangen, und man möchte sagen: So etwas wie das Trinitätsdogma ist hervorgegangen aus tiefen, aus gründlichen Ein­sichten in das Gefüge des Weltendaseins. - Es war einmal dieses Dogma der Trinität eine tief erkannte Wahrheit. Es stellte dar eine tiefe Einsicht

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in Wirklichkeitszusammenhänge. Aber das war vorhanden in jener alten Zeit, in welcher die menschlichen Seelenfähigkeiten, die Erkenntniskräfte, die, wie gesagt, eine Art instinktiven Hellsehens waren, zusammenpaßten mit einem solchen Dogma. Das Dogma hat sich dann fortgepflanzt. Es paßt nicht mehr zu der heutigen Ausbildung der menschlichen Seelenkräfte. Es sind in der Regel für jeden Menschen, der dieses Dogma bei seiner Entstehung mit durchgemacht hat, seit jener Zeit mehrere Erdenleben verflossen. Die Seelen haben verschiedene Er­lebnisse während dieser Erdenleben durchgemacht. In der äußeren Welt hat sich das Dogma erhalten, es ist von Generation zu Generation fort-gepflanzt worden. Es hat heute eine Gestalt angenommen, daß es aus den Worten heraus, mit denen es mitgeteilt wird, gar nicht mehr ver­standen werden kann. Und nun sind diese Seelen wiedergeboren; aus dem Kirchlichen heraus wird ihnen das Dogma entgegengebracht. Es ist keine innere menschliche Beziehung zwischen dem, was da von den Bekenntnissen den menschlichen Seelen entgegengebracht wird, und demjenigen, was die Seelen aus sich heraus anstreben zu erfahren, zu wissen. Was so schlimm wirkt in der Gegenwart, ist nicht, daß die Dog­men falsch sind, sondern worauf es ankommt, ist, daß die Dogmen eine solche Form sind, die Wahrheit zu fassen, die den heutigen Zeitverhält­nissen nicht mehr entspricht, daß die Dogmen nicht mehr entgegen­kommen dem, was die menschlichen Seelen brauchen. So daß wir sagen können: Diese Dogmen werden heute gepredigt, indem sie eigentlich in den leeren Wind hinausgehaucht werden. - Auch diejenigen, die sich zu ihnen bekennen, tun dieses Bekennen nicht in innerer Seelenwahr­heit, denn sie verstehen die Dogmen zumeist nicht. Aber dasjenige an­nehmen, was man nicht versteht, ist eine innere Unwahrheit. Und im Grunde kommt es von dieser inneren Unwahrheit her, daß in unserer Gegenwart so viel Schaden angerichtet wird durch die Unwahrhaftig­keit der Welt.

Was in den letzten Jahren durch die Menschheit gegangen ist an Un­wahrhaftigkeit, ist ja wirklich unermeßlich. Aber im Grunde genom­men ist es nicht zu verwundern, daß es so ist, aus dem einfachen Grunde, weil, wenn die Seelen in jener Unwahrhaftigkeit leben, die ich eben jetzt gekennzeichnet habe, es eben kein Wunder ist, wenn sie keinen

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Sinn für die Wahrhaftigkeit im äußeren Leben haben. Das sollten vor allen Dingen diejenigen bedenken, welche heute glauben, eintreten zu müssen für die traditionellen Bekenntnisse. Es ist durchaus eine ernste Angelegenheit, mit der man sich auf diesem Gebiet beschäftigen muß.

Man könnte sagen, über die Dogmen sind die Seelen, die mittlerweile durch verschiedene Erdenleben gegangen sind, hinausgewachsen, seit diese Bekenntnisse sich gebildet haben. Geradeso wie man mit den­jenigen Dingen, die ich Ihnen in den beiden letzten Vorträgen hier ent­wickelt habe, Ernst machen muß gegenüber dem Leben, so muß man mit der Anschauung von den wiederholten Erdenleben auch auf diesem Gebiete Ernst machen, Lebensernst machen.

Aber betrachten wir von demselben Gesichtspunkte aus dasjenige, was der Menschheit heute gegeben wird an äußerer Wissenschaft. Da wird geformt ein Wissen, bloß entstammend der sinnlich physischen Beobachtung. Das soll vereint werden mit demjenigen, was als mensch­liche Seele da in uns selber lebt, sie soll aufnehmen, sich erfüllen mit dem, was bloß sinnlich-physisches Beobachtungsmaterial ist.

Betrachten Sie den Menschen lebendig drinnenstehend im Leben. Er trägt in sich die Seele, die durch Erdenleben hindurchgegangen ist, die äußerlich in den Religionsbekenntnissen nicht das findet, womit sie sich verbinden kann. Sie verbindet sich aber, wenigstens für gewisse Gebiete des Lebens, mit dem, was heute anerkannte Wissenschaftlich­keit ist. Die Frage muß aufgeworfen werden: Was geschieht mit der menschlichen Seele, wenn sie sich verbindet mit dieser anerkannten, bloß auf dem sinnlich-physischen Gebiete beobachtenden Wissen­schaft? - Die Seelen, die heute sich einverleiben den physischen Orga­nismen, diese Seelen haben ja in der Tat in früheren Verkörperungen dasjenige in sich aufgenommen, was noch ganz anderen Verhältnissen zur Natur, zur Umgebung, zur Welt entsprach als das, was heute in die­sem Wissen aufgenommen wird. Man kann nur verhältnismäßig wenige Seelen, die jetzt verkörpert sind, finden, welche nicht in ihrem vorigen Leben noch so verkörpert waren, daß sie zum Beispiel mit dem, was ihnen über die Naturerscheinungen gesagt worden ist, verbanden ein gewisses Wissen oder, sagen wir, ein gewisses Vorstellen über Geistiges. Solch eine geistentblößte Naturwissenschaft, wie sie seit drei bis vier

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Jahrhunderten heraufgezogen ist, gab es ja vorher nicht. Was als Natur­wissenschaft der Menschheit in jenen älteren Zeiten gegeben worden ist, in jenen verhältnismäßig gar nicht so lang hinter uns liegenden Zeiten, das war so, daß man, indem man einen sinnlichen Tatbestand hinstellte, immer noch in diesem sinnlichen Tatbestand etwas hatte, was diesen sinnlichen Tatbestand durchtränkte mit Geistigem. Daher kommt es ja auch, daß viele Menschen der Gegenwart, denen nichts Besonderes daran liegt, mit ihrer Zeit zu gehen, in der gegenwärtigen sinnlich-physischen Naturwissenschaft nichts finden, was sie befriedigt, diese daher links liegen lassen und sich nicht damit beschäftigen, dafür aber allerlei alte Schmöker aufstöbern und nun nachforschen, was Basilius Valentinus oder irgendein anderer in seiner Art den Menschen an Naturwissen überliefert hat. Es ist richtig, daß in den Vorstellungen, die man sich damals über die Natur machte, noch allerlei von Geistigem drinnen lebte, aber gewöhnlich beruht der tiefe Respekt derjenigen, die sich heute mit diesen Dingen befassen, nur darauf, daß sie sie nicht verstehen und daß sie dasjenige für sehr tief halten, was man nicht versteht.

Was wichtig ist auf diesem Gebiet, ist, daß eben die menschlichen Seelen, die in gegenwärtigen Leibern verkörpert sind, auch zu jenem alten Wissen keine reale Beziehung mehr haben und mit dem, was durch das übrige Leben geht und womit heute jeder schon in der Schule ge­füttert wird, eben angepfropft werden, also in irgendeiner Weise das der sinnlich-physischen Beobachtung entstammende Wissensmaterial aufnehmen. Was aber liegt, wenn man die Sache innerlich betrachtet, da eigentlich vor?

Wir kommen heute in unsere Leiber hinein mit dem, was unsere See­len in früheren Leben durchlebt haben, aber wir kommen in einer ge­wissen Weise so in unsere Leiber herein, daß wir kein Verhältnis mehr zu dem haben, was die Seelen in früheren Erdenleben durchlebt haben. Wir haben durch die verschiedenen Erde nieben hindurch - das mußte geschehen, weil das ja die Vorbereitung zur Ausbildung der Freiheit war - die Seelen so ausgebildet, daß sie in einer gewissen Weise aus­gehöhlt sind von dem, was sie früher in sich aufgenommen haben, daß sie keine Beziehung mehr haben zu dem, was sie früher aufgenommen haben, daß sie in einer gewissen Weise leer sind gegenüber demjenigen,

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was eigentlich in der Welt lebt. Wir bringen in unseren Seelen nichts mehr herüber in dieser Beziehung aus früheren Erdenerlebnissen. Wir bringen wohl die Ergebnisse unserer moralischen Qualitäten herüber, aber wir bringen im Grunde genommen aus den früheren Erlebnissen, aus den früheren Erdenleben nicht dasjenige in dieses Erdenleben hin­ein, was zu einem irgendwie gearteten angeborenen Wissen von den Geheimnissen der Welt führen könnte. Die Seelen kommen heute nicht so in die Leiber herein, wie sie zum Beispiel noch in die griechischen Leiber hereingekommen sind. Die Seele, die durch die Geburt gegangen war im griechischen Leben, die kam noch mit einer durch das alte Wis­sen gespeisten Kraft in den physischen Leib herein, so daß sie diesen physischen Leib durchfrischen konnte mit geistig-seelischer Lebens­kraft. Das ist heute nicht der Fall. Heute kommt zumeist die Seele so in den Leib herein, daß sie etwas für den Leib Aufzehrendes hat. Und in immer stärkerem und stärkerem Maße ist das der Fall, daß die Seelen, die heute geboren werden, etwas für den Leib Aufzehrendes haben, daß sie den Leib lähmen, daß sie ihn gewissermaßen mit Todesgewalten durchziehen. Würde die Entwickelung in diesem Sinne vorschreiten, so kämen wir ganz gewiß in die Untergrabung, in den Niedergang des Erdenlebens hinein. Die Menschen würden immer willensschwächer und willensschwächer. Die Menschen würden immer mehr und mehr zeigen, wie sie sich nicht aufraffen können zum Erfassen von aktiven Impulsen. Die Menschen würden gewissermaßen nur wie automatische Erfasser des Lebens durch dieses Leben gehen. Wie traurig ist es, daß wir in der Gegenwart sehen müssen, wie selten es ist, daß sich die Menschen innerlich befeuern lassen von lebendigen Ideen. Wie sehr finden wir, daß die Menschen der Gegenwart, man möchte sagen, an seelischer Sklerose leiden, daß sie tote Ideen wälzen, daß sie nur dasjenige, was sie mit den Traditionen aufnehmen, in ihren Köpfen wälzen und Auto­maten werden.

Es ist ja wirklich so: Wenn man mit unbefangenem Sinn heute durch die Welt geht und diejenigen Menschen betrachtet, die heute im Leben stehen, so kann man sie eigentlich im Grunde genommen zu Dutzenden gar nicht voneinander unterscheiden. Man kann sie wirklich nicht un­terscheiden. Man redet mit dem A, mit dem B, mit dem C, alle erzählen

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sie dasselbe. Jeder glaubt selbstverständlich, sein Eigenes zu sagen; aber man kann gar nicht darauf kommen, einen besonderen Unterschied zwischen ihnen anzugeben, sie erzählen alle dasselbe. Man hat eigent­lich nur eine Art des Menschen in verschiedenen Exemplaren vor sich, und man frägt sich manchmal? Gibt man sich nicht einer Täuschung hin, ist nicht der, mit dem du heute sprichst, derselbe, mit dem du gestern gesprochen hast? - Das entspricht aber durchaus dem, was sich auch ergibt aus der Betrachtung der aufeinanderfolgenden Erdenleben im Verhältnis zu diesem jetzigen, besonderen Erdenleben. Die Seelen bringen sich eben nicht dasjenige mehr mit, was sie früher gehabt haben, was von Erdenleben zu Erdenleben gegangen ist und immer wiederum erschienen ist, wenn auch in absteigender Kraft, und was wie ein an­geborenes Wissen da war. Das ist eben nicht mehr da. Und wenn dann mit solchen Seelen verbunden wird dasjenige, was nur äußerlich beob­achtetes, physisch-sinnlich beobachtetes Naturwissen ist, dann werden diese Seelen angefüllt mit einem Wissen vom Vergänglichen, mit einem Wissen, das nur dasjenige in Ideengebilden ausdrückt, was äußerlich, vergänglich ist. Das 19. Jahrhundert hat ja, um sich in einer furchtbaren Illusion hinwegzutäuschen über diese Tatsache, zu dem schon älteren «Gesetz von der Erhaltung des Stoffes» hinzuerfunden das sogenannte «Gesetz von der Erhaltung der Kraft». Es hat diese Gesetze erfunden, um sich darüber hinwegtutäuschen, daß in der Natur nichts erhalten wird, sondern alles vergänglich ist, daß auch der Stoff und die Kraft vergänglich sind. Es bleibt von der Seele nichts mehr übrig, wenn die Inkarnationen sich in der Zukunft wiederholen, als der Menschheits-automat, wenn diese leere Seele nur angefüllt wird mit dem sinnlich beobachteten, naturwissenschaftlichen Material. Denn das übt keine belebende, keine befruchtende Kraft auf die Seele aus.

Die Seele wird heute geboren, herüberkommend aus früheren Erden­leben, lechzend darnach, befruchtet zu werden von irgend etwas, um wiederum weiterzukommen durch die folgenden Erdenleben. Aber die Aufnahme des Wissens von bloß Vergänglichem gibt ihr nur den Seelen-tod, mordet die Seele. Das ist dasjenige, was heute im Ernste durch­schaut werden muß, daß, wenn es fortan bleibt, daß nur Nichtverstehen sein kann gegenüber den altgewordenen Dogmen, dann nur Lähmung,

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Tötung eintreten könnte durch ein nicht geistdurchdrungenes Natur-wissen, und die Seele den zweiten Tod, den Seelentod erleiden müßte. Es hängt durchaus an den Menschen und an der Menschheit, die Seelen lebendig zu erhalten. Es darf sich der Mensch heute nicht jener beque­men Passivität hingeben, indem er sagt: Ich bin ein ewiges Wesen, und mein ewiger Wesenskern wird mir unter allen Umständen erhalten bleiben. - Das entspricht nicht einem Wirklichkeitsergebnis. Dieser ewige Wesenskern ist allerdings im Menschen vorhanden, aber er muß gerade in diesem Zeitalter der Entscheidung befruchtet werden, wenn er nicht absterben soll. Und es gibt kein anderes Mittel, um die Seele lebendig zu erhalten, als zu brechen mit den bloß physisch sinnlichen Naturbeobachtungen und zu begründen eine wirkliche Geist-Wissen­schaft, auch gegenüber den Naturtatsachen zu zeigen, wie in allem sinnlich zu Beobachtenden der Geist lebt. Es kommt darauf an, nichts gelten zu lassen, was bloß Registrierung sinnlich physischen Materials ist, sondern zu fordern, daß alles physisch-sinnliche Material durch­drungen werde von Vorstellungen des Geistigen, das ja darin lebt, das nur nicht herausgetrieben werden darf. Denn wenn dann die Seelen, die aus früheren Erdenleben kommen, dieses geisterfüllte Naturwissen aufnehmen, dann werden sie befruchtet und dadurch in die Lage ver­setzt, ihre Lebendigkeit hinüberzutragen in die folgenden Erdenleben. Der Fortbestand der Seele, ihre Gesundheit, ja der Fortbestand des Seelenlebens selbst, die Abwendung des Seelentodes der Menschheit hängen an der Durchgeistigung unseres Naturwissens!

Aus diesen Tatsachen heraus und nicht aus irgendeinem beliebigen Vorurteil wird heute von uns angestrebt diese Durchgeistigung der Naturwissenschaft. Und wenn die Menschheit in vielen ihrer Exem­plare sich gegen diese Durchgeistigung der Naturwissenschaft wendet, dann ist diese Menschheit, eben weil sie unwissend ist gegenüber der eigentlichen Bedeutung der Tatsachen, eben aufgestachelt von Geistern, die wir ja gut kennen, die sich um so mehr in der menschlichen Natur geltend machen können, je weniger die Seele mitgebracht hat aus ihren früheren Inkarnationen. Aus dem ganzen Gefüge unseres Gegenwarts­lebens, das geistig sich zusammensetzt aus geistentblößter Naturwissen­schaft und sinnentblößten Bekenntnissen, geht dasjenige hervor, was

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immerfort wieder und wiederum in der absurdesten Weise sich geg­nerisch verhält gegen den Willen zu einer geistigen Durchdringung des Naturwissens. Es kann nicht oft genüg betont werden, wie notwendig es ist in unserer Zeit, solchen Sachverhalt tief innerlich zu verstehen und sich, wenn ich das Wort gebrauchen darf, einzustellen auf eine sol­che Tatsache. Wir können nicht ernst genug nehmen, was heute auf Ablehnung hingeht einer geistdurchdrungenen Wissenschaftlichkeit, ob es nun aufsprießt in jener Weise, die ich heute nachmittag habe er­wähnen hören - ich weiß nicht, inwieweit sie auf Wahrheit beruht -: daß sogar auf einen Beschluß der Farben tragenden Studenten hin die erst in der vergangenen Woche gehaltenen Vorträge boykottiert worden sind, oder ob es in einer anderen Form auftritt. Man kann ja heute die Schriften, die sich gegen diese Geisteswissenschaft wenden, zu ganzen Stößen sammeln. Und was in recht dunkeln, unsauberen Strömungen sich geltend macht, das werden diejenigen, die diese Dinge zu ver­schlafen lieben, doch auch in verhältnismäßig vielleicht recht kurzer Zeit recht stark wahrnehmen können. Es ist ja heute noch bequemer, unaufmerksam zu sein auf diese Dinge, als aufmerksam zu sein auf sie. Aber wir stehen eben nicht mehr auf dem Punkte, wo wir den Weg zurückmachen könnten zum Unbesprochenbleiben von der Welt. Das läßt sich nicht mehr machen. Und deshalb gibt es nur ein Vorwärts-gehen. Aber dieses Vorwärtsgehen ist gebunden an ein aktives Sich-Beteiligen an den immer schlimmere Gestalten annehmenden - man kann es ja nicht mehr Diskussionen nennen, aber wollen wir es einmal so nennen - «Diskussionen» der Zeit. Nur wenn es uns gelingt, aus einer starken Kraft heraus, die nur, wenn jeder das Seinige tut, zusammen-fließen kann, für Geisteswissenschaft einzutreten und uns nicht zu scheuen, überall in ungeschminkter Weise rückhaltlos zu charakteri­sieren, wo im Verborgenen offenbar Feindseligkeit gegen die Geistes­wissenschaft vorhanden ist, nur dann kann eine Hoffnung bestehen, durchzukommen. Es handelt sich dabei viel weniger darum, bloß das­jenige, was etwa wörtlich genommen als Gegnerschaft gegen die Gei­steswissenschaft auftritt, aufzufangen und dagegen verteidigend auf­zutreten. Das ist gewiß in dem einen oder anderen Fall durchaus not­wendig; aber es genügt das nicht. Denn schließlich ist das doch nur die

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sekundäre Erscheinung, wenn aus törichtem Mißverständlichen oder aus Mißverstehen entsprungen böswillig Gegnerschaft gegen die Geistes­wissenschaft sich erhebt. Das ist gewissermaßen etwas Sekundäres, das ja natürlich ab und zu in das richtige Licht gesetzt werden muß. Sekun­där ist es selbstverständlich, wenn - ich habe das neulich schon im öffentlichen Vortrag angeführt - solche Menschen wie Frohnmeyer über die Hauptgestalt der plastischen Gruppe in Dornach, die als die Christus-Gestalt erlebt werden kann, vorbringen: Daß sich in Dornach eine «Statue des Idealmenschen» befinde, «oben mit Zügen, unten mit tierischen Merkmalen». - Es ist gewiß notwendig, daß auf so etwas hingewiesen wird, aber schließlich gar nicht einmal des­wegen, um bloß unsere Geisteswissenschaft zu verteidigen, sondern aus einem viel tieferen, bedeutsameren Untergrunde heraus. Wer imstande ist, eine solche furchtbare Unwahrheit in die Welt zu setzen, der wirkt schädigend auf die Menschheit in allem, was er schreibt und sagt, wo er erziehend auf die Menschheit wirken soll. Und nicht das ist das Bedeut­same, daß so jemand einmal eine knüppeldicke Lüge ausspricht, sondern das ist das Bedeutsame, daß man von diesem Symptom aus, daß ein Mensch so stark lügen kann, ersieht, auf welchen Pfaden gewisse Führer der Menschheit heute wandeln. Man kann erkennen an den Angriffen gegen die Geisteswissenschaft, wie der heutige Wahrheitssinn beschaf­fen ist. Und auf dieses breitere Feld hinaus muß die Arbeit auf diesem geistigen Gebiet geführt werden. Das ist es, worauf es ankommt. Man darf nicht zurückschrecken vor dem Aufsuchen dieses mangelnden Wahrheitssinnes auf allen Gebieten. Und es muß die Menschheit ver­stehen lernen, daß nur mit wirklichem Wahrheitssinn der Zukunft ent­gegengearbeitet werden kann, wenn die Seelen den Weg finden sollen aus der Inkarnation dieses Zeitalters in die Inkarnation der nächsten Zeitalter hinein. Es handelt sich heute dabei nicht um etwas Formales, sondern durchaus um das reale Leben der Seele durch die aufeinander­folgenden Erdenleben hindurch. Man suche und man wird finden, wie der Zusammenhang ist zwischen jener Ihnen früher charakterisierten innerlichen Unwahrhaftigkeit des Denkens - in äußerlich der Seele ent­gegengebrachten Bekenntnissen, ohne eine innerliche Verbindung her­zustellen mit der Wahrheit - und der Unwahrhaftigkeit in der äußeren

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Welt. Denn schließlich ist es doch eine merkwürdige Erscheinung, daß solche Unwahrhaftigkeiten besonders bei denjenigen so stark auftreten - womit ich aber nicht sagen will, daß sie bei Genossen von den anderen Fakultäten nicht vorhanden wären -, die eigentlich die Belehrer der Menschheit, die großen Siegelbewahrer der religiösen Wahrheiten sein sollten.

Das ist die erste Pflicht des heutigen Menschen, der irgendeine Be­ziehung zum geistigen Leben haben will: die kulturhistorisch gewordene Unwahrhaftigkeit aufzusuchen. Es ist merkwürdig, wie tief eingefressen diese kulturhistorische Unwahrhaftigkeit ist. Sie ist ein Charakteristi­kum unseres Zeitalters. Aus der Politik, in der sie ihre üblen Sumpfpflanzen getrieben hat, ist sie ja schließlich eingedrungen auch in man­ches andere Gebiet. Und es ist schon der Zustand eingetreten, daß die Menschen kaum mehr unterscheiden können zwischen Wahrhaftigkeit und Unwahrhaftigkeit in bezug auf gewisse Erscheinungen des Lebens. Sie sehen, es spielt eine gewisse Lebenserscheinung, die Unwahrhaftig­keit, der wir auf Schritt und Tritt im täglichen Leben begegnen, sowohl in diesem täglichen Leben ihre Rolle, wie auch in den großen Angelegen­heiten des Lebens. Schließlich ist die Unwahrhaftigkeit heute demselben Hang entsprossen, gleichgültig, ob sie nun auftritt bei den erleuchteten Herren - allerdings von einem merkwürdigen Licht erleuchtet -, die in Genf versammelt waren, oder ob sie auftritt bei den verschiedenen bür­gerlichen und proletarischen Kaffeeklatschen. Was als Geist in Genf und in den bürgerlichen und proletarischen Kaffeeklatschen gelebt hat, ist als Unwahrhaftigkeit beliebt, und in Parenthese möchte ich sagen - die Anwesenden müssen mir das nicht übelnehmen, in Parenthese darf ich es wohl sagen -, daß sie auch durchaus nicht ausgerottet ist inner­halb der Anthroposophischen Gesellschaft. Diese Unwahrhaftigkeit ist eine kulturhistorische Erscheinung der Gegenwart, und mit ihr muß man sich befassen. Sie darf vor allen Dingen auf keinem Gebiet bloß entschuldigt werden, sondern sie muß charakterisiert, vor die Zeit­genossen hingestellt werden. Wir erleben es ja immer wiederum, daß, wenn einmal die dringende Notwendigkeit sich herausstellt, auf solche Dinge hinzuweisen, uns auch von Leuten, die in der anthroposophi­schen Bewegung stehen, weil ihnen die Dinge unbequem sind, weil sie

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leben müssen innerhalb der Unwahrhaftigkeit und ihnen daher die Charakteristik der Unwahrhaftigkeit in dem einen oder andern Falle höchst unbequem ist, dieses Charakterisieren der Unwahrhaftigkeit immer wiederum übelgenommen wird.

Diese Dinge, die ich heute gesagt habe, in Verbindung gedacht mit dem, was ich in den zwei vorigen Betrachtungen gesagt habe in bezug auf die Wiederverkörperung der Seelen über die heutige zivilisierte Welt hin, sowie über das Interesse, das bei einem Teil der Menschheit vorhanden ist, das Entscheidende, das im gegenwärtigen Zeitalter an die Menschheit heran will, nicht an diese Menschheit herankommen zu lassen, kann einen Begriff geben von dem großen Ernste der Zeitaufgaben, in denen wir drinnenstehen.

Diese Zeitaufgaben sind durchaus vom tiefsten Ernste durchdrungen. Und deshalb, weil es so notwendig ist, gerade auf unserem Boden von diesem Gesichtspunkte auszugehen, habe ich das letzte Mal am Schlusse davon gesprochen, wie schmerzlich es mir ist, daß heute so viel Zeit in Anspruch genommen wird, ohne daß zu gleicher Zeit die Möglichkeit vorhanden ist, die frühere anthroposophische Arbeit so fortzusetzen, wie sie vorhanden war, bevor die Notwendigkeit - eine Notwendigkeit ist es ja - sich ergeben hat, in den Dingen zu arbeiten, die ja hier oftmals besprochen worden sind, und die eben heute durchaus da sein müssen. Allein, wenn wir uns in das richtige Verhältnis zu diesen Dingen setzen wollen, dann ist es notwendig, notwendig gerade aus dem Geiste der großen Zeitaufgaben heraus.

Wir müssen uns nämlich nur folgendes heute immer klarer und klarer machen: Unsere Freunde haben sich vielfach eingelebt in die anthropo­sophische Bewegung, wie sie ja im Grunde seit dem Beginn dieses Jahr­hunderts da ist. Diese anthroposophische Bewegung ist etwas, was nun wirklich nicht bloß eine Realität hier auf dem physischen Plan hat, sondern was fortdauernd eine Angelegenheit der geistigen Welten ist, eine unmittelbare Angelegenheit der geistigen Welten ist. Selbstverständlich sind auch die äußersten praktischen Maßnahmen eine An­gelegenheit der geistigen Welten, aber nicht in dem Sinn, wie es die anthroposophische Bewegung selbst ist. Und darüber muß ich heute ein paar Worte sagen. - Die anthroposophische Bewegung in ihren geistigen

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Aspekten, sie geht fort, ob die Menschen hier, die sie vertreten, fleißig oder faul sind; ob die Menschen, die sie vertreten, sich Mühe geben, die Dinge vorwärtszubringen oder nicht vorwärtszubringen, sie geht eben dann schneller oder langsamer vorwärts, aber sie bleibt in ihrer geisti­gen Realität vorhanden. Da es notwendig geworden ist, praktische Dinge ins Leben zu rufen, die unmittelbar aus den Forderungen der Gegenwart herausgewachsen sind, so steht es mit diesen Dingen anders. Diese Dinge müssen in ihrer richtigen Zeit gemacht werden, da es un­möglich ist, mit diesen Dingen zurechtzukommen, wenn sie nicht in der richtigen Zeit absolviert werden. Für die Dinge des praktischen Lebens kann es so liegen, daß, wenn sie in langsamem Trott gemacht werden, sie einfach zu spät kommen. Innerhalb der anthroposophischen Bewe­gung hat man sich aber vielfach gewöhnt an dasjenige, was langsam oder schnell gehen kann. Und es wird jetzt vielfach die Praxis, die man sich dort angeeignet hat, auch hinübergetragen in diejenigen Dinge, in denen diese Praxis nicht geht. Und das ist dasjenige, hauptsächlich, was zugrunde liegt dem, was ich neulich charakterisieren wollte, indem ich hingewiesen habe darauf, daß wiederum die Möglichkeit geschaffen werden muß, dasjenige, woraus ja doch schließlich alles fließt, die anthroposophische Bewegung als solche zu pflegen. Wie lange mußte ich schon darauf hinweisen, daß es gar nicht möglich ist, persönliche Unterredungen jetzt zu haben. Ja, meine lieben Freunde, wir haben in den letzten Tagen der vorigen Woche - die paar wenigen Leute, die nun wirklich arbeiten können in den praktischen Angelegenheiten -, wir haben unsere Tage bis gegen drei Uhr morgens besetzt gehabt. Und doch sind die Leute immer wiederum unwillig, wenn nicht dem Wunsche nach persönlicher Besprechung Rechnung getragen werden kann. Aber ich möchte wissen, woher die Zeit kommen soll dazu. Das muß verstan­den werden. Daraus darf nicht eine Lässigkeit im anthroposophischen Leben selber fließen; sondern im Gegenteil, es muß geradezu eine Er­kraftung des anthroposophischen Lebens daraus kommen. Denn seien Sie versichert, wenn diese Erkraftung des anthroposophischen Lebens kommt, dann kommt das andere Notwendige auch auf den praktischen Lebensgebieten von selber. Aber die Erkraftung muß kommen vor allen Dingen. Diese Erkraftung muß so kommen, daß wir versuchen, alles

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Träumerische aus unseren Seelen auszutreiben. Was bloß brüten will auf irgendeiner Lebensinsel, was sich nicht kümmern will um dasjenige, was im Leben heute vorgeht, ist dasjenige, was die Verfolgung der wirk­lichen Aufgaben des Lebens so lähmt. Diese Aufgaben werden gelähmt, wenn die Menschen auf der einen Seite einfach blind bleiben, schläfrig bleiben gegenüber dem, was im äußeren Leben sich abspielt, und ihr Heil, was aber mehr die Wollust ihrer Seele ist, suchen in der Bearbei­tung allerlei lebensfremder, mystischer Probleme auf ihren Lebensinseln.

Ich berühre damit etwas außerordentlich Wichtiges, etwas, was eine unmittelbare Anwendung der Ideen über die großen Aufgaben der Zeit auf unsere eigene Bewegung ist. - Jeder einzelne von uns müßte mit­arbeiten an der Erkraftung dieser anthroposophischen Bewegung. Man kann nur mitarbeiten an der Erkraftung dieser anthroposophischen Bewegung, wenn man sich ein freies und offenes Auge anerzieht für das­jenige, was die Niedergangserscheinungen in unserem Kulturleben im Großen sind. Für Anthroposophen geht es nicht an, sich nicht zu küm­mern um diese Niedergangserscheinungen im Großen. Es geht nicht an für Sie, sich nicht hinzuwenden zu dem, was die heutige Zivilisation durchdringt mit einer Kraft, die sie in den Abgrund hineintreibt. - Trotzdem es auf der einen Seite nicht gerne gehört wird, auf der an­deren Seite immer wiederum vergessen wird, muß ich immer wiederum darauf hinweisen, daß die Dinge von selber nicht besser werden. Und das kontemplative Brüten heute, das eine Art transzendentaler Demon­stration bei vielen ist, das ist dasjenige, was uns außerordentlich scha­det. Statt daß der Wille aufgerüttelt wird und man sich sagt: Ich will tun -, brütet man darüber nach, ob da oder dort die Verhältnisse so sind, daß man etwas tun kann.

Meine lieben Freunde, wenn man vom Beginn des Jahrhunderts so nachgedacht hätte über die anthroposophische Bewegung, niemals wäre sie heute dasjenige, was sie ist. Denn die gescheiten Leute, die dazumal aufgetreten sind, haben gesagt, in München müsse man so und so arbei­ten; und die noch gescheiteren haben wieder unterschieden zwischen Schwabing und München, und haben überall das Gras wachsen hören, das ihnen anzeigte, wie die betreffenden Orte beschaffen sind. Dann

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sind solche gekommen, die haben in Hannover, in Frankfurt ganz be­sondere Verhältnisse gefunden. Das war etwas, dem man überall begeg­nete. Hätte man irgendwie darauf gehört, man wäre keinen Schritt vorwärtsgekommen. Es war das dazumal schon eine üble Sache, aber heute, wo es sich um Aufgaben des praktischen Lebens vielfach handelt, ist es eine noch üblere Sache. Denn heute handelt es sich nicht darum, daß wir solche Graswachserei aufstöbern, sondern darum, daß wir unseren Willen anspannen, um etwas zu tun, um wirklich zu arbeiten. Es ist natürlich ungemein leicht, zu sagen: Ich verspüre in der transzen­dentalen Atmosphäre dieses oder jenes Ortes, daß man da nicht das oder jenes tun kann - es ist viel leichter, als einfach etwas tun wollen. Man sollte so wenig wie möglich sich auf das Äußere heute berufen, und so viel wie möglich das Innere in Gang bringen. Das ist dasjenige, was nun wirklich nicht oft genug betont werden kann.

Und dazu kommt eben, daß zwar der anthroposophische Ernst durchaus aufrechterhalten werden muß, daß aber wirklich die Kraft aufgebracht werden muß, in bezug auf das Äußere eben einfach wirk­lich mit Interesse auf die Dinge einzugehen. Wir müssen doch wissen, was in der Welt vor sich geht - und es gehen viele Dinge vor sich. Aber es ist erstaunlich, wie auch in unseren Kreisen man sich wenig kümmert um das, was geschieht.

Ich will eine betrübliche Tatsache hervorheben. Diese Tatsache hat viele Ursachen, aber es würde heute die Zeit nicht ausreichen, alle die einzelnen Ursachen Ihnen zu schildern. Aber das liegt doch vor, daß unsere Zeitschrift für Dreigliederung seit dem Mai um fast keinen ein­zigen Abonnenten vorwärtsgekommen ist. Und dabei sind wir eine Gesellschaft, die Tausende und Tausende von Mitgliedern hat. Es ist wirklich recht traurig, daß eine solche Tatsache eben verzeichnet wer­den muß. Aber solche Tatsachen sind da, und das ist nur eine der­selben. Glauben Sie, es ist durchaus wahr: die Gegner sind da andere Kerle, die sind überall auf ihrem Posten. Und deren Machinationen, die breiten sich aus. Ich sage diese Dinge nicht ohne Bedacht, und na­mentlich nicht ohne Bedacht dessen, was wir gewärtig sein müssen, wenn wir nicht alle Kraft zusammennehmen, die wir in uns haben, wenn wir nicht summieren all die einzelnen, individuellen Kräfte. Das

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brauchen wir. Wir müssen nun so viel Anthroposophie in uns haben, daß wir an die Werke gehen können, sonst kommen wir zu spät. Und ich sehe nicht, daß von anderer Seite dasjenige unternommen wird, was unternommen werden muß, sonst würde ich wahrhaftig nicht darauf verfallen, just von uns zu sagen, daß wir zu spät kommen.

Es ist manches Schöne im Anzuge, vor allen Dingen die Teilnahme eines Teiles der Studentenschaft bei unseren Bestrebungen. Gerade aus diesem Gebiet heraus kann das Fruchtbarste erwachsen, wenn man die­ser Sache mit echtem, wahrem Verständnis entgegenkommt; aber wir müssen uns auch klarsein darüber, wie man dieser Sache entgegenkom­men muß. Da geht es ganz gewiß mit unklarem Mysteln nicht. Da han­delt es sich darum, daß man aus innerem Lebensfleiß heraus der Sache entgegenkommt.

Dieses und noch manches andere wäre vielleicht heute zu sagen, aber ich denke, das andere könnte sich bei Ihnen selbst einfinden, wenn Sie die Gedankengänge, die angeregt worden sind, in sich selber weiter ent­wickeln. Aber daß sie sich weiter entwickeln möchten, das ist dasjenige, was ich am Schlusse dieses letzten Vortrages als einen vorläufigen Wunsch hinstellen möchte. Und jetzt sind die Zeiten so, daß ich einen solchen Wunsch nicht hinstellen kann für die Erfüllung auf Jahre hin­aus, sondern daß ich nur sehen kann auf die Wochen, bis ich wiederum hier sein kann. Denn im Grunde stehen die Dinge jetzt so, daß wir wirk­lich die Zeit brauchen, daß wirklich jede Woche verloren sein kann, die wir nicht benützen.

Deshalb, meine lieben Freunde, möchte ich Ihnen am Schlusse dieses Vortrages zweierlei sagen: Erstens möchte ich den Wunsch aussprechen, daß dasjenige verstanden werde, was ich heute gesagt habe, bis wir uns wiedersehen. Das zweite: daß dieses Wiedersehn eben erfolgen könnte, indem hingewiesen werden kann auf Dinge, die in der Richtung dieses Wunsches liegen. In diesem Sinne sage ich Ihnen auf Wiedersehen!

FÜNFTER VORTRAG Dornach, 21. Januar 1921

#G203-1989-SE083 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Dornach, 21. Januar 1921

#TX

Unsere Betrachtungen in der Zeit, bevor ich abgereist bin und schon Wochen vorher, liefen alle darauf hinaus, zu zeigen, wie das, was wir Geisteswissenschaft nennen, in das wirkliche Leben übergehen, hinein-greifen kann, wie das, was wir die Welt nennen, in einem gewissen innigen Zusammenhang steht mit dem, was wir innerlich im Menschen erleben. Und indem Sie diese Betrachtungen überblicken, die wir gerade über diese Sachen angestellt haben, bitte ich Sie, einmal sich gründlich die Frage vorzulegen, was es bedeuten würde für die Gesamtentwickelung der Menschheit, wenn die eindringlichsten, die bedeutsamsten Er­gebnisse anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft eindringen würden in das Leben der sozial miteinander arbeitenden Menschen. Man würde wissen, daß der Mensch, indem er zu seinem Bewußtsein kommt im physischen Leib, in diesem physischen Leib etwas bewahrt, was hinweist auf die Zeiten vor der Geburt beziehungsweise vor der Empfängnis, daß er da in einem Zustande war, der die Begierde nach diesem Leben zwischen der Geburt und dem Tode in sich trug, der in sich trug die Empfindung davon, daß die Seele, die lange Zeit nur in geistigen Welten gelebt hat, das Anschauen der Welt durch die leib­lichen Sinne, aber auch das Handeln aus dem physischen Leibe heraus braucht, um weiterzukommen.

Dieses bewußte Hinblicken auf die Präexistenz der Seele würde gar nicht bloß, wenn es richtig verstanden würde, eine theoretische Ansicht bleiben, sondern es würde Gefühl und Wille ergreifen und damit un­mittelbar eine Lebenskraft werden.

Wir können es ja sehen an den Menschen der Gegenwart. Sie zeigen uns alle etwas von Mangel an Initiative im Großen. Dieser Mangel an Initiative im Großen, der so lähmend wirkt auf alle Kräfte, die not­wendig sind, um das absteigende Leben wiederum zu einem Aufstieg zu bringen, diese Lähmung kann nur gebessert werden dadurch, daß der Mensch sich bewußt wird seiner Zugehörigkeit zur geistigen Welt. Das läßt sich aber nicht durch theoretische Erwägungen in die Seele hereinbringen,

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sondern allein durch die lebendige Anschauung desjenigen, was der Mensch war, bevor er heruntergestiegen ist in die physische Welt.

Wenn das, was hinüberblickt über die Zeit, die der Mensch hier zwischen Geburt und Tod zubringt, nicht Gegenstand eines unbestimm­ten Glaubens ist, sondern wenn es Gegenstand eines hellen Wissens ist, dann wirkt es nicht so abstrakt im Menschen, wie heute das religiöse Bekenntnis wirkt, sondern konkret als unmittelbare Kraft im Men­schen. Der Mensch arbeitet so, daß dies, was in seiner Arbeit liegt, über den Tod hinausreicht. Aber es wird dadurch, daß der Mensch solche Vorstellungen in sich aufnimmt, Leben hineingegossen in alles, was sonst der Mensch wissen kann.

Bedenken Sie doch nur einmal, daß wir heute ein ausgebreitetes Naturwissen haben. In bezug auf das äußere Wissen mussen wir sagen: Die Menschheit ist ungeheuer fortgeschritten. Die letzten blutigen Jahre haben gezeigt, daß dieser Fortschritt die Menschheit nicht bessern konnte in moralischer Beziehung. Und eigentlich haben durchaus solche Menschen wie Wallace, auf den ich früher oftmals hingewiesen habe, wenn ich gerade das betonen wollte, Recht behalten, die gesagt haben: Wir haben einen ungeheuren Fortschritt in bezug auf die Erkenntnis der Außenwelt erlebt, aber in bezug auf die moralische Verfassung ist die Menschheit so wie in den Urzeiten, sie ist gar nicht fortgeschritten.

Dieser Fortschritt muß heute in diesem historischen Zeitalter doch kommen, denn so wie die Menschen in ihrer Seelenverfassung jetzt sind, können sie nicht bleiben. Aber wie muß sich das vollziehen? Wie muß belebt werden die mehr theoretische Anschauung von der Welt? -Nehmen Sie ein anscheinend grobes Beispiel. Wir benützen zum mensch­lichen Leben die Steinkohle. Wir wissen, diese Steinkohle bildet die Überreste alter Wälder, ist also im Grunde genommen pflanzliche Sub­stanz. Wie hängt aber die pflanzliche Substanz, wie hängt die ganze Pflanzenwelt mit dem Menschen als solchem zusammen? - Wenn über wenige Jahrtausende hin ausgerechnet wird, wieviel Kohlensäure die Luft enthalten würde dadurch, daß wir Kohlensäure ausatmen, daß wir mit jedem Ausatmungszuge der Luft Kohlensäure abgeben, so ist das eine ungeheuer große Menge. Diese Kohlensäure würde im Laufe von Jahrtausenden die Menschheit dahinschwinden machen, sie würde

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das Leben tilgen. Aber die Pflanzen nehmen die Kohlensäure auf, schei­den den Kohlenstoff ab, machen ihren eigenen Leib aus dem, was sie aufnehmen aus den abgeschiedenen Produkten des Menschen, und die Pflanzen, die einstmals die Erde bedeckt haben, sie bilden wiederum das, was nun unsere Steinkohlenflöze, unsere Steinkohlenlager sind.

Sie sehen, es ist eine merkwürdige Wanderung. Zunächst kommt mehr das Qualitative in Betracht; denn selbstverständlich sind von unserem Atmen nicht unsere Steinkohlen entstanden, sondern von an­deren Wesen, aber es kommt dieses qualitativ in Betracht. Was wir gewissermaßen von uns ausscheiden, das bildet die Grundlage dessen, was wir wiederum von der Erde benutzen. So weit kann man denken nach den theoretischen Ergebnissen, zu denen die Naturwissenschaft gekommen ist.

Geisteswissenschaft führt uns weiter. Ich erinnere Sie daran, wie ich Ihnen gesagt habe: Der Mensch legt seinen physischen Leib ab, indem er mit seinem Seelisch-Geistigen in geistige Welten geht. - Aber ich habe Ihnen auch gesagt: Dieser physische Leib, der abgelegt wird, bedeutet das, was die Erde wiederaufbaut.

So wie wir im Ausatmen der Pflanzenwelt die Kohle geben, so geben wir der ganzen Erde unseren Leib. Und das, was wir um uns herum sehen, ist durchaus das Produkt solcher Wesen, wie wir selber sind, solcher Wesen, die unsere Vorgänger waren während der Monden-, Sonnen-, Saturnzeit, den drei ersten vorirdischen Verkörperungen un­seres Planetensystems. Sie haben der Erde das abgegeben, was heute diese ganze Erde bildet. Und wenn künftige Welten kommen werden, so wird das in ihnen leben von uns, was wir als unser Leibliches abson­dern. Es ist ein Gedanke von ungeheurer Tragweite, wenn man ihn ver­folgt. Denn aus unserem Naturerkennen heraus, das sonst nur halb bleibt, gewinnen wir einen Zusammenhang des Menschen mit der gan­zen Umwelt. Das ist außerordentlich wichtig, daß wir das gewinnen. Denn wenn wir das zusammennehmen, was wir unseren Betrachtungen zugrunde gelegt haben, so müssen wir uns sagen: In unserem ganzen Menschen, nicht bloß in unserem Denken, sondern in unserem ganzen Menschen bis in die äußerste Leiblichkeit hinein lebt das, was wir in unsere sittlichen Ideale hinein verarbeiten. Jene dualistische Anschauungsweise,

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welche keine Brücke schlagen kann zwischen dem natür­lichen Weltbilde und der moralischen Weltordnung, kann sich auch nicht vorstellen, wie sich das, was wir in unseren moralischen Idealen haben, mit unseren Muskelvorgängen verbindet. Sieht man die Welt so an, wie wir es in den letzten Betrachtungen gemacht haben, dann sieht man, wie sich einverleibt das, was wir in unseren moralischen Idealen denken, in unsere leiblichen Vorgänge. Man sieht einheitlich verwoben die geistigen und die leiblichen Vorgänge.

Diese Anschauungsweise müßte allgemein werden. Würde sie auf­genommen in unsere Kindererziehung, so würden Menschen heran­wachsen, die nicht auf der einen Seite im Sinne der Kant-Laplaceschen Theorie eine Welt haben, welche aus Nebelzuständen heraus sich ge­bildet hat, aus denen sich Sterne und Sonnen und Planeten abgeballt haben, aus denen dann durch Zusammenschweißen von moralisch­wesenlosen Materien die Menschen sich gebildet haben, die dann wie­derum sich zurückverwandeln in rein Natürliches, sondern das, was in uns aufschießt als moralisches Ideal, würde eins sein mit dem, was am Ausgangspunkte unserer Weltentwickelung gestanden hat im rein na­türlichen Dasein. Und wir Menschen würden uns erkennen als berufen, einzupflanzen dem natürlichen Dasein das, was wir als moralisches Ideal erleben. In künftigen Welten würden wir erkennen, daß als Na­turgesetze auftritt, was wir jetzt moralisch erleben.

Würden die Kinder unter dem Einfluß einer solchen Anschauung aufwachsen, dann würden sie sich so in die Welt hineinstellen, daß sie sich als ein Glied des Kosmos empfinden und dadurch Lebensgefühle haben würden aus jenen Kräften, die sie mit dem Erkennen des Kosmos in sich einsaugen. Ja, sie würden, indem sie zum Handeln erzogen wer­den, wissen, daß das, was sie tun, eingeprägt wäre in das Weltenganze. Wenn das Gefühl wäre, wie anders würden die Menschen leben als heute, wo es möglich ist, daß der Mensch, der sich frägt: Was bin ich eigentlich hier auf dieser Welt? - sich einsam stehend hier sieht, ent­sprungen aus unbestimmten Naturkräften, mit moralischen Idealen durchsetzt wie mit Seifenblasen. Solch ein Mensch kann gelähmt wer­den in bezug auf sein Lebensgefühl. Wenn er hinaufsieht in die Sternen-welten, sieht er die Sterne durch den Weltenraum gehen, hat aber keine

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Beziehung dazu; sie sind ja selber nur natürlich entstehende, in sich zer­fallende Welten ohne Sinn und ohne innerliche Geistigkeit.

Das muß man ins Auge fassen, was als Lebenskraft Geistesanschau­ung der Menschheit werden könnte. Auf das muß man immer wieder und wieder hinweisen, denn gerade das verstehen die Menschen der Gegenwart am allerwenigsten. Sie sprechen davon, daß die Geistes-anschauung weltflüchtig wäre. Weltflüchtig ist die gegenwärtige An­schauung. Warum? Sie arbeitet mit den Dogmen der Vergangenheit, die in der Vergangenheit einen guten Sinn hatten, weil sie entsprungen sind aus einem gewissen instinktiven Hellsehen. Dieses instinktive Hellsehen ist verschwunden, die Menschen haben keinen Bezug mehr dazu. Die Dogmen, die sich erhalten haben, werden nicht mehr verstanden. Nicht darum handelt es sich, daß die Dogmen falsch sind, sondern daß die heutige Menschheit keinen Bezug zu ihnen hat. Und außer demjenigen, was als Dogmen erhalten geblieben ist, hat die Menschheit heute eine geistlose Naturwissenschaft. Anthroposophie will eine geisterfüllte Naturwissenschaft geben, eine den Menschen belebende Naturwissen­schaft, und was da hereinträufelt als Erkenntnis des Geistes in der Na­tur, das verwandelt sich im Menschen, genauso wie sich die Nahrungs­mittel in physischer Beziehung im Menschen verwandeln, in soziale Kraft. Man würde es erleben, wenn man ernsthaftig auf diese Dinge eingehen wollte, daß Geist-Erkenntnis als Nahrung der Seele aufge­nommen, verdaut würde - wenn ich mich dieses Ausdruckes bedienen darf -, um als sozial wirksame Kraft aufzutreten. Wir werden auf keine andere Weise soziale Impulse gewinnen als dadurch, daß wir geistige Erkenntnisse aus der uns umgebenden Natur aufnehmen. Wer heute glaubt, soziale Reformen aus irgendeinem anderen Impuls heraus neh­men zu können, denkt über die Dinge der Welt so nach, wie ungefähr der nachdenkt über den Menschen, der ihm, um ihn möglichst gut zu ernähren, das Essen verbietet. Wer heute von sozialen Gestaltungen spricht und nicht mitspricht von geistiger Erkenntnis, will dasselbe tun mit Bezug auf die soziale Ordnung in der Menschheit, wie einer, der den Menschen ernähren will und ihm eine Hungerkur vorschreibt. Das steckt als tiefe Absurdität in den heutigen Anschauungen der Mensch­heit, und diese kann es durchaus nicht durchschauen.

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Was wir hereintragen aus geistigen Welten, indem wir in dieses Le­ben kommen zwischen Geburt und Tod, das ist ja durchaus nur wie ein Bild. Und im Grunde genommen ist unser Seelenleben ein Bildleben, und dieses Bildleben, es wurde in früheren Zeiten belebt von dem, was als Geistiges schon in der Naturanschauung vorhanden war. Es gab in alten Zeiten keine Naturanschauung ohne Geistanschauung. Die heu­tigen Menschen lesen nach über ältere Naturanschauungen; sie lesen da nichts von einer Naturwissenschaft, die ohne Geist war. Wer noch ins 13., 14. Jahrhundert zurückgeht und die Dinge liest, die damals über die Natur gesprochen wurden - mag er auch höhnen über das Kindische, über das Abergläubische -, der findet als das Wesentliche, daß alle diese Dinge, die geschildert worden sind, von Geist durchzogen geschildert sind. Heute bemühen wir uns so stark als möglich, die Naturerscheinun­gen ohne Geist zu sehen. Ja, wir sehen darin gerade die Vollkommenheit der Betrachtungen, alles ohne Geist zu sehen.

Das aber, was wir aus der Natur ohne Geist aufnehmen, kann durch­aus nicht mehr in das Bliddasein heute belebend eing reifen. Wir bleiben dann dabei stehen und wollen es uns nicht gestehen, Bild zu sein, bloßes Bild zu sein, Bild eines vergangenen Lebens, das nicht befruchtet sein will von dem Gegenwartsleben. Denn dieses Gegenwartsleben soll be­fruchten das vergangene Leben, damit es hinaufgetragen werden kann wiederum durch die Pforte des Todes in geistige Welten hinein. Nur so lebendig angeschaut kann eben Geisteswissenschaft dem Menschen das geben, was sie ihm geben soll.

Nehmen Sie zum Beispiel die Dogmen der alten Religionswissen-schaftsbücher. Es gibt heute viele Menschen, die kämpfen einfach gegen diese Dogmen, weil sie sie unsinnig finden. Sie sind keineswegs unsinnig, selbst nicht ein solches Dogma wie die Trinität, es hat sogar den aller-tiefsten Sinn. Mit den Mitteln der alten instinktiven Hellseherkunst wurde es von den Menschen abgelesen von der Natur selber. Und es gab Jahrtausende in der menschlichen Entwickelung, in denen dieses Dogma der Menschheit ungeheuer viel gab. Die äußeren Kirchen haben solche Dogmen bewahrt. Diese sind heute kaum mehr als etwas anderes vor­handen, denn als ein gewisser Wortlaut. Die Menschen haben kein Be­dürfnis heute, ein Verhältnis zu dem zu entwickeln, was Gegenstand

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eines alten Hellsehens war. Es bleibt etwas, was gar keinen Bezug auf die Menschen hat vermöge ihrer heutigen Natur, während es einstmals lebendige Seelennahrung war. Außer diesen Dogmen haben wir die äußere Naturwissenschaft, die geistentblößte Naturwissenschaft, die uns die Seele tötet, wenn sie nicht durchgeistigt wird.

Das sind die beiden Grundübel, welche die Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, im Auge hat. Sie will der Seele wiederum etwas geben, was diese Seele beleben kann, was dieser Seele Kraft einimpfen kann, so daß die Seele unmittelbar sich erfühlt als ein Glied des ganzen Kosmos und in ihrem sozialen Wirken jene Verantwortlichkeit fühlt, die davon herrührt, daß unser kleines Wirken als einzelner Mensch eine kosmische Bedeutung für die ganze Entwickelung der Zukunft hat. Hinausblicken müssen wir über den engen Kreis, den wir uns heute durch eine geistentblößte Bildung ziehen. Denn diese Einengung hat die Menschheit selbst vollzogen und will sie immer mehr und mehr voll­ziehen. Deshalb hat es Geisteswissenschaft so schwer, weil sie im Grunde genommen eben gerade das sein will, was nicht bloß in den Worten, nicht in den Gedanken, nicht in den Ideen liegt, sondern was wie ein geistig seelisches Lebensblut erst durch die Gedanken, durch die Ideen, durch die Worte durchfließt und unmittelbar in des Menschen Seele hineinträufelt. Daher kommt es auch bei Vertretung der Geisteswissen­schaft viel mehr darauf an, wie gesprochen wird, denn was gesprochen wird. Wir sehen heute den heftigen Streit zwischen Materialismus und Spiritualismus. Dieser heftige Streit rührt ja nur davon her, daß 4ie Menschen nicht einsehen wollen, daß eine tiefe Begründung der Aus­spruch hat: Zwischen zwei entgegengesetzten Behauptungen liegt die Wahrheit mittendrinnen.

Ist es wahr, daß Gott in uns ist? - Es ist eine Wahrheit, daß Gott in uns ist. - Ist es wahr, daß wir in Gott sind? - Es ist wahr, daß wir in Gott sind. - Die beiden Behauptungen sind entgegengesetzt. Beide sind wahr, Gott ist in uns, wir sind in Gott. Die beiden Behauptungen sind entgegengesetzt. Die wirkliche, die ganze Wahrheit liegt mittendrinnen. Und das Wesen alles Streites der Ideen in der Welt beruht darauf, daß immer die Menschen nach einer Einseitigkeit gehen, die wahr ist, aber eben eine einseitige Wahrheit ist, während die wirkliche Wahrheit zwischen

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zwei entgegengesetzten Behauptungen drinnenliegt. Man muß beides kennen, wenn man an die Wahrheit herankommen will. Man muß zum Beispiel heute, so wie die Weltentwickelung einmal liegt, den ernstesten Willen haben, das materielle Dasein kennenzulernen, man darf ja nicht in die Sucht jener Leute verfallen, welche sagen: Wir wol­len uns mit dem Geiste beschäftigen, wir wollen die Materie nicht ken­nenlernen. - Soviel als möglich die Materie als solche kennenzulernen, das ist die eine Seite des menschlichen Erkenntnis- und Willensstrebens, die andere Seite ist es, auch den Geist kennenzulernen. Denn zwischen beiden drinnen liegt, was wir eigentlich anstreben sollen, und beide Par­teien haben unrecht, diejenigen, die sagen, die Welt sei nur Materie, und diejenigen, die sagen, die Welt sei nur Geist. Denn, was ist Materie? Materie, so wie der Mensch sie kennt, ist das, was von dem Geiste zu­rückgeblieben ist, nachdem der Geist wieder Geist geworden ist. Ihre

#Bild s. 90

eigene Menschenform ist nichts anderes als das, was einstmals Gottes­gedanke war (siehe Zeichnung, links), was einstmals göttliche Gedan­kenwirkungen waren. Denken Sie sich, wie ein Wasser, das gefriert, Form bekommt; so bekommt dieser Gottesgedanke Form und wird Menschenhülle. Und ein neuer Gedanke, ein neuer Gottesgedanke macht sich In des Menschen Inneren geltend, der dann wiederum hin­ausgeht, und dieser Gottesgedanke hier (links) war wiederum um­gewandelt von einer Form, die In älteren Zeiten Gedanke war. Was wir

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als Materie anschauen, es ist ja nichts anderes als festgewordener Geist, und das, was wir als Menschengeist anschauen, ist junge Form, ist in der Entstehung begriffene Gestalt. Geist und Materie sind ja nur nach den Lebensaltern in der Welt verschieden. Und der Fehler ihnen gegenüber besteht nicht darin, daß wir uns der Materie zuwenden oder daß wir uns dem Geiste zuwenden, sondern daß wir das, was wir im Leben er­halten sollten, was wir befruchten sollten, damit es Zukunft werden kann, in der Gegenwart erhalten wollen.

Wenn wir das, was wir aus unserer Präexistenz in die Gegenwart hereingetragen haben, was wir also als seelisch-geistiges Leben haben, nur durchdringen mit der trockenen, äußeren geistentblößten Natur­wissenschaft, dann verhärten wir es, lassen es nicht keimfähig sein, lassen es nicht auswachsen zu künftigen Welten, wir verahrimani­sieren es.

Und wenn wir das, was Form ist, was altgewordene Gottheit ist, was in Formen sich kristallisiert hat, erfassen wollen durch eine nebulose Mystik, in die wir alles mögliche hineinträumen, dann stützen wir uns nicht auf das, was uns als unsere Stütze, als unsere körperliche Stütze die Gottheit gegeben hat, sondern wir verluziferisieren das Materielle. Was ist nebulose Mystik? - Der Mensch sollte in sich hineinschauen, er sollte aus dem Kosmos heraus in seinem physischen Organismus das er­kennen, was er in diesem Leben zwischen Geburt und Tod ist. Statt des­sen phantasiert er, daß er in sich selber eine Gottheit habe. Er hat sie in sich; aber er erlangt das nicht durch mystische Phantasterei. Er verlu4-ferisiert das, was er in der späteren Gestalt der leiblichen Hülle sehen sollte. Es sind falsche Anschauungen vom Materiellen und vom Geistigen, durch die die Menschen miteinander in Streit kommen; denn das Mate­rielle und das Geistige sind dasselbe, nur in verschiedenen Lebensaltern.

Das ist es, was der Gegenwart ganz besonders notwendig ist zu durchschauen. Sie kommt sonst nicht zu einer Erfassung des sozialen Lebens. Man muß heute schon den Versuch machen, wirklich hinein­zudringen mit seinen Gedanken in die reale Wirklichkeit. Das wollen die Menschen heute nicht. Sie wollen an der Oberfläche bleiben.

Mir wurde vor einigen Tagen eine nette kleine Geschichte, die vor ganz kurzer Zeit in Zürich passiert ist, erzählt. Einer unserer Freunde

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sprach In Zürich bei einer Universltätsfeier über die wissenschaftliche Bedeutung der Anthroposophie. Darauf hat ein sozialistisch denkender Mann geantwortet, man solle doch heute nicht die Menschen zu solch mystisch Phantastischem erziehen, sondern zu exakter Wissenschaft, habe doch Goethe schon gesagt: «Ins Innre der Natur dringt kein er-schaffner Geist.»

Was dieser schweizerische Abgeordnete vorgebracht hat, rührt doch nur her aus einem oberflächlichen Anschauen der Dinge, die Goethe gesagt hat. Denn indem Goethe diesen Ausspruch Hallers zitiert, sagt er: «Das hör' ich sechzig Jahre wiederholen und fluche drauf... » So wird heute mit dem geistigen Leben verfahren, so kennt man die Dinge und so Ist man heute in einem gewissen Grade doch eine Autorität. In dieser Form ungefähr strebt man aber überhaupt heute an, die Welt kennenzulernen. Ob nun einer glaubt, Goethe habe den Ausspruch ge­tan, auf den er sechzig Jahre «geflucht> hat, oder ob einer als Volks-wirtschafter sich das Folgende leistet, das ist schon schließlich einerlei. Ein sehr gelehrt arbeitender Volkswirtschafter, Nationalökonom, hat ein Buch geschrieben über die gebundene und offene Preisbildung. Da hatte er viel nachzuforschen über die Art und Weise, wie, ich möchte sagen, die Volkswirtschaft sozial gemacht werden könnte. Unter den verschiedenen Dingen, die er da bespricht, ist auch dieses. Er sagt: Schon Georg Brandes habe gesagt, das Volk werde in seinen sozialen, in seinen wirtschaftlichen Handlungen nicht durch Vernunft, sondern durch Instinkte geleitet. Daher müsse man das Volk aufklären. Man müsse Aufklärungen unter das Volk bringen.

Nun ist Georg Brandes kein tiefdenkender Mann; aber man kann da erwidern: An so und so vielen Universitäten sind so und soviele Volks-wirtschafter; die sind aufgeklärt. Aber wenn sie miteinander wirtschaf­ten, dann arbeiten unter ihnen die Instinkte genau so wie unter den anderen, durchaus nicht anders. Denn so wie die Dinge heute sich ge­staltet haben, gerade durch die hochentwickelte Intelligenz, sind für das soziale Leben nur die Instinkte geblieben. Die Instinkte wirken. Aber jetzt muß man weitergehen. Jetzt muß man sich fragen: Wie bringt man Licht in dieses Wirken der Instinkte hinein? - Denn einzig und allein das kann eine soziale Bedeutung haben. Es ist einfach Unsinn,

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zu glauben, daß eine Mehrheit von Menschen durch diese Instinkte ge­leitet werden kann. Das kann sie nicht. Die Instinkte rühren einfach vom Zusammenleben der Menschen her. Da muß etwas hinein, was diese Instinkte verwandelt, was in diese Instinkte hinein kann. Vernunft kann nicht in die Instinkte hinein. Wir haben uns zu erinnern an das alte instinktive Schauen; es hat sich entwickelt in unseren Intellektua­lismus. Aber dieser Intellektualismus lebt ja nur in dem inneren geistigen Dasein des Menschen. Dagegen sind die äußeren sozialen Wirkenskräfte vom Instinkt durchtränkt. In diesen Instinkt muß wiederum etwas ein­dringen, was verwandt ist mit diesem instinktiven Schauen, aber einen Einschlag aus der Geistigkeit hat: es muß die Imagination eindringen. Wir haben also: Altes instinktives Schauen - Intellekt - Imagination. Nur die Imagination, wie wir sie nennen in der Geisteswissenschaft, gibt die Kraft, in das instinktive Leben Licht hineinzubringen.

Was uns befähigt, rein äußerlich die Dinge wissenschaftlich zu be­greifen, Botanik, Zoologie, Mathematik zu schaffen, das kann vom Intellekt gespeist werden, nicht aber das, was menschliches Zusammen­wirken bedeutet. Was wir Imagination genannt haben, das muß hinein. Die Imagination muß das soziale Leben durchdringen. Das ist es, wor­auf es ankommt. In allem sozialen Leben, das bis in die neueste Zeit herauf aus alten Zeiten sich entwickelt hatte, lebten menschliche In­stinkte. Im Grunde genommen hat erst im zweiten, im dritten Drittel des 19. Jahrhunderts die Menschheit den Eintritt in das Zeitalter voll­zogen, das nicht mehr alte Instinkte will. Sie können es ganz genau nachweisen, daß noch um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert in dem sozialen Dasein durchaus noch alte Instinkte lebten. Die Unsicher­heit dieser Instinkte ist erst in dem Zeitalter eingetreten, in dem gerade der Intellekt am glänzendsten sich entwickelt hat. Das soziale Leben blieb dann Tradition.

Denken Sie doch nur einmal, welche Riesenmühe die Menschen ge­habt haben im 19. Jahrhundert, um überhaupt noch sittliche Anschau­ungen zu haben. Sie haben in der abstraktesten Weise konservieren müssen, was aus alten Zeiten erhalten war. Und es ging ja nur not­dürftig, die alten moralischen Ideale als Petrefakte fortzupflanzen. Wir brauchen heute eine Neugeburt des Moralischen, denn nur das

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kann wiederum auch das Soziale hervorbringen. Das kann aber nicht hervorgehen aus dem Intellekt, sondern einzig und allein aus der mo­ralischen Intuition. Die Phantasie, die moralische Phantasie muß sich zur geistigen Welt erheben, um sich aus der geistigen Welt zu befruch­ten. Darauf kommt es heute an, sonst geht die Menschheit in den Ver­lust der moralischen Impulse hinein.

Jene abstrakten Bekenntnisse, die nur nach dem Glauben hintendie-ren, können aus diesem Glauben heraus keine Kraft für das Leben fin­den. Glaube allein gibt zwar etwas dem Seelenegoismus; aber mit dem Seeienegoismus kann man eben zur Not noch als einzelner Mensch leben. Will man ins Handeln eingreifen, und das bedeutet ja, im Sozia­len sich betätigen, dann ist notwendig, daß geistig-seelisches Lebensblut uns durchdringt. Das aber kann nur vom konkreten geistigen Leben kommen. Das muß durch die anthroposophlsche Bewegung fließen, dieses Bewußtsein von der Lebenskraft anthroposophischer Welt­anschauung.

Pantheismus ist ein beliebter Vorwurf, der gerade auch gegen so etwas wie anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft erhoben wird. Pantheismus ist vor den gegenwärtigen Bekenntnissen Ketzerei, ist die Verirrung, daß in den Dingen, die uns umgeben, das Göttliche lebe. Aber warum nennen die gegenwartigen Bekenntnisse unsere an­throposophisch orientierte Geisteswissenschaft eine Ketzerei? - Weil diese Bekenntnisse ganz von Materialismus durchsetzt sind! - Gewiß, wenn der Jesuit die Welt ringsherum nur für eine Materie ansieht, dann ist es eine Gotteslästerung, zu sagen, diese Materie sei Gott. Aber kann denn anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft etwas dafür, daß der Jesuit X die Welt ringsherum nur für Materie anschauen kann? -Sie ist nicht Materie, sie ist Geist, und das, was der Jesuit X in der Welt ringsherum als Materie erkennt, das zeigt anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft als Illusion. Man erklärt gar nicht die Welt, die man da für Illusion erklärt, als das göttliche Sein, selbstverständlich nicht. Allein es ist etwas anderes, das, was einen umgibt, für göttlich zu erklären, wenn man zu gleicher Zeit das äußere sinnliche Dasein als Illusion erkennt, als wenn man es als grobklotzige Materie ansieht und dann diese grobklotzige Materie für das Göttliche erklären wollte.

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Sie sehen, wie weit auseinander die Dinge sind, die der andere meint, und die hier wirklich innerhalb unserer anthroposophischen Geistes­wissenschaft da sind. Aber wir dürfen nicht müde werden, diese Dinge tatsächlich vor der Welt geltend zu machen. Sonst kann das vorkom­men, was jüngst hier in einer Schweizer Zeitung gestanden hat als ein Einwand gegen meine Methode, zur Geist-Erkenntnis zu kommen. Da wird ungefähr gesagt, ich behauptete, man könne den Geist schauen; aber das ginge doch nicht, denn der Geist sei doch nichts Sinnliches, und nur das Sinnliche könne man schauen. Den Geist könne man nicht grei­fen, also könne doch niemand den Geist schauen.

Sie sehen, es ist wirklich eine trostlose Art, die da auftritt, die in nichts Geringerem wurzelt als eben darin, daß der Betreffende sagt, er könne nicht den Geist schauen, also könne niemand irgend etwas vom Geist sagen; vom Geist könne man nichts wissen, denn den Geist könne man nicht greifen. Und in solcher Variante spielt sich der Gedanken-gang eines ganzen Feuilletons ab. Das ist es, was in der Gegenwart so furchtbar verheerend wirkt, daß die Menschen eben nicht das Bewußt­sein haben, zu Ende lesen zu müssen oder überhaupt sich mit den Dingen bekanntmachen zu müssen. «Ins Innre der Natur dringt kein erschaff-ner Geist>, so heißen die zwei ersten Zeilen bei Goethe. Bei ihnen bleibt man stehen und merkt nicht, daß Goethe gleich anschließend sagt:

«Drauf fluche ich seit sechzig Jahren!>

Was wir in der Gegenwart überall feststellen müssen, das ist die Oberflächlichkeit; man kann nicht oft genug darauf aufmerksam machen. Wir müssen überall diesen furchtbaren Hang zur Oberfläch­lichkeit aufspüren. Er äußert sich ja heute vorzugsweise, wo er auch äußerlich furchtbar schädlich wirkt, auf dem Gebiete des sozialen, des ökonomischen Denkens. Da will man nicht in die Dinge untertauchen, nicht in das untertauchen, was in der Natur der Dinge liegt.

Es wurde mir zum Beispiel heute mitgeteilt, daß Menschen eines ge­wissen Gebietes sagen - es wird ja häufig gesagt - die «Kernpunkte der sozialen Frage> seien so schwer zu fassen. Ich denke mir, wenn jemand sagt: Etwas ist schwer zu fassen -, dann will er etwas Leichtes haben, etwas, was er leicht fassen kann. Wenn man aber mit dem, was einer leicht fassen kann, im sozialen Leben nichts anfangen kann, wenn man

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damit eben nur pfuscht, wenn es eben nötig ist, das gerade zu fassen, was einem ein bißchen schwer wird, wobei man sich ein bißchen an­strengen muß, weil es gerade das Notwendige für ein heutiges soziales Denken ist, etwas Schwereres zu denken, wenn das gerade der un­geheure Schaden der neuesten Zelt gewesen wäre, daß die Leute das soziale Leben mit leicht faßlichen Gedanken durchdringen wollten und es daher ruiniert haben, dann wäre der Ausspruch, eine Sache sei schwer auf diesem Gebiete, geradezu frivol! Und das ist er im Grunde genom­men auch. Es handelt sich darum, daß man eben gar nicht diesen inner­lich frivolen Gedanken hegt, die Sache sei schwer. Denn wenn die Gei danken eben so gegeben würden, wie man sie haben will, dann taugen sie zu nichts anderem als zum Pfuschen. Zum sachgemäßen Arbeiten wird es eben notwendig sein, diese scheinbare Schwierigkeit wirklich zu überwinden und sich auf die Sache einzulassen. Das ist es, worauf es ankommt. In dieser ernsten Weise sollte man sich mit den Angelegen­heiten des Lebens in dieser ernsten Zeit befassen.

Davon wollen wir dann morgen weiterreden.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 22. Januar 1921

#G203-1989-SE097 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

SECHSTER VORTRAG

Dornach, 22. Januar 1921

#TX

Auf Grundlage derjenigen Dinge, die wir in der letzten Zeit hier be­sprochen haben, möchte ich nunmehr einzelnes vorbringen, was Ihnen als Angehörige der anthroposophischen Bewegung nützlich sein kann zur Verteidigung da, wo aus dieser oder jener Ecke heraus in besonderen Fällen diese anthroposophische Bewegung mit alledem, was jetzt in ihrem Gefolge auftreten muß, angegriffen wird. In der letzten Zeit sieht man überall Angriffe auftreten - es sind ja Angriffe genug da, aber ich will heute nur eine bestimmte Sorte charakterisieren -, welche sich rich­ten gegen unsere praktischen Unternehmungen, gegen das, was an Le­benspraxis herauswachsen muß aus der anthroposophischen Bewegung. Ja, man kann hören, wirklich in ausgedehntem Maße: Die Leute grün­den einen «Kommenden Tag», die Leute gründen ein «Futurum>, was wollen sie damit? - Sie wollen durch diese Begründungen ja doch nichts anderes, als auch solche praktische Dinge für Menschen einrichten, die sich zur anthroposophischen Weltanschauung bekennen. - Also es wür­den gewissermaßen auch ökonomische Begründungen deshalb unter­nommen, um gerade denen, die sich zur anthroposophischen Welt­anschauung bekennen, eine gewisse Macht, wenn auch zunächst eine ökonomische Macht zu verschaffen.

Wenn man sich genauer bekümmerte um das, was solchen Unter­nehmungen zugrunde liegt, wie sie hervorgehen aus dem ganzen Geist der anthroposophischen Bewegung, so würde solch ein Vorwurf eben doch nicht aufkommen können. Aber es ist andererseits nicht zu leug­nen, daß auch von denjenigen Menschen, die innerhalb der anthropo­sophischen Bewegung stehen, oftmals Dinge gesagt werden, welche reichlich dazu beitragen, daß solche Mißverständnisse entstehen kön­nen. Es ist aber nach der ganzen Art und Weise, wie das, was hier An­throposophie genannt wird, sich zur Welt stellen will, durchaus un­möglich, daß ein solches Urteil irgendwie berechtigt gefällt werden könnte. Das allerdings wird erst demjenigen klar, der den ganzen Geist gerade dieser anthroposophischen Bewegung ins Auge faßt.

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Diese anthroposophische Bewegung rechnet durchaus mit alledem, was als Kräfte in der Entwickelung der Menschheit liegt. Wie oft ist betont worden, daß die Entwickelung der Menschheit gewisse Wende­punkte durchmacht, und daß man diese Wendepunkte beobachten muß. Ich möchte zunächst auf einen solchen wichtigen Wendepunkt aufmerksam machen, um gerade daran zu zeigen, wie wenig berechtigt das Urteil sein kann, daß wir eine bestimmte Lehrmeinung, eine be­stimmte Dogmatik an die Menschen heranbringen wollen.

Gewiß, es kann, ich möchte sagen, wie eine Art Anomalismus, wie eine Art Auswuchs des Fanatismus sich bei dem einen oder anderen An­throposophen geltend machen, eine bestimmte Lehrmeinung zu ver­treten; vielleicht macht sich diese Anomalie sogar bei vielen geltend; aber im Geiste der anthroposophischen Bewegung liegt das nicht. Denn wenn wir aus dem Geiste dieser Bewegung heraus zurückschauen auf die Menschheitsentwickelung, so finden wir, daß in jenen älteren Zeiten, in denen das instinktive Schauen unter den Menschen verbreitet war, die ganze menschliche Seelenverfassung eine aridere war, daß der Mensch sich überhaupt ganz anders in die Welt hineinstellte.

Was wollten denn eigentlich diejenigen Stätten in den älteren Zeiten der Menschheitsentwickelung, die wir oftmals als Mysterien bezeichnet haben? - Lassen wir alles das, was Einzelheiten sind, weg und fassen wir den Sinn des Mysterienwesens auf.

Diejenigen, die für reif und geeignet befunden wurden, in die Myste­rien aufgenommen zu werden, waren während ihrer Erdenzeit, also in der Zeit zwischen Geburt und Tod, einmal teilhaftig einer gewissen Belehrung, die ihnen gegeben wurde von den Leitern dieser Mysterien und die von dem kam, was diese Leiter der Mysterien über übersinnliche Welten mitzuteilen hatten. Kein solcher Mysterienleiter machte einen Hehl daraus, daß nach seiner Meinung innerhalb der Mysterien die Lehre nicht allein von den Menschen ausging, sondern daß durch die besonderen Kultushandlungen, die in den Mysterien vollzogen wurden, übermenschliche, göttlich-geistige Wesenheiten während der Mysterien handlung anwesend waren, und daß mit Hilfe dieser, sagen wir an­wesenden Götter die Belehrung und alles das, was mit zusammen hing, vollzogen wurde. Das Wesentliche dabei ist also, daß die Einrichtungen

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der Mysterien so waren, daß sie gewissermaßen anzogen gött­lich-geistige Wesenheiten, die durch den Mund derer, die die Leiter der Mysterien waren, den Unterricht abgaben an die, welche die Schüler der Mysterien waren

Es war alles in den älteren Zeiten innerhalb der Menschheit sozial so eingerichtet, daß nicht nur von denen, die Leiter oder Schüler der My­sterien waren, sondern durchaus auch von denen, die draußen, außer­halb der Mysterien waren und die nicht mitmachen konnten das Leben in den Mysterien, diese ganze Einrichtung als eine soziale Einrichtung akzeptiert wurde. Es war ja durchaus so - man braucht nur an Agypten zu denken -, daß diejenigen, die die Lenker des Staatswesens waren, ihre Direktiven aus den Mysterien empfingen. Die Mysterien wurden als die selbstverständlichen Leitungsstätten angesehen für alles das, was innerhalb des sozialen Lebens zu geschehen habe.

Heute kann man ja auch einen esoterischen Unterricht erteilen, wel­cher in Formen ablaufen kann, die ähnlich diesen alten Mysterienein­richtungen sind, allein er hat doch einen anderen Sinn. Das ist es eben, daß zwischen unserer Zeit und zwischen der alten Zeit in bezug auf solche Dinge ein bedeutsamer Wendepunkt in der Menschheitsentwik­kelung liegt. In dieser alten Zeit war der Mensch durchaus darauf an­gewiesen, diese Belehrung, die ihm durch die Mysterien gegeben werden sollte, diese Belehrung, durch die er gewissermaßen an göttlich-geistige Wesenheiten selbst herantrat, zu empfangen während der Zeit zwischen Geburt und Tod. Nun ist diese Sache anders geworden. Wir leben eben nach jenem Wendepunkt der Menschheitsentwickelung, in dem die Sache anders geworden ist. Dasselbe, was dazumal der Mensch zwischen der Geburt und dem Tode durch die Mysterien gelernt hatte, das lernt er heute, bevor er durch die Empfängnis oder Geburt in einen physi­schen Leib herabsteigt. Er lernt es nach seinem Karma, nach den Vor­bereitungen in einem früheren Erdenleben. Also das, was der Mensch zwischen der großen Mitternachtsstunde des Daseins und der Geburt durchmacht, das ist etwas, was diese Belehrung zugleich einschließt.

Sie werden das, was in anderen Zusammenhängen über diese Dinge gesagt werden muß, auch angedeutet finden in einem Zyklus, den ich 1914 in Wien gehalten habe über das Leben zwischen dem Tod und

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einer neuen Geburt. Aber was dort nur angedeutet, worauf dort nur mit ein paar Strichen hingedeutet ist, das will ich nunmehr etwas näher charakterisieren.

Also etwas dem alten Mysterienunterricht Ahnliches erlebt der Mensch heute, bevor er aus dem praexistenten Zustande in den physi­schen Leib herabsteigt. Das ist ein Faktum, mit dem derjenige rechnen muß, der durch Geist-Erkenntnis in der Wirklichkeit drinnensteht. Man kann heute nicht über den Menschen, der geboren wird, so denken, wie man in alten Zeiten gedacht hat. In alten Zeiten hat man gewisser­maßen den Menschen so betrachtet, daß man sagte: Der Mensch steigt auf die Erde herunter und ist dazu berufen, durch das Mysterienwissen eingeweiht zu werden in das, was er eigentlich als Mensch ist. - So liegen die Dinge heute nicht. Das, was ich gesagt habe, war für Menschen, welche eine geringere Anzahl von Erdenleben durchgemacht hatten als die heutigen Menschen, die in ihren früheren Erdenleben viel in ihre Seele aufgenommen haben, was eben dazu führt, daß sie eine gewisse Unterweisung von seiten der göttlich-geistigen Wesenheiten in dem präexistenten Zustande durchmachen können.

So etwas muß man heute voraussetzen, wenn man dem Kinde gegen­übertritt. Man hat heute nicht mehr die Aufgabe, in das Kind gewisser­maßen hineinzugießen, was in alten Zeiten in es hineingegossen werden mußte. Man hat heute die Aufgabe, sich zu sagen: Das Kind ist belehrt, es hat nur seinen physischen Leib um die belehrte Seele herumgelegt, und es muß durch die Hülle durchgedrungen werden, es muß das her-ausgeholt werden, was vorgeburtliche Götterbelehrung ist. So müssen wir heute pädagogisch denken. Wenn wir im Sinne wirklicher anthro­posophisch orientierter Geisteswissenschaft denken, so ist uns klar, daß wir im Grunde durch allen Unterricht nichts anderes tun können, als die Hindernisse hinwegräumen, die sich vorlagern vor dem Heraus­kommen dessen, was das Kind sich hier in die Welt aus dem vorgeburt­lichen Leben mitbringt. Deshalb wird ja in unserer Waldorfschul-Pädagogik so unendlich großer Wert darauf gelegt, daß der Lehrer wirklich das Kind betrachtet als etwas, was vor ihm steht wie ein Rät­sel, das er zu enträtseln hat, bei dem er darauf zu kommen hat, was es in sich birgt. Er hat durchaus nicht den Hauptwert darauf zu legen,

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irgend etwas, was er sich vorgenommen hat, in das Kind hineinzutrich­tern, er hat niemals in irgendeiner Weise dogmatisch vorzugehen, son­dern er hat das Kind selber als seinen Lehrmeister zu betrachten, näm­lich zuzusehen, wie das Kind durch sein besonderes Verhalten verrät, wie die Hüllen zu durchdringen sind, damit aus dem Kinde selbst die Götterbelehrung herauskommt. So daß diese Waldorfpädagogik und -didaktik ja darinnen besteht, eben gerade dem Kinde die Hüllen hin­wegzuschaffen, daß es zu sich selbst kommt, daß es das in sich ent­deckt, was Götterbelehrung ist. Deshalb sagen wir uns : Wir haben gar nicht nötig, irgend etwas, was wir ausgedacht haben als Theorie, was noch sö schön in Büchern steht, dem Kinde einzupfropfen. Das über­lassen wir denjenigen, die in alten traditionellen Religionsbekenntnissen fußen und die Kinder zu Katholiken oder Evangelischen oder zu Juden machen wollen. Aber so ist es nicht. Wir wollen auch nicht eine anthro­posophische Pädagogik den Kindern einpfropfen; wir benützen das, was wir als Anthroposophie kennen, nur dazu, uns geschickt zu machen, den lebendigen Geist, der in dem Kinde lebt aus der Präexistenz, zum Dasein zu rufen. Wir wollen eine Handhabung des Unterrichtes aus der Anthroposophie gewinnen, nicht eine Summe von Dogmen, die wir lehrhaft dem Kinde übermitteln. Wir wollen geschickter werden. Wir wollen eine didaktische Kunst entwickeln, um das aus dem Kinde zu machen, was es in der charakterisierten Weise werden soll. Wir sind uns klar darüber, daß alles andere Wissen, das heute von den verschie­densten Seiten her an den Menschen herangebracht wird, zwar den Kopf belehrt, daß es aber nicht den Menschen zum pädagogisch-didaktischen Künstler macht, weil es nicht den ganzen Menschen er­greift, sondern eben nur den Kopf. Anthroposophisches ergreift den ganzen Menschen, macht ihn zu einem Handlanger derjenigen «Kunst­griffe», möchte ich sagen, die in der eben gekennzeichneten Weise mit der Schülerschar vorgenommen werden müssen. Daher benutzen wir Anthroposophie, um geschickte Lehrer zu werden, nicht aber, um sie den Kindern beizubringen. Denn wir sind uns klar darüber: Der Geist ist ein Lebendiges, nicht eine Summe von Begriffen, von Ideen, und er erscheint aus jedem Kinde auf eine individuell besondere Art, wenn wir in der Lage sind, das ins Bewußtsein zu bringen, was es durch die Geburt

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hereinträgt auf diese Erde. Wir würden diese Erde verarmen machen, wenn wir das, was in einer Summe von Begriffen besteht, dem Kinde beibringen wollten. Dagegen machen wir die Erde reicher, wenn wir in dem Kinde das, was ihm die Götter gegeben haben, was es hier auf die Erde mit herunterbringt, hegen und pflegen. Da erscheint, was leben­diger Geist ist, in so und so viel Menschenindividuen, nicht das, was die eine Anthroposophie an diese Menschenindividuen heranbringt, um sie angeblich zu uniformieren. Also den lebendigen Geist zum Leben zu bringen, das ist es, um was es sich dabei handelt. Daher haben wir gar kein Interesse, irgendeine anthroposophische Dogmatik an die Kinder heranzubringen.

Das ist die eine praktische Einrichtung, welche hervorgegangen ist aus anthroposophischer Geisteswissenschaft. Diese besondere Didaktik, die didaktische Kunst ist durchaus verschieden von alledem, wovon die Menschen sich bisher Vorstellungen gemacht haben, weil sie sich gar nichts anderes denken können als: Ich glaube an eine bestimmte Dog­matik, also ist es das beste, den Kindern auch diese Dogmatik beizu­bringen. - Das interessiert uns gar nicht, den Kindern eine Dogmatik beizubringen, weil wir wissen, daß das Kind eine Botschaft mitbringt, wenn es durch die Geburt ins Dasein tritt, und daß man diese Botschaft verderben würde, wenn man ihm eine Dogmatik entgegentrüge. Der Geist braucht nicht in abstrakter Weise kultiviert zu werden. Wenn man imstande ist, ihn durch Anthroposophie zu lösen, ihn zum Dasein zu bringen, dann ist er als lebendiger Geist da, nicht als eine Summe von Lehrmeinungen. Diese Lehrmeinungen sind eben nur als ein Mittel da, um den lebendigen Geist in der Menschheit zu wecken und in fort-dauernder Entwickelung zu halten. Deshalb ist es ungerecht, wenn der Glaube verbreitet wird, daß wir in der Waldorfschule oder in irgend etwas, was wir pädagogisch einrichten, dogmatische Anthroposophie treiben wollen. Wir wollen weder dogmatische Anthroposophie treiben, noch den einzelnen Wissenschaften irgendwie Anthroposophie auf­drücken. Im Gegenteil, wir wollen auch in den einzelnen Wissenschaf­ten die Individualität dieser Wissenschaft zur Gelt4ng bringen. Wir sind uns durchaus klar darüber, daß es sich darum handelt, gerade mit der Anthroposophie etwas in die Welt zu schaffen, was alle Dogmatik

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auslöscht, was gerade überall, auf allen Gebieten die Individualität in die Welt bringt. Von diesem Gesichtspunkte aus mußte dieser aus allen Ecken heraus pfeifende Angriff zunächst zurückgewiesen werden, wenn es sich darum handelt, daß auf irgendeinem Wissenschaftsgebiete oder auf dem Schulgebiete wir Anthroposophie als Lehrmeinung in die Welt hineintragen wollten.

Was nun unsere praktisch-wirtschaftlichen Betätigungen betrifft, so ist es ja gerade in den letzten Wochen, und zwar mit einer merkwür­digen Einhelligkeit sowohl drüben in Deutschland wie auch in der Schweiz als auch in anderen Orten bei Gelegenheit der letzten Veröf­fentlichungen des «Kommenden Tages» und des «Futurums> hervor-getreten, daß die Leute sagten: Da sollen lauter Anthroposophen ver­einigt werden, damit diese nun auch ökonomische Einrichtungen haben und dergleichen; den anderen Leuten wird höchstens der Zutritt ge­stattet, aber es wird ihnen keine besonders bedeutsame Stimme in der Verwaltung gelassen und so weiter. - Das widerspräche, wenn wir so etwas wollten, nun gerade dem Prinzip, auf dem wir stehen: daß wir die Entwickelung der Menschheit in allen Einzelheiten wirklich ins Auge fassen und uns darnach richten, nicht etwas absolut Richtiges wollen, sondern uns fragen: Was muß gerade heute geschehen? - Und da müssen wir dann auf den zweiten Wendepunkt in der Entwickelung der Menschheit aufmerksam machen. Ökonomische, wirtschaftliche Einrichtungen werden ja heute überall noch aus einem gewissen Träg­heitsprinzip in den Menschen herausgeboren. Sie wurden früher aus einem kleinen Kreise herausgeboren in kleine Territorien hinein; sie werden jetzt dadurch, daß die Staaten ökonomische Unternehmungen geworden sind, daß an die Stelle der einzelnen Unternehmungen die Unternehmerimperien getreten sind, ins Riesenhafte ausgedehnt, und werden zu diesen heute nur mehr aus der Trägheit entspringenden Unternehmungen. Man redet heute von «Volkswirtschaft>, man schmie­det also zwei Dinge zusammen. Jener eigentümliche Gruppengeist, der ein Volk zusammenhält, er ist ja äußerlich, ich möchte sagen, verleib-licht in dem Blute. Nun sind die Weltenverhältnisse längst solche ge­worden, daß mit jener Art von Gruppenzusammengehörigkeit, die sich im Blute ausdrückt, das heutige Wirtschaften auch nicht das allergeringste

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mehr zu tun haben kann, wenn gesunde Verhältnisse walten. Es ist heute etwas, was im eminentesten Sinne krankhafte wirtschaft­liche Verhältnisse ausdrückt, wenn, sagen wir, um die Rheingrenze ge­stritten wird, weil man jenseits des Rheines eine andere Wirtschafts-gemeinschaft haben will als diesseits des Rheines, und zwar aus volk-haften Voraussetzungen heraus. Diese volkhaften Voraussetzungen waren aus ganz anderen Kräften heraus entstanden, sie haben nichts mehr zu tun mit dem, was heute Weltwirtschaft ist. Diese Dinge sind eigentlich erst im Laufe des letzten Drittels des 19. Jahrhunderts in eine besondere Krise eingetreten. Da wurde erst so recht bemerklich, welcher Wendepunkt in der Entwickelung der Menschheit da eigentlich zu­grunde liegt.

Der Mensch ist, das haben wir ja gerade auseinandergesetzt, in alten Zeiten gewissermaßen unbelehrt von den Göttern in das physische Da­sein eingetreten, mußte durch die Mysterien belehrt werden. Heute tritt er belehrt ein, und es muß nur das, was in seiner Seele ist, ihm zum Be­wußtsein gebracht werden. In alten Zeiten war in bezug auf das soziale, das wirtschaftliche Zusammenleben eben einfach die Menschheit so ein­gerichtet, daß der Mensch in den sozialen Zusammenhang, in die Gruppe hineingeboren worden ist. Er war in die Gruppe hineingeboren nach den Kräften, die in ihm gewirkt haben vor der Geburt. Es war nicht allein das Prinzip der physischen Vererbung, das zum Beispiel den ältesten Formen der Menschenungleichheit, den Kasteneinteilungen zu­grunde gelegen hat. In den ältesten Kasteneinteilungen war es durchaus so, daß die Leiter der sozialen Ordnung sich gerichtet haben nach der Art und Weise, wie der Mensch vor seiner Geburt oder vor seiner Emp­fängnis vorbestimmt wurde für eine bestimmte Gruppe unter den Men­schen. Der Mensch war wirklich in den Zeiten, in denen noch weniger Erdeninkarnationen in seinem vorhergehenden Dasein lagen, durch diese wenigen Inkarnationen in einer ganz bestimmten Weise in Grup­pen hineingeboren, und innerhalb dieser Gruppen nur konnte er sich sozial entfalten. Wer im alten Indien einer bestimmten Kaste angehörte, würde, wenn er in einer anderen Kaste hätte leben sollen, wegen seiner früheren Inkarnation und dessentwegen, was er vor seiner Geburt in der geistigen Welt durchgemacht hatte, zugrunde gegangen sein. Diesen

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Kasten lag eben nicht nur Blutsvererbung zugrunde, sondern etwas, was auch geistige Prädetermination war. Darüber ist der Mensch hinaus­gewachsen. Zwischen unserer Zeit und jener Zeit liegt nun wiederum auch in dieser Beziehung ein Wendepunkt. Die Menschen tragen heute eigentlich nur noch als Scheingebilde die Merkmale der Gruppenhaftig­keit an sich. Die Menschen werden in Nationen hineingeboren, sie wer­den auch noch in eine gewisse Klassenschichtung hineingeboren; aber in dem Maße, in dem sie dann heranwachsen in einem bestimmten Zeit­alter, zeigt es sich schon verhältnismäßig früh in der Kindheit, daß eine solche Determination vom vorgeburtlichen Dasein nicht mehr vorhan­den ist. Belehrt werden die Menschen heute von den Göttern im vor­geburtlichen Dasein. Der Stempel einer bestimmten Gruppe wird ihnen nicht mehr aufgedrückt. Das ist etwas, was als ein letzter Rest noch in der physischen Vererbung zurückbleibt. Heute einer Nationalität an­zugehören mit seinem Bewußtsein, ist gewissermaßen ein Stück Erb­sünde, ist etwas, was nicht mehr in das Seelische des Menschen hinein-spielen sollte.

Dagegen spielt in unserer heutigen Zeit eine bestimmte Rolle, daß der Mensch, indem er heranwächst, zugleich herauswächst aus allen Gruppenbildungen. Aber innerhalb des wirtschaftlichen Lebens kann er nun nicht ohne Gruppenbildung bleiben, denn in bezug auf das wirt­schaftliche Leben ist niemals der einzelne maßgebend. Was geistiges Leben ist, steigt aus dem tiefsten Inneren des Menschen herauf, wor­innen er eine gewisse Harmonisierung seiner Fähigkeiten nicht nur erlangen kann, sondern durch eine gewisse Schule ergänzen, sogar er­halten sollte. Was aber wirtschaftliches Urteil ist, kann heute niemals von einem einzelnen Menschen ausgehen. Ich habe Ihnen Beispiele dafür angeführt, wie das wirtschaftliche Urteil irren muß, wenn es von einem einzelnen Menschen ausgehen soll. Ich mache noch einmal auf ein Beispiel aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufmerksam.

Ich habe Ihnen gesagt, daß in einem bestimmten Zeitraume, um die Mitte und in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, überall in Parla­menten und in sonstigen Körperschaften die Diskussion auftrat über die Goldwährung. Was die Redner, die dazumal für die Goldwährung eingetreten sind, vorgebracht haben, waren Auseinandersetzungen unter

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wirklich recht gescheiten Leuten. Ich sage das nicht aus Ironie, sondern weil die Menschen, die damals über die Goldwährung als Praktiker und als Theoretiker in Parlamenten und anderen Körperschaften gespro­chen haben, wirklich sehr gescheit waren, und das, was über die Gold­währung in den einzelnen Ländern gesagt worden ist, gehört eigentlich zu den besten Auslebungen des Parlaments. Und fast überall ist auf eines hingewiesen worden. Aus großem Scharfsinn heraus ist darauf hingewiesen worden, die Goldwährung werde den Freihandel auf die Beine bringen und alles Schutzzollwesen hinwegraffen. - Und wenn man heute noch die Dinge, die dazumal über die Wirkungen der Gold­währung auf den Freihandel gesagt worden sind, liest, hat man seine helle Freude darüber, wie gescheit die Menschen dazumal waren. Aber das gerade Gegenteil ist eingetreten von dem, was die allergescheitesten Leute gesagt haben: Es sind als Folge der Goldwährung überall die Schutzzollbestrebungen aufgekommen. Die Gescheitheit im wirtschaft­lichen Leben, die aus den einzelnen Persönlichkeiten hervorging, hat den Menschen gar nichts geholfen. Das könnte man auf den verschie­densten Gebieten nachweisen, denn es ist einmal so, daß der Mensch zwar über das, was eine Erkenntnissache ist in bezug auf die Natur oder sonst eine Erkenntnissache des Menschen, kompetent ist als einzelnes Individuum; in bezug auf wirtschaftliche Dinge ist aber der Mensch niemals kompetent als einzelnes Individuum. Man kann nicht ein Urteil haben über wirtschaftliche Dinge im Konkreten als einzelnes Indivi­duum. Ein wirtschaftliches Urteil kann nur entstehen, wenn sich Men­schen zusammenschließen, sich assoziieren, und der eine den anderen stützt, wenn Gegenseitigkeit in der Assoziation herrscht. Es ist nicht möglich, daß der einzelne Mensch zu einem solchen wirtschaftlichen Urteil kommt, das dann in die wirtschaftliche Tätigkeit übergehen kann. Es ist das Gegenteil von dem der Fall, was der Mensch bei irgend­einem Wissensurteil hat. Bei einem Wissensurteil soll er aus dem ganzen Menschen heraus ein umfassendes Urteil abgeben; im konkreten wirt­schaftlichen Urteil und Handeln handelt es sich darum, daß der ein­zelne etwas Partielles weiß, der zweite wieder etwas, der dritte wieder etwas; der Produzent auf einem Gebiete weiß etwas, der Konsument auf diesem selben Gebiete weiß etwas. Das muß zusammenfließen; es

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muß ein Gruppenurteil, ein Kollektivurteil entstehen. Mit anderen Wor­ten: die alten Gruppenbildungen sind abgetan; aus dem wirtschaft­lichen Leben müssen durch die Menschen selbst Gruppenbildungen ent­stehen. Das müssen die Assoziationen des wirtschaftlichen Lebens sein.

Es geht aus dem Begriff einer notwendigen Entwickelungskraft her­vor, daß das assoziative Leben die Menschen ergreifen muß; dieses assoziative Leben muß die alten Gruppenzusammenhänge ablösen, die sich heute nur noch wie eine Erbsünde durch die Menschheit hindurch fortpflanzen.

Wenn wir das bedenken, so werden wir uns ja auch sagen: In bezug auf das Wissen sind in alten Zeiten die Menschen unbelehrt auf die Erde herabgestiegen; in den Mysterien haben sie das Wissen empfangen. Sie steigen heute belehrt herab, und wir haben unsere Didaktik so einzu­richten, daß wir das, was die Menschen von den Göttern gelernt haben, aus ihnen herausholen. In bezug auf wirtschaftliche Einrichtungen waren die Menschen früher determiniert; es war ihnen gewissermaßen von den Göttern der Stempel aufgedrückt. Sie wurden in irgendeine Kaste, in irgendeine Gruppe hineingeboren. Das ist vorbei. Die Men­schen werden ohne Stempel geboren, die Menschen werden gewisser­maßen als einzelne Individualitäten hineingestellt in die Menschheit. Die Gruppenbildungen müssen sie selber vollziehen aus ihrer Geistig­keit heraus.

Es handelt sich ja wirklich nicht darum, solche Menschen zusammen­zufassen, welche sich zur Anthroposophie bekennen; ob sie sich zur Anthroposophie bekennen oder nicht, das wird davon abhängen, was sie die Götter gelehrt haben vor ihrer Geburt, ob sie durch ihre früheren Inkarnationen reif waren zu dieser Götterbelehrung und jetzt so her-unterkommen, daß wir aus ihnen Anthroposophie hervorholen können. Sie ist in viel mehr Menschen drinnen, als man heute glaubt, und eine große Anzahl ist nur zu faul, um das, was in ihr ist, aus sich herauszu­holen, oder aber auch, es ist der Schulunterricht nicht so eingerichtet, daß die Hüllen gelöst werden und die Menschen wirklich zu ihrem Bewußtsein kommen. Auf dem praktischen, namentlich auf dem wirt­schaftlichen Gebiete wäre es geradezu sinnlos, die Menschen zusam­menzufassen deshalb, weil sie Anthroposophen sind; sondern man faßt

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das, was Anthroposophie ist, wiederum in dem Sinne auf, um Einsich­ten zu bekommen in die Art und Weise, wie die Menschen aus ihrem Bewußtsein heraus die Gruppierungen suchen, suchen müssen nach ihren früheren Inkarnationen. Es handelt sich darum, den Menschen Gelegenheit zu geben, die Gruppenbildungen vorzunehmen, also das­jenige auszuführen, was ganz in der Entwickelungsgeschichte der Menschheit veranlagt ist. Also auch da kommt nicht in Frage, Men­schen, die unter einer bestimmten Dogmatik leben, zusammenzugrup­pieren, sondern Menschen, die durch ihre vorhergehenden Erdenleben dazu berufen sind, die Möglichkeit zu geben, in Gruppen sich zusam­menzufinden. In diesen Dingen stecken ja, sobald man aus dem Abstrak­ten ins Konkrete übergeht, außerordentlich viele Rätsel, und, ich möchte sagen, außerordentlich viel geheimnisvolle Dinge. Denn ob Menschen zu der einen oder zu der anderen Gruppe gehören, das ist durchaus nicht eine Sache von großer Einfachheit.

Die Sehnsucht, die die Menschen nach großer Einfachheit haben, tritt ja in einer merkwürdigen Weise auf. Da wurde mir eben eine kleine Mitteilung über einen Vortrag gegeben, den der löbliche Frahnmeye7 wiederum über Theosophie und Anthroposophie gehalten hat, und da wird gesagt: «Die am Schlusse angebrachte, rein persönliche Gegen­überstellung zum Christentum erinnerte an die bekannte Tatsache, .» Er meint offenbar, die Anthroposophen verdrieße es, daß das Große so einfach ist, wie es die Faulheit des Pfarrers Frohnmeyer gern haben möchte, weil er sich nicht anstrengen möchte, das Große in seiner Differenziert­heit zu kennen. Man muß nur die Dinge immer in die richtige Sprache übersetzen! Das ist es, was wir gerade als Aufgabe haben: die Dinge in die richtige Sprache zu übersetzen.

Selbstverständlich kann es sich ja nicht darum handeln, jedem die Lehre von dem Belehrtwerden der Menschen vor ihrer Geburt, die Lehre von dem Hineingeborenwerden in Gruppen früher und Nicht­hineingeborenwerden in Gruppen jetzt, gleich an den Kopf zu werfen; aber wir selbst können uns von diesen Wahrheiten durchdringen lassen und werden dann die Möglichkeit finden, aus der Art und Weise, wie vorgegangen wird, den Leuten zu zeigen, daß wir ebenso weit davon

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entfernt sind, Dogmatik in die Schule einzuführen, wie davon, Leute, die sich zu einer bestimmten Dogmatik bekennen, in wirtschaftlichen Gruppen, in wirtschaftlichen Assoziätionen zusammenzufassen.

Das ist auch bei unserer Stuttgarter Waldorfschule eingehalten wor­den, wo Sie sehen, daß wir gar kein Interesse daran hatten, etwa den Kindern Anthroposophie beizubringen. Wir wollen eine solche Unter­richtsmethode haben, die man eben nur durch Anthroposophie gewinnen kann. Und das ist etwas rein Sachliches. Aber für diejenigen Kinder, die es wollen oder deren Eltern wollen, daß sie in der katholischen Reli­gionslehre unterrichtet werden, kommt ein katholischer Pfarrer, und für diejenigen, die evangelischen Religionsunterricht bekommen sollen, kommt der evangelische Pfarrer in die Waldorfschule. Wir legen diesen Menschen kein Hindernis entgegen. Nur war es nötig in der heutigen Zeit, wo so viele Eltern, namentlich Eltern aus dem Proletariat, über­haupt nicht mehr daran denken, ihre Kinder in den katholischen oder evangelischen Religionsunterricht zu schicken, diese Leute zu fragen, ob sie vielleicht einen freien, aus anthroposophischer Erziehung heraus­geborenen Religionsunterricht haben wollen. Und da zeigte es sich aller­dings, daß diejenigen, die sonst religionslos erzogen würden, die über­haupt in gar keinen Bekenntnisunterricht heute mehr hineingehen wür­den, sehr zahlreich zum sogenannten anthroposophischen Religions­unterricht kommen, der aber nicht Anthroposophie lehrt, sondern der eben nur aus Anthroposophie herausgeboren ist. Daß nun diese Kinder eifriger bei ihrem Religionsunterricht sind als die beim katholischen oder evangelischen Pfarrer, dafür können wir ja nichts, sondern ver­mutlich der katholische oder der evangelische Pfarrer. Daß die Sache so weit getrieben worden ist, daß nach und nach eine Anzahl Kinder zum anderen Religionsunterricht herübergegangen ist, und daß es so weit gekommen ist, daß dann, ich glaube, der evangelische Religions­lehrer gesagt hat: Nächstens werde ich überhaupt niemanden hier haben in meiner Klasse, weil mir alle davonlaufen -, das ist auch ganz gewiß nicht unsere Schuld. Aber das war schon im vorigen Jahre. War es uns etwa darum zu tun, irgendwelche Dogmatik an die Kinder heran­zubringen? Wir haben gar kein Interesse daran. Wir wissen, wenn es unserer Methode gelingt, die Hülle - wie ich es ausgeführt habe - hinwegzuschaffen,

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werden die Kinder den besten Unterricht haben, näm­lich denjenigen, den sie vor ihrem Heruntersteigen auf die Erde in der geistigen Welt empfangen haben.

Allerdings, diesen Unterricht zu trüben, diesen Unterricht ja nicht herauszulassen, das liegt sehr stark im Interesse gewisser Religions-bekenntnisse. Denn wer zum Beispiel vergleichen kann das merkwür­dige Verhältnis, in dem päpstliche Enzykliken heute zu dem stehen, was in der geistigen Welt vorgeht, der weiß allerdings, daß der göttliche Religionsunterricht, den die Kinder vorher, bevor sie heruntersteigen in die Welt, genießen, durchaus nicht der ist, den man ihnen von ge­wissen Religionsbekenntnissen her in der Welt heute geben möchte. Insbesondere an der katholischen Kirche ist das zu bemerken, weil die katholische Kirche durch ihren Kultus, durch ihre Zeremonien, im Gegensatz zu der evangelischen Kirche, immer noch übersinnlichen Einfluß hat; aber der übersinnliche Einfluß kann in verschiedenster Weise zutage treten, und man kann schon sagen: Es kann etwas ein Irrtum dadurch sein, daß es in einer gewissen Weise abweicht von der Wahrheit; es kann etwas ein Irrtum auch dadurch sein, daß es das Gegenteil von der Wahrheit ist.

Und was nun die praktischen Dinge betrifft: die Dinge, die in un­seren Sitzungen, die manchmal bis halb drei Uhr nachts, manchmal noch länger dauern, besprochen werden, kann ich Ihnen ja selbstver­ständlich hier nicht verraten; denn was innerhalb solcher Sitzungen besprochen wird, das gilt eben nur als in diesen Sitzungen besprochen. Aber ich kann Ihnen die Versicherung geben, daß bei den Sitzungen, die in Angelegenheiten vom «Futurum» und vom «Kommenden Tag> in dieser Weise gehalten werden, nicht über Anthroposophie verhan­delt wird, sondern daß da über Dinge verhandelt wird, die ganz anderer Natur sind. Da gibt es Dinge, die durchaus nur in der allerpraktischsten Weise verhandelt werden sollen: wie man am besten das oder jenes Gebiet bewirtschaftet, was mit dem oder jenem zu geschehen hat und so weiter. Da spielt dasjenige, was irgendwie anthroposophisch, theo­retisch-anthroposophisch ist, keine Rolle. Sondern was da besprochen wird, soll eben in so geschickter Weise das wirtschaftliche Leben er­fassen, wie man es erfaßt, wenn einem die Gedanken in jene Beweglichkeit,

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in jenes Wirklichkeitsgemäße hineingebracht werden, in die sie hineingebracht werden können bei einer lebendigen Erfassung des Geistes durch Anthroposophie.

Man braucht ja dann nur die Leute darauf hinzuweisen, daß weder in den Statuten des «Kommenden Tages> noch in denen des «Futurums> anthroposophische Lehrsätze stehen, sondern daß da nur wirtschaft­liche Dinge drinnenstehen, und daß es sich ja nur darum handeln kann, daß diese wirtschaftlichen Dinge besser sind als die wirtschaftlichen Dinge der anderen heutigen ähnlichen Unternehmungen. Aber es ist das einer der Punkte, die verteidigt werden müssen, denn, wie gesagt, es ist einer der Angriffe; und diese Angriffe pfeifen ja jetzt aus allen Ecken heraus und werden in der nächsten Zeit, wenn es uns nicht gelingt, unsere Sache in klarer und energischer Weise vor die Welt hinzustellen, sich zusammenballen in einer furchtbaren Weise. Dazu schickt sich alles an. Denn es ist wahr, was ich neulich in Stuttgart sagen mußte: Das, was innerhalb der anthroposophischen Bewegung noch nicht gelernt worden ist, das ist, aufmerksam zu sein auf die Realitäten, wirklich lebendig zusammenzuhalten und die Dinge, um die es sich handelt, in der Welt wirklich geltend zu machen. Die Gegner, das habe ich neulich in Stuttgart ausgesprochen, sind in dieser Beziehung «andere Kerle!>. Die organisieren sich und die werden ihre Organisation zeigen. Wir müssen unbedingt unterliegen, wenn man sich nicht bewußt wird, daß diese Gegner andere Kerle sind, und daß man in bezug auf das Gute doch nun schließlich auch so Anstrengungen machen kann, wie heute Anstrengungen gemacht werden für das Schlechte.

So wollte ich Ihnen heute gerade den einen Punkt vor Augen führen, in bezug auf welchen Sie ganz bestimmt formulierte Angriffe wegen unserer praktischen Unternehmungen hören werden. Wenn Sie die Ohren aufmachen, und das ist natürlich notwendig - im figürlichen Sinne meine ich das -, dann können Sie sie hören, und dann wird es heute auch in dieser Richtung vieles zu verteidigen geben. Ich wollte Ihnen heute das sagen, was Ihnen, ich möchte sagen, die Seele begeistern kann, nach dieser Richtung hin, wenn es nötig ist, Verteidigung zu pflegen. Und dieses «die Seele in Begeisterung versetzen> kann kom­men, wenn wir wissen, was es bedeutet hat in alten Zeiten, daß der

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Mensch unbelehrt durch die Götter auf die Erde herabstieg, daß er jetzt vor der Geburt im präexistenten Zustande belehrt wird und da­nach das ganze Leben eingerichtet werden muß, und andererseits, was es bedeutet, daß der Mensch in früheren Zeiten determiniert gemäß dem Willen der Götter in Kasten, in Klassen, in Völker, in Stämme und so weiter hineingeboren worden ist, daß das aber nach dem Wende­punkt, der hinter uns liegt, verschwunden ist, daß der Mensch aber auf­gefordert wird, aus den wirtschaftlichen Notwendigkeiten heraus sel­ber Gruppen zu bilden im Erdenleben. Das geschieht in den wirtschaft­lichen Assoziationen. Gerade die richtige Erkenntnis der Erdenentwik-kelung und der geistigen Entwickelung des Menschen und des Zusam­menhanges beider zeigt, wie das, was wir «Dreigliederung» nennen, durchaus nicht etwa bloß ein politisches Programm ist, sondern das Ergebnis dessen, was aus einer wirklichen Erkenntnis der mensch­lichen Entwickelung fließt, was aus einer wirklichen Erkenntnis als eine Notwendigkeit sich in der Gegenwart und für die nächste Zu­kunft ergibt.

Davon wollen wir morgen weiter sprechen.

SIEBENTER VORTRAG Dornach, 23. Januar 1921

#G203-1989-SE113 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

SIEBENTER VORTRAG

Dornach, 23. Januar 1921

#TX

Ich möchte heute allerlei anfügen den Betrachtungen, die wir hier in der letzten Zeit gepflogen haben über kosmische, über menschliche Wahr­heiten, vorzugsweise aber über Wahrheiten von der Art, wie wir sie auch gestern wiederum angeführt haben, die zusammenhängen mit dem We­sen der Entwickelung der Menschheit in unserer Zeit. Es wird vielleicht, um nach dieser oder jener Seite hin das Vorgebrachte zu ergänzen, heute notwendig sein, da oder dort eine, aber nur scheinbar persönliche Be­merkung einzufügen. Sie wissen, ich mache das ja allerseltenst, aber auch wenn ich es mache, so geschieht es immer nur, wie es auch heute der Fall sein soll, um irgend etwas streng Sachliches damit zu erläutern.

Wir leben in einer Zeit, welche etwas ganz bestimmtes vom Men­schen fordert. Sie fordert vom Menschen, möchte man sagen, eine Ent­scheidung, welche aus dem Innersten des menschlichen Wesens heraus­kommt. Es muß durchaus beachtet und eingesehen werden, daß wir in das Zeitalter der menschlichen Freiheit eigentlich erst eintreten. Und dieses Rumoren auf intellektuellem, moralischem, sozialem Gebiete ist nichts anderes als der Ausdruck dafür, daß durch tiefergehende Kräfte der Menschheitsentwickelung diese Menschheit hineingebracht werden soll in die Region der Freiheit.

Wir brauchen ja nur das eigene Leben oder das Leben der Völker ins Auge zu fassen, unbefangen ins Auge zu fassen, was geschieht, und wir werden uns sagen, daß der Faktoren zahlreiche sind, durch die der ein­zelne Mensch, durch die ganze Völker, Völkergemeinschaften, Men­schengruppen von außen oder auch wohl - aber unfrei - von innen bestimmt werden. Dieses Getragenwerden durch die Verhältnisse, das ist ja das, was im Grunde genommen die eigentliche Entwickelungs-kraft der Menschheit war. Aber aus dieser Entwickelungskraft muß der Mensch immer mehr und mehr heraus. Und die Erdenzukunft wird darin bestehen, daß der Mensch immer mehr das ausbildet, was man eben heute dadurch charakterisieren muß, daß man sagt: Der Mensch ist zum erstenmal so recht vor bedeutungsvolle Entscheidungen gestellt.

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Dieses «vor bedeutende Entscheidungen Gestelltsein», vor Entschei­dungen, die aus dem Innersten der Menschenbrust, des Menschen-herzens, der Menschenseele heraus getroffen werden müssen, das drückt sich ja auch in dem äußeren Gang der Ereignisse aus. Man betrachtet eigentlich viel zu wenig die großen Umschwünge, die auf allen Ge­bieten des politischen, des sozialen, des geistigen, des wissenschaft­lichen Lebens im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ge­schehen sind.

Sehen Sie, man kann Symptome, die für diesen Umschwung spre­chen, im großen und kleinen heute überall bemerken. Nehmen wir ein sehr naheliegendes Beispiel. Sie wissen, daß unter den zahlreichen Fein­den, die heute wider die anthroposophische Bewegung vorhanden sind, sich auch die Klerikalen dieses Landes [Schweiz] befinden, die deutlich zeigen, daß jesuitische Macht hinter ihnen steht und daß jesuitische Macht wiederum etwas ist, was in diesem Lande einige Geltung hat. Man braucht nur ins Auge zu fassen, was sich auf verschiedenen Ge­bieten heute zeigt, und man wird sehen, wie stark diese Macht heute wiederum für viele Menschen verquickt ist mit dem, was sie nennen die äußere Erziehung zum Religiösen hin und so weiter. Gerade für dieses Land könnte es daher interessant sein, sich einmal ein merkwürdiges Dokument vor die Seele zu führen, welches ich mir, weil es gar so in­teressant ist, habe photographieren lassen. Dieses Dokument stammt aus der Schweiz und wurde in der Schweiz 1847 gegeben. Ich werde es vorlesen: «Der eidgenössischen Armee und ihren braven Chefs als bleibendes Denkmal gewidmet zur Gedächtnisfeier des 24. November 1847, da die Jesuitenherrschaft in der Schweiz unterging.

Der Allmächtige hat der gerechten Sache den Sieg verliehen. Die jedem eidgenössischen Wehrmanne unvergeßlichen Tage vom 12! bis zum 30! November 1847, während welchen die sieben kriegsgerüsteten katholischen Sonderbunds-Stände Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis, infolge der Tagsatzungsbeschlüsse vom 20! Heumonat und 4! Wintermonat 1847 auf allen Seiten von einer im­posanten und kampflustigen Armee von 100 000 Mann bedroht, mit dem Oberkommandanten, General Wilhelm Heinrich Dufour von

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Genf, nacheinander kapituliert haben, gehören zu den denkwürdigsten Ereignissen, welche die Schweizergeschichte darbietet. Mit verhältnis­mäßig sehr geringen Opfern an Toten und Verwundeten gelang es dem klugen und kriegserfahrenen Oberbefehlshaber mittels seiner treff­lichen strategischen Anordnungen nach mehreren Gefechten... sich die von einer tyrannischen Regierungsgewalt geknechteten, vom heuchle­rischen Klerus fanatisierten und verblendeten katholischen Mitbrüder, welche den eidgenössischen Truppen, mit Inbegriff des Landsturms, über 80 000 Mann stark als feindliche Armee gegenüberstanden, binnen wenigen Tagen gänzlich zu unterwerfen, den Sonderbund zu sprengen und die Jesuiten aus der Schweiz zu entfernen.» Und der Schlußsatz, der nach meiner Meinung ganz besonders interessant ist, lautet: «Gottes schützende Vaterhand waltete über dem Heere.»

Sie sehen, in welchen Schutz dazumal die Vertreibung der Jesuiten gestellt worden ist, und wie man Gottes schützende Vaterhand anrief, daß sie immer so walten möge über dem Schweizervolke, wie sie dazu­mal gewaltet hat, als es dem General Dufour gelang, die Schweiz von Jesuiten zu säubern. Das war einmal! - 1847.

Aber nicht nur diese Dinge, auch manche andere haben wesentliche Wandlungen erfahren im Laufe des letzten halben Jahrhunderts. Und diese Wandlungen haben einen ganz bestimmten Charakter. Sie haben den Charakter, daß derjenige, der sich nur verlassen will auf den Er­folg der äußeren Ereignisse, wie sie sich abgespielt haben in dieser Zeit, ganz notwendig in Verwirrung kommen muß. Die beste Art, in Ver­wirrung zu kommen, nicht herauszufinden aus gewissen Knäueln und Knoten, ist, bloß diese äußeren Ereignisse des letzten halben oder der letzten zwei Drittel des Jahrhunderts auf sich wirken zu lassen. Es bedarf eben, wenn der Mensch seinen Weg heute richtig finden will, einer orientierenden Richtung, die durchaus von innen kommt, eines Impulses. Und in das Chaos hinein, dessen Grund eben die Verwirrung ist, daß man sich nur auf die äußeren Ereignisse verlassen will, sind verschlungen auch die besten Bestrebungen aus der letzten Zeit. Es darf ja natürlich nicht verkannt werden, daß diese neueste Zeit auf den ver­schiedensten Gebieten des Lebens, namentlich auf dem Gebiet der Tech­nik und dessen, was an Wissenschaft mit der Technik in Verbindung

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steht, große, bedeutungsvolle Fortschritte erlebt und Triumphe gefeiert hat, und daß nach dieser Richtung hin ein Lob der neuesten Zeit durch­aus gerechtfertigt ist. Allein, auch wenn Sie die besten wissenschaft­lichen Ausflüsse der neueren Kultur, die besten technischen Errungen­schaften, wenn Sie alles das nehmen, was auch als Gutes aus diesem verworrenen Knoten der neuesten Kultur hervorgegangen ist, Sie kön­nen darinnen viel Nützliches finden, viel Aufklärendes, vieles von dem, was den Menschen insbesondere in materieller Beziehung bis zu einem gewissen Grade weiterbringen kann; aber Sie können nichts, weder im wissenschaftlichen, weder im technischen noch auf irgendeinem an­deren Gebiete, auch auf den Gebieten - ich muß es immer wieder be­tonen -, die Gutes gebracht haben, finden, was aus der Außenwelt herein so in die menschlichen Seelen leuchten könnte, daß der Mensch selber an diesen von der Außenwelt kommenden Dingen einen Richt­impuls erhalten könnte. Deshalb mußte sich Geisteswissenschaft gerade in diese Zeit hereinstellen, weil aus ihr dasjenige kommen soll, was aus keiner Außenwelt entnommen ist, was nur den geistigen Welten ent­nommen ist und entnommen ist so, daß, wenn es in die Außenwelt ein­fließt, eben durchaus einen Impuls darstellt, der nichts zu tun hat mit alldem, was der Außenwelt selbst heute entnommen werden kann. Es ist ein aus den geistigen Welten in diese Außenwelt hineingetragener Impuls, was mit der anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft gegeben werden soll. Nach dieser Richtung wird man ja heute gründ­lich mißverstanden, und einer Aufklärung nach einer gewissen Seite hin dienten meine gestrigen Auseinandersetzungen. Ich wollte namentlich darauf hinweisen, wie man nicht sagen darf, wir trügen in jenen Schul­impuls, der allerdings herausgeboren ist aus der Geistesschau, oder wir trügen in unsere praktischen Maßnahmen irgend etwas hinein, was nur eine theoretische Weltanschauung wäre. Ich habe gestern gesagt, wie fern die Wirklichkeit von dem ist, was in einer solchen Behauptung liegt. Aber auch das Umgekehrte darf man nicht sagen, und dies hängt wieder zusammen mit einer richtigen Auffassung anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft: Man darf auch nicht sagen, daß so, wie sich die Menschen das heute gewöhnlich vorstellen, irgendeine äußere Betätigung aus einer Theorie kommt, aus einem Programm; man darf

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sich nicht vorstellen, daß dasjenige, was wir, sei es auf einem solchen Gebiete, wie auf dem der Schule, sei es auf einem Gebiete, wie dem des praktisch-ökonomischen Lebens, gründen, aus irgendeinem Programm hervorginge, so wie man sich heute vorstellt, daß die Dinge aus Pro­grammen hervorgehen.

Mir sagte zum Beispiel vor einigen Tagen jemand: Im Grunde ge­nommen wäre es doch nicht zu dieser besonderen Anschauung der «Dreigliederung des sozialen Organismus» gekommen, wenn diese Dreigliederung nicht herausentsprungen wäre aus der Anthroposo­phie. - Ich mußte einen solchen Ausspruch gründlich berichtigen, denn es ist tatsächlich - und hier muß ich einige persönliche Dinge einfügen, die aber durchaus sachlich gemeint sind, und die mit der Sache sehr viel zu tun haben - das, was Ihnen und anderen heute als «Dreigliederung» entgegentritt, insofern es von mir konzipiert worden ist, ganz und gar nicht aus einem abstrakten Gedanken entsprungen, nicht aus einem Nachdenken darüber, wie das soziale Leben eingerichtet sein soll, damit nun auch irgend etwas herauskäme von jenem utopistischen Charakter, wie man ihn in mancherlei Ausführungen der Gegenwart findet. So ist das nicht geworden. Es ist gewissermaßen bei mir selbst das geistige Anschauen die eine Strömung gewesen, die nur selbstverständlich im Leben zusammenfloß mit den anderen Strömungen; und namentlich die wirtschaftliche Strömung, die wirtschaftliche Anschauung ist durchaus auf dem eigenen Grund und Boden ihres Lebens entstanden.

Ich habe es ja vor Jahren einmal ausgeführt, woher gerade diese meine Anschauung des wirtschaftlichen Lebens der neueren Zeit, der wirtschaftlichen Notwendigkeiten entsprungen ist. Das mußte ich auch erwidern, als mir gesagt wurde, diese Dreigliederung sei aus der An­throposophie herausgeholt, gewissermaßen wie man heute abstrakt logisch aus irgendeinem Programm das herausholt, was man dann als Impulse aufstellt. Ich habe ja mein Knabenleben zugebracht als Sohn eines kleinen Eisenbahnbeamten, zu einer Zeit, als in den sechziger, siebziger Jahren die Eisenbahnen sich erst, ich möchte sagen, aus einem halb embryonalen Leben herausentwickelt haben. Zu dem, was dann das große Verkehrswesen geworden ist, ist es ja im Grunde genommen erst später gekommen. Ich nahm teil an all den Maßnahmen, die noch

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unter dem Einfluß der ersten tonangebenden Eisenbahnbauten standen. Ich stand also unmittelbar unter dem Eindruck des aufstrebenden Ver­kehrslebens. Diese Anschauung hat sich später mit etwas anderem ver­bunden, was dazumal dazu geführt hat, das Wirtschaftsleben so vor­stellen zu müssen, wie ich es eben vorstellen mußte im Sinne der «Drei-gliederung des sozialen Organismus».

Wir müssen bedenken: bis in die siebziger Jahre des vorigen Jahr­hunderts hinein war ja das Wesentlichste, das Grundelement der neueren Entwickelung die Umgestaltung des Verkehrs. Der Weltverkehr war das, was sich in dieser Zeit entwickelte. In dieser letzten Zeit des Welt-verkehrs, unmittelbar unter dem täglichen, stündlichen Einfluß der Einzelheiten, die sich mit diesem Weltverkehr entwickelten, stand ich dazumal drinnen. Und dann kam im letzten Drittel des 19. Jahrhun­derts, im letzten Viertel eigentlich erst, der große Umschwung, der vom Weltverkehr führte zu der Weltwirtschaft.

Weltwirtschaft ist etwas anderes als Weltverkehr. Der Weltverkehr hat erst die Weltwirtschaft herbeigeführt. Der Weltverkehr ist nur die letzte Phase der Ausbildung der Nationalwirtschaft. Was im einzelnen Lande bereitet wird, im wesentlichen natürlich, wird durch den Welt-verkehr ausgeglichen über die verschiedenen Länder; aber es besteht eine gewisse Individualität der Produktion für die einzelnen Länder. Das ist dann unter dem Einfluß des Verkehrswesens selber anders ge­worden. Die Welt ging über vom Weltverkehr zur Weltwirtschaft. Und Weltwirtschaft ist erst da, wenn im ausgiebigsten Maße in einem Lande die Rohprodukte eingekauft werden, nach dem anderen Lande ver­frachtet und dort industriell verarbeitet werden. Es ist also nicht nur durch den Verkehr, sondern durch die Wirtschaft selber der eine Staat, das eine Land von dem anderen abhängig, so daß gewissermaßen die Wirtschaft selber sich über die verschiedenen Länder ausbreitet. Diese Ausbreitung der Weltwirtschaft, dieses sich gewissermaßen Zusammen­schließen der Welt zu einer gemeinsamen Weltwirtschaft, fällt im we­sentlichen in die letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts. Und es ist, ich möchte sagen, ganz und gar so entstanden, wie es sich am allereindring­lichsten gezeigt hat in der Versorgung der europäischen Textilindu­strien mit indischer und amerikanischer Baumwolle.

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Gerade die Baumwollindustrie war es, an der man in charakteristi­scher Weise erleben konnte die Umwandlung des Weltverkehrs in die Weltwirtschaft. Und in der Zeit, in der man noch genau sehen konnte, wie sich das vollzieht, war ich acht Jahre hindurch Erzieher in einem Hause, durch welches eben nur Baumwolle von Indien und Amerika nach Europa verfrachtet worden ist, in welchem nur Baumwollagenten und Fabrikanten von solchen Dingen verkehrten, die aus Baumwolle gearbeitet werden, und man lebte da ganz in den Interessen, die sich über alles das ausspannen, was eben von diesen Dingen kommt. Ich lebte ganz darinnen, weil ich niemals diese äußeren Dinge für gering ansah und etwa sagte, man müsse sich in ein mystisches Halbdunkel zurückziehen vor diesen äußeren Dingen; ich interessierte mich durch­aus tief dafür, zumal wenn jene Depeschen ankamen, die man durch Schlüssel übersetzte. Es kam eine Depesche an, darauf stand «Draht­zieher». Dieses «Drahtzieher» mußte man dann aufsuchen im Schlüssel-buch, und das bedeutete: Haus so und so bietet an so und so viele Ballen Baumwolle zu diesem und jenem Preis. - Aus dem Worte «Drahtzieher» zog man alles das heraus, was dann unter Umständen eine sehr bedeu­tende geschäftliche Unternehmung werden konnte.

Während dieser Zeit, während ich mich intensiv interessierte für die Muster der amerikanischen und indischen Baumwolle, die da ankamen, die im Kontor wirklich ganz hoch aufgestapelt waren, jedes mit seiner Spezifikation, mit seinem Papierstreifchen, worauf ganz interessante Dinge standen, während ich diese sorgfältig studierte - verzeihen Sie, daß ich eben diese persönliche Bemerkung mache, aber sie hängt mit dem Sachlichen in einer gewissen Weise zusammen -, studierte ich zu­gleich Goethes «Märchen von der grünen Schlange und der schönen Lilie», und das ging vollständig parallel. Und im Grunde genommen lag in dem, was mir dazumal aus dem Studium der «Grünen Schlange und der schönen Lilie» zufloß, das, was dann nach dreimal sieben Jahren, nach einundzwanzig Jahren zu meinem ersten Mysterium «Die Pforte der Einweihung» führte.

Ich wollte nur diese paar Beispiele anführen, ich könnte sie noch durch manche andere vermehren. Aber ich mußte dem Manne, der mir sagte, daß das, was ich über das wirtschaftliche Leben denke, aus einer

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- wie er natürlich meinte - abstrakten Anthroposophie geflossen sei, erwidern, daß ich durchaus das Verkehrswesen mitgemacht habe, Frachtbriefe geschrieben habe - wie ich noch Tintenkleckse darauf ge­macht habe, außer den Zeichen, die ich auf die Frachtbriefe habe schrei­ben müssen -, daß ich miterlebt habe die Baumwollindustrie und den Baumwollhandel, und daß aus diesen Dingen heraus, die gerade zusam­menhängen mit dem ganzen Nerv des Lebens der neueren Zeit, das ent­standen ist, was meine wirtschaftlichen Anschauungen sind. Das sind eben keine Theorien, das ist wirklich hervorgeholt aus dem Leben. Und ich habe nur das eine Gefühl, daß man diese Dinge aus dem Leben her­vorholen kann, wenn man den guten Willen hat, das Leben wirklich anzuschauen. Man muß das Leben allerdings auch da anschauen, wo es manche verachten, wenn man zu dem kommen will, was wirklich auch Lebenspraxis sein kann, was sich lebenspraktisch ausnehmen kann. Und gerade aus alledem, was sich da ergeben hat aus der Lebenspraxis her­aus, aus dem Drinnenstehen in der Lebenspraxis, auch aus detn ver­worrenen Knoten der Lebenspraxis, konnte man diese Dinge hervor­holen. Denn unter denjenigen Menschen, die mir dazumal entgegen­getreten sind, standen manche, die noch in ihrem Lebensschicksal die Nachwirkungen der großen Krise vom Jahre 1873 hatten.

Allerdings, gerade damals zeigten sich jene merkwürdigen Zusam­menhänge zwischen Weltanschauung und äußerem wirtschaftlichem Leben, jene Zusammenhänge, die gerade durch unsere Art zu denken über das geistige Leben auf der einen Seite und über das wirtschaftliche auf der anderen Seite, überwunden werden sollen. Direktor jener Bahn, an der mein Vater angestellt war, war dazumal ein Mann namens Bon­toux. Jener Bontoux war, ich möchte sagen, ein kleiner Halbgott für die Umgebung, in der ich dazumal lebte. Die Frau Bontoux, die man, ich weiß nicht aus welchem Grunde, nur «die Baronin» nannte, galt als eine außerordentlich fromme Frau, und es waren wirklich von einem ge­wissen Gesichtspunkt aus außerordentlich fromme Leute. Bontoux ver­ließ dann den Generaldirektorposten der Südbahn, trat in ein Konsor­tium ein, ein großes Unternehmen, das von Frankreich bis nach Serbien seine Fangarme erstreckte, und seiner «Frömmigkeit» gelang es, riesige Geschäfte zu machen, im Dienste allerdings nicht weltlicher Mächte,

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sondern jener frommen Mächte, in deren Dienst er sich auch sonst ge­stellt hatte, wenn er das Gebetbuch in der Hand hatte. - Dann krachte die ganze Sache zusammen, und es entstand der berühmte Bontoux-Krach, aus dem zur rechten Zeit eine gewisse kirchliche Gemeinschaft ihre Finger herausgezogen hatte und den Bontoux allein hineinsausen ließ. Aber es war dazumal sehr deutlich zu bemerken ein gewisses Hin-eintragen von Weltanschauungsideen, sagen wir, in finanzielle Unter­nehmungen, und man konnte da sehr gut lernen, was man nicht tun soll. Allerdings, manche Leute können sich nicht vorstellen, daß man das in der richtigen Weise gelernt hat und daß das dahin geführt hat, daß man sich den Zusammenhang zwischen Anthroposophie und Kommender Tag und Futurum ganz anders denkt, als sich der Bontoux den Zusam­menhang gedacht hat der katholischen Kirche mit der Serbischen Bank.

Diese Dinge sind alle durchaus aus dem Leben abgelesen. Und daß man aus dem Leben ablesen kann, daß man nicht mit theoretischen Dog­men an das Leben herantrete, das ist gerade das, was von richtig ver­standener Anthroposophie kommen soll. Anthroposophie unterscheidet sich nämlich von anderen Weltanschauungen dadurch - oder soll sich wenigstens dadurch unterscheiden -, daß sie selbstlos sein kann, das heißt, daß sie nicht überall auf ihre Dogmen trommelt, sondern daß sie tatsächlich die Anleitung gibt, um das Leben in seiner Fülle, in seiner Breite kennenzulernen. Nur dadurch kann sie ja die wichtigsten, die grundwichtigsten Forderungen und Notwendigkeiten gerade der gegen­wärtigen menschlichen Entwickelung erfüllen.

Wer mit offenen Augen sah, was man erleben konnte bei einem wirk­lichen Hineinschauen in das, was geschah, der sah überall die Verwir­rung, der sah, daß selbst in den Guten durchaus die Verwirrung lebte, und daß man verloren sein mußte, wenn man darauf angewiesen war, nur fortzuschwimmen in dem, was die äußere Welt darbot. Dahinein mußte der Impuls aus Geisteslanden fließen, der, ich möchte sagen, aus einem ganz anderen Quellpunkt heraus Richtung zu geben berufen ist dem, was eben von außen her diese Richtung nicht bekommen kann, selbst da nicht, wo das Gute dieses Äußeren lebt.

Das ist es, was gerade den Beruf anthroposophisch orientierter Gei­steswissenschaft zum Ausdruck bringt. Aber man bedenke nur, was für

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ein Antrieb in dieser Zeit liegt, wo sich die äußeren Ereignisse überall, sei es im wissenschaftlichen, sei es im anderen kulturellen Leben, sei es im äußeren praktischen Leben, zu einem unentwirrbaren Knäuel for­men. Man bedenke, was in dieser Zeit an Notwendigkeiten vorliegt, gerade aus geistigen Untergründen heraus etwas zu finden, was in der Welt heute richtunggebend sein kann.

Man bedenke aber auch, wie auf der anderen Seite aus diesen Dingen heraus noch eine andere Veranlassung für den Menschen kam. Das ist diese: Wenn sich der Mensch nun überläßt dem Strom der unlösbaren Knoten, so kommt er in die Versuchung, seine Führung nicht selbst mit seiner Seele zu besorgen, sondern sich hinzugeben dem verwirrenden Äußeren, sich tragen zu lassen von dem Flusse des verwirrenden Äu­ßeren. - Das hat man sehen können, zum großen Schmerze, wie die Menschen unter diesem Einfluß immer unselbständiger und unselb­ständiger wurden, wie sie auf der einen Seite den Drang bekamen zum eigenen Urteil, aber als eigenes Urteil dann doch nur das formten, was sich ihnen aus dem verknoteten, chaotischen äußeren Leben auf ihnen unbekannten Wegen eindrängte. Die Menschen möchten selbständig sein, weil nun einmal die Forderung der Freiheit im Unterbewußten der Menschen lebt. Die Menschen bilden sich auch ein, selbständig zu sein, aber sie überlassen sich, weil Selbständigsein, das heißt Freisein, heute ein starkes Aufrütteln des Inneren bedeutet, sie aber dieses Aufrütteln nicht wollen, dem Strom, der eben in der geschilderten Weise abläuft. Da kommen sie in dieser Weise namentlich in ahrimanische Einflüsse hinein, in das, was mit allerlei schönen und schön geprägten Worten nach dem Geistigen hinzielt, was aber doch in nichts anderem wurzelt als in persönlichen Egoismen und in der Sucht, diese persönlichen Egois­men tragen zu lassen von dem sozialen Leben.

Es ist das wichtigste Charakteristikum der Gegenwart, daß die Men­schen im Grunde genommen vollgepfropft sind mit Egoismen, und daß, wenn sie von sozialen Forderungen sprechen, sie eigentlich meinen: Wie wird der Egoismus am besten von der Sozietät getragen? - Im Grunde genommen sprechen die Leute von sozialem Leben und meinen das egoistische Leben. Sie möchten ein solches soziales Leben, daß der Egoismus darinnen am besten gedeihen kann.

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So konnte allerdings nicht die «Dreigliederung des sozialen Organis­mus» reden. Sie konnte nicht von einem Paradiese reden. Das muß sie den Lenins und Trotzkis und so weiter überlassen. Sie kann nur reden von dem, was im Gesellschaftskörper organisch möglich ist, von dem, was lebensfähig ist, von dem, was geschehen kann, was sich vollziehen kann. Und zu dem müssen wir gelangen. Denn wenn wir uns Illusionen vormachen wollen und Illusionen anstreben, so werden wir durchaus nicht weiterkommen können.

Wir müssen uns angewöhnen, nicht aus einem abstrakten Prinzip heraus das ganze Leben zu betrachten, sondern im Lehen aufzugehen, die Einzelheiten des Lebens mit vollem Anteil zu betrachten, gleich­gültig ob sie anscheinend ganz geistigen Dingen angehören oder ob sie anscheinend ganz materiellen Dingen angehören. Es hat sich einmal ein großer Umschwung dadurch vollzogen, daß gewissermaßen das Wirtschaftsleben der ganzen Welt ein einziger Körper geworden ist, und die Menschheit konnte das nicht verstehen, konnte es nicht er­tragen. Man hat es nur deklamiert, man hat es nicht innerlich verstan­den. Gewiß, vieles ist erschienen über Weltwirtschaft, aber das waren alles Phrasen, denn diese Reden von der Weltwirtschaft, dieses An-schauen der Weltwirtschaft ist nicht immer verdaut worden. Und so ist es gekommen, daß die Menschen zunächst in die Weltwirtschaft hinein-getrieben worden sind, daß sie aber nicht verstanden haben, das Leben darnach einzurichten, und jetzt in einer Welt leben, die nun Schranken über Schranken aufrichtet, die unmögliche nationale Wirtschaften durch alle möglichen Schranken, Zoll- und Paßschranken in der furcht-barsten Weise konservieren möchte, die also etwas, was im Grunde ge­nommen schon längst nicht mehr da ist, konservieren möchte.

Das, was wir heute erleben, ist nichts anderes als das Nichtverstehen dessen, was heraufgezogen ist, weil dieses Leben im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhun­derts im Grunde genommen verwirrende Knoten dargeboten hat, denen man sich äußerlich nicht überlassen durfte. Aus diesem Sich-Hingeben an das Chaos, an die verwirrenden Knoten, entstand schließlich das, was sich so vielfach gerade ausprägt in den Feindseligkeiten gegen An­throposophie. Diese Feindseligkeiten nehmen ja heute sowohl extensiv,

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wie namentlich auch intensiv, die unglaublichsten Dimensionen an. Und man kann sagen: Aus dem, was sich der äußeren Welt übergibt in dem angedeuteten negativen Sinne - ich habe ja auch den positiven Sinn hingestellt, der Welt sich zu übergeben, indem man nämlich auch mit den Baumwollballen leben konnte -, aus dem heraus entstehen heute alle die Dinge, die in einer so merkwürdigen Weise auftreten. Kann man denn nicht eigentlich schon, wenn man rein äußerlich die Dinge nimmt, an der ganzen Art und Weise, wie man diese Dinge ausdrückt, ersehen, von welchem Geiste diese Dinge beseelt sind, wenn man da überhaupt von Beseelung sprechen kann? [Es wird vorgelesen:] «Über Steiners Goetheanum in Dornach wurde gesagt: »

Und zuletzt hat sich mit den verschiedensten Leuten, den Chauvi­nisten, den extremen Sozialisten, namentlich der Führerschaft des So­zialismus und so weiter, mit all denen hat sich ja in der letzten Zeit noch ein merkwürdiges Völkchen verbunden, allerdings, es ist nicht ganz neueren Datums, denn man konnte die Bestrebungen dieses Völkchens auch schon im Jahre 1912, 1913 kennenlernen. An das, was ich Ihnen eben vorgelesen habe, werden nämlich ganz merkwürdige Sätze an-geknüpft: «Das sind nur ganz kleine Stichproben gegnerischer Angriffe»

- und nun äußert der Verfasser seine Meinung, woher diese gegnerischen Angriffe kommen - «unter der Uranusströmung. Wir sehen, an Hohn und Spott fehlt es schon jetzt nicht. Ganz besonders aber gibt die War­nung eines haßerfüllten Gegners zu denken.»

Die will ich dann vorlesen. Das Völkchen aber, das sich so mit den anderen verschiedenen Gegnern verbunden hat, ist das der Astrologen, und dahinter liegt eine ganz besondere Ruchlosigkeit - die ja allerdings bei vielen ganz unbewußt ist -, weil man mit diesen Dingen sehr vie] machen kann, und weil darin etwas besonders Aufreizendes liegt. Aber sehr sonderbar sind doch die Dinge, wenn man sie nun zusammenstellt.

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Da findet sich zum Beispiel ein Angriff, der enthält die Worte: «Wir halten es für sehr notwendig, auf Rudolf Steiner ein wachsames Auge zu haben. Der Mann, der auf Judentum, Kommunisten und idealistisch verschrobene Köpfe sich stützend, in Württemberg in der Revolutions­zeit Kultusminister werden wollte, gibt seine Partie auf dem politischen Theater unseres engeren Vaterlandes sicherlich nicht verloren.»

Hier wird also geredet von einer Gemeinschaft mit Judentum und Kommunisten. Halten wir einen anderen Angriff dagegen. Es ist gut, diese Dinge zu vergleichen, denn in der Vergleichung mag sich viel­leicht einzelnes ergeben: «Alle bisherigen Religionsstifter wie Christus, Buddha und alle Weisen und Propheten» - ich glaube nicht, daß ich jemals auf solch einen Titel im entferntesten Anspruch gemacht habe, aber die Gegner tun es, wie es scheint - «haben niemals auf Äußeres, auf irdische Schätze, auf Paläste und Tempel viel gegeben, im Gegenteil, sie sind ohne wesentliches Besitztum geblieben, haben ohne äußeren Aufwand die Menschen unterrichtet, geistig höher geführt oder gelehrt, im stillen Kämmerlein zu beten! Sie haben ihre geistigen Ideen und wei­sen Lehren durchgesetzt, ohne die materielle Hilfe reicher Kommerzien­räte zu bedürfen.»

Also sehen Sie, auf der einen Seite die Gemeinschaft mit den Kom­munisten und mit dem Judentum, auf der anderen Seite die Gemein­schaft mit reichen Kommerzienräten. Es fehlt bloß noch die Gemein­schaft mit besonders tonangebenden Generälen! Es muß schon einmal betont werden, da diese Dinge ja gesagt werden müssen, und, wie mir scheint, sie niemand anderes sagt: Ich weiß, daß weder die, die hier als Kommunisten, noch die, welche als Kommerzienräte geschildert wer­den - auch wenn noch Generäle genannt wären -, es mir alle nicht übel-nehmen würden, wenn ich sage, daß durchaus einmal genau untersucht werden müßte, ob ich selber irgend jemanden, sei es von diesen «Kom­munisten», sei es von diesen «Kommerzienräten» oder «Generälen», für mich gebraucht hätte? - Ich hätte sie alle entbehren können, und man müßte erst untersuchen, ob ich zu ihnen oder sie zu mir gekommen sind. Das ist, was zunächst einmal ins Auge gefaßt werden müßte, das ist etwas, was doch sehr stark in Betracht kommt.

Und noch etwas anderes. Wenn nun auf der einen Seite wirklich so

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gesprochen wird: Rudolf Steiner kann nur auf Judentum, Kommu­nisten und so weiter sich stützen -, auf der anderen Seite: Die bisherigen Religionsstifter haben ihre geistigen Ideen und weisen Lehren durch­gesetzt, ohne der materiellen Hilfe reicher Kommerzienräte zu bedür­fen -, so kann man sagen, das klingt so ähnlich, wie 1908 von seiten der Jesuiten die Verleumdung aufgetaucht ist, daß ich ein besonders gefähr­licher Freimaurer sei, während auf der anderen Seite die Verleumdung aufgetaucht ist, ich sei selber Jesuit. - So «genau» kennen einen die Leute! Aber man sollte doch einmal nachdenken darüber, ob nicht viel­leicht gerade das, was am notwendigsten ist heute ins Auge zu fassen, sowohl im Kommunisten wie im Juden wie auch im reichen Kommer­zienrat steckt: der Mensch. Heute kommt es auf den Menschen an, und was gesucht werden muß, ist der Mensch in jeder Form. Denn die alten Parteischablonen, wie Kommunisten, die alten Volkszusaminenhänge, wie Juden, und schließlich auch die alten Kommerzienratstitel bedeuten heute nur noch außerordentlich wenig, wo wir mit aller Gewalt hinein­kommen müssen ins allgemein Menschliche.

Aber es scheint, daß diejenigen ganz besonders ahrimanisch besessen sind, die mit allem möglichen geistverwandt sind, nur nicht mit dem, was nun wirklich einen geistigen Impuls in die heute verworrene Menschheitsentwickelung hineinbringen will. Und so kann man sich schon auch ruhig anhören, wenn gesagt wird: «Planetarische Einflüsse von Saturn und Uranus mögen für den persönlichen Menschen unheil-voll wirken, ihm schwere Sorgen oder Feindseligkeiten bringen - aber -der Mensch wird dadurch gezwungen, sein niedriges Ich-Leben zu be­herrschen und zu überwinden und es schließlich reif zu machen für den Menschheitsdienst. Die Gestirnseinflüsse von 1921 werden also Herrn Dr. Rudolf Steiner - wie alle Menschen mit ähnlichem Wurzel-horoskop - entweder seelisch erschüttern, zu erhöhter geistiger An­strengung, zur Vertiefung und Konzentration zwingen - oder ihnen, falls die astralischen Einflüsse nicht geistig verwertet werden - schwere materielle Schädigungen, schmerzliche Verluste oder körperliche Er­krankungen bringen. - Manche Ende Februar Geborene aus kritischen Jahren können auch in persönliche Gefahr kommen, was stets aus den einzelnen Grundhoroskopen klarer ersichtlich ist.»

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Nun, es ist durchaus nicht nötig, daß aus den Uranus- und Saturn­einflüssen gesagt wird, es sei notwendig, das Ich-Leben zu beherrschen und dergleichen; denn ich habe versucht, Ihnen zu schildern, aus wel­chen Untergründen heraus zum Beispiel die «Dreigliederung des sozia­len Organismus» und so etwas wie «Die Pforte der Einweihung» ent­sprungen sind, und ich selbst kann ruhig hinsehen auf alles das, was von Saturn- und Uranuseinflüssen kommt. Das sind nicht die Dinge, die mich besorgt machen. Besorgt machen mich ganz andere Dinge. Und solange das Folgende figuriert, solange kann ja schon einige Besorgtheit bestehen. Aber die Dinge, die daran geknüpft werden, müßten doch in einem anderen Lichte gesehen werden.

Es wird hier ein besonders haßerfüllter Gegner angeführt, der das Folgende sagt: «Geistige Feuerfunken, die Blitzen gleich nach der höl­zernen Mäusefalle [gemeint ist das Goetheanum] zischen, sind also genügend vorhanden, und es wird schon einiger Klugheit Steiners be­dürfen, zu wirken, damit nicht eines Tages ein richtiger Feuerfunke der Dornacher Herrlichkeit ein unrühmliches Ende be­reitet.»

Hier ist sehr deutlich auf etwas hingewiesen, was die Welt gerne sehen möchte hier am Dornacher Hügel!

Und dann findet sich das Völkchen und sucht nach den Gründen, solche drohenden Aussprüche ganz und gar den Wirkungen des Uranus in der Nähe der Sonne und so weiter zuzuschreiben. Also nicht nur an Extensität sind die Angriffe da, sie sind auch von einer merkwürdigen Intensität beseelt. Und vor allen Dingen, was mich betrifft, möchte ich sagen: Wo die Uranuseinflüsse sich so äußern, da zeigen sie wohl, daß sie nicht gerade von guter Seite her kommen können! Da zeigen sie schon durch ihr eigenes Auftreten, wes Geistes Kind sie sind.

Aber auf der anderen Seite müssen wir uns durchaus klar sein: Wenn über eine Sache aus den «geistigen Feuerfunken», von denen gesagt wird, daß sie «genugsam vorhanden sind», herbeigesehnt wird der «physische Feuerfunke», dann bedarf es des wachsenden Sorgens der­jenigen, die vielleicht mit einiger Liebe an dem hängen, was äußerlich hier zustande gekommen ist, und an dem, was damit zusammenhängt. Es ist wirklich nötig, einige Sorge darauf zu verwenden, das Werk, das

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nun wirklich zusammengetragen ist aus der Arbeit und den Opfern vieler, zu bewahren. Denn derjenigen Leute, die mit ihrem ideellen oder sogar zu einer ruchlosen Tat schreitenden Willen dieses Werk haß-erfüllt anschauen, sind heute wirklich genügend viele vorhanden!

Sie könnten sagen, ich hätte das hier nicht verlesen sollen. - 0 nein, meine lieben Freunde, davon kann gar nicht die Rede sein! Daß es in der Welt bekannt wird bei den anderen Leuten, dafür werden schon die anderen sorgen. Aber daß es unter Ihnen auch bekannt werde, die Sie vielleicht doch etwas anderes fühlen in solchen Dingen, wenigstens die meisten unter Ihnen, dafür muß ich doch einigermaßen sorgen. Denn es könnte sonst durch die Sitten, die einmal eingerissen sind in weitesten Kreisen gerade dieses Saales, nun unseren Freunden verborgen bleiben. Denn es bleibt ja so vieles leider verborgen. Es soll aber gerade ein wenig in die Wachheit unserer Freunde hineinblitzen, was heute schon sehr intensiv, haßgeballt sich geltend macht gegen das, was anthroposo­phisch orientierte Geisteswissenschaft will.

Und es war nicht etwa bloß, um einen Witz zü machen, wenn ich gestern sagen mußte: die Gegner sind in vieler Beziehung andere Kerle; und sie werden sich noch als andere Kerle erweisen, wenn wir nicht auch versuchen, wachsam zu sein, Wächter zu sein desjenigen, was durch viele Opfer und viele Arbeit zustandegebracht worden ist.

Denn wenn es schon, wie es heute der Fall ist, gelingt, daß das Schlechte so viele Wächter findet, so sollte es doch auch möglich sein, daß dasjenige, was wir doch immerhin als das Gute ansehen müssen, auch seine Wächter fände! Seien Sie treuliche Wächter des Geistesgutes, von dem wir auch heute wiederum aus gewissen Zusammenhängen her­aus sagen mußten: Es ist nicht durch irgendeine subjektive Idee allein in die Welt gebracht, es ist aus der Beobachtung des Lebens in diese Welt gebracht, aus der Anschauung der Forderungen, welche mensch­liche sind, welche die wichtigsten menschlichen Forderungen sind in diesem unserem Zeitalter und die immer wichtiger werden, je mehr wir der nächsten Zukunft entgegengehen. Seien Sie auf alle diejenigen auf­merksam, die dieses der Menschheit notwendige Werk vernichten wollen! Denn dieser Wille zum Vernichten ist heute in vielen ein sehr, sehr starker. Seien Sie selbst stark, denn dasjenige, was in jener geistigen

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Bewegung lebt, die auch diesen Bau hier zustande gebracht hat, das ist nicht aus dem Chaos heraus entstanden, das ist ein Impuls, der in das Chaos hineingebracht worden ist. Und kommt man ihm nur nahe, dann wird man fühlen: es gibt Kraft, es gibt Leben. Seien Sie Wächter, wahre Wächter desjenigen, was Sie ja gewählt zu haben scheinen zu dem Ihrigen, indem Sie sich hineingestellt haben in diese anthroposophisch orientierte geisteswissenschaftliche Bewegung.

ACHTER VORTRAG Dornach, 29. Januar 1921

#G203-1989-SE130 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

ACHTER VORTRAG

Dornach, 29. Januar 1921

#TX

Aus den verschiedensten Betrachtungen, die wir angestellt haben, kann Ihnen hervorgehen, daß, wenn auch vielleicht äußerlich nicht bemerk­bar, doch ein inniger Zusammenhang besteht zwischen einem Wesen, dem Hauptwesen, das einen Planetenweltenkörper bewohnt in einer gewissen Zeit, und diesem Weltenkörper selbst. Man kann von den ver­schiedensten Gesichtspunkten aus diesen Zusammenhang zwischen dem Menschen und dem ganzen Erdenleben - könnten wir auch sagen - und alidem, was dazu gehört, betrachten. Wir wollen heute von einem ein­zelnen Gesichtspunkte aus die Sache ins Auge fassen, um uns von da aus wiederum über das eigentliche Wesen des Menschen Vorstellungen zu bilden.

Wir wissen ja, daß der Mensch sein Erdenleben absolviert in aufein­anderfolgenden Verkörperungen. Diese aufeinanderfolgenden Verkör­perungen bringen ihn in einen innigeren Zusammenhang mit dem eigentlichen Planeten Erde als diejenigen Zeiten, welche zwischen dem Tod und einer neuen Geburt liegen. Die Zeiten, die der Mensch zubringt zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, sind für ihn Zeiten eines mehr geistigen Daseins. Er ist in solchen Zeiten der Erde selber mehr entrückt als in den Zeiten zwischen der Geburt und dem Tode.

Der Erde mehr entrückt sein, oder mit der Erde in einem innigeren Zusammenhange stehen, bedeutet aber jeweils immer auch, in einem gewissen Verhältnis zu stehen zu anderen Wesen. Denn was wir äußer­lich sinnlich wahrnehmbare Weltengebiete nennen, das ist schließlich nur der Ausdruck für gewisse Zusammenhänge zwischen geistigen Wesen. Mag zunächst für den physischen Anblick unsere Erde so aus­sehen, wie die Geologen sie sich vorstellen: daß sie gewissermaßen nur ein Gesteinszusammenhang ist, von einer Lufthülle umgeben -, so ist das doch im Grunde genommen nur der äußere Schein. Was eigentlich da erscheint als dieser Gesteinszusammenhang, das ist doch nur die Leiblichkeit für gewisse geistige Wesenheiten. Und wiederum: Das, was uns erscheint außerhalb der Erde, was uns erscheint so außerhalb der

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Erde, daß es auf diese Erde herabglänzt als Sternenwelt, auch das ist wiederum so, wie es uns erscheint, nur der äußerliche sinnliche Aus­druck für einen gewissen Zusammenhang von geistigen Wesenheiten, von Hierarchien. Durch dasjenige, was uns als die schwere Erde er­scheint, was uns vorzugsweise dadurch nahetritt, daß es gewissermaßen der feste Untergrund ist, auf dem wir unser Leben zwischen Geburt und Tod entwickeln, was uns also als die sinnliche äußere Erde erscheint, durch das entwickeln wir vorzugsweise unser Leben zwischen der Ge­burt und dem Tode. Durch alles dasjenige, was uns aus dem Welten-raume hereinscheint, was uns als Sternenwelt erglänzt, womit wir so wenig Zusammenhang zu haben scheinen, mit dem haben wir mehr einen Zusammenhang zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Man kann schon sagen, daß es mehr ist als ein Bild, daß es eine Realität von tiefer Bedeutung ist, wenn man sagt: Der Mensch steigt aus Sternen­welten zur physischen Geburt herab, um da sein Dasein zwischen der Geburt und dem Tode zu vollbringen. - Nur dürfen wir uns nicht vor­stellen, daß die Gestalt, die wir als den Schein des Weltenalls, den Schein des Kosmos haben, wenn wir hier auf der Erde reden von der Sternenwelt, daß dies auch der Anblick ist, der sich darlebt für unser übersinnliches Schauen zwischen dem Tode und einer neuen Geburt. Da bietet sich eben das, was äußerlich dem auf der Erde lebenden Men­schen als Sternenwelt erscheint, in seiner inneren Wesenheit, in seiner Geistwesenheit dar. Wir haben es mit dem Inneren dessen zu tun, was für unser irdisches Dasein hier Äußeres ist. Im Grunde müssen wir uns sagen: Sowohl wenn wir gewissermaßen hinunterblicken auf die Erde, wie wenn wir hinaufblicken zum Kosmos, haben wir es für den sinn­lichen Anblick immer mit einer Art von Scheingebilden zu tun und kommen zur Wahrheit nur, wenn wir zurückgehen zu den Wesenheiten, die diesem Schein mit den verschiedenen Graden des kosmischen Selbst­bewußtseins zugrunde liegen.

Schein also ist es, möchte ich sagen, ob man hinauf-, ob man hinun­tersieht. Die Wahrheit, die Wesenheit liegt hinter diesem Schein. Daß aber der Schein sich uns oben und unten zeigt, das hängt damit zusam­men, daß unserem Leben zwischen der Geburt und dem Tode auf der einen Seite und auch zwischen dem Tode und einer neuen Geburt auf

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der anderen Seite stets die Möglichkeit droht, aus der Bahn des Voll­menschlichen herauszukommen. Sowohl hier auf der Erde zwischen Geburt und Tod können wir zu verwandt werden dieser Erde, können gewissermaßen in uns den Trieb, den Instinkt entfalten, den Erden­mächten zu verwandt zu werden, wie wir auch zwischen dem Tod und einer neuen Geburt den Trieb entfalten können, den kosmischen Mäch­ten außerhalb der Erde zu verwandt zu werden. Denn hier auf der Erde stehen wir zu nahe dem äußeren bildhaften Ausdruck, dem in sinnliche Materialität sich hüllenden Wesen; hier stehen wir gewissermaßen der inneren Geistigkeit entfremdet da. Wenn wir uns entwickeln zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, stehen wir voll drinnen in der Geistig­keit, erleben wir die Geistigkeit mit, und da droht uns wiederum die Möglichkeit, in dieser Geistigkeit zu versinken, in dieser Geistigkeit uns aufzulösen. Während wir hier auf der Erde der Möglichkeit ausgesetzt sind, im physischen Dasein zu verhärten, sind wir zwischen dem Tod und einer neuen Geburt der Möglichkeit ausgesetzt, im geistigen Dasein zu ertrinken.

Diese beiden Möglichkeiten rühren davon her, daß neben jenen Mächten, die man anführt, wenn man von der normalen Ordnung der Hierarchien spricht, andere Wesen da sind. Wie sich die elementaren Wesenheiten finden in den drei Reichen der Natur, wie sich dann der Mensch findet, wie sich die höheren Hierarchien finden, von denen man, wenn man von diesen Wesenheiten spricht, im Sinne echter Gei­steswissenschaft sagt, daß sie so da sind nach ihren «kosmischen Zeiten», sind neben diesen Wesenheiten andere da, die gewissermaßen zur Unzeit ihr Wesen entfalten. Es sind die luziferischen und ahrimanischen We­senheiten, von denen wir oft gesprochen haben, und von denen Sie sich ja schon die Vorstellung gebildet haben werden, daß die luziferischen Wesenheiten wesentlich solche sind, die eigentlich so, wie sie jetzt sich darleben, in einem früheren kosmischen Zeitraum gelebt haben sollten. Dagegen sind die ahrimanischen Wesenheiten solche, die so, wie sie jetzt sich darleben, in einem späteren kosmischen Zeitraum leben sollten. Verspätete kosmische Wesenheiten sind die luziferischen Wesenheiten, verfrühte kosmische Wesenheiten sind die ahrimanischen Wesenheiten. Die luziferischen Wesenheiten haben es verschmäht, die Zeit gewissermaßen

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mitzumachen, die ihnen vorgesetzt war; sie sind nicht dazu ge­kommen, weil sie es verschmäht haben, die Entwickelung voll mitzu­machen. So enthüllen sie sich heute, wenn sie sich offenbaren, als auf früherer Stufe des Daseins zurückgeblieben.

Die ahrimanischen Wesenheiten können es, wenn wir uns so aus­drücken wollen, nicht erwarten, zu einem späteren Zeitpunkte der kos­mischen Entwickelung das zu werden, was in ihnen veranlagt ist. Sie wollen es schon jetzt sein. Daher verhärten sie in dem gegenwärtigen Dasein und zeigen sich uns jetzt in der Gestalt, in der sie eigentlich erst in späterer Entwickelung des kosmischen Lebens ankommen sollten.

Wenn man hinausblickt in die Weiten des Kosmos, und es zeigt sich einem, ich möchte sagen, das Ensemble der Sterne; was ist dieser An­blick? Warum haben wir diesen Anblick? - Wir haben diesen besonderen Anblick, den Anblick der Milchstraße, den Anblick des sonst bestirnten Himmels aus dem Grunde, weil er die Offenbarung ist des luziferischen Wesens der Welt. Was uns gewissermaßen leuchtend, strahlend umgibt, ist die Offenbarung des luziferischen Wesens der Welt, es ist dasjenige, was jetzt so ist, wie es ist, weil es auf einer früheren Stufe seines Daseins zurückgeblieben ist. Und wenn wir über den Erdboden gehen, den starren Erdboden, dann hat dieser starre Erdboden seine Starrheit, seine Härte aus dem Grunde, weil in ihm gewissermaßen zusammengeballt sind die ahrimanischen Wesenheiten, jene Wesenheiten, welche diejenige Stufe, die sie sich jetzt künstlich zulegen, eigentlich erst in einem spä­teren Zeitpunkte ihrer Entwickelung haben sollten.

Daher liegt auch die Möglichkeit vor, daß wir, indem wir uns so der Sinneswelt hingeben, durch den Anblick des Himmelsaspektes uns immer luziferischer und luziferischer machen. Also, wenn wir im Leben zwischen der Geburt und dem Tode diese Neigung haben, uns dem An­blick des Himmelsaspektes hinzugeben, so bedeutet das eigentlich nichts Unmittelbares, nichts Direktes, es bedeutet das etwas, was uns als ein Instinkt bleibt aus unserer Zeit, die wir zugebracht haben vor der Ge­burt oder vor der Empfängnis in geistigen Welten, wo wir mit den Sternen gelebt haben. Da sind wir eine zu starke Verwandtschaft ein­gegangen mit den kosmischen Welten. Da sind wir zu ähnlich geworden diesen kosmischen Welten, und daher ist uns geblieben aus diesen Welten

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die Neigung, die ja als keine besonders starke Neigung in der Mensch­heit auftritt, im sinnlichen Anblick der Sternenwelten besonders auf-zugehen. Wir entwickeln diese Neigung, wenn wir durch unser Karma

- das wir uns ja allerdings immer zuziehen zwischen der Geburt und dem Tode - die Zeit zwischen dem Tode und einer neuen Geburt zu stark verschlafen, wenn wir zu wenig Neigung entwickeln, dort ein volles Bewußtsein zu haben.

Das andere dagegen, das Aufgehen in das Leben des Irdischen, das ist es, was wir direkt hier zwischen der Geburt und dem Tode entwickeln. Das ist die eigentliche ahrimanische Möglichkeit in dem Leben des Menschen. Die luziferische Möglichkeit hängt also eigentlich zusammen mit demjenigen, was wir uns zulegen durch unsere Verwandtschaft mit der Schein-Geisteswelt; und die ahrimanische Verwandtschaft, die wir uns zulegen, rührt davon her, daß wir eine zu große Neigung entwickeln zwischen der Geburt und dem Tode zu dem, was uns als sinnliche äußere Welt umgibt. Wenn wir zu stark hineinwachsen in dieses Irdische, wenn wir gewissermaßen so stark in diesem Irdischen aufwachsen, daß wir über dem Aufwachsen im Irdischen keine Hinlenkung unserer Seelen-verfassung nach dem Übersinnlichen haben, dann treten in uns die ahrimanischen Verwandtschaften auf.

Nun hat das alles eine tiefere Bedeutung für die ganze Entwickelung der menschlichen Wesenheit. Wir können dadurch, daß wir zwischen dem Tode und einer neuen Geburt gewissermaßen versinken in der geistigen Welt, und durch das, was wir dann werden, wenn wir hier nicht das richtige Gleichgewicht finden zwischen geistiger und materiel­ler Welt, dadurch also, daß wir eine zu starke Verwandtschaft ent­wickeln mit dem Außerirdischen, wir können, indem sich solche Dinge immer mehr und mehr summieren und wir in dieser Inkarnation nicht das entsprechende Gleichgewicht finden zwischen dem Geistigen und dem Materiellen, allmählich zu einem Erdendasein kommen - und jetzt in diesem Zeitalter sind solche Dinge überhaupt in der Entscheidung -, unter Umständen schon in der nächsten Inkarnation zu einem solchen Erdendasein kommen, in welchem wir gewissermaßen nicht altern kön­nen. Das ist die eine Möglichkeit, die uns als eine gewisse Gefahr bevor­stehen kann: das Nicht-Altern-Können. Wir können wiedergeboren werden,

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und die luziferischen Mächte können uns gewissermaßen zurück­halten auf der Kindheitsstufe; sie können über uns etwas verhängen, so daß wir nicht reif werden. Diejenigen Menschen, die sich allzusehr einer gewissen Schwärmerei, einer nebulosen Mystik hingeben, die eine gewisse Abneigung haben vor einem straffen konturierten Denken, welche es verschmähen, sich klare Vorstellungen zu machen über die Welt, auch diejenigen Menschen, welche es verschmähen, innerlichen Seelenfleiß, innerliche Regsamkeit der Seele zu entwickeln, diejenigen Menschen also, die mehr oder weniger dahinträumen, die setzen sich der Gefahr aus, in der nächsten Inkarnation nicht altern zu können, kind­lich im schlimmen Sinne des Wortes zu bleiben. Es ist ein luziferischer Einschlag, der auf diese Weise in die Menschheit hineinkommen wird. Dadurch würden diese Menschen in der nächsten Inkarnation nicht voll in das irdische Leben untertauchen. Sie würden gewissermaßen aus der geistigen Welt sich nicht genügend herausbegeben, um in das irdische Leben einzutreten. Die luziferischen Mächte, welche einmal eine Ver­bindung eingegangen haben mit unserer Erde, die haben das Bestreben, in dem Menschen solche Instinkte zu entfachen, daß die Erdenentwik­kelung des Menschen einmal ankommt bei dieser Stufe, auf der die Menschen Kinder bleiben, auf der die Menschen nicht altern. Die luzi­ferischen Mächte möchten es geradezu dahin bringen, daß einmal auf der Erde keine Greise herumgehen, sondern Menschen, die in einem ge­wissen Jugendwahn ihr Leben zubringen. Dadurch würden diese luzi­ferischen Mächte die Erde dahin bringen, immer mehr und mehr als ganzer Planet ein Leib zu werden und auch eine gemeinsame Seele zu haben, in der die einzelnen Seelen verschwimmen. Eine gemeinsame Seelenhaftigkeit der Erde und eine gemeinsame Leibhaftigkeit der Erde, das ist es, was Luzifer für die Entwickelung der Menschheit anstrebt, gewissermaßen ein großes organisches Wesen aus der Erde zu machen mit einer gemeinsamen Seele, in der die einzelnen Seelen ihre Individua­lität verlieren.

Wenn Sie sich erinnern, daß ja das, wie ich öfters dargelegt habe, worauf es ankommt in der Erdenentwickelung, nicht im mineralischen, nicht im pflanzlichen, nicht im tierischen Reiche liegt, die ja alle im Grunde genommen Abfälle der Entwickelung sind, sondern daß das,

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worauf es ankommt, sich eigentlich abspielt innerhalb der Grenzen der menschlichen Haut, und daß innerhalb der Organisation des Menschen die Kräfte liegen, die die Entwickelungskräfte unseres Planeten sind, dann werden Sie begreifen, daß das, was zuletzt aus der Erde wird, nicht ersehen werden kann, wenn wir uns physikalische Vorstellungen bilden; diese physikalischen Vorstellungen haben nur ein eng begrenztes Interesse für uns. Vorstellungen, was aus der Erde werden kann, be­kommen wir nur, wenn wir die menschliche Wesenheit selber kennen. Diese menschliche Wesenheit kann aber eine Verbindung, eine Kräfte-verwandtschaft eingehen mit der luziferischen Macht, welche sich mit der Erde verbunden hat, und dann kann die Erde gewissermaßen zu wenig individualisierte Wesen tragen; sie kann mehr ein Gesamtwesen, ein unbestimmtes Gesamtwesen werden mit einer gemeinsamen Seelen­haftigkeit. Das ist es, was die luziferischen Mächte anstreben. Wenn Sie das Bild nehmen, das manche nebulosen Mystiker sich von einem ihnen wünschenswerten Zukunftszustande machen, den sie immer so schildern, daß sie aufgehen wollen im All, den sie so schildern, daß sie höchstens verschwinden wollen in irgendeinem pantheisti­schen Ganzen, dann werden Sie in solchem Sinne schon etwas wahr­nehmen von dem, wie in manchen Menschenseelen dieser luziferische Hang lebt.

Das andere ist, daß auch ahrimanische Wesenheiten mit unserer Erde eine Verbindung eingegangen haben. Sie haben die entgegengesetzte Tendenz, Sie wirken vor allen Dingen durch diejenigen Kräfte, die unseren Organismus wie an sich heranziehen zwischen der Geburt und dem Tode, die unseren Organismus ganz und gar durchsetzen mit Gei­stigkeit, das heißt, immer mehr und mehr uns intellektualistisch machen, immer mehr und mehr uns vom Verstande durchziehen. Denn von der Verbindung der Seele mit dem physischen Leib hängt unsere wache Intelligenz ja ab, und wenn sie hypertrophiert, wenn sie zu stark wird, dann werden wir dem physischen Dasein zu ähnlich, dann verlieren wir auch das Gleichgewicht. Dann tritt diejenige Neigung auf, welche den Menschen verhindert, in der richtigen Weise in der Zukunft abzuwech­seln zwischen Erdenleben und geistigem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

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Das ist es, was in Ahrimans Streben liegt, den Menschen gewisser­maßen abzuhalten davon, in der richtigen Weise in der folgenden Er­denzeit durch Erdenleben und überirdische Leben zu gehen. Ahriman möchte den Menschen abhalten, künftige Inkarnationen durchzu­machen. Er möchte ihn schon jetzt in dieser Inkarnation so machen, daß er alles durchlebt, was er auf der Erde durchleben kann. Man kann das nur intellektuell, man kann das nicht vollmenschlich. Aber es gibt aller­dings die Möglichkeit, daß der Mensch so gescheit werde, daß er sich in seiner Gescheitheit Vorstellungen machen kann von alledem, was es noch auf der Erde geben kann. Es ist ja das auch ein Ideal, das manche Menschen haben, so recht in ihren Verstand hereinzubekommen eine Vorstellung von dem, was es noch alles auf der Erde geben kann. Aber man kann nicht die Erlebnisse, die man noch in künftigen Leben haben wird, hereinbekommen; man kann nur die Bilder, die intellektuellen Bilder, die sich dann verhärten im physischen Leib, in dieses Leben hereinbekommen. Und dann bekommt man eine tiefe Abneigung, künf­tige Inkarnationen mitzumachen. Dann sieht man geradezu eine Art von Seligkeit darin, nicht mehr auf der Erde erscheinen zu wollen.

Mit den dekadenten Morgenländern - ich habe Ihnen ja öfters dar­gestellt, wie die morgenländische Kultur in die Dekadenz gekommen ist - kann insbesondere Ahriman diese Abirrung erzeugen. Während die Morgenländer allerdings im Inneren mehr beherrscht sind von luziferi­schen Mächten, kann sich Ahriman an ihre Wesenheit heranbegeben und kann ihnen gerade dadurch, daß sie von luziferischen Mächten ein­genommen sind, die Neigung einpflanzen, in einer bestimmten Inkar­nation mit dem irdischen Leben abschließen zu wollen, nicht mehr innerhalb eines physischen Leibes erscheinen zu wollen. Dann kann sogar von gewissen Lehrern der Menschheit, die im Dienste Ahrimans wirken, als ein Ideal aufgestellt werden, daß der Mensch anstreben soll, in einer bestimmten Inkarnation, bevor die Erde selber an ihr Ziel ge­langt ist, mit dem Erdendasein abzuschließen und nicht mehr ein phy­sisches Dasein betreten zu müssen.

Unter all den Dingen, welche auftreten in gewissen theosophischen Lehren, die sklavisch dem heutigen dekadenten Morgenlande entlehnt sind, tritt das auf, was ja niemals irgendwie in unsere anthroposophische

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Anschauung übernommen worden ist, daß es sogar ein besonderer Voll­kommenheitsgrad des Menschen sei, wenn man nicht mehr im irdischen Leben erscheinen soll. Das ist eine ahrimanische Anwandlung. Durch diese ahrimanische Anwandlung wird ja im Grunde genommen auch etwas Furchtbares erzeugt. Durch diese ahrimanische Anwandlung könnte die Erde dahin kommen, nun nicht ein einheitlicher großer Or­ganismus mit einer einheitlichen Seelenhaftigkeit zu werden, wozu sie Luzifer machen will, sondern die Erde könnte dahin kommen, gerade sich zu überindividualisieren. Die Menschen würden einmal ankommen bei einer Stufe ahrimanischer Entwickelung, auf der sie zwar sterben würden; aber das Furchtbare würde sich ereignen, daß die Menschen, nachdem sie gestorben sind, möglichst erdenähnlich würden, möglichst an der Erde kleben blieben, so daß die Erde selber nur zu einem Aus­druck der einzelnen individuellen Menschen würde. Es würde gewisser­maßen die Erde eine Kolonie sein der einzelnen individuellen Menschen­seelen.

Das ist etwas, was Ahriman mit der Erde anstrebt: die Erde ganz und gar zum Ausdrucke dieser Intellektualität zu machen, sie ganz zu intellektualisieren. Heute muß die Menschheit durchaus einsehen, daß das Erdenschicksal vom Menschenwillen selber abhängt. Die Erde wird dasjenige sein, was der Mensch aus ihr macht. Die Erde wird nicht das­jenige sein, was physikalische Kräfte aus ihr machen. Diese physikali­schen Kräfte werden abfallen, werden keine Bedeutung haben für die Erdenzukunft. Die Erde wird das sein, was der Mensch aus dieser Erde macht.

Wir leben gewissermaßen in einer entscheidungsvollen Stunde der Erdenentwickelung, in der die Menschen sich dreierlei sagen können. Das eine ist, in nebuloser Mystik, in Träumerei, im physisch-sinnlichen Befangensein und Eingenommensein, also im Dahinbrüten - und das Leben in der Sinnlichkeit ist ja auch nur ein Dahinbrüten - zu leben, in einem schläfrigen Zustande, in dem man nicht in klaren Begriffen das Leben mitmacht. Das ist das eine, was gewissermaßen Neigung der Menschen werden kann.

Das zweite, was Neigung der Menschen werden ka'nn, ist, sich ganz zu durchdringen mit Intellekt und Verstand, gewissermaßen alles zusammenzuraffen,

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was der Verstand nur zusammenraffen kann, überall das zu verachten, was Poesie und Phantasieprodukte ausgießt über das irdische Dasein, überall nur hinzusehen auf das Mechanische, auf das pedantisch Perückenhafte. Die Menschen stehen heute vor der Ent­scheidung, entweder geistige Wollüstlinge zu werden, die ganz und gar in ihrem eigenen Dasein untergehen - denn ob man untergeht im eigenen Dasein durch nebulose Mystik oder wüste Sinnlichkeit, ist einer­lei, denn das sind im Grunde genommen nur zwei Seiten einer und der­selben Sache -, oder aber über alles nüchtern nachzudenken, alles zu schematisieren, alles einzugliedern und einzuteilen. Das sind die zwei Möglichkeiten.

Die dritte Möglichkeit ist, den Ausgleich, das Äquilibrium zwischen den beiden zu suchen. Von dem Äquilibrium kann man nicht in einer so bestimmten Weise sprechen, wie von dem einen oder von dem anderen Extrem. Das Äquilibrium muß dadurch angestrebt werden, daß man beides in der entsprechenden Weise, ich möchte sagen, zur Rechten und zur Linken hat und weder von dem einen noch von dem anderen zu stark angezogen wird, sondern durch beides im Gleichgewicht des Le­bens hindurchgeht, das eine durch das andere geregelt sein läßt, das eine durch das andere geordnet sein läßt.

Diese kosmische Entscheidungsstunde steht heute vor der mensch­lichen Seele. Der Mensch kann sich entscheiden, entweder den luziferi­schen Verlockungen zu folgen und die Erde nicht fertig werden zu lassen, die Erde sein zu lassen, wie der alte Mond war, die Erde, ich möchte sagen, zur Karikatur zu machen von dem alten Monde, sie zu etwas werden zu lassen wie einen großen Organismus, der eine indivi­dualisierte träumerische Seele hat, in der die Menschenseelen enthalten sind wie in einem gemeinsamen Nirwana, oder aber sich zu überintel­lektualisieren, überindividualisieren, die Gemeinsamkeit der Erde auf­zugeben, nichts Gemeinsames haben zu wollen, sondern den Leib zu sklerotisieren, zu verknöchern, indem man zuviel Verstand in diesen Leib hineingießt. Der Mensch kann sich entscheiden, ob er den Leib zum Schwamm macht durch nebulose Mystik und Sinnlichkeit oder aber zum Stein, durch Überintellektualität, Überverselbständigung. Und die heutige Menschheit macht Miene, nicht das Gleichgewicht haben zu

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wollen zwischen beiden, sondern das eine oder das andere haben zu wollen.

Wir sehen auf der einen Seite immer mehr und mehr die westlichen Instinkte sich entfalten, die auf Intellektualismus und Verselbständi­gung, auf Pedantismus hinauslaufen, die alles so beurteilen wollen, daß der Mensch eben zu stark hineindrängt den Intellektualismus in die Leiblichkeit. Wir sehen auf der anderen Seite vom Osten her die andere Gefahr drohen, daß die Menschen ihren Leib durchfeuern, verbrennen. Wir sehen das in den Anschauungen des dekadenten Morgenlandes und wir sehen es in den Entwickelungen im Osten Europas, in den furcht­baren sozialen Bestrebungen, die dort auftreten und die nur der andere Aspekt sind. Es ist schon einmal heute die Entscheidungsstunde über die Menschheit gekommen. Die Menschheit muß sich heute entschließen, das Äquilibrium zu finden. Und man kann das, was eigentlich der Menschheit heute als Aufgabe gestellt ist, nur erkennen aus den Tiefen geisteswissenschaftlicher Erkenntnis heraus. Man muß sich aneignen diejenigen Begriffe, die einen aufmerksam machen können, was für Ent­wickelungsmöglichkeiten nach der einen und nach der anderen Seite für die Menschheit vorliegen. Auf der einen Seite haben wir das Auf­gehen in Nirwana, das ja schon eine «heilige Lehre des Orients» gewor­den ist, aber weit entfernt ist von der alten Auslegung des Nirwana, das eigentlich ein Anstreben des Äquilibrium aus dem alten Hellsehen her­aus war. Was sich der dekadente Orientale heute noch immer unter dem Nirwana vorstellt, ist die verluziferisierte Welt. Was auf der anderen Seite immer mehr und mehr aus den westlichen Bestrebungen heraus­kommt, aus den Bestrebungen, die aus der modernen Zivilisation sich herausentwickeln, insofern diese moderne Zivilisation sich nicht durch­dringt mit geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen, das ist die Ver­mechanisierung der Welt, ist immer mehr und mehr das Streben, die Vorgänge des menschlichen Daseins mechanisch zu machen. Ahrimani­sierung auf der einen, Luziferisierung auf der anderen Seite.

Wenn fortgesetzt werden würde, was ich ja das letzte Mal von einem gewissen Gesichtspunkte aus als das chaotische, unorientierte Leben der letzten Zeiten bezeichnet habe, dann würde unzweifelhaft eintreten die Ahrimanisierung der Menschheit. Diese Ahrimanisierung kann nur

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hintangehalten werden, wenn in das überintellektuelle Leben, in das überindividualisierte, ganz von Egoismen durchzogene Dasein der Men­schen die Anschauung von der geistigen Welt hineingebracht wird. Wir brauchen überall diese Anschauung von der geistigen Welt. Wir haben vor allen Dingen nötig, daß in die einzelnen Wissenschaften diese gei­stigen Impulse hineinkommen, sonst wird es nach und nach dahin kom­men, daß die einzelnen Wissenschaften wie eine abstrakte Autorität über der Menschheit walten, und daß die Menschheit ganz und gar von diesen einzelnen Wissenschaften, die sie mit autoritativer Gewalt umklammern, ahrimanisiert wird. Insbesondere in der heutigen Zeit, in der die sozialen Lebensrätsel so heranschlagen an die menschliche Entwickelung, ist es wichtig, den Blick aufzuheben zu dem, was darstellt den Zusammenhang des Menschen mit seinem planetarischen Leben.

Verkümmert ist innerhalb der alten Bekenntnisse nach den verschie­densten Seiten hin, was menschliche Vorstellungen sind über den Zu­sammenhang des menschlichen Wesens mit der geistigen Welt. Ver­kümmert zu einem bloßen abstrakten Verstandesbekenntnis droht zum Beispiel das evangelische Bekenntnis zu werden, verkümmert zu einem äußeren Machtprinzip ist das römische Bekenntnis. Das sind ja nur andere Ausdrücke für dasjenige, was an den Menschen versuchend her­antritt. Nötig ist aber, daß der Mensch seine innerliche Orientierung findet, daß er einen innerlichen Impuls erlangt, um den Blick frei zu haben, hinaus zu dem, was ihn verbindet mit seinem Planeten und durch seinen Planeten mit dem ganzen Kosmos. Der Mensch muß wiederum fühlen: Geologie iSt nicht Erdenkunde. Der Anblick eines Gesteins­kolosses, auf dem Wasserozeane sind und der von Luft umgeben ist, das ist nicht die Erde, und was uns umgibt als Milchstraße und Sonnen, das ist nicht das Weltenall. Das Weltenall sind unten ahrimanische, oben luziferische Wesenheiten, die durch den äußeren Sinnenschein erschei­nen, und Wesenheiten der normalen Hierarchien, zu denen sich der Mensch aufschwingt, wenn er durch beide Sinnenscheine hindurch auf die Wahrheit kommt; denn die eigentlichen Wesenheiten erscheinen nicht im äußeren Sinnenschein, sie offenbaren sich nur durch diesen äußeren Sinnenschein hindurch.

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Das muß der Mensch der Gegenwart erkennen: Ich kann schauen auf die Erde. Bin ich in der Lage, mir zu deuten, was mir auf der Erde unten erscheint als Ausfluß von geistigen Wesenheiten, dann nehme ich das­jenige wahr, was in Cherubimen, Seraphimen, Thronen lebt. Bin ich aber nicht imstande, mir dasjenige, was auf der Erde lebt, geistig vor­zustellen, gebe ich mich der Illusion dessen hin, was von der Erde mir sinnlich erscheint, dann bleibe ich Geologe, dann kann ich mich nicht aufschwingen zum Geosophen, dann verahrimanisiert mein Wesen. Und blicke ich hinauf zu den Sternenwelten und bilde mir nur Vor­stellungen über dasjenige, was ich sinnlich schaue, dann verluziferisiere ich. Bin ich imstande, durch das, was mir im äußeren Schein erscheint, das Geistige zu deuten, bin ich imstande mir zu sagen: Ja, mir erschei­nen Sterne, mir erscheint eine Milchstraße, mir erscheinen Sonnen, sie künden mir an Kyriotetes, Exusiai, Dynamis - Weisheiten, Mächte, Gewalten -, dann finde ich das Äquilibrium.

Es handelt sich nicht darum, daß wir von kosmischen Wesenheiten reden als etwas Besserem, als die irdischen Wesenheiten sind, sondern es handelt sich darum, daß wir überall durch den Sinnenschein durch­dringen zu der wahrhaften Wesenhaftigkeit, zu jener Wesenhaftigkeit, mit der wir als Menschen eigentlich zusammenhängen. Der Sinnen-schein als solcher trügt uns nicht. Wenn wir den Sinnenschein in der richtigen Weise uns deuten, dann sind die geistigen Wesenheiten da, dann haben wir sie. Der Sinnenschein als solcher ist nicht trügerisch, nur unsere Anschauung vom Sinnenschein kann trugerisch sein - durch unsere zu starke Verwandtschaft mit dem Irdischen zwischen Geburt und Tod auf der einen Seite, durch unsere zu starke Verwandtschaft auf der anderen Seite mit dem Außerirdischen, während wir es durch-schreiten zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Von solchen Vorstellungen erfährt der Mensch ja heute kaum irgend etwas, wenn er nur auf das hinsieht, was sich allmählich innerhalb un­serer Zivilisation herausgebildet hat. Daß das einmal anders war, das hat diese Zivilisation, ich möchte sagen, ganz und gar vergessen. Die Menschen lesen ja heute sogar mit einer gewissen Gier, was über Natur-dinge im 12., 13.Jahrhundert geschrieben worden ist, aber sie lesen es nicht vernünftig genug. Wenn sie es vernünftig läsen, so würden sie

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sehen, daß die Zeit, in der man so dachte, wie man jetzt denkt, eigent­lich erst ein paar Jahrhunderte alt ist, daß man anders gedacht hat über die Dinge der äußeren Welt noch im 11., 12., 13. Jahrhundert, selbst noch im 14. Jahrhundert; daß man im Stein nicht den Stein, in der Erde nicht die Erde gesehen hat, sondern den Leib von Göttlich-Geistigem. Und in den Sternen hat man schon gar nicht gesehen das, was man heute sieht, sondern die Offenbarung des Göttlich-Geistigen. Es ist erst in den letzten Jahrhunderten so geworden, daß der Mensch lediglich eine Geologie und eine Kosmologie hat, aber nicht eine Geosophie und Kos­mosophie! Unter der Kosmologie würde er verluziferisieren, unter der Geologie würde er verahrimanisieren, wenn er sich nicht zum Äqui­librium rettete durch eine Geosophie und durch eine Kosmosophie. Denn im Grunde genommen gibt, weil der Mensch aus dem ganzen Weltenall herausgeboren ist, das alles zusammen erst die Anthropo­sophie. Die Anthroposophie besteht aus diesen einzelnen Sophien, aus Kosmosophie, Geosophie und so weiter. Wir verstehen den Menschen nur richtig, wenn wir ihn in einen geistigen Zusammenhang zu bringen wissen mit dem Weltenall. Dann werden wir ihn nicht einseitig nur in seiner Verwandtschaft mit dem Lichte aufsuchen, was ein Frönen ge­genüber den luziferischen Gewalten wäre, werden ihn auch nicht ein­seitig bloß nach der Verwandtschaft mit der Schwere aufsuchen, was ein Frönen gegenüber den ahrimanischen Mächten wäre, sondern wir werden versuchen, in seinen Willen hinein den Impuls zu gießen, der ihn befähigt, das Äquilibrium zwischen Licht und Schwere, zwischen der Hinneigung zum Irdischen und der Hinneigung zum Luziferischen in sich aufzunehmen. Der Mensch muß zu diesem Gleichgewicht kom­men, und er kann nur dazu kommen, indem er wiederum Übersinn­liches zu seinen sinnlichen Begriffen dazubekommt.

Nun noch etwas ganz Paradoxes: Nehmen Sie einmal das vor die Seele, wovon jetzt gesagt worden ist, daß der Mensch es wissen muß, damit er eine Entscheidung treffen kann in diesem Weltenalter; nehmen Sie an, daß der Mensch eigentlich reden müßte von der möglichen Ahrimanisierung oder Luziferisierung der Welt. Nehmen Sie also das vor Ihre Seele hin, daß dieses eine wichtige Angelegenheit der Mensch­heit ist, und dann nehmen Sie das, was Sie heute in der gebräuchlichen

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Literatur lesen, was Ihnen aus den Hörsälen und aus den sonstigen Bil­dungsanstalten herausdringt als das geistige Leben, und betrachten Sie den großen Abstand, so werden Sie sehen, was notwendig ist, damit die Menschen aus dem heutigen Leben heraus, aus der Dekadenz heraus zu demjenigen kommen, was dringend nötig ist. Ernstes Arbeiten auf gei­stigem Gebiete, das ist es, was dringend nötig ist. Das kann man nur, wenn man sich entschließt, solche Begriffe ernst zu nehmen, wie die­jenigen sind, von denen wir heute auch wiederum gesprochen haben.

Morgen wollen wir davon weiter reden.

NEUNTER VORTRAG Dornach, 30. Januar 1921

#G203-1989-SE145 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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NEUNTER VORTRAG

Dornach, 30. Januar 1921

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Die Ideen, die wir aus verschiedenen Untergründen heraus entwickelt haben über des Menschen Hinneigen auf der einen Seite zur luziferi­schen, auf der anderen Seite zur ahrimanischen Natur, haben dazu geführt, die Notwendigkeiten anzuerkennen, daß der Mensch ein Gleichgewicht findet zwischen den beiden Neigungen, die für ihn Ab­wege bedeuten, ein Äquilibrium gewissermaßen zwischen dem Luziferi­schen und dem Ahrimanischen. Nun kann ja die Frage entstehen, und sie ist eine schwere Erkenntnis- und Gewissensfrage namentlich für die moderne Menschheit: Wie findet man denn dieses Äquilibrium, diesen Gleichgewichtszustand, so daß man auf der einen Seite nicht der Gefahr des Luziferischen, auf der anderen Seite nicht der Gefahr des Ahrimani­schen zu unterliegen braucht?

Diese Frage beantwortet sich für die verschiedenen Zeitalter der menschlichen Entwickelung in verschiedener Weise, und immer ist zur Beantwortung notig eine Erkenntnis desjenigen, was den Menschen in diesem entsprechenden Zeitalter ganz besonders nach der einen oder nach der anderen Seite hinzieht. Im allgemeinen haben wir ja das kennengelernt, was den Menschen nach dem Luziferischen, nach dem Ahrimanischen hinzieht; aber für unser besonderes Zeitalter muß das doch auch wiederum besonders ins Auge gefaßt werden.

Seit dem Aufgang der fünften nachatlantischen Periode, also seit dem 15.Jahrhundert, hat sich innerhalb der zivilisierten Menschheit sowohl das intellektuelle Leben wie auch das soziale Leben gegenüber früheren Zeiten wesentlich geändert. Das intellektuelle Leben ist all­mählich immer mehr so geworden, daß der Mensch selber eigentlich von der Weltbetrachtung ausgeschlossen ist. Der Mensch betrachtet die Natur, und innerhalb der Naturerkenntnis hat ja die neuere Menschheit die größten Fortschritte gemacht. Aber gerade das ist ja das Charakte­ristische, daß die eigentliche Menschenkenntnis durch diese Natur­erkenntnis nicht nur keinen Fortschritt gemacht hat, sondern daß die Anschauung von der Wesenheit des Menschen in einem gewissen Sinne

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herausgeworfen worden ist aus der menschlichen Erkenntnis. Der Mensch kennt sehr gut alles andere in der Welt, aber er kennt nicht mehr sich selbst. Der Mensch hat die Tierreihe kennengelernt, er hat sich eine Entwickelungstheorie der Tierreihe begründet und glaubt zu ver­stehen, wie sich die Wesen der Tierreihe von den untergeordnetsten bis zu den vollkommeneren entfaltet haben, und dann reiht man gewisser­maßen den Menschen an. Man nimmt das alles, was man an den Tieren gelernt hat und wendet es dann auch wiederum auf den Menschen an. Man kommt zu nichts Neuem, das die Menschenwesenheit erklären sollte, sondern man sucht die Elemente zu dem, was die Menschen­wesenheit erklären soll, innerhalb der Tierwelt und sagt nur: Der Mensch ist eben die oberste Stufe. - Man sagt eigentlich nichts Beson­deres über den Menschen aus, sondern man sagt, er sei eben die oberste Stufe. Man tut das ja in bezug auf alle Einzelheiten des Menschen, und man tut es mit einer instinktiven Selbstverständlichkeit. Die Folge davon ist, daß eben über den Menschen eine wirkliche Erkenntnis gar nicht vorliegt.

Diese besondere Art von Erkenntnis ist ja nicht etwa nur in den ein­zelnen Wissenschaften da; sie ist schon durchaus etwas geworden, was heute die weitesten Kreise der Welt beherrscht. Sie ist etwas geworden, was der Mensch sozusagen jeden Tag mit seiner Zeitungslektüre in sich saugt. Und wenn er es nicht mit der Zeitungslektüre in sich saugt, dann auf andere Weise; denn es ist ja schließlich etwas, was schon den Kin­dern in der Schule eingeimpft wird. Diese moderne Wissenschaftlichkeit ist zu etwas geworden, was immer mehr und mehr Allgemeingut wird, und sie füllt gewissermaßen den Menschen mit Ideen und Begriffen aus, die seine Seelenverfassung ausmachen. Er kommt dadurch zu einem ge­wissen Bewußtsein über die Welt, aber in diesem Bewußtsein ist er selbst nicht enthalten. Das ist das eine.

Das andere ist das moderne soziale Leben. Dieses soziale Leben brau­chen Sie ja nur zu studieren, wie es in Zeiten war, die hinter dem 15. Jahrhundert zurückliegen. Die Welt war ja gewissermaßen voll von Urteilen, die ein altehrwürdiges, soziales Weisheitsgut waren, welches die Menschen miteinander gemeinsam hatten. Man wußte nicht für sich, was gut oder böse sei. Man hatte auch gar keinen Zweifel darüber, denn

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man wuchs in einer sozialen Ordnung auf, welche das Gute und Böse als allgemeines, sei es volkstümliches, sei es mehr religiös gefärbtes Urteil in sich trug. Und aus dieser gemeinschaftlichen Urteilssubstanz heraus, also aus etwas, was gewissermaßen doch autoritativ durch die soziale Ordnung schwebte, urteilte der Mensch, wenn er selber dies oder jenes tun sollte.

Wir haben vieles von dem, was einstmals viel intensiver begründet war in der sozialen Ordnung der Menschheit, heute nur in der Sprache, und da unsere Sprache in vieler Beziehung phrasenhaft geworden ist, so haben wir es eben in der Phrase. Bedenken Sie nur, in wie vielen Fällen und in welcher Ausdehnung heute der Mensch gewohnt ist, das Wort, das Wörtchen «man» zu gebrauchen - «man» denkt so, «man> tut die­ses, «man» sagt dieses und so weiter -, obwohl es in den meisten Fällen heute nur eine Phrase ist, gar keinen Sinn hat. Das Wörtchen #SE203-148

Alles, was damals menschlich war, ist herausgeworfen worden. Da­durch kam man zu einer reinen, von aller menschlichen Wesensanschau­ung befreiten Naturanschauung. Diese Naturanschauung mußte dann die Grundlage sein für die moderne Technik.

Diese moderne Technik liefert das, was in der neueren Zeit zu den großen Triumphen geführt hat, nur dann, wenn sie nur enthält, was der Mensch mit seinem reinen Intellekt überschauen kann. Betrachten Sie irgendeine Maschine, betrachten Sie auch nur irgendeine Einrichtung des modernen technischen Lebens, insofern wir das eigentlich Soziale ausschließen, so werden Sie sehen: alles ist in einer gewissen Weise so eingerichtet, daß der Mensch von dem, was eigentlich vorgenommen wird, ausgeschlossen ist. Daher mußte die moderne Technik auch zu dem Mittel greifen, obwohl man sich dessen nicht bewußt ist, nur den Leichnam der Natur zu verwenden.

Wenn wir eine Maschine konstruieren, so zerreißen wir die Materia­lien, aus denen die Maschine konstruiert ist, so, wie die Natur den Men­schen zerreißt, wenn sie aus seinem noch belebten Organismus den Leichnam macht. Wir haben überall in unseren Mechanismen die Leich­name des natürlichen Daseins. Aber der Mensch ist nicht aus diesem Leichnam der Natur heraus geboren, aus dem unsere mechanische Welt besteht, die wir allmählich als Technik heraufgebracht haben. Der Mensch ist aus derjenigen Natur heraus geboren, die lebendig ist, die bis ins Mineralreich hinein lebendig ist. Wir haben in der modernen Technik zu dieser Natur hinzugefügt eine andere Natur, einen Leich­nam der Natur. Wir haben gewissermaßen, nachdem alle geologischen Schichten in der Erde gebildet worden waren (siehe Zeichnung, blau, orange), eine oberste geologische Schicht darübergestülpt (grün), die aus unseren Maschinen besteht und die nichts mehr von der Lebendigkeit

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der Natur enthält. In dem Toten der Natur arbeiten wir, indem wir die moderne Technik hinzugefügt haben zu demjenigen, was früher da war.

Es ist dies etwas, was einen erschütternden Eindruck auf den Men­schen macht, wenn er es in seiner vollen Ausdehnung betrachtet, wenn er namentlich ins Auge faßt, wie losgelöst der moderne Mensch das Leben nicht nur durch die äußere mechanische Technik, sondern durch die technische Denkweise gemacht hat.

Bedenken Sie nur so etwas, wie etwa die Beendigung jenes Krieges, der zwischen China und Japan stattgefunden hat gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Was hat sich da zugetragen nach dem Friedensschluß, als die Austragung des Friedensschlusses? - Eine ungeheure Millionen-summe hat der chinesische Minister auf einen Scheck geschrieben. Die­sen Scheck hat er auf eine Bank tragen lassen. Irgendein untergeordne­ter Beamter hat diesen Scheck genommen, und dieser Scheck wurde ein­fach die Ursache, daß man rein bankmäßig jene ungeheure Millionen-summe, die der chinesische Minister auf den Scheck geschrieben hatte, übertragen hat auf den japanischen Gesandten in China. Es hat sich da etwas abgespielt in einer leichenhaften, selbstverständlich äußeren, ich möchte sagen schattenhaften-leichenhaften Art. Und nichts anderes ist dadurch bewirkt worden, als daß die Millionenkredite, die bis dahin das chinesische Reich auf den Banken von England gehabt hat, durch dieses Hinschreiben auf den Scheck, durch das Ubergeben des Schecks, an Japan übergegangen sind. Wenn man das, was da als eine Millionen-summe von Kriegsentschädigungen einfach durch Uberschreibung mit Hilfe eines Schecks von China auf Japan übergegangen ist auf dem Kreditwege, in alten Formen hätte zahlen wollen - ich will selbst die mildeste Form annehmen, daß man es hätte in Geld bezahlen wollen -, was hätte das bedeutet, wenn man dieses ganze Geld auch nur so, wie das chinesische Geld heute noch ist oder war vor verhältnismäßig kur­zer Zeit, hätte hinübersenden müssen von China nach Japan? - Also da, wo man es noch zu tun hat mit Realitäten, zeigt einem schon die mil­deste Form, was dieses moderne Leben verhältnismäßig schnell im letz­ten Drittel des 19. Jahrhunderts geworden ist. Die ganze menschliche Denkweise ist von solchen Dingen erfaßt worden und sie hat sich ganz

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selbstverständlich hineingefunden. Der Intellektualismus, der die Menschheit eben ahrimanisiert, der ist eine Selbstverständlichkeit ge­worden.

Auf der anderen Seite ist es ja so, daß der Mensch im sozialen Leben auch das durchmachen mußte, was durchgemacht worden ist. Geradeso wie er ohne den Intellektualismus nicht zur reinen Naturerkenntnis gekommen wäre, so wäre er ohne das, was er durchgemacht hat im so­zialen Leben, nicht zum Bewußtsein seiner Freiheit gekommen. Der Mensch ist ausgehöhlt worden durch die moderne Wissenschaftlichkeit. Er weiß nichts mehr von sich. Er kann nicht das Wesen des Menschen erfassen. Aber auf der anderen Seite entstand in ihm die höchste mensch­liche Spannung, die höchste Anforderung an dieses Menschenwesen, zu handeln aus den Urimpulsen dieses Wesens selber heraus, indem der Mensch als freies Wesen handeln soll.

Will man ein Symbol für das, was da eigentlich stattgefunden hat, so kann man nichts anderes sagen als: Der Mensch verlor immer mehr und mehr die Fülle seines Wesens und wurde ganz und gar Null vor seiner eigenen Anschauung. Denn das, was moderne Naturwissenschaft ist, enthält nichts über den Menschen. Der Mensch wurde nach und nach ganz und gar Null. Und in der Null soll jetzt der Impuls der Freiheit ausstrahlen (siehe Zeichnung).

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Das ist die Zwiespältigkeit des modernen Menschen. Er soll frei sein, das heißt, die Impulse seines Wesens, die Impulse seines Handelns in sich selber finden; aber wenn er dorthinein will mit seinem Erkennen, wor­aus die Impulse seines Handelns werden sollen, so findet er eine Null, ist er ein innerlich hohles Wesen. Es ist eine Notwendigkeit, daß es so gekommen ist; aber es ist ebenso eine Notwendigkeit, daß die moderne Menschheit darüber wieder hinauskommt. Denn innerhalb der Freiheit luziferisiert man sich, wenn man nicht zum Äquilibrium kommt; und innerhalb der modernen Wissenschaftlichkeit ahrimanisiert man sich, wenn man nicht zum Äquilibrium, zum Gleichgewichtszustande kommt.

Wie kommt man zum Gleichgewichtszustande? - Da muß man eben auf etwas hinweisen, was man nennen könnte die «Goldene Regel der modernen anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft». Wissen­schaft, sie ist gut. Wissenschaft mußte heraufkommen in der neueren Entwickelung. Aber diese Wissenschaft braucht eine Ergänzung. Sie braucht die Erkenntnis des Menschen. Und diese Erkenntnis des Men­schen kann allein gebracht werden durch die Geisteswissenschaft. Es ist keine Erkenntnis des Menschen, wenn man den Menschen seziert und das Hirn nimmt und die Leber nimmt und den Magen nimmt und das Herz nimmt, denn da bekommt man eben> nur in einer etwas anderen Form, was man in der Tierwelt auch bekommt. Das hat alles tatsächlich keinen Wert für die Menschenerkenntnis als solche. Einen Wert für die Menschenerkenntnis hat nur dasjenige, was man aus der Geisteswissen­schaft heraus über den Menschen gewinnt. In dem Augenblicke, in dem man weiß, daß der Mensch mit seinem eigentlichen Ich im Willen wur­zelt, daß er mit seinem willenserfüllten Ich zunächst seine eigentliche irdische Geistigkeit darstellt, daß diese im Irdischen ergreift den Stoff­wechsel als solchen, hat man zunächst einen Anhaltspunkt, diesen Stoff­wechsel im Menschen zu studieren und dann dessen Spezifizierung durch den menschlichen Organismus hindurch. Man kommt vom Gei­stigen aus zum Ergreifen des Leiblichen im Menschen. Lernt man er­kennen das rhythmische System, wie es sich ausprägt in der Gestaltung des Atmungsverlaufes, des Blutsverlaufes, so bricht man mit dem Aber­glauben, daß das Herz eine Pumpe ist, die das Blut wie irgendein Ge­wässer durch den Organismus treibt. Dann lernt man erkennen, daß

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das Geistige eingreift in die Blutzirkulation, daß also da der Rhythmus den Stoffwechsel ergreift, die Blutzirkulation bewirkt und dann im Verlaufe der menschlichen Entwickelung, schon in der Embryonal-entwickelung, das Herz herausplastiziert aus dem, was der Blutkreis­lauf ist, so daß das Herz aus dem Blutkreislauf heraus, also aus dem Geistigen heraus gebildet ist. Lernt man dann erkennen, wie im Nerven­Sinnessystem das Vorstellungsleben wiederum abträgt den Stoffwech­selprozeß, so lernt man den Nerv erkennen als etwas, was zurück­gelassen wird vom Vorstellungsleben. Dann durchschaut man den Men­schen so, wie man das Tier nicht durchschauen kann, denn beim Tier sind die Dinge noch ganz anders!

So stellt es sich ungefähr der Materialist vor (siehe Zeichnung), hier sei ein Nerv (rot) und dieser Nerv bewirke irgend etwas als Vorstel­lung. - Nein, so ist es nicht in Wirklichkeit; sondern in Wirklichkeit ist es so, daß das Vorstellungsleben verläuft, und während das Vorstel­lungsleben verläuft, zerstört es die organische Materie, schafft gewisser­maßen eine Bahn des Unrates in der Ausdehnung des Nervs (hell).

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Das ist Ablagerung, was das Vorstellungsleben schafft, etwas, was Aus­scheidung aus dem Organismus ist. Und der Nerv ist Ausscheidungs-organ für das Vorstellungsleben.

In der materialistischen Zeit hat man einen materialistischen Ver­gleich gebraucht, daß das Gehirn Gedanken ausschwitze, wie die Leber etwa die Galle. - Es ist Unsinn, denn das Umgekehrte ist richtig, daß nämlich von den Gedanken das Gehirn abgeschieden wird, natürlich

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immer neu abgeschieden wird, weil es immer wiederum vom Stoff­wechselorganismus aus ersetzt wird. Der heutige Mensch, der wissen­schaftlich ist, wird ja zunächst damit überhaupt noch gar nichts Rech­tes anfangen können, denn er wird sagen, das sei doch beim Tier auch alles der Fall, das habe auch ein Gehirn, diese und jene Organe und so weiter. - Darin zeigt sich aber gerade, daß der Mensch sich nicht selbst erkennt; denn wer so vom Menschen und von dem Tiere spricht, begeht eben den Fehler, den der begehen würde, der als Gesetzgeber etwa alle Rasiermesser, die sich bei sämtlichen Raseuren irgendeines Ortes be­finden, in die Wirtshäuser tragen ließe, weil er mit dem Messer nur die Vorstellung des Essens verbindet und daraus schließt, daß ein Instru­ment, das in einer bestimmten Weise geformt ist, eben nur dem einen Zweck zugehören müsse. - Das Wichtige ist, zu erkennen, daß das­jenige, was beim Menschen auftritt als Organ, in einem ganz anderen Dienste steht als bei den Tieren, und daß die ganze Betrachtungsweise, wie ich sie jetzt erst in ihrem allerelementarsten Elemente dargelegt habe, eben für die Tiere einen solchen Sinn nicht hat. Gerade die Er­kenntnis dessen, was der Mensch aus dem Geistigen heraus als materielle Organe hat, ist so ungeheuer wichtig; denn diese konkrete Selbst-erkenntnis ist es, worauf es ankommt. Alles Geschwafel und Geschwatze von irgendwelchen Mystizismen, die heute noch aufgebaut werden dar­auf, daß man sagt, der Mensch müsse sich innerlich selber erfassen, all dieses Geträume ist nichts; denn das führt nicht zu einer wirklichen Selbsterkenntnis des Menschen, sondern nur zu einem innerlichen Wohl­gefühl. Der Mensch muß mit ausdauerndem Fleiße verfolgen, wie aus dem Geiste heraus sich plastisch gestalten seine einzelnen Organe. Es muß wirkliche Wissenschaft aus dem Geistigen heraus aufgebaut wer­den. Man muß gewissermaßen nachplastizieren den Menschen, so wie er vor uns steht, aus dem Geiste heraus. Das ist das eine.

Man kann also sagen: Während heute die Menschheit so lebt, wie sie eben lebt, daß sie sich autoritativ die Wissenschaften von den verschie­denen Anstalten aus vorbringen läßt, besteht schon in den geistigen Welten ein heiliges Gebot: Daß ergänzt werden muß die äußere Wissen­schaft durch die Wissenschaft von der Erkenntnis des Menschen. - Und unglücklich muß die Menschheit werden, wenn sie nur äußere Wissenschaft

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empfängt. In den alten Zeiten waren die Mysterien dazu da, daß man an die Menschen das nicht hat herankommen lassen, was den Men­schen schädlich war. Das ist aber mit dem Geiste der modernen Mensch­heit nicht verträglich, daher muß diese Menschheit in ihren bewußten Exemplaren das besorgen, was früher von äußeren Gewalten besorgt worden ist. Die Menschheit muß durch diejenigen Persönlichkeiten, die etwas von diesen Dingen verstehen lernen, besorgen, daß die einzelnen Wissenschaften ihre Schatten nicht werfen können, indem diesem Schattenwerfen, durch das die Menschheit verfinstert werden würde, entgegengebracht wird das Licht wirklicher, wahrer, konkreter Selbst­erkenntnis des Menschen. Wissenschaften ohne menschliche Selbst­erkenntnis sind schädlich, denn sie verahrimanisieren die Menschheit. Wissenschaften mit dem Gegenbilde menschlicher Selbsterkenntnis sind eine Wohltat für die Menschheit, denn sie führen die Menschheit wirk­lich zu dem, wozu diese Menschheit kommen soll in der nächsten Zeit. Keine Wissenschaft darf es geben, die nicht in irgendeine Beziehung zum Menchen gerückt wird. Keine Wissenschaft darres geben, die nicht verfolgt wird bis in das Innerste des Menschen hinein, wo sie, wenn man sie dahinein verfolgt, erst ihren rechten Sinn erhält.

So kommt man durch diese wirkliche, konkrete Selbsterkenntnis hin zum Äquilibrium, zum Gleichgewicht, aus dem einen die Wissenschaf­ten herausgebracht haben. Den heutigen Menschen interessiert es mei­stens gar nicht, was er da in der Welt für ein Wesen ist. Er läßt sich allerdings, wenn er besonders tief sein will, vorschwafeln, daß er irgend­ein kleiner Gott ist oder dergleichen, wobei nur wiederum von dem Gotte keine rechte Vorstellung vorliegt; aber es interessiert ihn wenig, wie aus dem ganzen Weltenall heraus seine einzelne menschliche Ge­stalt gebildet ist.

Das soziale Leben verluziferisiert, wenn es gewissermaßen nur hin­führt zu der Forderung der Freiheit innerhalb dessen, was Null gewor­den ist. Null wird der Mensch sich selber nicht sein, wenn er zu einer wirklichen Selbsterkenntnis gelangt; denn er wird dann wissen, wie sich in dem, was innerhalb seiner Haut ist, das ganze Weltengebäude ein Abbild schafft, wie jeder Mensch ein Ergebnis der ganzen Welt in sich trägt innerhalb seiner Haut. Im sozialen Leben wird der Impuls

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der Freiheit dadurch zum Äquilibrium hingetragen, daß wir kennen­lernen dasjenige, was als Geistiges der Welt zugrunde liegt, daß wir hinauskommen über die bloße materielle Weltenbetrachtung, die ja gerade das ist, was charakteristisch geworden ist für die Erkenntnis­entwickelung der letzten Jahrhunderte.

Den Menschen hat man verloren. Die äußere Welt ist menschenleer geworden. Wir betrachten in der äußeren Astronomie die Sonne, die Planeten, die Fixsterne, die Kometen; die gehen für uns als irgend­welche objektive Körper durch den Raum. Wir suchen ihre Bewegungs-gesetze. Da ist nichts drinnen vom Menschen. Lesen Sie meine «Ge­heimwissenschaft im Umriß> und versuchen Sie, das sich vor die Seele zu führen, was da als eine Beschreibung der Weltevolution auftritt. Gleich wenn Sie da lesen vom alten Saturn, dann lesen Sie nicht etwas, was Ihnen der heutige Astronom schildert, sondern dann lesen Sie gleich von dem, was als erste Anlage des Menschen erscheint. Da ist in der Saturnschilderung zugleich alles das drinnen, was eben als erste Mensch­heitsanlage während der Saturnentwickelung vorhanden war. Und mit dieser Weltevolutionsgeschichte verfolgen Sie zugleich die ganze menschliche Entwickelung. Nirgends haben Sie da eine menschenleere Welt. Das was Sie selber sind, finden Sie von Stufengang zu Stufengang in der Weltentwickelung selber geschildert.

Was ist die Folge? Wenn Sie dasjenige, was Ihnen die moderne Wis­senschaft gibt von irgendwelchen alten Nebelzuständen, die sich ballen und so weiter, aus denen dann unsere jetzige Welt entstanden sein soll, in der aber der Mensch nicht gefunden werden kann, durchgehen, haben Sie in Wirklichkeit nichts Menschliches, das bleibt alles bloß intellektualistisch. Da erfahren Sie etwas, was Ihren Kopf interessieren kann, aber es ergreift nicht Ihren ganzen Menschen. Ihr ganzer Mensch kann nur ergriffen werden von einer Erkenntnis, die diesen ganzen Menschen schon enthält. Und es ist im Grunde genommen nur die Träg­heit des modernen Menschen, der gar nicht gewöhnt ist, wenn er irgend etwas in sich aufnimmt, auch Gefühle und Willensimpulse zu ent­wickeln. - Es ist Trägheit, wenn der Mensch, indem er diese Evolution von Saturn, Sonne, Mond und so weiter bis zur Erde hin liest, dann wiederum liest die Perspektive für die Zukunft, dieses Leben, trotzdem

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alles in reinen Begriffen gegeben ist, nicht seine Gefühle anregend fin­det, wenn er nicht fühlt: Da stehst du drinnen in der Welt, da bist du zusammen mit dieser ganzen Welt, da weißt du dich eins mit dieser ganzen Welt!

Dieses Sich-eins-Wissen mit der Welt, das unterscheidet diese Welt-erkenntnis, die aus anthroposophischer Geisteswissenschaft kommt, von derjenigen Weltansicht, die heute die gewöhnliche ist. Aber lassen Sie das sich hineinergießen in die Menschen der heutigen Zeit, denen das fehlt, lassen Sie die Menschen erfüllt sein von diesem Bewußtsein der Zugehörigkeit zu der ganzen Welt, dann werden jene sozialen Stim­mungen entstehen können, die die Menschheit weiterführen können. -Währenddem das, was heraufgekommen ist, was ja allerdings zu der Forderung der Freiheit führen konnte, aber dem Menschen kein Ver­antwortungsgefühl gibt, die Menschen nur dazu gebracht hat, jenes Chaos herbeizuführen, in dem wir eben jetzt darinnenleben. Die Luzi­ferisierung kann nur verhindert werden dadurch, daß die Menschen ihre Stellung im Weltenall erkennen, daß sie nicht nur das Physische des Weltenalls, das sinnlich Gegebene des Weltenalis, sondern das Gei­stige des Weltenalls durchschauen, sich als Geist im Geist des Welten-alls fühlen. Von diesem Erfülltsein vom Zusammenhange des Menschen mit der geistigen Welt geht auch wirkliches soziales Fühlen aus, strömt dasjenige aus, was gebraucht wird, damit der Mensch auf Erden auch das soziale Leben befruchten kann.

Wiederum ist es so, daß man sagen kann: Was als modernes soziales Leben den Menschen die Freiheitsempfindung gebracht hat, führt zu­nächst zur Luziferisierung. Die Menschen der Gegenwart mögen davon nichts empfinden. Aber in der geistigen Welt, in der wir ja immer auch drinnenstehen, steht wiederum ein heiliges Gebot, und das spricht zu dem Menschen: Ihr sollt nicht weiter sein lassen den Impuls der Freiheit ohne kosmisches Fühlen! - So wie Menschenerkenntnis zu den äußeren Wissenschaften hinzutreten muß, so kosmisches Fühlen zu demjenigen, was sich im sozialen Leben in der neueren Zeit heraufentwickelt hat.

Diese zwei Dinge, Menschheitserkenntnis und Fühlen mit dem gan­zen Weltenall, das ist es, was dem Menschen das Äquilibrium gibt. Das kann er aber finden, wenn er im neuzeitlichsten Sinne das Christus-Mysterium

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wirklich begreift, es so begreift, wie es anthroposophische Geist-Erkenntnis ihm geben kann. Denn da sprechen wir von dem Christus als einem kosmischen Wesen, das aus kosmischen Unendlich­keiten zur Erde sich heruntergesenkt hat. Wir lernen kosmisch fühlen und müssen nur versuchen, diesem kosmischen Fühlen einen Inhalt zu geben. Das können wir nur durch anthroposophische Geisteswissen­schaft, sonst bleibt uns auch der Christus-Begriff leer. Der Christus-Begriff wird Phrase, wenn er nicht so wird, daß wir den Kosmos selber menschlich begreifen.

Fühlen Sie es doch aus der Beschreibung desjenigen Weltenalls, in dem die Sonne ist, die die heutige Astronomie beschreibt, in dem die Spektralanalyse gilt, die die heutige Physik beschreibt, aus diesem Wel­tenall konnte der Christus nicht auf die Erde herabgestiegen sein! Wer nur an dieser Beschreibung des Weltalls als Erkenntnis festhält, der kann keinen Sinn verbinden mit irgendeiner wahren, realen Christus­Wesenheit. Solch ein Christus bleibt leer oder er wird «Harnackisch» oder dergleichen. Will man heute den Christus als kosmisches Wesen kennenlernen, erfühlen lernen, so braucht man jene Evolutions-geschichte, welche den Menschen sucht durch die Saturn-, Sonnen- und Mondenzeit hindurch. Da wo das Menschliche im Weltenall drinnen ist, da ersprießt einem auch die Erkenntnis desjenigen, was den Christus hervorgehen lassen kann aus dem Weltenall. Und lernt man den Men­schen kennen bis dahin, wo sein Materielles, das innerhalb seiner Haut aus dem Geistigen heraus geschaffen ist, herkommt, dann lernt man ihn so kennen, daß man das Mysterium von Golgatha, die Einkörperung des kosmischen Christus in den einzelnen Menschen kennenlernt. Denn für denjenigen Menschen, den die heutige Wissenschaft von der Mathe­matik bis hinauf zu der Psychologie in ihrer Beschreibung geben kann, für den gibt es keine Möglichkeit, sich vorzustellen, daß der Christus irgendwie sich in ihn hineinverkörpert hätte. Damit der Mensch dieses begreifen kann, muß er in wirkliche Selbsterkenntnis kommen. Es gibt heute kein Christentum, das der moderne Mensch mit seiner Seelen-verfassung vereinen kann, es sei denn durch diejenige Selbsterkenntnis, welche Geisteswissenschaft gibt, und durch diejenige kosmische Men­schenerkenntnis, welche Geisteswissenschaft gibt.

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Es ist überall in unserer anthroposophischen Literatur erkennbar, wie diese Zusammenhänge sind. Und es ist eben so, daß diese Zusam­menhänge überall verglichen werden sollten mit dem, was in der Ge­genwart für den Fortschritt der Menschheit notwendig ist. Was die Menschen vielfach aus der bisherigen Erziehung und aus den bisherigen Lebensgewohnheiten entnommen haben, möchten sie auf der einen Seite als eine wesenlose abstrakte Erkenntnis gewissermaßen für den Sonntag haben, möchten aber dann dieses ganze übrige Leben fern von dieser Erkenntnis betrachten, nicht daran rühren wollen. Für das, was tieferes Seelenbedürfnis ist, ist der Sonntag auf der Kanzel, für das, was äußeres Menschheitsbedürfnis ist, der Staat, beides wird traditionell hin­genommen, ohne daß irgendwie daran gedacht wird, wohin wir kom­men müssen, wenn es mit diesem traditionellen Hinnehmen so weiter­gehen sollte.

Ich habe ja von den verschiedensten Seiten her immer wieder darauf aufmerksam gemacht, wie groß der Ernst unserer Zeit ist. Ich wollte heute darauf hinweisen, wie im Grunde genommen der ganze Gang des wissenschaftlichen Lebens nicht weitergetrieben werden darf, ohne daß alle einzelnen Wissenschaften von Selbsterkenntnis durchleuchtet wer­den, und daß nicht zugesehen werden dürfe der sozialen Entwickelung, ohne daß hineingetragen werde in diese soziale Entwickelung ein kos­misches Empfinden, wie es sich nur ergeben kann aus einer solchen Weltenbetrachtung, die den Menschen schon in den Elementen dieser Weltenbetrachtung selber erblickt. Das ist das Eigentümliche, daß, wenn wir anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft treiben, wir im einzelnen Menschen die ganze Welt erblicken und daß wir in der Welt, indem wir sie betrachten, den Menschen überall drinnen haben.

Gewiß, solche Dinge erinnern an alte Inspirationen und Imagina­tionen, die die Menschheit gehabt hat; aber sie sind nicht Erneuerungen äußerlicher Art, sondern sie sind herausgeholt aus dem Bewußtsein, zu dem die Menschheit heute eben aufgefordert wird wirklich aus der gei­stigen Welt selber heraus. Es gehen ja nicht bloß diejenigen Dinge vor sich, welche der Mensch in dieser physischen Welt um sich herum sieht. Der Mensch steht ebenso, wie er als physische Organisation in der phy­sischen Welt drinnensteht, in der geistigen Welt darinnen. Und in dieser

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geistigen Welt, in der er darinnensteht, in der geschieht etwas, in der geht etwas vor. Der Mensch, indem er so oder so ist, hat eine Bedeutung für die Vorgänge dieser geistigen Welt.

Nehmen Sie einmal an, ein Mensch betrachte nur das, was hier in der physischen Welt um ihn herum vorgeht> er ließe sich höchstens irgend etwas sagen von einem traditionellen Religionsbekenntnis, das aber kei­nen Bezug hat zu dieser Welt, weil es nur von irgend etwas Abstraktem redet, und dieser Mensch ließe sich heute darauf ein, hinzunehmen die traditionelle Wissenschaft. Er kann diese Wissenschaft, die menschen­leer ist, ausbilden, er kann seine Seele mit dieser Wissenschaft anfüllen, wie Millionen und Millionen heute ihre Seele mit dieser Wissenschaft mehr oder weniger bewußt oder unbewußt angefüllt haben. Dadurch aber stehen die Menschen auch in einer Welt des Geistes; denn es hat ja auch für die geistige Welt eine Bedeutung, daß wir uns mit dieser Wis­senschaft anfüllen. Und welche Bedeutung hat es für die geistige Welt? -Wenn das so fortgeht, dann kommt Ahriman zu seiner Rechnung; denn das ist der Geist, der gierig die modernen Bildungsanstalten umschleicht und sie so erhalten will, wie sie sind; denn dabei findet er seine Rech­nung. Die ahrimanische Wesenheit, dieser kalte, verknöcherte, glatz­köpfige Ahriman - wenn ich mich bildlich ausdrücken darf - um-schleicht unsere modernen Bildungsanstalten, er möchte, daß sie so blei­ben, wie sie sind. Er wird schon seine Hilfe leisten, wenn es sich darum handelt, so etwas wie dieses Goetheanum zu zerstören.

Auf der anderen Seite, im sozialen Leben, in dem die Menschen ohne kosmisches Gefühl hier ihre Erdenforderungen aufstellen, da finden tatsächlich, indem die Menschen nur reden von diesen ihren Erden-forderungen, ohne daß sie sich durchdringen, durchglühen, durch­feuern mit dem kosmischen Bewußtsein, da finden die luziferischen Wesenheiten ihre Rechnung. Da sehen wir, wie Luzifer lebt. Da kann ich nicht dieses Bild gebrauchen, das ein Bild ist, das aber als Bild tat­sächlich aus den richtigen ahrimanischen Vorstellungen herausgeboren ist, das Bild des verknöcherten, schleichenden, glatzköpfigen Ahriman, der die Bildungsanstalten umschleicht und will, daß sie so bleiben. Dieses Bild würde für das luziferische Wesen nicht treffend sein. Aber ein anderes Bild ist treffend: Lassen Sie überall aus dem bloßen Egoismus

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heraus, aus dem Nichtvorhandensein eines kosmischen Gefühles heraus, lassen Sie da noch guten Willen und gutgeglaubte soziale Begier­den sich aussprechen, dann entringt sich dem, was da redet, das luziferi­sche Wesen. Mit diesen sozialen Forderungen, die ohne kosmisches Gefühl in der Welt erregt werden, speit der Mensch das aus sich aus, was dann zum schönen Luzifer wird. In den Menschen selber lebt er, in ihren durch die sozialen Mißinstinkte verdorbenen Mägen - das aber geistig gefaßt -, in ihren verdorbenen Lungen, da lebt der luziferische Quell. Er ringt sich los, der Mensch speit ihn aus aus seinem ganzen Wesen, und dadurch ist angefüllt mit diesem luziferischen Wesen unsere geistige Luft, angefüllt mit nicht vom Gefühl des Zusammenhanges des Menschen mit dem Kosmos erfühlten sozialen Instinkten. Der um un­sere abstrakte Bildung herumschleichende kahle Ahriman, der lange, der skeletthafte, der hagere auf der einen Seite, auf der anderen Seite das, was sich aus dem Menschen selber zunächst schleimig herauswindet und den Schein der Schönheit annimmt und damit den Menschen betört, es sind Bilder, aber es sind Realitäten unserer Zeit. Und nur durch Selbsterkenntnis und nur durch ein Gefühl des Zusammenhanges des Menschen mit dem Kosmos findet der Mensch das Gleichgewicht zwi­schen dem Verknöcherten und dem Schein des Schönen, zwischen dem Knochenwesen und dem Schleimwesen, zwischen dem, was ihn um-schleicht und dem, was aus ihm selber heraus sich entringen will. Und dieses Äquilibrium, dieses Gleichgewicht, er muß es finden. Was uns aus der Kultur, aus der Zivilisation der letzten Zeiten geworden ist, das ist im Grunde genommen nichts anderes als das, was man ansprechen könnte als die Ehe zwischen dem Knöchernen und dem Schleimigen. In diesem Leben lebt der Mensch so drinnen, daß die Zivilisation ins Spenglersche, in den Niedergang hineingeht. Denn im Grunde genom­men konnte Spengler seine Welt nur so schildern, wie er sie schildert, weil er die Welt vor sich hat, die aus der Ehe entstanden ist des Ver­knöcherten mit dem Verschleimten. Aber der Mensch muß das Äqui­librium finden.

Ernst sind die Zeiten, denn der Mensch muß Mensch werden. Er muß lernen abzutun sowohl den Knöchernen wie den Schleimigen und muß Mensch werden, Mensch werden so, daß der Intellekt durchwärmt

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werde vom Herzen, das Herz durchzogen werde vom Intellekt. Dann wird er das Äquilibrium finden. Und in der Tat wird dann der Mensch weder verfallen - wenn man geistig sp?echen will - schleimiger Mystik noch kahlköpfiger Wissenschaft, sondern dem wird er sich öffnen, was Mensch ist, und was ich vielleicht nennen darf, nachdem ich es charak­terisiert habe, das Anthroposophische. Das steht mitten drinnen, das wirklich Menschliche, das Anthroposophische, es steht wirklich mitten drinnen zwischen diesen Gegensätzen, in welche die Zivilisation all­mählich hineingekommen ist. Der Anthropos ist in Wahrheit, wenn er sein Wesen wirklich offenbart, weder der Verknöcherte noch der Schlei­mige, sondern er ist derjenige, der das Äquilibrium zwischen dem Intel­lekt und dem Herzen hält. Das muß gesucht werden.

Sie werden verstehen, was heute gerade aus dem tiefsten mensch­lichen und weltlichen Wesen heraus begriffen werden muß, wenn Sie nachdenken über die beiden Bilder, die ich heute nur als Bilder vor Sie hingestellt habe. Als Bilder sind sie gemeint, aber als Bilder, die auf wahre Wirklichkeiten hinweisen.

Davon wollen wir dann weiter sprechen.

ZEHNTER VORTRAG Dornach, 5. Februar 1921

#G203-1989-SE162 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

ZEHNTER VORTRAG

Dornach, 5. Februar 1921

#TX

Im Novemberheft des katholisierenden «Hochlandes» ist ein Aufsatz erschienen, betitelt «Drei Welten», mit dem Verfassernamen Hsi-Lung. Er ist über die Zivilisation und Zivilisationsimpulse der Gegenwart vom chinesischen Standpunkte aus geschrieben. Es kann uns hier weniger interessieren, wie dieser Aufsatz innerhalb der chinesischen Zivilisation wurzelt und was er aus ihr heraus bedeutet; es muß uns vielmehr inter­essieren, daß er auftaucht innerhalb unserer eigenen europäischen Welt, und die Zivilisation der Gegenwart von einem gewissen Gesichtspunkte aus betrachtet. Zunächst handelt es sich bei der Gliederung in drei Wel­ten um die drei, wie der Verfasser meint, bedeutsamsten Kulturimpulse der Gegenwart. Der erste Kulturimpuls, den er unterscheidet, ist die moderne abendländische Zivilisation, der er dann als den zweiten Kul­turimpuls gegenüberstellt die östliche, asiatische Kultur, und über das dritte werden wir nachher zu sprechen haben. Die moderne europäische Zivilisation betrachtet er vom asiatischen Gesichtspunkte aus, von dem Gesichtspunkte aus, wo der Mensch in Vorstellungen wurzelt, die einer alten Erdenzivilisation entspringen. Sie leben sich in einer gewissen Weise in der Empfindungswelt von Menschen aus, welche drinnen-stehen in dem, was bis heute noch besteht als asiatische Kultur, her-kommend von alten, großen, gewaltigen Weistümern, die aber in die Dekadenz gekommen sind.

In diesen Empfindungen lebt mit einer ungeheuren Intensität sehr viel von dem, was man nennen kann eine eindringliche Kritik gerade der modernen europäischen Zivilisation. Der Asiate von heute - man sieht das ja auch bei Rabindranath Tagore - spricht von dem Gesichts­punkte einer uralten Kultur über die europäische Zivilisation, und er kritisiert von diesem Gesichtspunkte aus in lauter Negationen, was diese europäische Zivilisation darbietet. Wir brauchen nur solche Sätze uns vor Augen zu führen, die da in diesem Aufsatze auftreten, um sofort zu sehen, aus welchem kritischen Geiste heraus dasjenige entspringt, was da von Asien herübertönen kann gegenüber der europäischen Zivilisation:

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«Ja, die modern-europäische Gelehrsamkeit hat selbst etwas vom mühseligen Knechtsgeist, vom Kärrnertum des technischen Zeitalters angenommen. Als haarspaltende Spezialisierung, umwölkt und um-rauscht von Tausenden von Zitaten oder umpanzert mit Statistik und kleinlichen Experimenten, ergießt sie sich ins Weite. Keine Tiefe, keine Weisheit, kein Leben mehr! Wohl lassen sich ihre Ergebnisse, an ihrem eigenen Maßstabe gemessen, sehr hoch bewerten; aber eine andere Wer­tung wurde auch nicht mehr zugelassen, und wer sie ersehnte, lief Ge­fahr, für rückständig und mittelalterlich zu gelten. Nicht anders war es auf dem wirtschaftlichen Gebiete. Wo die Maschine das Leben ver-drängte, füllte die Konkurrenz der Industrie die Lücken durch neue Bedürfnisse und Mittel und Wege zu ihrer Befriedigung aus, und gänz­lich Enterbte schleppte die Organisation der Gesellschaft noch eine Weile mit. So schienen auch die breiten Massen schließlich gefügig. Ja, das Zeitalter des weltumspannenden Handels, der nie rastenden Fabri­ken, der stehenden Heere, der Kinematographen, Maschinengewehre, Wolkenkratzer, Grammophone undWelträtsel warfsich in die Brust: Dies alles ist mir untertanig! Grollend aber kündeten die empörten Elemente und Menschenatome ein unheimliches Echo an, welches sich in Krieg und Revolution noch am heutigen Tage bestätigt und ausspricht. Durch alle Rastlosigkeit klingt es: - .>

Also eine scharfe Kritik desjenigen, was da als europäische moderne Zivilisation innerhalb der neuzeitlichen Menschheitsentwickelung ent­sprungen ist! Versuchen wir einmal, uns - was ja alles handgreiflich sein wird - das eigentliche Charakteristikum dieser europäischen Zivili­sation vor Augen zu stellen. Eigentlich wurzelt sie in dem, was herauf-gebracht worden ist - und von uns oftmals charakterisiert worden ist -in den letzten drei bis vier Jahrhunderten, in denen auf der einen Seite die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse sich in einer gewissen Weise emanzipiert haben von dem, was historische Tradition aus dem reli­giösen Leben früherer Zeitalter in Europa war. Und diese moderne Zivilisation wurzelt weiter in alledem, was sich verbunden hat mit die­sen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen als die moderne Technik. Alles, was da herausgekommen ist, das hat sich, ich möchte sagen, aus menschlichen Untergründen heraus entwickelt in einem gewissen Gegensatze

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zu der historischen Tradition. Es stehen die Persönlichkeiten, die am Ausgangspunkte dieser modernen Zivilisation stehen, geradezu charakteristisch in unserem europäischen Leben drinnen.

Betrachten wir zum Beispiel eine Persönlichkeit wie Kopernikus, auf den ein großer Teil desjenigen eben zurückgeht, was in dieser europä­ischen Zivilisation nach der eben charakterisierten Richtung hin lebt. Er ist katholischer Priester. Er lebt also zunächst mit den Vorstellungen, die ihm anerzogen worden sind als katholischem Priester. Aber er lebt in einem Zeitalter, in dem sich in seiner Seele neben dem, was ihm seine Erziehung gegeben hat, dasjenige hinstellt, was dann die mechanische Himmelsanschauung der neueren Zeit geworden ist, aus der im wesent­lichen auch entsprungen ist - oder es ist wenigstens aus demselben Quell heraus entsprungen -, was die mechanische Weltanschauung der neueren Zeit überhaupt ist, ja auch die mechanische Weltordnung in Politik und wirtschaftlichem Leben.

Das alles lebt nun so, indem es immer mehr und mehr die weitesten Kreise der westlichen Zivilisation ergreift, daß es dem Morgenländer erscheint, es habe nur Leib, nur Körper, aber keine Seele. Es fehlt über­all die Seele. Und es erscheint dem Morgenländer so, als ob durch diese Seelenlosigkeit, durch dieses Aufgehen im Denken des rein Mechani­schen auch alles dasjenige bewirkt würde, was dem Morgenländer an dem Europäer erscheint, wenn dieser Europäer eben dem Morgenländer entgegentritt. Der Morgenländer fühlt sich durchaus unverstanden von dem Europäer in seinem ganzen Empfinden und in dem, was er seine Weisheit nennt.

Einiges darf da wiederum als charakteristisch angeführt werden. Es wird nämlich zum Ausdruck gebracht, wie Japan ja etwas von der westeuropäischen Zivilisation angenommen hat, wie aber Japan gerade nach morgenländischer Ansicht dadurch einer gewissen Gefahr ent-gegenläuft: «Freilich läuft Japans Volk jetzt Gefahr, seinen tief be­gründeten Patriotismus und seinen Rittersinn mit europäischem Piraten­tum und Ausbeutungsgeist zu verwechseln. Aber trotzdem wird jenes Ferment nicht so bald unwirksam werden, welches die alten Werke konservieren hilft und Ostasien mit dem Süden zu einer gewissen Ein­heit zusammenschließt: der Buddhismus.»

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Also dasjenige, was der Asiate sieht in dem, was ihm von den Euro­päern entgegentritt, ist praktisches Piratentum und Ausbeutungsgeist. Und der Asiate sieht die Sache durchaus so, daß mit der mechanischen Weltauffassung, mit alldem was da hereingezogen ist im Gegensinn gegen die ältere Tradition, auch dieser Piratengeist, dieser Ausbeutungs sinn gekommen sei. Dieser Asiate meint, der Europäer habe nach und nach vergessen, in das, was er überhaupt als Kultur oder als Zivilisation darlebt, Seele hineinzutragen. Der Asiate hat die Vorstellung, der Euro­päer wisse überhaupt gar nicht mehr, was Seele ist. Charakteristisch ist die folgende Stelle: «Und was tat Europa selbst?» - er meinte, innerhalb der neueren Zeit. «Wo sind seine heiligsten Güter geblieben? Begraben, vergessen, verschoben oder in Museen aufgestapelt, etikettiert.»

Also dasjenige, was im Grunde genommen doch da ist, sieht nur der Asiate, ich möchte sagen, in scharfen Konturen. Alles das, was früher Leben war, was gewirkt hat auf die Menschen, indem sie aus dazu ge­eigneten Architekturen und aus den Wandmalereien den Geist entgegen­genommen haben, indem sie gehört haben denselben Geist, der ihnen aus Architektur und aus Malerei entgegentönte, alles das - so meint der Asiate - ist im Grunde genommen für die moderne europäische Zivilisa­tion in Museen untergebracht, aufgestapelt, etikettiert, so daß es nur wie Antiquitäten angeschaut wird. Und der Asiate empfindet stark, daß, was Seele einer früheren Zivilisation war, eben im Grunde ge­nommen auch so etikettiert ist, und daß der Europäer eigentlich gar nicht mehr dasjenige kennt, was innerhalb der Welt Seele in seinem Sinne ist. So sieht der Asiate im Europäer vorzugsweise die Seelenlosig­keit.

Eine Szene wird da vorgeführt, die in einer gewissen Weise aus­spricht, wie der Asiate denkt: «Und die Völker des Ostens, dieser zwei­ten Welt? Hatten die überhaupt heilige Güter? Wie konnten sie es wagen, dutzendmal von verbündeten europäischen Kanonaden nieder-geschmettert, sich noch selbständig zu regen, und nun gar geistig? Das war am Ende doch etwas, was der europäischen Zivilisation gefährlich werden konnte! - Lohnt es sich überhaupt, das kennenzulernen?»

Also der Asiate frägt, ob, wenn man in vollem Sinne des Wortes Mensch sein will, wenn man die Welt nicht nur vom Standpunkte des

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körperlichen Mechanismus, sondern vom Standpunkte des Seele-Habens betrachtet, ob es denn da sich überhaupt lohnt, viel Interesse dem zuzuwenden, was dem Europäer vor allen Dingen besonders wich­tig ist.

«Angesichts der ragenden Mauern des Sommerpalastes auf dem ruhte sich die fast siebzig-jährige Kaiserinwitwe an einem Nachmittage aus. Sie hatte einen gelb-seidenen Thronsessel an ihrem Lieblingsplatze auf dem kunstvollen Marmorschiff im großen See aufstellen lassen. Inmitten der vollendeten Pracht fielen zerstörte Skulpturen, Gemälde und Glasmalereien des Pavillons doppelt auf, und zu einer neuen Hofdame gewendet, sagte Tzu-hsi: Sie gedachte aller bitteren Erfahrungen, und wie schon vor beinahe vierzig Jahren ein treuer Staatsbeamter ihr den Geist der Europäer ge­schildert hatte: (Wu-ko-tau an Tzu-hsi' 1873). Die Kaiserin konnte auch unmöglich die ideale Kehrseite europäischer Expansion, die christliche Mission, ach­ten, denn sie lernte als Staatsoberhaupt ihr ganzes Leben lang nur die materiellen Vorteile kennen, welche die europäischen Mächte aus der Beschützung der Missionare herausholten. Sie hatte einen scharfen Blick für die ganze geistige Unbeholfenheit und Anmaßung der Europäer, die sich zu ihr drängten, und würdigte gegen Ende ihres Lebens wohl die technischen Hilfsmittel, wie Eisenbahn, Bergbau, Heer und Flotte, aber eben nur als Mittel. Vielfach verleumdet, war sie ein ganzer und großer Mensch. An jedem Tage gehörten die Morgenstunden den vortragenden Ministern, dem großen Rate, Ausstellungsfragen, und den Berichten der Vizekönige, Examinatoren und Zensoren, deren freimütiges, häufig un­bequemes Urteil gleichwohl oft von ihr gehört wurde» und so weiter.

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Nun, das ist, möchte ich sagen, asiatische Kritik. Sie würde ja immer in einem solchen Ton gehalten sein, wenn wir sie hören würden aus dem Munde einer Persönlichkeit, welche heute in dem drinnensteht, was in Asien geblieben ist aus der alten Weisheitskultur heraus. Der europä­ischen Zivilisation stellt natürlich jeder Asiate gegenüber die zweite Welt, diejenige, die er selbst hat, wobei er wenig darauf sieht, daß diese Welt wohl an ihrem Ausgangspunkte eine für den Europäer gegen­wärtig unbegreifliche Weisheitsinspiration und -intuition und -imagina­tion hatte, daß sie aber eben in die Dekadenz gekommen ist. Der Asiate als solcher, derjenige Asiate, der in unserem Sinne gebildet ist, spricht so, daß er ein Gefühl davon hat: diese Erde ist Menschenwohnplatz, auf dieser Erde haben einstmals Wesen, die höherer Art sind als diejenigen Wesen, welche wir Menschen nennen, eine Zivilisation begründet, die Menschen haben diese Zivilisation angenommen. Die Menschen haben darinnen gelebt, und der Asiate meint noch darinnen zu leben in dieser Götterzivilisation. Die Erde hat gewissermaßen das Erbstück über­nommen eines uralten Weisheitsgutes, das zu dem ganzen Menschen, nicht bloß zu dem Intellekt spricht wie die europäische mechanistische Kultur. Und dieser Asiate hat kein Interesse dafür, was etwa aus der Erde werden könnte, abgesehen davon, daß sie der Träger ist dessen, was sie als ein altes Erbgut übernommen hat.

Für diese ganze Denk- und Vorstellungsweise, für das Empfinden von einem solchen Standpunkte aus ist im Grunde genommen dem Europäer jedes Verständnis innerhalb der heutigen Zivilisation ab­handen gekommen; das muß schon zugegeben werden. Der Europäer von heute liest seinen Homer, liest von seinem Achilles, er schätzt sie in gewissem Sinne, aber man kann sagen, er nimmt sie schon vom Anfange an nicht eigentlich ernst. Und das kann er nicht, indem er herauswächst aus der Zivilisation der Gegenwart. Wie kann der Europäer das, was ihm da herauftönt aus alten europäischen Zeiten, ernst nehmen, wenn er zum Beispiel bei Homer liest und das dann versteht in seinem gegen­wärtigen Geiste: «Singe mir, 0 Muse, vom Zorn des Peliden Achilles>? Homer erzählt nicht selbst, er sagt, daß die Muse erzählt, daß also ein geistiges Wesen in seinem Inneren erzählt. Das nimmt der Europäer nicht ernst. Er nimmt es als eine Phrase. Er nimmt es als etwas, nun ja,

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was eben gesagt wird. Er hat im Grunde genommen doch keine rechte Empfindung davon, daß der Grieche sich beseelt wußte von Götter-wesen, die in seiner Seele wirklich sprachen, daß er nicht glaubte, sein Mund verkünde das, was sein Intellekt, sein Verstand geprägt habe, sondern sein Mund verkünde' was ein göttliches Wesen in ihm spreche. Wer empfindet heute tief und gründlich, daß der Grieche, der so sang, sich als die Umhüllung dieses Götterwesens fühlte?

Wie fühlte dieser Grieche eigentlich? Nun, er fühlte so, daß er eben auch in diesem Götterwesen dasjenige sah, was einstmals eine Zivilisa­tion auf der Erde begründet hat für die Wesen, die man Menschen nennt, was aber nicht selber in dem Sinne, wie wir heute vom Menschen sprechen, ein Mensch war, was geblieben ist innerhalb der Menschheit, was als göttlich-geistiges Wesen die Menschen durchinspirieren kann; so daß es also nicht so aufgefaßt werden darf, als ob es bloß menschliche Stimmen im eigenen menschlichen Inneren wären. Und merkt man denn heute jenen tiefen Gegensatz, der uns entgegentritt, wenn wir die griechische Epik mit der griechischen Dramatik vergleichen, wenn wir vergleichen den Homer mit dem Äschylos? Homer singt, indem er die Muse singen läßt; er singt als Epiker, als erzählender Dichter. Das hängt durchaus mit der Anschauung der alten Griechen zusammen, daß alte Wesen, die von den geistigen Welten auf die Erde herabgestiegen sind, sich heute noch in den Menschen betätigen und singen von dem, was einstmals war, woraus die Erde hervorgegangen ist, woraus alles, inner­halb dessen wir leben, geworden ist.

Wenn man so erzählend sich ergeht über dasjenige, was die gegen­wärtige Zivilisation hervorgebracht hat, dann muß man sich jenen göttlichen Wesenheiten übergeben, die einmal heruntergestiegen sind aus höheren geistigen Welten, und die nunmehr den Menschen beseelen können. Darin sah der Grieche das Wesen der Epik, daß sie ausgespro­chen wurde von den Wesen, die von vorhergehenden Verkörperungen der Erde zu dieser Erde gekommen sind. Daneben erkannte der Grieche, daß in dem Menschen nun schon etwas lebt, was seine richtige Aus­bildung erst in der Zukunft erfahren wird, was heute noch im Men­schen untermenschlich ist. Der Grieche empfand es ails dionysisch. Er drückte das aus durch diejenigen Göttergestalten, denen er immer, wenn

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auch beim Dionysischen nur leise, etwas tierische Merkmale beigab. Was sich aus den Untergründen der menschlichen Impulsivität, der menschlichen Emotion, der menschlichen Willenskraft heraufdrängt, das empfand der Grieche als etwas, was jetzt noch beim Menschen chaotisch und ungeordnet ist, was erst in künftigen Welten, in die sich die Erde hineinverkörpern wird, einen ebenso ruhigen Ausdruck finden wird, wie das, was der Mensch heute in ruhiger Kontemplation, in ruhiger Betrachtung erzählen kann. Und dem, was sich ja aus dem Men­schen noch geistig-tierisch herausdrängt, und was das Dionysische ist, dem schrieb der Grieche die Dramatik zu. Daher sehen wir noch in Äschylos durchleuchten, daß in einem Urdrama Griechenlands zu­nächst eine Hauptperson nur da war, der Gott Dionysos, um den herum sich der Chor entwickelte und sich geltend machte und dasjenige sang, was sich auf diesen Dionysos bezog. Wenn der Grieche nach innen schaute, sagte er sich: In mir lebt etwas Höheres als das, was Mensch ist, etwas, was aus uralten Welten auf die Erde herübergekommen ist. Gebe ich mich ihm hin, so gebe ich mich einem Übermenschlichen hin, und ich sage: «Singe mir, 0 Muse, vom Zorn des Peliden Achilles.» Da wandte sich der Grieche an die göttlich-geistige Vergangenheit, aus der heraus der Mensch entsprungen ist. Da wurde der Grieche Epiker. Wenn der Grieche sich nach der Zukunft wandte, da sah er, was zukünftig ein­mal, wenn die Erde abgelöst wird von anderen Welten, erst Mensch werden soll, da sah er das in der dionysischen tierisch-geistigen Gestalt, im dramatischen Wühlen, im dramatischen Bewegen. Er sah den Men­schen von außen an und sprach nicht von der Muse, sondern von dem Dionysos, und da wurde er dramatisch.

Und das eigentlich Menschliche in der Poesie sah der Grieche nur in der Lyrik. Das Übermenschliche sah er in der Epik. Das Untermensch-liche, sich Dramatisierende und aus seiner Kraft heraus den Keim für die Zukunft Schaffende, sah er in der Dramatik. Das, was menschlich-rhythmisch auf und ab wogt in der menschlichen Natur selber, das sah der Grieche in der Lyrik.

So stellte sich der Grieche seelenhaft in die geist-physische Welt hin­ein, so empfand er sich im Zusammenhang mit seiner geist-physischen Welt. Und die Anrufung der Muse muß man ernst nehmen, wenn man

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wirklich das Gedankenleben des Griechen darstellen will. Und den Umstand, daß die Urdramatik eigentlich nicht etwas darstellte, was nur menschliche Ereignisse waren, sondern was das Wirken des Dio­nysos im Menschen war, den muß man wiederum ernst nehmen. Denn man muß hinweisen darauf, daß der Grieche etwa sagte: Wenn man den Menschen nicht innerlich ansieht, sondern ihn nur äußerlich an­schaut, so tritt er einem in der dionysischen Gestalt entgegen. Apollo und Dionysos - Apollo, der Führer der Musen, der Konservator dessen, was als das Vergangene in die Gegenwart der Erde sich hereinlebt, und Dionysos, der wühlende, wüstende Keim, der erst in der Zukunft sich abklären wird -, das sind die beiden großen Gegensätze. Und in die Mitte hinein stellte sich der Lyrismus der Griechen.

Man muß schon auf solche Zustände europäischer Urkultur zurück­schauen, wo sich hineingestellt hat dieses Sich-Erfühlen als Mensch im Kosmos gegenüber den Göttern der Vergangenheit, gegenüber den Göt­tern der Zukunft, wenn man die richtige Empfindung verbinden will mit dem, was heute geworden ist; man muß schon dieses Ältere der europäischen Kultur kontrastieren mit dem, was heute als mechanisti­sche Weltanschauung lebt, was heute eben dasjenige ist, was der Asiate so scharf kritisiert. Und man muß ein Gefühl dafür haben, wie ein moderner Mensch wie Goethe, der ja nicht in jenen Mechanismus, in dem wir heute drinnenstehen, hineingestellt war, sondern noch in das Zeitalter, in dem dieser Mechanismus erst seine ersten Triebe entfaltete, wie Goethe sich mit jeder Faser seiner Seele heraussehnte aus diesem europäischen Leben und zurücksehnte nach dem, was die europäische Zivilisation einmal gewesen ist. Das ist es ja, was in den Gefühlen Goethes lag, als er in den achtziger Jahren des 18.Jahrhunderts sich nach Italien sehnte, um durch das, was da in der Dekadenz noch vor­handen war, zu erahnen dasjenige, woraus eigentlich die europäische Zivilisation entsprungen ist.

Man muß sich klarmachen, daß zwar der Asiate in der Dekadenz dieser uralten Weisheitskultur drinnen lebt, aber man muß sich auch klarmachen, daß er, trotzdem diese seine Kultur, diese seine Zivilisa­tion in der Dekadenz ist, doch ein scharfes Gefühl dafür hat, was innerhalb Europas geworden ist aus dem, was dieses Europa einmal war.

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Daher seine scharfe Kritik, die mit so intensiven Schatten arbeitet und davon abhebt die Lichter, die immerhin noch nach seiner Anschauung im Orient zu sehen sind, der ja äußerlich schmutzig und alles mögliche sein mag, der aber nach seiner Ansicht Seele hat, und der, wenn er auf seine Seele blickt, gar keine Nötigung empfindet für ein Interesse, das da quillt aus der Bewunderung von Eisenbahnen, Dampfschiffen, von Kinematographen, Grammophonen, von Haeckelschen Welträtseln und so weiter. Solches Denken über die Welträtsel ist dem Asiaten völlig fremd, denn das beruht auf Kombination dessen, was nur die Sinne beobachten, während er weiß, daß es eine Wirklichkeit war, daß die Menschheit von höheren Geistern dasjenige empfangen hat, was dann in die Seele sich einlebt und den Menschen eigentlich zum Menschen macht.

Man ist heute in dieser Beziehung außerordentlich kleinlich gewor­den, indem man glaubt, groß zu sein, und das, was da früher in der europäischen Urkultur gelebt hat, als einem geschichtlichen Zeitalter angehörig betrachtet, während eben einzig und allein dasjenige als groß gilt, was diese europäische Menschheit namentlich im 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Heute, wo wir im Zeitalter der großen Entschei­dungen leben, müßten die Menschen hinauskommen über diese Klein­lichkeit, müßten sie sich aufschwingen können, einzusehen, daß es doch etwas heißt, wenn es da drüben in Asien Menschen gibt, die in ihrer Seele noch etwas lebendig haben von dem Bewußtsein von Geist und Seele, und die mit einer scharfen, vernichtenden, ätzenden Kritik auf alles das schauen, was der Europäer seine Größe nennt. Man müßte sich klarwerden, daß das etwas bedeutet. Man müßte sich sagen: Was da in den asiatischen Seelen lebt, das wird eines Tages geeignet sein, zur euro­päischen Katastrophe zu führen, denn das hat eine starke Impulsivität für die Seelen, namentlich deshalb, weil es gegenübersteht der Seelen-verfassung des Europäers, die verödet worden ist im mechanistischen Zeitalter, und die sich nicht aufschwingen kann dazu, nun aus sich her­aus etwas Geistiges und Seelisches aufzubauen. Diejenigen Europäer, welche die Öde des europäischen, mechanistischen Lebens empfinden, wollen ja viel lieber, als daß sie nach etwas hinschauen, was aufgebaut wird, dem dekadenten Orient dasjenige entnehmen, was ihnen als

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Geistigkeit wiederum notwendig ist. Daher möchten sie nicht hören, was heute schon ganz deutlich herübertönt aus Asien, und was immer so klingt: «Und was tat Europa selbst? Wo sind seine heiligsten Güter geblieben? Begraben, vergessen, verschoben oder in Museen aufge­stapelt, etikettiert. Soweit das Auge reicht, es erblickt draußen nur noch Geschmacklosigkeiten. Und wenn Europa sich wieder zusammenfindet aus dem Wust von Haß und Betrug, Kraftvergeudung und Elend, wird es wohl weiter fabrizieren, streiken, kolonisieren, militarisieren, wird es weiter die ganze Welt gewinnen, aber seine Seele verlieren.»

Und dann wird hingewiesen auf etwas, was eben ein Europäer sagt. Ein Europäer bringt es doch im Grunde genommen nur, ich möchte sagen, zu einer lendenlahmen Kritik. Hier hören wir weiter: «Oder sol­len wir ein neues Heil von Amerika erwarten? Ein so berufener Be­urteiler, wie Kühnemann, kommt zu dem Resultat (Deutschland und Amerika, Kap. 13>: »

Das hat der Asiate angeführt. Aber es ist dennoch etwas, was - wenn man es erfühlt, so muß man es sagen - im Grunde genommen aus einer kleinlichen Auffassung entspringt. Denn es ist - ich spreche es etwas scharf aus - ein professorales europäisches Keifen gegenüber dem, was natürlich auf flacher Hand offen daliegt, ein Keifen, das durchaus ge­rechtfertigt ist, ja zehnmal durchaus gerechtfertigt ist; aber es steht hinter dieser Kühnemannschen Kritik Amerikas nicht dasjenige, was hinter der asiatischen Kritik der modernen europäischen Zivilisation steht. Was da hinter der asiatischen Kritik der modernen europäischen Zivilisation steht, das ist eben etwas, was so spricht, wie einstmals für Homer die Muse gesprochen hat. Das ist etwas, was aber auch

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eine solche Kraft gibt, wie sie einstmals der griechische Dramatiker gehabt hat, als er, anschauend den Menschen von außen, seine dio­nysischen Emotionen dramatisierte. Es spricht gewissermaßen doch aus dem Kosmos heraus, wenn der Asiate die europäische Zivilisation kritisiert.

Das ist es, was sich der Europäer auch heute sagen sollte. Er sollte sich mit einer großen Intensität diesen Kontrast vor Augen stellen, den wir heute empfinden müssen, wenn wir das, was in unserer Literatur, in unserem Schrifttum lebt, was in unserer sogenannten Bildung lebt, hinstellen neben ein Zeitalter, das da glaubte, daß es aus Götterseelen heraus die irdisch-kosmischen Verhältnisse künden müsse.

Und nun sehen wir auf mancherlei Leute, die anfangen, aber eben gerade anfangen, aus dem Geiste dieser europäischen Zivilisation heraus etwas zu empfinden von dem, was da eigentlich ist innerhalb dieser Zivilisation. In demselben Hefte, das geradezu grandios zusammen­gestellt ist mit Bezug auf das, was da gewollt wird, was die meisten Menschen heute noch gar nicht sehen, was aber kleine, und zwar zu­meist dämonische «Koterien» praktizieren -, in diesem Hefte, das geradezu meisterhaft zusammengestellt ist, finden Sie auch eine Be­sprechung eines Buches von Hans Ehrenberg. Der Aufsatz, der dieses Buch bespricht, heißt «Wege und Jrrwege nach Rom». Da sehen wir, wie in seinem Buche, das da heißt «Die Heimkehr des Ketzers. Eine Wegweisung», von Hans Ehrenberg' dieser Ehrenberg' der als Universi­tätsdozent der Gegenwart in einem gewissen Sinne eine repräsentative Persönlichkeit ist, alle professoralen Eigenschaften an sich hat. Ich habe es selbst an ihm kennenlernen können. Wir sehen, wie er gewissermaßen unwillig wird über das trostlos Öde, das in der modernen Wissenschaft­lichkeit und in der modernen Bildung lebt. Es tritt gewissermaßen das Unerlöste dieser modernen Wissenschaft und modernen Bildung heraus. Er sagt ein scharfes Nein zu alledem, was da in den letzten drei bis vier Jahrhunderten im europäischen Leben, im Leben der ganzen modernen Zivilisation hervorgetreten ist. Und er möchte gern, daß religiöser Geist, wirklicher religiöser Geist wiederum einziehe in das moderne Fühlen, in die moderne Zivilisation. Dazu will er die Wege nach Rom weisen. Und er macht aufmerksam darauf, daß es ja neben der Petrus- eine

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Johanneseinsetzung gibt, und daß Johannes zugeschrieben werden die Worte: «Kindlein, liebet einander.» - Es ist sehr charakteristisch, daß derjenige, der in diesem Hefte der Zeitschrift dieses kritisiert, daß der dem «Kindlein, liebet einander» ein anderes Johanneswort entgegen-setzt. Er sagt gegenüber Ehrenberg: «Ich kenne noch ein anderes Johan­neswort: Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht bringt, nehmt ihn nicht auf ins Haus und einen Gruß sagt ihm nicht!»

Das ist der Kundige, der tief im Katholizismus drinnenstehende Religiöse, der ganz aus römischem Geiste heraus spricht, während Ehrenberg im römischen Geist dilettiert. Denn derjenige, der das hinzu­fügt zu dem anderen Johanneswort «Kindlein, liebet einander», der weiß - wenn ich mich jetzt allegorisch ausdrücken darf -, daß der Mensch Muskeln und Knochen braucht, daß er nicht bloß Muskeln und Sehnen und Bänder, sondern eben Knochen braucht. Ohne Allegorie, in Wirklichkeit gesprochen, heißt das, daß der Mensch eine Lehre, einen Inhalt, ein Vorstellungsleben braucht, das ihn trägt, und daß auf dem Grunde dieses Vorstellungslebens, aus diesem Vorstellungsleben heraus, gewissermaßen wie die Muskeln und Sehnen und Bänder an den Kno­chen angeheftet sind, so die Liebe angeheftet werden muß an das, was das Knochenskelett des menschlichen geist-seelischen Lebens ist: die Lehre, der Inhalt. Das ist das Charakteristische an solchen modernen Menschen, wie Hans Ehrenberg einer ist, daß sie da kommen und sagen:

die Wissenschaft enthält nichts, die Wissenschaft trocknet uns aus, die Wissenschaft ist unerlöst, die Wissenschaft läßt unsere Seele kalt und leer. Wir müssen der Liebe pflegen. - Das würde aber etwa heißen: Wir müssen in der menschlichen Organisation verzichten auf eine gesunde Knochenbildung, denn es ist nicht einzusehen, wozu man Knochen braucht; der Mensch wird viel weicher, viel anschmiegsamer sein, sich viel mehr in die Verhältnisse hineinschmiegen, wenn er rachitisch ist. So daß wir auf der einen Seite den Mechanismus, und auf der anderen Seite etwas sehen, was mit einem gewissen Rechte heraus will aus die­sem Mechanismus, aber nach einer rachitischen Bildung strebt. Denn es bleibt die Liebe eine Phrase, wenn sie in dieser Weise ohne den Hinter­grund der geistigen Lehre dastehen will. Da ist sie nur entsprungen aus der Verzweiflung dessen, der, weil er zu einem Knochensystem der

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Kultur unserer Zivilisation nicht den Mut hat, stehenbleiben will bei der Rachitis der Zivilisation.

In einem solchen Europäer, der sich sehnt nach der Kulturrachitis, kann natürlich der Asiate, in dem noch etwas lebt von der Stark­knochigkeit der uralten orientalischen Weisheit, nicht irgend etwas Zukunftsicheres sehen. So blickt der Asiate auf dieses Europa, in dem sich kundgibt auf der einen Seite die mechanistische Kultur, deren ethisches Ausleben der Asiate Piratentum und Ausbeutungsgeist nennt, und in dem sich auf der anderen Seite auslebt das, was sich nur gewis­sermaßen mit den Muskeln an irgend etwas anschmiegen möchte, was sich aber nicht auf die strammen Knochen stellen möchte.

Indem der Asiate das übersieht, kommt er dann zu einer merkwür­digen Ansicht, die aber innerhalb gewisser europäischer Kreise mit wahrer Wollust propagiert wird, denn diese Kreise wissen, was sie wol­len; das muß durchaus betont werden. Und das, worauf das Ganze hinausläuft, das möchte ich lieber jetzt noch wörtlich vorlesen. Dieser Aufsatz, die «Drei Welten», der also vom asiatischen, chinesischen Standpunkte aus geschrieben wird, der charakterisiert, wie ich es Ihnen eben dargestellt habe, die Welt der neueren europäischen Zivilisation, die Welt der alten asiatischen Kultur, und er stellt dann die «dritte Welt» hin. Und diese drei Dinge charakterisiert er in folgender Weise, gewissermaßen nach Europa hineinschreiend dasjenige, was der Asiate denken muß, was da noch als Zukunftsfähiges lebt außerhalb Europas. Wenn Europa nicht sterben will, was muß es tun? - so etwa frägt der Asiate. Und darauf antwortet er: «In Wahrheit muß ja die Synthese etwas Drittes sein, eine dritte Welt. Und diese dritte Welt tut sich auf über und zwischen den beiden anderen, ja mitten unter ihnen, ohne ihnen allen Eigenwert abzusprechen, und sei es wenigstens den, Erzie­hungsfaktoren zu sein. Die allerälteste ist sie selbst, die von der Über-natur her inspirierte Geisteswelt, die durch Jahrtausende hin sich erhielt im kleinen Reiche des auserwählten Volkes inmitten übermächtiger Kulturen und in vielfacher Knechtschaft, dann als christlicher Sauer­teig die Antike umwandelnd und als gewaltiger Baum aufwachsend, unter dem die Völker wohnen. Die Welt der katholischen Kirche ist es, in welcher der prachtvolle mittelalterliche Mensch gebildet wurde, der

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eigentliche und einzig harmonische Europäer. Die katholische Kirche ist es, die allen Anfeindungen zum Trotz sich erhielt, und deren Stimme auch im Tumult der modernen Zerrüttung nicht verstummte, ja als die einzig edle und menschliche in unserer Zeit erklang, wie tiefer Glocken­ton über Lärm und Unzucht einer Großstadt hinsingend. Wo sonst ist die viel angerufene Richterin der Weltgeschichte, wo sonst das Welt-gewissen, wo sonst die Hüterin der Sittlichkeit zu finden? Diese Welt allein sah alles kommen und gehen, sie allein ist die Welt der Autorität. Der Welt des Ostens gegenüber wird sie den Eroberungszug des heiligen Franz Xavier und seiner Jünger machtvoll wieder aufnehmen. Allem Trotz der Moderne gegenüber zeigt sie, daß mehr Kraft und Selbst­beherrschung zur Demut als zum Herrenbewußtsein gehört. Sie vermag den Bettler mit königlicher Würde zu umkleiden. Sie ist die Religion der Pracht und Entsagung, der Harmonie von Bejahen und Verneinen, der Freiheit in der Frömmigkeit und der Gebundenheit im Dogma, der

, der strengen Riten, Zeremonien und der Dis­ziplin und dann wieder des weitherzigen Verstehens, der Anpassung, der sozialen Fürsorge, der Kunstfülle und Gemütstiefe. Und diese Welt sollte ängstlich darum besorgt sein, wie sie sich werde behaupten kön­nen, und sollte bemüht sein um Kompromisse mit der Moderne? Und sogar Kinder dieser Kirche fürchten und fragen bei jedem der Autorität: Wie werden wir bestehen? 0 ihr Kleingläubigen, habt Vertrauen; Nicht , sondern die Harmonie ist höher zu suchen, jenseits von erster und zweiter Welt im Übernatürlichen, im wahren Übermenschentum des Gottessohnes und seines Reiches.

Je weniger verschwommen die Töne sind, um so reiner und befreien­der wird schließlich der Ausklang eines Liedes sein nach allen Dissonan­zen. Q felix culpa! Darum tut es gut, Thesis, Antithesis und Synthesis scharf herauszuarbeiten. Volles und reiches Menschentum wird sich dann ergeben. Im Lehen ist ja doch alles verwoben, und alle drei Welten bestehen zusammen.»

Dasjenige also, worauf hier vom asiatisch-chinesischen Standpunkte einzig und allein die Hoffnung für Europa gesetzt wird, das ist die katholische Kirche, und wir finden in einer Zeitschrift, die, wie gesagt,

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musterhaft zusammengestellt ist, die Leuten entspringt, die ganz gut wissen, wie die gegenwärtigen Impulse laufen, wir finden in dieser Zeitschrift diese Anschauung propagiert' was uns viel mehr interessiert als die Provenienz dieses Aufsatzes als solchem. Wir finden hier, daß gesagt wird, es gebe drei Welten in der neuen Zeit: Die Welt der moder­nen europäischen Zivilisation, welche keine Seele enthält, und die alte asiatische Kultur, die Europa ja nicht ohne weiteres annehmen kann, denn beide verstehen sich nicht; aber in Europa lebt ein Drittes, wird gesagt, das ewige Rom, die katholische Kirche. Auf sie muß gebaut wer­den. - Und wir sehen heute viele, viele Europäer durchaus nach diesem Ziele hin tendieren.

Dasjenige, was sich hinter alldem verbirgt, was in alldem lebt, das sieht eine große Anzahl der Menschen nicht, weil eine große Anzahl der Menschen nicht teilnehmen will an dem, was eigentlich wallt und wogt innerhalb dieser heutigen modernen Welt. Man sieht auf der einen Seite nicht, wozu die allerdings seelenleere moderne mechanistische Zivili­sation auffordert, man sieht auf der anderen Seite nicht, welche gewal­tige Kraft der Vernichtung herausströmt aus dem, was im Asiatischen sich geltend macht, und man sieht nicht, mit welcher ungeheuren Kraft von Rom aus gearbeitet wird in der gegenwärtigen chaotischen Zeit, und mit welchen aussichtsvollen Kräften gearbeitet wird. Man will es nicht sehen, weil es unbequem ist, weil es notwendig ist, sich auf einen gewissen Gesichtspunkt zu stellen, auf dem emsig und energisch geistig, seelisch und leiblich gearbeitet werden muß, wenn man auf diesem Gebiete zur Klarheit kommen will.

ELFTER VORTRAG Dornach, 6. Februar 1921

#G203-1989-SE178 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

ELFTER VORTRAG

Dornach, 6. Februar 1921

#TX

Gestern habe ich Sie darauf aufmerksam gemacht, wie im Urteil des Orients die moderne europäische Zivilisation sich etwa ausnimmt, und ich habe dann zum Schlusse darauf hingewiesen, welche von den drei Welten, die da gesehen werden, die dritte ist, nämlich - hinzu zu dieser modernen europäischen Zivilisation und zu dem, was die ältere asiati­sche Kultur ist - der römische Katholizismus. Wir dü rfen an einem sol­chen Urteil durchaus nicht achtlos vorbeigehen, kein denkender Mensch sollte das tun, denn es handelt sich dabei um etwas, was innerhalb der Zivilisationsströmungen der Gegenwart eine außerordentlich tiefe Be­deutung hat. Wir werden demjenigen, was da eigentlich vorliegt, am nächsten kommen, wenn ich Sie noch einmal erinnere an dasjenige, was ich von einem gewissen Gesichtspunkte über unsere gegenwartige Zivili­sation am letzten Dienstag im öffentlichen Vortrag in Basel ausgeführt habe. Ich möchte es hier, gemäß den Gepflogenheiten, die wir für solche Betrachtungen innerhalb des anthroposophischen Kreises haben, noch einmal kurz erwähnen. In den älteren Kulturen und in derjenigen Zeit, auf die ich gestern als die griechische hingewiesen habe, war durchaus ein volles Bewußtsein davon vorhanden und es wurde überall in diesen alten Kulturen hingewiesen auf dasjenige, was man die Schwelle und den Hüter der Schwelle nennt. Man hat sich vorgestellt, daß man aus den Vorbedingungen der menschlichen Erkenntnis heraus etwas wissen könne über die Welt, über den Menschen, daß man aber unvorbereitet nicht über dasjenige hinausdringen dürfe, was eben die Schwelle ge­nannt worden ist.

Hinter der Schwelle, also jenseits einer gewissen Erkenntnisgrenze, vermutete man Dinge, welche von der menschlichen Seelenverfassung deshalb in jenen alten Zeiten nicht unvorbereitet aufgenommen werden durften, weil die Menschen fürchteten, wenn sie unvorbereitet in diese Erkenntnisgebiete hineinkämen, sie würden ihr Selbstbewußtsein, den Grad des Selbstbewußtseins, den sie damals gehabt haben, verlieren müssen, sie würden gewissermaßen in einen Zustand seelischer Ohnmacht

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kommen. Daher wurde eine gewisse Willenszucht, eine gewisse Willenskultur von denjenigen gefordert, welche Schüler der Weisheit, Schüler der Mysterien werden sollten. Durch diese Zucht des Willens wurde das Selbstbewußtsein so gestärkt, daß die Betreffenden die Schwelle überschreiten und an dem Hüter vorbeigehen konnten. Und dann kamen sie in ein Gebiet, welches ihnen sonst, wenn sie in der ge­wöhnlichen Seelenverfassung hineingekommen wären, eben diese see­lische Ohnmacht verursacht hätte, ihnen das Selbstbewußtsein genom­men haben würde.

Nun muß man durchaus darauf hinweisen, daß durch den ganzen Gang der menschheitlichen Entwickelung heute dasjenige allgemeines, populäres Menschenbewußtsein ist, was dazumal in jenen älteren Zeiten hinter der Schwelle vermutet worden ist. Ich habe ja in jenem öffent­lichen Vortrag darauf hingewiesen, daß zum Beispiel die Alten in ihren Eingeweihtenschulen die sogenannte heliozentrische Weltanschauung hatten, daß sie die Sonne durchaus in den Mittelpunkt unseres Planeten-systems stellten. Aber diese Lehre wurde behütet, und nur einzelne, die gewissermaßen sie nicht behüten wollten, veröffentlichten etwas davon, wie Aristarch van Samos. Man fürchtete eben von solchen Lehren, daß sie so auf die Seele wirkten, daß der Mensch den Boden unter den Füßen verlieren würde. Also gerade dasjenige war es, was man nicht heran­kommen lassen wollte in jenen alten Zeiten an die unvorbereiteten Men­schenseelen, was heute eigentlich jeder Mensch weiß. Denn dasjenige, was in bezug auf die heliozentrische Weltanschauung gesagt werden kann, könnte in bezug auf viele Gebiete gesagt werden, die heute ganz allgemein menschliche Anschauungen sind. Dasjenige, was heute unter dem Einflusse des naturwissenschaftlichen Zeitalters populäre Vorstel­lung ist, das wurde jenseits der Schwelle vermutet. Daher haben die­jenigen konfessionellen Traditionen, welche die Urteile der alten Zeiten zurückbehalten haben, sich immer gewendet gegen das Verbreiten die­ser modernen naturwissenschaftlichen Anschauung. Daher der Galilei-Prozeß, daher die Tatsache, daß es bis zum Jahre 1827 innerhalb der katholischen Gläubigengemeinschaft verboten war, sich zu der Lehre des Kopernikus zu bekennen oder sie zu verbreiten. Man hatte eben ein altes Urteil über diese Dinge beibehalten, und hat natürlich damit nicht

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den Gang der Menschheitsentwickelung aufhalten können. Die Mensch­heit ist von einer anderen Seite hereingeschritten in dasjenige Gebiet, das man dort als jenseits der Schwelle bezeichnet hat.

Warum konnte die Menschheit in dieses Gebiet hineinschreiten, ohne in seelische Ohnmacht zu verfallen, wie die Alten aus ihrer Seelenver­fassung heraus zweifellos verfallen wären? Die Menschheit konnte in dieses Gebiet hineinschreiten, weil sie - Sie ersehen das aus der Darstel­lung in meinen «Rätseln der Philosophie» - zu einer Art des Selbst­bewußtseins gekommen ist durch die besondere Auslebung der Begriffs-welt, bei der nicht mehr jene seelische Ohnmacht eintreten kann. Die Menschen können nunmehr, ohne in eine seelische Ohnmacht zu ver­fallen, sich bekennen zu demjenigen, was nicht nur kopernikanische Weltanschauung ist, sondern was auch Vorstellungen sind, die in der­selben Richtung liegen. Also fassen wir das nur einmal ganz prazise ins Auge.

Dasjenige, was heute populäre Anschauung ist, das lag für die Alten, das lag im Grunde genommen bis in das 14. Jahrhundert hinein jenseits der Schwelle, wurde als solches jenseits der Schwelle Liegendes an­gesehen, und den Hüter der Schwelle bezeichnete man als diejenige Macht - sie ist mehr als eine Personifikation, sie ist eine reale Wesen­heit -, an der man vorbeischreiten mußte, wenn man in jenes Gebiet hineinkommen wollte, das dasjenige der modernen naturwissenschaft­lichen Weltanschauung ist. Die modernen Menschen verlieren dabei nicht mehr ihr seelisches Selbstbewußtsein, sie fallen nicht in eine see­lische Ohnmacht. Aber sie verlieren doch etwas, nachdem sie in das Gebiet gelangt sind, das die Alten als jenseits der Schwelle liegend be­trachtet haben. Die heutigen Menschen haben zwar nicht ihr Selbst­bewußtsein verloren, aber sie haben zunächst das Weltbewußtsein ver­loren. Sie haben ein Wissen von unzähligen Einzelheiten über das sinn­liche Dasein aufgenommen, sie haben durch Verstandeskombination sich allerlei Gesetze angeeignet über den Zusammenhang in diesem sinn­lichen Dasein, aber sie sind nicht dazu gelangt, dasjenige zu erkennen innerhalb dieses weiten Gebietes der einzelnen wissenschaftlichen Er­kenntnisse, die ja heute durchaus schon populär geworden sind, was der geistige Inhalt, der geistige Hintergrund desjenigen ist, was da den

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Menschen sinnlich umgibt, und was er in den Begriff der modernen Naturwissenschaft zusammenfaßt. Der Mensch ist gewissermaßen, in­dem er sich den Entwickelungsphasen der neueren Zeit genähert hat, in das Gebiet jenseits der Schwelle hinübergetreten, ohne ein Bewußt­sein davon, daß die Welt überall durchgeistigt ist. Er hat nicht sich selbst zu verlieren gehabt, er hat aber den Geist der Welt zu verlieren gehabt. Und dieser Geist der Welt, der ist verloren worden.

Dasjenige Bekenntnis, welches gerade darauf gehalten hat, diese Schwelle nicht zu überschreiten, diesseits dieser Schwelle zu bleiben, hat die Wege in das Gebiet, in dem heute die Menschheit im allgemei­nen drinnensteht, so abzuschließen, so zu hemmen versucht, daß es, wie Ihnen bekannt ist, im Jahre 869 auf dem achten ökumenischen Konzil in Konstantinopel, das Geistige als solches aus der Reihe der Kräfte, die der Mensch zu erkennen hat, ausgeschieden hat. Es wurde Dogma, sich nur zu Leib und Seele als Bestandteilen des Menschen zu bekennen und vom Geistigen zu sagen, daß die Seele einige geistige Eigenschaften be­sitze. Aber es wurde verboten, vom Menschen zu sprechen als bestehend aus Leib, Seele und Geist. Es war also ein Sich-Stemmen gegen das Her-eintragen einer geistigen Erkenntnis. Damit hat man bewirkt, daß der Mensch eingetreten ist in das Gebiet jenseits der Schwelle ohne ein Bewußtsein von dem Geistigen der Welt. Der Mensch ist also ein­getreten in dieses Gebiet, das von den Mten nur unter Vorbereitung betreten wurde, das in den Mysterien nur denjenigen Schülern über­liefert worden ist, die eine strenge Willenszucht durchgemacht hatten. Aber es ist so betreten worden, daß der Mensch zwar nicht sein Selbst­bewußtsein, wohl aber das Weltbewußtsein des Geistes verloren hat. Daher handelt es sich heute um dasjenige, was ich oftmals in meinen Schriften als die Schwelle bezeichnet habe, die nun der neuere Mensch kennen muß, die Schwelle, welche überschritten werden muß, indem man über die Grenze der äußeren Sinnesbeobachtung und der Verstan­deskombination heraus eintritt in das Gebiet des Geistes, das man fin­den kann von dem eröffneten Sinnesgebiet aus.

Dieses liegt durchaus zugrunde den Darstellungen, die innerhalb der anthroposophischen Geisteswissenschaft gegeben werden, und dieses unterscheidet sich ja auch radikal von alldem, was etwa als theosophische

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Lehre aufgetreten ist. Die theosophischen Lehren sind durchaus nur Aufwärmungen des Alten. Wenn sie von dem Hüter der Schwelle reden, reden sie genauso, wie die Alten von dem Hüter der Schwelle geredet haben. Lesen Sie nach, wie in meinem Buch «Wie erlangt man Erkennt­nisse der höheren Welten?» von dem Hüter der Schwelle gesprochen wird, und Sie werden dort eine ganz moderne Darstellung finden, die unmittelbar aus dem Bewußtsein der Gegenwart heraus geschöpft ist. Wenn diejenigen, die heute anthroposophische Geisteswissenschaft zu beurteilen sich erkühnen, nur auf solche Dinge sehen würden, so wür­den sie nicht in das Verleumderische hinein verfallen, Anthroposophie zusammenzuwerfen mit demjenigen, was Aufwärmung alter gnostischer Lehren oder ähnliches ist.

Solche Dinge müssen scharf ins Auge gefaßt werden, denn sie zeigen uns zugleich, wie die moderne Zivilisation in ihren tieferen Grundlagen sich entwickelt hat, und man wird dann mit der richtigen Vorbereitung an ein solches Urteil herangehen können wie dasjenige es ist, das ich Ihnen gestern am Schlusse angeführt habe, das dahin geht, vom orien­talischen Gesichtspunkte aus innerhalb der zerfallenden modernen Zivilisation den Katholizismus als diejenige Macht anzuerkennen, die wirklich noch Geistiges in sich trägt. Man muß ja durchaus so etwas auf der einen Seite verstehen, aber zugleich auf der anderen Seite die Ge-fahren durchschauen, die gerade von Bestrebungen herkommen, die n'it solchen Anschauungen gekennzeichnet werden. Man muß sich nämlich über folgendes klar sein: Wenn der römische Katholizismus in seiner Totalität heute genommen wird, selbstverständlich nicht so, wie ihn die einzelnen Pfarrer verstehen, die ja gemeiniglich sehr schlecht unter­richtet sind, sondern wenn er in seiner Totalität genommen wird, wenn er so genommen wird, wie er vertreten werden kann als theologisches System, als Inhalt einer umfassenden Weltanschauung, dann ist der Katholizismus ein solches inhaltvolles System einer umfassenden Welt­anschauung. Das ist ja das Grandiose der katholischen Lehre, wie sie im Mittelalter als Scholastik auftrat, daß sie ein nach allen Seiten hin ge­schlossenes und im einzelnen logisch und auch sonst ontologisch durch­gearbeitetes Weltanschauungsgebilde ist. Es ist ein Weltanschauungs-gebilde, das von alten Zeiten bewahrt hat die Vorstellung vom Vater,

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vom Sohne, vom Geist, ein Weltanschauungsgebilde, welches also ge­wisse die Welt umspannende dogmatische Lehren über die Trinität hat, ein Weltanschauungsgebilde, welches in der augustinisch-thomistischen Weltanschauung es dazu gebracht hat, auch eine Anschauung über die soziale Menschenordnung aus sich hervorzubringen. Es ist ein Gebilde, das nach allen Seiten geschlossen ist, und es erfordert vor allen Dingen ein sorgfältiges Studium, um da einzudringen. Man muß, um das katho­lische System, die katholische Glaubenslehre, wenn man es so nennen will, zu verstehen, in der schärfsten Weise mit Begriffen operieren kön­nen, man muß klare und deutliche Begriffsübergänge haben, man muß in einer Weise mit Begriffen operieren können, die moderne Philo­sophen schon im höchsten Grade unbequem finden, und die insbeson­dere auch protestantische Theologen unbequem finden. Das ist es, was eigentlich bekannt sein sollte: daß über alles dasjenige, wonach der Mensch eine Sehnsucht hat, mit seiner Erkenntnis einzudringen - wenn es auch nur eine geoffenbarte Erkenntnis, eine Glaubenserkenntnis ist für die höheren Gebiete -, zusammenhängende Lehren im Katholizis­mus vorhanden sind, daß der Katholizismus niemals in den Irrtum ver­fallen wird, den ich gestern bezeichnet habe als eine rachitisch gewor­dene Weltanschauung; denn der Katholizismus hat ein festgefügtes, knochenstarkes Glaubensgebäude, das von den Naturprinzipien aus­geht und sich hinaufarbeitet, das sich von unten aufbaut und zu einer umfassenden Weltanschauung gelangt, die der Mensch dann mit seiner Seele vereinigen kann, wenn auch die höheren Gebiete als die bloß ge-offenbarten Wahrheiten anerkannt werden. Was aber der Katholizis­mus in sich trägt, das ist, daß er im Grunde genommen doch nichts an­deres als das letzte Überbleibsel derjenigen alten Weltanschauungen ist, welche ganz darauf gebaut waren, nicht über die Schwelle zu kommen in jenes Gebiet, in dem die moderne Menschheit eigentlich drinnen-steht.

Das ist der große Gegensatz zwischen dem Katholizismus und der modernen Zivilisation. Der Katholizismus hat sich in der mannigfaltig­sten Weise im Laufe der Zeit durch Konzilien, durch sonstige dogma-tische Festsetzungen ausgebaut. Er ist aber doch nur ein Nachklang alter Lehren insoferne, als er dasjenige eben zusammenbringt, was der

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alte Mensch aufgefaßt hat, ohne vorbereitet zu sein, die Schwelle zu überschreiten. Und so steht der Katholizismus da wie ein architekto­nisch großartig aufgeführtes Gebäude, das aber aus alten Zeiten her-überragt, in denen noch nicht gerechnet worden ist mit dem, was nun doch hereinkommen muß in die ganze Entwickelung durch die moderne Naturwissenschaft, durch die moderne Begriffswelt und durch das­jenige, was schon hereingekommen ist und was hereinkommen muß durch die sozialen Begriffe, die wir aufnehmen.

Sehen Sie, wenn der Katholizismus die einzige Lehre sein sollte, wel­che sich über die Menschheit verbreitet, dann könnte die Erde in ihrer Entwickelung auch heute aufhören. Von einem wahren Gesichtspunkte aus gesehen ist es so, daß die menschlichen Seelen dasjenige, was sie durch den Katholizismus als System, durch das dem Katholizismus zu­grunde Liegende haben aufnehmen können, sie in ihren bisherigen Lebensläufen bereits aufgenommen haben. Wenn der Katholizismus als einzige allgemeine Lehre dastehen sollte, so könnte ganz gut schon jetzt die Erdenentwickelung ihr Ende erreichen, denn der Katholizismus rechnet nur mit demjenigen, was sozusagen bis zum 14., 15. Jahrhun­dert der Menschheitsentwickelung eigen war. Dann kamen Zeiten her­auf, in die eben die moderne Naturwissenschaft sich hineinstellen mußte, Zeiten, in denen der Mensch, indem er sich äußerlich der Welt hingab, eigentlich nur dasjenige aufnahm, was ihn nicht zum Geistigen führte. Diejenigen Zeiten kamen, wo der Mensch gewissermaßen, indem er gerade den scharfsinnigsten Erkenntnissen sich hingab, in bezug auf die wirkliche Welt doch einem Leichenfelde gegenüberstand. Denn das­jenige, was wir mit unseren naturwissenschaftlichen Begriffen um­fassen, ist und bleibt das Tote und bleibt ein Leichenfeld, gleichgültig ob wir unsere physiologischen, anatomischen Erkenntnisse im Sezier­saal erwerben, oder ob wir im chemischen Laboratorium experimen­tieren. Indem wir im Seziersaal uns die physiologischen, anatomischen Kenntnisse verschaffen, verschaffen wir sie uns aus demjenigen Men­schenleib, aus dem die Seele heraus ist. Indem wir im chemischen Labo­ratorium experimentieren, experimentieren wir mit den Kräften der Natur in einer Weise, daß der Geist draußen ist. Wir stehen überall einer Welt gegenüber, die, gegen das Grundlebendige der Welt gehalten,

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ein Leichenfeld ist. Und das stimmt auch zu den Forderungen, die der modernen Menschheit gestellt sind. Dieser modernen Menschheit ist einmal die Aufgabe gestellt, daß sie um so mehr dem Geiste entfremdet wird, je mehr sie um sich blickt, ja gerade je genauer sie um sich blickt, je mehr sie sich bewaffnet mit dem Teleskop, mit dem Mikroskop, mit dem Röntgenapparat, mit dem Spektroskop und so weiter, je mehr sie in die Umwelt eindringt und sie durch minuziöse Statistik untersuchen will. Unsere moderne Wissenschaft geht durchaus darauf aus, den Men­schen nichts vom Geistigen finden zu lassen. Er muß dasjenige, was das Geistige ist, zu dem, was er von außen erringen kann, von innen aus hinzubringen. Er muß eine neue Geisteswissenschaft haben. Er muß gewissermaßen über die Leichenfelder schreiten, die sich ihm nur als Totes zeigen, die ihm in den physischen oder in den geistigen Museen höchstens die Schauen desjenigen zeigen, was einmal als Geist da war. Er muß hindurchschreiten durch diese Schatten und muß in sich die Fähigkeit haben, hinschreitend über das Leichenfeld der modernen Wis­senschaft, hineinzutragen in dieses Leichenfeld dasjenige, was eine neue geistige Offenbarung gibt, was eine neue Geisteswissenschaft gibt, was wirklich anthroposophisch aus dem Menschen entspringen kann. Nur dabei kommt der Mensch zu seiner vollen Kraft. Das Selbstbewußtsein kann er nicht verlieren; aber indem er hinschreitet zu demjenigen, was für die Alten jenseits der Schwelle gelegen hat, muß er nicht nur dieses Selbstbewußtsein erhalten, er muß es verstärken durch ein Wissen von der geistigen Welt, das aus diesem Selbstbewußtsein erquellen kann, damit er in der äußeren Sinneswelt die volle Welt, die wahre Wirklich­keit finde.

Das ist aber dasjenige, vor dem der Mensch der neueren Zivilisation erst steht. Aber bewußt muß sich die Menschheit werden, daß sie vor dieser Schwelle steht, daß diese Schwelle überschritten werden muß. Bewußt muß sich die Menschheit werden, daß nicht irgendwie an­geklagt oder ausgelöscht werden darf dasjenige, was die neuere Er­kenntnis gebracht hat, daß man nicht aus Bequemlichkeit abweisen darf dasjenige, was die moderne Naturanschauung liefert, daß man aber hineintragen muß in diese moderne Naturanschauung ein ganz neues Geistwissen; denn dadurch stückelt sich an an das, was in der

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Erdenentwickelung vorhergegangen ist, dasjenige, was noch kommen muß, damit die Erdenentwickelung an ihr Ziel kommen kann. Niemals kann der Katholizismus die Menschen weiterbringen, als wo sie schon sind. Die Menschen sind seit drei bis vier Jahrhunderten in bezug auf äußere Welterkenntnis weitergekommen. Aber die Menschen dürfen so nicht fortschreiten innerhalb der modernen Zivilisation. Sie müssen in diese Zivilisation das geistige Leben hineintragen.

Das ist dasjenige, was morgenländisches Urteil heute noch verkennt an der modernen Zivilisation. Morgenländisches Urteil sieht an der modernen Zivilisation nur das Leichenfeld, dasjenige, aus dem hervor­geht, was ich Ihnen gestern in der Kritik vom morgenländischen Ge­sichtspunkte aus gezeigt habe. Das morgenländische Urteil weiß noch nicht, weil es auch nur kennt dasjenige, was ererbte Gotteslehren sind, daß der Mensch, indem er in der modernen Zivilisation einem Leichen-feld gegenübersteht, gerade dadurch in sich eine Kraft finden kann, um den echt menschlichen, den ganz intim mit dem Menschlichen verbun­denen Geist aus sich selber herauszuarbeiten, der wiederum Licht ver­breitet über den ganzen Kosmos.

Hier ist es, wo sich die Geister scharf scheiden. Wir sehen hin auf dasjenige, was der Katholizismus gebracht hat. Er hat in der neuesten Zeit den Jesuitismus gebracht, nicht den Christismus. Er hat gebracht diejenige dogmatische Anschauung innerhalb des Jesuitismus, welche hindeutet auf den Jesus als einen Imperator, als einen Triumphator, als denjenigen, der im Grunde genommen doch nur, ich möchte sagen, so aus der Seele heraus geistige Eigenschaften enthält, wie die Seele über­haupt - gemäß dem Entscheid des Konzils von Konstantinopel 869 -geistige Eigenschaften enthält. Des Christus ist im Grunde genommen das neuere Bewußtsein noch nicht inne geworden. Der Christus als ein überirdisches, übersinnliches Wesen soll von anthroposophischer Gei­steswissenschaft erkannt werden, er soll erkannt werden als dasjenige, was sich aus außerirdischen Sphären mit der Erdenentwickelung ver­bunden hat, weil diese Erdenentwickelung etwas braucht, was eben bis­her nicht da war. Im Grunde genommen handelt der Katholizismus noch gar nicht von dem Christus, er handelt nur von dem Jesus. Und die modernen evangelischen Bekenntnisse sind ihm in dieser Beziehung

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durchaus nachgefolgt. Eine wirkliche Christologie ist noch nicht ent­standen außerhalb der anthroposophischen Geisteswissenschaft. Und diese wirkliche Christologie hängt damit zusammen, daß der Mensch den Geist aus seinem freien geistigen Bewußtsein heraus findet, daß er ihn findet, trotzdem er hinschreitet über ein Leichenfeld mit einer Naturwissenschaft, die ihm überall Geistloses zeigt und zeigen muß. Das sieht das orientalische Bewußtsein nicht. Es sieht noch nicht, daß gerade dadurch der Mensch das Weltbewußtsein verliert in seinem wis­senschaftlichen, technischen und sonstigen, in der neueren Zeit auch künstlerischen Verkehr mit der Außenwelt. Dadurch, daß der Mensch dieses Weltbewußtsein verliert, wird er um so mehr aufgefordert, aus seiner inneren Kraft heraus ein solches geistiges Weltbewußtsein zu finden.

In der Tat, dieses Weltbewußtsein ist da. Es ist im Keime vorhanden. Es strebt aus dem Goetheanismus heraus, aus demjenigen, was an­gestrebt worden ist um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert, es strebt also heraus aus demjenigen, was da gesucht worden ist. Und man kann einen geraden Weg finden, indem man immer weiter und weiter geht, vom Goetheanismus in die moderne Geisteswissenschaft hinein. Nur handelt es sich durchaus darum, daß man fähig werde, den leben­digen Geist zu ergreifen und zu erkennen, wie in der modernen Geistes­wissenschaft nicht eine Ideologie gegeben wird, nicht bloß Ideen ge­geben werden über den Geist, sondern Ideen gegeben werden, die der Geist selber in die Welt hereinschickt. Das ist dasjenige, was durch­schaut werden muß, daß man in den modernen abstrakten Lehren über­all nur Ideen hat von irgend etwas, daß aber in der Geisteswissenschaft Ideen gegeben werden, die aus dem Geiste selber hervorquellen, die ge­wissermaßen eine geistige Uroffenbarung wieder sind, daß also die Welt durch ihren Geist sich selber ausspricht in der Geisteswissenschaft, daß wir wiederum den lebendigen Geist haben.

Nun aber müssen wir uns durchaus klar sein darüber, daß vieles überwunden werden muß von dem Kleinlichen in unserem gegenwärti­gen Zivilisationsleben, wenn wir uns so stellen wollen zu diesen großen Dingen. Die Menschen neigen heute in großen Scharen, auf großen Gebieten, zum Katholizismus hin, und der Katholizismus hat ein innerliches

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Triumphatorgefühl, indem alle Zeichen dafür sprechen, daß er es vermag, das neue Geistesstreben zunächst totzutreten, daß er es ver­mag, alles dasjenige auszulöschen, was irgendwie da war als Beginn eines solchen neuen Geistesstrebens, daß er gewissermaßen damit aus­löschen kann alles dasjenige, was Neues in der Erdenentwickelung hin­zukommen soll zu dem Alten. Dieser Wille des Auslöschens ist durchaus vorhanden.

Nun ist aber heraufgezogen in der neueren Zeit innerhalb der Men­schengemüter im Grunde genommen ein furchtbarer seelischer Agnosti­zismus, verbunden eben mit der rachitischen Art, nach Weltanschauung zu streben. Die Menschen wollen ein Bewußtsein in ihre Seele herein-bekommen, daß diese Seele mit einer geistigen Welt in Beziehung steht; aber sie wollen nicht ihren Willen anspornen, sie wollen nicht ihre «Freiheit» verlieren, um an dasjenige heranzukommen, was allerdings eine innere Tätigkeit fordert: das Ergreifen des Geistes durch die Gei­steswissenschaft. Sie wollen passiv ihre Seele vereinigen mit dem Geisti­gen, sie wollen nicht durch die Schwierigkeiten hindurchgehen, durch die man allerdings hindurchgehen muß im aktiven Ergreifen des Geistes. Ich möchte sagen: die faulen Gemüter, die aber doch Ewigkeitssehn-süchte entwickeln, die suchen heute den Weg zurück zu alten Welt­anschauungen, weil sie nicht die Kraft in sich fühlen, aktiv den Gott in ihrer Seele aufzunehmen. Die Menschen sind ja heute überall darauf aus, ihre Urteile ganz kurz zu schürzen, überall nur dasjenige zu sehen, was ihnen auf dem Präsentierteller dargeboten wird. Sie wollen sich politische, soziale Urteile aus demjenigen, was offen zutage liegt, ver­schaffen und sind dann von einem solchen seelischen Egoismus, daß sie gar nicht merken, wenn ihnen von anderer Seite einmal ein Urteil ent­gegentritt, das auf der breiten Basis eines reicheren Wissens sich aufzu­bauen versucht. Das ist gerade dasjenige, was heute so schmerzlich berührt in unserer dekadenten Zivilisation, daß die Menschen so leicht sich schürzen mit ihren Urteilen. Ich möchte, um das zu erhärten, Ihnen ein Beispiel vorführen, das weit abliegt von den Betrachtungen, die wir eben gepflogen haben. Sehen Sie, hier wurde ja vieles zusammengetra­gen, nicht um dogmatische Anschauungen zu verbreiten über die letzten katastrophalen Jahre der modernen Zivilisation, sondern um eben die

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Grundlage zum selbständigen Urteilen abzugeben. Es wurde immer versucht, diese Urteile in eine möglichst weitherzige, aber damit auch wahre Richtung zu bringen.

Nun, wie viele Menschen sind heute zufrieden, wenn sie nur ein paar Urteile oder das oder jenes haben, was ihnen der allgemeine Journalis­mus bietet. Da ergehen sich zum Beispiel die Menschen über die Ent­stehung dieser Kriegskatastrophe, die in den letzten Jahren so viele Menschenleben gefordert hat, da hören sie die Staatsmänner reden und dergleichen, und sie nehmen diese Dinge hin, weil erstorben ist - inner­halb des allgemeinen Leichenfeldes der modernen Weltanschauung kön­nen eben solche Dinge ersterben - das Gefühl dafür, daß an einer be­stimmten Stelle stärker die Wahrheit zutage tritt als an einer anderen Stelle, daß man unterscheiden muß zwischen der einen und der anderen Stelle. Denn sehen Sie, für die Beurteilung der europäischen Lage scheint mir wichtiger als manches, was sich die Leute in der neueren Zeit haben aufbinden lassen, zum Beispiel das Folgende, das jetzt herausgekommen ist dadurch - an diesem Ort ist das Urteil längst in diese Richtung ge­bracht worden, und Dinge, wie sie jetzt herausgekommen sind, sind ja nur neuerliche Belege dafür-, daß unter anderen auch der im Jahre 1914 am russischen Hof befindliche französische Botschafter Paléologue mit einer wirklich senilen Art von Geschwätzigkeit seine Memoiren ge­schrieben hat. Sie schreiben ja alle Memoiren, nur ist einer ein wenig verlogener, der andere ein wenig geschwätziger; und dieser französische Botschafter hat mit einer großen Geschwätzigkeit berichtet, was er in Petersburg erlebt hat. Da wurden ja bei der Anwesenheit des Präsiden­ten der französischen Republik, Poincaré, großartige Feste gefeiert. Am Vorabende eines solchen Festes sprachen mit dem französischen Bot­schafter die beiden dämonischen Menschen, Anastasia und Militza, die Töchter des Königs Nikita von Montenegro. Diese beiden Unheils­frauen haben dazumal ihr Herz dem französischen Botschafter aus­geleert. Es war am 22. Juli 1914. Der französische Botschafter teilt wörtlich mit, was sie ihm gesagt haben: und spielen. Ich habe heute von meinem Vater ein Telegramm

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in der vereinbarten Fassung erhalten. Er meldet mir, daß der Krieg noch vor Schluß dieses Monats ausbrechen wird ... Ach, was ist mein Vater für ein Held!» ... «Von Usterreich wird nichts mehr übrig bleiben... Sie werden sich Elsaß und Lothringen zurücknehmen ... Unsere Armeen werden sich in Berlin vereinigen... »

Auf solche Dinge muß auch hingeschaut werden, wenn man die Situation der Gegenwart beurteilen will. Da gibt es keine Ausrede, daß man ja solche Dinge nicht gewußt habe, insbesondere keine Ausrede unter denen, vor denen gearbeitet worden ist nicht auf ein dogmatisches Urteil hin, sondern so, daß die Grundlagen geschaffen worden sind, um ein Urteil zu bilden. Aber ich will ja das nur als ein Beispiel anführen dafür. Sie können in den Memoiren von Paléogue noch manche an­dere interessante Tatsache finden, denn der schwätzt eben mit einer gewissen Senilität tatsächlich das Merkwürdigste aus. Es wird das von mir nicht angeführt jetzt, um über die Ursachen des Krieges etwa zu sprechen, sondern es wird angeführt für dasjenige, was der modernen Menschheit so nötig ist, sich anzueignen. Man hört so vieles in der Welt. Man muß sich ein Gefühl aneignen dafür: da ist etwas von der Wahr­heit zu finden, dort ist nichts von der Wahrheit zu finden. Die Welt äußert sich nicht so, daß man zufrieden sein kann mit einem leicht­geschürzten Urteile. Die Welt äußert sich so, daß man ein Gefühl dafür haben muß, an welchem Orte die eigentliche Wahrheit zu finden ist. Die äußere Sinneswelt ist durchaus eine Maja, und sie ist sogar soweit eine Maja, daß auch im Gebiete des Moralisch-Ethisch-Politischen unter Umständen wichtiger sein können als die Urteile der Gesandten und Minister die Urteile von zwei solchen Unheilsfrauen, wie die Ana­stasia und die Militza es gewesen sind. Denn schließlich ist dasjenige, was die Minister im Jahre 1914 vorausgesagt haben, nicht eingetroffen; aber wenn die Anastasia und die Militza sagten: Vor Ende des Monats haben wir einen Krieg, welch ein Held, unser Vater! Von Österreich wird nichts übrig bleiben; Sie werden Elsaß-Lothringen wieder neh­men -, dann waren diese dämonischen Weiber durchaus Prophetinnen, denn, was die gesagt haben, ist eingetroffen, und nicht, was die Minister oder Generäle gesagt haben. Die Welt ist durchaus ein kompliziertes Gebilde, und nur derjenige begreift, wie kompliziert es ist, was uns als

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Welt entgegentritt, was uns da zunächst als Maja vorliegt, der einen guten Willen hat zur Wahrheit, zur Wahrheitserforschung. In den Wis­senschaften haben wir gelernt, auf die Wahrheit nur oberflächlich hin-zuschauen. Das hat sich aber in bitterer Weise hineingetragen in das ganze moderne Leben. Das ist etwas, was durchaus gerade auf unserem Boden gründlich berücksichtigt werden muß. Denn wenn wir uns nicht aufraffen zum Aufwachen über dem Sumpfe von Urteilen, in dem die Menschheit sich heute befindet, so können wir solche über alles Klein­liche hinausgehende Gesichtspunkte, wie sie notwendig sind, um den modernen Hüter der Schwelle von dem antiken Hüter der Schwelle zu unterscheiden, um zu wissen, was der Menschheit wirklich frommt, nicht finden. Wir müssen uns klar sein darüber, daß die in sich trägen Gemüter, die aber eine lebendige Sehnsucht nach dem Ewigen haben, und die außerdem egoistische Seelen sind, in großen Scharen dort hin-laufen möchten, wo etwas Altbewahrtes ist, und daß sie es vermeiden, ihre Seele aufzuraffen, um mitzuarbeiten an der Aufnahme des gött­lichen Geistes in den unmittelbaren Willen des Menschen. Es ist heute die schwere Entscheidungsstunde, in de? sich zeigen muß, ob innerhalb der modernen Zivilisation die Kraft vorhanden ist, auf dem Leichen-felde des modernen Naturerkennens den Geist zu finden. Wenn das sein kann, dann mögen noch so viele in ihrer Passivität das Ewige bei dem schon Bestehenden suchen, und es mögen noch so viele orientalische Kritiken kommen, sie werden nur dasjenige treffen, was dekadent ist in der europäischen Zivilisation, nicht aber dasjenige, was in ihr frucht­bar ist, was werdend ist, woran aber allerdings gearbeitet werden muß.

Die Entscheidung ist um so bedeutungsvoller, als ja die alte orien­talische Kultur noch Geistigkeit hat, und sie tatsächlich eine ihr ver­wandte Geistigkeit findet im römischen Katholizismus. Wenn die mo­derne Zivilisation nicht zur Geistigkeit kommt, dann werden Orien­talismus und Römertum unbedingt die Welt überschwemmen. Wenn die moderne Zivilisation aus sich heraus zur Geistigkeit kommen will, so werden sie nichts wider diese Geistigkeit vermögen, denn diese Gei­stigkeit entspricht einmal den letzten Entwickelungsstadien unserer Erdenentfaltung. Aber die große Entscheidungsstunde ist da. Nur der­jenige weiß, was heute vorgeht, der das Wesentliche in dieser Entscheidungsstunde

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sieht, und der entschlossen ist, diese Dinge wirklich im allertiefsten Ernste zu nehmen.

Dazu ist allerdings notwendig, daß die Menschen sich aneignen ein gründliches, tiefes, ernstes Wahrheitsgefühl. Anthroposophische Gei­steswissenschaft verkennt nicht dasjenige, was an Geistesinhalt in den alten Strömungen lebt. Anthroposophische Geisteswissenschaft kennt die Gefahr, die darinnen besteht, daß orientalisches Chinesentum sich europäischem Chinesentum verwandt findet, und daher verstehen wir, wie gerade auch Intellektuelle in Scharen hinlaufen zu dem europä­ischen Chinesentum, denn da finden sie, wenn sie nur passiv bleiben wollen, dasjenige, was sie als Ewiges mit ihrer Seele vereinen können. Sie finden es eben nur auf luziferische Weise, indem sie zurückbleiben in denjenigen Epochen der Erdenentwickelung, die eigentlich ver­gangene sind. Es würde die Erde um ihre Entwickelung gebracht, wenn das geschehen würde. Man braucht durchaus nicht blind zu sein gegen die Größe der katholischen Glaubenslehre; aber gerade wenn man nicht blind ist, sondern wenn man sie anerkennt, dann erkennt man auch ihren Zusammenhang mit demjenigen, was die Menschenseelen bereits durchgemacht haben, und man erkennt die Notwendigkeit, daß ein Neues hereindringe. Die Frage kann aber entstehen: Wie kommt es denn, daß das viel ehrlichere orientalische Geistesstreben, das aus alten Zeiten herübergekommen ist, noch gar nichts sieht von demjenigen, was aus der ganz modernen europäischen Zivilisation heraufdringt, sich heraufarbeitet, und was eigentlich in seiner Geistverwandtschaft von dem Orientalen durchschaut werden könnte?

Ja, die Menschen hängen, auch wenn sie Orientalen sind, doch eben an demjenigen, was ihnen äußerlich entgegentritt. Und was tritt äußer­lich den Leuten entgegen? Gewiß, anthroposophische Geisteswissen­schaft wird immer bekannter und bekannter; aber sehen Sie auch, wie man an zahlreichen Stellen eben sattsam dafür gesorgt findet, wie anthroposophische Geisteswissenschaft bekannt wird! Das ist ein Ka­pitel, über das immer wieder und wiederum gesprochen werden muß, denn für diejenigen, die sich überhaupt bekennen wollen zu dieser anthroposophischen Geisteswissenschaft, ist es durchaus notwendig, daß dies bekannt werde.

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Hier haben Sie zum Beispiel ein Blatt, Evangelisches Missionsmaga­zin, herausgegeben von Fr. Wirz, neue Folge, 65. Jahrgang, Februar 1921, Basel, Verlag der Basler Missionsbuchhandlung. Hier steht die Besprechung eines Buches von D. L. J. Frohnmeyer, «Die theosophische Bewegung, ihre Geschichte, Darstellung und Beurteilung», aus der klar hervorgeht, daß dieses Buch hinaufgehoben werden soll innerhalb der christlich-evangelischen Glaubensgemeinschaft zu einem tonangeben-den Katechismus über dasjenige, was Anthroposophie ist. Es wird dieses Büchelchen von Frohnmeyer geradezu als dasjenige hingestellt, was mit großer Gewissenhaftigkeit der Menschheit enthüllt, was die anthropo­sophische Bewegung enthält, das heißt, es wird das Urteil verbreitet:

Will man wissen, was Anthroposophie ist, so lese man den Frohnmeyer. -Die Leute wissen, wie man es macht. Die stellen einen Katechismus hin, aus dem sich ihre Gläubigen unterrichten können. Und gleich angefügt ist eine Besprechung des Buches: «Die Hetze gegen das Goetheanum», in der unter anderem recht schön gesagt wird, unerfreulich sei diese Entgegnung, diese Hetze, weil auch die Entgegnungen von anthropo­sophischer Seite nicht vorbildlich seien. Dr. Steiner gerate auf diese Weise in eine Unwahrheit wider besseres Wissen.

Nun habe ich nachgeschaut auf Seite 20 des Büchelchens: «Die Hetze gegen das Goetheanum», ob da irgend etwas steht, was in dieser Rich­tung charakterisiert werden könnte. Da steht aber: «Dr. Boos hat, um den Fehdehandschuh aufzunehmen, geschrieben: das ist eine wissent-liche Unwahrheit. Es ist selbstverständlich eine wissentliche Unwahr­heit, denn man muß wissen, daß man die Akasha-Chronik in keinem Bücherschrank finden kann, weil man sie nicht als physisches Doku­ment haben kann. Sie existiert nicht als solches.»

Hier ist keine Definition enthalten, hier ist nichts enthalten, was etwa gegen die «Definition» verstoßen würde, daß das eine Unwahrheit wider besseres Wissen ist; denn derjenige, der von der Akasha-Chronik als von einem physischen Dokument schreibt, der muß wissen, daß er sie ja in seiner Bibliothek nicht haben kann, so wie man die Upanisha­den oder die Bhagavad-Gita in seinem Bücherschrank stehen hat.

Es wird ja geradezu nachgewiesen, daß das wider besseres Wissen gesagt sein muß, und dann schreibt der Rezensent, daß ich eine «Definition»

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gegeben habe! Es steht auf der ganzen Seite keine Definition, sondern es ist gerade nachgewiesen, daß dieser Kully wider besseres Wissen behauptet habe, die Akasha-Chronik sei ein physisches Doku­ment. Trotzdem wird hier gesagt, ich hätte definiert wissentliche Un­wahrheit - wider besseres Wissen! Natürlich ist es außerdem noch eine scheußliche Anschauung, die Heinzelmann vertritt, denn dahinter kann sich jeder mit allem verschanzen, indem er nachher behauptet, er hätte es nicht wider besseres Wissen gesagt, sondern er hätte es eben geglaubt. Daß das überhaupt möglich ist, das ist wieder eine andere Frage, die unseren ganzen dekadenten oberflächlichen und bequemen Wissen­schaftsbetrieb betrifft. Aber das andere, was hier gesagt wird, das ist wiederum eine wissentliche Unwahrheit, denn dasjenige, was hier ge­schrieben ist, kann man nur schreiben wider besseres Wissen. Es steht keine Definition auf Seite 20, es ist darauf hingewiesen, daß da wider besseres Wissen etwas behauptet worden ist. Es ist also hier wiederum eine Unwahrheit gesagt wider besseres Wissen von demselben Menschen, der da oben sagt: «Gewiß finden sich auch irrtümriche Angaben über Anthroposophie in der Frohnmeyerschen Schrift.»

Weil man den Leuten die Sache vorgehalten hat, können sie jetzt nicht mehr diese Verlogenheit verbreiten, aber sie beginnen nun sie zu entschuldigen, indem sie sagen, daß ja der Pfarrer Frohnmeyer diese Behauptung von einem anderen Pfarrer übernommen hätte, der durch­aus für wahrhaftig gilt. - Nun, wie wahrhaftig er ist, das zeigt sich daran, daß dieser andere wahrscheinlich die Sache gesehen hat und dennoch diese Behauptung getan hat. So gehen die Leute mit der Wahr­heit um. Und diejenigen, die so mit der Wahrheit umgehen, nennen sich Träger der Theologie, sind die Lehrer unserer Jugend! Mir ist es hier nie darum zu tun gewesen, gegen Frohnmeyer oder Heinzelmann oder der­gleichen irgend etwas zu sagen, weil sie die Anthroposophie angegriffen haben; mir handelt es sich darum, daß Menschen, die so mit der Wahr­heit umgehen, die einen solchen Begriff von der Wissenschaftlichkeit haben, die Zerstörer der jugendlichen Gemüter sind, mir handelt es sich darum, zu zeigen, wohin unsere Wissenschaft gekommen ist, ganz ab­gesehen davon, welche Angriffe gegen Anthroposophie gemacht wer­den. Die sind mir ganz gleichgültig, weil ich ja zu gut weiß, daß ein

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solcher Satz eine andere Bedeutung hat als diejenige, die dieser Heinzel­mann mir beilegt. Da wird gesagt, daß der Pfarrer Frohnmeyer dem jetzigen Mittelpunkt der Anthroposophie räumlich nahe stehe und sich in die Schriften nach Möglichkeit gründlich eingelesen habe. - Daß diese Möglichkeit eben keine große ist, das weiß ich so genau, daß ich gegen das, was der Pfarrer Frohnmeyer gegen die Anthroposophie sagt, im Grunde genommen gar nichts Besonderes einzuwenden habe. Denn alle diese Leute, die können die Sache nicht verstehen. Die Hauptsache ist, daß man sich gegen den Geist, der hier in die Wissenschaftlichkeit hineingekommen ist, ganz entschieden auflehnen muß. Das ist es, wor­auf es ankommt, denn es ist der Geist der Unwahrhaftigkeit, es ist der Geist, der diese Unwahrhaftigkeit hinter allen möglichen Mäntelchen verbirgt. Und das ist dasjenige, was nicht oft und nicht scharf genug hervorgehoben werden kann: Solange an den Universitäten in dieser Weise mit der Wahrheit umgegangen wird, so lange können wir nicht über dasjenige hinauskommen, in dem wir so tief drinnen stecken, denn diese Leute sind es, die systematisch das Urteil formen. Wenn von den autoritativen Seiten aus die Frohnmeyerische Schrift wie ein Katechis­mus ausgegeben wird, und wenn diese Dinge gelesen werden im Oriente, dann liest selbstverständlich der Orientale zunächst aus der Darstel­lung der Theosophie all das Gewäsche, welches nur eine Verwässerung desjenigen ist, was er in seinem Orientalismus selbstverständlich viel besser kennt, und er findet als ein Kapitel innerhalb dieser europäischen Verwaschung der orientalischen theosophischen Lehre die Anthropo­sophie eingereiht nach den Begriffen von Heinzelmanns und Frohn­meyers und er kann sich natürlich daraus keine Vorstellung machen, was da eigentlich gewollt ist. Denn es wird ihm eingetrichtert, daß es sich um Aufwärmung alter gnostischer Lehren und so weiter handle. Kurz, es wird dem Orientalen ein Bild beigebracht, das ihm durchaus keine Vorstellung geben kann, wie man aus der ganz modernen euro­päischen Zivilisation wiederum eine Geistanschauung finden kann. Kein Wunder also, daß auch derjenige, der fähig wäre im Oriente, sol­che Dinge zu sehen, sie im falschen Lichte sehen muß.

Das ist es, was doch wieder und immer wiederum unter uns gesagt wer­den muß, weil es ganz scharf und intensiv in das moderne Bewußtsein

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hineingehen muß; und auch die Frage muß eigentlich berührt werden, warum denn ein solcher Wust von Unwahrheit über die Anthroposophie ausgeladen wird? Ja, weil die Herren sich gestört fühlen! Denken Sie doch nur,wenn in derFrohnmeyerischenWeisevorderGläubigenschaft gelehrt und gearbeitet wird, dann rechnet man selbstverständlich damit, daß nicht nachgerechnet wird, daß nicht nachgeschaut wird. So kann man nur schreiben, wenn man eine urteilsiose Menge vor sich hat, die auf blindes Autoritätsgefühl und auf blinden Glauben wie eine Herde nach-folgt demjenigen, was ja von höheren Mächten über sie eingesetzt ist. Das ist den Herrschaften unangenehm, daß herangezogen werden soll inner­halb der Anthroposophischen Gesellschaft eine Menge von Menschen, die urteilsfähig werden über diese Dinge, die nachsehen in diesen Dingen.

Dann allerdings muß es aber auch so sein, daß sich diejenigen, die Angehörige sind der Anthroposophischen Gesellschaft, verpflichtet fühlen, wirklich nachzusehen. Mir kommt es heute nicht darauf an, daß gar so viel Wesens gemacht wird von den Verteidigungen gegenüber den Verleumdungen und den Unwahrheiten der Gegner, sondern heute kommt es darauf an, daß diesen Gegnern ihr eigenes Spiegelbild vor Augen gehalten wird, daß zum Beispiel so etwas charakterisiert wird, was in unserem modernen wissenschaftlichen Leben an Wahrhaftigkeit herrscht. Derjenige dient uns am besten, der dieser modernen Wissen­schaft den Spiegel vorhält aus den Tatsachen heraus, die ja auf Schritt und Tritt gefunden werden können. Wir kommen selbstverständlich auf keinen grünen Zweig, wenn wir uns bloß verteidigen gegen das­jenige, was da als Verleumdung und Unwahrhaftigkeit heute auftritt, denn bei solchen Verteidigungen kommt doch nichts heraus als Rede und Gegenrede, und wenn man die Wahrheit der Unwahrheit gegen­überstellt, so verquasseln diejenigen, denen man gegenübersteht, die Sache so, daß man niemals mit den Dingen fertig wird. Denken Sie sich, welche Bandwürmer schon entstanden sind dadurch, daß Gegner immer gedreht und gewendet haben. Dasjenige, worauf es ankommt, ist, auf­merksam zu machen, welcher Geist oder Ungeist in der modernen Wis­senschaftlichkeit, in dem modernen Religionsbetrieb und so weiter drinnensteckt und den Leuten ihre eigene Gestalt im Spiegel einer wirk­lichen geistigen Charakteristik, die man geben kann vom Gesichtspunkte

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der Geisteswissenschaft aus, vorzuhalten. So daß wirklich end­lich eine Diskussion entsteht über dasjenige, was in der Gegenwart be­sprochen werden muß. Dadurch kommen keine Diskussionen heraus, daß wir uns nur immer verteidigen. Das muß selbstverständlich im ent­scheidenden Augenblicke, und es muß auch immer wieder und wieder­um geschehen. Es ist aber im Grunde genommen das Untergeordnete. Das Wichtige ist, daß wir uns bekanntmachen mit dem Ungeist, der herrscht, und daß wir diesen Ungeist überall - in seinen Schlupfwinkeln braucht man nicht zu sagen, denn er prangert sich an auf öffentlichen Straßen -, daß wir ihn überall charakterisieren. Das ist es, worauf es ankommt.

Das ist allerdings etwas schwieriger, als bloß zu verteidigen. Denn man kann natürlich sehr leicht die Prozedur machen und auf jeder Seite die Wahrheiten und Unwahrheiten nachweisen. Aber darum allein han­delt es sich nicht, sondern es handelt sich darum, aus der ganzen Deka­denz der Gegenwart heraus so etwas zu charakterisieren, vor allen Dingen darauf Wert zu legen, was das für einen Niedergang bedeutet, wenn solcher Geist herrscht, für den es nur ein Exempel sein soll, was einem da als Charakteristik der Anthroposophie entgegentritt. Uns soll nichts daran liegen, wenn die Leute schimpfen, uns aber soll alles daran liegen, was es für ein Geist ist, der sich ausspricht, dieser Geist der Un­wahrhaftigkeit und Verleumdungssucht, die auftritt. Das Exempel soll Symptom sein, größere Gesichtspunkte über dasjenige abzugeben, was gegenwärtig herrscht. Das ist etwas, was ich durchaus einmal ausspre­chen mußte, namentlich weil die Arbeit ja ohnedies immer schwieriger wird. Mit der Verbreitung der anthroposophischen Lehre geschieht es, daß man wahrhaftig schon froh ist, wenn man noch einen Zeitungs­bericht in die Hand bekommt, wo nichts steht über Anthroposophie. Man kann aus den unglaublichsten Schlupfwinkeln etwas über sie her­auskommen sehen. Man liest ein Feuilleton über Carlyle und Nietzsche in der «Neuen Zürcher Zeitung», und man kommt plötzlich an eine Zeile, die gar nichts mit dem übrigen zu tun hat und wo es heißt, Nietz­sche habe den Goethe ebenso verballhornt wie es der Steiner tut. - Über­all finden Sie da und dort solche Dinge. Und das ist die Methode, wie man die Urteile schmiedet.

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Wenn wir nicht auf dem Plane stehen und einmal diese ganze Gei­stigkeit in ihrer ganz unglaublichen, dekadenten Art vor die Welt hin­stellen, so daß die Welt es begreift, so kommen wir nicht weiter. Das ist es einmal, was in der Gegenwart immer mehr und mehr an uns heran­tritt, so daß die Ausbreitung der Aufgaben ja auch meine Arbeitskraft

- ich darf das heute wohl sagen - überlastet, und ich zu vielem nicht kommen kann, wozu ich gerne kommen würde. Es ist aber auch noch das vorhanden, daß die Zahl derjenigen, die wirklich mitarbeiten in tätiger Weise an dem, was heute notwendig ist, leider eine viel zu ge­ringe ist. Es handelt sich heute darum, daß durch dasjenige, was durch die Anthroposophische Gesellschaft als Notwendigkeiten entsteht, die Bewegung Formen angenommen hat, die notwendig machen, daß viele Mitarbeiter da sind. Ein einzelner Mensch könnte durchaus die Lehre, um die es sich handelt, als einzelner Mensch vertreten; dann würde er auch die Mittel und Wege finden, um alles dasjenige zu tun, was not­wendig ist, um diese Lehre in die Welt hineinzustellen, soweit es ein ein­zelner Mensch vermag. Da es sich aber hier um eine Gesellschaft han­delt, so wachsen aus der Gesellschaft heraus Verpflichtungen, die gar nicht zusammenhängen mussen mit dem, was ein einzelner Mensch ver­mag. Hier handelt es sich daher darum, daß tatsächlich, nachdem die Gesellschaft gewisse Dinge in Angriff genommen hat, es unbedingt not­wendig ist, daß aus dieser Gesellschaft immer mehr und mehr Menschen herauswachsen, welche in entsprechender Weise heute vor der Welt aktiv und tätig für dasjenige eintreten, um was es sich handelt. Die Zahl derer aber, welche heute aktiv arbeiten, aktiv eintreten, ist leider eine sehr geringe, und für die verschiedensten Arbeiten muß man immer wieder und wiederum an dieselben Menschen appellieren.

Als es sich hier einmal um die Gründung von irgend etwas handelte, sagte ich, alles andere mache mir keine Sorge, als einzig und allein das, daß man in der Gegenwart so wenige Menschen finde, die irgendeiner Lage wirklich gewachsen sind. Das ist es, was man auf der einen Seite berücksichtigen muß; auf der anderen Seite ist es aber auch das, daß es sich hier nicht um die Taxierung von ursprünglichen Fähigkeiten han­delt, die wären da, aber sie werden nicht aus den Gemütern der Men­schen herausgeholt. Die Menschen wollen nicht Aktivität aus ihren

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Seelen herausholen. Das ist es, um was es sich heute handelt. Sie möch­ten sich passiv an dasjenige hingeben, was da ist. Es ist leichter, sich zu fragen: Welcher Partei schließe ich mich an? - als: Was ist die Wahrheit über eine Sache? - Denn die Partei ist da, die Kirche ist da und so wei­ter, da kann man sich passiv verhalten. Dasjenige aber, um was es sich heute für den Menschen handelt, ist, seinen Weg in die Wahrheit selber zu suchen und aktiv an dem Wahren mitzuarbeiten. Wenn dieses nicht in hinlänglicher Weise verstanden wird, dann wird eben auch die große Entscheidung nicht verstanden, vor der der Mensch in der neueren Zeit steht, und dann kommen wir nicht weiter. Weiter kommen können wir heute nür dadurch, daß wir dasjenige, was so eindringlich vor die Welt hingestellt werden kann durch die Geisteswissenschaft, auch wirklich beherzigen, wirklich die Mittel und Wege finden, in den notwendigen Richtlinien zu arbeiten, daß wir uns nicht scheuen, einzudringen in das, was ist, um es in der entsprechenden Weise vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft vor die Welt wie aus einem Spiegel hinzustellen.

Ich stehe vor einer holländischen Reise, muß vorher noch eine Zeit­lang in Deutschland sein. Bevor ich abreise, werde ich noch an dem ein­zigen Tage, der gegeben ist, und zwar am Dienstag um halb neun Uhr, damit ich die eurythmischen Übungen nicht störe, einen letzten Vor­trag vor meiner Abreise halten, in dem ich Verschiedenes zusammen­fassen werde, was ich Ihnen gerade jetzt zu sagen noch für notwendig halte.

ZWÖLFTER VORTRAG Dornach, 8. Februar 1921

#G203-1989-SE200 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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ZWÖLFTER VORTRAG

Dornach, 8. Februar 1921

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Ich habe mir vorgenommen, heute noch diesen Vortrag zu halten, weil vor der bevorstehenden längeren Reise doch über einiges, das gerade zusammenhängt mit wichtigen Aufgaben der anthroposophischen Be­wegung, wenigstens mit den Intentionen wichtiger Aufgaben, geredet werden sollte. Ich möchte nur aphoristisch heute auf einiges aufmerk­sam machen. Wir haben gar sehr Veranlassung, die geschichtliche Ent­wickelung der anthroposophischen Bewegung immer wieder und wie­derum uns vor Augen zu führen, denn diese anthroposophische Bewe­gung hängt davon ab, daß sie von denjenigen, die ihre Träger sein wol­len, in der richtigen Weise aufgefaßt und auch angefaßt werde. Wir müssen durchaus eingedenk des Umstandes sein, daß durch ihre eigene Natur, durch ihre ganze Wesenheit diese anthroposophische Bewegung herausgewachsen ist aus demjenigen Stadium, in dem es möglich war, gewissermaßen vor der Welt eine Art unvermerkten Daseins zu führen. Wir dürfen diese Tatsache, die innerhalb der Entwickelung der anthro­posophischen Bewegung eine der wichtigsten ist, durchaus nicht über­sehen. Wir müssen uns ja klar darüber sein, daß die anthroposophische Bewegung so begonnen hat und eigentlich auch so beginnen mußte, denn man kann ja überall nur aus den realen Verhältnissen heraus irgend etwas schaffen, daß kleine Gruppen zusammentraten und in kleinen Gruppen gruppenmäßig gearbeitet wurde. In diese kleinen Gruppen wurde aber vielfach, das läßt sich nicht leugnen, hineingetra-gen etwas von dem durchaus Sektiererischen der alten theosophischen Bewegung. Das wurde von verschiedenen Seiten doch auch als, ich möchte sagen, eine Arbeitsgewohnheit mancher unserer Mitglieder an­genommen; aber wiederum ist dasjenige, was der Inhalt der hier ge­meinten anthroposophischen Geisteswissenschaft ist, vom Anfange an so gewesen, daß es unmöglich in irgendein sektiererisches Gebaren hin-einpaßte. Stark hat sich das ja gezeigt bei allem, was einem entgegen­treten konnte, als hier in Dornach der Bau dieses Goetheanums be­gonnen wurde. Man meinte vielfach in Mitgliederkreisen, daß es möglich

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sei, einen solchen Bau vor die Welt hinzustellen und doch gewisse alte sektiererische Usancen beizubehalten. Solche sektiererischen Usan­cen sind ja nur allzu begreiflich, denn sie sind üblich in allen Theoso­phischen Gesellschaften, sie sind üblich in manchen Orden und der­gleichen, wo tatsächlich zumeist in dem Sinne gearbeitet wird, den man einen obskuren Sinn nennen kann, wo sorgfältig vermieden wird, sich auseinanderzusetzen mit demjenigen, was nun einmal betrachtet werden muß, wenn eine Bewegung einen allgemeinmenschlichen Charakter in sich tragen soll.

Die Gewohnheiten des Arbeitens in gewissen Orden und in den theo­sophischen Bewegungen konnten schon deshalb durchaus nicht an­wendbar sein auf dasjenige, was der Inhalt war, der sich auswirkte durch die anthroposophische Bewegung, weil diese anthroposophische Bewegung, trotzdem sie zum Herzen und zum Gemüte eines jeden ein­zelnen Menschen spricht, doch zu gleicher Zeit vom Anfang an voll gewachsen war allen wissenschaftlichen Anforderungen, die nur in der Gegenwart irgendwie gestellt werden können. Das letztere ist ja eine Tatsache, die von vielen Seiten auch innerhalb der Mitgliedschaft durch­aus nicht ernst genommen worden ist. Es liegt ja in der Natur der Men­schen, daß sie auf der einen Seite voll drinnen stehen bleiben wollen in demjenigen, was nun einmal ihr, sagen wir, angestammter oder gewohn­heitsmäßiger Lebenslauf ist. Innerhalb dieses Lebenslaufes gibt es für sie dann eine gewisse isolierte Provinz. Sie sind nicht einverstanden mit demjenigen, was ihnen ihre religiöse Tradition gebracht hat, sie sind nicht einverstanden mit demjenigen, was sonst im populären Verbreiten einer Weltanschauung ihnen geboten werden kann, und da fühlen sie eine gewisse Befriedigung, wenn ihnen etwas geboten wird, was über dasjenige hinausgeht, was sowohl in der religiösen Tradition wie auch im allgemein platten, populären Weltanschauungsleben aus der materia­listischen Denkweise der neueren Zeit heraus gegeben werden kann. Aber man möchte doch gewissermaßen dasjenige, was man da bekommt, als etwas erhalten, dem man sich, ich will nicht sagen wie einer Art Sonntagsvergnügen, aber doch wie einer Sache hingibt, die so für sich dasteht, die nicht in das gewöhnliche Leben störend eingreift.

Eine solche Bewegung, wie sie die anthroposophische ist, die mit

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allen Lebenskräften der Gegenwart rechnet, kann das natürlich nicht. Eine solche Bewegung ergreift den ganzen Menschen, zieht ihre Kreise hinein in alle Einzelheiten des Lebens. Und man kann sie nicht wie irgend etwas Nebenhergehendes betrachten. Man mag sogar in Einzel­heiten in gewisse Konflikte hineinkommen, allein diese Dinge sind eigentlich durchaus unvermeidlich, und es läßt sich nicht leben inner­halb der Lebensgewohnheiten der Gegenwart in den verschiedensten Gebieten, indem man gewissermaßen auf der einen Seite wie ein braver Philister sich in dasjenige fügt, wozu einen das Leben gemacht hat, und dann, auf der anderen Seite, anthroposophische Lektüre pflegt, für sein Herz und sein Gemüt das anthroposophische Leben annimmt. Sehen Sie, das wäre ja das zunächst Bequemste, aber es entspricht nicht dem Inhalte desjenigen, was aus den Lebenskräften der Menschheitsentwik­kelung in der Gegenwart herausgegriffen ist als anthroposophisch orien­tierte Geisteswissenschaft. Ebensowenig ist mit dieser anthroposophisch orientierten Geisteswissenschaft, die einen Weltblick notwendig hat, einen Blick wirklich auf alles dasjenige, was das Menschenleben und das Weltleben als solches berührt, vereinbar dasjenige, was geliebt wird in dem Treiben gewisser Kreise, die eigentlich nur mehr aus einer gewissen seelischen Wollust heraus kleine abgeschlossene obskure Kreise bilden wollen und sich da allerlei Illusionen vormachen und allerlei obskure Mystik treiben und dergleichen. Mit solchen Dingen ist einmal das­jenige, was mit einem weiten Weltblick auf alle Verhältnisse des Lebens als anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft getrieben werden muß, durchaus nicht vereinbar. Und es ist schon notwendig, daß dieses mit aller Klarheit vor die Seelen unserer Mitglieder tritt, daß mit allem, was erinnert an irgendwelche sektiererische Usancen, gebrochen wird, denn heute steht die anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft so vor der Welt, daß sie zunächst ja von allen Seiten angegriffen wird, von allen möglichen Seiten verlästert wird. Das geschieht irgendeiner obskuren Bewegung durchaus nicht. Und ich kann Ihnen gleich etwas vorgreifend von einem Symptom sprechen, welches einem entgegen­tritt, wenn man das Februarheft der Monatsschrift «Die Tat» in die Hand nimmt. Ich werde gleich nachher noch ausführlich darüber spre­chen, weil gerade dieses «Tat»-Heft symptomatisch ist. Es tritt aber

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dasjenige, was überhaupt dazu führt, daß jetzt in ganzen Heften die anthroposophische Bewegung behandelt wird, im Falle eines ganz be­sonders unbegabten Behandlers, ich möchte sagen, mit einer brutalen Klarheit hervor.

Sie haben da einen Artikel - es sind alles Artikel, vom Anfang bis zum Ende dieses Heftes, über Anthroposophie -, der über «Anthropo­sophie und Christentum» handelt, der eben von einem ganz besonders unbegabten Behandler herrührt. In diesem Artikel finden Sie, ich möchte sagen, mit plumpen Fingern hingedeutet auf die Gründe, warum jetzt, von der Außenseite her, so viele Auseinandersetzungen stattfinden mit deni, was anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft ist. Der Herr sagt: «Solange die Anthroposophie esoterisch in Zirkeln gepflegt wurde, konnte man sie sich selbst überlassen, wie viele andere Neben-strömungen der Geistesgeschichte auch. Jetzt aber, da sie mit dem An­spruch hervortritt, die tragfähige Grundlage der gesellschaftlichen Er­neuerung zu werden, und das öffentliche, politische, kulturelle und soziale Leben auf das Denken und ihre aus zweiter und dritter Hand stammenden aufzubauen, ist es an der Zeit, diese durch Kultur- und Geistzerfall begünstigte zu durch­schauen und gebührend in ihre Grenzen zurückzuweisen, damit den echten Mächten der Erneuerung nicht ein Vorläufer entstehe, der fal­sches Zeugnis von ihnen ablegt.

Unserem Geschlecht aber, das in hellen Haufen sich der Anthropo­sophie zuwendet, entsteht ein Sinnbild in der ergreifenden Szene des ersten Buches Samuelis, als Saul vor seinem Todestag, gottverlassen, sich der Wahrsagerei ergab.»

Sie sehen, was den Leuten Veranlassung gibt, daß sie über die An­throposophie so schimpfend herziehen. Es ist das, was hier mit plumpen Fingern eben angedeutet und ausgesprochen wird in dem Satze: «Un­serem Geschlecht aber, das in hellen Haufen sich der Anthroposophie zuwendet...» Das ist es, daß eben Anthroposophie gewisse Wirkungs­quellen in sich enthält, durch die man sagen kann, daß die Leute - ver­zeihen Sie, wenn ich den Ausdruck wiederhole, er ist geschmacklos genug, weil man sich nicht vorstellen kann, was ein «heller Haufen» ist -, daß die Leute sich in «hellen Haufen» der Anthroposophie zuwenden.

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Aber das ist dasjenige, was die Angriffe bewirkt, und die Leute würden uns ganz gewiß in Ruhe gelassen haben, wenn wir so gearbeitet hätten, wie etwa, sagen wir, vom Jahre 1900 bis 1907 oder 1909. Ich persönlich bin ja dazumal auch nicht in Ruhe gelassen worden, aber jedenfalls haben die Angriffe, ich möchte sagen, aus einer engeren Ecke herausgeweht und waren nicht von einem solchen Willen zur Vernich­tung begleitet, wie sie es jetzt sind.

Was aber innerhalb unserer engeren Bewegung durchaus schwer ver­standen zu werden scheint, das ist eben die Notwendigkeit, aus dem Sektiererischen sich herauszuarbeiten. Sehen Sie, man kann von allem übrigen absehen - es könnte ja vieles selbstverständlich nach dieser Richtung angeführt werden -, aber man kann nicht ein solches Ge­bäude aufführen, wie der Dornacher Bau es ist, und weiter sich an gewisse obskure Sektiererusancen halten, wie sie durchaus gerade von der Mitgliederschaft der anthroposophischen Bewegung noch vielfach gepflegt werden. Man kann auch etwas anderes nicht tun. Man kann nicht ohne einen gewissen weltmännischen Sinn, ohne einen erweiterten Weltblick das tun, was wir tun; von der Art, wie wir es tun. Man kann sich ja zusammensetzen in kleinen Kreisen, ob es nun sechs oder vierzig Leute sind, das ist ganz gleichgültig, und irgendwie jemanden aus­posaunen meinetwillen zu einer Wiederinkarnation der heiligen Mag­dalena oder des Christus sogar und so weiter. Wenn das nicht über die engeren Kreise hinauskommt, kann man das ja tun, und man kann sich darinnen sehr wollüstig ergehen in bezug auf seine Seelenempfindungen. Man kann aber zum Beispiel nicht ohne einen gewissen Weltsinn mit so etwas, wie unsere Eurythmie es ist, vor die Öffentlichkeit hintreten. Es setzt voraus, daß diejenigen, welche sich beteiligen an einer solchen Bewegung, keinen muckerischen oder keinen engherzigen Sinn, sondern etwas Weltsinn haben, daß sie nicht irgendwelche sektiererischen Allüren haben, auch nicht irgendwelche Allüren, die dazu führen, sich nur in kleinen Zirkeln wohlzubefinden, sondern es setzt voraus, daß sie eben wirklich in alles das, was sie mit der Welt zusammenhält, das­jenige hineingetragen sehen möchten, was einer solchen Bewegung eigen sein muß, die ja nicht bloß eine Weltanschauungsbewegung ist, sondern die alles in sich schließt, was Geistiges und auch überhaupt Menschenleben

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ist. Daher ist es schon notwendig, daß die Auseinandersetzung zum Beispiel mit dem, was als irgendwelche geistigen oder sonstigen Strömungen heute in der Welt existiert, stattfindet. Das Sektiererische hat ja die Eigentümlichkeit, daß es zwar oftmals hochnäsig und mit einer großen Geringschätzung von allem spricht, was außerhalb ist, aber von dem was außerhalb ist, nicht viel versteht, daß es sich eben abschließen will, isolieren will. Das kann bei uns durchaus nicht auf die Dauer durchgeführt werden. Wenn unsere Bewegung ernst genommen werden will, ist es durchaus notwendig, daß nicht in derselben Weise über dieses oder jenes fortgeschwätzt werde, wie es vielfach üblich war, sondern es ist notwendig, daß man mit einem - ich muß das Wort immer wieder gebrauchen - gewissen Weltsinn sich ein Verständnis erwirbt für dasjenige, was vorgeht, und dabei von einem Gesichtspunkte aus, der der anthroposophischen Geisteswissenschaft entnommen ist, diese Dinge beleuchten, behandeln und so weiter kann. Das ist auf allen Gebieten notwendig. Gewiß, man kann sagen, der oder jener habe nicht Gelegen­heit, das oder jenes zu tun. Gewiß, man kann von dem, der nicht Ge­legenheit hat, das oder jenes zu tun, nicht verlangen, daß er dies oder jenes tue. Wir haben ja gerade in den letzten Wochen ausgiebige Erfah­rungen darüber machen können, daß sich gewisse Leute, die in der Bewegung sind, vorgenommen haben, nun auch zu handeln. Dabei ist oftmals etwas ganz Furchtbares herausgekommen. Und dazu muß man sagen: es ist vielleicht nicht durchaus von dem einen oder anderen zu verlangen, das oder jenes zu tun, wozu er sich nicht geeignet glaubt. Aber etwas ist durchaus möglich, nämlich gewisse Dinge zu unterlassen. Denn gewisse Dinge, die nicht unterlassen werden, wirken in der furcht-barsten Weise dann fort.

Meine lieben Freunde, ich meine damit nicht etwa so, daß man sagen könnte: Dann wird uns also zugemutet, daß wir uns in gar keiner Weise beteiligen. - Nein, das meine ich nicht, ich meine das Unterlassen ge­wisser Dinge, die man schon übersehen kann in ihrem geschwätzigen oder unsinnigen Charakter und dergleichen. Es ist, um nur ein Beispiel herauszugreifen, immerhin die Torheit vorgekommen, daß in Ver­sammlungen, die abgehalten werden, sich in der Gegnerschaft Mitglie­der unserer Bewegung beteiligen.

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Diese Dinge sind selbstverständlich schwer zu besprechen, weil man, sobald sie irgendwie in einer falschen Art vor die Welt hinausgetragen werden, sagen kann, es würde ein blinder Tatwille und eine blinde An­hängerschaft verlangt. Das ist durchaus nicht der Fall, sondern es han­delt sich bei den Dingen, die ich meine, eben um grobe Taktlosigkeiten, die gerade wiederum in furchtbarster Weise verhindern, daß gewirkt werde. Denn, wenn immer wieder und wiederum vorgebracht wird als Schlagwort von unseren Mitgliedern, was zum Beispiel von mir getan und gesagt und zu tun unterlassen wird, dann können wir natürlich als anthroposophischeBewegung nicht vorwärtskommen. Ichwill wiederum als Beispiel eines erwähnen, das sich ebenfalls in diesem «Tat»-Heft findet.

Sehen Sie, es ist ja wirklich nur aus dem Verlangen unserer Mit­gliederschaft heraus die Tatsache entstanden, daß manche Zyklen ein­fach so gedruckt worden sind, wie sie nachgeschrieben worden sind, weil einem die Arbeiten der anthroposophischen Bewegung ja nicht Zeit gelassen haben, die Dinge wirklich nun so zu machen, wie sie gemacht werden sollten. Das Verlangen nach dem Druck der Zyklen ist ja aus der Mitgliederschaft heraus entstanden, aber gewöhnlich entsteht so etwas, ohne daß man das Verantwortlichkeitsgefühl für eine solche Sache hat. Es ist ja natürlich, wenn so etwas entsteht aus der Mitglieder­schaft heraus, aber man muß dann das Verantwortlichkeitsgefühl haben, solch eine Sache nicht entstellen zu lassen. Und das taucht jetzt in der schärfsten Weise im Februarheft der «Tat» auf, wo gesagt wird:

«Ich will hier nicht dabei verweilen, daß Steiner einen Teil seiner eso­terischen Vorträge, z.B. die über die Evangelien, nach Stenogrammen von seinen Schülern hat edieren lassen, ohne die Verantwortung dafür zu übernehmen und sich weiter darum zu kümmern (wie er ausdrück­lich auf dem Titelblatt versichert).»

Diese Dinge sind ja nicht zur Verbreitung gebracht worden, weil ich sie nötig hätte, sondern weil die Anthroposophische Gesellschaft sie nötig hatte; sie verlangen aber zu gleicher Zeit, daß diese Anthropo­sophische Gesellschaft ein gewisses Verantwortlichkeitsgefühl ent­wickelt, daß dasjenige, was um ihretwillen nötig ist, nicht um meinet-willen, nicht immer wiederum rückschlägt auf mich selbst, weil ich ja dadurch gehindert werde, die anthroposophische Sache als solche in der

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entsprechenden Weise vor der Welt zu vertreten. Es ist durchaus not­wendig, daß so etwas klar erkannt werde, sonst wird dasjenige, was Anthroposophische Gesellschaft ist, wirklich im weitesten Sinne die wirkliche Ausbreitung der anthroposophischen Sache behindern. Ich werde natürlich, da wir jetzt vor sehr ernsten Situationen stehen, in diesen Dingen viel st?enger werden müssen, als das bisher bloß aus einem gewissen Wohlwollen gegenüber der Mitgliederschaft geschehen ist. Aber es muß außerdem dasjenige, was auf diesem Gebiete zu sagen ist, durchaus gesagt werden. Und in diesem Zusammenhang gerade möchte ich noch einmal betonen, daß es durchaus nicht genügt, in einer solchen Weise, wie es sehr häufig geschehen ist, wenn da oder dort Gegnerschaften gegen uns auftraten - ich habe das schon vorgestern hier gesagt -, bloß diese Gegnerschaften zu widerlegen. Solche Wider­legungen, die man ja allerdings zuweilen machen muß aus einer ge­wissen Notwendigkeit heraus, sie nützen gar nichts, sie nützen wirklich nichts, denn man hat es in der heutigen Zeit bei gewissen Kategorien, Gruppen von Menschen, die im geistigen oder sonstigen Leben wirken, nicht zu tun mit Leuten, die auf eine Widerlegung, auf eine Verteidigung irgend etwas geben, bei denen es irgendwie auf eine Verteidigung an­käme, sondern man hat es zu tun mit Leuten, denen gar nichts daran liegt, die Wahrheit zu verbreiten, denen es ja darauf ankommt, gerade die Unwahrheiten zu verbreiten.

So ist es notwendig, auf gewisse sehr stark mit einer solchen ja durch­aus geistigen Bewegung, wie es die anthroposophische Bewegung ja ist, zusammenhängende Dinge hinzuweisen. Man kann nicht an gewissen Ereignissen vorübergehen, weil sie sich immerzu wiederholen. Sehen Sie, da bekam ich neulich einen Brief, in dem mir jemand schrieb, daß er sich an den bekannten Max Dessoir gewendet habe, an jenen Max Dessoir, der ja hinlänglich unter Anthroposophen in bezug auf seine moralischen und intellektuellen Qualitäten charakterisiert ist. Nun schrieb mir der Betreffende, daß er mit diesem Max Dessoir ein Ge­spräch gehabt hat. Selbstverständlich ist solch ein Mensch wie Dessoir doch nicht durch ein Gespräch zu bekehren, das muß man sich doch sparen. Denn erstens will er nicht, und zweitens ist er zu dumm dazu, um irgend etwas Anthroposophisches zu verstehen. Also es hat gar keinen

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Sinn, irgendwie mit einem solchen Individuum weiter zu dis­kutieren.

Im Gespräche stellte sich noch dazu heraus, daß Max Dessoir näch­stens eine sehr scharfe Arbeit gegen mich schreiben werde, und da habe der Betreffende sich bereit erklärt, er wolle diese Arbeit erst durchlesen und die Fehler herauskorrigieren, damit der Max Dessoir möglichst nicht Irrtümer schreibe! Nun, man kann kaum glauben, daß diese Dinge unter uns, oftmals von Zelebritäten unter uns, wirklich getan werden. Und was ist die Folge? Wenn man eine solche Sache moniert, und es an den Betreffenden herankommt? Der sagt dann womöglich: Wenn man so etwas nicht tue, dann werde es heißen, daß die Anthroposophie sich nicht auseinandersetze mit den Leuten von der Wissenschaft. Ja, meine lieben Freunde, so dürfen wir nicht denken. Da darf man nicht sogleich abstrakt verallgemeinern, sondern es handelt sich darum, daß man es zu tun hat mit dem einzelnen konkreten, mit dem seiner moralischen und intellektuellen Unfähigkeit nach charakterisierten Individuum Max Dessoir, und man also Max Dessoir überhaupt nicht die Ehre antun kann, ihn wissenschaftlich ernst zu nehmen, daß man sich also in eine Diskussion nicht einlassen kann aus einer gewissen inneren gei­stigen Reinlichkeit. Diese Dinge müssen tatsächlich aufgefaßt und im einzelnen wirklich durchgeführt und durchgedacht werden, sonst wer­den wir es ja nun wirklich erleben können, daß gegnerische Schriften korrigiert werden können von unseren Mitgliedern, damit diese geg­nerischen Schriften möglichst gut wirken und ja keine «Fehler» dar­innen sind, weil die schon durch unsere Mitglieder herauskorrigiert wurden. Diese Dinge sind ja durchaus notwendig einmal zu besprechen, denn wir stehen in einem ernsten Momente der anthroposophischen Bewegung. Vieles wird gemacht durchaus so, daß man sagen kann, es kommen Dinge zustande, die eben von uns aus die Sache zerschlagen, vielleicht manchmal, wie in diesem Falle ja auch, durchaus aus bestem Willen heraus; aber der beste Wille kann durchaus zum Unheil aus-schlagen, wenn er nicht von einem ernsten - wiederum muß ich das Wort gebrauchen - von Weltsinn durchhauchten Nachdenken durchsetzt ist. Das ist etwas, worauf so ungeheuer viel in der Gegenwart unserer an­throposophischen Bewegung ankommt.

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Sehen Sie, es kommt heute also nicht an auf solches bloßes Verteidi­gen. Sagen Sie aber jetzt nicht, ich habe etwas gegen das Verteidigen, selbstverständlich muß das ja getan werden, aber es kommt heute darauf an, tatsächlich die Bewegungen, die da sind, als solche zu charakteri­sieren. In einem solchen Menschen wie FTohnmeyer hat man es ja nicht zu tun mit einem bloßen Gegner und Angreifer der Anthroposophie. Viel wichtiger ist es, wie er das tut und welcher Wahrheitssinn in ihm herrscht. Viel wichtiger ist es, zu wissen, daß ja dieser Pfarrer Frohn­meyer aus einer ganz breiten Masse von Leuten, die ganz genau ebenso sind, herauswächst. Er ist nur etwas freier als diese Masse, er stellt die­sen Typus von Menschen, diese Gruppe von Menschen, die eine sehr große ist, als solche vor die Welt hin. Man kann heute nicht hoffen, daß diejenigen Menschen, die aus solchem Sinn heraus reden, irgendwie be­kehrt werden. Das ist vollständiger Unsinn, die wollen nicht bekehrt werden. Denen tun wir den größten Gefallen, wenn wir nicht die Wahr­heit ihnen entgegenstellen, sondern Dummheiten, denn dann können sie besser zu ihrem Rechte kommen. Also nicht darum handelt es sich, sich irgendwie bloß zu verteidigen gegen solche Leute. Da kommt man außerdem in einen Bandwurm hinein von Rede und Widerrede. Worauf es ankommt, ist, zu charakterisieren, aus welchem geistigen Grund und Boden heraus gearbeitet wird und was das bedeutet für die ganze Ver­sumpfung und Degeneration unseres gegenwärtigen Geisteslebens. Auf diesen allgemeinen großen weltmännischen Standpunkt müssen die Dinge unbedingt gehoben werden, denn man kann leicht mit dem bloßen Verteidigen beim Keifen und Gegenkeifen stehenbleiben. Das ist aber dasjenige, worauf es bei uns nicht ankommt, sondern bei uns kommt es auf umfassende Charakteristik derjenigen Geistesbestrebungen an, die heute durchaus überwunden werden müssen. Nur dadurch kann man den Frohnmeyers und den Gogartens und den Bruhns und den Leeses und so weiter beikommen. Es ist ja gar nicht so ungeheuer wichtig, daß irgendeiner, der in einer solchen Bewegung drinnensteht, gerade Zeit hat, sich hinzusetzen und ein Buch zu schreiben; das kann fast jeder heute, der irgend etwas gelernt hat; sondern darauf kommt es an, aus welchem geistigen Untergrunde heraus diese Dinge vor die Welt sich hinstellen. Man muß ja sich ganz klar sein darüber, daß solche Menschen

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wie Frohnmeyer gar nicht anders urteilen können über Anthro­posophie, als sie eben urteilen. Man sollte da ganz absehen von dem Persönlichen. Mir kommt es niemals auf das Persönliche an. Ich will niemals irgendwie mich verteidigen oder angreifen einen Frohnmeyer oder Bruhns oder einen Heinzelmann oder wie sie alle heißen, sondern ich will dasjenige charakterisieren, was als Geistesströmung dasteht, aus der diese Leute hervorwachsen. Persönlich mögen diese Leute im heutigen Wortsinn ehrenwerte Männer sein - ehrenwerte Männer sind sie ja alle, ich erinnere nur an Shakespeares Drama -, darauf kommt es gar nicht an. Ich will gar nicht den Leuten persönlich etwas anheften. Es kommt zum Beispiel nicht einmal auf den Pfarrer Kully an, der ja auch nur das Produkt einer gewissen Strömung innerhalb der katho­lischen Kirche ist.

Also das sind die Dinge, die unbedingt heute bei diesem Ernst, in dem wir drinnenstehen, berücksichtigt werden müssen. Das ist dasjenige, auf das wir unter allen Umständen hinschauen müssen. Wir müssen ein geistiges Auge haben für dasjenige, was überall als dekadente Geistes-bewegung da ist, und was charakterisiert werden muß. Denn man muß sich darüber klar sein, daß heute die Weltlage so ist: In einer ganz großen Anzahl von Menschen sind einfach die Anlagen dazu vorhan­den, Geisteswissenschaft durch sich selber einzusehen und alles das­jenige zu ihrem Lebensinhalt zu machen, was aus der Geisteswissen­schaft kommt. Vor allen Dingen, wenn Sie suchen und prüfen könnten, was heute als Jugend heranwächst, so würden Sie sich sagen müssen:

innerhalb dieser Jugend sind Anlagen, Fähigkeiten durchaus vorhanden, die aus dieser Jugend heraus Geisteswissenschaft als etwas Selbstver­ständliches erscheinen lassen. Aber das ist auf der anderen Seite das Eigentümliche, daß noch genug Kräfte da sind, die niederhalten kön­nen, was eigentlich an die Oberfläche des Daseins kommen will, gerade-so wie wir es im politischen Leben auch haben.

Glauben Sie zum Beispiel, daß in den besiegten oder Siegerländern nicht zahlreiche Persönlichkeiten da sind, die heute, wenn sie irgendwie zur Wirksamkeit kommen könnten, etwas Vernünftiges tun könnten? Gewiß, es sind zahlreiche Menschen da, aber man kommt nicht auf sie, weil mit eiserner Hand diejenigen, die das Unglück verursacht haben,

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die mit allen alten, degenerierten Welt- und Lebensanschauungen zu­sammenhängen, immer wieder und wiederum an die Oberfläche ge­worfen werden. Solange man nicht einsieht, daß es ganz unmöglich ist, mit den Menschen, die aus den alten geistigen Strömungen kommen, selbst wenn sie in den radikalen Parteien der Gegenwart drinnenstehen, irgend etwas zu machen, solange man verhandelt mit alle denen, die schwachsinnig herausgewachsen sind aus den alten geistigen Struk­turen, solange kommt man nicht weiter. Wir brauchen die Pflege tat­sächlich neuer Kräfte, und dasjenige, was das Heft in der Hand hat, hält diese neuen Kräfte zurück.

So ist es aber auch im allgemeinen Geistesleben. Wir müssen einen dicken Strich ziehen eigentlich zwischen demjenigen, was sich in die Welt hineinarbeiten will als unsere heutige Jugend, und dem, was die Lehrstühle und dergleichen besetzt hat und die Abstempelung durch das Examen gibt. Das ist dasjenige, was ein furchtbarer Druck ist. Es muß eingesehen werden, daß man mit dem, was da hereingezogen ist und besetzt hält die Examina und die Lehrstühle, durchaus nicht zu einer lichtvollen Anschauung desjenigen kommen kann, was heute durchaus not tut. Der Pessimismus, der da etwa sagt, die Kräfte seien nicht da, ist ganz unberechtigt. Man lasse nur einmal irgend etwas kommen, was möglich macht, aus der Degeneration herauszukommen. Hilft es uns denn, wenn wir hier noch so schöne Hochschulkurse halten? Gewiß, wir können einzelne junge Leute begeistern damit. Das ist auch ganz gewiß geschehen und wird noch mannigfaltig geschehen. Aber diese jungen Leute haben Begeisterung so eine Zeitlang, dann wachsen sie ganz und gar in ihre Umgebung, in die Examina und in das Philisterium hinein, weil sie ja ihr Brot suchen müssen, weil sie gar nicht zurecht kommen, weil natürlich niedergedrückt wird die Entwickelung eines wirklich zukunftsicheren Strebens und Schaffens. Diese Dinge müssen doch durchschaut werden, und nach der Richtung hin muß gearbeitet wer­den, daß diese Dinge überwunden werden. Das können wir nicht, wenn wir heute, in diesem ernsten Momente der Entwickelung sowohl der Menschheit wie namentlich auch unserer anthroposophischen Bewe­gung, uns nicht besinnen wollen, daß diese Dinge da sind. Und recht charakteristisch ist eben so etwas, wie dieses «Tat»-Heft

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Sehen Sie, man sollte schon ein wenig darauf geben, wie diese Dinge, die hier auf dem Boden der Geisteswissenschaft erwachsen, aus der breiten Wirklichkeit heraus gedacht sind. Es könnte ja für alles noch

- wenn es nicht zunächst darauf ankäme, die Hauptlinien zu ziehen -eine viel breitere Beweisführung getroffen werden. In meinem Buche «Von Seelenrätseln» habe ich auf diese Dessoirsche Fähigkeit hin­gewiesen: Dessoir erzählt ganz naiv als ein sehr schönes Beispiel für seine ganz besondere Geistesanlage in dem Schandbuch, das er ge­schrieben hat und das sehr viel Anerkennung in der Welt gefunden hat, wie es ihm passieren kann, wenn er einmal vorträgt und meint, so mit­ten in seinen Gedanken drinnen zu leben, er plötzlich nicht weiter kann. Nun, ich habe das als etwas besonders Charakteristisches angeführt für ein so geartetes Denken, das eben denkt und denkt und dann nicht wei­ter kann. Ja, nun! Ich fand das außerordentlich charakteristisch. [Lücke im Stenogramm.] Es sind eben Vorbedingungen da dafür, daß man ihn nicht für einen ernsten Gelehrten anzusehen hat, und, nicht wahr, man hat es ja mit einer solchen Welt heute zu tun, aus der heraus so etwas wächst wie die «Tat».

Herausgeber der «Tat» ist der Jenenser Verleger Eugen Diederichs. Ich traf ihn einmal in einer Versammlung, die Diederichs abgehalten hatte vor Jenenser Studenten, wo dann in der Diskussion Max Scheler der Hauptredner war. Diederichs hatte mir einige Zeit vorher geschrie­ben, daß er ein Buch von mir zum Verlegen haben wollte. Es war 1902 oder 1903. Das, was er wollte, das «Christentum als mystische Tat­sache», war vorher schon erschienen. Vor dem Worte «Theosophie» zuckte er sogleich zurück. Dann am nächsten Tage wollte er mit mir sprechen. Dieses Gespräch handelte sonst über eine Verlegerangelegen­heit, aus der aber nichts wurde, denn selbstverständlich, bei Diederichs konnte nichts werden, ... [Lücke im Stenogramm]. Er sagte, die mysti­schen Schriften, Plotin sowohl wie die Schriften der weiteren Mystiker, sollte man viel mehr pflegen, denn die machen so auf das allgemeine Wohlbefinden des Menschen einen ganz besonderen Eindruck. Es ist so, wie wenn man süßen Wein oder so etwas trinkt, das dann so seelisch durch den menschlichen Organismus rinnt. - Und man konnte sich tat­sächlich nicht enthalten, den Gedanken zu haben, daß der mit einem

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etwas dicken Bäuchlein Dasitzende bei dem Verdauen der Mystik sich eben an das dicke Bäuchlein mit den flachen Händen schlage!

Später gründete ja dann jener Herr Mystiker die «Tat», und dieses zweite Heft vom Jahre 1921 enthält nun lauter Artikel über die An­throposophie, zuerst einen, der wirklich von einem Menschen geschrie­ben ist, der angestellt sein soll von gewissen Gesellschaften zur beson­deren Bekämpfung der Anthroposophie. Was er schreibt, ist aus lauter Unverschämtheiten und Unsinn zusammengesetzt: I. W. Hauer «Die Anthroposophie als Weg zum Geist». - Als zweiter Artikel ist eine Widerlegung dieses ersten vorhanden von Walter Johannes Stein, «Anthroposophie als Monismus und als Theosophie», denn Diederichs will zeigen, daß er objektiv ist, wie er meint. Also lädt er natürlich auch die Anhänger ein; aber dadurch ist dieses Heft ganz besonders raffiniert, denn dadurch, daß die Anhänger drinnenstehen, sind die Leute, die das lesen, natürlich sofort überzeugt davon, daß der Diederichs ein objek­tiver Mann ist, der Gegner und Anhänger zum Worte kommen läßt. Der Unterschied ist der, daß nun unter den Anhänger-Artikeln wirklich ein recht gut geschri ebener ist von einem Mann, Wil Salewski, «Das Goethe­anum in Dornach bei Basel und die anthroposophischen Hochschulkurse im Herbst 1920». Gewiß, es sind solche einzelne gute Artikel drinnen, aber dasjenige, was gerade just in diesem Heft von Gegnern geschrieben ist, das zeichnet sich nämlich aus durch ganz grandiose Dummheit, durch ein absolutes Nichtverstehen desjenigen, was eigentlich durch Anthroposophie bewirkt werden soll, was sie bedeutet und so weiter.

Ganz tragisch-humoristisch, spaßig, möchte ich sagen, ist aber eine Auseinandersetzung, die dann der Verleger Eugen Diederichs gibt, be­titelt: «Zum anthroposophischen Sonderheft.» Gestatten Sie, daß ich Ihnen den Schleim vorlese: «Dieses Heft ist der Versuch einer nach Fruchtbarkeit strebenden Auseinandersetzung von religiösen Männern, die über jedem Konfessionalismus stehen, mit dem anthroposophischen Gedankenkreis und dem Führer dieser Bewegung, Dr. Rudolf Steiner. Wie ein solcher Versuch gerät, hängt von den Persönlichkeiten ab, die man dafür als Mitarbeiter findet. Ich muß gestehen, es ist mir trotz allen Bemühens nicht so recht gelungen, die Jünger Steiners zu einer stärkeren Mitarbeiterschaft heranzuziehen. »

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Ich wollte, sie hätten gar nicht angebissen, damit nicht der Diede­richs sein «Tat»-Heft anfüllen konnte mit demjenigen, was gerade aus unserem Kreise kommt.

«Man möchte sagen, es liegt vielleicht an ihrem mangelnden Verhält­nis zur im Sinne Mennickes, aber als Herausgeber fühle ich die Pflicht, ganz unparteiisch zu sein und kann die Tatsache nur konsta­tieren. Ich hoffe aber, daß später noch ein Anthroposoph vom Range des Pfarrers Rittelmeyer ernsthaft sein eigenes Christuserlebnis den Aufsätzen von Michel, Gogarten und Mennicke gegenüberstellen wird.

Als Privatperson kann ich nur bekennen, daß es mir bisher noch nicht gelungen ist, zur Anthroposophie eine bejahende Stellung zu gewinnen.»

Sie scheint eben nicht so wie süßer Wein zu schmecken und nur so hinunterzurinnen!

«Ich stehe da ganz und gar persönlich auf Mennickes Standpunkt, daß die Anthroposophie der Endpunkt des Materialismus und auch des Rationalismus ist und daher letzten Endes auch keinen neuen Aufbau bedeutet. Das schließt nicht aus, daß sie eine Übergangserscheinung zum neuen Aufbau sein kann und daß sie darum allerhand Werte in sich birgt, wie jeder Eklektizismus, der sich auf Werten der Vergangen­heit aufbaut. Die Anthroposophie scheint mir nicht aus dem herzukommen... » - das «Unmittelbare», das kommt wohl in diesem Fall zumeist aus einer unrichtig wirkenden Magensäure - «und darum auch nicht zeugend zu sein - trotz allem Reden von Intuition, Schöpfertum und Goetheschem Schauen. Ich weiß, die Theosophen werden diese Behauptung als höchste Verständnislosigkeit bezeichnen, aber sei es drum, sie ist aus einer eigenen Einstellung zu den geheimnis-vollen Kräften des Unterbewußtseins gesprochen.»

Diese «Einstellung» habe ich Ihnen ja gerade erzählt! «So sehe ich aus dieser persönlichen Einstellung heraus (die durchaus kein Angriff auf die Anthroposophie sein soll, sondern nur ein Bekenntnis).»

Also nicht wahr, es ist sehr nett, denn jetzt können sich diejenigen, die schlau genug sind dazu, sagen : Der greift ja die Anthroposophie gar nicht an. - Es ist ja auch ziemlich gleichgültig, ob er sie angreift. Also er sagt: «So sehe ich ... in ihr eine Gefahr für die geistige Fundierung des

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kommenden Deutschlands, und halte es für dringende Notwendigkeit, daß sich nicht nur der Leserkreis der , sondern vor allem auch die neue Jugend mit Rudolf Steiner und mit der von ihm ausgehenden Be­wegung gedanklich auseinandersetzt. Denn es liegt gerade heute so nahe, sich aus dem Chaos des neuen Werdens auf einen sicheren Turm retten zu wollen.»

Regierungen haben sich manchmal auf «sichere Türme» gerettet während der Zeit der Revolutionen und Krawalle; davon könnte einiges erzählt werden! Nun aber schließt der Herausgeber: «Mein Mitarbeiter Ernst Michel, den Lesern dieser Zeitschrift durch seine Goetheaufsätze und Goethebücher wohl bekannt, ist in diesem Heft der Anthroposo­phie vom katholischen Gottes- und Weltgefühl aus gegenübergetreten.»

Nun, das bitte ich Sie, nun doch etwas genauer anzuhören, denn da werden Sie auf etwas aufmerksam, was ich Ihnen aus den verschieden­sten Untergründen ja schon charakterisiert habe, und Sie werden ja nächstens erleben, daß der Katholizismus in einer scheinbar verjüngten Gestalt, zu einer Art Katholo-dadaismus geworden, auch unterkriecht bei Eugen Diederichs in der «Tat». «Sein Aufsatz bildet den Auftakt zu einem im April erscheinenden, sich an dieses Heft anschließenden Son­derheft der jungkatholischen Bewegung.»

Also, das meine ich, wenn ich sage Katholo-dadaistische Bewegung. Ich sage das auch nicht ohne Grund, denn ich werde Ihnen gleich nach­her einiges von jenem Artikel Ernst Michels: «Anthroposophie und Christentum» noch sagen und da Gelegenheit haben, Sie mit einem Ver­treter des religiösen Dadaismus bekanntzumachen.

«Es ist mir eine besondere Genugtuung, mit dem katholischen Heft dem vorwiegend protestantischen Leserkreis der die Möglichkeit zu geben, ihren protestantischen Individualismus an dem katholischen Gemeinschaftsgeist zu messen. Ich hoffe, daß aus allen gedanklichen Auseinandersetzungen heraus der Grundgedanke der neue För­derung erhält : Stärkung des Verantwortlichkeitsgefühls gegenüber sei­ner eigenen Entwicklung und damit auch gegenüber dem Volksganzen.»

Das sind die Worte des Herrn Eugen Diederichs. Hier ist also die Rede von einer jungkatholischen Bewegung, zu der der Auftakt gegeben ist durch den Aufsatz von Ernst Michel : «Anthroposophie und Christentum.»

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Ich habe ja immer wiederum auf dasjenige hingedeutet, habe auch in den letzten zwei Betrachtungen mit sehr großer Energie darauf hingedeutet, was gerade von dieser Seite her dem modernen Geistes­leben droht. Aber nun ist dieser Aufsatz von Ernst Michel in der «Tat», «Anthroposophie und Christentum», eigentlich durch und durch reli­giöser Dadaismus. Die ältesten Ableger des katholischen, römisch­katholischen Christentums werden da in einer schwülstigen Sprache den Lesern aufgebauscht. Man kann da tatsächlich ganz außerordentlich interessante Entdeckungen über diesen religiösen Dadaismus machen. So zum Beispiel findet Ernst Michel eine Grundwahrheit des Christen­tums: «Es ist eine Grundwahrheit des Christentums, daß der Mensch, die Urschuld gegen Gott, erbhaft im Blute und dem Zustande der Hei­ligung wesenhaft entrückt, aus eigener Kraft nicht über sich hinaus-kommt: daß er von sich und aus seinen Anlagen zu keiner höheren Stufe des Menschentums aufzusteigen vermag; daß die Durchbrüche von Zu­stand zu Zustand, dem Urstand entgegen, echte Zeugungsakte Gottes an der willigen Kreatur sind.»

Also so viel Worte, so viel Phrasen! - Man könnte nun jeden Satz durchnehmen und würde die kindischsten Bekenntnisse zu einem «Kate­chismus catholicus» herausfinden können. Interessant ist es nur, daß Ernst Michel sagt, es komme einem einzelnen Menschen nicht zu, eine letzte geistige Wahrheit auszumachen. Sie haben es ja gerade gehört, es kommt bei diesen Dingen auf die «Durchbrüche» an, also es «bricht durch». Der Mensch empfängt das aus Gnade, dann brichts durch. Dem muß man sich überlassen. Es darf der Mensch nicht aus Eigenem zu irgendwelchen höchsten Wahrheiten streben: «Es gibt keine geistige Entwicklung, es gibt nur Entfaltung und Durchbruch.»

Aber es ist doch außerordentlich niedlich, wie dieser Ernst Michel von seinem primitivsten dadaistischen Katechismusstandpunkt aus sagt: Ja, die Dogmen, mit denen ist es was anderes, die muß man glau­ben, das sind Wahrheiten! - «Im Dogma aber formuliert nicht der Mensch oder eine Gemeinschaft begrifflich ihre religiösen Grunderleb­nisse (als ), sondern Gott, das Haupt der Kirche, spricht als heiliger Geist direkt und unmittelbar durch die sichtbare Kirche... »

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Also die Väter der Konzilien, die beisammen sind, oder gar der Papst, der ex cathedra spricht, das ist nicht ein Mensch, nicht wahr! Aber zum Überdrusse beruft sich der Dadaist der Religion noch auf den heiligen Paulus, der auch gesagt haben soll, daß man als einzelner Mensch nicht nach den letzten Wahrheiten forschen darf: «Hier ist die Stelle, wo wir, ohne die Gefahr gnostischer Ausdeutung fürchten zu müssen, St. Pauli Worte an die Korinther anführen können : - wer von ihnen kennt das Innere eines Menschen, als der Geist des Menschen, der in ihm ist? So hat auch noch niemand das Innere Gottes ergründet, als der Geist Gottes. Doch wir haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist, um damit zu ver­stehen, was uns von Gott geschenkt ist> ... » und so weiter.

Nun, sehen Sie, wenn man dieses Paulus-Wort für die Art und Weise der Anthroposophie anführt, so kann das alles stimmen. Wenn man aber den Menschen erst verbietet, irgendwie durch den Geist zur Wahr­heit zu kommen und dann diese Worte anführt, muß man ein religiöser Dadaist sein. Ebenso ist es mit der Beschreibung des Christus-Erlebnisses und so weiter. In solche Köpfe geht das natürlich nicht hinein. In welt­liche Köpfe kann das hineingehen, aber in solche Köpfe geht dasjenige natürlich nicht hinein, was Anthroposophie auch über den Christus zu sagen hat. Daher ist das ausgewalztestes Blech, was hier über das Christus-Problem in Anknüpfung an die Anthroposophie gesagt wird. Nun, der Ernst Michel ist es ja auch, der sich hier darüber ausspricht, daß man zur Sprache auch ein religiöses Verhältnis haben muß, und aus diesem religiösen Verhältnis, das er zur Sprache hat, gingen ja eben die «hellen Haufen» hervor, welche ich Ihnen vorher zitiert habe. Nicht wahr, das ist ein besonderer Sprachstil.

Dagegen ergeht sich jener Artikel des Dadaisten in Religionssachen in besonderem Geschimpfe über meinen Stil. Aber gerade das ist das Charakteristischste, daß solch plumpe, schmierige Finger nirgends an das­jenige herankommen,was wirklich nötig ist, um darzustellen die geistigen

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Wahrheiten. Da ist nötig eine gewisse Unbequemlichkeit des Stiles. Da ist nötig, hinauszukommen über einen solchen dadaistischen Schwulst, wie ihn der Herr Ernst Michel entfaltet. Das kann man ja begreifen, daß für Herrn Ernst Michel meine Mysterien nichts sind. Er versteht ganz und gar nichts davon. Er sagt zum Beispiel: «Das Mysterium liegt sicherlich nicht im Nackt-Übersinnlichen: wer es dort sucht, ist Materialist so gut wie der, der es im Stoff sucht. Und man hat kein Mysterium ge-schaffen, wenn man Ideen-Gespenstern oder magischen Wundern in die Begriffskleider hilft und sie auf der Bühne nach dem Schema agieren läßt. Sondern: das Geheimnis liegt in der schöpferischen Verbindung von Natur und Geist zur unsagbaren Gestalt... »

Nun, soll man sich das vorstellen, die «unsagbare Gestalt», und nachher sich sagen lassen : «in der Einheit von Stoff und Form, von Kraft und Richtung», in der «geprägten Form, die lebend sich ent­wickelt», das ist natürlich Goethe-Zitat! Jetzt kommt ein Satz - man muß schon ein dadaistisch religiöses Verhältnis zur Sprache haben, um überhaupt so etwas auszuhalten und nicht dabei solche Dinge eben als eine Ausschleimung zu betrachten, die, wenn man sie auf die Zunge nehmen muß, eben zu dem Ausschleimen oder auch zu etwas Stärkerem Veranlassung geben -: «Die Sprache ist das Geheimnis», ja, es steht so da, das ist ein Satz : «Die Sprache ist das Geheimnis, der Menschensohn Jesus Christus ist das Geheimnis... » und «das Kreuz... ist das Geheim­nis». Sehen Sie, man begreift es ganz gut, daß dasjenige, was als anthro­posophische Literatur vorliegt, für solchen Sprachstil durchaus nicht geschaffen ist, wenn auch selbstverständlich in den nachgeschriebenen Vorträgen, die von mir nicht korrigiert sind, manches anders stehen könnte. Aber das hindert doch nicht, daß man darauf hinweist, wie es nun wirklich ein starkes Stück ist, wenn durch Diederichs «Verant­wortungsgefühl» derlei Zeug vor das Volksganze hingestellt werden soll, und man dadurch in die Notwendigkeit versetzt ist, sich damit auseinanderzusetzen, in die Lage versetzt ist, es auch ein wenig feiner zu charakterisieren. Es ist schon sonderbar, wenn solch ein Dadaist des Religiösen behauptet, daß eine Umsetzung innerer Wirklichkeit in den Klang und Rhythmus des Sprachelementes bei mir nicht zu finden wäre. Er führt dann für diejenigen, bei denen eine solche Umsetzung

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stattgefunden habe, zwei Menschen an, Nietzsche und Hölderlin. Das ist sehr charakteristisch, solch ein Schmutzfink des Geisteslebens hat nämlich gar kein Gefühl dafür, daß der Stil zu gleicher Zeit, wenn man schwierige geistige Materie darzustellen hat, etwas ist, wodurch man sich in diejenige Lebenslage zu versetzen hat, durch die verhindert wer­den kann, daß dann, wenn der Stil ein solcher wird, wie bei Hölderlin und bei Nietzsche, jener tragische Ausgang zutage tritt, der bei Hölder­lin und Nietzsche zutage trat. Die ganze ruchlose Gedankenlosigkeit dieser zeitgenössischen Sippschaft tritt gerade an solchen Stellen her­vor; sie hat weder irgendein Gefühl für die Tragik eines Hölderlin und Nietzsche, noch für die Notwendigkeiten eines objektiven Stiles, der nötig ist, geistige Wahrheiten und geistige Tatsachen zum Ausdrucke zu bringen. Es ist nötig heute, darauf hinzuweisen, daß man einmal in die Lage versetzt ist, sich mit solchen Diederichs-Schmutzfinken auseinan­derzusetzen, und es muß auch in energischer Weise geschehen. Man muß sehen, aus welchen Kloaken, aus welchem Dadaismus heraus heute das­jenige, was als anthroposophische Gegnerschaft sich in den Mantel der Objektivität hüllt, seine geistige Nahrung schöpft.

Diese Dinge können nicht anders ausgesprochen werden als so in die­sem gegenwartigen ernsten Momente, denn es darf nicht etwa auch unter Anthroposophen die Meinung auftauchen, daß eine solche «Ob­jektivität» etwas anderes ist als eine Raffiniertheit, um dasjenige, was Anthroposophie ist und in ihr lebt, in Grund und Boden zu bohren. Davon haben solche Leute wie Ernst Michel in ihrem religiösen Dadais­mus, und auch ein Eugen Diederichs in seiner Bauchmystik, selbstver­ständlich nicht den geringsten Dunst. Das ist aber dasjenige, was man wissen muß und was bedacht werden muß. Es ist heute notwendig, eine ernste Sprache zu führen und nicht einzugehen auf dasjenige, was in dieser Weise sich vor die Welt hinstellt. Es muß gesagt werden und muß in allen Formen vor die Welt treten, daß gerade durch dasjenige, was sich als geistige Bestrebungen dieser Art gibt, unsere Menschheit immer mehr und mehr in die Degeneration, in den Sumpf hineingetrieben wird, und daß es notwendig ist, daß Anthroposophie durchaus bei einer Ar­beit stehen bleibt, die reinlich ist, und die keine Gemeinschaft kennt mit solchen Sumpfblumen.

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Es interessiert mich durchaus nicht, wenn irgendwo von solcher Seite her auch irgend etwas Lobendes erscheint, denn ich gebe weder auf Lob noch auf Tadel etwas, was von einer Seite kommt, die unfähig ist - weil der Wille unfähig ist, nicht der Verstand - heranzukommen an das­jenige, was zum Heile der Menschheit Anthroposophie will. Dieser religiöse Dadaismus kann natürlich auch nicht anders, als dann in sol­che Sätze auslaufen, wie: «Die Kraft, durch die der Mensch auf dem Fundament des Glaubens zum Geheimnis emporwächst, ist auch nicht in erster Linie die Erkenntnis, sondern die dem Schauen folgende und tiefer wieder ins Schauen hineinführende Liebe.»

Damit ist aber nichts anderes gemeint als die seelische Wollust, die solche Leute im Auge haben, und der nicht gedient wird durch das­jenige, was in reinem geistigem Schaffen zutage tritt, wo keinen Platz haben dürfen diese ins Seelisch-Geistige umgesetzten religiös-sexuellen Dadaismen, die, wenn sie auch unter allen möglichen Mänteln auf­treten, doch nichts anderes sind als schamloses Ausleben seelischer Wol­lust, wie ja sehr vieles, was sich als religiös drapiert, nichts weiter ist als schamloses Ausleben seelischer Wollust.

Demgegenüber müssen wir uns immer wieder und wiederum klar sein darüber, daß einmal in unserer Zeit lebt dasjenige, was dann sich entfalten kann, wenn es durchkommt gegen alle solche Widerstände, was hinführt zu einem wirklichen Ergreifen des geistigen Lebens, das schaffend an dem materiellen Leben tätig ist. Wir müssen uns immer wieder klar sein darüber, daß wir die Pflege dieser in der Gegenwart vorhandenen Fähigkeiten der Menschen brauchen, daß wir uns durch­aus mit jeder Faser unserer Seele dieser Pflege widmen müssen und daß keine Nuance des Ernstes stark genug ist, um zu bezeichnen dasjenige, was an hingebungsvoller Energie aufgewendet werden muß, um auf dieser Bahn vorwärts zu kommen. Da dürfen keine Kompromisse ge­schlossen werden. Man muß seine Pflicht tun. Man muß selbstverständ­lich überall da, wo Anthroposophie gehört werden will, Anthroposo­phie zum Hören bringen; man muß seine Pflicht tun. Man darf sich aber durch keine Weise irgendwelchen Illusionen hingeben. Denn es ist notwendig, kompromißlos aus der Sache selber heraus zu arbeiten. Jeder von uns hat die Verpflichtung, so viel er kann, an der Gesundung

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der anthroposophischen Bewegung selber zu arbeiten, daß sie heraus-komme aus jeglichem Outsidertum, aus jeder Engherzigkeit, und daß sie herauskomme aus jeder seelisch wollüstigen Mystik, daß sie wirklich durchdringe zu einem freien weltsinnigen Ergreifen der Geheimnisse des Daseins. Denn nur dann, wenn in einer solchen Weise die Geheim­nisse des Daseins ergriffen werden, kann auch hingewirkt werden auf die Ziele des praktischen Lebens, die ja doch bewältigt werden müssen, wenn sie nicht die Hemmschuhe auf dem weiteren Fortentwickelungs­wege der Menschheit werden sollen. Gerade auf dem letzteren Gebiete aber wird man in jeglicher Weise mißverstanden. Was geschieht alles, um diese Dinge in der schamlosesten Weise zu verzerren! In dem be­kannten «Berliner Tageblatt» wird ein Artikel fabriziert über alles mögliche kloakenhafte Zeug, was sich in Berlin als Wahrsagerei und als Prophetentum dümmster Art geltend macht, und mitten drinnen wird auf die Anthroposophie und mich hingewiesen. Dieser Artikel wird dann hinausgeschickt in die Welt. Er erscheint in englischen ebenso wie in schweizerischen Zeitungen. Es wird in der infamsten, schamlosesten Weise durch fabrizierte Artikel an der Vernichtung anthroposophischer Weltanschauung gearbeitet. Das ist dasjenige, was durchschaut werden muß, und da kommt man nicht bloß mit irgendwelchen Widerlegungen zurecht, sondern man muß die Leute selbst charakterisieren. Es wäre ja gar nicht so schwer durchzukommen selbstverständlich, wenn man den Grund und Boden, aus dem heraus all das Zeug wächst, charakterisierte und ihm im Spiegel sein eigenes Wesen vorhielte. Das ist es aber, was notwendig ist und immer notwendiger wird. Wir können uns nicht bloß darauf beschränken, auf der einen Seite eine anthroposophische Dog­matik hinzustellen und auf der anderen Seite zu verteidigen, wenn angegriffen wird, sondern wir brauchen eine Auseinandersetzung mit alledem, was gegenwärtig in der Welt an der Verblödung und an der Degenerierung der Menschheit arbeitet. Und dessen ist sehr, sehr viel. Das ist dasjenige, was wir uns gewissermaßen jeden Morgen sagen müs­sen, und was hier wahrhaftig ohne Fanatismus ausgesprochen wird. Denn ich habe ja tatsächlich über diese Dinge nicht immer in dieser Weise gesprochen, und ich rede selten, redete früher selten über diese Dinge, jetzt nur öfter, weil tatsächlich Ihr Blick hingelenkt werden

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muß auf solchen Unfug, der aus der ganzen Dekadenz unserer Zeit her­ausfließt, wie dieser in Berlin fabrizierte Artikel, der jetzt seine Runde durch die Welt macht, wie auch andere Dinge ihre Runde durch die Welt machen, und man hätte wahrhaftig ungeheuer viel zu tun, wenn man alle diese Dinge widerlegen wollte. Man könnte wirklich vierund­zwanzig Stunden an der Widerlegung dieses Schandzeuges arbeiten. Dann kommen die Frohnmeyers und sagen, sie haben dasjenige, was sie geschrieben haben, niemals widerlegt bekommen. Dr. Boos hat es wider­legt, hat geschrieben an die betreffende Redaktion, die hat aber die Widerlegung nicht aufgenommen, so daß der Frohnmeyer hinterher wohl dasjenige aus dem Blatte herausgenommen hat, was der betref­fende Pfarrer, der da war und die Sache gesehen hat, gelogen hat; aber die Erwiderung ist eben einfach nicht aufgenommen worden. Und dann hat, glaube ich, auch noch eine Korrespondenz stattgefunden, in der man gar nichts erwähnt hat davon, daß diese Erwiderung gekommen ist und nicht aufgenommen worden ist. Man hätte eben wirklich sehr viel zu tun, wenn man diese Dinge alle widerlegen wollte. Es ist Frohn­meyersche und Heinzelmannsche Bequemlichkeit, sich darauf zu be­rufen - wenn sie irgend etwas sagen wollen, was mit der Wirklichkeit durchaus nicht übereinstimmt -, das Betreffende sei da oder dort ent­lehnt worden und man habe eben geglaubt, daß das wahr sei. Derjenige, der etwas schreibt, hat die Verpflichtung, diese Dinge zu untersuchen, seine Quellen zu untersuchen.*

Man wird mit diesen Leuten, die durchaus aus Böswilligkeit und auch aus einem überwiegenden Unverstand heraus ihre Anschauungen entwickeln, nicht fertig, wenn man bloß widerlegen will. Es handelt sich aber darum, die geistigen Untergründe, die man überall finden kann, nun wirklich in das rechte Licht zu setzen.

[Lücke im Stenogramm; es folgen die Schlußworte:]

Im Interesse der Sache und nicht aus persönlichen Gründen ist es, wenn ich sage, daß ich seit dem April 1919 in Stuttgart unzählige Vor­träge gehalten habe, in denen die wichtigsten ökonomischen Tatsachen und Wahrheiten enthalten sind, in denen auch enthalten sind viele Charakteristiken

- - -

* Siehe Hinweise, Seite 334/335.

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zeitgenössischer Geistesströmungen, die ausgebeutet hät­ten werden sollen. Es handelt sich durchaus darum, daß da ein wich­tiges Material vorhanden wäre. - Es ist «eingesargt». Die Dinge werden gedruckt, werden an die Mitglieder der Dreigliederungskreise gesandt, an die Dreigliederungsbünde gesandt, werden da vorgelesen in kleinen Zirkeln. Dasjenige, was «weltmännisch> gedacht war, wurde wieder­um zu einem Sektiererischen gemacht. Es tut einem im Interesse der Sache weh, daß die Dinge nicht aufgegriffen, sondern so behandelt werden.

Im Grunde genommen eine verlorene Arbeit, die verwendet ist auf so etwas - was wahrhaftig aus Weiten hergeholt wird! -, wenn es nicht aufgegriffen wird, nicht weiterverarbeitet wird, wenn nicht gearbeitet wird in diesem Sinne.

Das ist aber dasjenige, was notwendig ist, und was wir heute vor allen Dingen nötig haben!

Es geht nicht, daß wir diese Dinge in sektiererischer Art in kleinen Zirkeln vorlesen; sondern es sind durchaus Sachen, an denen man wei­terarbeiten kann. Überall sind Keimpunkte zur Weiterarbeit! Und warum erarbeitet man denn so etwas, wenn es dann einfach daliegt als gedrucktes Material, und sich niemand im Ernste doch eigentlich darum kümmert? Aber darum handelt es sich: Wenn weitergearbeitet wird, kann man wirklich diejenigen Dinge, auf die im Speziellen hingewie­sen worden ist, weiter verfolgen. Das ist es, was nötig ist, daß man die Dinge weiter verfolgt in der Arbeit; es sind ja da Keime, die gegeben werden auf Erden. Wirklich tatkräftiges Arbeiten ist das : Heraus­heben unserer Bewegung aus dem Zeichen des Sektiererischen, wäh­renddem wir, wenn wir die Dinge einfach so nehmen, wie sie sind, und sie wieder ins Sektiererische hineintragen, nicht weiterkommen können. Es ist der Inhalt der Sachen, die durch anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft gegeben werden, nicht so, daß er irgendwie sich eignet für eine sektiererische Bewegung; sondern er ist durchaus so, daß er hineingestellt werden kann als etwas, was Impulse abgeben kann für Weltwirkung.

Aber dazu ist eben notwendig, daß jeder seine Kraft einsetzt. Wir stehen heute vor der Notwendigkeit, die Dinge auch ins Praktische

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hineinzutreiben. Wir kommen nicht vorwärts, wenn das nicht ernstlich aufgenommen wird, wenn nicht tatsächlich eingesehen wird, wie der wahre Geist auch in die wahre Praxis hinein arbeiten kann.

Dann muß aber eben so etwas getan werden, was nicht die Dinge einsargt, sondern was sie aufnimmt, was sie in lebendigem Sinne fort­wirkend erweist.

Das ist dasjenige, was ich auch noch sagen wollte zum Schlusse: Es braucht sich niemand, wahrhaftig niemand durch diese Dinge getrof­fen fühlen. Allein in einer Zeit, in der möglich ist, was ich auch vor kurzem hier zitiert habe: daß durch Feuilletons so gearbeitet wird gegen diese anthroposophische Geisteswissenschaft und gegen dasjenige, was sie getan hat, daß sie ausklingen: der geistigen Feuerfunken seien genug da; es sei jetzt notwendig, daß demnächst auch der wirkliche, physische Feuerfunke über diesem Dornacher Hügel niedergehe - in der Zeit, in der aus der Böswilligkeit der Untergründe dieses an die Oberfläche getrieben werden kann, in dieser Zeit sind schon ernste Worte durchaus notwendig.

Deshalb habe ich Sie heute noch einmal gebeten, hierher zu kommen. Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn die Gelegenheit wahrgenommen worden ist, um ein ganz ernstes Wort zu sprechen! Ich mußte einmal das vor dieser Reise vor Ihre Herzen, vor Ihren Sinn, vor Ihre Gemüter bringen!

DREIZEHNTER VORTRAG Den Haag, 27. Februar 1921

#G203-1989-SE225 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

DREIZEHNTER VORTRAG

Den Haag, 27. Februar 1921

#TX

Die Zeiten, in denen wir leben, sind so ernst, daß es nicht angeht, ir­gendwie gegenwärtig an persönliche Verhältnisse zu denken. Und so gestatten Sie, daß ich nur mit einigen Worten kurz Ihrer verehrten Vor­sitzenden den herzlichsten Dank für ihre lieben Worte ausspreche, und daß ich gleich übergehe zu dem, was ich glaube, Ihnen zu sagen zu haben, nachdem wir uns ja längere Zeit hier in Holland nicht gesehen haben.

Die Zeitverhältnisse, in denen wir leben, sind viel ernster, als die meisten Menschen der Gegenwart in ihr Bewußtsein aufgenommen haben. Diese Zeitverhältnisse dürfen wir ja hier von denjenigen Ge­sichtspunkten aus besprechen, die uns ein langjähriges Studium der anthroposophischen Geisteswissenschaft an die Hand gibt. Wir wissen, daß wir in einer Zeitepoche leben, welche in ihrer besonderen Eigenart im 15. Jahrhundert begonnen hat. Damals hat sie langsam ihre Eigen­tümlichkeiten zu entwickeln begonnen. Und diejenigen, welche als in die geistigen Verhältnisse der Menschheitsentwickelung Eingeweihte diese Entwickelung überschauen können, wissen, daß die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts einen besonderen Tiefstand der menschlichen Ent-wickelung bedeutet innerhalb der neuzeitlichen, insbesondere der euro­päischen Zivilisation. Und dieser Tiefstand, den wir charakterisieren können als das Heraufkommen eines besonderen Einschlages von Egois­mus in alle Glieder der zivilisierten Menschheit, eines Egoismus, wie er vorher nicht da war, diese Welle einer besonderen Entwickelung hat dann ihre furchtbaren Ausläufer herein geschickt in das 20. Jahrhun­dert, und diese Ausläufer halten gegenwärtig durchaus noch die Mensch­heit in ihrem Bann.

Wenn ich sage: Eine Welle von Egoismus ist heraufgezogen in der ganzen modernen Zivilisation -, so spreche ich nicht im trivialen Sinn von dem, was man gewöhnlich Egoismus nennt, sondern ich spreche in dem Sinn von Egoismus, wie wir es im Laufe dieser heutigen Vor­mittagsbetrachtung noch ein wenig durchschauen wollen, und wie es

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klar ist demjenigen, der eben in die eigentlichen Geheimnisse der neue­ren Menschheitsentwickelung eingeweiht ist.

Wir kennen ja die Glieder der menschlichen Natur. Wir wissen, daß seit langer Zeit die seelischen Glieder der menschlichen Natur in einer besonderen Umgestaltung, in einer besonderen Entwickelung begriffen sind. Wir wissen, daß, wenn wir in uralte Zeiten der Menschheits­entwickelung zurückgehen, wir dann innerhalb einer uralten indischen Entwickelung es zu tun haben mit einer besondern Formung des mensch­lichen Ätherleibes, daß dann aber beginnt eine besondere Formung des Astral leibes, und daß eine gewisse mittlere Entwickelung stattgefunden hat während jenes Zeitraumes der europäischen Entwickelung, die etwa um das Jahr 747 vor Christus im Süden Europas begonnen hat, und die ihren Abschluß gefunden hat eben im ersten Drittel des 15. Jahrhun­derts. Damals hat jene Epoche menschlicher Entwickelung begonnen, in der wir noch heute drinnenstehen. 747 vor dem Mysterium von Gol­gatha beginnt diejenige Entwickelungsphase der Menschheit, in der namentlich die sogenannte Verstandes- oder Gemütsseele sich entfal­tete. Und alles dasjenige, was die Menschheit heute noch schätzt als griechische Kultur, hat sich dadurch entwickelt, daß gerade in dieser Zeit die Verstandes- oder Gemütsseele in ihrer höchsten Entwickelung war. Allerdings, während sich die ganz wunderbare griechische Kultur entwickelte, war das, was wir Verstandes- oder Gemütsseele nennen, in aufsteigender Entwickelung. Es war noch nicht an seinem Höhepunkt angekommen. Denn solche Höhepunkte sind immer für die Mensch­heitsentwickelung in gewisser Weise auch Prüfungszeiten. Die Griechen hatten zu ihrer Entwickelung die Jugendfrische, könnte man sagen, der Verstandes- oder Gemütsseele durchzumachen. Und aus dieser Jugend-frische eines noch nicht vom Egoismus durchdrungenen Verstandes, aus dieser Jugendfrische des menschlichen Gemütes heraus ist dann die ja auch von der Nachwelt so bewunderte griechische Zivilisation ent­standen. Das Lateinertum, das Römertum hat dann schon etwas über­nommen von diesem Verstandesseelencharakter, was in absteigender, in dekadenter Entwickelung war. Wer ein tieferes Verständnis hat für dasjenige, was in der Römerkultur lebte, der weiß, daß der Verstand da schon in seine Kulmination kommt. Da geht es mit dem Verstande

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zu einem Höhepunkte hinauf. Daher haben die Römer so abstrakte Begriffe ausgebildet, haben dasjenige ausgebildet, was es für das ganze alte Morgenland noch nicht gab, was es in dem Sinne, wie wir es in Europa kennen, auch für das Griechentum nicht gegeben hat: die Römer haben die Rechtsbegriffe, die juristischen Begriffe ausgebildet. Man betrachtet heute die Welt außerordentlich äußerlich; und man betrach­tet dasjenige, was wir über das Jus, über das Recht denken, was eigent­lich erst aus der römischen Verstandesseele herauskommt, als etwas, was auch schon im alten Morgenland, etwa bei Hammurabi und dergleichen vorhanden gewesen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Sowohl der Deka­log, die Zehn Gebote, wie auch dasjenige, was in anderen Dokumenten aus jener Zeit vorhanden ist, war im Grunde genommen etwas ganz anderes als dasjenige, was unsere modernen Rechtsbegriffe sind. Die sind etwas Abstraktes, etwas, was der menschlichen Seele nicht mehr ganz nahe ist. Und alles das, was in dieser Weise Verstandesentwicke­lung ist, hat seinen Höhepunkt erreicht innerhalb der europäischen Zivilisation in einem Zeitalter, das eigentlich äußerlich geschichtlich wenig studiert wird, das aber für den, der die menschliche Entwicke­lung im geistigen Sinne betrachten will, außerordentlich wichtig und bedeutsam ist.

Das markante Jahr, auf das man da hinweisen kann als für die euro­päische Entwickelung in ganz besonderer Weise wichtig, ist das Jahr 333 nach dem Mysterium von Golgatha. 333 nach dem Mysterium von Golgatha ist die Mitte des vierten nachatlantischen Zeitraumes. Es ist derjenige Zeitpunkt, in dem eine fluktuierende Welterkenntnis und eine fluktuierende Menschheitserkenntnis zu gleicher Zeit in Europa lebte. Nichts von einer eindringlichen Welterkenntnis, wie die Griechen sie noch hatten; nichts auch von einem ordentlichen Erfassen des Inneren ist vorhanden, dafür aber ein Schwanken der Menschen bald hin zu der Sehnsucht nach großen Welterkenntnissen, bald hin zu der Sehnsucht nach Eigenerkenntnis, nach Selbsterkenntnis. Die Menschenseele der europäischen Völker hat ja viel durchgemacht gerade in diesem vierten nachatlantischen Zeitraum. Das Römertum schickte sich dazumal an zu seinem Untergang. Es überließ dann nur seine Sprache, es überließ sein gewissermaßen wertvolles Kultur-Hauptmaterial der europäischen

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Menschheit. Und so lebte dann die Menschheit durch die zweite Hälfte dieses vierten nachatlantischen Zeitraumes bis in das 15. Jahrhundert herein, in dem der unsrige begonnen hat.

Wir haben von dem vorhergehenden Zeitraum, in dem die meisten Menschen von uns ein oder mehrere Erdenleben durchgemacht haben, in irgendeiner Weise - teilweise durch physische Vererbung, namentlich aber dadurch, daß wir die vorher inkarnierten Seelen waren - in un­seren fünften nachatlantischen Zeitraum das Erbe dieses vierten nach-atlantischen Zeitraumes hereingetragen und dieses Erbe angetreten. In allem, was heute unsere Zivilisation ist, lebt dieses Erbe des vierten nachatlantischen Zeitraumes.

Wir haben den Verstand, das Denken in die Bewußtseinsseele herein-gearbeitet. Das bedeutet viel. Die Bewußtseinsseele, die den Menschen zur eigentlichen Durchdringung, zum eigentlichen Verständnis seines Ich bringt, hat sich im Beginn dieses fünften Zeitraumes zunächst des Denkens, des Vorstellungslebens, des Intellektes bemächtigt. Die Menschheit ist gescheit, ist klug geworden, aber klug innerhalb der Bewußtseinsseele. Das ist in der Menschheitsentwickelung die Aus­arbeitung des Egoismus bis zum feinsten Raffinement. Diese Zeit des Egoismus dürfen wir nicht bloß schelten, wir dürfen uns nicht bloß kritisierend über sie hermachen, sondern wir müssen dieses Zeitalter des Egoismus, trotzdem es so viele Versuchungen bringt, trotzdem es den Menschen in so große seelische und auch äußerliche Gefahren bringt, als dasjenige anerkennen, in dem das Ich-Bewußtsein in seiner besonderen Schärfe auftritt. Dadurch wird es den Menschen möglich, ein richtiges Gefühl der Freiheit in sich aufzunehmen. Dieses Gefühl von der Frei­heit, das haben wir in unseren früheren Inkarnationen, in den früheren Epochen der Menschheitsentwickelung alle nicht gehabt. Wir mußten durch den Egoismus, der so viele Versuchungen darbietet, durchgehen, um zu der Sehnsucht nach Freiheit zu kommen, wie sie nur die moderne Menschheit hat. Und das gehört zu den wichtigsten anthroposophischen Erkenntnissen, daß wir wissen: wir mußten etwas aufnehmen, um eine wichtige Etappe der Menschheitsentwickelung zu übersteigen, die Etappe zur Freiheitsentwickelung. Aber wir müssen uns eben gerade deshalb bewußt sein, daß dieses Überschreiten mit vielen Versuchungen,

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mit vielen Gefahren in seelisch-geistiger und auch in leiblicher Beziehung für die Menschheit verknüpft ist. Und anthroposophisch orientierte Erkenntnis muß uns die Möglichkeit bringen, das Freiheits-gefühl voll aufzunehmen, aber zu gleicher Zeit es zu veredeln, es zu durchdringen wiederum mit einer geistigen Welterkenntnis, welche trotz des reifen vorhandenen Ich-Gefühls, des reifen vorhandenen Ich-Bewußtseins doch die Menschheit dazu bringt, Aufgaben zu lösen, die nicht bloß Aufgaben des Egoismus, sondern Aufgaben der ganzen Menschheitsentwickelung, ja der ganzen Erdenentwickelung, der gan­zen Weltentwickelung sind.

In dieser Beziehung stehen wir heute vor einem großen Wende­punkte in der ganzen neueren Zivilisation. Es ist einmal eine Zeit der Prüfungen da. Vor den Menschen stehen große Aufgaben. Aber das Erkennen dieser Aufgaben ist außerordentlich schwierig, und es ist noch dadurch erschwert, daß wir eben durch das Zeitalter des großen Egois­mus durchgegangen sind.

Wir schlafen vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Das ist richtig. Wir sind da in einem Zustand herabgedämpften Bewußtseins. Wohl die meisten von Ihnen kennen den Schlaf durch die negative Art, wie er sich ankündigt, eben dadurch, daß das Bewußtsein herabgedämpft ist. Aber nicht in derselben Weise beurteilen die Menschen die Zeit des Wachseins. Diese Zeit des Wachseins, die Zeit vom Aufwachen bis zum Einschlafen, die war eigentlich anders noch für den vierten nachatlan­tischen Zeitraum. Die Menschen glauben ja heute, daß sie so wachen, wie auch, sagen wir, um die Zeit des Mysteriums von Golgatha die Menschen gewacht haben. Das ist nicht der Fall. Die ganze Seelen-verfassung war eine andere. Die Menschen wachten dazumal anders. Sie hatten ein viel stärkeres Bewußtsein von ihrem Leibe. Sehen Sie, der heutige Mensch weiß ja im Grunde genommen von den leiblichen Vor­gängen außerordentlich wenig. Die Griechen, allerdings nicht die Grie­chen der späteren Zeit, aber die Griechen der vorsokratischen oder vor-platonischen Zeit wußten von den Vorgängen des eigenen Leibes noch außerordentlich viel. Der wirklich gebildete Grieche sah zum Beispiel zur Sonne auf. Er empfing von der Sonne das Licht. Er empfing damit ein Gefühl, daß er etwas Ätherisches einsaugte, daß er selber in seinem

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Inneren das Licht fortgeleitet erhielte. Und wenn er dachte, dann sagte er: Das Licht, die Sonne denkt in mir. Das war für den Griechen der vorsokratischen Zeit noch ein reales Gefühl. Er dachte nicht so abstrakt über das Denken, wie wir heute abstrakt über das Denken denken. Er dachte: Die Sonne denkt in mir; sie läßt ihr Licht durch mich auf-saugen; das Licht, das da draußen die Dinge bescheint, das da draußen die Dinge sichtbar macht, das wirkt in mir, indem es sich gewisser­maßen in sich selber zurückspiegelt so, daß in mir die Gedanken auf-keimen. - Die Gedanken, die in ihm waren, waren dem Griechen Son­nenlicht. Sie waren ihm zu gleicher Zeit dasjenige, was in ihm lebte dank der Wirkung göttlich-geistiger Wesenheiten im Makrokosmos. Sie waren ihm zu gleicher Zeit dasjenige, was ihn eigentlich über seine gewöhnliche Menschenwürde zu dem Göttlichen hinaufhob. Der Mensch empfand sich über das Irdische hinausgehoben, wenn er so das Sonnenlicht in sich als Denken erlebte. - Und wenn der besonders ge­bildete Grieche aß, so betrachtete er zwar das Essen, womit er dasjenige aufnahm, was nicht die Sonne direkt gibt, sondern was aus der Erde kommt, als eine Lebensnotwendigkeit, aber er fühlte sich zu gleicher Zeit verwandelt in die Speisen, die durch seinen Mund, durch seine Speiseröhre, durch die übrigen Verdauungsorgane er selbst wurden. Er fühlte sich eins mit diesen Speisen, wie er sich eins fühlte mit dem Sonnenlicht. Und er fühlte die Schwere der Erde, indem er verdaute. Er fühlte sich gewissermaßen wie die ja von ihm noch nicht hoch-geschätzte, sondern etwas scheu beobachtete Schlange, welche sich der Erde entwindet, welche aber, wenn sie gegessen hat, das Verdauen in einer ganz besonders sichtbaren Weise besorgt. So fühlte der Grieche dasjenige, was in seinem Leibe vorging, sei es dasjenige, was er als das helle Sonnenlicht, das in ihm dachte, empfand, sei es, daß er dasjenige, was ihn an das Irdische kettete, das Speiseaufnehmen, in sich erlebte. Er fühlte durch die innige Verbindung des Verstandes mit dem eigenen Leibe dasjenige, was in ihm auch als physischer Mensch lebte, auf eine besonders energische Art. Das können Sie auch aus folgendem ent­nehmen.

Wenn wir heute in der gewöhnlichen Weise Menschen malen, wie es Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt innerhalb der jetzigen Generation

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zahlreiche Maler gemacht haben, so lügen wir ja eigentlich. Wir sehen die Menschen von außen an und glauben, daß wir da irgend etwas hervorbringen von dem, was wir erleben. Es ist ja gar nicht wahr, daß wir das erleben können. Wir könnten es nur erleben, wenn wir heraufzaubern könnten in uns die Art und Weise, wie sich der Mensch mit der ganzen Natur durchfühlte, so wie es bei den Griechen der Fall war. Dieses mussen wir ja erst wiederum lernen auf einem ganz anderen Wege, als es die Griechen gehabt haben. Wir haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts abstrakt-theoretisch eine solche innere Seelenverfas­sung erlangt, die uns nicht mehr unseren Leib wirklich durchleben läßt, sondern die in Vorstellungen lebt, welche unanschaulich sind, weil wir das Denken für die Egoität erobert haben, für das Ich. Dessen müssen wir uns bewußt sein. Und wir müssen uns bewußt werden, daß wir wiederum Geistigkeit aufnehmen müssen aus anthroposophisch orien­tierter Geisteswissenschaft, damit die Egoität mit etwas angefüllt wer­den könne, damit wiederum dasjenige in unser Leben komme, jetzt auf eine andere Art, was in uns wirklich ist, was die Griechen unmittelbar elementar erlebt haben, was aber nicht hat fortdauern können. Denn schließlich, wenn der Grieche ging, so ging er mit einer Naturnotwen­digkeit, ähnlich wie wenn der Blitzstrahl durch die Wolken zuckt, wie wenn der Donner rollt. Er kannte nichts von Freiheit. Er kannte den Menschen. Er wußte sogar mehr über den Menschen, als man heute meint. Er wußte zum Beispiel noch Worte zu geben, die deutlich zeigen, daß der Mensch etwas wußte von dem Zusammenhang zwischen Geistig-Seelischem und Physisch-Leiblichem. Die griechischen Worte, oder diejenigen Worte, die vom Griechen geblieben sind, sind heute noch viel bezeichnender als diejenigen, die aus unserer nichts mehr er­kennenden therapeutischen oder pathologischen Anschauung kommen. Hypochondrie zum Beispiel ist Unterleibsknorpeligkeit. Das ist etwas, was die Griechen aus ihrer vollen Erkenntnis, wie die Knorpeligkeit in einem gewissen Teile des Leibes durch das Schaffen des Seelisch-Geistigen ist bei solchen Menschen, die hypochondrisch sind, als Namen gegeben haben. Diese Namen bedeuten viel mehr, als die heutigen Men­schen ahnen, und als irgendwie die heutige Medizin aus ihrem abstrak­ten Denken heraus gewinnen kann, wenn sie auch experimentiert,

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seziert und so weiter. All die Dinge, die Realitäten sind, die uns wieder durchschauen lassen die Welt, müssen wir ja erst wiederum aufnehmen. Das aber ist die Aufgabe geisteswissenschaftlicher Vertiefung, daß wir wiederum zu Wirklichkeiten, zu Realitäten kommen.

In diesen vierten nachatlantischen Zeitraum, in dem die Menschen gewissermaßen das durchmachten, was physische Selbsterkenntnis war, was ein Durchschauen des Menschlich-Leiblichen war, gerade in diese Zeit - annähernd ins erste Drittel hinein - fällt das größte Ereignis der Erdenentwickelung, das Mysterium von Golgatha. Wie ist die Zeit beschaffen, in die das Mysterium von Golgatha hineinfällt? Je weiter wir zurückgehen, desto mehr finden wir in den alten Zeiten, in der griechischen Zeit, in der ägyptisch-chaldäischen, in der persischen, in der altindischen Zeit, ein solch unmittelbares Erkennen der ganzen menschlichen Wesenheit. Dieses Erkennen der ganzen menschlichen Wesenheit verschwindet dann. Die letzten Reste davon sind vorhanden in der Zeit, als das Mysterium von Golgatha eintrat. Es war noch etwas von instinktivem, altem Menschheitserkennen da. Zum Beispiel die­jenigen Persönlichkeiten, die uns beschrieben werden in den Evangelien als die Apostel oder als die Jünger des Herrn, hatten noch etwas von alten Erkenntnissen, aber durchaus instinktiv, nicht klar in ihren Seelen lebend. Auch andere hatten noch solche Erkenntnisse. Es waren solche Erkenntnisse in jener Zeit vielfach in der Dekadenz, aber sie waren noch da. Sie waren absterbend, verglimmend, aber es war doch noch so viel geblieben für jene Zeiten von den alten Erkenntnissen, daß eine große Anzahl von Menschen noch nach diesen alten Erkenntnissen das Mysterium von Golgatha begreifen konnte; namentlich als hinein­gestellt wurde in die Zeitentwickelung der durch göttliche Mächte ein­geweihte Apostel Paulus, der ja selber ansichtig wurde der geistigen Welt. Durch alles das wurden die Zeitbedingungen geschaffen, aus denen heraus das Mysterium von Golgatha noch in einer gewissen ur­sprünglichen, instinktiven Weise begriffen werden konnte. Viele Men­schen waren schon in einer späteren Entwickelungsphase drinnen. Namentlich die gebildeten Griechen und die gebildeten Römer hatten schon viel zu abstrakte Begriffe, um das Mysterium von Golgatha wirklich zu begreifen. Aber gewisse Menschen hatten sich die letzten

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Reste alter, hellsichtiger Erkenntnis und namentlich hellsichtiger Tra­ditionen erhalten, und die begriffen noch, daß da wirklich eine außer­irdische Macht, der Christus, sich verbunden hat mit einem irdischen Menschen, dem Jesus von Nazareth. Das Jahr 333 war gewissermaßen das Jahr, in dem die letzten Nachzügler derjenigen da waren, die inner­halb Europas das Mysterium von Golgatha wirklich verstanden; aber nicht verstanden etwa mit unserer anthroposophischen Geisteswissen­schaft - die war natürlich dazumal noch nicht da -, sondern mit den Resten der alten Erkenntnis, desjenigen, was von der Gnosis zurück­geblieben war und dergleichen. Es war noch eine gewisse Geist-Erkennt­nis da. Uraltes, menschliches Erbgut lebte in den menschlichen Seelen. Mit dem konnten sie das Mysterium von Golgatha begreifen.

Was ist geblieben von diesem Mysterium von Golgatha? Verstandes­mäßige Traditionen. Alte Gnosis wurde zur Theologie, zum bloß logi­schen Begreifen des Göttlichen. Theo-Logie; bloßes logisches Begreifen, nicht mehr Anschauen des Göttlichen.

Und immer mehr und mehr kam seit dem Jahre 333 in die Dekadenz das unmittelbare Anschauen des Mysteriums von Golgatha, bis das ver­hängnisvolle 9. Jahrhundert eintrat, wo auf dem achten allgemeinen ökumenischen Konzil zu Konstantinopel im Jahre 869 das Dogma er­lassen wurde, der Mensch bestünde nicht aus Leib, Seele und Geist, sondern es sei Pflicht des Christen anzuerkennen, daß der Mensch nur aus Leib und Seele bestehe, und die Seele einige geistige Eigenschaften habe. Dazumal wurde die Trichotomie, wie man es nannte - die einzig und allein mögliche Menschenerkenntnis, daß der Mensch aus Leib, Seele und Geist bestehe - dogmatisch abgeschafft, und es wurde befoh­len, als rechtgläubig anzuerkennen das Dogma, daß der Mensch nur aus Leib und Seele bestehe. Die modernen Philosophen geben vielfach vor, sie gingen von einer voraussetzungslosen Erkenntnis aus, und sie reden von dem Leib auf der einen Seite, von der Seele auf der anderen Seite. Sie reden vom Geiste höchstens in einer sehr phrasenhaften Weise, denn sie kennen ihn ja nicht. Sie würden ihn erst erkennen, wenn sie anthro­posophische Geisteswissenschaft anerkennen würden. Diese «voraus­setzungslose Philosophie», die heute vielfach gelehrt wird, was ist sie denn? Sie ist das Ergebnis des Dogma vom achten ökumenischen Konzil

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im Jahre 869. Und während die großen Philosophen unserer Zeit dekla­mieren, daß sie voraussetzungslose Wissenschaft treiben, prägen sie eigentlich nichts anderes als in neuere Formen dasjenige, was das achte ökumenische Konzil der Christenheit als Dogma vorgeschrieben hat.

Das muß man durchschauen. Man muß sich völlig klar sein darüber, daß schon die Hinweisung auf den Geist innerhalb des Entstehens der modernen Zivilisation noch in der zweiten Hälfte des vierten nach-atlantischen Zeitraumes als gefährlich angesehen worden ist. Wir stehen heute vor der Verpflichtung, wiederum die Menschheit hinzuweisen auf den Geist, der durch eine lange Zeit der europäischen Zivilisation geradezu für den Teufel erklärt worden ist. Und geblieben sind nach dem Jahre 333 im Grunde genommen nur Traditionen der alten christo-logischen Erkenntnis. Traditionen!

Für dasjenige, was künstlerisch ist, sieht man leichter ein, wie es Tra­dition geblieben ist. Sehen Sie sich zum Beispiel noch an die Bilder von Cimabue, da werden Sie sehen, daß da eine Welt lebte, die sogleich, indem sie bei Giotto auftaucht, eine andere wird. In Cimabue lebt noch etwas, wie es in Dante zum Beispiel auch noch lebte, was die späteren Menschen gar nicht mehr erleben. Aber dieses Drinnenstehen in der geistigen Welt, was bei Cimabue noch vorhanden war, hörte später auf. Später ist es eine Verlogenheit, wenn man einen Goldhintergrund macht. Für Cimabue war das noch eine Selbstverständlichkeit. Und sehen Sie sich die russische Ikone an, das ist nicht irgend etwas, was nach einem Modell gemacht wird, sondern das ist etwas, wo noch alte Traditionen leben; Traditionen von einem Hell sehen, das zur Zeit des Mysteriums von Golgatha noch vorhanden war und der Menschheit das Mysterium von Golgatha verständlich machte. Dann kamen die Zeiten, in denen durch äußere Machtmittel die Traditionen aufrecht­erhalten wurden. Und dann kam die Zeit des 19. Jahrhunderts, wo die gewöhnliche Seelenregsamkeit, die so große, bedeutsame Früchte in Naturwissenschaft und Technik gebracht hat, auch auf die Theologie angewendet wurde. Was ist aber in der Theologie daraus geworden? Aus dem Christus Jesus, aus der Verkörperung einer außerirdischen Wesenheit wurde «der schlichte Mann aus Nazareth»; zwar der vor­züglichste Mensch, aber eben nicht der Träger einer überirdischen

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Wesenheit. Naturalismus wurde die Theologie. Je menschlicher die modernen Theologen den Jesus von Nazareth auffassen, je weniger sie Christologie zu treiben veranlaßt sind, desto mehr lieben sie das. Sie möchten sich auch in der Theologie nur erheben bis zu der Beschreibung des Menschen Jesus von Nazareth, nicht bis zum Erfassen des Christus als einer überirdischen Wesenheit, die gewohnt hat in dem Menschen Jesus von Nazareth.

Wer heute in die Weltenereignisse vom Geiste aus etwas eingeweiht ist, muß manches anders sehen, als die Menschen es nach äußerlichen Beurteilungen sehen. Jenes Mitteleuropa, das solch tragisches Schicksal heute erlebt, hat ja auch unter manchem anderen, was zu besprechen nicht hierher gehört, es ausgehalten, einen Adolf Harnack als einen großen Gelehrten anzusehen; jenen Menschen, der es zuwege gebracht hat, zu sagen, der Sohn gehöre nicht in das Evangelium, sondern nur der Vater, und das Evangelium solle man so verstehen, daß man nur von dem Menschen Jesus von Nazareth spreche und von dem, was dieser Mensch gelehrt habe über den Vatergott. Abgesetzt sollte werden durch die Harnacksche Theologie das Aufblicken zu der Geistigkeit des Chri­stus. Harnacksche Theologie in Mitteleuropa bedeutete in Wahrheit Abschwören des Christentums, Verleugnen des Christentums, bedeu­tete das Aufrichten derjenigen Weltanschauung, die ausdrücklich er­klärt: Wir wollen nichts mehr wissen von der Geistigkeit des Christus. Das ist das Bedeutsame, welches gekommen ist über die neuere Mensch­heit, daß über die lebenswichtigsten Begriffe die verkehrtesten An­schauungen da sind.

Und so weiß die Menschheit heute, was Schlafen ist vom Einschlafen bis zum Aufwachen, aber sie ist gewöhnlich nicht aufmerksam, was das andere Schlafen ist vom Aufwachen bis zum Einschlafen, wenn wir im Alltag herumgehen und über die wichtigsten Dinge uns Illusionen, Träumen hingeben. Die neuere Menschheit schläft nicht nur, wenn sie in der Nacht im Bette liegt - das ist sogar noch das bessere Schlafen -, die neuere Menschheit schläft im Gebiete ihres Egoismus, wenn sie sich einsperrt in ihr Inneres, wenn sie den menschlichen Leib nicht kennen-lernt, wenn sie aber auch nicht zu geistiger Selbsterkenntnis vorschrei­ten will. Es ist eine andere Art des Schlafens als in der Zeit, die zugebracht

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wird vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Um das zu ver­stehen, müssen wir allerdings einmal hinschauen auf die Natur des Ein­schlafens und des Schlafens vom Einschlafen bis zum Aufwachen. Was geschieht denn da eigentlich mit dem Menschen? Warum ist es so für die Anschauung des modernen Menschenverstandes, als ob Schlafen in der Seelenverfassung für den jetzigen Menschen dasselbe wäre wie für den alten Griechen? Der Grieche wachte nicht so, der Ägypter erst recht nicht, wie der heutige Mensch wacht, und er schlief auch nicht so. Wir müssen für jedes Zeitalter gerade diese Seelenverfassung im besonderen kennenlernen. Wenn des Menschen Seele, also Ich und Astralleib sich loslösen im Schlafe vom physischen Leib und Ätherleib, die dann im Bette liegen bleiben, wo ist die Seele, also Ich und Astralleib, dann in der Schlafenszeit?

Mit solch äußeren Beschreibungen, daß da eine Wolke sich äußerlich erhebt über dem physischen Leibe - was ja durchaus für die äußerliche, für die ganz äußerliche Hellsichtigkeit eine Tatsache ist -, ist es aber nicht getan. Man muß auf das Innere sehen. Man muß auf das sehen, was die Seele wirklich zwischen dem Einschlafen und Aufwachen er­lebt. Beim heutigen Menschen erlebt die Seele zwischen dem Einschlafen und Aufwachen diejenigen Erlebnisse, welche wiederum durchlebt wer­den von den noch nicht auf der Erde verkörperten Seelen. Also nehmen wir ein Ereignis, das gerade jetzt, in diesem Augenblick, bevor ich mit dem Vortrage angefangen habe, an mich herangetreten ist: Einem An­throposophen ist ein Töchterchen geboren worden. Es war vor einem Jahr in der geistigen Welt und hat seit dem Jahr den Versuch gemacht, herunterzusteigen in die physische Welt. Es war also in der geistigen Welt die ganzen früheren Jahrzehnte, die wir schon älter sind als dieses Mädchen, das geboren worden ist. Während wir nun jeweils geschlafen haben, lebten wir tatsächlich vom Einschlafen bis zum Aufwachen auch in der Welt, die dieses Mädchen vor der Empfängnis beziehungsweise vor der Geburt durchlebt hat. Das ist auch unsere Welt. Die noch nicht ver­körperten Seelen erleben etwas; mit denen leben wir im fünften nach-atlantischen Zeitalter beim Schlafen zusammen und in allen Ereig­nissen, die ähnlich sind denjenigen, die solche Seelen in der geistigen Welt erleben. - Dagegen leben wir mit demjenigen, was wir beim

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Wachen verschlafen, vom Aufwachen bis zum Einschlafen, in den Erb­schaften des alten irdischen Lebens. Was zurückgeblieben ist vom Inder­tum, vom Persertum, vom Ägyptertum, was aber auf der Erde erlebt worden ist geistig, mit dem leben wir ganz zusammengekrampft ego­istisch in unserem Inneren, weil wir es ja in unsere Inkarnation herein­tragen. Mit dem leben wir bei Tage, die Gegenwart verschlafend - denn die hat sehr viele geistig erfaßbare Ereignisse -, aber uns zusammen­krampfend mit den Vorstellungen, die wir von früher haben, die wir sogar in unserer Sprache hartnäckig festhalten, denn die Sprache ent­hält vielfach für uns kristallisiertes altes Weisheitsgut. Wir opponieren dagegen, dieses alte Weisheitsgut irgendwie auf unsere Seelen wirken zu lassen. Wir reden heute zum Beispiel vom Messer und von der Schere, und wir bedenken meistens nicht, wenn wir das Schneiden der Schere ins Auge fassen, daß da dem Wort das Scheren zugrunde liegt, das Sie hier an jedem Coiffeurladen angeschrieben finden. Und beim Messer, da liegt eine moralische Vorstellung zugrunde; das hängt mit dem Maß zusammen, mit dem Zumessen. Das Messer war dasjenige, womit man dem anderen die Gabe zugeschnitten, zugemessen hatte. Die Dinge, die in den Worten kristallisiert sind, die sind altes Geistesleben. Die Worte gebrauchen wir heute gedankenlos, die Dinge aber ruhen in den Tiefen unseres Wesens. Wenn die Sprache sich aus uns entringt, dann ist es so, daß wir da miterleben alte Erdenzeiten. Vom Aufwachen bis zum Ein­schlafen erleben wir geistig alte Erdenzeiten, auch schlafend; und vom Einschlafen bis zum Aufwachen erleben wir diejenigen Ereignisse, die zum Herabsteigen der Seelen ins irdische Leben weisen.

Sehen Sie, das sind Realitäten, das sind Wirklichkeiten. Diese Wirk­lichkeiten muß sich eine neuere Menschheit wohl einprägen, wenn sie nicht durchaus nur mit den Niedergangskräften sich bekanntmachen will, sondern auch mit den Aufgangskräften. Es wäre viel besser, wenn eine größere Anzahl von Menschen des Abends vor dem Einschlafen etwas anderes machen würde, als was heute die Menschen machen. Denken Sie nur einmal, was das Letzte bei vielen Menschen ist, wenn sie abends schlafen gehen. Für die heutige Menschheit wäre es richtig zu sagen: Ich möchte hineingehen in diejenige Welt, in der Aufgangskräfte sind, in der die Kräfte erlebt werden, welche die Seelen hier in die

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irdische Welt herunterführen; in der diese Kräfte geistig erlebt werden. Zukunftskräfte erlebt der Mensch heute zwischen Einschlafen und Aufwachen. Und er sollte daher eine gewisse Begierde entwickeln nach denjenigen Lehren, die von der geistigen Welt reden, die ein Bewußt­sein darüber entwickeln, was durchlebt wird von den Seelen, wenn sie in einem ähnlichen Zustande sind, aber bewußt, wie die Seelen sonst zwischen Einschlafen und Aufwachen. Da heraus, aus dieser Welt muß kommen dasjenige, was die großen Impulse gibt, um die Zivilisation weiterzubringen, um die Zivilisation wiederum zu heilen. Da heraus müssen die geistigen, die staatlichen und auch die sozial-wirtschaft­lichen Impulse kommen, welche als Heilkräfte unserer Zivilisation sich entfalten müssen. Denn in unserer Zeit müssen wir wieder gewinnen die Möglichkeit, das Mysterium von Golgatha spirituell-geistig aufzu­fassen.

Sehen Sie, was ist denn das Wesentliche - oder sagen wir ein Wesent­liches, denn es gibt ja natürlich unzählig viel Wesentliches - im Myste­rium von Golgatha? Ein Gott, eine überirdische Wesenheit ist herunter­gestiegen, hat Wohnung genommen im Jesus von Nazareth. Eine Eigen­schaft solcher Wesenheiten ist die, daß sie nicht sterben können. Alle diejenigen Wesenheiten, die Sie beschrieben finden in meiner «Geheim­wissenschaft im Umriß» als die Wesenheiten der höheren Hierarchien, der Angeloi, Archangeloi und so weiter bis hinauf zu den höchsten, den Seraphinen und Cherubinen und so weiter, sie sterben nicht in dem­selben Sinn; Sie können das nachlesen, wie ihr Lebensschicksal ist; sie sterben nicht in einer solchen Weise, wie die Menschen sterben. Was hat der Christus, der aus diesen höheren Hierarchien hervorgegangen ist, auf sich genommen? Er stirbt in einem Menschenleibe. Das, sehen Sie, ist sein bedeutungsvollster Übergang zur Wirksamkeit innerhalb der Erdenmenschheit. Er starb in einem Menschenleibe. Er hat dasjenige Erlebnis des Sterbens durchgemacht, das andere Götter, die mit der Erde verbunden sind, nicht durchmachen. Das hat man noch einiger­maßen verstanden bis zum Jahre 333, das müssen wir wieder lernen zu verstehen. Wir müssen wieder lernen zu verstehen, daß in der Tat eine außerirdische Wesenheit das Erlebnis des Sterbens mitgemacht hat und dadurch aufgegangen ist in der Erdenentwickelung, mit uns lebt in der

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Erdenentwickelung. Aber wir müssen die große Bescheidenheit ent­wickeln, zu erkennen, daß ja diese Wesenheit natürlich weit über dem, was menschliche Seelenverfassung erleben kann, steht. Diese Wesenheit ist herabgestiegen aus Welten, wo nicht gestorben wird. Wer sind die dienenden Wesen für diese Christus-Wesenheit? Es sind nicht alle zu demselben Opfer gekommen; es sind nicht alle auf die Erde herab­gestiegen und gestorben. Wesenheiten, angefangen von der Hierarchie der Angeloi bis hinauf in die höheren Hierarchien dienen dem Christus, der sich mit der Erdenentwickelung vereinigt hat. Aber wir entdecken sie nicht, wenn wir uns nicht aufschwingen zur überirdischen Erkennt­nis der ,höheren Hierarchien. Dasjenige, was zu dem Christus führt, muß aus der Erkenntnis geistiger Welten gesucht werden. Wir brauchen zuerst Geisteswissenschaft, damit wir zur Christus-Erkenntnis wieder­um kommen können. Denn der Christus ist auf der Erde, aber das, was ihn umgibt, das ist in der Welt der höheren Hierarchien. Und es war die große Versuchung der Menschheit in der neueren Zeit, daß sie die neuere Naturwissenschaft mit ihren großen Triumphen durchmachte, daß sie die Anerkenntnis der bloßen äußeren Naturkräfte in sich aufgenom­men hat. Aber hinter all diesen Naturkräften leben die geistigen We­senheiten. Das ist schon richtig, was die neuere Naturwissenschaft sagt, aber hinter diesen Naturkräften leben lenkend und leitend die geistigen Wesenheiten, die dienen dem Christus. Der Christus ist in alledem, was Erdenentwickelung ist. Überirdische Wesen dienen ihm, aber über­irdische Wesen werden nur durch Geisteswissenschaft erkannt. Deshalb hat auch Geisteswissenschaft gegenüber der Erneuerung des Christen­tums eine unbegrenzt bedeutsame Aufgabe. Sie sehen daraus, daß wir heute diese Geisteswissenschaft nicht so betreiben können, daß wir sie nur als persönliche Angelegenheit betrachten. Diese Geisteswissenschaft ist heute eine Angelegenheit der ganzen zivilisierten Menschheit. Und deshalb war es durchaus eine innere Notwendigkeit, daß von Anfang an innerhalb des Kreises, der dann den Namen «Anthroposophische Gesellschaft» erhalten hat, die Geisteswissenschaft in einer anderen Weise getrieben worden ist, als etwa in der Theosophischen Gesell­schaft. Die Theosophische Gesellschaft hatte von Anfang an in ihrer ganzen Konstitution etwas Sektiererisches, etwas was rechnete mit dem

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Egoismus der neueren Zeit. Der Anthroposophie war die Aufgabe zu­gefallen, mit dem modernen Bewußtsein zu rechnen; mit demjenigen zu rechnen, was sonst äußere Kultur der Menschheit ist, und da hinein-zutragen die Ergebnisse des geistigen Anschauens. Alle kleineren Strei­tigkeiten und Katzbalgereien kommen demgegenüber gar nicht in Be­tracht. Das Wesentliche war, daß von mir rein erhalten werden mußte jene geistige Bewegung, die mit der gesamten modernen Wissenschaft rechnet. Dabei kommt es mir nicht darauf an, ob der eine oder der andere dieses oder jenes anerkennt. Möge die ganze Welt heute noch schimpfen, möge die ganze Welt nur in negativer Weise kritisieren, darauf kommt es nicht an, sondern darauf kommt es an, daß in Wirk­lichkeit dasjenige, was von mir als Geisteswissenschaft vertreten wird, in vollem Einklange steht mit der modernen wissenschaftlichen Ge­sinnung und dem modernen moralischen Gewissen. - Ich mußte voran­gehen lassen die «Philosophie der Freiheit», die Verkündigung des Karma. Ich habe es oftmals mit tiefem Herzeleid in dem Kreise der Theosophen hören müssen, daß sie gesagt haben: Wenn den oder jenen ein Leid trifft, oder wenn der oder jener sozial ein geplagtes Wesen einer niedrigeren Klasse oder Kaste ist, so ist das eben in seinem Karma, das hat er eben so verdient. - Das war eine Ausdeutung der Karmaidee, wie die egoistischen Menschen des 19. oder 20. Jahrhunderts sie brauchten. Diese Menschen bedachten nicht, daß wir ja nicht nur in diesem gegen­wärtigen Erdenleben leben, sondern daß wir auch in künftigen leben werden. Und wir haben heute nicht immer zurückzuschauen auf das­jenige, was wir in vergangenen Erdenleben hatten, sondern wir haben auch zu bedenken, daß wir in kommenden Erdenleben auf das als etwas erstes zurückzublicken haben werden, was wir jetzt erleben. Freiheit ist mit der Karmaidee in vollem Einklange, nur daß alles dasjenige, was im Kontobuch des Lebens auftritt, in einem karmischen Zusammenhang steht.

Wenn ich das Lebensschicksal seinen Aktiva und Passiva nach addiere, und nachher die Differenz bilde, so bekomme ich eine Lebens-bilanz, aber deshalb sind die einzelnen Zahlen nicht einer Naturnot­wendigkeit unterworfen, ebensowenig wie die einzelnen Zahlen des kaufmännischen Kontobuches vom Fleiße und dergleichen abhängen,

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und zuletzt sich doch mit Notwendigkeit eine Bilanz ergibt. So ist im Lebenskarma Freiheit absolut vereinbar mit der Karmaidee. Wir dür­fen uns nicht der Bequemlichkeit eines Fatalismus hingeben, wenn wir die Karmaidee als etwas voll Berechtigtes hinstellen. Ebenso muß Geisteswissenschaft mit dem modernen Gewissen, mit der moralischen Gesinnung der modernen Menschheit in vollem Einklang stehen. Und deshalb trat auch in der Zeit, in welcher gewissermaßen die Katastro­phe eintrat für alles dasjenige, was seelisch, geistig und physisch der Egoismus der modernen Menschheit verschuldet hat, die Notwendig­keit heran, in einem großen Umfange mit Geisteswissenschaft zu wirken.

Wäre es denn ehrlich und redlich gewesen, immerzu zu predigen, Geisteswissenschaft sei da, um der Menschheit zu helfen, und dann keine sozialen Anschauungen zu haben in den Zeiten, in denen die sozialen Forderungen so dringend geworden sind wie heute? Soll die Menschenliebe nicht fortschreiten zu sozialer Erkenntnis? Sollen wir bloß bei dem phrasenhaften Deklamieren über Menschenliebe bleiben? Sollen wir nicht vielmehr fortschreiten zu realen sozialen Impulsen? Sehen Sie dieses Fortschreiten zu realen sozialen Impulsen als ein Er­gebnis, als Grunderkenntnis der Geisteswissenschaft an, als ein Ergebnis desjenigen, was ich Ihnen heute über Wachen und Schlafen, über schla­fendes Wachen und das Aufwecken des Schlafens durch die Geistes­wissenschaft gesagt habe; sehen Sie es als ein Ergebnis derjenigen Er­kenntnis an, die Ihnen sagt: die dienenden Geister des Christus, sie werden uns erst klar, wenn wir in die geistige Welt hinaufschauen, dadurch wird uns auch erst - durch Geisteswissenschaft - das Myste­rium von Golgatha in einem der heutigen Menschheit entsprechenden Sinne wiederum klar; - sehen Sie es als ein Ergebnis alles dessen an, daß Geisteswissenschaft heute nicht innerhalb von irgendwelchen sektiere­rischen Logen oder Zweigen stehenbleiben darf, sondern daß wir sie hinaustragen müssen so gut wir können, jeder nach dem Maße, wie er an seinem Platze steht. In Dornach durfte nicht bloß eine sektiererische Stätte geschaffen werden, sondern es mußte eine solche Stätte geschaf­fen werden, wo alle Wissenschaften, das ganze tätige Leben, das soziale Leben, das künstlerische Leben befruchtet werden kann. Eine An­gelegenheit der breiten Menschheitsmassen muß anthroposophisch

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orientierte Geisteswissenschaft werden, trotzdem wir ihr wichtigstes, dasjenige, was uns eigentlich dann so recht zu Herzen geht, was uns die Kräfte im Inneren aufleben läßt, eben in dem engeren Kreise unserer Zweige betreiben. Da sollen wir uns die Kräfte sammeln, um eine ge­wisse höhere Erkenntnis, die wir zuerst aufnehmen in diesen Zweigen, heranbilden zu können. Diese Erkenntnis muß aber herangebildet wer­den. Denn wir leben heute in einem Zeitalter, in dem die Menschen eigentlich nicht wissen, was sie wollen, weil sie das wichtigste im Leben verschlafen, in dem sie aber alle ein Wiedererkennen des Geistes wollen. Das müssen wir als die Pioniere, möchte ich sagen, der geistigen Er­neuerung, als Anthroposophen, in unserem tiefsten Herzen fühlen.

Deshalb wünsche ich auch so recht von Herzen, daß innerhalb der Zweige auch von Holland lebe ein solch ernstes, fleißiges und emsiges Studieren desjenigen, was aus geistigen Welten an Erkenntnissen ge­geben werden kann in unserer Bewegung. Ich wünsche ein recht fleißi­ges Studieren innerhalb der Zweige. Aber ich wünsche, daß es nicht bleibe bei der Tätigkeit innerhalb der Zweige, daß dasjenige, was in den Zweigen getrieben wird, nur der Ausgangspunkt sein möge eines Her­austretens unter alle Menschen, eines jeden in seiner Weise, damit die­jenigen Sehnsuchten, die heute in der ganzen Menschheit leben, gerade durch die anthroposophisch orientierte Geistesanschauung befriedigt werden können. Das ist es auch, warum wir verstehen sollten, worin diese Sehnsuchten der modernen Menschheit bestehen. Glauben wir nicht, materialistisch zu werden, indem wir die Materie durchgeistigen. Seien wir uns klar darüber, daß ein großes Unglück vor der Menschheit steht, wenn man es nicht in der rechten Weise erkennt, um es abzu­wenden.

Das achte ökumenische Konzil im Jahre 869 hat aus der Menschheit das Hinblicken auf den Geist ausgetrieben. Diejenigen, die so recht materialistisch gesinnt sind, möchten die nächste Etappe vorbereiten; sie möchten vorbereiten, auch die Seele abzuschaffen, und es zu einer allgemeinen dogmatischen Erkenntnis des modernen und zukünftigen Lebens machen, daß der Mensch überhaupt nur Leib sei. Und auf Mittel sinnen gewisse teuflische Eingeweihte, wie man - jetzt nicht durch see­lische Einflüsse, sondern durch Ingredienzien, durch gewisse Säfte, die

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man der Natur entnimmt - materialistisch erziehen, materialistisch den Menschen überhaupt zubereiten könne als Leib. Mehr mit anderen Grundsätzen, als denjenigen der Waldorfschule - die spirituelle Pro­teste sind gegen den modernen Materialismus -, sinnen andere Men­schen die experimentelle Psychologie aus, die heute allerlei Experimente macht, um die Fähigkeiten zu prüfen. Das ist nur die Vorstufe des­jenigen, was man eigentlich will. Man will nicht mehr mit seelischen Mitteln das Kind erziehen, sondern mit äußerlich materiellen Mitteln, damit die Fähigkeiten in leiblicher Beziehung sich entwickeln. Wir kommen zur Automatisierung des Menschen, wenn wir uns nicht im rechten Zeitpunkt besinnen darauf, daß nicht der Weg gemacht werden darf, zu dem abgeschafften Geiste auch noch die Seele abzuschaffen, sondern daß der Weg umgekehrt gemacht werden muß, wie er seit dem achten ökumenischen Konzil gegangen worden ist; daß der Weg ge­macht werden muß, den Geist wiederum zu finden, und das, was von ihm wiederum gefunden werden kann, in der Menschheit, in allen Zwei­gen des menschlichen, praktischen Lebens zu pflegen.

Das möchte ich, nachdem wir uns wiederum nach längerer Zeit haben sehen dürfen, in Ihre lieben Seelen, in Ihre Herzen gelegt haben. Pflegen Sie Geisteswissenschaft erstens als eine Herzensangelegenheit, so wie sie der einzelne Mensch pflegen muß heute, um selber vorwärts­zukommen. Pflegen Sie dann dasjenige, was Sie selber so in sich auf­genommen haben, indem Sie es in die Menschheit hineintragen auf aJlen Gebieten des Lebens. Dann werden Sie allmählich den Weg finden, um innerhalb der heutigen schweren, ernsten Prüfungszeit der Mensch­heit das Rechte, ein jeder an seinem Platze, zu tun.

VIERZEHNTER VORTRAG Dornach, 11. März 1921

#G203-1989-SE244 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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VIERZEHNTER VORTRAG

Dornach, 11. März 1921

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Seit wir uns das letzte Mal hier gesehen haben, hat unsere anthropo­sophische Bewegung einige wichtige Fortschritte zu verzeichnen. Wir hatten, nachdem ich von hier abgereist war, in Stuttgart eine längere Reihe von Vorträgen vorbereitet, welche zunächst innerhalb Deutsch­lands gehalten werden sollten. Meine Tätigkeit in den mittleren Fe­bruartagen war dazu bestimmt, diese Vortragstätigkeit vorzubereiten. Und etwa dann von Mitte Februar an begann durch eine größere Zahl unserer Freunde, voran die Lehrer der Waldorfschule und die Stutt­garter Mitarbeiter, aber auch durch eine Reihe von jüngeren Freunden, die sich der anthroposophischen Bewegung erst in letzter Zeit an­geschlossen haben, eine etwas ausgebreitetere Vortragstätigkeit über die wichtigsten Städte in Deutschland, die erst abgeschlossen sein wird, wenn der Stuttgarter Hochschulkurs am 12. März beginnen wird.

Diese Vortragstätigkeit ist ja entsprungen aus der Einsicht in die Notwendigkeit, für die anthroposophische Bewegung und alles das­jenige, was ihr Ergebnis ist - oder wenigstens sein sollte -, was mit ihr zusammenhängt, etwas Durchgreifendes zu tun. Es ist natürlich außer­ordentlich schwierig, in denjenigen Städten, in denen nur kleine Grup­pen von unseren Freunden für unsere Sache arbeiten, einigermaßen ge­füllte Säle zu erhalten. Allein es muß eben in der gegenwärtigen schwie­rigen Zeit alles getan werden, was nur irgend möglich ist.

Die Vortragstätigkeit hatte namentlich zu ihrem Inhalte, auf der einen Seite zu zeigen, wie anthroposophische Geisteswissenschaft sich hineinzustellen hat in die großen Kultur- und Zivilisationsfragen der Gegenwart, und dann daraus zu zeigen, welche Konsequenzen für das soziale Leben aus dieser anthroposophischen Grundauffassung zu er­folgen haben. Gerade nach dieser Richtung hin ging der Tenor der Vor­träge, die über eine große Anzahl von deutschen Städten eben gehalten worden sind und noch gehalten werden. Von hier hat Dr. Boos mit sei­ner Tätigkeit zu dieser Vortragsserie beigesteuert und wird noch bei­steuern in verschiedenen deutschen Städten, und wir werden sehen, ob

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gewissermaßen dieser starke Vorstoß, den wir damit zu machen ver­suchten, auf Verständnis in unserer Gegenwart trifft, auf jenes Ver­ständnis, das unserer Gegenwart so notig ware.

Nachdem die vorbereitenden Vorträge für diese Vortragstätigkeit am 17. Februar dann beendet waren, konnte ich mich nach Holland begeben, um dort in einer Reihe von Vorträgen für die anthroposophi­sche Geistesbewegung zu wirken. Die Vorträge, welche ich dort ge­halten habe, sind im wesentlichen darauf eingestellt gewesen, zu zeigen, wie anthroposophische Geisteswissenschaft hervorgeht aus allen zivili­satorischen Forderungen der Gegenwart, wie dann diese anthroposo­phische Geisteswissenschaft gerade denjenigen Seelen der Gegenwart etwas Wesentliches und Wichtiges sein könne, die heute wirklich ernst­lich suchende Seelen sind. Ich habe in einer Reihe von holländischen Städten vorgetragen über zwei Themen zunächst, über «Die anthropo­sophische Geisteswissenschaft in ihrem Wesen und in ihrer Beziehung zu den großen Zivilisationsfragen der Gegenwart» und dann über «Erziehungs-, Unterrichts- und praktische Lebensfragen vom Gesichts­punkte anthroposophisch orientierter Geisteswissenschaft».

Über diese Fragen habe ich gesprochen am 19. Februar in Amster­dam, am 20. in Hilversum, am 21. in Utrecht; am 22. Februar konnte ich dann in den Nachmittagsstunden einen Lichtbildervortrag halten über unseren Dornacher Bau. Am 23. hielt ich einen Vortrag im Haag, am 24. wiederum in Utrecht; am 25. hielt ich einen Vortrag an der Technischen Hochschule in Delft über die wirtschaftliche Gestaltung unter dem Einflusse der Dreigliederung des sozialen Organismus. Der Vortrag für den 26. war angekündigt, fiel aber aus, weil ich dazumal mit meiner Stimme sparen mußte, denn am 27. hatte ich am Vormittag in einem Zweigvortrag vor unseren Hochschulfreunden im Haag vor­zutragen und am Abend dieses Tages hatte ich wiederum im Haag einen öffentlichen Vortrag über Erziehungs- und Unterrichtsfragen vom Standpunkte der Geisteswissenschaft aus. Am 28. nachmittags hielt ich im Haag einen Lichtbildervortrag über unseren Dornacher Bau, an demselben Abend den zweiten öffentlichen Vortrag in Amsterdam. Am 1. März hielt ich einen Vortrag in der Universitätsaula in Amsterdam über das Thema «Anthroposophie und Philosophie». Am 2. März hielt

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ich einen öffentlichen Vortrag in Rotterdam. Am 3. März hielt ich einen öffentlichen Vortrag in Hengelo in Holland. Es ist derjenige Ort, der ganz besonders dadurch interessant ist, daß er ja im Grunde genommen ein, ich möchte sagen, künstlich erstellter Ort ist. In den sechziger, sieb­ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts haben da Industrielle zunächst besondere Wohlfahrtseinrichtungen getroffen, und aus eigentlich wirk­lich industriell-sozialem Denken ist Hengelo allmählich gebildet w6r-den. Es tritt einem das ganz besonders deutlich zutage, wenn man dort die Kleinkinderschule besucht. Ich habe ja nur kurze Zeit gehabt, aber ich habe besucht den Unterricht, und da trat einem ganz besonders das zutage, daß diese kleinen Kinder andersartige kleine Kinder sind als zum Beispiel diejenigen, die man heute, sagen wir, in die erste Volks­schulklasse der Waldorfschule hereinbekommt. Die bekommt man eben einfach aus dem Volke heraus, wie es die heutige Zivilisation ergeben hat. Das ist in Hengelo anders. In Hengelo hatte man zunächst ge­wisse Wohlfahrtseinrichtungen industrieller Art getroffen, und die Leute, die dort angesiedelt worden sind, haben etwa in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dort gearbeitet; deren Kinder arbeiten jetzt in den dortigen ausgebreiteten industriellen Etablissements, und die Kinder dieser arbeitenden Menschen, also die zweitnächste Genera­tion, die waren nun in der Kleinkinderschule. Man sah ihnen das ganz genau an; sie sind nicht eben von der Straße hergeholte Kinder, sondern schon durch mehrere Generationen, wenn ich so sagen darf, von einer in einem gewissen Sinne aus der damaligen Denkweise hervorgegange­nen Zivilisation künstlich aufgepäppelt, selbstverständlich zu ihrem Vorteil, aber durchaus künstlich aufgepäppelt und tragen das Gepräge einer künstlichen Zivilisation. Es ist natürlich überall schwierig, dem Vorurteil zu begegnen, das sich in der Welt heute ja vielfach geltend macht, gerade wenn man, ich möchte sagen, in ein solches Milieu sich hineinstellt. Ich habe ja in verschiedenen Vorträgen Ihnen angedeutet, wie wir durchaus, gerade als das letzte Drittel des 19.Jahrhunderts begann, über Europa hin eine Welle von Liberalismus hatten, eine Welle von freier Geistigkeit, die, wenn sie nach der spirituellen Seite hin eine Fortsetzung hätte finden können, wahrscheinlich außerordentlich Be­deutsames würde haben leisten können. Statt dessen sind wir ja in die

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Reaktion zurückgetrieben worden, weil wir, dem damaligen liberalen Wollen nicht mehr entsprechend, einen materialistischen wissenschaft­lichen Geist hatten. Es ist merkwürdig, wie die karmischen Dinge spielen.

Ich habe zum Beispiel jetzt, also in den letzten Tagen, diesen Vor­trag in Hengelo gehalten für die dortigen Industriellen, die Leute, die damit verknüpft sind, und habe eben gesehen, wie noch hereinwirkt in die Gegenwart dasjenige, dem eigentlich die Spitze ja abgebrochen worden ist, dem nur die spirituelle Fortsetzung fehlt. Als ich jetzt wie­derum hierher gekommen bin, griff ich zufällig aus meinem Bücher­ständer ein Buch heraus, das ein gewisses Interesse hat im Zusammen­hang mit diesen Dingen. Dieses Buch, das als Werk nicht besonders bedeutend ist - es ist ein Buch, welches philosophische Fragen behan­delt -, hat zum Verfasser den einstmaligen Bonner Universitätsphilo­sophen Jürgen Bona Meyer; aber es ist das Exemplar, welches dem bekannten Materialisten Arnold Dodel, der ja in Zürich gewirkt hat, gehörte. In diesem Buche kann man sehen, wie weit er es gelesen hat. Es stehen bis zu, ich glaube Seite 114, es hat, sagen wir 460 Seiten, über­all seine Bleistiftzeichen, seine Anmerkungen drinnen, und aus diesen Anmerkungen kann man sehen, wie dazumal geradezu «stiermäßig» der Materialismus ankämpft gegen das, was noch aus der alten Philo­sophie heraus, wenn auch in der ungeschickten Art des Bonner Univer­sitätsphilosophen Bona Meyer, sich geltend machen will; wie da der Materialismus ankämpft, wie da der Materialismus keift, wie der Ma­terialismus aber außerdem mit einem unglaublichen Hochmut auftritt. Das, sehen Sie, meine lieben Freunde, das ist dasjenige, was einem bes­seren Wollen damals die Spitze abgebrochen hat und was zeigen kann, daß durchaus notwendig ist eine Vertiefung in ein spirituelles Geistes­leben, wenn wir weiterkommen wollen in der Zivilisation, wenn wir nicht in den Niedergang, der überall, besonders auch auf wirtschaft­lichem Gebiete so deutlich wahrnehmbar ist, ich möchte sagen, einem überall in die Augen springt, wenn wir nicht in den Niedergang hinein­sausen wollen. Denn daß die sechziger und siebziger Jahre eben kein spirituelles geistiges Leben aufkommen ließen, das ist dasjenige, was eigentlich das ganze Unglück der neuesten Zeit bewirkt hat.

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Wir haben dann außer diesen Vorträgen, die ich in den verschieden­sten Orten gehalten habe, Eurythmieaufführungen gehabt, und zwar am 20. Februar in Hilversum, am 22. Februar in Amsterdam, am 26. Fe­bruar in Rotterdam, am 27. Februar im Haag. Am 27. Februar im Haag waren also drei Veranstaltungen: vormittags eine Zweigveranstaltung, am Nachmittag eine eurythmische Vorstellung und am Abend der öffentliche Vortrag. Dann war noch eine Eurythmieveranstaltung am 2. März in Amsterdam, bei der ich aber nicht dabei sein konnte, zu der Herr Stuten die einleitenden Worte gesprochen hat, weil ich an jenem Tage in Rotterdam meinen öffentlichen Vortrag zu halten hatte.

Was da zu sagen ist, ist eben, daß ja überall durchaus eine gewisse Sehnsucht deutlich bemerkbar ist nach Seelennahrung bei den Men­schen, nach demjenigen, was die Seele vorwärtsbringen kann. Euryth­mische Vorstellungen sind ja nachträglich dann projektiert, zum Teil schon veranstaltet worden in Köln, in Essen, werden gehalten werden in Mannheim, Karlsruhe, Freiburg und in Stuttgart. Die anderen Dinge, die ich erwähnen möchte, sind solche, wie sie oftmals hier besprochen werden mußten, die wie ein Schatten unsere Bewegung begleiten; je mehr unsere Bewegung ihre innere Notwendigkeit beweist, um so gro­ßer wird ja die Gegnerschaft. Diese Gegnerschaft hat das Eigentüm­liche, daß sie mit ihrer Ausbreitung, mit ihrem Größerwerden zu glei­cher Zeit immer gemeiner und niedriger wird. So war zum Beispiel am 28. Februar in Amsterdam, als ich das Konzertgebäude betrat, ein Mann aufgestellt, welcher Flugblätter verbreitete, auf denen sich in einer sehr schmierigen Art ungefähr dieselben Sachen befanden, die auch hier durch Pfarrer Kullys Blatt und durch andere ähnliche Blätter verbreitet werden.

Sie sehen also, die Dinge sind nicht lokalisiert, sondern über die ganze Welt verbreitet, und es wird ja alles getan, um sie zu verbreiten. Die Gegnerschaft ist, das muß ich immer wieder und wiederum erwähnen, eben viel besser organisiert, viel tätiger, als die Anthroposophische Gesellschaft nach dieser Richtung hin organisiert ist oder auch eine organisierte Tätigkeit entfaltet. Im Gegenteil, wenn eine Tätigkeit da oder dort in Angriff genommen wird, dann finden sich zahlreiche unserer Freunde, welchen das nicht gefällt, welche wollen, daß wir uns

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prügeln ließen und die blauen Flecken herumtragen würden, ohne uns in irgendeiner Weise zu wehren.

Niedliche Dinge treten einem da entgegen, wenn man zum Beispiel die, man möchte sagen, komisch sich ausnehmende «Weisheitsschule» in Darmstadt betrachtet von dem Grafen Hermann Keyserling. Sie hat eine Art Prospekt herausgegeben, aber ein ziemlich dickes Heft, «Der Weg zur Vollendung», das erschienen ist mit der bekannten sogenann­ten «Bauchbinde», welche angekündigte Bücher tragen, und dort wird Reklame gemacht damit, daß meine Angriffe «erledigt» würden:

«Erledigung der Angriffe Steiners». - Diese Schrift hat tatsächlich erstens etwas außerordentlich Komisches. Es stimmt fast, was mir vor einigen Tagen jemand sagte, der diese Schrift ein bißchen gelesen hat, daß sie nämlich eigentlich zum Inhalte hat: Derjenige, der sich nicht auf dem Parkett der Weisheitsschule in Darmstadt bewegt hat, sei eigentlich in der Welt ein dummer Kerl! - Das ist ja ungefähr tatsäch­lich der Inhalt dieses «Weges zur Vollendung». Aber ziemlich niedlich ist zum Beispiel auch folgendes. Sie wissen ja, ich habe ganz absichtlich im öffentlichen Vortrage in Stuttgart den Grafen Hermann Keyser­ling einen Lügner genannt, weil er wirklich gelogen hat, und das hat er übelgenommen; während er sagt, daß die anderen Beurteilungen, die ich seiner Philosophie habe angedeihen lassen, auf sich beruhen mögen

- er läßt sie auf sich beruhen! -, wendet er sich gegen diesen Vorwurf, und zwar mit einer ganz außerordentlich bedeutsamen Begründung:

Er sagt: Wenn ich einfach gesagt hätte, daß das, was er behauptet hat, nicht stimmte, dann würde er ja das begreifen; aber er hätte ja keine Zeit zu einer besonderen Steiner-Forschung, daher müsse man es be­greifen, daß er auch unrichtige Sachen verbreiten könne. - Nun, sehen Sie, daß ist so richtig charakteristisch für all diese Ignoranten der Ge­genwart, die außerdem, daß sie Ignoranten sind, auch noch faul sind, die außerdem entsetzlich faul sind und aus ihrer Faulheit heraus sogar ein gewisses Recht ableiten, gewisse Dinge nicht zu wissen. Wenn man ihnen also vorwirft, sie haben gelogen, so sagen sie, sie haben keine Zeit, Steiner-Forschung zu treiben, das heißt, sie haben keine Zeit, sich zu überzeugen von den Dingen, die sie behaupten. Sie brauchen natürlich keine Steiner-Forschung zu treiben, aber sie sollen dann über das, was

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sie nicht wissen - ich will höflich sein -, den Mund halten. Wenn sie den Mund halten, wird ihnen ja niemand einen Vorwurf machen; wenn sie aber unrichtige Dinge in die Welt hinausposaunen und dann sagen, sie haben keine Zeit, um die richtigen Dinge kennenzulernen, dann ist das eben durchaus ein Symptom für die fürchterliche moralische und intel­lektuelle Verlottertheit unserer heutigen sogenannten Geistesmenschen, namentlich eines solchen Parkett-Geistesmenschen, wie es der Graf Hermann Keyserling ist.

Es ist ja überhaupt das Bemerkenswerte dieses, daß man heute schon deutlich sieht: wissenschaftlich können diese Leute doch nichts machen, wissenschaftlich können sie schon deshalb nichts machen, weil sie viel zu bequem sind, sich überhaupt, insofern sie in wissenschaftlichen Stel­lungen oder irgendwie in literarischen Positionen sind, ernsthaftig mit der Geisteswissenschaft zu befassen. In dieser Lage sind namentlich auch Leute wie Professor Fuchs in Göttingen. Weil diese Leute wissen­schaftlich mit der Geisteswissenschaft nichts anzufangen wissen, so greifen sie zu anderen Mitteln, und diese anderen Mittel bestehen darin, auf irgendeine fragwürdige Weise die Bewegung eben zur Vernichtung zu bringen. Als ich von Holland aus wiederum in Stuttgart ankam, wurde ich nämlich überrascht mit dem ja mittlerweile natürlich weiter-gegangenen Artikel der «Frankfurter Zeitung», der überschrieben ist wegen unserer Maßnahmen in bezug auf die oberschlesische Frage:

«Verräter am Deutschtum», der von Landesverrat und von allem Mög­lichen redet. Es ist ja sehr charakteristisch, daß man diese Dinge be­nützt, um von hinten herum diese Sache zu vernichten.

Nun, es sind diese Dinge nur ein Beweis dafür, zu welch niedrigen Mitteln unsere Vertreter des gegenwärtigen Geisteslebens greifen, und Sie können aus diesen Dingen ersehen, daß nun wirklich kein Wort unberechtigt hier gesprochen worden ist, daß ich gerade unsere Bil­dungsanstalten, namentlich die Hochschulen, in einer entsprechenden Weise zu charakterisieren genötigt war. Daß wir hier eine gründliche Metamorphose brauchen, daß wir eine gründliche Umgestaltung gerade unserer Hochschulen brauchen, das ist dasjenige, was immer mehr und mehr eingesehen werden muß. Und von diesem Gesichtspunkte aus ist es ja ganz gewiß freudig zu begrüßen, daß immerhin, trotz der wütenden

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Gegnerschaft, die dann wiederum von der anderen Seite her ent­steht, ein kleiner Kreis Hochschuljugend sich jetzt zusammenfindet, der daran arbeitet, gerade in das Hochschulwesen die anthroposo­phisch orientierte Geisteswissenschaft hineinzubringen. Das zeigt sich ja bei der Vorbereitung solcher Unternehmungen, wie es der Stuttgarter Hochschulkursus sein wird, und wie es der ja wiederum hier zu haltende Hochschulkursus sein wird, der am 3. April beginnt.

Das, meine lieben Freunde, wollte ich Ihnen vorbringen, um Ihnen ein Bild zu geben von der Tätigkeit der letzten Wochen.

Was ich heute vor Ihnen besprechen möchte, das soll sein eine Art Zusammenfassung von Wahrheiten, die wir von dieser oder jener Seite her schon kennen, die aber immer wieder und wiederum vor unsere Seele treten müssen, wenn wir uns aus der ganzen Tiefe des geistes-wissenschaftlichen Wissens heraus Impulse bilden wollen für das, was dem Menschenwirken in der Gegenwart notwendig ist.

Ich habe Ihnen ja öfter davon gesprochen, wie verschiedene Strö­mungen zusammenwirken zu unserer Gesamtwelt, in die der Mensch hineingestellt ist, und wir kennen ja die Terminologie: Luziferisches, Ahrimanisches und das, was gewissermaßen der Gleichgewichtszustand der beiden Strömungen ist und was sich für uns am besten dadurch aus­drückt, daß wir von der Christus-Strömung sprechen. Sie wissen ja, daß die Mittelpunktsgruppe unseres Baues gerade das Geheimnis dieser Trinität des Luziferisch-Ahrimanisch-Christlichen zum Ausdrucke bringen soll.

Wir können, wenn wir den Menschen betrachten, der ja schließlich doch der Zusammenfluß der Kräfte des Kosmos ist, genau sehen, wie diese drei Strömungen, man möchte sagen, durch ihn hindurchwirken. Wir wissen ja, daß wir deutlich zu unterscheiden haben am Menschen, was in der Hauptsache - Sie wissen, wie das aufzufassen ist - die Haup­tes- oder Kopforganisation ist, die im wesentlichen auch der Träger ist des Nerven-Sinnessystems. Wir wissen, daß dann das rhythmische System zu unterscheiden ist, das als bedeutendsten Teil umfaßt den Atmungsrhythmus und die Zirkulation des Blutes, also alles dasjenige, was rhythmisch abläuft, daß dann als drittes Glied des äußeren Men­schen zu betrachten ist das Stoffwechselsystem, und dieses hängt ja

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innig zusammen mit der Entfaltung des Gliedmaßensystems. Wir wissen aber auch, daß wir diese Trinität des menschlichen Wesens seelisch auf­fassen können. Denn die Nerven-Sinnesorganisation, die Hauptes- oder Kopforganisation ist im wesentlichen der Träger alles desjenigen, was Vorstellung, Denkleben ist. Die rhythmische Organisation ist der Trä­ger alles dessen, was das Gefühlsleben ist, und die Stoffwechselorgani­sation ist der Träger des Willenslebens.

Nun seien wir uns aber über folgendes klar: Ein wirkliches Tag-bewußtsein, ein von vollem Lichte durchdrungenes Tagbewußtsein haben wir nur durch unser Nerven-Sinnessystem, durch das Vorstel­lungsleben, das sich in diesem Nerven-Sinnessystem entwickelt. Das rhythmische System, oder, wir können auch sagen, das Brustsystem, ist der Träger des Gefühlslebens. Da entwickeln sich im mittleren Seelenteil die Gefühle. Und dasjenige, woran die Gefühle ihre körper­liche Widerlage haben, das ist das rhythmische System. Dieses Gefühls-leben, wir haben öfter davon gesprochen, ist nicht in derselben Weise von klarem hellem Bewußtsein durchzogen wie das Vorstellungswesen. Wir können, wenn wir unbefangen auf das menschliche Seelenleben eingehen, nicht anders sagen als: Das Gefühlsleben hat keine größere Bewußtseinshelligkeit als das Traumleben. Traumleben, das zwar in Bildern abläuft, und Gefühlsleben sind gleich bewußt und gleich un­bewußt. Sie nehmen sich nur anders aus, weil das Gefühlsleben nicht in Bildern erfahren wird, sondern eben in Seelisch-Wesenhaftem, das sich bis zum Bilde nicht konturiert. Die Träume leben sich in Bildern aus. Dadurch unterscheidet sich Gefühlsleben und Traumleben. Aber in bezug auf die Bewußtseinsintensität unterscheiden sich die beiden nicht.

Ganz in Unbewußtheit gehüllt, wie der Mensch sonst im Schlafen ist, vom Einschlafen bis zum Aufwachen, ist dann das Willensleben, dessen körperliche Widerlage das Stoffwechsel- und Gliedmaßen-system ist. In bezug auf das Willensleben ist der Mensch, indem er wacht, durchaus ein schlafendes Wesen. Der Mensch sieht, indem er will, eigentlich nur dasjenige, was durch seinen Willen zustande kommt, das stellt er dann vor, wie er etwas anderes auch vorstellt. Aber das, was im Willen eigentlich tätig ist, das innere Seelenerleben im Wollen, das wird eigentlich verschlafen, wie das Gefühlsleben verträumt wird.

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Nun aber betrachten wir dennoch dieses schlafende Willensleben beziehungsweise dessen körperliche Widerlage, dieses schlafende Stoff­wechsel- und Gliedmaßenleben. Der Mensch steht mit seinem ganzen Wesen ja nicht bloß in der physischen natürlichen Umwelt darinnen, sondern er steht in einer geistigen Welt darinnen. Er steht mit seinem ganzen Wesen, gleichgültig in welchem Bewußtseinsgrade dieses Wesen auftritt, im geistigen Kosmos darinnen. Nun betrachten wir den Willen. Wir können etwa so sagen: Wenn das der geistige Kosmos ist (siehe

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Zeichnung, hell), den ich zunächst vorläufig nicht weiter charakteri­sieren will - Sie wissen, «geistiger Kosmos» ist ja sehr universell, man kann immer nur einen Teil herausnehmen -, so wäre das hier (rot) ein gewisser Teil des geistigen Kosmos, nämlich derjenige, dem vorzugs­weise angehört unser Willens- beziehungsweise unser Stoffwechsel­Gliedmaßenleben. So daß also, wenn Sie vom Menschen herausgetrennt denken das Willensleben seelisch, das Stoffwechsel-Gliedmaßenleben leiblich, und sich dann fragen: Wie ist das eingegliedert in einen geisti­gen Kosmos? - so soll dieses ganze Verhältnis zu einem geistigen Kosmos zunächst durch diese Zeichnung dargestellt werden. Und für uns entsteht

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die Frage: Was ist das Weiße hier? - Von dem Roten wissen wir, es ist das menschliche Willensleben, seelisch betrachtet, oder das mensch­liche Stoffwechsel-Gliedmaßenleben, leiblich betrachtet; aber was ist dasjenige, zu dem gewissermaßen dieses Leben gehört? - Ich möchte mich noch mit anderen Worten ausdrücken. Wenn Sie beim Menschen irgendein Glied seines Organismus betrachten, sagen wir zum Beispiel die Leber, so werden Sie sich sagen: Diese Leber gehört dem ganzen Organismus an und sie hat eine Bedeutung innerhalb des ganzen Orga­nismus. - Ebenso können wir innerhalb eines großen Organismus, eines Weltorganismus, der hier weiß dargestellt ist, das ganze menschliche Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, das Willenssystem, als ein Glied be­trachten. Und dann entsteht die Frage: Welches ist denn dieser große kosmische Organismus, in den da eingebettet gewissermaßen ist das menschliche Willenserleben und Stoffwechsel-Gliedmaßenerleben?

Sehen Sie, das, in welches ja der Mensch eingebettet ist in bezug auf sein drittes Glied, ist das kosmische Leben derjenigen geistigen Wesen­heiten, welche die Bibel Elohim nennt. Tatsächlich, so wie wir in der äußeren Natur leben, die wir durch unsere Sinne sehen, so leben wir mit diesem Teil unseres Wesens, den wir eigentlich in seiner Tätigkeit ver­schlafen, das Leben der Elohim mit.

Nun, wir wollen diese Dinge schon genauer besprechen; ich will sie Ihnen zunächst nur charakterisieren. Betrachten wir in der ganzen kos­mischen Evolution dieses Leben der Elohim. Wenn Sie in meiner «Ge­heimwissenschaft im Umriß» nachlesen, so werden Sie finden, das sind die Geister der Form; sie stiegen auf von früheren Entwickelungsstufen. Gehen wir zurück, so kommen wir zu der früheren Entwickelungsstufe des kosmischen Mondendaseins. Da waren diese Geister der Form Archai, Urkräfte, Urbeginne. Gehen wir zum Sonnendasein zurück, da waren sie Erzengel; gehen wir zum Saturndasein zurück, da waren sie Engel. Also seit jener Zeit sind sie aufgestiegen und sind in das Elohim­dasein gekommen, in das Dasein der Geister der Form.

Wenn wir unsere menschliche Entwickelung betrachten, so müssen wir uns sagen: Wir entwickeln uns auch; wann werden wir auf der Höhe sein, auf der diese Geister jetzt sind? - Wir werden auf dieser Höhe sein, wenn wir durchgemacht haben Jupiter-, Venus-, Vulkandasein,

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und in dem sind, was dann kommt. Wenn Sie das zusammen-zählen, was ich in meiner «Geheimwissenschaft» dargestellt habe

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so haben Sie sieben aufeinanderfolgende Entwickelungsstufen, sieben aufeinanderfolgende, man könnte auch sagen, Entwickelungssphären. Und die Geister der Form, die Elohim, sind eingetreten in die achte Ent­wickelungssphäre.

Das ist es ja, was, ich möchte sagen, die Lage der Elohim charakteri­siert. Sie waren, als die Erde wurde, auf jener Stufe, die wir für uns Menschen als Vulkandasein zu charakterisieren haben. Sie stiegen auf in die achte Sphäre. Nun war die große Frage, die große kosmische Frage: Wie steht es oder wie stand es während dieses Erdendaseins mit den Menschen? - Sehen Sie, der Mensch war in der Lage, so wie er vor­her ein Glied in der Entwickelung der Elohim war, ein solches Glied zu bleiben. Die Elohim entwickelten sich durch Saturn-, Sonnen-, Monden­dasein bis zu der Stufe, die ich Ihnen beschrieben habe jetzt. Da trugen sie gewissermaßen in ihrem Schoße den Menschen so, wie Sie ihn be­schrieben finden in meiner «Geheimwissenschaft». Aber all das, was ich da beschrieben habe, ruhte ja im Schoße der Elohim. Es ist ja so be­schrieben, wie wenn ich Ihnen die Leber in ihrer Entwickelung beschrei­ben würde. Wenn man sie beschreibt in ihren Stadien, so ruht sie ja im Schoße des Menschen. So ruhte die ganze Entwickelung, die ich be­schrieben habe von dem Menschen, im Schoße der Elohim.

Als nun die Erde wurde, da war die Frage: Werden nun die Men­schen einfach ein unselbständiges Glied in dem großen Organismus bleiben, der zu seiner achten Sphäre aufstieg, in dem großen kosmischen Organismus der Elohim, oder werden sie sich zur Freiheit herausbilden,

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werden sie selbständig werden? - Diese Frage: Werden die Menschen selbständig werden? - die entschied sich durch eine ganz bestimmte kosmische Tatsache. In bezug auf unser Willenssystem seelisch und auf unser Stoffwechsel-Gliedmaßensystem leiblich sind wir ja Teile der Elohim; da schlafen wir ja. Da sind wir nicht herausgesondert. Wir sind herausgesondert in bezug auf unser Kopfsystem.

Und wodurch geschah diese Heraussonderung? - Diese Heraus­sonderung geschah dadurch, daß gewisse geistige Wesenheiten, welche in der Evolution, wenn sie regelrecht fortgeschritten wären, auch Elo­him geworden wären, daß die nicht Elohim geworden sind, sondern zurückgeblieben sind, zurückgeblieben auf der Stufe der Archai oder Archangeloi. Wir können also sagen, das sind Wesenheiten, die eigent­lich, wenn sie regelrecht fortgeschritten wären, Elohim hätten sein kön­nen. Aber sie schritten nicht regelrecht vor, sie blieben zurück. Sie ge­hören, wenn wir sie heute okkult betrachten, derselben Sphäre an, der die Engel, die Erzengel angehören; aber sie sind nicht von derselben Art wie die Angeloi oder Archangeloi oder Archai, sondern sie sind eigent­lich von derselben Art wie die Elohim, wie die Geister der Form, nur sind sie zurückgeblieben in ihrer Entwickelung und sind daher in die Schar der Engel und Erzengel hineingeraten, tun sich in derselben Sphäre kund, und ihre Wirksamkeit hat sich dadurch darauf beschrän­ken müssen, jetzt nicht auf den ganzen Menschen zu wirken und auf dasjenige zu wirken, was vorzugsweise erst auf der Erde vom Menschen erworben worden ist: das Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, sondern sie wirken auf das Kopfsystem des Menschen. So daß wir sagen: In bezug auf das Kopfsystem des Menschen - wenn ich das also hier als den Gegenpol von dem Willenssystem, von dem Stoffwechsel-Gliedmaßen­system zeichne (siehe Zeichnung S.257, rosa) -, da wirkt nicht dieser große kosmische Organismus der Elohim, sondern da wirken die zurück­gebliebenen Elohim, die ich so zeichnen will (gelb). In dieser Sphäre drinnen wirken auch Angeloi, Archangeloi und Archai. Diese Wesen­heiten, die zurückgebliebene Elohim sind, sind eigentlich die Gegner der anderen Elohim. Die anderen Elohim haben den Menschen von sich abgeschnürt; aber sie hätten ihm nicht geben können die Freiheit, weil sie auf den ganzen Menschen ihren Einfluß haben. Dagegen die zurückgebliebenen

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Geister der Form, die beschränken sich auf den Kopf, und dadurch gaben sie dem Menschen die Vernunft, den Verstand. Das sind im wesentlichen die luziferischen Geister. Sie sind, wie Sie jetzt sehen können aus der Darstellung, auf einer niedrigeren Stufe Willensgeber. Die Elohim geben den Willen dem ganzen Menschen, sie aber geben dem Kopf seinen Willen. Der Kopf wäre sonst nur durchsetzt von willenslosen Vorstellungen. Vernünftig werden die Vorstellungen nur dadurch, daß sie, vom Willen durchsetzt, zur Urteilskraft werden. Das rührt von diesen Geistern her.

Sie sehen jetzt vielleicht gerade an dieser Darstellung wiederum von einem gewissen Gesichtspunkte aus, wie man nicht philiströse Begriffe anwenden darf, wenn man die kosmischen Gegensätzlichkeiten ins Auge fassen will. Man darf nicht die luziferischen Geister, wenn ich mich so ausdrücken darf, einfach über die Achsel anschauen, sondern man muß sich klar sein: das sind Geister von wesentlich höherer Ord­nung, als der Mensch selber ist. Sie sind im Grunde genommen nicht eigentlich Gegner des Menschen, sie sind Gegner der Elohim, weil sie zurückgeblieben sind, und sie beschränken sich auf das menschliche Haupt. Das ist dasjenige, was wir daran ins Auge fassen müssen.

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Wenn Sie sich nun vorstellen, was eigentlich diese Geister erreichen würden, wenn sie ganz freie Hand hätten über die menschliche Evolu­tion, so kommen Sie auf folgendes. Sie werden sich sagen: Nun ja, als die Erde wurde, da sind die Elohim zu ihrer Würde aufgerückt, die anderen sind zurückgeblieben auf früheren Stufen der Entwickelung; sie sind also die Träger desjenigen, was dem Menschen vorzugsweise eingeprägt wird von der Vergangenheit, vom Saturn-, Sonnen-, Mon­dendasein, die Träger desjenigen, was in den Menschen gesetzt werden soll von der erhabenen Vergangenheit, die wir in den drei vorigen Metamorphosen der Entwickelung durchgemacht haben.

Dadurch, daß sie zurückgeblieben sind, gewissermaßen sich wider-setzend dem, was die Elohim mit den Menschen der Erde vorhatten, dadurch können wir sie in bezug auf den Menschen auch charakteri­sieren so, daß wir sagen: Diese Geister, die eigentlich Geister der Form sind, die uns aber entgegentreten in der geistigen Welt unter den Scharen der Angeloi, Archangeloi und Archai, diese Geister prägen dem Men­schen alles dasjenige ein, was ihn nicht hinuntersteigen lassen möchte zum vollen Erdendasein. Sie möchten ihn eigentlich über dem minerali­schen Reiche erhalten. Sie möchten am liebsten, daß der Mensch nur das erlebte, was in der sprossenden Pflanzenwelt ist, was in der tierischen Welt lebt, was in der menschlichen Welt selber ist. Aber sie möchten ihn nicht herunterkommen lassen zur toten mineralischen Welt. Und ins­besondere haben diese Geister gar keinen Hang, dem Menschen irgend­wie vermitteln zu lassen alles das, was mit unserer Technik zusammen­hängt. Auf das sind sie gewissermaßen wütend. Sie möchten den Men­schen in einer geistigen Sphäre erhalten, sie möchten den Menschen nicht heruntersteigen lassen zu dem Irdischen. Daher sind sie auch Gegner der Elohim, weil die Elohim, die den Menschen verfestigt haben im Staub der Erde, wie es die Bibel ausdrückt, ihn ins Mineralreich hin­untergezogen haben. Dem allerdings verdankt er seine Freiheit. Aber auf Freiheit, auf die Freiheit, die der Mensch erleben soll im Irdischen, kommt es gerade den Geistern, die den Menschen freihalten wollen vom Irdischen, eigentlich nicht an.

Nun ist der Mensch gewissermaßen hineingestellt worden durch die Elohim in die mineralisch-irdische Welt. Dadurch aber haben andere

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Geister wiederum den Zugang erhalten. Nun achten Sie auf den Unter­schied zwischen den Geistern, von denen ich eben gesprochen habe, und den Geistern, von denen ich jetzt werde noch zu sprechen haben. Die, von denen ich jetzt gesprochen habe, sind in der Sphäre, wo die Angeloi, Archangeloi, Archai sind. Wir finden sie unter den Scharen dieser Gei­ster, und sie sind es, die in den menschlichen Kopf Beweglichkeit, bewegliche Vernünftigkeit hineinbringen, Phantasietätigkeit, Kunst­tätigkeit und so weiter. Dadurch aber, daß der Mensch ins mineralische Reich hinuntergedrängt worden ist, daß die Elohim ihm eine Selbstän­digkeit gegeben haben, aber diese Selbständigkeit doch wieder keine volle Selbständigkeit ist, denn er durchlebt sie schlafend in seinem Willen und in seinem Stoffwechsel-Gliedmaßensystem, dadurch haben andere Geister den Zutritt. Diese anderen Geister, die schleichen sich gewissermaßen in die Evolution hinein. Die Geister, von denen ich ge­sprochen habe, waren bei der Evolution dabei, sie sind nur zurück­geblieben; sie haben sie nicht mitmachen können, aber sind zurück­gebliebene Elohim, sie waren im Kosmos dabei bei den Elohim und wollen nur den Menschen nicht ganz auf die Erde herunterlassen. Er ist aber nun auf die Erde heruntergekommen durch die Elohim. Da kom­men nun von auswärts andere Geister. Wir finden sie, wenn wir den okkulten Blick richten auf die Scharen der Cherubime, Seraphime und Throne. Von diesen Geistern, die eigentlich dieser Artung angehören, sind auch einzelne zurückgeblieben. Sie sind nicht in diese Scharen hin­eingekommen, sie sind nur Geister der Weisheit geworden. Diese geisti­gen Wesenheiten zeigen sich so, daß man von ihnen sagen kann: sie möchten eigentlich in der Erde eine ganz neue Schöpfung beginnen, sie möchten den Erdenmenschen so recht konservieren. Wie er im Mineral-reich durch die Elohim verkörpert ist, so möchten sie ihn als einen An­fang nehmen, und von diesem Anfang an möchten sie weiterführen die Entwickelung. Sie möchten alle Vergangenheit auslöschen: Ach was, Vergangenheit - sagen sie -, das kümmert uns nicht weiter; der Mensch ist einmal ins Mineralreich herunter gekommen, nun - reißen wir ihn weg von den Elohim, die Elohim brauchen ihn ja nicht; reißen wir ihn weg von den Elohim und fangen wir eine neue Evolution an. Lassen wir ihn das Anfangsglied sein, damit er dann weiter und weiter lebt!

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Das sind die ahrimanischen Wesenheiten. Diese ahrimanischen We­senheiten, die wollen alle Vergangenheit auslöschen und wollen dem Menschen nur das als ein Ergebnis lassen, was also unmittelbar er auf der Erde errungen hat.

Sie sehen, wie die Elohim mittendrinnen stehen. Die Elohim möch­ten Vergangenheit mit Zukunft verknüpfen. Diejenigen Geister, die ich vorhin geschildert habe, sie möchten den Menschen mit seiner erhabenen Vergangenheit durchdringen. Die anderen Geister möchten die ganze Vergangenheit auslöschen, den Elohim wegnehmen das, was der Mensch aus dem Staub der Erde ist, und einen neuen Anfang machen, von der Erde aus erst die Entwickelung machen. Weg mit diesem «Ballon» des Kosmos, mit Saturn, Sonne und Mond, davon soll gar nichts für den Menschen eine Bedeutung haben. Mit der Erde soll eine neue Evolution beginnen, die soll ein neuer Saturn sein, dann die Sonne kommen und so weiter. Das ist das Ideal dieser anderen Wesenheiten. Sie stürmen ins Unbewußte des Menschen herein, in das Willensleben, das Stoffwechsel­Gliedmaßenleben, da stürmen sie herein. Sie sind dasjenige Geschlecht unter den geistigen Wesenheiten, die dem Menschen beibringen wollen ein besonderes Interesse für alles Mineralisch-Materielle, die dem Men­schen beibringen wollen ein Interesse für alles dasjenige, was zum Bei­spiel Äußerlich-Maschinelles, Mechanisches ist. Sie möchten am lieb­sten alles dasjenige, was die Erde sich vom alten Monde her mitgebracht hat, zerstören, möchten, daß die Tierwelt verschwinde, daß die phy­sische Menschenwelt verschwinde, die Pflanzenwelt verschwinde, daß vom Mineralreich nur die physischen Gesetze bleiben, aber namentlich, daß die Menschen von der Erde weggenommen würden; und einen neuen Saturn aus Maschinen möchten sie bilden, eine neue Welt aus lauter Maschinen. So soll die Welt dann weitergehen. Das ist eigentlich ihr Ideal. Auf äußerem wissenschaftlichem Gebiete haben sie das Ideal, alles zur Materie zu machen, zu mechanisieren. Auf religiösem Gebiete haben wir diese zwei Gegensätze deutlich wahrnehmbar.

In älteren Zeiten - Sie wissen das aus anderen Vorträgen, die ich auch hier an dieser Stelle gehalten habe - waren die Menschen mehr den Geistern der ersteren Art, welche auf den Kopf wirken; ausgesetzt. Da finden Sie noch bei Plato, daß man ganz besonders, wenn man von der

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Ewigkeit der Menschenseele gesprochen hat, von dem vorgeburtlichen Dasein gesprochen hat, von dem, woran sich der Mensch eigentlich erinnert aus dem vorigen Dasein. Das hört dann auf, je weiter wir ins Mittelalter hereinkommen, bis die Kirche den Glauben an die Prä-existenz ganz verbietet; und heute gilt ja der Glaube an die Präexistenz des Menschen für die Kirche als eine Ketzerei. Da ist also auf der einen Seite die Hinneigung zu dem Wissen von der Präexistenz; auf der anderen Seite ist die verahrimanisierte Kirche, welche das Leben des Menschen nur über den Tod hinaus fortsetzt und es dann nur ein Ergeb­nis sein läßt dessen, was der Mensch auf der Erde hier ist.

Da haben Sie das als ein Glaubensbekenntnis: Was der Mensch hier in dem physischen Leib erlebt, das trägt er mit durch den Tod. Seine Seele schaut immer wiederum auf das zurück. - Es ist eigentlich das ganze folgende Leben nur die Fortsetzung desjenigen, was hier zwischen seiner Geburt und dem Tode da war. Es ist genau dasselbe, was die ahrimanischen Geister wollen. Das sind gerade die wichtigen Fragen, die vor der gegenwärtigen Menschheit liegen: Soll es dabei bleiben, daß der ahrimanische Glaube fortwuchert, als ob es nur ein Leben nach dem Tode gebe, oder soll wiederum das Bewußtsein von der Präexistenz erwachen und soll es dann dazu kommen, zu verbinden Präexistenz und Postexistenz durch dasjenige, was mittleres Gleichgewicht ist?

Das ist dasjenige, was Geisteswissenschaft suchen muß, dieses Chri­stus-Prinzip, das Äquilibrium, das Gleichgewicht zwischen dem Luzi­ferisch-Ahrimanischen - auf der einen Seite der Präexistenz, und der Postexistenz auf der anderen Seite. Das sind die wichtigen Fragen der Gegenwart, daß wir, nachdem eine Zeitlang die Menschheit sich hin­gegeben hat dem ahrimanischen Glauben an die bloße Postexistenz, wiederum hinzufügen auch das Bewußtsein, die Erkenntnis von der Präexistenz, um dadurch zu einem Begreifen der vollen Menschheit zu kommen.

FÜNFZEHNTER VORTRAG Dornach, 13. März 1921

#G203-1989-SE262 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

FÜNFZEHNTER VORTRAG

Dornach, 13. März 1921

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Aus dem ganzen Sinn der Darstellungen anthroposophischer Geistes­wissenschaft ersehen Sie ja, daß es darauf ankommt, zu begreifen, wie in die verschiedenen Gebiete des Daseins sich eingliedern, richtend, kräftigend, verschiedene geistige Wesenheiten. Es ist notwendig, daß in der Gegenwart die Menschheit sich durchdringe mit der Erkenntnis davon, wie verschiedene Daseinsgebiete von einzelnen geistigen Wesen­heiten gelenkt, gerichtet und so weiter werden. Denn unsere Zivilisa­tion hat ja im Laufe der neueren Zeit verwischt dieses Bewußtsein konkreter Geistigkeit im Dasein. Man redet gerne im allgemeinen von dem Göttlichen, das alles durchdringt. Aber mit einem solchen Sprechen im allgemeinen von dem Göttlichen kommt man nicht zu einem solchen Begreifen der Welt, das dann auch für das Leben eine tüchtige Grund­lage sein kann. Es ist ja ganz gewiß richtig, daß zuletzt alles, was man an Geistigem durchschaut, hintendieren muß nach einem Einheitlichen. Allein, wenn man nach dem Einheitlichen, ich möchte sagen, zu früh schaut, dann verwischen sich alle wirklichen Einsichten in den Gang der Weltereignisse. Deshalb ist es notwendig, daß aus dem allgemeinen abstrakten Sprechen über das Göttliche herausgekommen werde und man die konkreten geistigen führenden Wesenheiten in Natur und Ge­schichte und so weiter kennenlerne, wie wir ja das im Laufe der Zeit immer wiederum getan haben. Und von diesem Gesichtspunkte aus möchte ich Sie heute hinweisen auf ganz wichtige, bedeutungsvolle Grundlagen unserer Weltkonstitution.

Ich habe ja vorgestern aufmerksam darauf gemacht, daß sich gewisse Wesenheiten zum Aufbau, zur ganzen Belebung des Menschen gewisser-maßen wie kämpfend in der Welt zusammenfinden. Die für uns ja im Grunde genommen alte Wahrheit von der Gegensätzlichkeit der luzi­ferischen und ahrimanischen geistigen Kräfte, haben wir vorgestern wiederum uns von einem gewissen Gesichtspunkte aus vor die Seele geführt. Nun wollen wir heute die Sache von einem anderen Ende aus noch einmal betrachten.

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Was gerade besonders charakteristisch ist in der neuesten Zivilisa­tion, die jetzt in solchen katastrophalen Vorgängen steckt, die solche Niedergangskräfte offenbart, das ist ja die Ausbreitung des verstandes-mäßigen Denkens in der ganzen Menschheit. Man muß schon wirklich sich eine Art Einblick verschaffen in die ganz andere Seelenverfassung der Menschen auch über das zivilisierte Europa hin vor sieben, acht Jahrhunderten. Was heute ganz allgemein tonangebend ist, was alles Seelenleben der Menschen durchdringt und von einer gewissen Seite her noch immer mehr durchdringen wird, das ist eben das verstandesmäßige Denken. Nun handelt es sich darum, doch vielleicht mit einem solchen mehr seelischen Begriff auch etwas zu verbinden, was äußerlich faß-barer ist. Denn es ist schon gut, wenn man auch vom Gesichtspunkte des Geistes aus das äußerliche materielle Dasein wirklich erfaßt und durchdringt. Dasjenige, was in unserem Organismus dem Denken zu­grunde liegt, das sind die in diesem Organismus befindlichen, rein mine­ralischen Vorgänge. Also verstehen Sie mich recht: Was in uns Vor­gänge sind des eigentlichen Menschentums, was Vorgänge sind, die wir gemeinsam haben mit der tierischen Natur, Vorgänge, die wir gemein­sam haben mit der pflanzlichen Natur, das alles hängt nur indirekt, nicht direkt zusammen mit der Tatsache, daß wir im neueren Sinne der Menschheitsentwickelung verstandesmäßig denkende Menschen sind. Die Tatsache, daß wir in uns auch eine verfestigte mineralische Konsti­tution haben, befähigt uns zum verstandesmäßigen Denken.

Wenn wir die Reiche der Natur im Weltenraume ansehen, so müssen wir sagen, die sind da draußen und die sind ja auch in uns. Sehen wir zunächst einmal auf das Reich der Wärmeerscheinungen, also des Wär­meäthers. Wir tragen die Wirkung dieses Wärmeäthers auch in uns. Wir tragen sie in unserem Blute in uns. Die Wirksamkeit unseres Blutes besteht ja im wesentlichen darin, daß wir mit dem Blute als Träger die Vorgänge der Wärmung, der Erwärmung durch unseren ganzen Orga­nismus durchleiten. Auf alledem, was so vorgeht im Reiche der Wärme, beruht das verstandesmäßige Denken nicht. Also wenn wir hinaus-schauen auf die Wärmevorgänge im Kosmos, können wir sagen: Diese Wärmevorgänge setzen sich auch innerhalb der Haut unseres Organis­mus fort; aber was uns entgegentritt in dem Kosmos als Wärmevorgänge,

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was ganz besonders demjenigen entgegentritt, der den Kosmos in dem Zustande betrachtet, in dem er zunächst ausschließlich Wärme­vorgänge zeigt, während des Saturnzustandes, all das, was da draußen ist, das repräsentiert uns im Kosmos nichts, von dem wir sagen können, es regt in uns das verstandesmäßige Denken an.

Aber auch auf dem, was in uns dadurch vorgeht, daß wir Luft ein­atmen, Luft in unserem Organismus verarbeiten, auch darauf beruht das verstandesmäßige Denken nicht. Wenn wir auf das Reich der Luft sehen, so finden in diesem Reiche ja auch Vorgänge statt, die sich in unserem Organismus fortsetzen durch den Atmungsprozeß. Aber auch alles das, was wir da repräsentiert finden durch das Reich der Luft, auch das hat unmittelbar mit unserem verstandesmäßigen Denken nichts zu tun.

Als drittes Reich können wir das der Erscheinung des Wassers be­trachten. Wir sehen draußen in dem Kosmos die Vorgänge in dem flüs­sigen Reiche. Auch diese setzen sich ja fort in unserem Stoffwechsel, insofern er im Flüssigen sich abspielt. Draußen in der Natur sehen wir den Kreislauf der Flüssigkeiten, in uns selber sehen wir auch eine Art von Kreislauf der Flüssigkeiten. Alles was sich so in uns abspielt, hat wiederum nichts zu tun mit dem, was unser verstandesmäßiges Denken ist. Wenn wir aber in den Kosmos hinausschauen und sehen, daß sich Wasser verdichtet zu Eis, daß sich gewisse mineralische Substanzen ab­setzen als Sedimente, daß sich Gesteine bilden, daß sich Kristalle bilden, kurz, wenn wir die Vorgänge des Mineralischen, des Festen draußen im Kosmos betrachten und deren Entsprechendes innerhalb der Grenze unseres Organismus, so hat das, was sich da abspielt als mineralische Vorgänge, mit alledem zu tun, was schließlich gipfelt, was kulminiert in unserem verstandesmäßigen Denken. Wir sind also als Menschen ein­gegliedert in den Kosmos in diese verschiedenen Reiche. Aber würden wir nur eingegliedert sein in die verschiedenen Reiche, ohne im beson­deren Maße in Anspruch genommen zu werden von dem mineralischen Reich, von denjenigen Kräften also, die in der Kristallisation, in der Salzablagerung und so weiter draußen in der Welt uns entgegentreten, so würden wir nicht denkende Wesen sein in dem Sinne, wie wir es namentlich sind seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Das ist ja auch

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durchaus eine wahre Tatsache, daß seit der Mitte des 15. Jahrhunderts dieses Wirken der mineralischen Kräfte im menschlichen Organismus das Maßgebende, das Tonangebende geworden ist. Vorher waren an­dere Kräfte, die Kräfte des Wassers, die Kräfte der Luft und so weiter in hervorragendem Maße im Menschen wirksam. Daher war aber auch nicht das besonders bedeutungsvolle Element im menschlichen Wirken das verstandesmäßige Denken.

Nun, in alledem, was uns so umgibt als die verschiedenen Reiche, in denen wir leben, das Reich des festen Irdischen, das Reich des Wässerig-Flüssigen, das Reich des Luftförmigen, das Reich der Wärme - wir wollen von den höheren Ätherarten zunächst absehen -, in alledem wirken aber auch göttlich geistige Wesenheiten. Diese Reiche bestehen nicht nur in dem, was wir nennen die materiellen Weltenkräfte, die materiellen Weltenentitäten, sondern alle diese Reiche sind von ver­schiedenen geistigen Wesenheiten durchdrungen. Zeichnen wir uns also einmal schematisch jetzt auf dasjenige, was uns veranschaulichen kann eine wichtige Tatsache in unserem Zusammenhange mit der Welt.

Nehmen wir einmal an, hier würde ich schematisieren das Reich des Mineralisch-Irdischen (siehe Zeichnung, hell); ich würde dann hier charakterisieren das Reich des Wässerigen (rot); ich würde hier charak­terisieren das Reich des Luftförmigen (blau) und dann das Reich des Wärmeäthers (rötlich-violett).

#Bild s. 265

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Nun ist das Eigentümliche, daß alle diejenigen geistigen Wesenhei­ten, von denen sich die vorchristliche Zeit, namentlich das vorchrist­liche Judentum vorgestellt haben, daß sie unter der Führung des Jahve oder Jehova stehen, also alles das, was angeschaut wurde auch von den hebräischen Initiierten als zu dem Reich des Jahve oder Jehova ge­hörig, im wesentlichen seine Herrschaft ausdehnt über die drei ersten Reiche, auch über andere, aber von diesen vieren über die drei ersten Reiche. So daß also, wenn ich Ihnen aufzeichnen sollte das Gebiet, das umspannt wird in der Welt von der Jahve-Herrschaft, ich sagen müßte, das ist dieses Gebiet (die drei oberen der Zeichnung). Es ist tatsächlich so, daß die Jahve-Herrschaft umspannt alles dasjenige, was die Reiche der Natur sind, die wir aufgezählt haben, mit Ausnahme des minera­lisch-physischen Reiches. Sie müssen sich also klar sein, wenn in den alten jüdischen Schriften vom Göttlichen die Rede ist, so wird immer nur geredet eigentlich von dem Jahve-Reiche selber in bezug auf den Wärmeäther, auf die Luftwesenheit, die Wasserwesenheit, und es wird

- das war in der vorchristlichen Zeit eine tiefe Initiationswahrheit -sehr geistvoll schon in der Schöpfungsgeschichte auf diese Grundwahr­heit hingedeutet. Es wird deutlich zum Ausdrucke gebracht, man muß nur den Sinn der Bibelworte recht verstehen: Jahve begab sich gewis­sermaßen zur Erde und bildete den Menschen aus dem Staub der Erde. Er nahm dasjenige, was sein eigenes Reich nicht ist, zur Bildung des äußeren Menschen. - Also die Bibel drückt tatsächlich dieses deutlich aus. Wie gesagt, in der vorchristlichen jüdischen Initiationswissenschaft war das eine Initiationswahrheit, daß Jahve nicht aus dem eigenen Machtbereich den äußeren Menschen geformt hat, sondern daß er zur Erde gegangen ist und aus dem ihm fremden Erdenstaub gewissermaßen die menschliche Hülle, die nicht aus seinem Reiche kommen konnte, geformt hat. Dann hat er eingehaucht dasjenige, was von ihm kommt, die tierische Seele, den Nephesch. Das ist dasjenige, was er von sich aus gab, das kam aus den drei Reichen, die er beherrschte. Es ist schon so, daß die oberflächlichen Bibelforscher eigentlich zumeist gar nicht ver-stehen, was in der Bibel steht. Die Bibel - wenn man sie versteht, so sieht man das - spricht außerordentlich genau, und es müssen ihre Sätze nur auch wirklich ganz genau genommen werden. Jahve bildete den Menschen

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aus dem Staub der Erde, das heißt, aus dem ihm fremden mine­ralischen Reiche, und er gab ihm aus seinem eigenen Reich den Hauch der Seele. Also dasjenige, was im Merischen lebt als Jahve-Ausfluß, das wird dadurch angedeutet, daß Jahve dem Menschen den lebendigen Odem einblies.

Nun entwickelte sich der Mensch und er entwickelte ein Jahve­fremdes Element, indem er mit dem mineralischen Reich sich weiter-entwickelte, das dann in der neueren Zeit, also seit der fünften nach-atlantischen Periode, dasjenige Reich abgab, das im Menschen beson­ders tonangebend geworden ist, weil es die Grundlage bildete für seine verstandesmäßige Kultur. So daß wir sagen können: Solange in den Menschen die verstandesmäßige Kultur nicht tonangebend war, konn­ten sie noch eine Herrschaft haben, wie es etwa die Jahve-Herrschaft war. Dann begann aber sich die mineralische Natur geltend zu machen von der Begründung des Christentums an bis zum Beginn der fünften nachatlantischen Periode. Da mußte von einer anderen Seite gewisser­maßen der Menschheit geholfen werden. Und da können Sie nun auch sehen, wie nötig die Menschheit in der Zeit, in der die mineralische Natur wesentlich geworden ist, den Christus-Impuls hatte. Es genügte der alte Jahve- oder Jehova-Impuls eben nicht mehr.

Halten Sie das, was ich Ihnen eben gesagt habe, mit bestimmten Tat­sachen zusammen. Betrachten Sie einmal die Tatsache, daß ja der Mensch nicht wach, verstandesmäßig denken würde, wenn er bloß der Jahve-Natur, die keinen Einfluß hat auf seine mineralische Natur, unterstehen würde. Daher können wir, wenn wir die Tätigkeit Jahves im Menschen vorzugsweise ins Auge fassen wollen, nicht blicken auf das, was in unserer Verstandeskultur ist, sondern wir müssen bloß gehen bis zu dem, was sich äußert in unseren Träumen. Was geträumt wird, dasjenige, was nicht bis zum Erfassen unseres Seelenlebens in scharfen konturierten Verstandesbegriffen geht, das ist unser Jahve-Leben. Alles was sich im flüssigen Elemente auch des mehr Phantastischen oder Phantasievollen bewegt, das äußerlich verglichen werden kann mit den Mondeinflüssen auf den Menschen, das ist Jahve-Natur des Men­schen. Dasjenige, was sich der Jahve-Natur entgegenstellt, das ist das scharfe Denken. Aber das verdankt der Mensch dem Umstande, daß

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sich in ihm Salze ablagern, daß in ihm mineralische Wirksamkeiten tätig sind.

Nun bedenken Sie, daß ja im Grunde genommen die geschichtliche Entwickelung diese ist, daß die alte Jahve-Religion mit dem Mysterium von Golgatha ihre Bedeutung verloren hat. Sie hat schon deshalb ihre Bedeutung verloren, weil ja der Mensch immer mehr und mehr in das­jenige Entwickelungsstadium kam, in dem seine mineralische Natur tonangebend wurde. Als dann das Mysterium von Golgatha eintrat, war noch genügend da von der alten Traumweisheit, um aus dieser Traumweisheit heraus das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Und diejenigen, die etwas herausgeragt haben über die alte Traumweisheit, die schon etwas hatten durch allerlei Initiationen von der intellektua­listischen Kultur, wie Saulus-Paulus, die hatten nötig einen besonderen Einfluß, wie er Paulus traf durch das Ereignis von Damaskus, um das Mysterium von Golgatha zu verstehen. Es ist ja von einer grandios tie­fen Bedeutung, daß in der christlichen Überlieferung gesagt wird, daß Saulus-Paulus, der ja in einem gewissen Sinne in die hebräischen Myste­rien eingeweiht war vor dem Mysterium von Golgatha, daß der, um das Mysterium von Golgatha zu verstehen, nötig hatte, in ein Wissen ent­rückt zu werden, das nicht in scharfen Verstandeskonturen wirkte, sondern das im verschwimmenden Elemente des Traumhaften sich aus-lebte. Da erlebte Paulus die Gewißheit, daß der Christus in dem Jesus durch das Mysterium von Golgatha gegenwärtig gewesen ist. Man konnte mit der alten Traumweisheit durchaus noch etwas begreifen von dem Ereignis von Golgatha und man konnte, wenn man durch einen besonderen Einfluß, wie es bei Paulus der Fall war, entrückt wurde in diese Region, das Ereignis von Golgatha begreifen. Nun, die alte Traum-weisheit nahm immer mehr und mehr ab. Sie blieb ja nur eben im menschlichen Träumen zurück und befindet sich da in voller Dekadenz. Und als das 15.Jahrhundert herankam, da wurde die europäische Zivi­lisation immer mehr und mehr auf die intellektualistische Kultur, auf das intellektualistische Element angewiesen, und unter dem Einflusse dieses intellektualistischen Elementes ist die moderne Wissenschaftlich­keit heraufgezogen.

Nun bitte, bedenken Sie das Folgende. Die alte Jahve-Religion muß

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man ja nicht bloß fassen in bezug auf die äußeren Worte; das wäre eigentlich eine materialistische Religionsauffassung, man muß sie in ihrem innerlichen Geist fassen. Sie tritt uns als geschichtliche Erschei­nung so entgegen, daß der Jahve-Gott der Gott eines Volkes ist. Außer­halb der Grenze des Judenvolkes ist der Jahve-Gott nicht mehr der Jahve-Gott. Und das ist das Wesentliche des Jahve-Gottes, daß er nicht die ganze Menschheit umfaßt, sondern daß er umfaßt einen Teil der Menschheit. Im Grunde genommen ist diese Gottesempfindung bis in unsere Zeit herübergezogen, und während des Weltkrieges konnte man es ja besonders wieder sehen, wie ein jedes Volk davon sprach, daß die göttliche Vorsehung, oder gar manche sagten der Christus, ihnen hilft. Gewissermaßen wollte jedes Volk unter der Führung des Christus gegen das andere Volk ziehen. Aber damit, daß man etwas «Christus» be­nennt, ist ja noch nicht der Christus getroffen, sondern der Christus ist nur getroffen, wenn man in der ganzen Empfindung an dasjenige Wesen sich wendet, das die Christus-Natur hat. Man kann tausendmal sagen:

Ich will im Namen des Christus kämpfen-, wenn man nur für ein Volk kämpft, so gibt man dem Wesen, von dem man spricht, eben nur einen falschen Namen; man benennt es «Christus» und meint nur den Jahve-Gott. Und innerhalb dieser Kriegskatastrophe [1914-18] sind die Völ­ker alle zurückgefallen in die Jahve-Religion Nur sind so und so viele Jahves dagewesen. Jedes Volk hat einen Gott verehrt, der eigentlich ganz im Charakter des Jahve gehalten war. Der Christus ist ja eigent­lich vollständig aus dem Bewußtsein der Menschen verschwunden. Man konnte das an diesen katastrophalen Ereignissen sehen, wie der Christus aus dem Bewußtsein der Menschen ganz verschwunden ist.

Nun aber können wir es auch an anderem sehen. Es ist ja nun herauf-gezogen die ganze moderne Wissenschaftskultur. Diese moderne Wis­senschaftskultur, auf was erstreckt sie sich denn? - Im Grunde genom­men doch nur auf das Mineralisch-Physische. Denken Sie, daß ja sofort die modernen Wissenschafter höchst ungemütlich werden, wenn man ihnen zumutet, sie sollen von etwas anderem reden als von Mineralisch­Physischem. Sobald die Rede ist von irgend etwas, was Prinzip des Lebens ist, so verlangen ja die modernen Wissenschafter, daß man nur erklären soll dasjenige, was am Lebendigen mineralische, chemische und

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so weiter Vorgange sind; auf das eigentliche Leben läßt man sich ja nicht ein und schon gar nicht auf das Seelische und so weiter. Also diese moderne Wissenschaftlichkeit hat sich ganz entwickelt innerhalb des­jenigen, was von der Jahve-Religion nicht umfaßt worden ist. Diese moderne Wissenschaftlichkeit hat sich ganz entwickelt in dem Jahve-fremden Elemente des mineralisch-physischen Lebens. Diese Wissen­schaft ist, damit sie ein Zivilisationselement werden kann, ganz darauf angewiesen, von einer anderen Seite her das Göttlich-Geistige zu emp­fangen.

Wenn innerhalb des alten Judentums die Menschen von irgendeiner Erkenntnis gesprochen haben, so waren es traumhafte Erkenntnisse. Die Propheten, die die höchsten Erkenntnisse gehabt haben, werden Ihnen geschildert als die Träger eben der prophetischen Träume. Das alles hängt mit dieser Sache zusammen. Aus dieser Traumweisheit her­aus hat man nun auch das Mysterium von Golgatha noch begriffen. Aber diese Traumweisheit schwand. Das Mysterium von Golgatha wurde zwar noch geschichtlich überliefert, es wurde davon gesprochen in den traditionellen Kirchengemeinschaften, aber das eigentliche Ver­ständnis konnte da nicht gefunden werden. Dagegen ist die moderne Wissenschaft heraufgezogen in einem wesentlich gottlosen, geistlosen Elemente, in dem Jahve-fremden Elemente, und, weil das Verständnis sich noch nicht ausdehnte über das Christus-Element, in dem geist-fremden mineralisch-physischen Elemente.

Diese Wissenschaft muß bis in ihre einzelnen Partikel hinein erst wiederum durchdrungen werden von einem Geistigen. Sie ist geistlos. Sie ist geistlos, weil sie nicht mehr jahvisch sein kann. Die äußere Kultur hat versucht, durch eine religiöse Falschmünzerei, indem sie dem Jahve den Christus-Namen gegeben hat während der Kriegskatastrophe, irgend etwas Religiöses fortzusetzen. Es war aber fortgesetzt eben durch eine Art religiöser Falschmünzerei. Aber die Wissenschaft hat sich ganz vom Geiste weggewendet, gibt nur Beschreibungen des Physisch-Sinn­lichen, weil man noch nicht zu dem Christus-Verständnis vorgedrungen ist und das alte Jahve-Verständnis höchstens noch vorhält, wenn man so gegeneinander wütet, wie es in der Kriegskatastrophe geschehen ist, aber nicht, wenn man Naturtatsachen untersucht. Da haben wir eine

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geistlose Wissenschaft, eine intellektualistisch-geistlose Wissenschaft. Wir sind also umgeben von einem Reiche, in dem das Jahvische waltet, das Jehovamäßige. Das durchdringt uns. Aber wir werden es nicht mehr gewahr, weil es uns hauptsächlich durchdringt in all den Zustän­den, die unsere Schlafzustände sind. Wenn wir in das Element des Schlafes hineinziehen und plötzlich außer unserem Leibe aufwachen würden, so würden wir die Geistnatur unter der Jahve-Führung da ganz deutlich wahrnehmen; gewissermaßen auf den Wogen des Jahve-Meeres erscheinen uns dann die Träume, aus dem Jahvischen Elemente heraus.

Auch in unserem Willen, in bezug auf den ich Ihnen ja oftmals dar­gestellt habe, daß wir auch wachend schlafen, waltet die Jahve-Natur. Im ganzen menschlichen Stoffwechsel waltet die Jahve-Natur. Indem die Gefühle aus dem Stoffwechsel auftauchen, das rhythmische System durchsetzen, tauchen aus dem Jahve-Meere Wogen geradeso auf, wie die Träume es sind, auf der anderen Seite tauchen auf gewisse Gefühle. Da aber, wo wir in demjenigen Reiche leben, das uns nur' verständlich werden kann durch den Intellekt, durch den Verstand, da hat Jahve keinen Anteil. Wenn der Mond langsam alles in ein gleichmäßig träu­merisches Licht taucht und sich ergießt dieses träumerische Licht über alles, dann, könnte man sagen, hat der Mensch den Jahve-Charakter über die Gefilde der Welt gelagert. Wenn die Sonne hell aufglänzt auf unserem Gestein, wenn sie sich äußert über die verschiedenen Gegen­stände hin und ihnen scharfe Konturen gibt, so daß wir veranlaßt sind, mit unserem Verstande das aufzufassen, dann äußert sich die Sonnen-natur, die nicht Jahve-Natur ist. Wir können die Welt nur durchgei­stigen, wenn wir das Christus-Wesen hineinschauen können, wenn wir hineinschauen können in diese Welt so, daß wir in ihr das Christus-Wesen schauen. Die moderne Wissenschaft hat kein Auge gehabt für dieses Christus-Wesen und hat dasjenige, was nicht jahvisch ist, was sonnenbeglänzt ist und in den scharfen Verstandeskonturen erfaßt wer­den kann, geistlos angesehen.

Das ist der tiefere Zusammenhang. Und was ist es denn für ein Reich, das uns da im Mineralischen entgegentritt? - Nun, ich habe vor­gestern davon gesprochen, daß auf der einen Seite innerhalb des Jahve-Reiches

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die luziferischen Wesenheiten, weil auf früheren Stufen der Entwickelung stehengeblieben, erscheinen. Wenn wir im Jahve-Reiche anwesend sind, sagen wir zum Beispiel im Schlafe, da machen die luzi­ferischen Wesenheiten sich geltend in unseren Gefühlen, in unseren Willensimpulsen. Dasjenige Reich, das wir mit unserem Intellekte zu beherrschen haben, das ist um uns ausgedehnt als das mineralische Reich. Das ist das Jahvefremde Reich, das ist das Reich, in das ein­gedrungen sind diejenigen Wesenheiten, welche dem ahrimanischen Reiche angehören. Die ahrimanischen Wesenheiten aber, sie sind ein­gedrungen, weil ja Jahve sie sozusagen nicht fernhalten konnte (siehe Zeichnung Seite 265, grün). Und indem wir den Blick über dieses Reich ausdehnen, sind wir in jedem Momente in Gefahr, in diesem Reiche überrascht zu werden zu unserer Verwirrung von den ahrimanischen Wesenheiten. Diese ahrimanischen Wesenheiten - ich habe das Bild ja festzuhalten versucht in der Holzgruppe, die in unserem Goetheanum einmal stehen soll - können eigentlich nur heimisch sein in den Reichen, die uns umgeben innerhalb der mineralischen Welt; Diese ahrimani­schen Wesenheiten sind vorzugsweise intellektbegabte Wesenheiten. Diese mephistophelische Gestalt, die Sie sehen unten an unserer Holz-gruppe, diese mephistophelisch-ahrimanische Gestalt ist grundgescheit, ganz und gar vom Verstand durchdrungen; aber mit dem, was eigentlich jahvisch ist, mit demjenigen also, was sonst lebt im menschlichen Stoff­wechsel, insofern dieser nicht Salze ablagert oder überhaupt mineralisch ist, sondern flüssiger Natur ist, im Flüssigkeitswechsel, in der Flüssig­keitsmetamorphose besteht, mit alledem, was in unserer Atmung lebt, was in unseren Wärmeverhältnissen lebt, mit alledem hat eigentlich das Ahrimanische keine direkte Verwandtschaft.

Nun strebt es aber herein. Der Mensch ist nun einmal aus dem Staub der Erde gemacht. Das, was da das Mineralische ist, das ist das eigent­liche Reich des Ahriman. Da hinein kann Ahriman, da fühlt er sich wohl. Und er fühlt sich auch wohl, wenn er uns selbst durchdringen kann in bezug auf alles das, was in uns Mineralisches ist. Sie sondern Salze ab, und dadurch können Sie eigentlich denken; durch das Salz-ablagern, überhaupt durch alles, was sich als mineralisc her Prozeß in Ihnen geltend macht, durch das sind Sie ein denkendes Wesen. In dieses

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Reich hinein will Ahriman. Aber er hat eigentlich nur so recht eine Ver­wandtschaft zu diesem Mineralischen. Und deshalb kämpft er dafür, daß er auch Anteil bekomme am Blut, an der Atmung, am Stoffwechsel. Das kann er nur dann, wenn er gewisse Eigenschaften in den mensch­lichen Seelen züchtet, wenn er zum Beispiel in den menschlichen Seelen züchtet die ganz besondere Hinneigung zu dem trockenen Verstande, der im Materialismus aufgehen will, zu dem Verstande, der da spottet über gefühlsmäßig durchdrungene Wahrheiten, wo er also in der menschlichen Seele heranzüchten kann den Hochmut des Verstandes. Dann macht er das menschliche Blut, die menschliche Atmung, den menschlichen Stoffwechsel auch geneigt für sich, und er kann dann gewissermaßen heraushuschen aus dem Salzigen, Mineralischen in das Blut, in die Atmung.

Das ist der Kampf, der durch den Menschen von seiten des Ahriman in der Welt gekämpft wird. Indem Jahve sich auf die Erde begeben und den Menschen aus der Erde gemacht hat, hat er, um den Menschen weiterzubringen, als er ihn in seinem eigenen Reiche hätte bringen kön­nen, ihn aus einem ihm fremden Element gemacht und sein eigenes Ele­ment ihm nur eingeblasen, eingeimpft. Aber dadurch hat Jahve zu Hilfe genommen etwas, wozu die ahrimanischen Wesenheiten den Zugang haben. Dadurch ist Jahve verwickelt worden für die Erdenentwicke­lung in diesen Kampf gegen das ahrimanische Element, das kämpfen will mit Hilfe der Menschen, um auf dem Umwege durch den minera­lischen Prozeß die Welt für sich zu bekommen.

Es ist ja im Grunde genommen den ahrimanischen Wesenheiten viel gelungen auf diesem Gebiete. Denn wenn der Mensch in das physische Dasein hereingeboren ist oder hereinempfangen wird, dann kommt er herunter, steigt er herunter aus geistig-seelischen Welten, umgibt er sich mit der physischen Materie. Aber so, wie nun einmal die gegenwärtige Zivilisation ist nach den Gepflogenheiten der traditionellen Bekennt­nisse, möchte man vergessen dieses Dasein vor der Geburt im geistig-seelischen Reiche. Man möchte das nicht zugeben; man möchte ge­wissermaßen ausstreichen aus dem menschlichen Dasein das vorgeburt­liche Wesen. Die Präexistenz ist immer mehr und mehr für ketzerisch erklärt worden von den traditionellen Bekenntnissen. Beschränken will

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man sich darauf, den Menschen anfangen zu lassen mit der physischen Geburt oder der physischen Empfängnis, und dann dasjenige, was nach dem Tode liegt, daran anknüpfen. Würde dieser Glaube an einen bloß Post-mortem-Zustand, an den bloß nachtodlichen Zustand, niemals zurückgedrängt werden, würde er die Menschheit ausschließlich um­fassen, dann hätten die ahrimanischen Wesenheiten gewonnen. Denn dadurch, daß der Mensch nur berücksichtigen würde dasjenige, was er zwischen Geburt und Tod aus seiner irdischen Natur heraus erlebt, und nur würdigen würde ein Fortleben nach dem Tode, nicht hinschauen würde auf ein Vorleben vor der Geburt, würde tatsächlich allmählich das Ahrimanische von dem mineralischen Prozeß aus sich des Mensch­lichen bemächtigen. Es würde weggeworfen von der irdischen Ent­wickelung alles, was jahvisch ist, was also herübergekommen ist von Saturn, Sonne und Mond, und es würde mit der Erde eine neue Schöp­fung beginnen, die aber verleugnen würde alles Vorhergehende.

Deshalb ist es so wichtig, daß mit aller Energie bekämpft werde diese Anschauung, die nicht die Präexistenz will. Der Mensch muß erkennen, daß er war, ehe er geboren oder empfangen wurde im physischen Da­sein. Er muß ehrerbietig und heiligend aufnehmen dasjenige, was ihm aus göttlich-geistigen Welten zugeteilt war vor diesem physisch-irdischen Dasein. Dadurch, daß er zu dem Glauben an das Nachtod­liche fügt das Erkennen des Vorgebürtlichen, bereitet er seine Seele so vor, daß sie von Ahriman nicht angefressen werden kann.

So ist es nötig - das folgt aus diesen Auseinandersetzungen -, daß wir nach und nach schon ein Wort in die Sprache aufnehmen, ich habe Sie schon aufmerksam darauf gemacht, welches wir nicht haben. Wir müssen ebenso, wie wir von Unsterblichkeit reden und an das Ende unseres physischen Daseins dabei denken, auch reden lernen von Un­geborenheit. Denn ebenso wie wir unsterblich sind, sind wir in Wirk­lichkeit als Menschen ungeboren. Suchen Sie aber in den Kultursprachen ein gangbares Wort für «ungeboren»! «Unsterblich» haben Sie überall, aber «ungeboren» haben Sie nicht. Das Wort «ungeboren» brauchen wir; das muß ebenso ein gangbares Wort sein in den Kultursprachen, wie das Wort «unsterblich», das die Sprachen schon haben. Daran zeigt sich die Verahrimanisierung der modernen Zivilisation. Es ist eines der

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wichtigsten Symptome für die Verahrimanisierung der modernen Zivili­sation, daß wir kein Wort haben für das Nichtgeborensein. Denn ebenso­wenig wie wir mit dem Tode der Erde verfallen, ebensowenig sind wir mit der Geburt oder mit der Empfängnis erst entstanden. Wir müssen ein Wort haben, das deutlich hinweist auf die Prä existenz. Man darf über­haupt nicht unterschätzen die Bedeutung, welche im Worte liegt.

Sie mögen noch so viel denken, noch so scharfsinnig denken, so ist etwas in Ihnen, das eben intellektualis tisch in dem Menschen ist. In dem Augenblicke, wo sich der Gedanke umprägt zum Worte, selbst wenn das Wort als solches nur gedacht wird, wie in der Wortmeditation, in demselben Moment prägt sich das Wort ein in den Äther der Welt. Der Gedanke prägt sich als solcher nicht in den Äther der Welt ein, sonst könnten wir niemals im reinen Denken freie Wesen werden. Wir sind ja in dem Augenblicke gebunden, wo sich etwas einprägt. Wir sind ja nicht durch das Wort frei, sondern durch das reine Denken - das können Sie in meiner «Philosophie der Freiheit» des weiteren ersehen-, aber das Wort prägt sich dafür in den Weltenäther ein.

Nun bedenken Sie: Für die Initiationswissenschaft liegt ja heute ein­fach die Tatsache vor, daß im ganzen Erdenäther dadurch, daß die zivilisierten Sprachen kein gangbares Wort für Ungeborenheit haben, dieses für die Menschheit wichtige Ungeborensein überhaupt nicht dem Weltenäther eingeprägt wird. Alles das aber, was an wichtigen Worten eingeprägt wird in den Weltenäther vom Entstehen, von alldem was den Menschen betrifft in seiner Kindheit, in seiner Jugend, all das be­deutet einen furchtbaren Schrecken für die ahrimanischen Mächte. Unsterblichkeit im Weltenäther eingeschrieben, das vertragen die ahri­manischen Mächte eigentlich sehr gut, denn Unsterblichkeit bedeutet, daß sie mit dem Menschen eine neue Schöpfung beginnen und mit dem Menschen hinauswandern wollen. Das irritiert die ahrimanischen We­senheiten nicht, wenn sie immer wieder den Äther durchsausen, um mit dem Menschen ihr Spiel zu treiben, wenn da so und so viel von den Kanzeln von Unsterblichkeit verkündet wird und in den Weltenäther eingeschrieben wird. Das tut den ahrimanischen Wesen sehr wohl. Aber ein furchtbarer Schrecken für sie ist es, wenn sie das Wort «Ungeboren­heit» in den Weltenäther eingeschrieben finden. Da löscht für sie überhaupt

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das Licht aus, in dem sie sich bewegen. Da kommen sie nicht weiter, da verlieren sie die Richtung, da fühlen sie sich wie in einem Abgrund, wie im Bodenlosen. Und daraus können Sie ersehen, daß es eine ahrimanische Tat ist, die Menschheit davon abzuhalten, vom Un­geborensein zu sprechen. Mag es der modernen Menschheit noch so paradox vorkommen, wenn man ihr von solchen Dingen spricht, es bedarf die moderne Zivilisation des Sprechens über solche Dinge. Genau ebenso wie der Meteorologe den Windhauch beschreibt, wie man den Golfstrom beschreibt in der Erdenbeschreibung, genau ebenso muß be­schrieben werden dasjenige, was geistig um uns her geschieht, wie ahri­manische Wesenheiten unsere Umgebung durchziehen, wie sie sich wohl-fühlen bei alldem, was sich auf Tod und Sterben bezieht, auch wenn das Sterben negiert wird, und wie sie versetzt werden in den Schrecken der Finsternis, wenn sie auf all dasjenige kommen, was auf das Ge­borenwerden, auf das Wachsen und Gedeihen hinweist. Und wir müs­sen lernen, wissenschaftlich ebenso von diesen Dingen zu sprechen, wie gesprochen wird in der modernen Wissenschaft von dem mineralisch-physischen Reiche, das von Jehova verlassen ist.

Es ist im Grunde genommen nichts Geringeres als der Kampf gegen die ahrimanischen Mächte, den wir selber aufnehmen müssen. Und schließlich, mögen es die Leute wissen oder nicht, das, was vielfach gegen anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft vorgebracht wird, es ist zu gleicher Zeit der Kampf des Ahriman gegen dasjenige, was als der Menschheit notwendig immer intensiver und intensiver durch anthro­posophisch orientierte Geisteswissenschaft betont werden muß.

Wenn man so etwas erlebt wie gerade die jüngsten Angriffe, sieht man denn da nicht handgreiflich: an die Geisteswissenschaft selber kommen die Leute nicht heran. Ich habe Ihnen gesprochen von dem besonders häßlichen, ruchlosen Angriff, der jetzt in Deutschland wie­derum stattfindet, bei dem sich die «edle» «Frankfurter Zeitung» in besonders schmachvoller Weise benimmt. Sie hat zwar unsere Erwide­rung aufgenommen, nachdem sie den ganz abscheulichen Angriff ge­macht hat, aber nur, um ihre eigenen blödsinnigen Bemerkungen durch eine ganze Spalte lang daran anzuschließen. Diese Dinge gehen ja zu­rück auf diejenigen Menschen, die durchaus die Wissenschaft der Anthroposophie

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verschwinden lassen möchten, aber zu faul oder auch zu unfähig sind, um sich mit ihr zu beschäftigen.

Diese Leute greifen also zu solchen Angriffsmomenten, wie sie jetzt zum Beispiel in Deutschland auftauchen, um das, was man nicht wider­legen kann, eben zu verdächtigen. Wenn Sie die Sache mit den ahri­manischen Wesenheiten zusammenbringen, so werden Sie die Dinge ein wenig durchschauen. Es sitzen heute im wissenschaftlichen Betriebe sehr viele Menschen, die scheinbar sehr gut denken. Aber warum? -Ahriman dringt ja ein in die mineralische Welt, und verwundern Sie sich daher nicht, wenn diese Leute recht viel Intellekt entwickeln. Es ist der Ahriman in ihnen, und es ist bequemer, den Ahriman in sich denken zu lassen, als selber zu denken. Man kann ja auch seine Examina leichter ablegen, wenn man Ahriman in sich denken läßt. Man kann leichter Privatdozent und Universitätsprofessor werden, wenn man den Ahri­man denken läßt auf dem Katheder, als wenn man selber denkt. Und weil so viele Leute den Ahriman in sich denken lassen, kommen natür­lich ja die Angriffe von ahrimanischer Seite her. Also die Dinge haben schon einen innerlichen geistigen Zusammenhang, den man durch­schauen muß. Daher darf man dann nicht so töricht sein, immer wieder und wiederum zu tadeln, wenn wir genötigt sind, mit recht scharfen Hieben auf das zu schlagen, was Geisteswissenschaft in Grund und Boden hinein vernichten möchte.

Gestern haben ja schon die Kursusvorträge in Stuttgart begonnen; ich selber werde vom 16. an wahrscheinlich in Stuttgart sprechen über ein wissenschaftliches Thema: Mathematik, wissenschaftliche experi­mentelle Beobachtung und wissenschaftliche Ergebnisse. - Diese Vor­träge und diejenigen, die wiederum hier vom 3. April ab gehalten wer­den, sollen ja zeigen, wie Geisteswissenschaft die heutige Wissenschaft befruchten soll. Und gerade seit wir nach dieser Richtung arbeiten, finden wir ja immer mehr und mehr Angriffe. Aber ich hoffe, es wird auch das Verständnis dafür wachsen, daß gewappnet werden muß gegen dasjenige, was da auftritt; denn diese Wappnung bedeutet ja zu gleicher Zeit doch auch eine gewisse Stärkung in der Richtung anthroposophisch orientier­ter Geisteswissenschaft.Und diese Stärkung muß sein. Innerhalb der Welt unserer Niedergangskräfte geht das alles nach Aufgangskräften hin.

SECHZEHNTER VORTRAG Dornach, 27. März 1921

#G203-1989-SE278 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

SECHZEHNTER VORTRAG

Dornach, 27. März 1921

#TX

Es ist ein bedeutsamer Gegensatz vorhanden zwischen dem Weihnachts-gedanken und dem Ostergedanken, und wer die beiden Gedanken, von denen in unserem Zusammenhange oftmals gesprochen worden ist, ein­ander gegenüberzustellen vermag, sie in entsprechender Weise zu ver­binden imstande ist und daraus dann innerlich lebendigmachen kann ihr Zusammenwirken - das Zusammenwirken des Weihnachtsgedankens und des Ostergedankens -, der wird hingewiesen auf innerliches Er­leben, das in gewissem Sinne die Menschheitsrätsel in umfassender Weise umschreibt.

Der Weihnachtsgedanke weist uns ja hin auf die Geburt. Wir wissen, wie durch die Geburt das Ewige des Menschen hereinzieht in die Welt, aus der des Menschen sinnlich-sichtbare leibliche Wesenheit genommen ist. Und wenn wir uns mit dieser Anschauung dem Weihnachtsgedan­ken nähern, dann erscheint er uns als der Gedanke, der uns verbindet mit dem Übersinnlichen. Dann erscheint er neben allem übrigen, was er uns nahebringt, so, daß er gewissermaßen an den einen Pol unseres Daseins hinweist, wo wir als sinnlich-physische Wesen zusammenhän­gen mit dem Geistig-Übersinnlichen. Deshalb wird, voll umfaßt, die Geburt des Menschen niemals begreiflich erscheinen können aus einer Wissenschaft, welche ihre Voraussetzungen nur aus der Beobachtung des sinnlich-physischen Daseins nimmt.

Am anderen Pol des menschlichen Erlebens liegt der Gedanke, der dem Osterfeste zugrunde liegt und der ja immer mehr und mehr im Lauf der abendländischen Entwickelung zu einem Gedanken geworden ist, der das materialistische Vorstellen des Abendlandes vorbereitet hat. Der Ostergedanke kann, zunächst in einer mehr abstrakten Weise, er­faßt werden, wenn man sich klar darüber ist, wie das Ewige, das Un­sterbliche des Menschen, das also auch nicht geboren werden kann, wie das Geistig-Übersinnliche heruntersteigt aus geistigen Welten und sich umkleidet mit dem menschlichen physischen Leibe. Vom Beginne dieses physischen Daseins an - das habe ich von den verschiedensten Gesichtspunkten

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her vor Ihnen hier ausgeführt - ist dieses Wirken des Geistes im physischen Leibe eigentlich ein Hinführen des physischen Leibes zum Sterben, und mit dem Gedanken der Geburt ist zu gleicher Zeit der Gedanke des Sterbens gegeben.

Ich habe darauf hingewiesen, wie ja die Hauptesorganisation des Menschen nur dadurch zu verstehen ist, daß man weiß: Im Grunde ge­nommen ist im Haupte ein fortwährendes Sterben vorhanden, das nur bekämpft wird von den Lebekräften des übrigen menschlichen Organis­mus. Und in dem Augenblicke, wo die Sterbekräfte, die immer im Men­schen im Haupte vorhanden sind und des Menschen Denkernatur be-dingen, in dem Augenblicke, wo diese Sterbekräfte die Oberhand be­kommen über das menschliche vergängliche Wesen, in diesem Augen­blicke tritt der wirkliche Tod ein.

So ist in Wahrheit der Todesgedanke nur, ich möchte sagen, die an­dere Seite des Geburtsgedankens, und es kann daher im Ostergedanken nicht der Todesgedanke zum Ausdrucke kommen. In der Zeit, als das Christentum noch aus einer morgenländischen Anschauung heraus seine erste Gestalt gefunden hat, sehen wir, wie das Paulinische Christentum vor allen Dingen die Menschen hinweist nicht auf den Tod des Christus Jesus, sondern auf die Auferstehung, wie dieses Christentum darauf hinweist mit so starken Worten, wie sie Paulus spricht: «Ist der Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube tot.»

Die Auferstehung, der Triumph über den Tod, die Überwindung des Todes, das ist es, was vor allen Dingen als der Ostergedanke vorhanden gewesen ist in der ersten, noch durch die Weisheit des Morgenlandes bedingten Form des Christentums. Oder aber wir können auch sehen, wie auf der anderen Seite uns Bilder auftreten, wo der Christus Jesus dargestellt wird als der gute Hirte, der da wacht gewissermaßen über die ewigen Angelegenheiten des in seinem zeitlichen Dasein schlafenden Menschen. Wir sehen überall, daß im Grunde genommen die erste Christenheit hingewiesen wird auf die Worte des Evangeliums: «Der, den ihr suchet, der ist nicht mehr hier.» Ihr müßt ihn suchen - so kön­nen wir ergänzend hinzufügen, in geistigen Welten; ihr dürft ihn nicht suchen in der physisch-sinnlichen Welt. Suchet ihr ihn in der physisch-sinnlichen Welt, so kann euch nur gesagt werden: Der, den ihr als Physisch-Sinnlichen

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süchet, der ist nicht mehr hier in der physisch-sinn­lichen Welt.

Die große, umfassende Weisheit, welche sich in den ersten Jahrhun­derten des Christentums noch angeschickt hat, das Mysterium von Golgatha mit allem, was dazu gehört, zu durchdringen, sie tauchte zu­nächst unter in den Materialismus des Abendlandes. Dieser Materialis­mus war in den ersten Jahrhunderten noch nicht zum vollen Durch­bruch gekommen. Er bereitete sich langsam vor. Man möchte sagen, die ersten, noch ganz schwachen materialistischen Impulse der ersten Jahr­hunderte, die kaum bemerkbar waren, wandelten sich erst viel später um in das, was immer mehr und mehr Materialismus wurde und immer mehr die Zivilisation des Abendlandes durchdrang. Verbunden hat sich ja der morgenländische Religionsgedanke mit dem im Abendlande her­aufziehenden Staats gedanken. Im 4. Jahrhundert wurde das Christen­tum Staatsreligion, das heißt, es drang in das Christentum etwas ein, was nicht mehr Religion sein kann.

Julian Apostata, der kein Christ, aber ein religiöser Mensch war, konnte vor allen Dingen nicht ja sagen zu dem, was aus dem Christen­tum durch den Konstantinismus geworden war. Und so sehen wir, wie erst ganz schwach, aber eben doch schon etwas bemerkbar in der Ver­mischung des Christentums mit dem untergehenden Römertum, wie da der Materialismus des Abendlandes seine ersten Strahlen wirft. Unter diesem Einflüsse entstand auch jenes Bild des Christus Jesus, das im An­fange gar nicht vorhanden war, das durchaus nicht im Ursprunge des Christentums liegt: das Bild des Christus Jesus als des Gekreuzigten, Leidenden, als des Schmerzensmannes, als desjenigen, der in Schmerzen vergeht unter dem Eindrücke des unsäglichen Leides, das ihm zugefügt worden ist.

Damit war ein Bruch gekommen in die ganze Anschauung der christ­lichen Welt; denn dieses Bild, welches fortan durch die Jahrhunderte gegangen ist - der am Kreuz hängende, schmerzdurchtränkte Christus -, das ist der Christus, welcher nicht mehr in seiner geistigen Wesenheit aufgefaßt werden kann, sondern allein in seiner leiblich-körperhaften Wesenheit. Und je mehr die Schmerzensmerkmale dem menschlichen Leibe aufgeprägt wurden, je mehr es die Kunst in ihrer großen Vollkommenheit

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zu verschiedenen Epochen zustande gebracht hat, dem am Kreuze hängenden Erlöser die Schmerzensmerkmale aufzudrücken, um so mehr würden die Keime materialistisch-christlichen Empfindens ge­legt. Der Kruzifixus ist der Ausdruck für den Übergang zum christ­lichen Materialismus. Dem widerspricht nicht, daß in einer großen, gewaltigen Weise gerade das, was als Schmerz des Erlösers durch die Kunst verkörpert worden ist, in seiner vollen Tiefe und Bedeutung anerkannt werde. Trotzdem bleibt es wahr, daß mit diesem Bilde des Erlösers, der am Kreuze unter Schmerzen vergeht, von einer eigentlich geistigen Auffassung des Christentums der Abschied genommen wor­den ist.

Es mischte sich ja dann hinein in diese Auffassung des Schmerzens­mannes jene von Christus, dem Weltenrichter, den wir eigentlich nur als einen anderen Ausdruck für Jahve oder Jehova, nämlich für den Jahve oder Jehova, der ins Juristische umgewandelt ist, in der Sixtini­schen Kapelle in Rom in so großartiger Weise sehen. Derselbe Geist, der von der Vorstellung des Grabes, aus dem der Erlöser sich erhebt, aus dem der Erlöser heraus triumphiert, der aus diesem Bilde hat ver­schwinden lassen den triumphierenden Geist, den Sieger über den Tod -derselbe Geist hat 869 am achten allgemeinen ökumenischen Konzil in Konstantinopel den Geist als etwas erklärt, an das man nicht glauben dürfe, hat dekretiert, daß der Mensch nur vorzustellen ist als aus Leib und Seele bestehend und daß der Geist nur in einigen Eigenschaften bestehe, die die Seele trüge.

Wie wir hinweggehaucht sehen aus dem Kruzifixus das Geistige, wie wir im Physischen, das allein zur äußeren Darstellung kommt, die schmerzdurchtränkte Seele fühlen, ohne den Geist als Triumphator, ohne den Geist als Träger und zu gleicher Zeit als den für die Mensch­heit Sorgenden, so sehen wir durch Konzilsbeschluß auch aus der menschlichen Wesenheit den Geist hinweggestrichen.

Und zusammengeschoben wurde das Karfreitagsfest und das Auf­erstehungsfest, das Osterfest. Das Karfreitagsfest war in gewissem Sinne in den Zeiten, in denen die Menschen noch nicht so trocken und nüchtern und verstandesöde waren, zu einem Fest geworden, in dem der Ostergedanke umgewandelt war in einer durch und durch egoistischen

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Weise. Im Schmerze wühlen, die eigene Seele wie wollüstig in den Schmerz eintauchen, Schmerzensseligkeiten empfinden, das war durch Zeitalter hindurch der Karfreitagsgedanke, der gewissermaßen nur den Hintergrund abgeben sollte für einen Ostergedanken, zu dessen Erfas­sung man in seiner wahren Gestalt immer weniger fähig wurde. Denn dieselbe Menschheit, die zum Glauben hat erheben lassen das Prinzip, daß der Mensch nur aus Leib und Seele bestehe, dieselbe Menschheit forderte für ihr Gefühl den bloß sterbenden Erlöser, forderte das Gegen­bild ihres eigenen physischen Schmerzes, damit sie einen Hintergrund habe, um - allerdings nur in einem äußerlichen Übergang - zu empfin­den, was ursprünglich elementar empfunden werden sollte als das Be­wußtsein, daß der lebendige Geist immerdar siegen muß über alles, was im physischen Leib geschehen kann. Man brauchte erst das Marterbild des Todes, um als Kontrast zu empfinden den eigentlichen Oster­gedanken.

Man wird es immer tief empfinden müssen, wie auf diese Weise all­mählich aus der abendländischen Kultur die eigentliche Geistanschau­ung und Geistempfindung gewichen ist, und man wird gewiß mit Be­wunderung, aber auch zugleich mit dem Gefühle einer gewissen Tragik hinschauen auf all die künstlerischen Versuche, den Schmerzensmann an dem Kreuze darzustellen. Es genügt nicht, daß man sich mit einigen hingeworfenen Gedanken und mit einigen eingestreuten Empfindungen zu dem erhebe, was unserer Zeit notwendig ist. Man muß alles das voll durchschauen, was auf abschüssiger Bahn seit langem war in bezug auf das Geistige in der abendländischen Kultur.

Wir haben es heute nötig, daß auch dasjenige, was auf einem Gebiete zu dem Größten gehört, zu gleicher Zeit empfunden werde als etwas, worüber sich die Menschheit heute erheben muß. Wir brauchen aber innerhalb unserer ganzen abendländischen Kultur den Ostergedanken. Wir brauchen mit anderen Worten wiederum die Erhebung zum Geiste. Was einstmals in grandioser Weise aufgetaucht ist als das heilige Myste­rium der Geburt, das Weihnachtsmysterium, das tauchte allmählich innerhalb der sich entwickelnden abendländischen Kultur ein in jene Sentimentalitäten, die doch nur der Gegenpol für die materialistische Entwickelung waren, in jene Sentimentalitäten, welche schwelgten und

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schwelgten in allen möglichen Liedern über das Jesulein. Es war ein wollüstiges Schwelgen in der Empfindung des kleinen Kindes. Statt das große, gewaltige Mysterium des Hereindringens eines überirdischen Geistes im Weihnachtsmysterium zu empfinden, wurden die nüchter­nen Philisterlieder von dem «Jesulein» allmählich das Tonangebende und das Maßgebliche.

Es ist charakteristisch für die rein in den Bahnen des Verstandes wan­delnde Entwickelung des Christentums - die es bis heute in gewissen Vertretern schon dahin gebracht hat, zu sagen, der Sohn gehöre über­haupt nicht in das Evangelium, sondern der Vater gehöre in das Evan­gelium -, daß diese Entwickelung dennoch den Auferstehungsgedanken beibehält, indem der Auferstehungsgedanke noch immer mit dem Todes-gedanken verquickt wird, auch für dieses Christentum. Aber charak­teristisch ist, wie immer mehr in der Form, wie ich es eben dargestellt habe, der Karfreitagsgedanke mit der modernen Entwickelung in den Vordergrund getreten ist, und wie der Auferstehungsgedanke, der wahre Ostergedanke, allmählich immer mehr zurückgetreten ist.

Eine Zeit, die darauf hinweisen muß, daß der Mensch die Auferste­hung seines Wesens aus dem Geiste heraus wieder erleben müsse, die muß gerade den Ostergedanken in besonderer Art betonen. Wir brauchen den Ostergedanken, wir brauchen ein völliges Verständnis des Oster­gedankens. Dazu ist es aber notwendig, daß wir uns klarwerden, daß der Schmerzensmann ebenso der Ausdruck für das Hineingehen der abendländischen Entwickelung in den Materialismus ist wie auf der anderen Seite der bloß juristisch richtende Weltenrichter. Wir brauchen ja den Christus als übersinnliche Wesenheit, als Wesenheit, welche außerirdischer Art ist und dennoch hereingezogen ist in die irdische Entwickelung. Wir müssen uns zu diesem Sonnengedanken allen menschlichen Vorstellens durchringen.

So wie wir durchschauen müssen, daß der Weihnachtsgeburtsgedanke zu etwas geworden ist, was, ich möchte sagen, das größte Mysterium herein gezogen hat in das triviale Empfinden der Sentimentalität, ebenso müssen wir durchschauen, wie es notwendig ist, am Ostergedanken zu betonen, daß da in die menschliche Entwickelung etwas hineinzieht, was aus irdischen Voraussetzungen heraus nicht verständlich ist, was

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aber verständlich ist aus der Voraussetzung geistigen Wissens, aus gei­stiger Erkenntnis heraus.

Geistige Erkenntnis muß an dem Auferstehungsgedanken den ersten großen Halt finden, muß auch im Menschen anerkennen das Unberührt-sein des Geistig-Ewigen von dem, was leiblich-physisch ist, muß sehen in dem paulinischen Wort: «Und ist der Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube tot» eine Bekräftigung - die in der neueren Zeit nur auf andere, bewußtere Weise errungen werden muß -, eine Bekräftigung dessen, was im Grunde genommen die eigentliche Wesenheit des Christus ausmacht.

In dieser Art müssen wir uns heute wiederum an den Ostergedanken erinnern. In dieser Art muß uns die Zeit, in der wir uns an den Oster­gedanken erinnern können, wiederum ein innerliches Fest werden, ein Fest, an dem wir für uns selber den Sieg des Geistes über die Leiblichkeit feiern. Uns muß, weil wir ja nicht unhistorisch sein dürfen, vor Augen stehen der schmerzgeplagte Jesus am Kreuze, der Schmerzensmann; uns muß aber über dem Kreuze erscheinen der Triurnphator, der un­berührt bleibt sowohl von der Geburt wie vom Tode, und der allein unseren Blick hinaufwenden kann zu den ewigen Gefilden des geistigen Lebens. Erst dadurch werden wir uns der wahren Wesenheit des Chri­stus wiederum nähern.

Die abendländische Menschheit hat den Christus zu sich herunter-gezogen: heruntergezogen als kleines Kind, heruntergezogen als den­jenigen, der vorzugsweise empfunden wird im Vergehen, im Schmerz. Es ist von mir des öfteren hervorgehoben worden, wie ebensolange Zeit, als vordem Mysterium von Golgatha aus des Buddha Munde die Worte tönen, der Tod sei das Übel, nach dem Mysterium von Golgatha auftritt der Kruzifixus, der Gekreuzigte, wie da hingeschaut wird auf den Tod, und er als kein Übel empfunden wird, sondern als etwas, was in Wahr­heit kein Dasein hat.

Aber diese Empfindung, die noch hereintaucht aus einer morgen-ländischen Weisheit, die tiefer ist als der Buddhismus, diese Empfin­dung unterliegt der anderen, die sich festhaftet an dem Anblicke des Schmerzgepreßten. Wir müssen nicht nur mit unseren Gedanken, denn die sind meist kurzmaschig, wir müssen mit der ganzen Weite unserer

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Gefühle hinauf zu dem, was das Schicksal ist der menschlichen Vor­stellungen von dem Mysterium von Golgatha im Laufe der Jahrhun­derte. Wir müssen uns klar darüber werden, daß wir zu einem reinen, echten Verständnis des Mysteriums von Golgatha zurückkehren müs­sen. Wir müssen bedenken, wie selbst noch im hebräischen Altertum Jahve nicht als Weltenrichter im juristischen Sinne gedacht wird. Die größte dramatische Darstellung des religiösen Empfindens des hebrä­ischen Altertums, das Buch Hiob, das den düldenden Hiob darstellt, schließt im Grunde genommen die Empfindung des äußerlich Gerecht­samen aus. Hiob ist der duldende Mensch, der Mensch, der das, was ihm von der Außenwelt geschieht, als ein Schicksal ansieht. Erst allmählich zieht der juristische Begriff der Vergeltung auch in die Weltenordnung ein. Aber in einer gewissen Weise ist es doch wie ein Aufleben des Jahve-Prinzips, was wir in dem Bilde am Altar der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo vor uns haben.

Wir aber brauchen den Christus, den wir in unserem Inneren suchen können, weil er, wenn wir ihn suchen, alsbald erscheint. Wir brauchen den Christus, welcher in unseren Willen einzieht, der unseren Willen dürchwärmt und durchfeuert, damit dieser Wille kraftvoll werde zu denjenigen Taten, die für die Menschheitsentwickelung von uns ver­langt werden. Wir brauchen denjenigen Christus, den wir nicht als den leidenden anschauen, sondern der da schwebt oberhalb des Kreuzes und herüberschaut auf das, was wesenlos am Kreuze endet. Wir brauchen das starke Bewußtsein von der Ewigkeit des Geistes.

Wir gewinnen das starke Bewußtsein von der Ewigkeit des Geistes nicht, wenn wir uns verlieren in dem Bilde des bloßen Kruzifixus. Und wenn wir sehen, wie das Bild des Kruzifixus nach und nach immer mehr umgestellt worden ist zum Leidenden und Schmerzfühlenden, so wer­den wir sehen, welche Kraft gerade diese Richtung menschlichen Emp­findens gewonnen hat. Es ist die Abwendung des Blickes der Mensch­heit von dem eigentlich Geistigen und die Hinwendung zu dem bloß Irdisch-Physischen. Das ist ja zuweilen in einer grandiosen Weise aus­gedrückt; aber denen, die zum Beispiel wie Goethe schon etwas empfun­den haben von der Notwendigkeit, daß unsere Zivilisation wieder zum Geiste durchdringe, solchen Menschen ist es immer als etwas erschienen,

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mit dem sie eigentlich nicht mitgehen. Goethe hat es ja oft genug zum Ausdruck gebracht, daß der gekreuzigte Erlöser im Grunde genommen eigentlich nicht dasjenige zum Ausdrucke bringt, was er an dem Chri­stentum empfindet: die Erhebung des Menschen zum Geistigen.

Es ist die Notwendigkeit vorhanden, daß sowohl die Karfreitags-stimmung wie die Osterstimmung sich wandle, daß die Karfreitags-stimmung zu einer solchen sich gestalte, welche in sich trägt das Hin­schauen auf den endenden Jesus und damit im Grunde genommen emp­findet: dieses ist nur die andere Seite des Geborenwerdens. Wer nicht sieht im Geborenwerden zugleich das Sterbende, der sieht nicht voll­ständig. Wer imstande ist, das, was in der Todesstimmung des Kar­freitags auftritt, so zu empfinden, daß ihm da nur die eine Seite des Menschlichen gegeben wird, die der andere Pol ist dessen, was in dem Hereintreten des Kindes bei der Geburt gegeben ist, der wird sich in der richtigen Weise vorbereiten für die eigentliche Osterstimmung, für jene Stimmung, die nur darin bestehen kann, daß der Mensch weiß: Und was auch meine menschliche Hülle ist, die geboren wird - der eigent­liche Mensch ist ungeboren, wie er unsterblich ist.

Der eigentliche Mensch muß sich verbinden mit demjenigen, was hereingekommen ist in die Welt als der Christus, der nicht sterben kann, der auf ein anderes als auf sich selbst hinabsieht, wenn er den Schmer­zensmann des Kreuzes ansieht. Es muß empfunden werden, was eigent­lich geschehen ist dadurch, daß die Geistesvorstellung seit dem Ende des ersten Jahrhunderts allmählich der abendländischen Zivilisation verlorengegangen ist. Und es wird der Welt-Ostergedanke sein, wenn eine genügend große Anzahl von Menschen empfinden, daß der Geist innerhalb der modernen Zivilisation wieder auferstehen muß.

Äußerlich wird man das so auszudrücken haben, daß der Mensch nicht allein wird forschen wollen über dasjenige, was über ihn verhängt ist, nicht allein wird suchen nach Naturgesetzen oder nach Geschichts­gesetzen, die ähnlich den Naturgesetzen sind, sondern daß der Mensch Verlangen tragen wird nach der Erkenntnis seines eigenen Willens, nach der Erkenntnis seiner eigenen Freiheit, daß der Mensch darnach Ver­langen tragen wird, die eigentliche Natur des Willens zu empfinden, der den Menschen über die Pforte des Todes hinausträgt, der aber

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geistig angeschaut werden muß, damit er in seiner wahren Gestalt ge­sehen werden kann.

Wie soll der Mensch die Kraft gewinnen zu dem Pfingstgedanken, zu der Ausgießung des Geistes, nachdem am achten allgemeinen ökumeni­schen Konzil von Konstantinopel der Pfingstgedanke dogmatisch zur bloßen Phrase erklärt worden ist? Wie soll der Mensch die Kraft ge­winnen zu diesem Pfingstgedanken, wenn er nicht durchzudringen ver­mag zu dem Ostergedanken, zu dem wahren Ostergedanken, zu dem Gedanken von der Auferstehung des Geistes! Es darf der Mensch nicht betäubt werden durch das Bild des sterbenden, des schmerzdurch­drungenen Erlösers. Es muß der Mensch lernen das Verbundensein des Schmerzes mit dem Zusammengefügtsein mit dem materiellen Dasein.

Das war ein Grundprinzip der alten Weisheit, die noch aus instink­tiven Untergründen des menschlichen Erkennens heraus gekommen ist. Wir müssen uns diese Erkenntnis durch bewußtes Erkennen wiederum erringen. Das war aber ein Grundprinzip, daß des Schmerzes Ursprung die Verbindung mit der Materie ist, daß das Leiden stammt von der Verbindung des Menschen mit der Materie. Ein Unding wäre es aller­dings, zu glauben, daß der Christus, weil er als göttlich-geistiges Wesen durch den Tod hindurchgegangen ist, den Schmerz nicht erlitten habe. Den Schmerz beim Mysterium von Golgatha für einen bloßen Schein-schmerz zu erklären, wäre unreal gedacht. Er muß im allerbedeutend­sten Sinne als wirklich gedacht werden, aber er darf nicht gedacht wer­den als sein Gegenbild. Es muß wieder etwas gewonnen werden von dem, was vor uns steht, wenn wir mit dem Überblick über die ganze Menschheitsentwickelung das Mysterium von Golgatha vor uns hin-stellen.

Wenn den alten zu injtiierenden Schülern der freieste Mensch im Bilde vorgeführt werden sollte, wenn diese zu initiierenden Schüler die verschiedensten Vorstufen durchgemacht hatten, wenn sie durchgegan­gen waren durch alle die Übungen, durch die sie sich gewisse Erkennt­nisse erringen konnten, und die ihnen im Bilde dramatisch vorgeführt worden sind, dann wurden sie zuletzt geführt vor das Bild des ganz und gar in seinem physischen Leibe leidenden Menschen im roten Pur­purmantel mit der Dornenkrone auf dem Haupte, vor das Bild des

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Chrestos. Und im Anschauen dieses Chrestos sollte sich der Seele ent-ringen diejenige Kraft, die den Menschen zum eigentlichen Menschen macht. Und die Blütstropfen, die an allen wichtigeren Stellen jenes alten Chrestos dem Schauenden, dem zu Initiierenden entgegentraten, die sollten da sein zur Beseitigung der Ohnmacht und der mensch­lichen Schwäche und zum Erheben des triumphierenden Geistes aus dem menschlichen Inneren.

Die Schmerzesanschauung sollte bedeuten die Auferstehung des gei­stigen Wesens. Im tiefsten Sinne sollte im Bilde vor dem Menschen stehen, was man in einfachen Worten so ausdrücken kann: Deiner Lust magst du manches im Leben verdanken; hast du dir aber Erkenntnis, hast du dir Einsicht in die geistigen Zusammenhänge verschafft, so ver-dankst du das deinem Leide, deinem Schmerze. Du verdankst es dem Umstande, daß du in deinem Leide und deinem Schmerze nicht unter­gegangen bist, sondern die Kraft hattest, dich aus ihnen zu erheben. -Deshalb würde in den alten Mysterien das Bild des leidenden Chrestos abgelöst durch das andere Bild des triumphierenden Christus, der her­unterschaut auf den leidenden Chrestos als auf dasjenige, was über-wunden ist.

Wiedergefunden werden muß so die Möglichkeit, den triumphieren­den geistigen Christus vor der Seele und in der Seele und namentlich im Willen zu haben. Das ist dasjenige, was uns bevorstehen muß in der Gegenwart und insbesondere in dem, was wir tun wollen in dieser Ge­genwart zu der Herbeiführung einer heilsamen menschlichen Zukunft. Aber nimmermehr werden wir diesen Ostergedanken, diesen wahren Ostergedanken fassen können, wenn wir nicht einzusehen vermögen, daß wir hinausblicken müssen von dem bloß Irdischen in das Kos­mische, wenn wir überhaupt von dem Christus sprechen wollen.

Das neuere Denken hat uns den Kosmos zum Leichnam gemacht. Wir erblicken heute die Sterne und den Gang der Sterne und berechnen das alles. Das heißt, wir rechnen etwas aus über den Leichnam der Welt - und wir sehen nicht, wie in den Sternen lebt das Leben und wie in dem Gang der Sterne walten die Absichten des kosmischen Geistes. Der Christus ist heruntergestiegen in die Menschheit, um die Menschen­seelen zu verbinden mit diesem kosmischen Geiste. Und nur derjenige

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ist ein wahrer Verkünder des Evangeliums von Christus selber, der da hinweist darauf, daß dasjenige, was physisch-sinnlich in der Sonne erscheint, der äußere Ausdruck ist für den Geist unserer Welt, den auferstehenden Geist unserer Welt.

Lebendig muß werden so etwas wie die Zusammengehörigkeit des­jenigen, was der Abglanz des Weltengeistes ist im Monde, und des­jenigen, was dieser Weltengeist selber ist in der Sonne. Lebendig muß wieder werden, wie das Osterfest bestimmt worden ist durch die Ver­hältnisse von Sonne und Mond im Frühling. Anknüpfen müssen wir können an dasjenige, was das Osterfest aus dem Kosmos selber für die Erdenentwickelung bestimmt hat. Wir müssen wissen, daß es die schüt­zendsten und wachesten Geister des Kosmos waren, die aus dieser Wel­tenuhr, deren Zeiger Sonne und Mond für das irdische Dasein sind, verständlich gemacht haben die große, bedeutsame Stunde in der Welt-und Menschheitsentwickelung, in welche die Auferstehung zu setzen ist. Lernen mussen wir es vom Geistigen, zu empfinden den Gang dieser beiden Zeiger Sonne und Mond, wie wir für unsere physischen Angele­genheiten verstehenlernen den Gang der Zeiger der Uhr. Anknüpfen müssen wir das Physische, Irdische an das Überphysische, Überirdische.

Der Ostergedanke verträgt nur die Interpretation aus dem Über­irdischen heraus. Denn geschehen ist mit dem Mysterium von Golgatha, insofern es das Auferstehungsmysterium ist, etwas, was sich unter­scheidet von den übrigen Angelegenheiten der Menschen. Die übrigen Angelegenheiten der Menschen verlaufen auf der Erde in einer ganz anderen Art als das, was mit dem Mysterium von Golgatha geschehen ist. Die Erde hat aufgenommen die kosmischen Kräfte, und aus dem, was sie selber geworden ist, sprießen sie hervor die menschlichen Wil­lenskräfte in den menschlichen Stoffwechsel hinein. Als aber das Myste­rium von Golgatha sich abgespielt hat, da drang ein neuer Zusammen­fluß des Willens in das irdische Geschehen herein. Da geschah auf der Erde etwas, was kosmisches Geschehen ist, und wofür die Erde nur Schauplatz ist. Der Mensch wurde wiederum mit dem Kosmos ver­bunden.

Das ist es, was verstanden werden muß, und das Verständnis davon gibt erst den Ostergedanken in seinem vollen Umfange. Daher muß vor

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unserer Seele erstehen nicht nur das Bild des Kruzifixus. Und hätte die Kunst das Schönste, das Größte, das Bedeutendste, das Erhabenste her­vorgebracht in dem Bilde des Kruzifixus - erstehen muß der Gedanke:

«Der, den ihr suchet, der ist nicht hier.» Erscheinen muß euch über dem Kreuze derjenige, der nun hier ist, und der aus dem Geiste heraus für den Geist, Geist erweckend, zu euch spricht.

Das ist es, was als Ostergedanke in die Menschheitsentwickelung hineinkommen muß; das ist dasjenige, zu dem sich das menschliche Herz und der menschliche Sinn erheben müssen. Von uns wird in un­serer Zeit nicht bloß verlangt, daß wir Altes bewundern. Von uns wird nicht bloß verlangt, daß wir uns hineinvertiefen und hineinversenken können in das, was geschaffen worden ist. Wir müssen Neu-Schaffende werden. Und sei es selbst das Kreuz mit all dem Schönen, was Künstler aus ihm gemacht haben, wir dürfen es nicht dabei belassen. Wir müssen hören die Worte der geistigen Wesen, die uns, wenn wir suchen im Tode und im Leiden, zurufen: Der, den ihr suchet, er ist nicht mehr hier! -Und so müssen wir suchen denjenigen, der da hier ist.

Wir müssen verstehen, zu Ostern uns hinzuwenden zu dem Geiste, der uns allein in dem Bilde der Auferstehung gegeben werden kann. Dann werden wir in der richtigen Weise vorschreiten können von der Leidens-Karfreitagsstimmung zu der geistigen Stimmung des Oster­tages. Dann werden wir aber auch fähig werden, in dieser Stimmung des Ostertages dasjenige zu finden, was unser Wille aufnehmen muß, damit wir Wirkende werden können gegenüber den Niedergangskräf­ten in den Aufgangskräften der Menschheit. Und solche Kräfte, die da mitwirken können, die brauchen wir. Und in dem Augenblicke, wo wir in der richtigen Weise den Auferstehungs-Ostergedanken verstehen, wird dieser Ostergedanke, warm und uns dürchleuchtend, die Kräfte in uns entzünden, die wir für die zukünftige Menschheitsentwickelung brauchen.

SIEBZEHNTER VORTRAG Dornach, 28. März 1921

#G203-1989-SE291 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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SIEBZEHNTER VORTRAG

Dornach, 28. März 1921

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Es ist in der gegenwärtigen Zeit von einer gewissen Bedeutung, die Gesichtspunkte aufzusuchen, von denen die verschiedenen Geistsucher älterer Zeiten ausgegangen sind, nicht etwa allein darum, weil böswillige und dilettantische Gegnerschaft der hier vertretenen Geisteswissenschaft zumutet, daß sie allerlei aus älteren Zeiten einfach herübergenommen habe, sondern vor allen Dingen darum, weil die Erkenntnis desjenigen, was gegenwärtig aus ursprünglichem geistigem Quell heraus gefunden werden kann, verständlich wird, wenn man es zusammenhält mit den Kräften, welche die Menschheit in älteren Zeiten innegehabt hat, mit den verschiedenen Arten des Suchens nach Geisteserkenntnis in älteren, instinktiven Zeiten der Menschheitsentwickelung. Und um Sie auf so etwas hinzuweisen, möchte ich heute sprechen von einem gewissen Zusammenwerfen, das oftmals gemacht worden ist in bezug auf den Christus Jesus und einen seiner Zeitgenossen, Apollonius von Tyana. Man hat die beiden in einer gewissen Weise zusammengeworfen, und es gibt ja sogar Bestrebungen, welche in unhistorischer Weise das Leben des Apollonius von Tyana mit dem Leben des Christus Jesus vergleichen. Wenn man den Apollonius von Tyana vergleicht mit dem Christus Jesus, so treten ja allerdings eine größere Anzahl von Äußerlichkeiten im biographischen Element zutage, die eine Ähnlichkeit zeigen. Vor allen Dingen wissen wir ja, daß die Evangelienerzählungen, die an den Christus Jesus anknüpfen, manches bringen, was der heutigen Zeit unter den Begriff des Wunders fällt, und auch die Biographen des Apollonius von Tyana erzählen allerlei Wundergeschichten von diesem Apollonius. Die Art und Weise, wie heute solche Dinge erzählt werden, die beweist ja nichts anderes, als daß man sich ganz dilettantisch verhält zu der Menschheitsentwickelung. Was da an Krankenheilungen und ähnlichen Dingen, die in den Evangelien Zeichen genannt werden, erzählt wird, entspricht eben einer ganz anderen Stufe der menschheitlichen Entwickelung, als diejenige ist, in der wir heute leben. Der psychische Einfluß des einen Menschen auf den

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anderen, ja sogar der psychische Einfluß des Menschen auf die unlebendige Umgebung, sind im Laufe der Zeit für das gewöhnliche Leben sehr zurückgegangen. Und wenn uns für die Zeit vom Beginne unserer christlichen Zeitrechnung von solchen Dingen erzählt wird, so weiß derjenige, welcher die Dinge wirklich innerlich kennt, daß eben das, was ein Mensch in jenen Zeiten darleben konnte, in anderer Weise sich ausnahm als das, was heute in dieser Richtung geschehen kann. Heute muß von anderen Voraussetzungen ausgegangen werden, von Voraussetzungen, die eben durch das geisteswissenschaftliche Erkennen wieder geschaffen werden sollen. Und wenn wir die Evangelien in der rechten Art verstehen wollen, so dürfen wir durchaus nicht den Hauptwert auf die Wundererzählungen legen, sondern wir müssen uns klar sein darüber, daß Wundererzählungen von einem im moralischen Sinne hervorragenden Menschen für die Zeiten, um die es sich hier handelt, etwas ganz selbstverständliches waren. Man setzte gar nicht voraus, daß das anders sein könne bei einem Menschen wie etwa Jesus von Nazareth, in dem der Christus wohnte, oder auch bei einem Menschen wie Apollonius von Tyana.

Verstehen wir uns gerade hierin recht; ich möchte sagen, daß man von einem solchen Menschen dasjenige erzählt, was man Wunder nennt, das ist etwas, was sich von selbst versteht. Man meint gar nichts Besonderes mit solchen Erzählungen. Und wenn die heutige Theologie etwa darnach strebt, die Göttlichkeit des Christus Jesus ganz besonders aus dem Umstande erschließen zu wollen, daß er Wunder tat, so zeigt eben diese Theologie nichts anderes, als daß sie nicht auf christlichem Standpunkte steht, abgesehen davon, daß eine solche Auffassung unhistorisch ist. Niemals handelt es sich bei dem Christus Jesus um das Vollbringen der Wunder, sondern immer um dasjenige, was uns anhand der Wundererzählungen dargelegt wird. Immer handelt es sich darum, daß aufmerksam darauf gemacht wurde, daß, während die früheren Menschen, wenn sie groß wirken wollten, mit einer geringeren Kraft des Ich wirkten, der Christus Jesus gerade aus der Kraft des Ich heraus wirkte. Geradeso würden wir das Vaterunser nicht verstehen, wenn wir es damit erklären wollten, daß wir die einzelnen Sätze schon bei früheren Menschen finden und deshalb sagen würden, das Vaterunser sei alt. Wer

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diese früheren Gestaltungen der Sätze, die sich im Vaterunser finden, mit dem Vaterunser selbst vergleicht, wird sich eben klarwerden darüber, daß es beim Vaterunser überall darauf ankam, herüberzuleiten dasjenige, was früher gewissermaßen nicht mit der Hinlenkung zum Ich gesagt war, nun mit der Hinlenkung zum Ich zu sagen.

So dürfen wir auch nicht irgendwie die Ähnlichkeiten aufsuchen, die in bezug auf dieses biographische Moment bei dem Christus Jesus auftraten. Es ist ja auch natürlich, daß in einer gewissen Weise ähnliche Erzählungen dann auftreten werden, wenn es sich um das Verrichten von Wundern handelt, das heißt, um das Verrichten dessen, was man jetzt Wunder nennt. Wir müssen auf ganz anderes hinsehen, wenn wir uns klarwerden wollen, wie eine solche Gestalt wie der Apollonius von Tyana zusammengestellt ist mit dem Christus Jesus. Und da muß zunächst auf das Folgende verwiesen werden.

Allerdings wird von Apollonius von Tyana erzählt, wie er schon in seiner Kindheit große Anlagen zeigte, wie er mit diesen großen Anlagen heranwuchs, wie er teilnahm an den vorzüglichsten Unterrichten, die dazumal gegeben werden konnten, wie zum Beispiel dem Unterricht, der aus der Pythagoräerschule herausgewachsen war. Aber dann wird weiter erzählt, daß Apollonius von Tyana gerade zur Erlangung des Wissens große Reisen angetreten hat, und es werden uns seine Reisen erzählt, zunächst die weniger weit ausholenden, dann aber die weite Reise, die er zu den indischen Weisen gemacht hat. Es wird uns erzählt, wie er die indischen Weisen da verehren und bewundern lernt, wie er durch sie vorgedrungen ist zu gewissen Quellen des Wissens. Es wird uns dann weiter erzählt, wie er wiederum zurückgekommen ist, wie er, man möchte sagen, befeuert von dem, was er angeschaut hat bei diesen indischen Weisen, dann wiederum in Südeuropa in der verschiedensten Weise gelehrt hat. Es wird uns dann aber auch erzählt, wie er nach Ägypten gegangen ist, wie er zunächst im nördlichen Ägypten das aufgenommen hat, was er da aufnehmen konnte und wie es ihm gering erschien, sehr gering gegenüber dem, was er an wunderbarer Weisheit bei den Indern gefunden hatte. Es wird uns dann erzählt, wie er den Nil aufwärts fuhr, zu den Nilquellen hin, aber auch zu den Sitzen der sogenannten Gymnosophisten; das war die Gemeinschaft derjenigen

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Weisen, die nach den Brahmanen, nach den indischen Weisen, das größte Ansehen in der damaligen Zeit hatten. Es wird aber auch erzählt, wie Apollonius von Tyana schon so durchtränkt war mit indischer Weisheit, daß er unterscheiden konnte zwischen dieser und der geringeren der ägyptischen Gymnosophisten. Und dann wird erzählt, wie er wiederum zurückkehrte, wie er dann seine verschiedenen wunderbaren Reisen machte nach Rom, wo man ihn verfolgte, wo man ihn ins Gefängnis brachte und so weiter.

Aber für uns ist ja vorzugsweise die Tatsache interessant, daß dem Apollonius von Tyana diese großen Reisen zugeschrieben werden, und daß diese Reisen durchaus zusammengebracht werden mit dem steten Erweitern seiner eigenen Weisheit. Apollonius wird immer weiser und weiser dadurch, daß er zusammenkommt mit den weisesten Menschen seiner damaligen Welt. Er wandert sozusagen von Ort zu Ort. Er sucht diejenigen Menschen auf, welche im Besitze der größten Weisheit der damaligen Zeit waren.

Dadurch unterscheidet er sich von dem Christus Jesus, der sein Erdenwandeln auf einem verhältnismäßig kleinen Fleck verbringt, der das, was er der Menschheit zu sagen hat, ganz aus dem Inneren heraus sagt, der nicht von demjenigen zu sprechen hat, was im Umkreise der Erde selber an Weisheit anzutreffen ist, sondern dasjenige der Menschheit mitzuteilen hat, was er aus außerirdischen Welten auf die Erde herabgebracht hat. Es ist ja manchmal sogar der Versuch gemacht worden, auch dem Christus Jesus allerlei Reisen nach Indien zuzuschreiben, allein das ist ja der purste Dilettantismus. Dasjenige, um was es sich eben gerade handelt, das ist, daß sich in demselben Zeitalter gegenüberstehen zwei Wesenheiten, auf der einen Seite der Christus Jesus, der ganz nur aus dem Überirdischen heraus spricht, und auf der anderen Seite Apollonius von Tyana, der dasjenige sammelt, was auf der Erde zu finden ist, wenn er es auch durch seine großen Anlagen in die eigene Seele aufzunehmen in der Lage ist. Das ist der prinzipielle, der bedeutsame Unterschied, und wer ihn nicht schaut, der erkennt eben dasjenige nicht, was der späteren Zeit gesagt wird durch das Dasein dieser zwei Persönlichkeiten.

Nun aber weist uns dasjenige, was sich gerade an die Person des

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Apollonius von Tyana knüpft, auf gewisse Eigentümlichkeiten älterer Zeiten hin. Ich meine jetzt Zeiten, die weit hinter dem Mysterium zurückliegen, also sehr alte Zeiten der Menschheit. Einiges davon hat sich ja dann in der späteren Menschheit erhalten, und wir werden sehen, wie Apollonius von Tyana das, was sich so erhalten hat, sowohl bei den indischen Weisen, bei den Brahmanen, wie bei den Gymnosophisten in Ägypten antrifft. Aber man erkennt dasjenige, um was es sich handelt, ganz klar, wenn man mit geisteswissenschaftlicher Geschichtsforschung in ältere Zeiten zurückgeht, und Apollonius von Tyana selbst weist

- nach seinem Biographen - mit starken Worten auf das hin, worauf es hier ankommt. Er weist darauf hin, wie die schier unermeßliche Weisheit, die er bei den Indern angetroffen hat, gebunden ist an die außerirdischen Einflüsse, die auf den Menschen an einem bestimmten Erdenflecke herabströmen. Hingewiesen werden wir da darauf, daß der Mensch ja nicht nur irdischen Einflüssen ausgesetzt ist. Diese irdischen Einflüsse sind leicht zu studieren, obwohl sie ja auch beim Menschen gegenüber anderen Einflüssen selbst heute noch zurücktreten. Gewisse niedere organische Wesen bekommen die Färbung desjenigen, was sie genießen, dem reinen Stoffwechsel nach. Wir können bei gewissen niederen organischen Wesen genau sehen, wie das, was sie an Stoffwechselprodukten aufnehmen, ihnen ihre Färbung, ihre sonstigen Eigenschaften gibt. Ich habe Sie darauf aufmerksam gemacht, wie aus der Scholastik heraus Vincenz Knauer, mein alter Freund aus dem Benediktiner-Orden - das heißt nicht, daß ich etwa in diesem Orden war, sondern er war drinnen -, darauf aufmerksam gemacht hat, daß ja doch dasjenige, was in dem geistigen Inhalt des Begriffes liegt, etwas Reales gegenüber dem bloß sinnlichen Dasein des Materiellen ist. Er sagte ja im Sinne der Scholastiker: Wenn man einen Wolf abschließen könnte, und ihm lange Zeit nur Lammfleisch geben könnte, so würde aus dem Wolf noch immer kein Lamm werden, trotzdem er dann aus lauter Lammfleisch bestehen würde. Das bezeugt für Vincenz Knauer, daß im Wolf, in der Gestalt, in der Konfiguration des Wolfes, also in dem, was der Begriff Wolf umfaßt, doch noch etwas anderes liegt als das Materielle, denn dem Materiellen nach wäre der Wolf ja ein Lamm, wenn er immer nur Lämmer gegessen hätte. Das

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wird er aber nicht. Das ist also schon gewissermaßen bei den höheren Tieren anders als bei den ganz niederen organischen Wesen; die zeigen durchaus bis in die Farbe hinein die Einflüsse ihres Stoffwechsels. Bei Menschen ist das ja nun in einem noch höheren Maße der Fall als beim Wolf, daß sie nicht die Einflüsse des Stoffwechsels zeigen; sonst müßte es in den Gegenden, wo viel Paprika genossen wird, ja bloß gelbe Menschen geben, und man weiß ja, daß höchstens, wenn gewisse Dinge vom Menschen genossen werden, gelbsuchtähnliche Zustände eintreten und dergleichen. Der Mensch ist schon auch jetzt noch in einem hohen Grade unabhängig von den irdischen Stoffwechseleinflüssen. Aber er ist auch heute im materialistischen Zeitalter, das ja nicht nur einen theoretischen, sondern einen durchaus realen Untergrund hat, weniger den Einflüssen der außerirdischen Welt, des Kosmos ausgesetzt, als das früher der Fall war. Und die alte indische Weisheit ist im wesentlichen zurückzuführen - um es zusammenfassend auszudrücken - auf den besonderen Einfall des Sonnenstrahles in den indischen Gegenden. Der Sonnenstrahl fällt dort unter einem anderen Winkel ein als anderswo. Das bedeutet, daß die außerirdischen, die kosmischen Einflüsse auf den Menschen andere sind als woanders. Und wenn so ein alter Inder ganz aus seinem Bewußtsein heraus gesprochen hätte, so hätte er, wenn er überhaupt davon gewußt hätte, was Europa ist und so weiter, etwa folgendes gesagt. Ach, da drüben in Europa können die Menschen niemals zu irgendeiner Weisheit kommen, bei denen fällt ja die Sonne nicht so ein, daß sie zu irgendeiner Weisheit kommen können; die können nur gebunden sein an das, was der Stoffwechsel heraufkocht aus dem Irdischen. Von einer Weisheit kann drüben in Europa nicht die Rede sein. Da sind nur Menschen minderer Sorte, das sind die Halb-tiere, denn sie haben gar nicht ein solches Sonnenlicht, wie man es haben muß, wenn man ein weiser Mensch werden will. - So würde der alte Inder, wenn er über diese Dinge überhaupt gesprochen hätte, gesagt haben. Er würde wegen dieses seines besonderen Verhältnisses zum Einfall der Sonnenstrahlen kaum viel anders geredet haben über das, was da als Menschengeschmeiß in Europa ist, wie der heutige Mensch über seine Haustiere redet. Nicht als ob er diese Menschen niederer Sorte nicht geliebt hätte, der Mensch kann ja auch seine Haustiere sehr

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lieben, aber er wird sie nicht an geistiger Kapazität für gleichwertig halten.

Ich wollte damit nur darauf hinweisen, wie dasjenige, was gerade an älterer Weisheit den Menschen eigen war, abhängig war vom Orte der Erde. Das hängt ja auch mit etwas anderem noch zusammen. In älteren Zeiten der Erdenentwickelung hat sich die Menschheit überhaupt viel mehr durch diese Abhängigkeit differenziert, als das später der Fall war. Die Differenzierung der Menschen ist sogleich aufgetreten, wenn irgendwo seßhafte Menschen den Ort ihrer Seßhaftigkeit verlassen haben und nach anderen Gegenden gezogen sind. Sie haben sich verändert, sie sind seelisch, ja physisch andere geworden. Damit hängt ja die Differenzierung über die Erde hin zusammen. Es war also im wesentlichen dasjenige, was der alte Mensch vom Umkreis der Erde hatte, was er wiederum darstellte, wenn er in entsprechender Weise diese Einflüsse des Umkreises der Erde in sich aufnahm. So können wir sagen: ein richtiger Weiser war in älteren Zeiten derjenige, der an demjenigen Orte der Erde lebte, wo man eben weise werden kann. Aus diesem Grunde sahen diese Alten aber auch mit einem gewissen Rechte nach diesem Orte hin. Würde man heute etwa in derselben Weise glauben, daß die Weisheit irgendwo in Asien umschlossen sei, so würde man damit nur den Beweis liefern, daß man nicht in seiner Zeit, nämlich nicht in der heutigen Zeit lebt. Es gibt ja allerdings merkwürdige Leute, die heute noch immer von solchen besonders günstigen Orten auf der Erdoberfläche reden; aber diese Dinge sind eben in höherem Sinne, im Sinne einer wirklichen Geist-Erkenntnis durchaus dilettantisch zu nennen. Aber wenn wir in die ältesten Zeiten zurückgehen, müssen wir schon den Menschen, der weise war, verbunden denken mit seinem Orte.

Was ist daher Apollonius von Tyana für ein Mensch? Apollonius von Tyana will weise werden auf der Erde, trotzdem er nicht an solchen Orten lebt - auch die Gegend in der Nähe der Nilquellen, wo die Gymnosophisten lebten, war ein solcher Ort, wo man in einem ganz hervorragenden Maße weise werden konnte. Er hatte nur den Drang nach solchem Weisewerden in sich. Daher begab er sich auf die Reise, wie ja einstmals Pythagoras auch, der in demselben Falle war.

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Und so sehen wir, wie Apollonius von Tyana in einem gewissen Sinne ein Mensch ist, der in der Weite der Erde dasjenige sucht, was den Menschen mit innerer Befriedigung erfüllen soll, was ihn dazu bringt, innerliche Geistigkeit sich zu erringen. Denn diejenigen Zeiten, in denen das, was ich jetzt von der Gebundenheit des Menschen an einen Ort der Erde gesagt habe, ganz besonders galt, diese Zeiten lebten ja in der Zeit des Apollonius von Tyana mehr oder weniger nur im Nachklange. Es war noch etwas geblieben im alten Indien von dem, was es einstmals war, und das lernte Apollonius von Tyana kennen. Aber er stellte bereits den Repräsentanten einer neueren Zeit dar, denjenigen Menschen, der darauf angewiesen ist, an jedem Orte der Erde dasjenige zu suchen, was im höchsten Sinne menschliche Weisheit sein kann. Nur ist er darauf angewiesen, es auf weiten Wanderungen zu suchen.

Hier stellt sich richtunggebend für die neuere Menschheitsentwickelung eben das Mysterium von Golgatha vor uns, stellt sich so vor uns, daß wir sagen können: dadurch, daß in dem Jesus von Nazareth der Christus gewohnt hat, wurde Jesus von Nazareth zugleich diejenige Wesenheit der Erde, die tonangebend geworden ist für dieses Suchen, unabhängig von der Lokalisation auf der Erde selber. Dadurch sind Apollonius von Tyana und der Christus Jesus die größten Gegensätze. Apollonius von Tyana ist gewissermaßen der Zeitgenosse des Christus Jesus, welcher seiner menschheitlichen Verfassung nach nicht mehr in der alten Zeit, sondern schon in einer neuen Zeit lebt. Aber in dieser neuen Zeit kann man nur mit dem Christus-Einschlag leben. Der Christus-Einschlag kommt von dem Jesus von Nazareth. Jesus von Nazareth und Apollonius von Tyana sind die beiden Pole von Menschen vom Beginne unserer Zeitrechnung.

Und gerade dadurch werden wir auf das hingewiesen, was in die Menschheit hereingekommen ist durch den Christus Jesus. Was ich gestern erwähnt habe, daß vor allen Dingen dasjenige, was in die Menschheit hereingekommen ist, in dem Auferstehungsgedanken zum Ausdrucke kommt, das ist vor allen Dingen wichtig für uns zu erfassen. Der Auferstehungsgedanke sagt, daß der Mensch nicht unterzugehen brauche durch dasjenige, was ihn an die Erde bindet, sondern daß er in sich etwas finden kann, was sich erhebt aus dem an die Erde Gebundenen,

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wenn er den Christus-Impuls aufnimmt. Alles, was da zerrt, was da quält an dem Schmerzensmanne, der am Kreuze hängt, das sind zuletzt doch die Kräfte, die vom Erdendasein aus dem menschlichen Leib und damit dem Menschen überhaupt eingefügt sind. Schauen wir hinauf zu dem Kruzifixus mit dem leidensdurchtränkten Gesichte, mit dem schmerzdurchwühlten Leibe, dann finden wir den tiefsten Ausdruck desjenigen, was das Erdendasein den Menschen einprägen kann. Schauen wir aber zu demjenigen hinauf, worauf ich gestern aufmerksam gemacht habe, das wir im Grunde genommen über dem Kreuze als den Auferstehenden erblicken sollen, dann werden wir aufmerksam auf das, was im Menschen immerdar auferstehen kann, was sich erheben kann aus dem, was die Erdenkräfte nur enthält, und was uns zeigt, wie der Mensch ein kosmisches Wesen ist, wie die Erde nur einem Teil von ihm ihre Kräfte einprägt, wie aber aus diesen Kräften auferstehen kann, was kosmisches Ingrediens des Menschen eigentlich ist.

Das sind die Dinge,welche gesehen werden müssen im Zusammenhange mit dem Auferstehungsgedanken, und das sind die Dinge, die besonders in unserer Zeit, wo wir nach der Auferstehung der Geist-Erkenntnis streben, eingesehen werden müssen. Was wir vor allen Dingen erfassen müssen an dem Auferstehungsgedanken, das ist, daß ja in älteren Zeiten eine instinktive Weisheit vorhanden war. Was da vorhanden war, war etwas Großes, mit der ewigen Wesenheit des Menschen durchaus Zusammenhängendes. Wenn wir aber in die alten Zeitalter zurückgehen, so war diese Weisheit immer zugleich etwas Suggestives, etwas, was den Menschen überkam, etwas, worinnen der Mensch nicht in seiner Freiheit lebte. Die Willensnatur des Menschen war in allen älteren Zeiten weniger ausgedrückt. Die Willensnatur des Menschen ist es, die sich in derjenigen Zeit der Erdenentwickelung besonders ausbilden muß, welche auf das Mysterium von Golgatha folgt. In bezug auf seinen Willen lebte der alte Mensch durchaus in einem dumpfen Zustande. Der Wille aber muß durchsetzt werden von Weisheit, von Ideenkraft, von Spiritualität. Darauf kommt es an. Daher ist es vor allen Dingen nötig, daß der Christus-Impuls in den Willen des Menschen seinen Einzug hält. Das muß nur im richtigen Sinne verstanden werden. Auf

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die Ausbildung des Willens kommt es von der Gegenwart in die Zukunft hinein ganz besonders an. Der Mensch muß in bezug auf seinen Willen immer bewußter und bewußter werden. Heute erleben wir im allgemeinen Zivilisationsleben eben nur die Reaktion, die herausgeboren ist aus dem bequemen Festhalten an alten Vorurteilen, die Reaktion gegen die Ausbildung des Willens. Man möchte in der Gegenwart nur ja nicht den Willen irgendwie ausbilden. Man haßt es geradezu, den Willen auszubilden. Wie benimmt sich in dieser Richtung der Mensch?

Wenn an ihn die Anforderung gestellt wird, ein ganzer Mensch, ein Vollmensch zu sein, der auch in seinem Willen von der Weisheit ergriffen werde, dann sagt er: Darauf lasse ich mich nicht ein, meinen Willen mag die Kirche lenken. Die Kirche hat ihre alten Gebote, die Kirche wird mir sagen, wie ich mit meinem Willen verfahren soll. -Oder wenn er nicht dieses sagt, so sagt der Mensch heute noch anderes; er sagt: Ach, was soll ich meinem Willen eine Richtung geben, ich habe den Staat. Der Staat, der hat seine Gesetze, der Staat hat seine Einrichtungen, der Staat macht alles. Der Staat übernimmt das Kind. Er übernimmt es jetzt schon, wenn es nur irgendwie über die größten Schwierigkeiten hinaus ist. Es wird auch die Zeit noch kommen, wo der Staat es zuwege bringen wird, die Pflege des Kindes auch schon in dem Lebensalter zu übernehmen, wo diese Schwierigkeiten noch mit allerlei verknüpft sind. Aber warum sollte es denn nicht auch Hofleute für das Trockenlegen geben und ein Ministerium des Trockenlegens geben! Das wären ja allerlei interessante Dinge für die zukünftige Gestaltung von irgendwelchen Behörden und dergleichen.

Dann aber, in späteren Zeiten, wo die Dinge nicht mehr so unbehaglich sind, wo sie reinlicher sind in bezug auf die Kindesführung, da läßt sich ja der Staat nicht mehr ein darauf, irgendwie noch jemanden ein Urteil zuzutrauen, und die Menschen sind in ihrer Gänze im Grunde genommen durchaus damit zufrieden. Sie brauchen nicht nachzudenken, was ihren Kindern zum Beispiel frommt, denn - darüber denkt allerdings der Staat auch nicht richtig nach, aber man glaubt wenigstens, daß er nachdenkt. Nun, ich könnte diese Betrachtung noch lange fortsetzen. Wo der Mensch darnach trachten soll, seinen Willen in Tätigkeit zu versetzen, mit Weisheit zu durchtränken, da wird

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heute der Mensch durchaus dasjenige Wesen, das da appelliert an etwas anderes, was nur ja nicht im Zentrum seines Willens sitzt und dort etwa einiges Licht ausstrahlend ist. Aber darauf kommt es nämlich gerade an, daß der Wille die lichtvollen Impulse aufnimmt, und das ist es gerade, was im richtig verstandenen Christus-Gedanken liegt.

Christus ist diejenige Wesenheit, die niemals von Gruppen irgendwie Besitz ergreift, die niemals sich zu tun macht mit irgendwelchen Gruppen. Das größte Unding ist es, von einem deutschen, von einem französischen, von einem skandinavischen, von einem holländischen, montenegrinischen Christus, oder von einem Christus, sagen wir, von Marokko oder dergleichen zu sprechen, sondern der Christus ist dasjenige Wesen, das keine Gruppen kennt, das nur einzelne Individuen kennt, und jeder mißversteht das Christus-Wesen, der glaubt, es gebe vom Christus-Wesen aus irgendwelchen Zusammenhang in den Gruppen.

Aber dieses Christus-Verständnis, es muß ja erst kommen, es muß kommen mit dem Verständnis der menschlichen Individualität überhaupt. Dann, wenn das eintritt, wird auch wieder der Auferstehungsgedanke da sein, denn auferstehen kann der Geist eben nur in der einzelnen menschlichen Individualität. Auferstehen kann der Geist nur, wenn den einzelnen menschlichen Individualitäten die Möglichkeit gegeben wird, sich zu entfalten. Das kann natürlich nur geschehen, wenn man das Geistesleben in seiner Verwaltung herausnimmt aus der übrigen staatlichen Konfiguration, so wie es gemeint ist durch die Dreigliederung des sozialen Organismus. Es kann heute vielen Menschen noch, ich möchte sagen, gewaltsam gedacht erscheinen, wenn man den Auferstehungsgedanken zusammenbringt mit so etwas, wie es der Dreigliederungsgedanke ist. Aber derjenige, der Sinn und Verständnis hat für die Einheitlichkeit der menschlichen Zivilisation, der wird auch begreifen, wie dasjenige, was für das soziale Leben gedacht ist, durchaus hervorgehen muß aus demjenigen Erfassen, das für den Menschen nach dem Höchsten, das ihm überhaupt zugänglich ist, hingeht. Der Auferstehungsgedanke, er muß im geistigen Sinne erfaßt werden. Das wird er nur, wenn man nicht sich bloß auf das Betrachten, das heißt, auf das Intellektualistische verlegt, sondern wenn man in

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der richtigen Weise zu verstehen versucht, wie der Wille des Menschen ergriffen werden muß.

Und Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, ist ja durchaus etwas, was auf den Willen des Menschen geht. Alles übrige Reden versteht die Geisteswissenschaft, wie sie hier gemeint ist, doch nicht. Nehmen Sie alles dasjenige, was in unserer Literatur steht. Wozu werden denn die Menschen kommen, wenn sie nur darauf gehen wollen, das, was in unserer Literatur an Begriffen, an Ideen steht, bloß mit dem Intellekt zu umfassen? Nur zu holperigen Diskussionen! Sie werden allerlei profane Diskussionen anstellen können über dasjenige, was die Geisteswissenschaft sagt. Aber dasjenige, was in der Geisteswissenschaft an Gedanken und Ideen enthalten ist, das will vom Willen ergriffen werden, das will den ganzen Menschen in Anspruch nehmen. Man muß schon begreifen wollen, wenn man Geisteswissenschaft verstehen will. Und so fängt die Willenskultur gegenüber der Geisteswissenschaft eben schon im Begreifen an.

Ich möchte sagen, diese müßte so recht eingehen in das ganze menschliche Wesen derjenigen, welche sich hineinstellen in dasjenige, was hier die geisteswissenschaftliche Bewegung genannt wird. Diese geistes-wissenschaftliche, diese anthroposophische Bewegung mußte ja erst aus ihrem Wesen heraus, aber namentlich aus ihrem Verhältnis zur Zeitentwickelung heraus in der neuesten Zeit sich auch nach allem möglichen Praktischen wenden. Nicht um irgend etwas, ich möchte sagen, anzüglich zu charakterisieren - das liegt mir in diesem Augenblicke ganz fern -, aber um auf einiges aufmerksam zu machen, was so oder so sein kann, sei das Folgende angeführt.

Sehen Sie, wir haben in der letzten Zeit allerlei praktische Einrichtungen getroffen. Zu den praktischen Einrichtungen brauchen wir Menschen, wir müssen Menschen in ihnen beschäftigen. Wir beschäftigen selbstverständlich diejenigen, die von den Intentionen, die innerhalb der anthroposophischen Bewegung sind, etwas verstehen, wenigstens etwas verstehen sollten. Nun setzt man voraus - das könnte die eine Art der Auffassung sein, ich will nur Eventualitäten hinstellen -, daß Anthroposophen nun in unsere praktischen Stellungen hineinkommen und aus dem ganzen Feuer der Anthroposophie heraus in diesen praktischen

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Stellungen wirken und sich sagen: Jetzt muß, wenn die praktischen Dinge gemacht werden, aus einem anderen Untergrunde heraus gewirkt werden; ich bin nun, wie ich stehe, wirklich als Anthroposoph drinnen in der ganzen Sache, und es kommt mir nicht darauf an, auch einmal viel mehr zu tun, als es sonst üblich ist in der heutigen Zeit. Ich bin eins mit demjenigen, was da gewollt wird durch diese praktischen Dinge. - Das wäre eine mögliche Auffassung. Die andere mögliche Auffassung wäre diese, daß gesehen wird: Nun ja, da sind allerlei praktische Einrichtungen, da gibt es eine Möglichkeit, nun auch irgendwie sich zu betätigen als Anthroposoph. Aber ich bin Anthroposoph, deshalb will ich mich nicht so behandeln lassen, wie es bei den alten Ämtern und dergleichen üblich war. Ja, bei den alten Ämtern, da mußte man pünktlich erscheinen, pünktlich wiederum verlassen - das gibt es nun nicht mehr, da gehe ich hinein, wie es mir gefällt, gehe wieder heraus, wie es mir gefällt, zuweilen gehe ich gar nicht hin, oder ich mache irgend etwas anderes, als gemacht werden soll, denn in der Anthroposophie muß es anders zugehen als in der alten philiströsen Welt. - Das wäre die extreme andere Auffassung. Ich will nur Eventualitäten hinstellen, denn auf diese Eventualitäten darf schon heute aufmerksam gemacht werden, weil dasjenige, mit dem wir zu tun haben, allerdings viel zu ernst ist, als daß wir etwa weiter fortsetzen könnten dasjenige, was ganz aus den selbstverständlichen Untergründen heraus weitere Kreise von Anthroposophen, die am alten sektiererischen Geist solcher Dinge Lust haben, weiter verbreiten. Diese Kreise finden es ja zuweilen als das allernatürlichste: Nun ja, seit so und so vielen Zeiten trinken die Menschen Tee, haben die Menschen beim Tee geredet - nun ja, lassen wir das weg, über was alles die Menschen beim Tee oder Kaffee oder nach dem schwarzen Kaffee am Nachmittag geredet haben! Aber warum soll man nicht einmal auch reden beim Tee oder Kaffee von Saturn, Sonne, Mond, warum nicht auch von Wiederverkörperungen, warum soll man da nicht sich allerlei ausdenken über dasjenige, was dieser oder jener Mensch in der vorigen Inkarnation gewesen sein könnte! Warum soll man mit anderen Worten, nicht etwas Salon-Anthroposophie oder so etwas ähnliches treiben?

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Über diese Dinge sind wir allerdings hinaus. Das geht nicht mehr. Darauf kann der Blick nicht mehr fallen. Der Blick kann heute nur fallen auf die zwei anderen Eventualitäten. Ich will ja nur charakterisieren und sage jetzt auch gar nicht, daß ich irgend etwas, was es schon gibt, hinstellen möchte, sondern ich mache nur darauf aufmerksam, daß diese zwei Eventualitäten ja so wären ungefähr, daß man mit der einen gut vorwärtskommen könnte, daß mit der anderen, wo die Anthroposophen gerade einen anderen, einen neuen Ton, etwas ganz Besonderes wollen und nicht mehr etwa um acht Uhr erscheinen, sondern um halb elf Uhr, weil sie bis dahin meditieren müssen vielleicht und so weiter, daß mit dieser Eventualität sich ganz gewiß eine richtige Willenskultur, wie sie jetzt charakterisiert werden mußte, nicht eigentlich verbinden lassen wird. Die Zeit ist zu ernst, um nicht doch diese zwei polaren Gegensätze anthroposophischer Handhabung der Dinge ins Auge zu fassen. Ich will darüber selber nichts aussagen, aber ich rate Ihnen an, ein wenig Umschau zu halten, ob diese zwei Eventualitäten vorhanden sind, und sich dann ein Urteil zu bilden, und eventuell nach diesem Urteil dann in irgendeiner Weise sich zu verhalten. Es ist sehr schön, sich zu bekennen zum Anthroposophentum; aber das ist für die heutige Zeit nicht genug. Die heutige Zeit erfordert vom Menschen dasjenige, was an den Willen geht, dasjenige, was auch unbedingt fördernd in die Menschheitsentwickelung selber eingreift.

Es ist ja ganz außerordentlich erhebend vielleicht, zu sagen: Da oder dort, irgendwo im Verborgenen unzugänglich, da sitzt dieser oder jener «Meister». - Von gewisser Seite her wurde ja einmal für Ungarn ein solcher bestimmter Ort angegeben, und einige naive Budapester haben dann nachforschen lassen in den Polizeiakten und haben an dem betreffenden Ort diesen Meistersitz nicht gefunden! Wenn einem dann so etwas erzählt worden ist, daß auf diese Weise nachgegangen worden ist den großen geistigen Mächten der Erde, dann konnte man ja nichts anderes tun, als zu diesen Dingen etwas lächeln, denn es war eben auf seiten derjenigen, die den Dingen nachgingen, auf diese Art, die also gewissermaßen nach den Postadressen der geistigen Leiter der Menschheit suchten, naiv; wie es manchmal naiv war auf seiten derjenigen, die so hindeuteten auf diese Dinge, als ob man nach Postadressen fragen

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könnte. Das will ich aber lieber nicht ausführen! Über diese Dinge haben allerdings mancherlei Menschen mancherlei Ansichten. So zum Beispiel trieb sich einmal unter uns herum ein gewisser - ja, wie nannte er sich dazumal? In seinen Büchern nannte er sich dann Max Heindel, aber hier hatte er einen anderen Namen, Grashof nannte er sich. Dieser Mann hatte hier zunächst alles dasjenige aufgenommen, was er in öffentlichen Vorträgen und Büchern aufnehmen konnte. Davon hat er, etwas mystisch, ein Buch «Rosicrucian Cosmo Conception» gemacht, und dann hat er in eine zweite Auflage auch dasjenige aufgenommen, was in den Zyklen steht, und was er sich sonst abgeschrieben hat. Darin hat er seinen Leuten drüben in Amerika erzählt, daß er ja allerdings die erste Stufe hier aufgenommen habe, aber um die zweite zu erringen, sei er tief nach Ungarn gewandert zu einem Meister. Von dem behauptete er dann dasjenige bekommen zu haben, was allerdings bloß abgeschrieben war aus den Zyklen, die er bekommen hatte, und namentlich aus all denjenigen Vorträgen, die er sich erlistet hatte, und die nachzuschreiben ein bloßes Plagiat war! Einige von Ihnen werden ja wissen, daß dann auch noch das Urkomische eingetreten ist, daß diese Sache wiederum zurückübersetzt worden ist ins Deutsche, mit dem Bemerken, daß man ja zwar in Europa auch so etwas haben kann, daß es aber besser sei, es in derjenigen Gestalt zu bekommen, in der es entstehen konnte unter der freien Sonne Amerikas.

Die Menschheit läßt sich eben sehr gern dasjenige bieten, was sie ohne den Willen aufnehmen darf. Die Willenskultur, die bringt schon auch durchaus, wenn sie wirklich durchgeführt wird, dasjenige, daß so etwas nicht möglich sein kann. Wenn der Wille schwach bleibt, dann wird er auch immer schwächer und schwächer gegenüber der Beurteilungsmöglichkeit desjenigen, was ihm von der Außenwelt entgegentritt. Wir müssen lernen das Höchste anzuknüpfen an dasjenige, was wir im Alltag erleben. Wir dürfen doch nicht über diese Dinge gewissermaßen eine getrennte Buchführung haben. Wir müssen uns klarsein, daß wir, wenn wir den Geist erfassen, dann auch über die oberflächliche Beurteilung des gewöhnlichen Lebens hinauskommen. Und wenn wir gefühlsmäßig manches vorbringen, dann sind wir, so sonderbar das erscheinen kann, wenn man es so ausspricht, dem Elemente des Auferstehungsglaubens

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nahe, das wir heute gerade brauchen. Wir brauchen das erste Element, möchte ich sagen, den allerersten Anfang, der darinnen besteht, daß wir in unseren Willen aufnehmen dasjenige, was aus Geisteswissenschaft kommen kann. Dann liegt in der Linie, die wir da einschlagen, in der Richtung, in der wir gewiesen werden, der Weg zum wahren Auferstehungsglauben. Wir müssen heute zu einer Erweiterung des Ostergedankens kommen. Wir müssen zusammenbringen dasjenige, was uns als Menschen Anthroposophie sein soll, mit demjenigen, was eigentlich heute für die Menschen im weiteren Umkreise nur ein Wort ist, das eigentlich keinen Inhalt mehr hat. Und ein solches Wort ist das Wort Auferstehung, das Wort Ostern für die weitesten Kreise der Menschen. Sinn muß wiederum verbunden werden können mit diesen Dingen. Wir müssen im Menschen Erkenntnis erringen, Erkenntnis der menschheitlichen Entwickelung, und wir müssen wieder verstehen lernen, allerdings vom vollen klaren Lichte menschlichen Bewußtseins aus, was das paulinische Wort bedeutet: «Ist Christus nicht auferstanden, dann ist euer Glaube eitel.» Eitel ist auch alles Erkenntnis- und alles menschliche Streben, wenn es nicht den wirklichen Ostergedanken von der Auferstehung in das Innerste des menschlichen Gemütes aufnehmen kann.

ACHTZEHNTER VORTRAG Dornach, 1. April 1921

#G203-1989-SE307 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

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ACHTZEHNTER VORTRAG

Dornach, 1. April 1921

#TX

Wenn dasjenige, was wir oftmals als Gegenstand esoterischer Betrach­tung angesehen haben, was wir in meiner «Theosophie», in meiner «Geheimwissenschaft im Umriß», in anderen Büchern verzeichnet fin­den, als die Gliederung des Menschen, wenn wir das, und zwar etwas zusammenfassend, mehr von außen betrachten, so können wir hinblicken auf der einen Seite nach alledem, was wir im Menschen nennen können die Verstandeskräfte, die Verstandesfähigkeiten. Gewiß, was wir da unter Verstandesfähigkeiten zusammenfassen, umgreift das Verschiedenste von dem, was wir als die Glieder des Menschen be­zeichnet haben. Allein gerade durch solche Betrachtungen, die die verschiedenen Begriffe und Ideen, die wir haben, unter anderen Ge­sichtspunkten ins Auge fassen, kommen wir ja in unseren Auseinan­dersetzungen weiter. Also wir sehen auf der einen Seite die mehr ver­standesmäßigen Betätigungen des menschlichen Geist-Seelenlebens, und wir sehen auf der anderen Seite die mehr nach dem Begehrungs­vermögen, nach dem Willensmäßigen hin gelegenen Betätigungen des menschlichen Geist- und Seelenlebens. Wir wollen heute diese Fähig­keiten einmal von dem Gesichtspunkte der ganzen Menschheit ins Auge fassen, das heißt, wir wollen uns fragen: Welche Bedeutung haben die mehr verstandesmäßigen Kräfte in dem Leben der Gesamt-menschheit und welche haben die mehr willensmäßigen Kräfte? -Wenn man eine solche Betrachtungsweise unternimmt, dann kann sie nur fruchtbar sein, wenn man den Menschen und auch die Mensch­heit nicht isoliert betrachtet von dem gesamten Erdenplaneten, son­dern als ein Glied des gesamten Erdenplaneten. Daß man dazu ein Recht hat, das ergibt sich Ihnen ja aus dem Verfolgen jener Ausein­andersetzungen, die sich zum Beispiel in der «Geheimwissenschaft» finden über die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung unserer Erde.

Wenn Sie sich erinnern, was da gesagt ist über Saturn-, Sonnen-und Mondenentwickelung, dann werden Sie sehen, wie da die Sache

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nicht so betrachtet wird, wie es etwa die heutigen Geologen und Na­turforscher machen, daß sie auf der einen Seite geologisch die Erde betrachten, als wenn der Mensch gar nicht dazu gehörte, und dann wiederum die Menschheit für sich in einer Art abgeschlossener An­thropologie, wie wenn diese Menschheit auf einem ihr ganz fremden Boden herumspazierte. Darum kann es sich für eine wirklich frucht­bare Betrachtungsweise nicht handeln. Wenn Sie verfolgen, was ge­sagt ist über die Saturn-, Sonnen- und Mondenentwickelung, so wer­den Sie sehen, daß in dieser Entwickelung gar nicht getrennt gedacht werden können die Kräfte, die in der Menschheit selber spielen, und die Kräfte, die im übrigen Planeten spielen. Daß auf der Erde die Menschheit eine gewisse Selbständigkeit erlangt hat und gewisser­maßen unabhängig von dem Planeten auf dem Boden desselben her­umspaziert, das ist ein Entwickelungszustand; er darf für die Betrach­tungsweise nicht ausschließlich maßgebend sein. Wir müssen die Menschheit im Zusammenhange mit der ganzen Erdenentwickelung betrachten. Und da müssen wir zunächst sagen: Wenn wir die Ver­standesfähigkeiten ins Auge fassen und uns erinnern an dasjenige, was über frühere Metamorphosen, über die Saturn-, Sonnen- und Mondenmetamorphose der Erdenentwickelung gesagt ist, dann werden wir darauf kommen, daß diese Innerlichkeit, die wir heute in dem Menschen der Verstandesentwickelung haben, vorher, also auf den vorigen Metamorphosen der Erdenentwickelung, nicht vorhanden war. Was heute in unserem Kopfe gewissermaßen als Verstand lokalisiert ist, das war als allgemeine Verständigkeit wie eine durchgreifende gesetzmäßige Verständigkeit über den ganzen Erdenplaneten verteilt. Man könnte sagen: Verstand wirkte in den Tatsachen der ganzen Erdenentwickelung. Der Mensch selber hatte ja - von Saturn und Sonne gar nicht zu sprechen - auf dem Monde noch nicht das Ver-standesbewußtsein, sondern eine Art träumerischen Bewußtseins. Dieses träumerische Bewußtsein, das sah hinaus in die Weltenerscheinungen, und der Mensch sagte sich nicht, während er dieses träumerische Bewußtsein hatte: Da draußen spielen sich die Welterscheinungen ab, und ich begreife sie mit meinem Verstande -, sondern der Mensch träumte in Bildern. Er sah aber dasjenige, was wir heute wie in unserem

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Kopfe lokalisiert als Verstand empfinden, als die Dinge und Tatsachen draußen durchsetzend. Wir unterscheiden zwischen den Naturgesetzen und zwischen dem, was in uns diese Naturgesetze auf­faßt und nennen das letztere unseren Verstand. Der Mensch der Vor­zeit lebte seelisch bewußt nur in Bildern, und das war ja für die älteren Partien unserer Erdenentwickelung auch noch der Fall, und er unter­schied nicht die Naturgesetze draußen von seinem Verstande, sondern die Natur selber hatte Verstand, die Natur selber gab sich ihre Gesetze. Da draußen wirkte der Verstand. Es ist ein Entwickelungsstadium un­serer selbständig gewordenen Menschheit, daß wir sagen: Wir tragen in uns den Verstand und draußen sind die Naturgesetze. - Die Summe dieser Naturgesetze war für den Menschen der Vorzeit der Verstand.

Nun haben wir ja als Erdenmenschheit bis zu einem gewissen Grade das Bewußtsein schon entwickelt, daß der Verstand in uns vorhanden ist und daß draußen eben die Naturgesetze vorhanden sind, die wir mit unserem Verstande nur auffassen. Wir berühren, indem wir auf diese Tatsache hinweisen, einen wichtigen Entwicke­lungsimpuls der Menschheit. Aber wir müssen uns bewußt sein, daß dieser wichtige Entwickelungsimpuls der Menschheit immer mehr und mehr aufgegriffen und noch immer mehr und mehr ausgebildet wer­den muß. Er ist ja im Grunde genommen heute noch nicht voll aus­gebildet. Wir sagen uns zwar, wir hätten in uns den Verstand und draußen walteten die Naturgesetze; aber wir machen uns den Verstand noch nicht völlig zu eigen. Wir sind als Menschheit auf dem halben Wege stehengeblieben mit Bezug auf dieses In-uns-Aufnehmen des Verstandes, der Vernunft, der Naturgesetzlichkeit. Und gerade in un­serer Zeit gehört zu denjenigen Dingen, auf die man am meisten hin­sehen muß gerade vom geisteswissenschaftlichen Standpunkte aus, diese Tatsache, die ich eben berührt habe. Wir sind heute noch außeror­dentlich stolz darauf, wenn wir mit Bezug auf alles das, was dem Verstande angehört, was wir als menschliches Wissen anerkennen, etwas dem Menschen Gemeinsames haben. Es gilt heute immer noch als etwas, was außerordentlich einschneidend in die ganze mensch­liche Naturentwickelung ist, daß die Wissenschaft gewissermaßen wie ein allgemein über der Menschheit Schwebendes ausgebildet werden

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soll, und daß die Menschen, indem sie sich der Wissenschaft widmen, gewissermaßen ihre Individualität zum Opfer bringen sollen, daß sie denken sollen, wie halt «jedermann» denkt. Das ist ein Ideal nament­lich unserer öffentlichen Lehranstalten, eine Wissenschaft, die ganz unpersönlich, die ganz unindividuell ist, auszubilden, diese Wissen­schaft zu etwas zu machen, demgegenüber man möglichst wenig «Ich» sagt und möglichst viel «man» sagt: man hat dieses oder jenes ge­funden, man muß dieses oder jenes für wahr halten! - Und das Ideal gerade der offiziellen Vertreter der Wissenschaft heute ware ja wohl dieses, daß man die einzelnen Dozenten eigentlich nicht sehr unter­scheiden könnte - höchstens in bezug auf das Temperament -, wenn man von einer Hochschule an eine sehr entfernte andere Hochschule hinkommt. Es würde geradezu als ein Ideal gelten, wenn man, sagen wir, einen Botanikvortrag irgendwo im Norden anhören könnte, dann mit einem raschen Ballon nach dem Süden fliegen könnte, dort die Fortsetzung dieses Vortrages hören könnte und er ganz dem ent­sprechen würde, was «man» eben in der Botanik weiß! Etwas ganz Unpersönliches, Unindividuelles, das ist dasjenige, was man auf die­sem Gebiete als das Richtige betrachtet, und man hat eine greuliche Angst davor, daß irgendwie etwas Persönliches in dieses Wissen, in dieses Werk des menschlichen Verstandes hineinziehen könnte. Gerade auf diesem Gebiete gilt das Nivellieren der ganzen menschlichen Kul­tur am allermeisten. Man ist stolz darauf, nur ja nicht abzuweichen von dem, was ein für allemal in einer gewissen Weise formuliert ist. Also man möchte dasjenige, was Wissenschaft ist, vom Menschen absondern. Man sondert es ja auch noch in mancher anderen Beziehung vom Men­schen ab. Dafür können Beispiele angeführt werden. Denken Sie sich nur einmal, wie heute die meisten Menschen, die sich in offizieller Weise am wissenschaftlichen Leben beteiligen, ihre Dissertationen, ihre Privatdozentenbücher, ihre Professoren-Kandidaturbücher und so wei­ter schreiben. Sie sind ja möglichst wenig dabei und sie rechnen mög­lichst wenig damit, daß diese Bücher nun etwa ganz allgemein gelesen würden. Sie werden geschrieben; aber kaum lesen sie diejeni gen, die sie in dem betreffenden Kollegium zu prüfen haben, sondern höchstens einer liest sie notdürftig und sagt dann den anderen, was sie davon zu

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halten haben. Denn die Wissenschaft ist ja etwas, worüber «man» denkt, nicht einer persönlich, und dann werden sie in den Bibliotheken auf­gespeichert. Wenn irgend jemand wieder einmal etwas Ähnliches schreibt, sieht er sich die Bibliothekkataloge an und sieht nach, wo er irgendwie etwas findet, was er berücksichtigen muß, und dann wird das wieder aufgespeichert, geht möglichst wenig an das Individuell-Persönliche heran. Es ist ja das alles abgesondert. In den Bibliotheken wuchert Unzähliges, was gar nicht irgendwie persönlich interessiert. Das ist im Grunde genommen ein schrecklicher Zustand. Aber das noch Schrecklichere ist, daß die Menschen das eigentlich gar nicht spüren, sich völlig beruhigt dabei fühlen, daß sie selber gar nichts zu wissen brauchen, denn in den Bibliotheken kann man ja alles finden, wenn man nur das betreffende Schlagwort in den Katalogen aufsuchen kann. Da ruhen die Dinge. Die Menschen gehen aber neben der Wis­senschaft, die so etwas Allgemeines ist, einher. Es würde allerdings diese Wissenschaft anders ausschauen müssen, wenn die Menschen sie in ihren Köpfen und nicht in den Stellagen der Bibliotheken auf­bewahren würden.

Das ist dasjenige, was einem, ich möchte sagen, wie durch ein paar Löcher hindurch - denn man könnte vieles nach dieser Richtung hin anführen - einen Hinweis gibt, wie die allgemeine Verstandeskultur in der heutigen Menschheit noch unindividuell, unpersönlich ist, wie die Menschen sie als etwas, was ein Wolkendasein über einem führt, haben möchten. Dasjenige aber, was Menschen hervorbringen, das gehört nicht nur den Menschen, das gehört dem Weltall an. Deshalb habe ich gesagt, wir müssen, um zu einer fruchtbaren Betrachtung zu kommen, den Menschen im Zusammenhange mit seinem Planeten und dann ja auch wiederum den Planeten im Zusammenhange mit dem ganzen Weltenall betrachten.

Was der Mensch also hervorbringt, worauf er seinen Verstand anwendet, damit kann er in zweifacher Weise verfahren. Er kann auf der einen Seite diesen Verstand anstrengen, Wissenschaften aus­zubilden, die dann alle ins «man denkt», «man weiß», «man ist zu diesen und jenen Fortschritten gekommen» einmünden; dann schreibt man das in Bücher, dann speichert man das auf, dann ist das die

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Wissenschaft, über die so die Generationen hinwegwachsen; und die Menschen können bei einem solchen Betrieb des Verstandes vertrock­nen. Sie können es so machen, daß sie dasjenige, was sie eigentlich interessant finden, in manchem anderen suchen, nur ja nicht in dem, was ja ohnedies Unwahrheit ist, objektiv von Persönlichem unberühr­te Unwahrheit, die objektiv in Bibliotheken aufbewahrt wird; sie kön­nen es so machen, daß sie das nun ja nicht berühren. Man hat ja Ge­lehrtenversammlungen gekannt, welche in ihrer Terminologie das Wort hatten vom Fachsimpeln. Es galt als etwas Minderwertiges, wenn man nach den offiziellen Reden sich über die einzelnen Dinge der Wissen­schaft unterhielt etwa in kleinen Zirkeln und dergleichen. Da sprach man allerlei andere Allotria, die jedenfalls ganz fernlagen demjenigen, was eigentlich die wissenschaftlichen Angelegenheiten waren. Und die­jenigen, die die Schwäche hatten, von ihrer Wissenschaft etwas be­geistert zu sein, und die dann etwa anfingen, sagen wir, beim Tee oder beim schwarzen Kaffee von dem oder jenem philologischen oder sonstigen Thema zu sprechen, waren eben die Leute, die «Fachsimpelei» trieben, das waren diejenigen, die man nicht ganz ernst nahm, die keinen weltmännischen Geist hatten.

Es trat mir einmal in einer ganz eigenartigen Weise entgegen, dieses Unpersönliche gegenüber der Wissenschaft. Ich war einmal bei einer Versammlung, bei welcher Helmholtz einen Vortrag hielt. Bei diesem Vortrag, der wörtlich abgelesen war von Helmholtz und der bereits längst im Drucke war, als er abgelesen wurde, hörten die Leute so zu, wie man eben bei einem solchen Vortrag, nun, zuhört. Nach dem Vor­trag kam zu mir ein Journalist, der sagte: Wozu eigentlich das? Das brauchte man ja gar nicht. Wer das will, kann ja einen solchen Vor­trag dann lesen, wenn er gedruckt wird; warum soll er einem auch noch vorgelesen werden? Es wäre doch viel gescheiter, wenn Helmholtz einfach im Auditorium herumginge und jedem die Hand reichte; das wäre ja doch viel mehr, da wäre doch viel mehr damit getan. - Das ist so richtig ein Beispiel für das Fremdsein gegenüber demjenigen, was da eigentlich als Wissenschaft so unpersönlich «herumfliegt». Dabei vertrocknen selbstverständlich die Leute. Das ist die eine Art, wie man die Verstandeskultur erfassen kann.

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Die andere Art ist diese, daß man sich für alle Einzelheiten inter­essiert, daß das Gemüt Feuer fängt und die Wissenschaft belebt, daß es sie umschmelzt in lebendige Begriffe, daß alles dasjenige, was wir begreifen, erfassen, geradezu in Empfang genommen wird von inner­lichem Gemütsleben. So kann man alles das, was die Wissenschaft gibt, wirklich mit innerem Feuer durchdringen, so kann man, indem man die einzelnen Wissenschaften erfaßt, allmählich eindringen in das ganze Weltendasein, so kann man etwas gestalten, was jedes Men­schen, der es betreibt, ureigenste persönliche Angelegenheit wird. Das ist das andere. Und das alles, was da getrieben wird auf der einen Seite, ist unpersönlich, abgesondert vom Menschen im Grunde ge­nommen. Am liebsten möchten da die Menschen Automaten für den wissenschaftlichen Betrieb erfinden, so daß sie nichts mehr mit ihren eigenen Köpfen zu bedenken hätten, dann wären sie vielleicht produ­zierend ohne sie. Das aber, was geschieht aus vollem, herzhaftem Betreiben der Wissenschaft heraus, das sind ja nicht nur Angelegen­heiten der Menschheit, das sind Angelegenheiten des ganzen Planeten und damit des ganzen Weltenalls. Denn dasjenige, was der Mensch tut, indem er denkt, indem er irgend etwas in seinem Kopfe verstandes­mäßig ausbildet, das ist ein Geschehnis genau ebenso, wie wenn ein Wasser aus einer Quelle den Strom hinunter zum Meere fließt, oder wie wenn es verdunstet oder wenn es regnet. Was da äußerlich materiell geschieht im Regen, was geschieht, wenn die Pflanze sprießt und so weiter, das sind Ereignisse der einen Art. Was durch den Menschen geschieht, sind Ereignisse der anderen Art. Es ist nicht bloß eine mensch­liche Angelegenheit, es ist eine Angelegenheit des ganzen Planeten. Und das ist gerade die Aufgabe des Menschen in seiner Entwickelung auf der Erde, daß er den Verstand, der früher allgemein über das Plane­tarische ausgegossen war, daß er diesen Verstand in sich hereinnimmt, daß er ihn mit sich vereinigt. Also, es ist ein Entwickelungsimpuls des Menschen, daß er das Wissen zu seiner persönlichen Angelegenheit macht, daß er es durchziehen kann mit Enthusiasmus, daß es in ihn übergehen kann, so daß es ergriffen wird von seinem herzhaften Feuer. Und wenn das letztere nicht geschieht, wenn er das Wissen [nur] in unpersönlicher Weise aufspeichert, so geschieht etwas nicht, was im

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Sinne der Erdenentwickelung geschehen soll. Es wird nicht das Gemüt der Menschheit ergriffen von der Verstandeskultur. Die Verstandes-kultur entwickelt sich gewissermaßen nur in dem Kopf und schwebt zu weit ab von der Oberfläche der Erde bloß in den Köpfen; sie ent­wickelt sich nur in den Köpfen und sollte heruntersinken bis in die Herzen. Aber es warten auf dasjenige, was also von den Herzen nicht erfangen wird, was also von dem Gemüte des Menschen nicht ergriffen wird, es warten auf das die luziferischen Geister. Und dasjenige, auf das so warten die luziferischen Geister, das können sie in Empfang nehmen, wenn es in dieser Weise unpersönlich über die Erde hin-schwebt. Denn die einzige Möglichkeit, dasjenige, was Verstandeswelt ist, den luziferischen Geistern zu entreißen, ist, es mit dem Gemüte zu durchdringen, es zur persönlichen Angelegenheit zu machen. Und was in unserer Zeit geschieht, was seit langem geschieht und was anders werden muß, das ist eben, daß wir das irdische Dasein auf dem Um­wege durch die kalte, nüchterne Verstandestrockenheit zur Beute wer­den lassen der luziferischen Welt. Dadurch wird dieErde aufgehalten in ihrer Entwickelung, dadurch wird die Erde zurückgehalten auf einem früheren Standpunkte. Sie kommt nicht zu ihrem Ende. Und wenn die Menschen lange, lange fortbetreiben das Unpersönliche der sogenannten Wissenschaft, dann wird die Folge diese sein, daß die Menschen ihre Seelenhaftigkeit überhaupt verlieren. Diese unpersön­liche Wissenschaft ist die Mörderin des menschlichen Seelenhaften und Geisteshaften; sie vertrocknet den Menschen, sie dörrt ihn aus. Sie macht zuletzt aus der Erde dasjenige, was man nennen kann einen toten Planeten mit automatenhaften Menschen darauf, die ihr Geistig­Seelisches auf diesem Wege verlieren. Auch da muß man sagen: Die Dinge müssen schon ernst betrachtet werden. Es darf nicht zuge­schaut werden diesem kosmischen Mord durch den abstrakten Be­trieb, den unpersönlichen Betrieb des Wissens auf der Erde. Das ist das eine.

Das andere ist das menschliche Begehrensvermögen. Das ist das­jenige, was mit dem Willensmäßigen im Menschen zusammenhängt. Was mit dem Willensmäßigen im Menschen zusammenhängt, kann wiederum zwei Wege gehen. Der eine Weg ist der, daß dieses Willensmäßige

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sich möglichst unter Gebote oder Staatsgesetze und dergleichen unterordnet und sich fügt dem, was die allgemeinere Gesetzmäßig­keit ist, so daß die allgemeine Gesetzmäßigkeit da ist und daneben nur das rein instinktmäßige Begehren der Menschen.

Der andere Weg ist, daß sich dasjenige, was im Menschen als Be­gehrensvermögen sich spiegelt, was als Willensfähigkeit vorhanden ist, daß sich das allmählich heraufhebt zum reinen Denken, in Freiheit sich auslebt individuell, so daß es sich ins soziale Leben in Liebe er­gießt. Es ist diejenige Art des Auslebens des Willens und des Begehrungs­vermögens, wie ich sie geschildert habe in der «Philosophie der Frei­heit». Da habe ich gezeigt, wie dasjenige, was allgemeine menschliche Gesetzmäßigkeit ist, hervorgehen muß aus jeder menschlichen Indivi­dualität und daß, wenn dasjenige, was aus der menschlichen Indivi­dualität hervorgeht, sich erhebt bis zum reinen Denken, daß dann durch das Zusammenstimmen dessen, was die Menschen tun, die soziale Ord­nung entsteht. Die Menschen fürchten sich vor aller sozialen Ordnung, welche konstituiert wird dadurch, daß aus dem Individuellen heraus ein jeder Mensch sich [selbst] die Richtung gibt. Sie möchten organisie­ren, was die Menschen wollen sollen. Sie möchten «kategorische Impe­rative» an die Stelle der aus jedem Menschen heraus wirkenden Liebe setzen. Dadurch aber, daß solche abstrakten Gebote bestehen - seien sie nun Gebote nach dem Muster des Dekalog, seien sie Gesetze irgendwel­cher Einheitsstaaten -, dadurch, daß solche Gebote bestehen, machen sich aus dem Individuellen des Menschen heraus nur geltend die in­stinktmäßigen Begierden, jene Begierden, die wir besonders heute auf­leben sehen und die im Grunde genommen das einzige soziale Ingre­dienz der gegenwärtigen Zeit geworden sind. Wiederum ist das, was im Menschen dadurch geschieht, daß er seinen Willen nicht bis zum In­dividuellen gestaltet, ihn nicht erhebt zum reinen Denken, wiederum ist das nicht bloß etwas, was den Menschen allein angeht, sondern den ganzen Planeten und damit den Kosmos. Und auf das, was da ge­schieht, indem sich nicht der menschliche Wille individuell gestalten kann, auf das warten gierig die ahrimanischen Geister. Das eignen sie sich an, diese ahrimanischen Geister, und sie verwenden alles, was an nicht zur Liebe entfalteten Begierden im Menschen lebt, willensmäßig

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lebt, sie verwenden es so, daß sie es übertragen auf individuelle dämo­nische Wesenheiten. So wie mehr allgemeine Wesenheit entsteht durch dasjenige, was die über der Menschheit schwebende Verstandestätigkeit ist, so entstehen ganz individuell gestaltete dämonische Wesenheiten aus dem nicht in Liebe umgesetzten Begehrungsvermögen der einzel­nen Individualitäten. Und es müßte, wenn nicht eine individuelle Gestaltung des freiheitlichen Zusammenlebens in der sozialen Ord­nung angestrebt würde, sich die Erde erfüllen mit denjenigen Wesen­heiten, die dann individuell wären, aber die ein ahrimanisch-geister­haftes Dasein führen und die der Erde nehmen würden die Möglich­keit, sich in die nächste planetarische Metamorphose, in die Jupiter­metamorphose hinein zu verwandeln. Schematisch gezeichnet würde

#Bild s. 316

das etwa so sein, daß die abstrakte Verstandesmäßigkeit ausbilden würde unseren Planeten (siehe Zeichnung links) nach der einen Seite, ihn nicht zur Vollendung kommen lassen würde, und dasjenige, was

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aus dem nicht in Liebe umgesetzten Willen entsteht, das würde auf der anderen Seite (rechts) lauter individuelle Wesenheiten gestalten. Schematisch ist damit gezeichnet, wäs heute jemand, der hineinsieht in die Anfänge einer den richtigen Entwickelungsvorgang des Erden-planeten untergrabenden Zivilisation, sehen kann als dasjenige, was sich gestaltet, wenn diejenigen Impulse, die jetzt so stark ersprießen in der westlichen Welt, ihren ungehemmten Fortgang nehmen, und was sich so stark entwickelt in der östlichen Welt (siehe Zeichnung), was da liegt, als bloß aus der menschlichen Subjektivität hervor­gehend, in der in die Dekadenz gekommenen Staatskultur; das ist eigentlich dasjenige, was nach individuellen Dämonen hin die Erden­entwickelung gestalten will. Was sich im Westen entwickelt, das ist das, was in ein allgemeines Verstandesmäßiges hineinsegeln und die Menschen allmählich zu Automaten machen will.

Diese Dinge sind deutlich wahrzunehmen, wenn auch erst in den 9 Anlagen jener Automaten, die heute schon teilweise - ich sage voll-bewußt «teilweise», denn sie sind allerdings noch etwas sehr Indivi­duelles - vorhanden sind. Mit Bezug auf vieles kann man ja den Auto­matismus schon sehen. Aber etwas ist in diesen Automaten noch immer in einer sehr individuellen Weise vorhanden, nämlich etwas, was da noch zu bemerken ist wie so ein Anhängsel an jedem dieser einzelnen Automaten, ein Anhängsel, in dem es, wenn die Dinge nicht gerade in Banknoten umgewandelt sind, nach Gold und Silber klingt. Aber der allgemeine Automatismus würde schon dahin wirken, daß auch die individuellen Geldtaschen zu allgemeinen kommunistischen Geld­taschen würden.

Das ist aber dasjenige, was nicht allein betrachtet werden muß heute mit bloßen Sympathien und Antipathien, sondern mit jenem Blick, der das Weltgeschehen durchschaut, der das, was unter den Menschen geschieht, im Zusammenhange mit dem kosmischen Geschehen be­trachten kann. Wenn man die Dinge so anschaut, wird man sich sagen:

Es ist an die Menschen gegeben, den Planeten in seiner Entwickelung weise vorwärtszubringen. - Es droht diese besondere Art des Daseins, wie es hier schematisch angedeutet ist, der Menschheit, wenn die Mensch­heit nicht versucht, das Wissen zur Weisheit umzuwandeln, was nur

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dadurch geschehen kann, daß sich der Mensch für das Wissen per­sönlich einsetzt, daß er es persönlich in sich aufnimmt und daß er es wieder verbindet mit demjenigen, was auf dem Umwege der Liebe zur allgemeinen Menschheitsangelegenheit wird aus dem individuellen Begehrensvermögen heraus. Mit einem starken Einschlag von inner­lichem Verständnis kann man diese Dinge aufnehmen durch die Gei­steswissenschaft. Im Grunde genommen zeigt sich das heute ja so in dem, was, ich möchte sagen, als kosmisches Symbolum stehengeblieben ist im Mond.

Wenn wir den Mond in seinem ersten oder letzten Viertel haben, so haben wir in dem, was er uns in seiner Sichelform zeigt, ein Abbild desjenigen, was die Erde werden könnte; in der dunkleren Seite zeigt er ja demjenigen, der das Ubersinnliche schauen kann, diese dämo­nischen Gestältlein, die in der nach einwärts gebildeten Biegung der Sichel sich in abscheulicher Weise bewegen. So daß man eigentlich sehr richtig spricht, wenn man sagt: Der Mensch muß durch das, was ich eben angeführt habe, die Erde bewahren vor dem Mondendasein. -Der Mond zeigt das, was die Erde werden kann, in einem kosmischen Bilde, das vor uns hingestellt ist. Und so müssen wir uns schon ange­wöhnen, das, was wir draußen im Kosmos sehen, auch in dieser Weise zu durchdringen mit einem innerlichen Sinn. Wir müssen den Mond so ansehen, daß wir sagen: Er weist uns etwas auf, was hingestellt ist durch die kosmische Entwickelung wie die Karikatur des Erdendaseins, wie das, was das Erdendasein werden kann, wenn der Mensch nicht verstehen lernt, das unpersönliche Wissen zu seiner persönlichen An­gelegenheit zu machen, umzuglühen die individuellen Begehrungen in die Liebe, wodurch sie dasjenige werden, was im assoziativen so­zialen Leben eine allgemeine Angelegenheit der ganzen Menschheit werden kann. Man kann das, was im Kosmos geschieht, besser ver­stehen, wenn man hinschaut auf das, was im Menschen sich vollzieht, und man kann umgekehrt dasjenige, was Menschenaufgabe ist, in der richtigen Weise sehen, wenn man die Bedingungen des Kosmos sinn­gemäß durchschauen kann. Dann wenden sie sich schon an auch auf dasjenige, was als Moralität, als Ethizismus in der Menschheit leben soll.

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Die Dinge, die man spricht über Luzifer und Ahriman, sie sind wahrhaftig nicht so gemeint, daß man nur darüber theoretisieren soll, daß man nur so sprechen soll, daß eben Ahriman das ist und Luzifer das. Sondern man soll diese Begriffe nun auch so in sich aufnehmen, daß man im Grunde genommen in alledem, was um einen herum geschieht, die Wirksamkeiten der luziferischen Geister sieht, die das Erdenstadium in früheren Stadien zurückhalten möchten, und daß man in alledem, was Ahriman ist, dasjenige sieht, was das Erden-stadium zurückbehalten will, so daß es nicht weiterkommt in Zu­kunftsstadien hinein. Aber man muß in den Einzelheiten diese Dinge durchschauen. Man muß, ich möchte sagen, das Moralische natur-gesetzlich, das Naturgesetzliche moralisch werten können. Wenn das geschieht, dann wird die große Brücke geschlagen werden zwischen der moralischen Weltanschauung und der theoretischen Weltan­schauung, von welcher Brücke ich ja gerade an diesem Orte hier öfters gesprochen habe.

Unter diesem Gesichtspunkte müssen auch die Dinge betrachtet werden, die heute geschehen. Denn nur, wenn der freie Wille des Menschen eingreift in dieses Weltgeschehen, kann dasjenige ange­wendet werden, was heute Ihnen skizzenhaft hier angedeutet worden ist. Die weitere Erdenentwickelung ist eben durchaus Aufgabe des Menschen und der Menschheit. Das darf nicht übersehen werden. Und derjenige, der nur theoretisieren will, der zum Beispiel nur sehen will, nur hören will: Nach so und so vielen Jahrhunderten oder Jahr­tausenden geschieht das -, der berücksichtigt nicht, daß wir schon in einem Zeitalter leben, in dem es der Menschheit übergeben ist, mit­zuwirken an den Metamorphosen der Erdenentwickelung, daß aufge­nommen werden muß in das menschliche Gemüt das, was allgemeiner Weltverstand ist, und daß hinausfließen muß aus den Menschen in der Form der allgemeinen Menschenliebe, die aber nur in reinem, freiem Denken zu erreichen ist, dasjenige, was individuell im Men­schen als Begehrungsvermögen lebt.

Damit habe ich Ihnen zwei Kulturströmungen, die vor allen Dingen wichtig sind, vor das Seelenauge hingestellt und habe damit versucht zu zeigen, wiederum von einer gewissen Seite aus, welches die Aufgabe

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ernst gemeinter Geisteswissenschaft ist. In solchen Bahnen liegt diese Aufgabe. Sie liegt wirklich nicht darin, daß einige ein Wohl­gefühl haben an dem Wissen von diesem oder jenem, sondern sie liegt schon darin - die Aufgabe dieser ernst gemeinten Geisteswissenschaft -, daß so in die Menschheitsentwickelung eingegriffen werde, daß in der richtigen Weise aus dem Menschentum heraus das Weltgeschehen sich formt.

HINWEISE

#G203-1989-SE321 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

HINWEISE

#TX

Textunterlagen: Stenographische Niederschrift der von Rudolf Steiner frei gehaltenen Vor­träge: Für die in Stuttgart und Den Haag gehaltenen Vorträge: Frau Hedda Hummel, Köln; für die in Dornach gehaltenen Vorträge: die offizielle Dornacher Stenographin Helene Finckh (1883-1960). Herstellung des Klartextes durch die Stenographinnen. Für die Ausgabe von 1978 wurden nur einzelne Stellen erneut mit den Stenogrammen verglichen, soweit solche vorhanden sind (nur von den Dornacher Vorträgen).

Der Titel des Bandes wurde vom Herausgeber der 1. Buchauflage (1953) C. S. Picht gewählt.

Zu den Tafelzeichnungen: Die Original-Wandtafelzeichnungen und -anschriften Rudolf Steiners bei diesen Vorträgen sind erhalten geblieben, da die Tafeln damals mit schwarsem Papier bespannt wurden. Sie werden als Ergänzung zu den Vorträgen in einem separaten Band verkleinert wiedergegeben. Die in den früheren Auflagen in den Text eingefügten zeich­nerischen Übertragungen sind auch für diese Auflage beibehalten worden. Auf die entspre­chenden Originaltafeln wird jeweils an den betreffenden Textstellen durch Randvermerke aufmerksam gemacht.

Sonderausgaieen:

Stuttgart, 1. Januar 1921: «Die zwei Weihnachtsverkündigungen», Dornach 1952; 1977; 1986 Stuttgart, 6., 9. und 16. Januar 1921: «Erkenntnisse der Geistesforschung über die wieder­holten Erdenleben gemessen an den Vorgängen der Gegenwart - Geistig-seelische Hinter-gründe des West-Ost-Problems«, Basel 1952

Dornach, 21., 22. und 23. Januar 1921: «Impulse der Geisteswissenschaft für das praktische Leben.« Soziale Kraft - Pädagogik - Wirtschaft, Basel 1952

Dornach, 29., 30. Januar, ii. (Einleitung des Vortrages im Anhang), 13. März und 1. April

1921: «Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwickelung durch seinen geistigen

Zusammenhang mit dem Erdplaneten und der Sternenwelt. Eine Entscheidungsfrage der

Gegenwart», Basel 1953

Dornach, 27. März 1921, 1. Vortrag in: «Der Ostergedanke. Die Himmelfahrtsoffenbarung und das Pfingstgeheimnis», Dornach 1930; (1938); 1958; 1970; 1981

Dornach, 1. April 1921: »Die Aufgabe ernstgemeinter Geisteswissenschaft». Dornach 1948

Folgende Vorträge wurden in Zeitschriften verö ffentlicht.

1. Januar 1921 »Nachrichtenblatt» 1937, 14. Jg. Nr.52,1938, 15. Jg. Nrn. 1, 2

27. Februar 1921 »Nachrichtenblatt» 1940, 17. Jg. Nrn. 33-35.

11. März 1921 »Das Goetheanum» 1933, 12. Jg. Nrn. 28, 29

28. März 1921 »Nachrichtenblatt» 1933,10. Jg. Nrn. 18, 19 (ohne den Schluß)

1. April 1921 »Nachrichtenblatt» 1931, S. Jg. Nrn. 17,18 (ohne den Schluß)

Ein beträchtlicher Teil der Hinweise, insbesondere die Dokumentation der von Rudolf Steiner angeführten gegnerischen Artikel, geht auf den ersten Herausgeber dieser Vorträge, Carlo Septimus Picht (1887-1954) zurück.

Werke Rudolf Steiners innerhalb der Gesamtausgabe (GA) werden in den Hinweisen mit der Bibliographie-Nummer angegeben. Siehe auch die Übersicht am Schluß des Bandes.

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19 Euklid, etwa 300 Jahr vor Chr. Seine »Elemente» bieten die Grundlehren der gesamten Mathematik.

20 Varuna: Vedischer Gott. Die Hymnen an ihn gehören zu den erhabensten des Rigveda, des ältesten Teiles der Veda. Vgl. den entsprechenden Text im Vortrag Rudolf Steiners vom 26. Dezember 1920 in »Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physi­schen des Menschen», CA 202.

Somasaft (Sanskrit): Der mit Milch oder Gerste gemischte und vergorene Saft der So­mapflanze, einer Sacrostemma-Art, dessen berauschende und begeisternde Kraft als

Gott «Soma» verehrt wurde - dem griechischen Dionysos vergleichbar. - Siehe Adolf

Kaegi, «Der Rigveda, die älteste Literatur der Inder», Leipzig 1881, bes. S. 99 sowie 219. -Zur okkulten Bedeutung von »Soma» vgl. auch H.P. Blavatsky, «Die Geheimlehre»,

Bände I und II

Stein der Weisen: Siehe dazu Rudolf Steiner, «Grundelemente der Esoterik», CA 93a,

1976, S. 39-41: Darstellung des Kohlenstoffprozesses von der Ausatmung über die

Assimilation der Pflanzen zur Kohle und zum Diamant. «Kohle ist der Stein der

Weisen.«

21 Novalis: «Wer ein mathemattsches Buch nicht mit Andacht ergreift und es wie Gottes-Wort liest, der versteht es nicht.« (Mathematische Fragmente.)

22 Verkündigungsspruch: Luk. 2, 14.

Kant: Prolegomena, 1783, § 6ff. »Wie ist reine Mathematik möglich?« «Mathematik und Physik sind die beiden theoretischen Erkenntnisse der Vernunft, welche ihre Objekte a priori bestimmen sollen ...» (in der Vorrede zur 2. Auflage der «Kritik der reinen Vernunft«, 1787).

25 Darmstadter Weisheitsschulen: Graf Hermann Keyserling (1880-1946), Kultur- und Ge­schichtsphilosoph, gründete 1920 in Darmstadt eine »Schule der Weisheit«, die auch als Gegnerin der Anthroposophie auftrat.

26 Tatsache des Mysteriums von Golgatha: Vgl. Rudolf Steiner, »Das Christentum als mysti­sche Tatsache und die Mysterien des Altertums» (1902), CA 8.

28 der Weihnachtsbaum ist ja erst im 19. Jahrhundert heraufgekommen: Vgl. dazu Rudolf

Steiner, «Der Weihoachtsbaum - ein Symbolum.« Vortrag vom 21. Dezember 1909,

Einzelsusgabe Dornach 1977. Innerhalb der Gesamtausgabe im Band »Die tieferen Ge­heimnisse des Menschheitswerdeos im Lichte der Evangelien«, CA 117.

30 Missionsprediger Frohnmeyer: D. L.Joh. Frohnmeyer, 1850-1921. Die Stelle findet sich in: < Zügen, nach unten mit tierischen Merkmalen.« (In der 2. Auflage wurde diese Angabe weggelassen.) -Frohnmeyer hat diese völlig unzutreffende Angabe aus einem Artikel des Pfarrers Heinrich Nidekker-Roos («Christlicher Volksbote aus Basel< 1920, 88. Jahrgang Nr< 23, 9: Juni, S. 178 f.) ungeprüft übernommen, ohne Quellenangabe, als sei es seine eige­ne Feststellung, anstatt sich von dem nahen Basel aus die plastische Gruppe selbst anzu­sehen. - Siehe auch die Vorträge vom 16. Januar 1921, S. 66, sowie vom 6< Februar 1921, S. 178 dieses Bandes.

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36 Soleh eine Katastrophe: Gemeint ist der erste Weltkrieg und seine Folgen.

37 Ich hahe ja öfters... auftnerkaam gentacht: Vgl. «Der Fortgang der Seelen durch die wiederholten Erdenleben. Das sozialgeschichtliche Leben in seiner Wirklichkeit<, Bern, 14. Dezember 1920, in GA 202, «Die Brücke zwischen der Weltgeistigkeit und dem Physischen des Menschen«.

40 Rabindranath Tagore, 1861 - 1945, indischer Dichter, Philosoph und Freiheitskämpfer.

43 am Dienstag im öffentlichen Vortrag: «Geisteswissenschaftliche Ergebnisse und Lebens-praxis«, Öffentlicher Vortrag vom 4. Januar 1921 in Stuttgart. (Vorgesehen in CA 75.)

ein Zürcher Wissenschafter: Siehe «Neue Zürcher Zeitung» 1920, Nr.2158, 1. Morgen-blatt (29. Dez.): «Anthroposophische Geisteswissenschaft«, gez. M. Sz. [Dr. Mieczyslaw Sztern]. - Besprechung der beiden Vortriige Rudolf Steiners vom 6. und S. Dezember 1920, Zürich. - Die beiden oben erwähnten freien Zitate, welche dem Vortrag vom 6. Dezember: «Antlsroposophische Geisteswissenschaft, ihre Ergebnisse und ihre wissen­schaftliche Begründung» gelten, lauten wörtlich bei Sztern:

«... Steiner begann seine Charakteristik der Anthroposophischen Geisteswissen-schaft damit, daß er sie in engste Beziehung zu der sichersten der Wissenschaften, der Mathematik, brachte ... Diese auf den ersten Blick etwas frappierende Analogie wird in ihrer Fadenscheinigleeit sofort durchschaut, sobald man später erfährt, welche In­stanz es ist, auf die sich Steiner letzten Endes für die Gewißheit der anthroposophi­sehen Erkenntnisse stitzt und beruft: es ist das , das seinen ausgexeichneten Sicherheitswert verleiht ... Der < mathematische Punkt<, die

45 Unsere Wadotlichule: Begründet 1919 durch Rudolf Steiner und Emil Molt als Schule für die Kinder der Arbeiter und Angestellten der Waldorf Astoria-Zigarettenfabrik in Stuttgart. Zurzeit (1989) arbeiten im Sinne der Waldorfschulpädagogik weltweit über 200 Schulen.

Standpunkt de« Pfarrers und Frofts#SE203-324

Wahrheit Leben und Seligkeit hängen, so würde ich mich nicht mehr mit jenem Hin­nehmen auf fremde Autorität begnügen, sondern alles daran setzen, von jenen Dingen eine selbständige Gewißheit zu erlangen«<

53 Charles Darwin, 1809-1882, englischer Naturforscher, Begründer des Darwinismus, d< h< der Deszendenz- und Selektionstheorie (Abstammungslehre und Auslese unter den Lebewesen durch den Kampf ums Dasein)<

Adttm Smich, 1723-1790, englischer Philosoph und Soziologe< 57 Johann Gottlieh Fichte, 1762-1814<

Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling 1775 - 1854< Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770-1831.

was hätte einlaufen können: Gemeint sind Schellings Spätwerke «Philosophie der Mythologie« und «Philosophie der Offenbarung«<

58 Schiller, Briefe üher die ästhetische Erziehung des Menschen: Nach dem November 1791 an den Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg gerichtet, hei dem Brande der Christianshurg in Kopenhagen im Februar 1794 verlo­rengegangen, von Schiller tn erwetterter Umarbeitung wieder hergestellt und 1795 in den «Horen« veröffentlicht<

Ralph Waldo Trine, 1866-1958, amerikanischer philosophischer Schriftstellet. Ge­meint ist hier vornehmlich dessen weitverbreitete Schrift: «In Harmonie mit dem

Unendlichen« [In Tune with the Infinite < < -, New York 1897 (1908 bereits 140< Tsd<)]<

Autorisierte Übertragung aus dem Englischen von Max Christlieb, Stuttgart 1905

(1921 bereits 100< Tsd<)<

Bhagavad Gita (Sanskrit «Der Gesang des Erhabenen»): Religionsphilosophisches Ge­dicht, das eine Episode des indischen Epos «Mahabharata» bildet<

59 Christian Science: 1866 von Mrs< Mary Baker-Eddy in Nordamerika begründete Bewe­gung der «christlichen Wissenschaft« religiös-kirchlicher Form, die auch in Deutsch­land Eingang gefunden hat.

60 Friedrich Trauh: Siehe Hinwets zu 5< 45< Als Verfasser ähnlicher Gegensehriften dte weiteren Theologen: Repke, Geonrich, Bachmann, Frohnmeyer, Gogarten, Nieber­gall, Zimmermann S. J<, Laun 0< a< - Vgl< auch Louis Werbeck, «Die christlichen Geg­ner Rudolf Steiners und der Anthroposophie durch sie selbst widerlegt«< Eine Gegner­schaft als Kultur-Verfallserscheinung, Stuttgart 1924<

61 «Weisheitsschulen»: Siehe Hinweis zu S. 25< Auch Tagore hat eine «Schule der Weisheit« gegründet und war 1921 Gastredner in Darmstadt.

66 Betrachtungen: Sie umfassen nicht nur die vorangehenden Vorträge, sondern insgesamt siebenunddreißig Vorträge, Ansprachen 0.1., darunter «Das Verhältnis der verschiede­nen osturwissenschaftlichen Gebiete zur Astronomie«, GA 323, und einen Kurs für Akademiker mit vier Vorträgen, in der Zeit vom 1<- 18< Januar 1921, der ganzen Dauer des damaligen Aufenthaltes in Stuttgart (CA 73a in Vorbereitung)

71 Basilius Valentinus: Ein Alehimist angeblich des 15< Jahrhunderts, über den zuverlässi­ge äußere Nachrichten nicht bestehen< Nach Rudolf Steiner ein Benediktiner-Mönch

325

aus der Frühzeit des Mittelalters, der ungeheuer bedeutende medizinisch-alchimistische Untersuchungen machte und dessen Lehren von seinen Schülern aufgezeichnet wur­den< Siebe Vortrag vom 26< April 1924 in «Esoterische Betrachtungen karmischer Zu­sammenhänge, Band II», CA 236< Im Vortrag vom 14< Mai 1920 in Dornach, CA 201, werden die «schon ziemlich verfälsehten, aber immerhin noch heute annähernd lesba­ren Schriften des Basilius Valentinus» erwähnt<

73 »Ge

»Gesetz von der Erhaltung der Kraft»: Aufgestellt im Jahre 1842 von Jul

75 in der vergangenen Woche gehaltene Vorträge«<: Dies bezieht sich auf die für Akademi­ker in Stuttgart gehaltenen vier Vorträge vom 11<, 12., 14. und 15< Januar 1921<

76 im öffentlichen Vortrag: Stuttgart, 4. Januar 1921,

Frohnmeyer: Siehe Hinweis zu S. 30<

77 Herren . < die in Genf versammelt waren: Es handelt sich um die 1. Völkerbundsver­sammlung vom 15< November bis 18. Dezember 1920 in Genf unter dem Vorsitz des Belgiers Hymans.

83 Unsere Betrachtungen in der Zeit, bevor ich abgereist bin: Der Vortragende hatte sich vom 1. - 18. Januar 1921 zu vielseitiger Vortragstätigkeit in Stuttgart aufgehalten<

84 Alfred Russel Wallace, 1823-1913, englischer Zoologe.

85 Monden<, Sonnen<, Satumzeit: Rudolf Steiner,

89 Zwischen zwei entgegengesetzten Behauptungen liegt die Wahrheit mittendrinnen: Vgl< Aristoteles, Nikomachische Ethik, 11/8<

91 eine nette kleine Geschichte: Es handelt sich um die Feier des fünfundzwanzigjährigen Bestandes des Zahnärztlichen Instituts der Universität Zürich am 14< Januar 1921 in der Aula der Universität, wobei Dr< Alfred Gysi über »Die Zahnkaries, deren Vorbeu­gung und die Folgen ihrer Vernachlässigung» [Fokale Infektion der Granulome an toten Zähnen] vortrag (s. #SE203-326

Prof. Dr.), wobei er auf dessen anthroposophische Studien hinwies. Im Zusammen­hang mit dieser Rede dürfte dann die von Rudolf Steiner erwähnte Bemerkung gefallen sein. - Prof. Römer hielt seinerseits am 6. April 1921 bei einem Hochschulkurs am Goetheanum, Dornach, einen Vortrag »Über die Zahnkaries oder Zahnfäule mit Be­ztehung auf die Ergebnisse der Geistesforschung Rudolf Steiners» (Stuttgart 1921). -Das Zitat »Ins Innre der Natur dringt kein erschaffner Geist» entstammt einem Ge-dicht des schweizerischen Arztes, Botanikers und Dichters Albrecht von Haller(1708-1777) und wird von Goethe in einem Protestgedicht: »Allerdings. Dem Physiker» (1820) abgelehnt.

92 Ein sehr gelehrt arheitender Volkswirtschafter: Fritz Terhalle, »Freie oder gebundene Preisbildung? Ein Beitrag zu unserer Preispolitik seit Beginn des Weltkrieges», Jena 1920, S. 121. Dort zitiert Terhalle aus Ludwig Pohle, »Die gegenwärtige Krisis in der Deutschen Volkswirtschaftslehre. Betrachtungen über das Verhältnis zwischen Politik und nationalökonomischer Wissenschaft», Leipzig 1911, S. 114 folgende Stelle: »Sie [die Zwangsmaßnahmen] sollen dazu dienen, die öffentliche Meinung, die über die Aufdeckung gewisser als

94 Pantheismus ist ein biliehter Vorwurf: Siehe Otto Zimmermann S.J., Anthroposophi­sehe Irrlehren in »Stimmen der Zeit», 95. Bd., 4. Heft, S. 335ff.: »Die Anthroposophie, soweit sie sich in Drucksehriften ans Licht begeben hat, ist pantheistisch. Unklar ist höchstens, welche Art von Pantheismus sie bevorzuge» usw.

95 was jüngst hier in einer Schweizer Zeitung: Es dürfte sich um das Referat eines Vortrages des Pfarrers Friedrich Gogarten handeln mit dem Thema »Die übersinnliche Welt der Anthroposophie», den er auch in Nürnberg am 9. Februar 1921 gehalten hat, und der den Satz enthielt: »Der Geist läßt sich niemals wahrnehmen» (siehe »Christentum und Gegenwart«, Nürnberg 1921, Nr.4, April, S. 58).

«Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lehensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft» (1919), GA 23.

97 «Kommender Tag» und »Fururum»: »Der Kommende Tag. Aktiengesellschaft zur Förde­rung wirtschaftlicher und geistiger Werte», gegründet 13. März 1920 in Stuttgart; siehe Giundungsprospekt der A.-G. Der Kommende Tag vom März 1920; s. a. Emil Leinhas, Die Idee des »Kommenden Tages», Stuttgart 1921. - »Futurum A.-G., Okonomische Gesellschaft zur internationalen Förderung wirtschaftlicher und geistiger Werte», ge­gründet 16. Juni1920 in Dornach/Solothurn; s. Gründungsprospekt vom Oktober 1920; s. a. Dr. Emil Oesch, Von der Futurum A.-G. in »Das Goetheanurs», Wochen-schrift, Dornach 1921, Nr.11, 13, 20. - Bezüglich der vom Vortragenden erwähnten Angriffe waren vornehmlich für die deutsche wie für die ausländische Presse maßge­bend die kritischen Handelsblatt-Berichte der «Frankfurter Zeitung» 1921(1. Jan. und

327

22. Febr.). Das »Futurum» behandelten eingehender die »Basler Nachrichten» 1920(26. Nov.), die »National-Zeitung», Basel 1920 (3. Dez.) u. a. - Abwehrartikel gegenüber den darin erhobenen prinzipiellen Einwänden finden sich in der Wochensehrift »Drei-gliederung des sozialen Organismus», Stuttgart 1920/21. - Die genannten Unterneh­men waren als Keime für die Neugestaltung des wirtschaftlichen Lebens gedacht und veranlagt. Ein Erfolg konnte ihnen nur beschieden sein, wenn ein größeres Wirt­schaftagebiet ihre Ideen aufgriff und verwirklichte. Da dies nicht geschah, wurden sie schon 1924 (Futurum) bzw. 1925 (Kommender Tag) aufgelöst.

99 1914 in Wien: Rudolf Steiner, »Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt», GA 153.

103 Dieser aus allen Ecken heraus pfnfe«de Angriff Daß die Waldorfschule eine Weltan­schauungsschule sei, wurde bald nach ihrer Gründung teils irrtümlich, teils propagan­distisch von Gegnerseite ausgestreut.

105 Ich habe Ihnen Beispiele ... angeftlhn: Siehe die Vorträge vom 24. und 29. Oktober 1920, Dornach, gedruckt in Rudolf Steiner, »Die neue Geistigkeit und das Christus-Erlebnis des zwanzigsten Jahrhunderts», GA 200.

106 Und wenn man heute noch die Dinge, die dazumal über die Wirkungen der Goldwährung auf den Freihandel gesagt worden sind: Der Vortragende erinnerte sich vermutlich der diesbezüglichen Parlaments-Diskussionen, die er selbst in Österreich miterlebt hatte und die naturgemäß auch die parallelen Vorgänge in anderen Ländern behandelten. Osterreich kam erst 1892 zu einer Goldwährung, England besaß sie seit 1816. Deutsch­land führte sie 1871 bzw. 1873 ein, Schweden und Dänemark folgten 1872-1875. Der Umschwung von den Freihandelsbestrebungen der sechziger und siebziger Jahre in Deutschland zu einer Schutzzollpolitik fällt in das Jahr 1879. In Österreich traten 1882 und 1887 Verschärfungen des Schutzzollsystems ein.

108 eine kleine Mitteilung über einen Vortrag: Siehe »National-Zeitung», Basel 1921, Nr.38 (24. Jan.): »Theosophie und Anthroposophie» [Besprechung des gleichnamigen Vortra­ges von Lic. L. Frobnmeyer vom 14. Januar 1921, gez. Ch.].

110 päpstliche Enzykliken: Gemeint ist die En»tyklika Pius' IX. vom 8. September 1907 (Bulle »Pascendi Domini gregis»). - Vgl . Vortrag vom 6. Juni 1920, Dornach, in »Heil faktoren für den sozialen Organismus», GA 198.

111 das habe ich neulich in Stuttgart ausgesprochen: Siehe Vortrag vom 16. Januar 1921 in diesem Bande.

114f. Dieses Dokument: Dieses lithographierte Erinnerungiblatt an den schweizerischen Son­derbundskrieg war aller Wahrscheinlichkeit nach gelegentlich der Gedenkfeier vom 4. Dezember 1847 zur Ausgabe gelangt, bei welcher General Dufour als Sieger gefeiert wurde und den Dank der Bewohner von Bern entgegennahm (Ansprache, Serenade, Fackelzug); s. »Berner Zeitung» 1847, Nr.291(5. Dez.). - (Lt. dankenswerter Mittei­lung von Oberbibliothekar Dt. H. Strahm, Stadt- und Hochschulbibliothek, Bern). -Das mit Eichenlaub und zwei Fahnengrappen dekorierte Gedenkblatt zeigt oben das Auge Gottes mit der Umsehriftung: Des wahren Schweizers Hort und Zuversicht! -Rechts und links davon zwei Lorbeerkranzvignetten, die eine mit der Inschrift: Ehre und Dank den XII liberalen Ständen, die andere mit einer Krone über dem Monogramm WHID [Wilhelm Heinrich Dufour] und der Überschrift: Dem Verdienst seine Krone. -In der Mitte des oberen Teiles das Schweizer Wappen zwischen zwei Eichenzweigen. -Die vom Vortragenden ausgelassene Stelle (s. ...) nennt die Gefechtsörtlichkeiten.

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117 Ich haiss esja vor Jahren einmal ausgeführt: Siehe Vortrag vom 4. Februar 1913, Berlin, abgedruckt in »Beiträgt zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe», Nr.83/84, Ostern 1984.

119 war ich acht Jahre hindurch Erzieher: Rudolf Steiner war auf Empfehlung von Prof. Karl Julius Schröer, seinem Lehrer für Literaturgeschichte an der Technischen Hoch-schule, Wien, von 1884-1890 im Hause des Baumwollimporteurs Ladislaus Specht, Wien< als Erzieher von dessen vier Söhnen tätig.

Goethe, »Das Märchen von der schönen Lilie und der grünen Schlange» (1795) in »Unter­haltungen deutscher Ausgewanderten».

«Die Pforte der Einweihung» (Initiation). Ein Rosenkreuzermysterium, in GA 14.

120 große Krise vom Jahre 1873: Die Weltwirtschaftskrise von 1873, ausgehend von der Wiener Börse und in der Zeitfolge sich auf alle großen Welthandels- und Industriezwei­ge erstreckend, war hervorgerufen durch die Umstellungen in der Technik (Mechani­sierung der Betriebe), die zu gesteigertem Welthandel, Fixierung des Kapitals und Überproduktion führten.

Euge

121 Bontoux-Krach: Die zu Beginn des Jahres 1882 in Frankreich ausgebrochene Börsen-krise, die mit einer Anzahl Bontouxscher Gründungen, besonders der Union ge< ne< rale, der Banque dc Lyon et dc la Loire und mit Börsenspekulationen zusammenhing. -Siehe Fr. Perrot, Der Fall Bontoux und der jüngste internationale Börsenkrach, Hei­delberg 1882; s. a. Enge< ne Bontoux, L'Union gé ne< rale, 55 vit, sa mort, son programme, Paris 1888.

123 Leo Trotzki, 1879-1940, Bolschewist. Mit Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) Führer der bolschewistischen Revolution. Letzterer erster Machthaber der Sowjetunion.

124 «ÜherSteiners Goetheanum inDornach ...»: Die nachfolgenden sechs Zitate wurden vom Vortragenden vorgelesen aus dem Buch «Ein Blick in die Zukunft? Den Freunden der wissenschaftlichen Astrologie» von Elsbeth Ebertin. Freiburg (Baden) 1921 S. 62-63. Das erste, dritte und sechste Zitat sind einem Aufsatz, betitelt »Der Tempel in Dorn-ach« in der Zeitschrift «Der Leuchtturm« Lorch (Württemberg) Oktober 1920 ent­nommen. Das zweite, vierte und fünfte Zitat ist im Originaltext von Elsbeth Ebertin.

die Bestrebungen dieses Völkehens: Vermutlich das Auftauchen des Horoskops Rudolf Steiners, das zuerst von Alan Leo in dessen »The Art of Synthesis» (1908 schon in 2. Auflage erschienen) veröffentlicht wurde und mehrfach abgedruckt worden ist.

125 mit besonders tonangehenden Generälen: Anspielung des Vortragenden auf die groteske Ausschlachtung seiner persönlichen Freundschaft mit dem Generalstabschef Helmuth von Moltke zu der widersinnigen Behauptung von Gegnern, er sei mitschuldig am Verlust der Marneschlacht 1914.

Kommerzienräte: Anspielung auf Emil Molt, den Begründer der ersten Waldorfschule in Stuttgart.

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126 dell< ich ein besonders gefährlicher Freinsaurer sei: Ein dokumentarischer Nachweis dieses Gerüchts ist nicht bekannt. Vgl. im übrigen »Mein Lebensgang», CA 28, Kapitel XXXVI. Die Behauptung, Rudolf Steiner sei »Jesuit» (spater: »Jesustenzogling»), trat schon 1901 auf. Es heißt darüber im Vortrs

127 Es ist wirklich nötig einige Sorge daraufzu verwenden: Damals wurde von den Mitarbei­tern am Goetbeanum zur Vorsorge eine eigene Feuerwehr organisiert. Auch wurde ein ständiger Wachdienst eingerichtet. Dennoch fiel das Goetheanum, ein künstlerischer Holzbau, in der Neujahrsnacht 1922/23 durch Branditiftung den Flammen zum Opfer. Nach dem von Rudolf Steiner (t 1925) noch plastizierten Modell ist inzwischen ein neuer Bau in Beton und diesem Material entsprechenden Formen als zweites Goethe­anum an derselben Stelle errichtet worden.

132 luxifersehe und ahrimanisehe Wesenheiten: Über die Hierarchien (Angeloi, Archangeloi, Archai, Exusiai, Dynamis, Kyriotetes, Throne, Cherubime, Seraphime), s. Rudolf Stei­ner »Geistige Hierarchien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt. Tierkreis, Planeten, Kosmos», CA 110. - Über die in der Menschheitsentwickelung wirkenden Mächte Luzifer und Ahriman siehe Rudolf Steiner, »Die Geheimwissenschaft im Um­riß» (1910), CA 13; ferner Rudolf Steiner, »Luziferisches und Ahrimanisches in ihrem Verhältnis zum Menschen» in »Philosophie und Anthroposophie», CA 35, sowie viele andere Ausführungen Rudolf Steiners über diesen Gegenstand.

137 wie die morgenländisehe Kultur in die Dekadenz gekommen ist: Siehe den Vortrag vom

6. Januar 1921 in diesem Bande.

139 der alte Mond: Siehe den Vortrag vom 21. Januar 1921 sowie den Hinweis zu S. 85.

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139 Nir'wana (»das Erlöschen»): Ist die indische Bezeichnung für das höchste Ziel des menschlichen Strebens und die höchste Stätte, die nur von Auserwählten durch Erlan­gung der höchsten Erkenntnis und durch Loslösung von allem irdischen Begehren er­reicht werden kann.

140 was ich ja das letzte Mal: Siehe Vortrag vom 23. Januar 1921.

149 jenes Krieges der zwischen China und Japan stattgefunden hat: Der im Jahre 1894 zwischen China und Japan ausgebrochene Krieg endete 1895 durch den Frieden von Schimonseki. Nach Landabtretungen verpflichtete sich China zur Zahlung einer Kriegsentschädigung von 200 Millionen Taels (600 Millionen Mark) an Japan in sieben jährlichen Raten.

151 Die eGoldene Regel der modernen ...»: In Anlehnung an die goldene Regel der Mecha­nik, welche die Tatsache zum Ausdruck bringt, daß durch keinen Mechanismus Arbeit erspart werden kann. Wenn z. B. durch einen Flaschenzug die benötigte Kraft verklei­nert werden kann, so muß diese dafür über einen um so größeren Weg wirken.

152 daß das Gehirn Gedanken ausschwitze: Siehe Carl Vogt, »Physiologische Briefe für Ge­bildete aller Stände», Stuttgart und Tübingen 1845, S. 206: »Ein jeder Naturforscher wird wohl, denke ich, bei einigermaßen folgerichtigem Denken auf die Ansicht kom­men: daß alle jene Fähigkeiten, die wir unter dem Namen der Seelentätigkeiten begrei­fen, nur Funktionen der Gehirnsubstanz sind; oder, um mich einigermaßen grob hier auszudrücken: daß die Gedanken in demselben Verhältnis etwa zu dem Gehirn stehen, wie die Galle zu der Leber oder der Urin zu den Nieren. Eine Seele anzunehmen, die sich des Gehirnes wie eines Instrumentes bedient, mit dem sie arbeiten kann, wie es ihr gefällt, ist reiner Unsinn.» - In der 2., verm. u. verb. Aufl., Gießen 1854, S. 323, ist diese Stelle wiederholt unter Hinzufügung eines Zitates aus Jacob Moleschott, »Der Kreislauf des Lebens», Mainz 1852, S. 402: »Der Vergleich [s. o.] ist unangreifbar, wenn man versteht, wohin Vogt den Vergleichungspunkt verlegt. Das Hirn ist zur Erzeu­gung der Gedanken ebenso unerläßlich wie die Leber zur Bereitung der Galle und die Niere zur Abscheidung des Harns.»

155 vom alten Saturn: Die erste Verkörperung unseres Planetensystems, vgl. Hinweis zu S. 85.

von irgendwelchen alten Nebelzuständen: Anspielung auf die Kant-Laplacesche Theorie.

157 AdolfHarnack: Das Wesen des Christentums», Leipzig 1900.

160 Oswald Spengler: «Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte», 1. Bd. »Gestalt und Wirklichkeit», Wien und Leipzig 1918. - Der 2. Bd. »Welthistorische Perspektiven» erschien erst 1922, München.

162 «Hochland»: Herausgegeben von Karl Muth, Jos. Köselsche Buchhandlung, München und Kempten. Zweites Heft 1920/21, 18. Jahrgang.

Rahindranath Tagore: Siehe Hinweis zu S. 40.

164 Nikolaus Kopernikus, 1473-1543, Astronom, Begründer des heliozentrischen Welt-bildes.

167 Achilles: Griechischer Held in Homers Ilias.

«Singe mir, 0 Muse ...»: Eingangsvers von Homers Ilias.

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168 Äschylos, 525-456 v. Chr., Klassiker der griechischen Tragödie.

171 Ernst Hai'ckel: «Die Welträtsel. Studien über monistische Philosophie», 1899.

172 Eugen Kühne"'ann, 1868-1946. Philosoph, Autor von «Deutschland und Amerika«.

1917.

173 Koteruss (frz.): abgeschlossene Gruppe, Parteiklüngel, Clique.

Hans Ehrenberg: «Die Heimkehr des Ketzers. Eine Wegweisung». Sammlung «Bücher vom Kreuzweg», Patmosverlag. «... daß es ja neben der Petruseinsetzung eine Johan­neseinsetzung gibt, . . .» Der betreffende Passus in dem Aufsatz «Wege und Irrwege nach Rom« von Fritz Fuchs heißt: «Ehrenberg verewigt die Häresie. 174 »Wenn jens»nd zu euch kommt ...»: Zweiter Brief des Johannes, Vers 10.

«Kindlein, liebet einander»: Joh. 13, 34.

176 Franz Xasses, 1506-1552, Mitbegründer des Jesuitenordens, Missionar in Indien und Japan. 1622 heilig gesprochen.

178 im öffentlichen Vortrag in Besel: Vortrag vom 1. Februar 1921 in Basel (vorgesehen in GA 75). Abgedruckt in «Gegenwart« 1945/46,7. Jg., Nr.8: «Das Innere der Natur und das Wesen der Menschenseele».

179 Arstareh ve'n Samos, um 320-250 v. Chr., griechischer Astronom.

Galileo Galilei, 1564-1642, italienischer Naturforscher. In dem Prozeß vor dem Inquisitionstribunal in Rom 1632 mußte Galilei die Lehre des Kopernikus vom helio­zentrischen Weltsystem abschwören.

Nikolaus Kqsernikus: Siehe Anmerkung zu S. 164.

186 ,,selehe hindeutet aufdm Jesus als einen Imperator: Siehe dazu auch Vortrag vom 5.0k-tober 1911, in »Von Jesus zu Christus», GA 131.

189 Maurice Pal"ologue, 1859-1944. französischer Botschafter in Petersburg 1914-1917.

bei derAn'ssenheit des Irdsidenten der französischen Rqsublik, Pioncaré: Vom 20. bis 23. Juli 1914 weilten Poincaré, Präsident der Republik, und Viviani, Ministerpräsident von Franltreich, in St. Petersburg.

Derfranzösische Botschafter teilt seörtlich mit: Siehe Maurice Paléologue: Am Zarenhof während des Weltkrieges. Tagebücher und Betrachtungen. Übersetzt von L. Rotten­berg. 2 Bände. 1. Band S. 13ff.

193 Evangelisches Missionsmaganzin (&sel, Feh'uZu Frohnmeyers Buch «Die theosophische Bewegung» siehe Hinweis zu S. 30 des Vor­trages vom 16. Januar 1921. Die Broschüre »Die Hetze gegen das Goetheanum» ist im Verlag des Goetheanum, Dornach 1920, erschienen; sie enthält den öffentlichen Vor­trag Rudolf Steiners vom S. Juni 1920: «Die Wahrheit über die Anthroposophie

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und deren Verteidigung wider die Unwahrheit« (S. 1-53), sowie eine «Aktenmäßige Darstellung der Hetze gegen das Goetheanum« durch Dr. Roman Bons (S. 54-104)

Dr. Steiner gerate aufdiese Weise in eine Unwahrheit wider besseres Wissen: Die Stelle aus Heinzelmanns Besprechung lautet wörtlich.- «Dr. Steiner gerät bisweilen in eine ge­fährliche Sophisterei (vgl. S. 20 die ganz neuartige Definition von

Da steht aber: «Dr. Boos hat»: Zitat aus dem Vortrag Rudo]f Steiners vom S. Juni 1920. Die «wissentliche Unwahrheit» in bezug auf die Akasha-Chronik bezieht sich auf Max Kully (1878-1936), der Pfarrer in Arlesheim bei Basel, nahe dem Goetheanum, war und in dem «Katholischen Sonntagsblatt«, Basel, unter dem Pseudonym «Spektator« niedrigste Hetzartikel gegen die Anthroposophie verfaßte, die selbst von offizieller katholischer Seite abgelehnt wurden. Siehe seine Serie: «Zur Aufklärung über alte und moderne

Upanishaden: Altindische, religiös-philosophische Texte. Bhagavad Gita: Siehe Hinweis zu S. H.

194 »Gewiß finden sich auch irrtümliche Angaben»: Heinzelmann in der Besprechung des Frohnmeyerschen Buches.

daßja der Pfarrer Frohnmeyer diese Behauptung von einem anderen Pfarrer übernommen hätte: Siehe Hinweis zu S. 30.

197 Feuilleton über Carlyle und Nietzsche in der «Neuen Zürcher Zeitung«: Nietzsche über Carlyle. Zum S. Februar, dem 40. Todestage Carlyles, von Lic. Dr. Hans Hartmann Solingen-Foche. »Neue Zürcher Zeitung« Sonntag, den 6. Februar 1921. Die betreffen­de Stelle lautet: «Nietzsche aber hat nur ganz wenige Große, die er Zeit seines Lebens nicht anzutasten wagte, und unter diesen steht mit obenan Goethe, weit über Beetho­ven. Man sollte also denken, durch das Medium Goethe müßten auch Carlyle und Nietzsche als absolut verwandt (das heißt ja noch nicht: identisch) erscheinen. Jedoch:

Goethe wird eben nicht nur von Steiner, den Mazdaznanleuten, dem liberalen Chri­stentum und einigen andern

200 Zum Vortrag vom 8. Februar 1921: Der Vortrag stellte an den Mitsehreibenden ganz besondere Anforderungen. Zweifellos wurden große Teile sehr schnell gesprochen, und die Rede wechselte besonders im zweiten Teil rasch zwischen Vorgelesenem und Kommentar hin und her; es muß hier mit Lücken und ungenauer Wiedergabe gerech­net werden.

202 «Die Tat«.. Monatsschrift für die Zukunft deutscher Kultur. Verlegt bei Eugen Diede­richs in Jena. Februar 1921, Anthroposophisches Sonderheft.

203/206 «Solange die Anthroposophie esoterisch in Zirkeln gepflegt wurde», und «Ich will hier nicht dabei verweilen«: Zitate aus Ernst Michel, «Anthroposophie und Christentum«. in «Die Tat«, Februar 1921. S. 863 bzw. 860.

207 Max Dessuir, 1867-1947, Philosoph.

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209 Frohnmeyer: Siehe Hinweis zu S. 30.

Friedrich Gogarten« 1887-1931, evangelischer Theologe. «Rudolf Steiners

Wilhelm Bruhn Lic.: »Theosophierende Anthroposophie«, «Aus Natur und Geistes­welt«, Bd. 775. Leipzig und Berlin 1921.

Kurt Leese, Lic. Pfr.: »Moderne Theosophie, ein Beitrag zum Verständnis der geistigen Strömungen der Gegenwart«, Berlin 1921.

210 ehrenwerte Männer sind sie ja alle: Anspielung auf die Rede des Mareus Antnnius beim Begräbnis Julius Cäsars in Shakespeares «Julius Cäsar», 3. Akt, 2. Szene.

212 meinem Buche »Von Seelenrätseln« (1917), 1976, GA 21. Im 2. Kapitel dieses Buches «Max Dessoir über Anthroposophie« bespricht Rudolf Steiner das Buch von Max Des­soir, «Vom Jenseits der Seele, die Geheimwissenschaften in kritischer Betrachtung«, 1917. Die erwähnte Episode findet sich auf S. 32ff. des Dessoirschen Buches und wird von Rudolf Steiner auf S. 66 in «Von Seelenrätseln» zitiert.

Es sind ehen Vorbedingungen da: Aus dem vor dieser Stelle lückenhaften Stenogramot läßt sich ersehen, daß Rudolf Steiner eine Begebenheit schildert aus einem Kolleg von Dessoir zu der Zeit, als dieser seine psychophysischen Untersuchungen machte, in dem er in eine völlige Gedankenverwirrting geriet, ohne es selber zu bemerken.

Max Scheler, 1874-1928, Philosoph.

217 Wa» wir reden ist Gottes Weisheit...: i Korintherbrief 2, 7-12.

218 da< ist natürlich Goethe-Zitatl: Eine Zeile aus dem Gedicht «Urworte. Orphisch».

221 In dem behannten «Berliner Tagehlatt» ,,«ird ein Artikel fährizit: Es handelt sich um einen Bericht von Christian Bouchholtz, betitelt: »Das abergläubische Berlin. Okkulte Volksschulen und spiritistische Laboratorien« in Nr.39 vom Dienstag, den 25. Januar 1921 des «Berliner Tageblatts». Schon am 26. Januar erschien ein Auszug davon im englischen »Daily Telegraph». Dr. Roman Boos schrieb dann eine Entgegnung «Rudolf Steiner und das Goetheanum«, die er in der Schweizer Presse unterzubringen versuchte (Siehe z. B. «Der Rheinthaler« Altstätten, den 28. Februar 1921.)

222 seine Quellen zu untersuchen: Im folgenden handelt es sich um die beiden ersten Auf­sätze in der Februarnummer der «Tat«: J. W. Hauer, «Die Anthroposophie als Weg zum Geist» und Walter Johannes Stein, «Anthroposophie als Monismus und als Theo­sophie«. Rudolf Steiner führte dazu folgendes aus:

Eine kleine Niedlichkeit über dasjenige, was die bloße Verteidigung anlangt, möchte ich Ihnen auch aus diesem »Tat«-Heft noch mitteilen. Unser lieber Freund, Herr Dr. Stein, hat sich in einem sehr sinnig und fleißig geschriebenen Aufsatze diese Widerle­gung des unsinnigen Hauer-Artikels angelegen sein lassen. Aber was erreicht man mit solchen Widerlegungen? Da erreicht man zum Beispiel das Folgende. Sehen Sie, dieser Hauer hat bei früheren Vorträgen das Kunststück zuwege gebracht, daß er gesagt hat, es fänden sich haarsträubende Widersprüche zwischen der ersten Auflage der «Philoso­phie der Freiheit» und der zweiten Auflage. Das sagt er in Anknüpfung an die Disserta­tionsschrift von unserem Freunde Dr. Stein, und er wirft ihm vor, daß er das nicht berücksichtigt habe, daß ein solcher Widerspruch bestehe zwischen der zweiten und

334

und der ersten Auflage der «Philosophie der Freiheit». Nun konnte Dr. Stein selbstver­ständlich erwidern, daß er überhaupt nicht nach der zweiten Auflage zitiert habe, son­dern nach der ersten Auflage, weil die zweite Auflage, als er die Dissertation geschrie­ben hat, noch gar nicht erschienen war. Also Sie sehen, wie es dem Herrn um die Wahrheit zu tun ist. Man wirft Dr. Stein vor, daß er eine Schrift schreibt auf Grundla­ge der geänderten «Philosophie der Freiheit«. Ja, aber die «Philosophie der Freiheit» war dazumal überhaupt noch nicht in neuer Auflage erschienen. Dr. Stein hat nach der jedenfalls ungeänderten ersten Auflage alles zitiert, und alles, was Dr. Stein sagt, be­richt sich auf die erste Auflage, und das bringt Dr. Stein selbstverständlich in seinem itufsatze vor. Dieser J.W. Hauer, der übrigens auch ein Lehrer der Jugend sein soll, wie ich höre, findet erstens folgendes. Er sagt: «Ob aber meine Auffassung zu Recht be­steht, kann jeder nachprüfen, der sich die Mühe nehmen will, den Aufsatz Dr. Steiners über Büchner ganz zu lesen. Warum sagt Dr. Stein (S. 831 seines Aufsatzes), ich Sie sehen, unter Umständen sind diese Herren sogar empfindlich! - «Und ist es denn eine böswillige Verleumdung, wenn ich eine solche Behauptung aufstelle, da doch Dr. Stein bei seinen Zitaten nur die Seitenzahlen der zweiten Auflage ohne Anmerkung an­gibt? Es ist doch sonst nicht wissenschaftliche Gepflogenheit, den Text einer ersten Auflage abzudrucken, und dann die Seitenzahlen der zweiten Auflage einzusetzen, ohne dies anzumerken.«

Nun sehen Sie, was geschehen ist in Wirklichkeit. In Wirklichkeit hat dieser Mann die folgende Nichtsnutzigkeit gemacht: Dr. Stein hat sein Buch nur auf Grund der ersten Auflage der «Philosophie der Freiheit« gemacht. J. W. Hauer wirft dem Dr. Stein vor, daß er nicht eingeht auf dasjenige, was noch nicht Anthroposophie wäre in der ersten Auflage der «Philosophie der Freiheit«, sondern daß sich Dr. Stein unrechtmaßigerwei­se nur nach der zweiten Auflage richte, wodurch er sich allerdings eines kleinen Verse­hens schuldig gemacht hat: Er hat nur von der ersten Auflage zitiert, erst als Steins Buch fertig war und gedruckt werden sollte, ist die zweite Auflage der «Philosophie der Freiheit« erschienen, und da hat er die Seitenzahlen der zweiten Auflage eingesetzt, aber nichts an den Zitaten geändert. Dem Hauer ist da die Nichtsnutzigkeit passiert, daß er dem Dr. Stein, der die Seitenzahl nach der zweiten Auflage einsetzte, die ich nur umfrisiert haben soll, vorwarf, er habe die zweite Auflage der »Philosophie der Frei­heit« seinem Buche zugrunde gelegt. Stein hat aber nach der ersten Auflage zitiert, hat nur vergessen, nach der Erscheinung der zweiten Auflage die Anmerkung zu machen, daß die Zitate aus der ersten Auflage und nur die Seitenzahlen aus der zweiten Auflage genommen sind. Der Hauer schließt aber aus diesem Versehen Steins, daß er dieser böse Mensch wäre, der diese ganze Tatsache, daß ich bei der Neuauflage der «Philoso­phie der Freiheit« meine ganze Weltanschauung geändert habe, verschweige und den Lesern aufmutzen würde, dasjenige wäre das Richtige, was in der zweiten Auflage stehe, nicht was in der ersten Auflage stehe. Also auf was es ankommt, auf das geht solch ein Schmutzfink gar nicht ein, sondern er windet sich wiederum heraus durch eine solche Ausrede. Das erreicht man durch eine solche Verteidigung. Solche Leute können sich immer herausreden, weil natürlich solche Dinge immer passieren können. Man könnte seine ganze Zeit mit solchen Dingen verpatzen. Und was würde es zum Beispiel helfen, wenn ich widerlegen würde dasjenige, was am Schlusse des Aufsatzes von diesem J. W. Hauer steht. .» Dr. Steiner selbst wurde (Denkschrift über die Ab-trennung der anthroposophischen Gesellschaft von der theosophischen Gesellschaft, herausgegeben von Dr. Hübbe-Schleiden, Leipzig 1913, S. 64) am 23. Oktober 1902

335

durch Frau Besant in die esoterische Schule der theosophischen Gesellschaft aufge­nommen.«

Daß diese esoterische Schule nichts wert ist und nichts bieten konnte, das konnte doch nur irgend jemand sagen, der sie kennengelernt hatte! Um alle diese Dinge auseinander­zusetzen, müßte man sich eben in lauter Debatten einlassen, was zu einer Bandwurm-diskussion führen würde.

222 in d«

227 333 nach ds,,n Mysterium ven Golgatha ist die Mitte des vierten nachatlantischen Zeit-raume«<: Nach Angaben Rudolf Steiners dauerte die vierte, die griechisch-lateinische Kultur von 747v. Chr. bis 1413 n. Chr. Somit ist das Jahr 333 n. Chr. die genaue Mitte dieses Zeitraumes.

234 Cimahue, 1240-1302, italienischer Maler.

Giotto di Bendone« um 1266-1337, italienischer Maler.

235 AdoifHa'nach 1851 - 1930, evangelischer Theologe. Siehe: »Das Wesen des Christen. tums«, 16 Vorlesungen. Berlin 1899/1900; S. Vorlesung.

244 Dr. Roman Beos, 1889-1952, Sozialwissenschafter, Schriftsteller und Redner.

246 Vortrag in Hengelo: Eine Broschüre: «Gebr. Stork & Co Maschinenfabrik Hengelo­Holland« befindet sich in Rudolf Steiners Bibliothek.

247 ein Buch< ,,,elehes philosophische Fragen behandelt: Jürgen Bona Meyer, 1829-1897, Prof. der Philosophie in Bonn, «Philosophische Zeitfragen«. Zweite, vermehrte und verbes­serte Auflage, Bonn 1874, XVIII, 466 S. - Arnold Dodel, 1843-1908, Professor der Bo­tanik an der Universität Zürich und Schriftsteller. - Das vom Vortragenden erwähnte Buchexemplar ist in dessen nachgelassener Bibliothek vorhanden. Dodel hat es bis S. 114 durchgearbeitet und mit zahlreichen Unterstreichungen und - meist sarkasti­schen - Randbemerkungen versehen. Da im Vortrag auf ihre Symptomatik hingewie­sen ist, seien einige davon hier festgehalten: «hübsche Phrase?» - »Die Philoso

336

248 Jan Stuten, 1890-1948, holländischer Musiker, Plastiker, Bühnenbildner und Schau­spieler, neben zahlreichen anderen Kompositionen Schöpfer einer Musik zu Goethes «Faust« für die Aufführungen des ganzen «Faust« am Goetheanum, Dornach/Schweiz.

Flugblätter: Es handelt sich um ein Flugblatt des holländischen Gelehrten und Gegners

Dr. H. K. Ei Dc Jong, Den Haag, zum Teil abgedruckt in M. Kullys Hetzschrift «Die

Geheimnisse des Tempels von Dornach«, 2. Teil, Basel 1921, S. 4f.

Pfarrer Kullys Blatt: Dc Jong und Kully standen miteinander in Korrespondenz. Siehe Hinweis zu S. 193.

249 «Der Weg zur Vollendung«: Mitteilungen der Gesellschaft für freie Philosophie, Schule der Weisheit, Darmstadt. Herausgegehen von Graf Hermann Keyserling, i Heft, Darmstadt 1920. - Der Text der «Bauchbinde» entspricht der Bemerkung des Verlags auf der zweiten Umschlagseite zu diesem ersten Heft in dem Satz: »So müssen auch schon im ersten Hefte Angriffe Rudolf Steiners erledigt werden.«

im offen dichen Vortrage in Stuttgart.- Vortrag vom 16. November 1920, Stuttgart, un-veröffentlicht, vorgesehen für Gesamtausgabe Bibl.-Nr. 335. - Keyserling hatte in sei­nem Buche «Philosophie der Kunst«, Darmstadt 1920, S. 241«Wahr ist es nicht, daß ich irgendeine Anknüpfung an Haeckel£esucht habe. Haeckel ist an mich, an die Art und Weise der Bestrebungen, die ich gepflegt habe, von sich aus herangekommen.«

Wenn ich einfach gesagt hätte: Wörtlich: «... anstatt einen etwaigen Irrtum meinerseits zu korrigieren, was ich mir gerne gefallen ließe, denn zu spezieller Steinerquellenfor­schung habe ich keine Zeit gehabt . . . zeiht Steiner mich schlankweg der Lüge« (s. «Der Weg zur Vollendung«, S. 46ff. unter «Bücherschau«, im «Inhalt» bezeichnet als: Erledi­gung der Angriffe Rudolf Steiners).

250 Prof Dr. med. Hugo Fuchs: Direktor des Anatomischen Instituts, Göttingen. Er hatte im «Göttinger Tagblatt« 1920 (26., 27. Mai) die anthroposophisch orientierte Geistes-wissenschaft und die Bestrebungen des Bundes für «Dreigliederung des sozialen Orga­nismus« aufs schwerste zu diskreditieren gesucht, auch seine Vorlesungen benützt, um seine Hörer in diesem Sinne zu orientieren und zum Randalieren bei gegebener Gele­genheit aufzuhetzen, wozu zunächst ein von der Anthroposophischen Gesellschaft und dem oben genannten Bund veranstalteter Aufklärungsvortrag Gelegenheit gab. Am 25. Februar 1921 hatte in Göttingen im Zusammenhang mit der Hetze des Prof. Fuchs unter Bezugnahme auf Oberschlesien eine Protestversammlung gegen den Bund stattgefunden. Die vom Bund dagegen vorgesehene Gegenversammlung wurde vom Polizeidirektor - naturgemäß unter Göttinger Beeinflussung - verboten (vgl. die Wo­cheoschrift «Dreigliederung des sozialen Organismus», Stuttgart 1920, Nr. 4, 1921, Nr.36 u. 40).

Artikel der «Frankfurter Zeitung»: «Frankfurter Zeitung« 1921, 65. Jahrg., Nr. 167

(4. März), 2. Morgenblatt, S. 2.i «Verräter am Deutschtum». - Die Erwiderung des

«Bund für Dreigliederung des sozialen Organismus« (nebst dem törichten Zusatz der

Schriftleitung der «Frankfurter Zeitung«) s. ebda., Nr.188 (12. März), i Morgenblatt,

S. 2. «Dreigliederung des sozialen Organismus und Oberschlesien». - In Nr. 196

337

(15. März), 2. Morgenblatt erfolgte dann eine Einschränkung der Kritik und ein Fallen-lassen des Landesverrats-Vorwurfes. - Schlesische Freunde der Dreigliederungsidee Rudolf Steiners hatten versucht, um Oberschlesien die unheilvollen Folgen der aufge­zwungenen Abstimmung von 1921 zu ersparen, breiteren Kreisen die soziale Dreiglie­dering als Lösung des Problems zu empfehlen, aber mit dem Hinweis, daß im Falle der Abstimmung nur eine solche für Deutschland in Frage komme.

251 Mittelpunktsgruppe: Die neun Meter hohe von Rudolf Steiner in Holz gestaltete plasti­sehe Gruppe des Menschheitsrepräsentanten zwischen Luzifer und Ahriman, welche den Brand des ersten Goetheanum überdauerte und jetzt im zweiten Goetheanum in Dornach/Schweiz aufgestellt ist.

254 Elohim: Im hebräischen Wortlaut der «Genesis»; Luther hat dafür einheitlich «Gott« gesetzt. Das hebräische Wort «Elohim« weckte in dem althebräischen Weisen die Vorstellung von einer Gruppe geistiger Wesenheiten, die ihre Tätigkeiten zu einem ge­meinsamen Ziel, dem Erdenmenschen, gruppieren.

260 aus anderen Vorträgen: Siehe Rudolf Steiner, «Die Sendung Michaels». Sechs Vorträge, gehalten vom 21.-30. November 1919 in Dornach, GA 194.

Da finden Sie noch bei Plato: Siehe besonders Platons Phaidon; sowie dazu das Kapitel «Plato als Mystiker» in: Rudolf Steiner, »Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums» (1902), GA s.

263 Wärmeäther: Es sind zu unterscheiden: Wärme-, Licht-, Klang (chemischer)- und Lebensäthet. Siehe Rudolf Steiner, »Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsge­schichte», GA 122.

266 Nephesch: Siehe auch »Die Geheimnisse der biblischen Schöpfungsgeschichte», GA 122,

1976, S. 180, und »Geisteswissenschaftliche Menschenkunde«, GA 107, 1973, S. 271.

271 aufder anderen Seite tauchen auf gensisse Gefühle: Siehe Anfang des vorangehenden Vor­trags vom ii. März 1921.

9. Zeile v. u. in den Vorauflagen stand «in das Christus-Wesen hineinschauen ...». Das »in» steht nicht in der Nachichrift und dürfte irrtümlicherweise eingefügt worden sei n.

276 Von deni besonders häßlichen . . . Angriff- Siehe Hinweis zu S. 250.

277 ich werde . . . in Stuttgart sprechen über ein wissenschaftliches The'na: 16. bis 23. März

1921 «Naturbeobachtung, Mathematik, wissenschaftliches Experiment, und Erkennt­nisergebnisse vom Gesichtspunkte der Anthroposophie«, GA 324.

Vorträge . . . die wieiserum hier vem 3. April ah gehalten werden: »Die befruchtende Wir­kung der Anthroposophie auf die Fachwissenschaften». Vorträge und Ansprachen im zweiten anehroposophischen Hochschulkurs, 3. bis 10. April 1921, GA 76.

279 wie sie Paulus spricht: i Kor. 15,14.

die Worte des Evangeliums: Matth. 28, 5; Markus 16, 6; Lukas 24, 6.

280 das Christentum Staatsreligion: Im Jahre 324 durch Kaiser Konstantin 1.

Julian Apostata, römischer Kaiser 361 - 363 n. Chr. Vgl. Rudolf Steiner, «Bausteine zu einer Erkenntnis des Mysteriums von Golgatha - Kosmische und menschliche Meta­morphose», GA 175, Vortrag vom 19. April 1917.

338

281 Konzil in Konstantinopel: Vgl. hierzu Otto Willmann »Geschichte des Idealismus»,

1. Aufl. 1894, § 54, Band II, Seite III.

283 der Sohn gehöre überhaupt nicht: Siehe Adolf Harnack, 1851 - 1939, in »Das Wesen des Christentums», Leipzig 1900.

286 Goethe hat es ja oft genug zum Ausdruck gehracht: Zum Beispiel in »Wilhelm Meisters Wanderjahre», 2. Buch, 2. Kapitel.

291f. Apollonius von Tyana, Magier im 1. Jahrhundert n. Chr.

294 Gymnosophisten: Bei den späteren Griechen Bezeichnung altindischer Philosophen, die Kontemplation und strengste Askese durchführten. Sie verschmähten jede Kleidung.

295 nach seinem Biographen: Philostratus, Flavius, der Ältere, griechischer Sophist und Rhetor (Ende des 2. bis gegen Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr.), schrieb auf Verlangen der Kaiserin Julia, Gemahlin des römischen Kaisers Septimus Severus (193-211 n. Chr.) eine Biographie des Apollonius von Tyana. Deutsche Ausgabe 1883.

Vincenz Knauer, 1828-1894, Philosoph, Privatdozent in Wien. Siehe »Die Hauptpro­bleme der Philosophie«, Wien und Leipzig 1892, S. 136f.

305 Max Heindel 1865-1919, ein Däne, der sich in Berlin »Grashof« nannte. Autor okkul­ter Schriften wie «The Web of Destiny», «Musical Seale in the Stream of Evolution«; und die hier von Dr. Steiner erwähnte «Rosicrucian Cosmo-Conception or Christian < Occult Science«, 1. Auflage Chicago 1909, mit einer Widmung an Dr. Steiner, lautend:

«To my valued friend, Dr. Rudolph Steiner, in grateful recognition of much valuable information received; and to my friend, Dr. Alma von Brandis, in heart felt apprecia­tion of the inestimable influence for soul-growth she has exercised in my life.» Siehe auch Vorträge vom ii. Mai und 10. Juni 1917.

daß dann auch noch das Urkomische eingetreten ist, dali'diese Sache s«ederuro zusücküber­setzt worden ist ins Deutsche: Titel der deutschen Ausgabe, «Die Weltanschauung der Rosenkreuzer oder Mystisches Christentum«. Eine elementare Abhandlung über die vergangene Entwicklung, die gegenwärtige Zusammensetzung und die künftige Entfal­tung der Menschheit von Max Heindel. Seine Botschaft und Bestimmung: Ein urteilsfä­higer Intellekt. Ein fühlendes Herz. Ein gesunder Körper. Autorisierte Übersetzung von S. von der Wiesen. Theosophisches Verlagshaus Leipzig Dr. Hugo Vollrath. Als 10 Unterrichtsbriefe herausgegeben.

306 was das paulinische Wort bedeutet: Paulus' erster Brief an die Korinther, 15, 14.

312 hei welcher Helmholtz einen Vortrag hielt: In Weimar 1892 bei der Generalversamm­lung der Goethe-Gesellschaft: «Goethes Vorahnungen kommender naturwissenschaft­licher Ideen». Der Vortrag gelangte zunächst im Juli-Heft der «Deutschen Rundschau«, Berlin, zum Abdruck und erschien dann als Broschüre, Berlin 1892. - Vgl. auch Rudolf Steiner «Mein Lebeosgang«, GA 28,1962, S. 220.

NAMENREGISTER

#G203-1989-SE339 - Die Verantwortung des Menschen für die Weltenentwickelung

#TI

NAMENREGISTER

#TX

(H - Hinweis, * = ohne Namensnennung)

Alexander der Große (356-323 v. Chr.) 46

Anastasia, russische Großfürstin 189ff.

Apollonius von Tyana (geb. umSO n.Chr.) 291H, 292ff.

Aristareh von Samos (um 320-250v. Chr.) 179H

Äschylos (525-456 v. Chr.) 168f.H

Augustinus, Aurelius (354-430) 183

Baker-Eddy, Mary (1821-1910) 59«H

Basilius Valentinus (15. Jahrh.) 71H

Bontoux, Eugene (1820 oder 1824-1904) 120f.H

Boos, Roman (1889-1952) 193H, 222, 244H

Brandes, Georg (1842-1927) 92

Bruhn, Wilhelm (geb. 1876) 209f.H

Boucholtz, Christian 221 *H

Carlyle, Thomas (1795-1881) 197H

Cimabue (1240-1302) 234H

Darwin, Charles (1809-1882) 53H

Dessoir, Max (1867-1947) 207 f. H, 212

Diederichs, Eugen (1867-1930) 212ff.

Dodel, Arnold (1843-1908) 247

Dufour, Wilhelm Heinrich (1787-1875) 114f. H

Ebertin, Elsbeth 124«H

Ehrenberg, Hans 173f.H

Euklid (ca. 300 v. Chr.) 19H

Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814) 57

Frohnmeyer, D. L. Johannes (1850-1921)

30f.H, 76, 108, 193ff.H, 209, 222

Fuchs, Hugo 250H, 276*H

Galilei, Galileo (1564-1642) 179

Giotto di Bondone (um 1266-1337) 234H

Goethe, Johann Wolfgang (1749-1832)

57, 92, 95, 119,170, 187, 197,214,215,

218H, 28Sf., 286H

Gogarten, Friedrich (1887-1931) 95*H,

209H, 214

Grashof (siehe Heindel, Max) 305

Gysi, Alfred Dr. (1864-1957) 91*H

Haeckel, Ernst (1834-1919) 171H

Haller, Albrecht von (1708-1777) 92

Hammurabi (um 1728 - 1686v. Chr.) 227

Harnack, Adolf (1851-1930) 157H, 235H, 283*

Hartmann, Hans 197*H

Hauer, Jakob Wilhelm (1881-1962) 213 222«H

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770-1831) 57

Heindel, Max (1865-1919) 305H

Heinzelmann, D. Gerhard 194f.H, 210, 222

Helmholtz, Hermann (1821 - 1894) 3 12H

Hölderlin, Friedrich (1770-1843) 219

Homer (9. Jahrhundert v. Chr.) 167f.H, 172

Hsi-Lung 162ff.

DeJong, H.K.E. 248«H

Julian Apostata (331-363) 280H

Kant, Immanuel (1724-1804) 22H, 86, 155«H

Knauer, Vincenz (1828-1894) 295H

Keyserling, Graf Hermann von (1880-1946) 25H, 61*, 249f.H

Konstantin, der Große 1. (um 288-337) 280

Kopernikus, Nikolaus (1473-1543) 164H, 179

Kühnemann, Eugen (1868 - 1946) 172H

Kully, Max (1878-1936) 194H, 210, 248H

Laplace, Pierre Simon Marquis dc (1749-1827) 86, 155*H

Lavoisier, Antoine Laurent (1743-1794) 73«H

Leese, Kurt 209H

340

Lenin (Wladimir Iljitsch Uljanow) (1870-

1924) 123

Len, Alan 124*H

Mayer, Julius Robert (1814 - 1878) 73*H

Mennicke 214

Meyer, Jürgen Bona (1829-1897) 247H

Michel, Ernst (1889-1964) 203*H, 214ff.

Michelangelo Buonarroti (1475-1564) 285

Militza, russ. Großfürstin (Tochter des Ni­kita von Montenegro) 189

Nietzsche, Friedrich (1844-1900) 197H, 219

Nikita von Montenegro (Nikolaus) (1841 -1921) 189

Novalis, Friedrich von Hardenberg (1772 -1801) 21H

Paléologue, Maurice (1859 - 1944) 189f. H

Paulus (Apostel) (gest. um 64 n. Chr.) 232,

268, 279H, 284, 306H Pius IX. (1792-1878)

Papst von 1846-1878

110*H

Plato (427-347 v. Chr.) 260H

Plotin (205-270 n. Chr.) 212

Poincaré, Raymond (1860-1934) 189

Pythagoras (etwa 582-497 v. Chr.) 44, 293, 297

Philostratus der Altere, Flavius (Ende 2. Jh.

- Mitte 3. Jh.) 295*H

Rittelmeyer, Friedrich (1872-1938) 214

Salewski, Wilhelm 213

Scheler, Max (1874-1928) 212H

Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph von

(1775-1854) 57

Schiller, Frieörich von (1759-1805) 58H

Shakespeare, William (1564-1616) 210H

Smith, Adam (1723-1790) 53f. H

Spengler, Oswald (1880-1936) 160H

Stein, Walter Johannes (1891 - 1957) 213H

Steiner, Johann (Vater von Rudolf Steiner) (1829-1910) 120*

Stuten, Jan (1890-1948) 248H

Sztern, Mieczyslaw 43f.*H

Tagore, Rabindranath (1861-1941) 40H, 162

Terhalle, Fritz (1889-1962) 92*H

Thomas von Aquino (1225-1274) 183

Traub, Friedrich (geb. 1860) 45H, 60H

Trine, Ralph Waldo (1866-1958) 58f. H

Trotzki, Leo (1179-1940) 123H

Tzu-hsi (seit 1875 Regentin Chinas, starb 1908) 166

Vogt, Carl (1817-1895) 152*H

Wallace, Alfred Russel (1823-1913) 84H

Wirz, F. 193

Wu-ko-tau 166

Xavier, Franz (1506-1552) 176H Zimmermann, Otto (S.J.) 94*H

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.