GA 324a

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ERSTER VORTRAG Berlin, 24. März 1905

#G324a-1995-SE013 Die vierte Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

ERSTER VORTRAG

Berlin, 24. März 1905

#TX

Wenn Sie enttäuscht sein sollten über das, was Sie jetzt hören werden, will ich vorausschicken, daß ich heute ganz elementare Dinge [über die vierte Dimension] besprechen will. Wer tiefer eindringen will in diese Frage, müßte mit den höheren Begriffen der Mathematik genau bekannt sein. Ich möchte Ihnen einige ganz elementare und allgemeine Begriffe geben. Man muß unterschei­den zwischen der Möglichkeit zu denken in einem vierdimensio­nalen Raum und der Wirklichkeit. Wer imstande ist, dort Beob­achtungen zu machen, hat es mit einer Wirklichkeit zu tun, die weit hinausreicht über das, was wir als das Sinnlich-Wirkliche kennen. Man muß Gedankenumformungen machen, wenn man sich hierher begibt. Sie müssen die Dinge ein wenig in die Mathe­matik hineinspielen lassen, sich hineinfinden in die Denkweise des Mathematikers.

Man muß sich klarwerden, daß der Mathematiker keinen Schritt tut, ohne sich Rechenschaft zu geben von dem, was in seinen Schlußfolgerungen eintrifft. Wir müssen aber auch gewahr werden, wenn wir uns mit Mathematik beschäftigen, daß selbst der Mathematiker keinen Schritt [in die Wirklichkeit] vordringen kann, daß er keine Schlußfolgerungen machen kann, [die über das bloß Denkmögliche hinausreichen]. Zunächst handelt es sich um einfache Dinge, die aber schon komplizierter werden, wenn man zum Begriff der vierten Dimension kommen will. Wir müssen uns klar darüber werden, was wir unter Dimensionen verstehen. Am besten macht man es sich klar, wenn man die verschiedenen Raumgebilde auf ihre Dimensionalität hin prüft. Sie führen zu Betrachtungen, welche erst im 19. Jahrhundert von großen Mathe­matikern wie Bolyai, Gauß und Riemann in Angriff genommen worden sind.1

Die einfachste Raumgröße ist der Punkt. Er hat gar keine Aus­dehnung; er muß gedacht werden. Er ist die Fixierung einer Ausdehnung

#SE324a-014

im Raume. Er hat keine Dimension. Die erste Dimension ist die Linie. Die gerade Linie hat eine Dimension, die Länge. Wenn wir die Linie, die keine Dicke hat, selbst bewegen, treten wir aus der einen Dimension heraus, und die Linie wird zur Flä­che. Diese hat zwei Dimensionen, eine Länge und eine Breite. Wenn wir die Fläche bewegen, so treten wir aus diesen zwei Dimensionen heraus, und wir erhalten den Körper. Er hat drei Dimensionen: Höhe, Breite, Tiefe (Figur 1).

#Bild s. 14a

Wenn Sie den Körper selbst bewegen, wenn man [zum Beispiel] einen Würfel im Raume herumführt, werden Sie wiederum nur einen Raumkörper bekommen. Sie können den [dreidimensiona­len] Raum nicht aus sich heraus bewegen.

#Bild s. 14b

Wir müssen uns noch ein paar anderen Begriffen zuwenden. Wenn Sie eine gerade Linie betrachten, hat sie zwei Grenzen, zwei Endpunkte A und B (Figur 2).

Stellen wir uns vor, daß A und B sich berühren sollen. Wenn sie sich berühren sollen, müssen wir aber die Gerade krümmen. Was geschieht? Sie können unmöglich in der [eindimensionalenj Gera­den drinnenbleiben, wenn Sie A und B zusammenfallen lassen wollen. Um die Punkte A und B zu verbinden, müssen wir aus der Geraden selbst heraustreten, müssen wir also aus der ersten Dimension

#SE324a-015

heraus und übergehen in die zweite Dimension, die Flä­che. Auf diese Weise entsteht aus der Geraden [eine geschlossene Kurve, das heißt im einfachsten Falle] ein Kreis, indem ihre End­punkte zur Deckung gebracht werden (Figur 3).

#Bild s. 15a

Es ist also notwendig, aus der ersten Dimension herauszugehen, man kann nicht in ihr drinnenbleiben. Nur so entsteht der Kreis. Sie können dieselbe Operation mit einer [rechteckig begrenzten] Fläche machen. Dies geht aber nur, wenn Sie nicht in den zwei Dimensionen drinnenbleiben. Sie müssen in die dritte Dimension hineingehen und bekommen dann aus der Fläche eine Röhre, einen Zylinder. Diese Operation geschieht auf ganz entsprechende Weise wie vorher, wo wir zwei Punkte zur Deckung brachten und dabei aus der ersten Dimension herausgegangen sind. Wir müssen hier [bei der Fläche], um zwei Grenzen der Fläche zur Deckung zu bringen, in die dritte Dimension hinübergehen (Figur 4).

#Bild s. 15b

#SE324a-016

Ist es denkbar, daß mit einem Raumgebilde, das schon selbst drei Dimensionen hat, eine ähnliche Operation ausgeführt werden könnte? Wenn Sie zwei kongruente Würfel haben, können Sie den einen in den anderen schieben. [Denken Sie sich nun zwei kongru­ente Würfel als Begrenzungen eines dreidimensionalen prismati­schen Körpers.] Wenn Sie versuchen, den einen Würfel, der auf einer Seite rot [und auf der gegenüberliegenden Seite blau] gefärbt ist, zur Deckung zu bringen mit dem anderen Würfel, der sonst [geometrisch] ganz gleich ist, aber bei dem die rote und blaue Farbe vertauscht sind, dann können Sie die Deckung nicht anders herbeiführen, als indem Sie den Würfel drehen (Figur 5).

#Bild s. 16

Betrachten wir ein anderes Raumgebilde. Nehmen Sie den Hand­schuh der linken Hand, so ist es Ihnen unmöglich, den Handschuh der linken Hand über die rechte Hand zu ziehen. Wenn Sie aber die beiden [spiegelsymmetrischen] Handschuhe zusammengehend be­trachten wie die gerade Linie mit den Endpunkten A und B, so haben Sie etwas Zusammengehöriges. Es handelt sich dann um ein einziges Gebilde, mit einer Grenze [das heißt mit einer Spiegelebe­ne] in der Mitte. Ganz ähnlich ist es auch mit den zwei symmetri­schen Hälften der menschlichen Außenhaut.2

Wie können wir nun zwei [spiegel]symmetrische dreidimensio­nale Gebilde zur Deckung bringen? Nur wenn wir uber die dritte Dimension hinausgehen, wie früher über die erste und zweite. Wir können den rechten oder linken Handschuh auch über die linke beziehungsweise rechte Hand stülpen, wenn wir durch den vierdi­mensionalen Raum gehen.3

#SE324a-017

[Beim Aufbau der dritten Dimension (Tiefendimension) des Anschauungsraumes] bringen wir das Bild des rechten Auges zur Deckung mit dem des linken, stülpen es darüber.4

Wir betrachten nun ein Beispiel von Zöllner.5 Wir haben hier einen Kreis und außerhalb desselben einen Punkt P. Wie können wir den Punkt P [in den Kreis] hineinbringen, ohne den Kreis zu durchkreuzen? Dies geht nicht, wenn wir innerhalb der Ebene bleiben. So wie man aus der zweiten Dimension in die dritte hin-übergehen muß beim Übergang vom Quadrat zum Würfel, so mussen wir auch hier aus der zweiten Dimension hinausgehen. Bei einer Kugel gibt es ebenfalls keine Möglichkeit [in das Innere] hineinzugehen, ohne [die Kugeloberfläche zu durchstoßen oder] über die dritte Dimension hinauszugehen.6

#Bild s. 17

Das sind Denkmöglichkeiten, die aber eine praktische Bedeu­tung haben für die Erkenntnislehre, [insbesondere für das Pro­blem der Objektivität des Wahrnehmungsinhaltes]. Wenn wir uns klarmachen, wie man eigentlich wahrnimmt, werden wir zu fol­gender Anschauung kommen. Fragen wir uns zunächst: Wie er­langen wir durch die Sinne Kenntnisse von den Körpern? Wir sehen eine Farbe. Ohne Augen würden wir sie nicht wahrnehmen. Der Physiker sagt dann: Da draußen im Raum ist nicht das, was man Farbe nennt, sondern rein räumliche Bewegungsformen; die dringen durch unser Auge, werden vom Sehnerv aufgefangen, zum Gehirn fortgesetzt, und dort entsteht zum Beispiel das Rot. Man kann sich nun fragen: Ist das Rot auch vorhanden, wenn keine Empfindung da ist?

#SE324a-018

Das Rot könnte ohne Auge nicht wahrgenommen werden. Glockenläuten könnte ohne Ohr nicht wahrgenommen werden. Alle unsere Empfindungen hängen davon ab, daß Bewegungsfor­men umgewandelt werden durch unseren physisch-seelischen Apparat. Die Sache wird aber noch komplizierter, wenn wir uns fragen: Wo ist denn nun eigentlich das Rot, diese eigentümliche Qualität? Ist es am Körper? Ist es ein Schwingungsvorgang? Drau­ßen ist ein Bewegungsvorgang, und der setzt sich fort bis ins Auge hinein, bis ins Gehirn selbst. Überall sind Schwingungs- [und Nerven]vorgänge, nirgends ist Rot. Auch wenn Sie das Auge un­tersuchen, Sie würden nirgends Rot finden. Draußen ist es nicht, aber auch nicht im Gehirn. Nur dann haben wir Rot, wenn wir uns selbst als Subjekt diesen Bewegungsvorgängen entgegen­stellen. Haben wir also überhaupt keine Möglichkeit, davon zu reden, wie das Rot dem Auge, wie Cis dem Ohr entgegenkommt?

Die Frage ist, was ist diese innere Worstellung], wo entsteht sie? In der philosophischen Literatur des 19. Jahrhunderts werden Sie finden, daß diese Frage alles durchzieht. Vor allem Schopenhauer7 hat die folgende Definition aufgestellt: Die Welt ist unsere Vorstel­lung. - Was bleibt dann aber noch für den äußeren Körper? [So wie eine Farbvorstellung durch Bewegungen «erzeugt» werden kann, so kann auch] Bewegung in unserem Innern entstehen durch etwas, was im Grunde nicht bewegt ist. Betrachten wir dazu zwölf Mo­mentaufnahmen einer [sich bewegenden] Pferdefigur auf [der In­nenseite] einer [Zylinder-]Fläche, [die mit zwölf feinen Schlitzen in den Zwischenräumen versehen ist. Wenn wir seitlich auf den sich drehenden Zylinder blicken,] dann werden wir den Eindruck ha­ben, daß es immer dasselbe Pferd bleibt, und daß es nur die Füße bewegt.8 Also kann auch [der Eindruck von] Bewegung durch un­sere [Leibes-Organisation] entstehen, wenn etwas sich [in Wirk­lichkeit] überhaupt nicht bewegt. So kommen wir zu einer vollstän­digen Auflösung von dem, was wir Bewegung nennen.

Was ist dann aber Materie? Ziehen Sie von der Materie ab Far­benglanz, Bewegung [Gestalt und so weiter, also das durch die sinnliche Wahrnehmung Vermittelte], dann bleibt nichts übrig.

#SE324a-019

Wenn wir schon die [durch Außenweltvorgänge im individuellen Bewußtsein hervorgerufenen sekundären, das heißt «subjektiven»] Empfindungen [Farbe, Ton, Wärme, Geschmack, Geruch] in un­serem Innern zu suchen haben, so müssen wir auch [die primären, das heißt «objektiven» Empfindungen, Gestalt und Bewegung,] in unser Inneres versetzen, und damit verschwindet die Außenwelt vollständig. Daraus ergeben sich aber große Schwierigkeiten [für die Erkenntnislehre].9

Nehmen wir an, alles wäre draußen, wie kommen dann die Eigenschaften des Gegenstandes draußen in uns hinein? Wo ist nun der Punkt [wo das Äußere in das Innere übergeht]? Wenn wir alle [sinnlichen Wahrnehmungsinhalte] abziehen, so gibt es kein Draußen mehr. Auf diese Weise versetzt sich die Erkenntnistheo­rie in die Lage von Münchhausen, der sich am eigenen Haarschopf frei in die Höhe ziehen will.10 Nur dann aber, wenn wir anneh­men, daß es ein Draußen gibt, nur dann können wir zu [einer Erklärung der] Empfindungen drinnen kommen. Wie kann etwas von außen in unser Inneres hereinkommen und als unsere Vorstel­lung auftreten?

Wir müssen die Frage noch anders aufwerfen. Wir betrachten zuerst einige Analogien. Sie werden keine Möglichkeit haben, eine Beziehung [zwischen Außenwelt und Innenempfindung] zu fin­den, wenn Sie nicht zu folgendem greifen. Wir kehren zurück zur Betrachtung der geraden Linie mit den Endpunkten A und B. Wir müssen über die erste Dimension hinausgehen, die Linie krüm­men, um die Endpunkte zur Deckung zu bringen (Figur 7).

Denken Sie sich nun den linken Endpunkt A [dieser geraden Linie] mit dem rechten Endpunkt B so zusammengebracht, daß sie sich unten berühren, so daß wir imstande sind, [über die zusam­menfallenden Endpunkte hinweg] zum Ausgangspunkt zurückzu­kehren. Wenn die Linie klein ist, ist auch der entsprechende Kreis klein. Wenn ich die [zunächst gegebene] Linie zum Kreise mache und dann immer größere Linien zu Kreisen mache, dann rückt der Punkt, in welchem sich die Endpunkte treffen, immer weiter von der [ursprünglichen] Linie ab und geht in unendliche Entfernung.

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#Bild s. 20a

der [ursprünglichen] Linie ab und geht in unendliche Entfernung. Erst in der unendlichen Entfernung haben [die größer werdenden] Kreislinien ihren Endpunkt. Die Krümmung wird dabei eine im­mer schwächere, und schließlich werden wir unmöglich mit dem gewöhnlichen Auge die Kreislinie von der Geraden unterscheiden können (Figur 8).

#Bild s. 20b

Ganz entsprechend erscheint uns auch die Erde als ein gerades [flaches] Stück, wenn wir auf ihr gehen, obgleich sie rund ist. Wenn wir uns denken, daß die beiden Hälften der geraden Linie bis in die Unendlichkeit ausgedehnt werden, fällt der Kreis wirklich

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mit der Geraden zusammen.11 Dabei kann die gerade Linie als Kreis aufgefaßt werden, dessen Durchmesser unendlich ist. Jetzt können wir uns allerdings vorstellen, daß, wenn wir [die gerade Linie durchlaufen und dabei] in der Linie drinbleiben, wir von der anderen Seite aus der Unendlichkeit [wieder] zurückkommen Dabei müssen wir aber durch die Unendlichkeit hindurchgehen.

#Bild s. 21

Denken Sie sich nun statt einer [geometrischen] Linie etwas, was eine Wirklichkeit ist, was sich verbindet mit einer Wirklichkeit. Stellen wir uns vor, daß mit dem Fortschreiten des Punktes C [auf der Kreisperipherie] eine Abkühlung eintritt, daß der Punkt immer kälter und kälter wird, je mehr er sich [von seinem Ausgangsort] entfernt (Figur 9). Lassen wir den Punkt zunächst innerhalb der Kreislinie, und, indem er immer kälter wird, die untere Grenze A, B erreichen. Wenn er auf der anderen Seite zurückkehrt, nimmt die Temperatur wieder zu. Es tritt also auf dem Rückweg der zu dem Hinweg entgegengesetzte Zustand ein. Die Erwärmung nimmt zu, bis die Temperatur bei C wieder erreicht ist, von welcher wir aus­gegangen sind. Wie ausgedehnt auch der Kreis sei, es ist immer derselbe Vorgang: ein Abfließen der Wärme und ein Heranfließen derselben. Denken wir uns das auch bei der [unendlich ausgedehn­ten geraden] Linie: Indem sich die Temperatur [auf der einen Seite immer mehr] verliert, kann sie auf der anderen Seite steigen. Wir haben hier einen Zustand, der sich auf einer Seite verliert, während er sich auf der anderen Seite wieder aufbaut.

So bringen wir Leben und Bewegung hinein in die Welt und nähern uns dem, was wir in einem höheren Sinne «Begreifen der Welt» nennen können. Wir haben hier zwei Zustände, die sich

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bedingen, die voneinander abhängig sind. Für alles aber, was Sie [sinnlich] beobachten können, hat der Vorgang, der, sagen wir, nach rechts verläuft, nichts zu tun mit dem, der von links zurück­kommt, und doch bedingen sie sich gegenseitig.12

Wir vergleichen nun den Körper der Außenwelt mit dem Ab­kühlungszustand und im Gegensatz dazu unsere Innenempfin­dung mit dem Erwärmungszustand. [Obwohl Außenwelt und Innenempfindung nichts unmittelbar sinnlich Wahrnehmbares gemeinsam haben,] stehen sie in einem Verhältnis zueinander, bedingen sich gegenseitig [in analoger Weise, wie sich die oben geschilderten Prozesse bedingen]. Daraus ergibt sich ein Zusam­menhang der Außenwelt [mit unserer Innenwelt], den wir un­terstützen können durch ein Bild: [durch das Verhältnis von] Pet­schaft und Siegellack. Das Petschaft läßt einen genauen Abdruck, eine genaue Wiedergabe des Siegels im Siegellack zurück, ohne daß das Petschaft im Siegellack zurückbleibt [und ohne daß etwas Materielles vom Petschaft in den Siegellack übergeht]. Im Siegel­lack bleibt also eine getreue Wiedergabe des Siegels zurück. Ganz entsprechend ist es auch beim Zusammenhang von Außenwelt und Innenempfindungen. Nur das Wesentliche [überträgt sich]. Die eine Zustand[sform] bedingt die andere, wobei aber nichts [Materielles] übergeht.13

Wenn wir uns vorstellen, daß es sich so verhält mit [dem Zusam­menhang zwischen der] Außenwelt und unseren Eindrücken, kom­men wir zu folgendem. [Geometrische] Spiegelbilder im Raume verhalten sich so wie Handschuhe von der linken und der rechten Hand. [Um diese unmittelbar und kontinuierlich miteinander in Beziehung zu setzen,] müssen wir eine neue Dimension des Raumes zu Hilfe nehmen. [Nun verhalten sich Außenwelt und Innenein­druck analog wie geometrische Spiegelbilder, können folglich eben­so nur durch eine weitere Dimension unmittelbar miteinander in Verbindung gebracht werden.] Um nun eine Beziehung herzustel­len zwischen Außenwelt und Inneneindrücken, müssen wir also durch eine vierte Dimension gehen, müssen wir in einem dritten Element sein. Nur dort können wir das Gemeinschaftliche [von

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Außenwelt und Inneneindrücken] suchen, wo wir [mit ihnen] eins sind. [Man kann sich diese Spiegelbilder wie] schwimmend in einem Meere [vorstellen], innerhalb welchem wir die Spiegelbilder zur Deckung bringen können. Und so kommen wir [zunächst rein ge­danklich] zu etwas, was über den dreidimensionalen Raum hinweg-geht und doch eine Wirklichkeit hat. Wir müssen also unsere Raum-vorstellungen ins Leben bringen, sie beleben.

Oskar Simony14 hat versucht, diese belebten Raumgebilde mit Modellen darzustellen. [Wie wir gesehen haben, kommt man] von der Betrachtung des Nulldimensionalen [schrittweise] zur Mög­lichkeit, sich den vierdimensionalen Raum vorzustellen. [Anhand der Betrachtung spiegelsymmetrischer Körper, das heißt mit Hilfe der] Symmetrieverhältnisse, können wir diesen Raum zuerst [am leichtesten] erkennen. [Ein anderes Mittel, die Besonderheiten des empirischen dreidimensionalen Raumes im Verhältnis zum vier­dimensionalen Raum zu studieren, bieten die Verknotungen von Kurven und Bändern.] Was versteht man unter Symmetrieverhält­nissen? Dadurch, daß wir Raumgebilde miteinander verschlingen, rufen wir bestimmte Komplikationen herbei. [Diese Komplikatio­nen sind Besonderheiten des dreidimensionalen Raumes; sie kom­men in vierdimensionalen Räumen nicht vor.15]

Lassen Sie uns ein paar praktische Denkübungen machen. Wenn wir einen Bandring in der Mitte durchschneiden, erhalten wir zwei solche Ringe. Zerschneiden wir nun entsprechend ein Band, dessen Enden um 1800 verdreht und dann verklebt worden sind, so erhalten wir einen einzigen verdrehten Ring, der nicht zerfällt. Verdrehen wir die Band-Enden um 3600 vor dem Zusam­menkleben, so ergeben sich beim Zerschneiden zwei ineinander verschlungene Ringe. Verdrehen wir schließlich die Band-Enden um 7200, so ergibt sich durch denselben Prozeß ein Knoten.16

Wer nachdenkt über Naturvorgänge, weiß, daß solche Windun­gen in der Natur vorkommen; [in der Wirklichkeit sind] solche verschlungenen Raumgebilde mit Kräften versehen. Nehmen Sie etwa die Bewegung der Erde um die Sonne, und dann die Bewe­gung des Mondes um die Erde. Man sagt, der Mond beschreibe

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um die Erde einen Kreis, doch [wenn man genauer hinsieht] ist es eine Linie, die wieder [um einen Kreis, den Bahnkreis der Erde,] herumgeschlungen ist, also eine Schraubenlinie um eine Kreislinie. Und dann haben wir die Sonne, die so schnell durch den Welten-raum eilt, daß der Mond noch um sie eine [zusätzliche] Schrau­benbewegung macht. Es sind also sehr komplizierte Kräftelinien, die sich im Raume erstrecken. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß wir es mit komplizierten Raumbegriffen zu tun haben, die wir nur dann begreifen, wenn wir sie nicht starr werden lassen, wenn wir sie flüssig haben.

Vergegenwärtigen wir uns das Gesagte noch einmal: Das Null­dimensionale ist der Punkt, das Eindimensionale ist die Linie, das Zweidimensionale die Fläche und das Dreidimensionale der Kör­per. Wie verhalten sich diese Raumbegriffe zueinander?

Denken Sie sich, Sie wären ein Wesen, welches überhaupt nur längs einer geraden Linie sich bewegen kann. Wie müßten die Raumvorstellungen von solchen Wesen geartet sein, die selber nur eindimensional sind? Sie würden die Eindimensionalität bei sich nicht wahrnehmen, sondern nur Punkte sich vorstellen. Denn es gibt in der geraden Linie, wenn wir in ihr etwas zeichnen wollen, nur Punkte. Ein zweidimensionales Wesen könnte Linien antreffen, also eindimensionale Wesen unterscheiden. Ein dreidimensionales Wesen, etwa der Würfel, würde die zweidimensionalen Wesen wahrnehmen. Der Mensch nun kann drei Dimensionen wahrneh­men. Wenn wir richtig folgern, müssen wir uns sagen: Wie ein ein­dimensionales Wesen nur Punkte wahrnehmen kann, wie ein zwei­dimensionales Wesen nur eine Dimension, und ein dreidimensiona­les Wesen nur zwei Dimensionen wahrnehmen kann, so kann ein Wesen, das drei Dimensionen wahrnimmt, nur ein vierdimensiona­les Wesen sein. Dadurch, daß ein Mensch äußere Wesen nach drei Dimensionen abgrenzen kann, mit Räumen aus drei Dimensionen [umgehen kann], muß er vierdimensional sein.17 Und ebenso wie ein Würfel nur zwei Dimensionen wahrnehmen kann und nicht seine dritte, so ist es wahr, daß der Mensch die vierte Dimension, in der er lebt, nicht wahrnehmen kann.

ZWEITER VORTRAG Berlin, 31. März 1905

#G324a-1995-SE025 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

ZWEITER VORTRAG

Berlin, 31. März 1905

#TX

Heute will ich einiges Elementare über die Vorstellung des mehr­dimensionalen Raumes besprechen [unter anderem in Anschluß an den] geistvollen Hinton.18

Sie erinnern sich, wie wir [das letzte Mal] von der Betrachtung der nullten Dimension bis zur Vorstellung des mehrdimensionalen Raumes kamen. Ich will die Vorstellungen, wie wir vom zwei-zum dreidimensionalen Raum kommen können, kurz noch einmal wiederholen.

Was haben wir unter einem Symmetrie-Verhalten zu verstehen? Wie bringe ich eine rote und eine blaue [ebene Figur, die Spiegel­bilder voneinander sind,] zur Deckung?

# Bild s. 25

Das kann ich bei zwei Kreishälften relativ leicht, indem ich den roten [Halb-]Kreis in den blauen hineinschiebe (Figur 10).

Bei der folgenden [spiegel]symmetrischen Figur gelingt dies nicht so leicht (Figur 11). Ich kann den roten und den blauen Teil [innerhalb der Ebene] nicht zur Deckung bringen, auf welche Weise auch immer ich das Rote in das Blaue hineinzuschieben versuche.

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#Bild s. 26

Aber es gibt ein Mittel [dies trotzdem zu erreichen]: Wenn man aus der Tafel, das heißt aus der zweiten Dimension heraustritt [und die dritte Dimension zu Hilfe nimmt, mit anderen Worten, wenn man] die blaue Figur auf die rote legt [indem man sie durch den Raum um die Spiegelachse dreht].

Genauso verhält es sich mit einem Paar Handschuhen: Ich kann den einen mit dem anderen nicht zur Deckung bringen, ohne daß ich aus dem [dreidimensionalen] Raum heraustrete. Man muß durch die vierte Dimension gehen.

Ich habe das letzte Mal gesagt, daß man [die Beziehungen im] Raum flüssig machen muß [wenn man sich eine Vorstellung von der vierten Dimension erarbeiten will], um dadurch ähnliche Ver­hältnisse zuwege zu bringen, wie man sie hat, wenn man von der zweiten in die dritte Dimension übergeht. In der letzten Stunde haben wir aus Papierstreifen Raumgebilde erzeugt, die sich inein­ander verschlingen. Solche Verschlingungen rufen bestimmte Komplikationen herbei. Das ist keine Spielerei, sondern in der Natur kommen fortwährend solche Verschlingungen vor. Wer nachdenkt über Naturprozesse, weiß, daß solche Verschlingungen wirklich in der Natur vorkommen. Materielle Körper bewegen sich in solchen verschlungenen Raumgebilden. Diese Bewegungen sind mit Kräften ausgestattet, so daß die Kräfte sich ebenfalls ge­geneinander verschlingen. Nehmen Sie die Bewegung der Erde um

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die Sonne und dann die Bewegung des Mondes um die Erde. Der Mond durchläuft einen Kreis, der um den Bahnkreis der Erde um die Sonne herumgeschlungen ist. Er beschreibt also eine Schrau­benlinie um eine Kreislinie. Wegen der Bewegung der Sonne macht der Mond um diese eine weitere Schraubenlinie. Es ergeben sich also sehr komplizierte Kräftelinien, die sich durch den ganzen Raum erstrecken.

Die Himmelskörper verhalten sich so zueinander wie die ver­schlungenen Papierstreifen [von Simony, die wir das letzte Mal betrachtet haben]. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß wir es mit komplizierten Raumbegriffen zu tun haben, die wir nur dann begreifen, wenn wir sie nicht starr werden lassen. Wenn wir den Raum [in seinem Wesen] begreifen wollen, [müssen wir ihn zwar zunächst starr auffassen, ihn dann aber] wieder vollständig flüssig machen. [Man muß wie] bis zur Null [gehen]; darinnen ist der [lebendige] Punkt [zu finden].

Wir vergegenwärtigen uns noch einmal [den Aufbau der Di­mensionen]. Der Punkt ist nulldimensional, die Linie eindimen­sional, die Fläche zweidimensional und der Körper dreidimensio­nal. So hat der Würfel die drei Dimensionen: Höhe, Breite und Tiefe. Wie verhalten sich nun die Raumgebilde [verschiedener Dimensionen] zueinander? Denken Sie sich, Sie seien eine gerade Linie, Sie hätten nur eine Dimension, Sie könnten sich nur längs einer geraden Linie bewegen. Falls es solche Wesen gäbe, wie müßte die Raumvorstellung solcher Wesen geartet sein? Solche Wesen würden die Eindimensionalität bei sich nicht wahrnehmen, sondern sie würden sich nur Punkte vorstellen können überall, wo sie auch hinkämen. Denn es gibt in der geraden Linie, wenn wir etwas in ihr zeichnen wollen, nur Punkte. Ein zweidimensionales Wesen würde nur Linien antreffen, würde also nur eindimensio­nale Wesen wahrnehmen. [Ein dreidimensionales Wesen wie] der Würfel würde zweidimensionale Wesen wahrnehmen, könnte aber nicht seine [eigenen] drei Dimensionen wahrnehmen.

Der Mensch nun kann seine drei Dimensionen wahrnehmen. Wenn wir richtig folgern, müssen wir uns sagen: Wie ein eindimensionales

#SE324a-028

Wesen nur Punkte wahrnehmen kann, ein zweidi­mensionales Wesen nur Geraden und ein dreidimensionales Wesen nur Flächen, so muß ein Wesen, das drei Dimensionen wahr­nimmt, selbst ein vierdimensionales Wesen sein. Dadurch, daß der Mensch äußere Wesen nach drei Dimensionen abgrenzen kann, mit Räumen aus drei Dimensionen [umgehen kann], muß er vier­dimensional sein. Und ebenso, wie ein Würfel nur zwei Dimensio­nen wahrnehmen kann und nicht seine dritte, so ist klar, daß der Mensch die vierte Dimension, in der er lebt, nicht wahrnehmen kann. Damit haben wir gezeigt, [daß der Mensch ein vierdimen­sionales Wesen sein muß]. Wir schwimmen im Meere [der vierten Dimension, wie Eis in Wasser].

Wir kehren noch einmal zur Betrachtung der Spiegelbilder zu­rück (Figur 11). Diese senkrechte Linie stellt den Querschnitt ei­nes Spiegels dar. Der Spiegel wirft ein Spiegelbild [der Figur auf der linken Seite] zurück. Der Spiegelungsprozeß weist über die zwei Dimensionen hinaus in die dritte Dimension. [Um den un­mittelbaren und kontinuierlichen Zusammenhang des Spiegelbil­des mit dem Original zu verstehen, müssen wir zu] den zwei Dimensionen eine dritte hinzunehmen.

#Bild s. 28

[Nun betrachten wir das Verhältnis von Außenraum und In­nenvorstellung.] Der Würfel hier außer mir [erscheint als] eine Vorstellung in mir (Figur 12). Die Vorstellung [des Würfels] ver­hält sich zum Würfel wie ein Spiegelbild zum Original. Unser Sinnesapparat [entwirft vom Würfel ein Vorstellungsbild. Will man dieses mit dem Originalwürfel] zur Deckung bringen, so muß

#SE324a-029

man durch die vierte Dimension hindurchgehen. Genauso wie [beim kontinuierlichen Vollzug des zweidimensionalen] Spiegel­prozesses zur dritten Dimension übergegangen werden muß, muß unser Sinnesapparat, wenn er imstande sein soll, einen [direkten] Zusammenhang [zwischen Vorstellungsbild und äußerem Gegen­stand] herzustellen, vierdimensional sein.19

Wenn Sie nur [zweidimensional] vorstellen würden, so würden Sie [nur] ein Traumbild vor sich haben, aber keine Ahnung davon haben, daß draußen ein Gegenstand ist. Unser Vorstellen ist ein direktes Stülpen unseres Vorstellungsvermögens über [die äußeren Gegenstände vermittels des] vierdimensionalen Raumes.

Der Mensch war im Astralzustand [während früherer Stadien der Menschheitsevolution] nur ein Träumer, er hatte nur solche aufsteigenden Traumbilder.20 Er ist dann übergegangen vom Astralreich zum physischen Raum. Damit haben wir den Über­gang vom astralen zum [physisch-]materiellen Wesen mathema­tisch definiert. Bevor dieser Übergang geschah, war der astrale Mensch ein dreidimensionales Wesen und konnte deshalb nicht seine [zweidimensionalen] Vorstellungen auf die objektive [dreidi­mensionale physisch-materielle] Welt ausdehnen. Aber als er [selbst] physisch[-materiell] geworden ist, hat er noch die vierte Dimension hinzubekommen [und konnte demzufolge auch drei­dimensional erleben].

Durch die eigentümliche Einrichtung unseres Sinnesapparates sind wir imstande, unsere Vorstellungen mit den äußeren Gegen­ständen zur Deckung zu bringen. Indem wir unsere Vorstellungen auf äußere Dinge beziehen, gehen wir durch den vierdimensionalen Raum durch, stülpen die Vorstellung über den äußeren Gegenstand.

Wie würden sich die Dinge ausnehmen, wenn wir von der an­deren Seite aus schauen könnten, wenn wir in die Dinge hineintre­ten und sie von dort aus sehen könnten? Um das zu können, müßten wir durch die vierte Dimension hindurch.

Die Astralwelt selbst ist nicht eine Welt von vier Dimensionen. Aber die astrale Welt zusammen mit ihrer Spiegelung in der phy­sischen Welt ist vierdimensional. Wer imstande ist, die astrale

#SE324a-030

Welt und die physische Welt zugleich zu überschauen, der lebt im vierdimensionalen Raum. Das Verhältnis unserer physischen Welt zur astralen ist ein vierdimensionales.

Man muß begreifen lernen den Unterschied zwischen Punkt und Sphäre. [In der Wirklichkeit] wäre dieser Punkt nicht passiv, son­dern ein nach allen Seiten Licht ausstrahlender Punkt (Figur 13).

#Bild s. 30a

Welches wäre nun das Gegenteil eines solchen Punktes? Ge­nauso wie es einen Gegensatz zu einer Linie gibt, die von links nach rechts geht, nämlich eine Linie, die von rechts nach links geht, so gibt es auch einen Gegensatz zum [Licht ausstrahlenden] Punkt. Wir stellen uns eine riesige, in Wirklichkeit unendlich gro­ße, Kugel vor, die von allen Seiten, aber jetzt nach innen, Dunkel­heit verbreitet, Dunkelheit hereinschickt (Figur 14). Diese Kugel ist das Gegenteil des [Licht ausstrahlenden] Punktes.

#Bild s. 30b

#SE324a-031

Das sind zwei wirkliche Gegensätze: Der Licht ausstrahlende Punkt und der unendliche Raum, der nicht ein neutrales dunkles Gebilde ist, sondern der von allen Seiten her den Raum mit Dun­kelheit überflutet. [Als Gegensatz ergibt sich so] eine Quelle der Dunkelheit und eine Quelle des Lichts. Wir wissen, daß eine ge­rade Linie, die sich in die Unendlichkeit verliert, von der anderen Seite nach demselben Punkt zurückkehrt. Ebenso ist es bei einem Punkte, der nach allen Seiten Licht ausstrahlt. Dieses Licht kommt [aus der Unendlichkeit] als sein Gegenteil, als Dunkelheit zurück.

Nun betrachten wir den umgekehrten Fall. Nehmen Sie den Punkt als Quelle der Dunkelheit. Als Gegensatz ergibt sich ein Raum, der von allen Seiten Helle hereinstrahlt.

So wie dies neulich [im vorangehenden Vortrag] durchgenom­men wurde, so verhält es sich mit dem Punkt; er verliert sich nicht [in der Unendlichkeit, er kommt von der anderen Seite wieder zurück] (Figur 15).

#Bild s. 31

[Ganz entsprechend verliert sich ein Punkt, wenn er sich aus­dehnt oder hinausstrahlt, nicht im Unendlichen; er kommt als Sphäre aus dem Unendlichen zurück.] Die Sphäre, das Kugelför­mige, ist das Gegenteil des Punktes. Im Punkte lebt der Raum. Der Punkt ist das Gegenteil des Raumes.

Was ist [das Gegenteil] eines Würfels? Nichts anderes als der ganze unendliche Raum, abgerechnet das Stück, das hier [durch den Würfel] herausgeschnitten ist. So daß wir uns den [totalen] Würfel als unendlichen Raum vorstellen müssen plus sein Gegen­teil. Ohne Polaritäten kommen wir nicht aus, wenn wir uns die Welt kraftvoll dynamisch vorstellen [wollen]. [Erst so] haben wir die Dinge in ihrem Leben.

#SE324a-032

Würde sich der Okkultist den Würfel rot vorstellen, so würde der [übrige] Raum grün sein, denn Rot ist die Gegenfarbe von Grün. Der Okkultist hat nicht nur einfach Vorstellungen für sich selbst, er hat lebendige Vorstellungen, keine abstrakten, toten Vorstellungen. Der Okkultist muß aus sich heraus in die Dinge hineinkommen. Unsere Vorstellungen sind tot, während die Dinge in der Welt lebendig sind. Wir leben mit unseren abstrakten Vor­stellungen nicht in den Dingen selber. So müssen wir uns zum Licht ausstrahlenden Stern den unendlichen Raum in der entspre­chenden Ergänzungsfarbe hinzu vorstellen. Wenn man solche Übungen macht, kann man sein Denken schulen, bekommt man Vertrauen, wie man sich Dimensionen vorstellen kann.

Sie wissen, daß das Quadrat eine zweidimensionale Raumgröße ist. Ein Quadrat, zusammengesetzt aus vier rot- und blauschattier­ten Teilquadraten, ist eine Fläche, die in verschiedene Richtungen verschieden strahlt (Figur 16). Die Fähigkeit, in verschiedene Richtungen verschieden zu strahlen, ist eine dreidimensionale Fä­higkeit. Wir haben hier also die drei Dimensionen Länge, Breite und Strahlungsvermögen.

#Bild s. 32

Was wir hier mit der Fläche machten, denken wir uns auch für den Würfel ausgeführt. Ebenso wie das obige Quadrat aus vier Teilquadraten aufgebaut war, denken wir uns den Würfel aus acht Teilwürfeln aufgebaut (Figur 17). Daraus ergeben sich zunächst die drei Dimensionen Höhe, Breite und Tiefe. Innerhalb jedes LTeil-]Würfels wäre dann zu unterscheiden ein bestimmtes Licht­ausstrahlungsvermögen. Daraus ergibt sich zusätzlich zur Höhe, Breite und Tiefe eine weitere Dimension: das Strahlungsvermögen.

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#Bild s. 33

Sie können sich ein Quadrat aus vier Teilquadraten zusammen­gefügt denken, einen Würfel aus acht verschiedenen Teilwürfeln. Und nun denken Sie sich einen Körper, der nicht Würfel ist, son­dern der eine vierte Dimension hat. Wir haben uns die Möglich­keit geschaffen, dies zu verstehen durch das Strahlungsvermögen. Hat jeder [der acht Teilwürfel] ein verschiedenes Strahlungsver­mögen, so muß ich, wenn ich bloß den einen Würfel habe, der ein Strahlungsvermögen nur nach einer Seite hat, wenn ich den Würfel erhalten will, der nach allen Seiten strahlt, überall zu dem links-stehenden einen anderen noch hinzufügen, ihn mit einem ent­gegengesetzten verdoppeln, ich muß ihn aus 16 Würfeln zusam­mensetzen.21

Nächste Stunde werden wir die Möglichkeit bekommen, wie wir uns einen mehrdimensionalen Raum denken können.

DRITTER VORTRAG Berlin, 17. Mai 1905

#G324a-1995-SE034 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

DRITTER VORTRAG

Berlin, 17. Mai 1905

#TX

Meine lieben Freunde, ich werde heute mit dem schwierigen Ka­pitel fortfahren, das durchzunehmen wir unternommen haben. Dabei wird es notwendig sein, einmal auf die verschiedenen Dinge Bezug zu nehmen, die ich in den letzten [beiden] Vorträgen schon erwähnt habe. Dann möchte ich heute auch die Grundlinien, die Grundbegriffe schaffen, um uns in einer letzten und zweitletzten Stunde anhand der Modelle von Herrn Schouten 22 [die genaueren geometrischen Verhältnisse sowie] die interessanten praktischen Gesichtspunkte der Theosophie, völlig zu eigen zu machen. .

Sie wissen, wir haben den vierdimensionalen Raum seiner Möglichkeit nach aus dem Grunde uns vorzustellen versucht, da­mit wir uns wenigstens eine Art von Begriff schaffen können über das sogenannte astrale Gebiet sowie über die höheren Gebiete, das höhere Dasein überhaupt. Ich habe schon angedeutet, daß das Betreten des astralen Raumes, der astralen Welt, für den Geheim-schüler zunächst etwas ungeheuer Verwirrendes hat. Derjenige, welcher sich nicht näher mit diesen Dingen beschäftigt hat, wel­cher sich bis dahin nicht einmal theoretisch damit befaßt hat, der nicht einmal theoretisch Theosophie studiert hat, dem wird es außerordentlich schwer, sich überhaupt eine Vorstellung von der ganz verschiedenen Natur der Dinge und Wesenheiten zu machen, die uns entgegentreten in der sogenannten astralen Welt. Lassen Sie uns noch einmal mit ein paar Strichen hinweisen darauf, wie groß diese Verschiedenheit ist.

Als einfachstes habe ich erwähnt, daß wir jede Zahl lernen müssen symmetrisch zu lesen. Der Geheimschüler, der nur ge­wohnt ist, die Zahlen so zu lesen, wie man sie hier in der physi­schen Welt liest, wird sich durch das Labyrinth des Astralischen nicht durchfinden können. Wenn Sie im Astralen eine Zahl haben, zum Beispiel 467, so müssen Sie lesen: 764. Sie müssen sich daran gewöhnen, ein jedes Ding symmetrisch zu lesen, symmetrisch

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[spiegelbildlich] anzusehen. Das ist die Grundbedingung. Das ist noch leicht, solange wir bei Raumgebilden oder Zahlen sind. Schwieriger wird die Sache, wenn wir zu Zeitverhältnissen kom­men. Wenn wir zu Zeitverhältnissen kommen, so wird die Sache im Astralischen auch symmetrisch und zwar so, daß uns das Spä­tere zuerst und das Frühere später erscheint. Also wenn Sie astra­lische Vorgänge beobachten, so müssen Sie auch von rückwärts nach vorwärts, von hinten nach vorn lesen können. Diese Dinge kann man nur andeuten, weil sie manchmal ganz grotesk erschei­nen dem, der nie eine Vorstellung davon hatte. Im Astralen ist zuerst der Sohn da und dann der Vater, da ist zuerst das Ei da und dann das Huhn. Im Physischen ist das anders. Im Physischen wird zuerst geboren und dann ist das Geborensein ein Hervorgehen eines Neuen aus einem Alten. Im Astralischen ist das umgekehrt. Dort geht das Alte aus dem Neuen hervor. Im Astralischen ver­schlingt für die Erscheinung dasjenige, was väterlicher oder müt­terlicher Natur ist, dasjenige, was söhnlicher oder töchterlicher Natur ist.

Im Griechischen haben Sie eine hübsche Allegorie. Die drei Götter Uranos, Kronos und Zeus stellen symbolisch die drei Welten dar. Uranos stellt uns die himmlische Welt dar: Devachan; Kronos stellt uns das Astralische dar; Zeus das Physische. Von Kronos wird uns gesagt, daß er seine Kinder aufzehrte.23 Im Astralen wird also nicht geboren, sondern verzehrt.

Ganz kompliziert wird die Sache aber dann, wenn wir das Moralische auf dem astralischen Plan aufsuchen. Das erscheint auch in einer Art von Umkehrung oder Spiegelbild. Und deshalb können Sie sich auch denken, wie anders die Dinge erscheinen, als wenn wir uns die Dinge so auslegen, wie wir es gewohnt sind, sie im Physischen auszulegen. Da sehen wir im Astralischen zum Beispiel, daß ein wildes Tier an uns herankommt. Das ist nicht so aufzufassen wie im Physischen. Das wilde Tier würgt uns. Das ist die Erscheinung, die derjenige hat, welcher gewohnt ist, die Sache so zu lesen wie die äußeren Vorgänge. Das wilde Tier ist aber in Wahrheit etwas, was in uns selbst vorhanden ist, was in unserem

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eigenen Astralleib lebt und was uns würgt. Das, was als Würger an Sie herantritt, ist etwas, was in Ihrem eigenen Verlangen wurzelt. So können Sie erleben, daß, wenn Sie einen Rachegedanken haben, dieser Rachegedanke Ihnen als Würgeengel, der von außen an Sie herantritt, erscheint und Sie belästigt.

In Wahrheit strahlt [im Astralen] alles von uns aus. Wir müssen alles, was wir im Astralen an uns herankommen sehen, als von uns ausstrahlend betrachten (Figur 18). Von der Sphäre, von allen Seiten kommt es heran, gleichsam wie von dem unendlichen Raum dringt es in uns hinein. In Wahrheit ist es aber nichts anderes als das, was unser eigener Astralkörper nach außen schickt.

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Wir lesen das Astralische erst richtig, [finden erst dann] die Wahrheit, wenn wir imstande sind, das Peripherische in das Zen­trum zu bringen, das Peripherische als das Zentrale zu betrachten und zu deuten. Das Astralische scheint von allen Seiten auf Sie zuzukommen. Das ist so zu denken: In Wahrheit ist es etwas, was nach allen Seiten hin von Ihnen selbst ausstrahlt.

Ich möchte Sie hier gleich mit einem Begriffe bekannt machen, der sehr wichtig ist bei der okkulten Schulung. Er spukt in den verschiedensten Werken über okkulte Forschung herum, wird aber wenig richtig verstanden. Derjenige, der bis zu einer gewissen Stufe der okkulten Entwicklung gelangt ist, muß lernen, alles, was in ihm noch karmisch veranlagt ist, Freude, Lust, Schmerz und so weiter, in der astralischen Außenwelt zu sehen. Wenn Sie im rich­tigen Sinne theosophisch denken, werden Sie sich darüber klar sein, daß das äußere Leben, unser Leib, im gegenwärtigen Zeitalter

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weiter nichts ist als ein Ergebnis, ein Durchschnitt von zwei Strö­mungen, die von entgegengesetzten Richtungen kommen und in­einandergehen.

Denken Sie sich einmal eine Strömung von der Vergangenheit her und eine Strömung, die von der Zukunft herankommt, dann haben Sie zwei ineinandergehende, eigentlich in jedem Punkt sich durchkreuzende Strömungen (Figur 19). Denken Sie sich eine rote Strömung nach der [einen] Richtung und eine blaue Strömung nach der [anderen] Richtung. Und nun denken Sie sich in diesem Durchschnitt zum Beispiel vier verschiedene Punkte. [Dann haben wir in jedem dieser vier Punkte] ein Zusammenwirken dieser ro­ten und blauen Strömungen. [Das ist ein Bild für das Zusammen­wirken von] vier aufeinanderfolgenden Inkarnationen, wo in jeder Inkarnation uns etwas von der einen [und etwas von der anderen] Seite entgegenkommt. Da können Sie sich immer sagen, da ist eine Strömung, die Ihnen entgegenkommt und eine Strömung, die Sie mitbringen. Der Mensch fließt zusammen aus diesen beiden Strömungen.

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Sie bekommen eine Vorstellung davon, wenn Sie sich die Sache so denken. Heute sitzen Sie hier mit verschiedenen Erlebnissen, morgen werden Sie zur selben Stunde eine andere Summe von Ereignissen um sich haben. Denken Sie sich einmal die Ereignisse, die Sie bis morgen haben werden, wären schon alle da. Es wäre dann dasselbe Erlebnis, wie wenn Sie in ein Panorama blicken würden. Es wäre so, wie wenn Sie diesen Ereignissen entgegengin­gen, wie wenn diese Ereignisse Ihnen räumlich entgegenkommen. Stellen Sie sich also vor, der Strom, der von der Zukunft gegen Sie herankommt, bringe Ihnen diese Ereignisse entgegen, dann haben

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Sie in diesem Strom [enthalten] die Ereignisse zwischen heute und morgen. Sie lassen sich von der Vergangenheit die Ihnen entgegen-strömende Zukunft zutragen.

In jedem Zeitabschnitt ist Ihr Leben ein Durchschnitt von zwei Strömungen, von denen die eine von der Zukunft nach der Gegen­wart geht und die andere von der Gegenwart nach der Zukunft. Wo sich die Strömungen treffen, tritt eine Stauung ein. Alles, was der Mensch noch vor sich hat, muß er als astralische Erscheinung vor sich auftauchen sehen. Dieses ist etwas, was eine unglaublich eindrückliche Sprache spricht.

Denken Sie sich, daß der Geheimschüler [an den Punkt seiner Entwicklung kommt, wo er] hineinblicken soll in die astrale Welt, wo ihm die Sinne aufgeschlossen werden, so daß er das, was er noch bis zum Ablaufe der jetzigen Periode zu erleben haben würde, als äußere Erscheinung in der astralen Welt rings um sich auftauchen sehen würde. Das ist ein Anblick, der von ganz ein­dringlicher Art für jeden Menschen ist. Wir müssen also sagen, es ist eine wichtige Stufe im Verlauf der okkulten Schulung, daß dem Menschen als astralisches Panorama, als astralische Erscheinung, dasjenige entgegentritt, was er noch bis zur Mitte 4er sechsten Wurzelrasse - denn bis dahin gehen unsere Inkarnationen - zu erleben hat. Es erschließt sich ihm der Weg. Kein Geheimschüler wird es anders [erleben], als daß er als äußere Erscheinung das entgegentreten sieht, was er in der näheren Zukunft bis zur sech­sten Wurzelrasse [noch] vor sich hat.

Wenn der Schüler bis zur Schwelle vorgeschritten ist, dann tritt an ihn die Frage heran: Willst Du dieses alles in der denkbar kür­zesten Zeit durchleben? Denn darum handelt es sich für den­jenigen, der die Einweihung empfangen will. Wenn Sie sich das überlegen, so haben Sie Ihr eigenes zukünftiges Leben in einem Moment als äußeres Panorama vor sich. Das ist wiederum das­jenige, was uns die Anschauung des Astralischen charakterisiert. Dies ist für den einen Menschen so, daß er sich sagt: Nein, da gehe ich nicht hinein. Für den anderen dagegen ist es so, daß er sich sagt: Ich muß hinein. Diesen Punkt der Entwickelung nennt man

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die «Schwelle», die Entscheidung, und die Erscheinung, die man da hat, sich selbst mit allem, was man noch zu erfahren und zu erleben hat, die nennt man den «Hüter der Schwelle». Der Hüter der Schwelle ist also nichts anderes als unser eigenes künftiges Leben. Wir selbst sind es. Unser eigenes zukünftiges Leben liegt hinter der Schwelle.

Wiederum eine Eigentümlichkeit der astralischen Erschei­nungswelt sehen Sie darin, daß derjenige, dem durch irgendein Ereignis - und es gibt solche Ereignisse im Leben - die astralische Welt plötzlich geöffnet wird, zunächst vor etwas Unverständli­chem stehen muß. Das ist ein furchtbarer Anblick, der nicht ver­wirrender gedacht werden kann für alle diejenigen Menschen, auf welche, unvorbereitet, durch irgendein Ereignis plötzlich die astrale Welt hereinbricht. Es ist daher im eminentesten Sinne gut, das zu wissen, was wir jetzt besprochen haben, damit man im Falle des Hereinbrechens der astralen Welt weiß, was man zu tun hat. Es kann ein pathologisches Ereignis sein, eine Lockerung zwischen dem physischen Leib und dem Ätherleib oder zwischen dem Ätherleib und dem Astralleib. Durch solche Ereignisse kann der Mensch in die Lage versetzt sein, unvermutet in die astrale Welt zu kommen, in das astrale Leben einen Einblick zu tun. Ist das der Fall, dann kommt er und erzählt, daß er diese oder jene Erscheinung sieht. Er sieht es und versteht es nicht zu lesen, weil er nicht weiß, daß er symmetrisch zu lesen hat, daß er jedes wilde Tier, das an ihn herankommt, aufzufassen hat als die Spiegelung von dem, was in ihm selbst liegt. In der Tat, die astralischen Kräfte und Leidenschaften des Menschen erscheinen im Kamaloka in den mannigfaltigsten Formen der tierischen Welt.

Es ist kein besonders schöner Anblick, wenn man im Kamaloka die Menschen sieht, welche eben erst entkörpert worden sind. In diesem Augenblick haben sie noch alle ihre Leidenschaften, Trie­be, Wünsche und Begierden an sich. Solch ein Mensch im Kama­loka hat zwar seinen physischen Körper nicht mehr und auch keinen Ätherkörper mehr, aber in seinem Astralkörper hat er noch alles dasjenige, was ihn mit der physischen Welt verbunden hat,

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was nur durch den physischen Körper befriedigt werden kann. Denken Sie sich einmal einen gewöhnlichen Durchschnittsbürger der Gegenwart, der in seinem vergangenen Leben nichts besonde­res geworden ist und sich auch keine Mühe gegeben hat, etwas zu erreichen, der nie viel getan hat zu seiner religiösen Entwickelung, der die Religion vielleicht nicht theoretisch, aber praktisch, das heißt in der Empfindung und Gesinnung über Bord geworfen hat. Sie ist dann bei ihm kein lebendiges Element. Was enthält dann sein Astralkörper? Es sind nur Dinge, die befriedigt werden kön­nen durch den physischen Organismus. Er verlangt zum Beispiel nach Gaumengenuß. Der Gaumen müßte dafür aber da sein, damit diese Begierde befriedigt werden kann. Oder der Mensch verlangt nach anderen Freuden, die nur dadurch, daß er seinen physischen Körper in Bewegung setzt, befriedigt werden können. Nehmen Sie an, er hätte eine solche Begierde, aber der Körper wäre weg. Dann lebt das alles in seinem Astralkörper. Das ist die Lage, in welcher der Mensch ist, wenn er ohne eine astralische Reinigung und Läu­terung hingestorben ist. Er hat noch die Begierde nach dem Gau­mengenuß und den anderen Dingen, aber nicht die Möglichkeit, sie zu befriedigen. Dadurch entsteht das, was das Quälende, das Furchtbare des Kamaloka-Lebens ist. Deshalb muß die Begierde im Kamaloka abgelegt werden, wenn der Mensch ohne astrale Läuterung stirbt. Erst wenn dieser astralische Leib so weit ist, daß er es gelernt hat, daß er seine Begierden und Wünsche nicht mehr befriedigen kann, daß er sie sich abgewöhnen muß, dann ist er befreit.

[In der Astralwelt nehmen] die Triebe und Leidenschaften tie­rische Gestalten an. Solange der Mensch im physischen Körper verkörpert ist, so lange richtet sich sein Astralleib in der Gestalt etwas nach diesem physischen Leib. Wenn aber der äußere Leib weg ist, dann kommen die Triebe, Begierden und Leidenschaften, so wie sie in ihrer tierischen [Natur] sind, in ihrer eigenen Gestalt zur Geltung, zum Durchbruch. So ist also der Mensch in der Astralwelt ein Abbild seiner Triebe und Leidenschaften.

Weil sich diese Astralwesen anderer Körper bedienen können,

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deshalb ist es gefährlich, Medien in Trance kommen zu lassen, wenn nicht ein Hellseher dabei ist, der Böses abwenden kann.

Der Löwe ist in der physischen Welt ein plastischer Ausdruck bestimmter Leidenschaften, der Tiger ist ein Ausdruck von ande­ren Leidenschaften, die Katze wieder von anderen. Es ist interes­sant zu sehen, wie jedes Tier der plastische Ausdruck einer Lei­denschaft, eines Triebes ist.

Im Astralischen, im Kamaloka, ist also der Mensch durch seine Leidenschaften annähernd ähnlich [der Tier-Natur]. Daher kommt das Mißverständnis, das man den ägyptischen und indi­schen Priestern und Weisheitslehrern entgegengebracht hat in be­zug auf die Lehre von der Seelenwanderung. Ihr sollt so leben, daß ihr nicht im Tiere verkörpert werdet, sagt diese Lehre. Niemals spricht diese Lehre aber vom physischen Leben, sondern von dem höheren Leben und das, was sie wollte, war nichts anderes, als die Menschen auf der Erde zu einem solchen Leben zu bewegen, daß sie nach dem Tode im Kamaloka nicht ihre tierische Gestalt aus­bilden müssen. Wer das Charakteristische einer Katze ausbildet, erscheint im Kamaloka als Katze. Daß man auch im Kamaloka als Mensch erscheint, das ist der Sinn der Vorschriften der Lehre von der Seelenwanderung. Die wahren Lehren haben die Gelehrten nicht verstanden, sie haben nur eine absurde Vorstellung davon.

So haben wir gesehen, daß wir es zu tun haben, wenn wir den Astralraum betreten, auf jedem Gebiet - auf dem Gebiete der Zahl, der Zeit und auf dem Gebiete des moralischen Lebens - mit einem vollständigen Spiegelbild dessen, was wir hier im Physi­schen gewohnheitsmäßig eigentlich denken und tun. Wir müssen uns daran gewöhnen, symmetrisch zu lesen, denn wir müssen das können, wenn wir den Astralraum betreten.

Sich gewöhnen, symmetrisch zu lesen, kann der Mensch am leichtesten, wenn er anknüpft an solche elementare mathematische Vorstellungen, wie wir sie im verflossenen Vortrag angedeutet haben, und wie wir sie in den folgenden Auseinandersetzungen immer mehr und mehr kennenlernen werden. Ich möchte zu­nächst eine ganz einfache Vorstellung nehmen, nämlich anknüpfen

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an die Vorstellung eines Quadrates. Stellen Sie sich einmal ein Quadrat vor, wie Sie gewohnt sind, es zu sehen (Figur 20). Ich werde das Quadrat so zeichnen, daß die vier Seiten desselben in vier verschiedenen Farben gezeichnet sind.

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Dies ist der physische Anblick des Quadrates. Nun möchte ich Ihnen zunächst den Devachan-Anblick des Quadrates an die Tafel zeichnen. Ganz genau kann man es nicht, ich möchte damit aber doch annähernd eine Vorstellung geben, wie im Mentalen ein Quadrat aussehen würde. Das mentale Gegenbild [eines Quadra­tes] ist annähernd wie ein Kreuz (Figur 21).

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Wir haben es in der Hauptsache mit zwei aufeinander senkrecht stehenden, sich schneidenden Achsen zu tun. Zwei Linien, die durch einander durchlaufen, dann haben Sie es auch. Das physi­sche Gegenbild entsteht dadurch, daß auf jede dieser Achsen senk­rechte Linien gezogen werden. Das physische Gegenbild eines mentalen Quadrates können Sie sich am besten vorstellen als Stau­ung [zweier sich gegenseitig durchkreuzender Strömungen]. Denken

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wir uns diese aufeinander senkrecht stehenden Achsenlinien als Strömungen, als Kräfte, die vom Schnittpunkt aus nach außen wirken, und auf diese Strömungen, nur jetzt in der Richtung von außen nach innen, Gegenströmungen (Figur 22). Dann kommt ein Quadrat in die physische Welt dadurch hinein, daß man sich diese beiden Arten von Strömungen oder Kräften - die eine von innen, die andere von außen her - als sich gegeneinander stauend vor­stellt. Die Kräfteströmungen werden also durch Stauungen be­grenzt.

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Damit habe ich ein Bild gegeben, wie sich überhaupt alles Mentale verhält zum Physischen. Ebenso können Sie sich für jedes physische Ding das mentale Gegenbild konstruieren. Das Quadrat hier ist nur ein allereinfachstes Beispiel.

Könnten Sie für ein jegliches Ding im Physischen ebenso sich ein Korrelat konstruieren, das sich zu dem Physischen so verhält wie zwei aufeinander senkrecht stehende Linien sich zu einem Quadrat verhalten, dann würden Sie für ein jegliches physisches Ding das Devachan- oder Mentalbild erhalten. Mit anderen Sachen ist es natürlich viel komplizierter.

Denken Sie sich jetzt einmal statt des Quadrates einen Würfel. Der Würfel ist dem Quadrat sehr ähnlich. Der Würfel ist ein Körper, der von sechs Quadraten begrenzt ist. Diese sechs Qua­drate, die den Würfel begrenzen, hat Herr Schouten extra ge­macht. Denken Sie sich nun einmal statt der vier begrenzenden Linien, wie sie beim Quadrate vorhanden sind, sechs begrenzende

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Flächen. Denken Sie sich, daß wir statt der senkrechten Linien als Stauung senkrechte Flächen hätten, und nehmen Sie noch ferner an, daß Sie nicht zwei, sondern drei aufeinander [senkrecht] ste­hende Achsen haben, dann begrenzen Sie den Würfel. Nun kön­nen Sie sich wohl auch vorstellen, wie das mentale Korrelat des Würfels ist. Sie haben wiederum zwei Dinge, die sich gegenseitig fordern. Der Würfel hat drei aufeinander senkrecht stehende Ach­sen und drei Flächenrichtungen; [wir müssen in diesen] drei Flächen[richtungen] Stauungswirkungen denken (Figur 23). Die drei Achsen[richtungen] und die sechs Flächen, wie vorher [beim Quadrat] die zwei Achsen[richtungen] und vier Linien, können wir uns nicht [in einem anderen Verhältnis] vorstellen, als indem wir an einen gewissen Gegensatz denken.

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Jeder, der etwas nachdenkt, wird sich hier sagen müssen, daß wir uns dies nicht vorstellen können, ohne einen gewissen Begriff des Gegensatzes zu bilden, nämlich den Gegensatz des Wirkens und einer Stauung, eines Gegenwirkens. Den Begriff des Gegen­satzes müssen Sie hier hineinlegen. Hier ist die Sache noch einfach. Dadurch, daß wir uns an geometrischen Begriffen heranranken, werden wir es dahin bringen, uns die mentalen Gegenbilder auch komplizierterer Dinge sachgemäß zu konstruieren. Dann werden wir den Weg finden und einigermaßen zu höherer Erkenntnis gelangen. Sie können sich aber jetzt schon denken, welche kolossale

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Kompliziertheit sich ergibt, wenn Sie sich einen anderen Körper denken und Sie sich sein mentales Gegenbild aufsuchen. Da kommen viele komplizierte Dinge zum Vorschein. Und wenn Sie sich noch einen Menschen denken würden und sein mentales Gegenbild mit allen räumlichen Formen und seinem Wirken, so können Sie sich denken, welches komplizierte mentale Gebilde dieses gibt. Nur annähernd konnte ich in meinem Buche «Theo­sophie» ein Bild davon geben, wie mentale Gegenbilder ungefähr aussehen.

Wir haben drei Ausdehnungen, drei Achsen beim Würfel. Auf jeder Achse haben wir beiderseits die entsprechenden senkrechten Ebenen. Sie müssen also jetzt sich klar sein darüber, daß der Ge­gensatz, von dem ich gesprochen habe, so aufzufassen ist, daß Sie sich jede Fläche des Würfels denken als entstanden so ähnlich, wie ich früher das menschliche Leben beschrieben habe, entstanden als ein Durchschnitt zweier Strömungen. Sie können sich vorstellen, daß vom Mittelpunkt ausgehen Strömungen. Sie denken sich den Raum in der einen Achsenrichtung, vom Mittelpunkt aus nach außen strömend, und in der anderen Richtung, von der Unend­lichkeit her, entgegenströmend eine andere Strömung. Und dies [stellen Sie sich vor] in zwei Farben strömend, die eine rot, die andere blau. In dem Momente, wo sie zusammentreffen, werden sie in eine Fläche strömen, wird eine Fläche entstehen, so daß wir also die Fläche des Würfels annehmen können als das Zusammen­treffen zweier entgegengesetzter Strömungen in einer Fläche. Das gibt eine lebendige Vorstellung von dem, was ein Würfel ist.

Der Würfel ist also ein Durchschnitt dreier aufeinander wirken­der Strömungen. Wenn Sie sich das zusammendenken, so haben Sie es nicht mit drei, sondern mit sechs Richtungen zu tun, mit vorwärts-rückwärts, oben-unten, rechts-links. So haben Sie sechs Richtungen. Und tatsächlich ist das auch der Fall. Sodann kompli­ziert sich die Sache noch dadurch, daß Sie zwei Arten von Strö­mungen haben: Die eine in der Richtung von einem Punkt ausge­hend, die andere aus der Unendlichkeit entgegenkommend. Dies wird Ihnen einen Gesichtspunkt geben zu dem, was die praktische

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Verwertung der höheren, theoretischen Theosophie ist. Ich habe jede Richtung des Raumes aufzufassen als zwei entgegengesetzte Strömungen. Und wenn Sie sich dann einen physischen Körper vorstellen, dann haben Sie in diesem physischen Körper das Er­gebnis dieser zwei ineinanderlaufenden Strömungen.

Bezeichnen wir nun diese sechs Strömungen, diese sechs Rich­tungen, mit sechs Buchstaben a, b, c, d, e, f Wenn Sie sich diese sechs Richtungen oder Strömungen vorstellen könnten - das näch­ste Mal werden wir dazu kommen, diese Vorstellungen bilden zu können -, und Sie würden davon die erste und letzte, a und f, wegdenken, getilgt denken, dann blieben Ihnen vier übrig. Und das bitte ich Sie nun zu berücksichtigen: Diese vier, die übrigblei­ben, sind die vier, die Sie wahrnehmen können, wenn Sie die astra­lische Welt allein sehen.

Ich habe versucht, Ihnen eine Vorstellung zu geben von den drei [gewöhnlichen Dimensionen] und von drei [weiteren] Dimen­sionen, die sich eigentlich entgegengesetzt dazu verhalten. Da­durch, daß diese Dimensionen sich entgegengesetzt zueinander verhalten und durch ihr Entgegenwirken ein Resultat ergeben, entstehen die physischen Körper. Denken Sie sich aber vom Phy­sischen etwas [eine Dimension] weg und auf der anderen Seite von dem Mentalen etwas [eine Dimension] weg, so bleiben uns vier Dimensionen übrig. Diese stellen dann die zwischen der physi­schen und mentalen Welt existierende astrale Welt dar.

Die Weltbetrachtung des Theosophen ist tatsächlich eine sol­che, daß sie mit einer Geometrie im höheren Sinne zu arbeiten notwendig hat, welche über die gewöhnliche Geometrie hinaus­geht. Der gewöhnliche Geometer beschreibt den Würfel als von sechs Quadraten begrenzt. Wir müssen den Würfel auffassen als ein Ergebnis von sechs ineinanderlaufenden Strömungen, also als Ergebnis einer Bewegung und ihrer Umkehrung, eines Zusam­menwirkens entgegengesetzter Kräfte.

Ich möchte Ihnen noch an der großen Natur draußen einen sol­chen Begriff zeigen, wo wirklich ein Gegensatz stattgefunden hat, der vor den Augen des Menschen ein tiefes Geheimnis des Werdens

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der Welt enthält. Goethe spricht in dem «Märchen von der Schlange und der Lilie» von dem «offenbaren Geheimnis», und das ist eines der wahrsten und klügsten Worte, die überhaupt zu prägen sind.24 Es ist wahr, es gibt in der Natur Geheimnisse, die mit Händen zu greifen sind, aber von den Menschen nicht gesehen werden. Mit Umkehrungsprozessen haben wir es in der Natur vielfach zu tun. Einen solchen Umkehrungsprozeß möchte ich Ihnen vorführen.

Vergleichen wir einmal den Menschen mit der Pflanze. Der Mensch mit der Pflanze verglichen ergibt folgendes. Was ich jetzt sage, ist keine Spielerei, wenn es auch zunächst so aussieht wie eine Spielerei. Es ist etwas, was auf ein tiefes Mysterium hinweist. Was hat die Pflanze im Boden? Die Wurzel. Und nach oben ent­wickelt sie Stengel, Blätter, Blüte und Frucht. Das Haupt der Pflanze, die Wurzel, steckt in der Erde, und die Organe der Fort­pflanzung entwickelt sie nach oben, der Sonne entgegen, was wir die keusche Art der Fortpflanzung nennen können. Denken Sie sich die ganze Pflanze umgekehrt, die Wurzel zum Haupte des Menschen gemacht. Dann haben Sie im Menschen, der das Haupt oben hat, und dessen Fortpflanzungsorgane unten liegen, die umgekehrte Pflanze. Und das Tier steht mitten darinnen, als Stau­ung. Wenn Sie die Pflanze umkehren, bekommen sie den Men­schen. Mit drei Strichen zeichnen dies deshalb die Okkultisten aller Zeiten (Figur 24).

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Einen [Strich] als Symbolum der Pflanze, einen als [Symbolum] des Menschen, und einen entgegengesetzten als das [Symbolum] des Tieres - drei Striche, die zusammen das Kreuz bilden. Das Tier hat die Querlage, es durchkreuzt also das, was wir mit der Pflanze gemeinsam haben.

Sie wissen, wir sprechen von einer Allseele, von der Plato sagt, sie ist an den Weltenleib gekreuzigt, sie ist an das Kreuz des Weltenleibes gefesselt.25 Stellen Sie sich die Weltenseele als Pflan­ze, Tier und Mensch vor, so haben Sie das Kreuz. Indem die Welt-seele in diesen drei Reichen lebt, lebt sie gefesselt an dieses Kreuz. Dadurch werden Sie den Begriff der Stauung erweitert finden. Sie werden ihn durch etwas erweitert finden in der Natur. Zwei sich ergänzende, auseinanderlaufende, [aber] ineinandergreifende Strö­mungen bilden Pflanze und Mensch, die Stauung dabei ist das Tier. So stellt sich das Tier tatsächlich hinein zwischen eine Auf­wärts- und eine Abwärtsströmung. So stellt sich das Kamaloka [Astralsphäre] hinein zwischen Devachan und die physische Welt. So stellt sich tatsächlich zwischen diese beiden Welten, die sich symmetrisch zueinander verhalten, zwischen Devachan und die physische Welt, etwas hinein, das dazwischen wirkt, das nach beiden Seiten wirkt wie eine Stauungsfläche. Der äußere Ausdruck dieser Kamaloka-Welt ist die tierische Welt.

Diejenigen, die schon Organe haben für diese Welt, die mit Kraft ergriffen werden muß, werden erkennen, was wir in den drei Reichen, in ihrer gegenseitigen Beziehung zueinander zu se­hen haben. Wenn Sie das Tierreich als hervorgegangen aus einer Stauung auffassen, wenn Sie die drei Reiche als gegenseitige Stau­ung auffassen, dann werden Sie die Stellung finden, welche das Pflanzenreich zu dem Tierreich und das Tierreich zu dem Men­schenreich hat. Das Tier steht senkrecht zu den beiden anderen Richtungen, und die anderen sind zwei sich ergänzende, ineinan­dergehende Strömungen. Das [jeweils] niederere Reich dient dem höheren als Nahrungsmittel. Das ist etwas, was einen kleinen Lichtblick auf die ganz andere Art der Verwandtschaft zwischen Mensch und Pflanze und zwischen Tier und Mensch gestattet.

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Wer sich vom Tiere nährt, macht sich daher mit einer Stauung verwandt.

Das wirkliche Wirken besteht in der Begegnung entgegenge­setzter Strömungen. Das ist ein Anfang zu einer Gedankenreihe, die Sie vielleicht später noch in einer merkwürdigen Weise ganz anders auftreten sehen werden.

Wir haben also gesehen: Das Quadrat entsteht dadurch, daß zwei Achsen durch Linien geschnitten werden. Der Würfel ent­steht dadurch, daß drei Achsen durch Flächen geschnitten werden. Können Sie sich nun denken, daß vier Achsen durch etwas ge­schnitten werden? Der Würfel ist die Grenze desjenigen Raumge­bildes, das entsteht, wenn vier Achsen geschnitten werden.

Das Quadrat begrenzt den dreidimensionalen Würfel. Wir wer­den das nächste Mal sehen, wessen Grenze der Würfel selber ist. Der Würfel begrenzt ein vierdimensionales Gebilde.

Fragen beantwortung

[Was bedeufet es, sich] sechs Strömungen zu denken, von denen man sich je zwei getilgt vorstellen muß, und so weiter?

Die sechs Strömungen müssen gedacht werden als zweimal drei Strömungen: drei von innen heraus wirkend gemäß den drei Ach­senrichtungen, und die anderen drei als diesen von der Unendlich­keit her entgegenströmend. Für jede Achsenrichtung ergeben sich so zwei Arten, eine von innen nach außen gehend, die andere dieser entgegengesetzt von außen kommend nach innen. Setzen wir für die beiden Kategorien positiv und negativ, plus und minus, so haben wir:

+a -a

+b -b

+c -c

Und davon [müssen wir, um zum astralen Raum zu kommen,] eine ganze Richtung, [zum Beispiel die] Innen- und Außenströ­mung, getilgt denken, also zum Beispiel +a und -a.

VIERTER VORTRAG Berlin, 24. Mai 1905

#G324a-1995-SE050 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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VIERTER VORTRAG

Berlin, 24. Mai 1905

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Ich versuchte neulich, schematisch Ihnen eine Vorstellung vom vierdimensionalen Raum zu geben. Es würde dies aber sehr schwer sein, wenn wir nicht in einer Art von Analogie uns ein Bild von dem vierdimensionalen Raum zu machen in der Lage wären. Wenn es sich darum handelte, unsere Aufgabe zu charakterisieren, so würde es dies sein: ein vierdimensionales Gebilde aufzuzeigen hier im dreidimensionalen Raum. Zunächst steht üns ja nur der dreidimensionale Raum zur Verfügung. Wollen wir sozusagen etwas, was uns unbekannt ist, anknüpfen an etwas Bekanntes, so müssen wir uns, ebenso wie wir uns ein Dreidimensionales ins Zweidimensionale abgebildet haben, ein Vierdimensionales her­einholen in die dritte Dimension. Nun möchte ich an der Methode des Herrn Hinton 26 möglichst populär zeigen, wie der vierdimen­sionale Raum innerhalb der drei Dimensionen abzubilden ist. Ich möchte also zeigen, wie diese Aufgabe gelöst werden kann.

Zunächst lassen Sie mich davon ausgehen, wie man den dreidi­mensionalen Raum in den zweidimensionalen Raum hineinbringt. Unsere Tafel hier ist ein zweidimensionaler Raum. Würden wir zur Höhe und Breite eine Tiefe hinzunehmen, so hätten wir den dreidimensionalen Raum zusammen. Nun wollen wir versuchen, uns ein dreidimensionales Gebilde anschaulich auf der Tafel abzu­bilden.

Der Würfel ist ein dreidimensionales Gebilde, weil er aus Höhe, Breite und Tiefe besteht. Versuchen wir, ihn in den zwei­dimensionalen Raum zu bringen, also auf die Ebene. Wenn Sie den ganzen Würfel nehmen und ihn abrollen, oder besser abwickeln, so können Sie das auf folgende Art machen. Die Seiten, die sechs Quadrate, die wir im dreidimensionalen Raum haben, können wir einmal ausbreiten in einer Ebene (Figur 25). So könnte ich mir also die Begrenzungsflächen des Würfels auf der Ebene ausgebreitet denken in einer Kreuzesfigur.

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Es sind sechs Quadrate, die sich wieder zum Würfel ergänzen, wenn ich sie wieder zurückklappe, - so also, daß Quadrat 1 und 3, 2 und 4, und ebenso 5 und 6 einander gegenüberstehend sind. So haben wir ein dreidimensionales Gebilde einfach hineingelegt in die Ebene.

Das ist eine Methode, die wir so nicht unmittelbar gebrauchen können, um die vierte Dimension in den dreidimensionalen Raum zu zeichnen. Dafür müssen wir eine andere Analogie suchen. Wir müssen da Farben zu Hilfe nehmen. Dazu werde ich die sechs Quadrate ihren Seiten nach mit verschiedenen Farben bezeichnen. Die einander [im Würfel] gegenüberliegenden Quadrate, wenn sie aufgeklappt sind, sollen gleiche Farben haben. Ich werde die Quadrate 1 und 3 so zeichnen, daß die einen Seiten rot [punktierte Linien] und die anderen blau [durchgezogene Linien] sind. Nun werde ich mal diese Quadrate so ergänzen, daß ich Blau für die ganze horizontale Richtung beibehalte (Figur 26>. Ich werde also alle diejenigen Seiten, die in diesen Quadraten vertikal sind, rot zeichnen, und alle horizontalen blau machen.

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Wenn Sie sich diese zwei Quadrate 1 und 3 ansehen, so haben Sie die zwei Dimensionen, die die Quadrate haben, in zwei Far­ben, Rot und Blau, ausgedrückt. So würde also hier für uns [an der senkrechten Tafel, wo das Quadrat 2 an der Tafel «klebt»] Rot die Höhe und Blau die Tiefe bedeuten.

Halten wir nun das fest, daß wir überall, wo die Höhe auftritt, Rot anwenden, und dort, wo die Tiefe auftritt, Blau; und dann wollen wir für die dritte Dimension, die Breite, Grün [gestrichelte Linie] nehmen. Nun wollen wir uns in dieser Weise den auseinan­dergeklappten Würfel ergänzen. Das Quadrat 5 hat Seiten, welche blau und grün sind, also muß das Quadrat 6 ebenso aussehen. Nun bleiben noch die Quadrate 2 und 4 übrig, und wenn Sie sich die aufgeklappt denken, so ergibt sich, daß die Seiten rot und grün sein werden.

Nun sehen Sie, wenn Sie sich das einmal vergegenwärtigen, so haben wir die drei Dimensionen in drei Farben verwandelt. Für Höhe, Breite, Tiefe sagen wir jetzt Rot [punktiert], Grün [gestri­chelt], Blau [durchgezogen]. Wir nennen an Stelle der drei Raum-dimensionen die drei Farben, die uns also dafür Bilder sein sollen. Wenn Sie sich den ganzen Würfel aufgeklappt denken, so können Sie sich zu zwei Dimensionen die dritte in der Weise erklären, als hätten Sie so zum Beispiel das blau-rote Quadrat [etwa von links nach rechts in Figur 26] durch Grün durchmarschieren lassen. Wir wollen sagen, Rot und Blau seien durch Grün hindurchgegangen. Das Durchmarschieren durch Grün, das Verschwinden in der drit­ten Farbendimension, wollen wir bezeichnen als den Durchgang durch die dritte Dimension. Denken Sie sich also, der grüne Nebel färbe dabei das rot-blaue Quadrat, so werden beide Seiten - rot wie blau - gefärbt erscheinen. Blau wird ein Blaugrün und Rot eine trübe Schattierung annehmen, und erst dort, wo das Grün aufhört, werden beide wieder in ihrer eigenen Farbe erscheinen. Dasselbe könnte ich mit den Quadraten 2 und 4 machen. Ich ließe also das rot-grüne Quadrat sich durch einen Raum bewegen, der blau ist, und dasselbe können Sie dann mit den beiden anderen Quadraten 5 und 6 vornehmen, wo das blau-grüne Quadrat das

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Rot passieren müßte. Ein jedes Quadrat lassen Sie auf diese Art auf der einen Seite verschwinden, in eine andere Farbe untertau­chen. Es nimmt durch diese dritte Farbe selbst eine andere Fär­bung an, bis es auf der anderen Seite wieder in seiner Ursprüng­lichkeit heraustritt.

Wir haben so eine sinnbildliche Darstellung unseres Würfels durch drei aufeinander senkrecht stehende Farben. Wir haben durch drei Farben einfach die drei Richtungen dargestellt, mit denen wir es hier zu tun haben. Wenn wir uns vorstellen wollen, welche Veränderung die drei Paare der Quadrate erlitten haben, so können wir es dadurch, daß einmal die Quadrate durchgehen durch das Grün, das zweite Mal gehen sie durch das Rot, und das dritte Mal durch das Blau durch.

Nun denken Sie sich statt dieser [gefärbten] Linien einmal selbst Quadrate und für den bloßen Raum auch überall selbst Quadrate. Dann kann ich die ganze Figur noch anders zeichnen (Figur 27). Wir zeichnen uns das Durchgangsquadrat blau, und die beiden, welche durchgehen - vor und nach dem Durchgang -, zeichnen wir oben und unten daneben, also hier rot-grün. [In einem zweiten Schritt] nehme ich das rote Quadrat als dasjenige, welches die blau-grünen Quadrate durch sich hindurchgehen läßt. Und [in einem dritten Schritt] haben wir hier das grüne Quadrat. Durch das grüne Quadrat gehen die zwei entsprechenden anderen Farben durch, also Rot und Blau.

Sie sehen, jetzt habe ich Ihnen hier eine andere Form der Aus­breitung gezeigt mit neun nebeneinanderliegenden Quadraten, wovon aber nur sechs LBegrenzungen] am Würfel selbst sind, nämlich die oben und unten in der Figur gezeichneten Quadrate (Figur 27). Die anderen drei [mittleren] Quadrate sind Durch­gangsquadrate, die nichts anderes bezeichnen, als das Verschwin­den der einzelnen Farben in einer dritten [Farbe]. [Für die Durch­gangsbewegung haben wir] also immer zwei Dimensionen zusam­menzunehmen, weil jedes dieser Quadrate [in der oberen und unteren Reihe] aus zwei Farben zusammengesetzt ist und in der Farbe verschwindet, die es nicht selbst enthält. Damit diese Quadrate

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[jeweils wieder] auf der anderen Seite erscheinen, lassen wir sie also in der dritten Farbe verschwinden. Rot und Blau ver­schwinden durch Grün, Rot und Grün haben kein Blau, ver­schwinden also durch Blau [und Grün und Blau verschwinden durch Rot].

#Bild s. 54

So also, sehen Sie, haben wir hier die Möglichkeit, unseren Würfel durch Quadrate aus zwei Farbendimensionen zusammen-zusetzen, die durch die dritte Farbendimension hindurchgehen.27

Nun liegt es nahe, daß wir uns statt der Quadrate Würfel vor­stellen und setzen dabei die Würfel aus drei Farbendimensionen zusammen - ebenso wie wir das Quadrat aus zweierlei gefärbten Linien zusammengesetzt haben -, so daß wir drei Farben haben, nach den drei Dimensionen des Raumes. Wollen wir nun dasselbe machen, was wir beim Quadrat gemacht haben, so müssen wir eine vierte Farbe hinzunehmen. Dadurch werden wir den Würfel ebenso verschwinden lassen [können], natürlich nur durch eine Farbe, die er nicht selbst hat. - Statt der drei Durchgangsquadrate haben wir nun einfach vier Durchgangswürfel aus vier Farben:

Blau, Weiß, Grün und Rot. Also statt des Durchgangsquadrates haben wir den Durchgangswürfel. Herr Schouten hat nun in sei­nen Modellen diese farbigen Würfel hergestellt.28

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Nun müssen wir, wie wir hier ein Quadrat durch ein anderes gehen ließen, das nicht seine Farbe hat, so müssen wir jetzt einen Würfel durch einen anderen durchgehen lassen, der seine Farbe nicht hat. Wir lassen also den weiß-rot-grünen Würfel durch einen blauen hindurchgehen. Er wird auf der einen Seite in die vierte Farbe untertauchen und auf der anderen Seite wieder in seinen [ursprünglichen] Farben erscheinen (Figur 28.1).

#Bild s. 55

So haben wir hier eine [Farben-IDimension, die von zwei Würfeln begrenzt wird, die drei farbige Flächen haben. In dersel­ben Weise müssen wir nun durch den weißen Würfel den grün-blau-roten Würfel durchgehen lassen (Figur 28.2>, ebenso dann den blau-weiß-roten Würfel durch das Grün (Figur 28.3). Bei der letzten Figur (Figur 28.4) haben wir einen blau-grün-weißen Würfel, der durch eine rote Dimension durchgehen muß, das heißt, in einer Farbe verschwinden muß, die er nicht selbst hat, um nachher wieder in seinen ureigenen Farben auf der anderen Seite zu erscheinen.

Diese vier Würfel verhalten sich genauso wie vorhin unsere drei Quadrate. Wenn Sie sich nun klarmachen, daß wir sechs Quadrate

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brauchen, damit ein Würfel begrenzt wird, so haben wir acht Würfel nötig, 29 um ein analoges vierdimensionales Gebilde, den Tessarakt, zu begrenzen..30 Wie wir dort drei Hilfsquadrate be­kommen haben, die nur das Verschwinden durch die andere Di­mension bedeuten, so bekommen wir hier im ganzen zwölf Wür­fel, welche sich zueinander so verhalten, wie diese neun Figuren in der Ebene sich verhalten. Dann haben wir dasselbe mit dem Würfel getan, was wir früher mit den Quadraten taten, und indem wir jedesmal eine neue Farbe wählten, trat eine neue Dimension zu den andern hinzu. So denken wir uns also, wir stellen farben-bildlich einen Körper dar, der vier Dimensionen hat dadurch, daß wir nach vier Richtungen hin vier verschiedene Farben haben, wobei jeder [einzelne] Würfel drei Farben hat und durch die vierte [Farbe] hindurchgeht.

Der Sinn, den dieses Ersetzen der Dimensionen durch die Far­ben hat, besteht darin, daß wir, solange wir bei den [drei] Dimen­sionen bleiben, die drei Dimensionen nicht in die [zweidimensio­nale] Ebene bringen können. Nehmen wir aber dafür drei Farben, so können wir es tun. Ebenso machen wir es mit vier Dimensio­nen, wenn wir sie durch [vier] Farben im dreidimensionalen Raum zur bildlichen Darstellung bringen wollen. Das ist zunächst eine Art, wie ich Sie auf die doch sonst komplizierten Dinge hinleiten möchte, und wie sie Hinton in seinem Problem [der dreidimensio­nalen Darstellung vierdimensionaler Gebilde] gebraucht hat.

Ich möchte nun noch einmal den Würfel in der Ebene ausbrei­ten, ihn nochmals in die Ebene umlegen. Das will ich an die Tafel zeichnen. Sehen Sie zunächst von dem untersten Quadrat [der Figur 25] ab, und denken Sie sich, daß Sie nur zweidimensional sehen könnten, also nur das sehen könnten, was in der Fläche der Tafel ausgebreitet ist. Wenn wir fünf Quadrate so zusammenge­fügt haben, wie in diesem Falle, daß sie so gelagert sind, daß das eine Quadrat in die Mitte hineinkommt, so bleibt diese innere Fläche unsichtbar (Figur 29). Sie können von allen Seiten herum-gehen. Sie können Quadrat 5, da Sie nur in zwei Dimensionen sehen können, nicht erblicken.

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#Bild s. 57a

Nun wollen wir einmal dieselbe Sache, die wir hier mit fünf von den sechs Seitenquadraten des Würfels angestellt haben, mit sieben von den acht Grenzwürfeln machen, die den Tessarakt bilden, wenn wir unser vierdimensionales Gebilde in den Raum ausbrei­ten. Ich will die sieben Würfel analog legen, wie ich es mit den Flächen des Würfels auf der Tafel tat; nur haben wir jetzt Würfel, wo wir vorher Quadrate hatten. Nun haben wir hier die entspre­chende Raumfigur, ganz analog geformt. Damit haben wir dassel­be für den dreidimensionalen Raum, was wir vorher für die zwei­dimensionale Fläche hatten. Wie vorher ein Quadrat, so ist jetzt der siebente Würfel vollständig von allen Seiten verdeckt, den ein Wesen, das [bloß] die Fähigkeit zum dreidimensionalen Schauen hat, niemals wird sehen können (Figur 30>. Könnten wir diese Figuren so zusammenklappen wie die sechs abgewickelten Qua­drate des Würfels, so könnten wir aus der dritten in die vierte Dimension übergehen. Wir haben gezeigt, wie man sich davon durch Farben-Übergänge eine Vorstellung bilden kann.31

#Bild s. 57b

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Damit haben wir wenigstens gezeigt, wie man sich, trotzdem die Menschen nur drei Dimensionen wahrnehmen können, doch einen vierdimensionalen Raum vorstellen kann. Nun könnten Sie sich noch fragen, wie man von dem wirklichen vierdimensionalen Raum eine mögliche Vorstellung gewinnen kann. Und da möchte ich Sie hinweisen auf etwas, das man das eigentliche «alchemisti­sche Geheimnis» nennt. Denn die wirkliche Anschauung des vier­dimensionalen Raumes hängt in gewisser Weise mit dem zusam­men, was die Alchemisten «Verwandlung» nannten.

[Erste Textvariante.] Derjenige, welcher eine wirkliche Anschau­ung von dem vierdimensionalen Raum sich erwerben will, muß ganz bestimmte Anschauungsübungen machen. Diese bestehen darin, daß er sich zunächst eine ganz klare Anschauung, eine ver­tiefte Anschauung, nicht Vorstellung, bildet von dem, was man Wasser nennt. Eine solche Anschauung von dem Wasser ist nicht so leicht zu kriegen. Man muß lange meditieren und sich sehr genau in die Natur des Wassers vertiefen, man muß sozusagen hineinkriechen in die Natur des Wassers. Das zweite ist, daß man sich eine Anschauung verschafft von der Natur des Lichtes. Das Licht ist etwas, was der Mensch zwar kennt, aber nur so kennt, wie er es von Außen empfängt. Nun kommt der Mensch dadurch, daß er meditiert, dazu, das innere Gegenbild des äußeren Lichtes zu bekommen, zu wissen, wodurch und woher das Licht entsteht, so daß er dadurch selbst so etwas wie Licht hervorbringen, erzeu­gen kann. Diese Fähigkeit, Licht hervorbringen, erzeugen zu kön­nen, eignet sich der Yogi [Geheimschüler] an durch Meditation. Das kann derjenige, welcher reine Begriffe wirklich meditativ in seiner Seele anwesend zu haben vermag, der reine Begriffe wirk­lich meditativ auf seine Seele wirken läßt, der sinnlichkeitsfrei denken kann. Dann entspringt dem Begriffe das Licht. Dann geht ihm die ganze Umwelt auf als flutendes Licht. Der Geheimschüler muß nun gleichsam chemisch verbinden die Anschauung, die er sich von Wasser gebildet hat, mit der Anschauung des Lichtes. Das vom Licht ganz durchdrungene Wasser ist ein Körper, der

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von den Alchemisten genannt wird Merkurius. Wasser plus Licht heißt in der Sprache der Alchemisten Merkurius. Dieses alchemi­stische Merkur ist aber nicht das gewöhnliche Quecksilber. Sie werden die Sache nicht in dieser Form [überliefert] erhalten haben. Man muß erst in sich die Fähigkeit erwecken, aus dem LUmgehen mit den reinen] Begriffen selbst das Licht zu erzeugen. Merkurius ist diese Vermischung [des Lichtes] mit der Anschauung des Was­sers, diese lichtdurchdrungene Wasserkraft, in deren Besitz man sich dann versetzt. Das ist das eine Element der astralischen Welt.

Das zweite [Element] entsteht dadurch, daß man sich, ebenso wie man vom Wasser sich eine Anschauung gebildet hat, man sich von der Luft eine Anschauung bildet, daß wir also die Kraft der Luft durch einen geistigen Vorgang heraussaugen. Wenn Sie [auf der anderen Seite Ihr] Gefühl in sich in gewisser Weise konzen­trieren, so erzeugen, so entzünden Sie durch das Gefühl das Feuer. [Wenn Sie die Kraft der Luft gleichsam chemisch verbinden mit dem durch Gefühl erzeugten Feuer, so] bekommen Sie «Feuer-luft». Sie wissen, daß in Goethes «Faust» von Feuerluft gespro­chen wird.32 Das ist etwas, wo das Innere des Menschen mitarbei­ten muß. Also das eine Element wird Laus einem gegebenen Ele­ment, der Luft,] herausgesogen, das andere [das Feuer oder die Wärme] wird von Ihnen selbst erzeugt. Diese Luft plus Feuer nannten die Alchemisten Schwefel, Sulfur, leuchtende Feuerluft.

Wenn Sie nun diese leuchtende Feuerluft in einem wäßrigen Elemente haben, dann haben Sie in Wahrheit jene [astrale] Mate­rie, von der es in der Bibel heißt: und der Geist Gottes schwebte, oder brütete, über den «Wassern».33

[Das dritte Element entsteht, wenn] man der Erde die Kraft entzieht und das dann verbindet mit den [geistigen Kräften im] «Schall»; dann hat man das, was [hier] Geist Gottes genannt wird. Daher wird es auch «Donner» genannt. [Wirkender] Geist Gottes ist Donner, ist Erde plus Schall. Der Geist Gottes [schwebt also über der] astralen Materie.

Jene «Wasser» sind nicht gewöhnliche Wasser, sondern was man eigentlich astrale Materie nennt. Diese besteht aus vier Arten

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von Kräften: Wasser, Luft, Licht und Feuer. Die Anordnung die­ser vier Kräfte stellt sich der astralischen Anschauung als die vier Dimensionen des astralen Raumes dar. So sind sie in der Wirklich­keit. Es sieht im Astralen eben ganz anders aus als in unserer Welt. Manches, was als astral aufgefaßt wird, ist nur eine Projektion des Astralen in den physischen Raum.

Sie sehen, dasjenige, was astral ist, ist halb subjektiv [das heißt dem Subjekt passiv gegeben], halb Wasser und Luft, denn Licht und Gefühl [Feuer] sind objektiv, [das heißt vom Subjekt tätig zur Erscheinung gebracht]. Nur einen Teil von dem, was astral ist, kann man außen [als dem Subjekt gegeben] finden, aus der Um­welt gewinnen. Den anderen Teil muß man subjektiv [durch eige­ne Tätigkeit] dazubringen. Aus Begriffs- und Gefühlskräften ge­winnt man [aus dem Gegebenen] durch [tätige] Objektivierung das andere. Im Astralen haben wir also Subjektiv-Objektives.

Im Devachan gibt es gar keine [für das Subjekt bloß gegebene] Objektivität mehr. Man würde dort ein völlig subjektives Element haben.

Wir haben eben da etwas, was der Mensch erst [aus sich heraus] erzeugen muß, wenn wir vom astralen Raum sprechen. So ist alles, was wir hier tun, das Symbolische, [nur] eine sinnbildliche Dar­stellung für die höheren Welten, für die devachanische Welt, die in der Art wirklich sind, wie ich es Ihnen in diesen Andeutungen auseinandergesetzt habe. Es ist das, was in diesen höheren Welten liegt, nur dadurch zu erreichen, daß man in sich selbst neue An­schauungsmöglichkeiten entwickelt. Der Mensch muß selbst etwas dazu tun.

[Zweite Textvariante (Vegelahn).] Derjenige, welcher eine wirk­liche Anschauung des vierdimensionalen Raumes sich erwerben will, muß ganz bestimmte Anschauungsübungen machen. Er bil­det sich zunächst eine ganz klare, vertiefte Anschauung vom Wasser. Eine solche Anschauung ist nicht so ohne weiteres zu bekommen, man muß sich sehr genau in die Natur des Wassers

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vertiefen; man muß sozusagen hineinkriechen in das Wasser. Das zweite ist, daß man sich eine Anschauung von der Natur des Lich­tes verschafft; das Licht ist etwas, was der Mensch zwar kennt, aber nur so, daß er es von außen empfängt; durch das Meditieren kann er das innere Gegenbild des Lichtes bekommen, wissen, woher Licht entsteht, und daher selbst Licht hervorbringen. Das kann derjenige, der reine Begriffe wirklich meditativ auf seine Seele wirken läßt, der ein sinnlichkeitsfreies Denken hat. Dann geht ihm die ganze Umwelt als flutendes Licht auf, und nun muß er gleichsam chemisch die Vorstellung, die er sich vom Wasser gebildet hat, mit der des Lichtes verbinden. Dieses von Licht ganz durchdrungene Wasser ist ein Körper, der von den Alchemisten «Merkurius» genannt wurde. Das alchemistische Merkur ist aber nicht das gewöhnliche Quecksilber. Erst muß man in sich die Fähigkeit erwecken, aus dem Begriff des Lichtes Merkurius zu erzeugen. Merkurius, lichtdurchdrungene Wasserkraft, ist dasjeni­ge, in dessen Besitz man sich dann versetzt. Das ist das eine Ele­ment der astralen Welt.

Das zweite entsteht dadurch, daß Sie sich ebenso eine anschau­liche Vorstellung von der Luft machen, dann die Kraft der Luft durch einen geistigen Vorgang heraussaugen, sie mit dem Gefühl in sich verbinden, und Sie entzünden so den Begriff «Wärme», «Feuer», dann bekommen Sie «Feuerluft». Also das eine Element wird herausgesogen, das andere wird von Ihnen selbst erzeugt. Dieses - Luft und Feuer - nannten die Alchemisten «Schwefel», Sulfur, leuchtende Feuerluft. Im wäßrigen Elemente, da haben Sie in Wahrheit jene Materie, von der es heißt: «und der Geist Gottes schwebte über den Wassern».

Das dritte Element ist «Geist-Gott», das ist «Erde» verbunden mit «Schall». Das ist eben was entsteht, wenn man der Erde die Kräfte entzieht und mit dem Schall verbindet. Jene «Wasser> sind nicht gewöhnliche Wasser, sondern was man eigentlich astrale Materie nennt. Diese besteht aus vier Arten von Kräften: Wasser, Luft, Licht und Feuer. Und das stellt sich dar als die vier Dimen­sionen des astralen Raumes.

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Sie sehen, dasjenige, was astral ist, ist halb subjektiv; nur einen Teil dessen, was astral ist, kann man aus der Umwelt gewinnen; aus Begriffs- und Gefühlskräften gewinnt man durch Objektivie­rung das andere. Im Devachan würde man ein völlig subjektives Element haben; dort gibt es keine Objektivität. So ist alles, was wir hier tun, das Symbolische, eine sinnbildliche Darstellung für die devachanische Welt. Alles, was in den höheren Welten liegt, ist nur dadurch zu erreichen, daß Sie neue Anschauungen in sich selbst entwickeln. Der Mensch muß selbst etwas dazu tun.

FÜNFTER VORTRAG Berlin, 31. Mai 1905

#G324a-1995-SE063 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

FÜNFTER VORTRAG

Berlin, 31. Mai 1905

#TX

Wir haben das letzte Mal versucht, uns eine Vorstellung eines vier­dimensionalen Raumgebildes zu verschaffen. Um es uns zu veran­schaulichen, haben wir es auf ein dreidimensionales reduziert. Zunächst sind wir davon ausgegangen, ein dreidimensionales Raumgebilde in ein zweidimensionales zu verwandeln. Wir setz­ten statt der Dimensionen Farben ein. Wir haben die Vorstellung so ausgebildet, daß ein Würfel längs der drei Dimensionen in drei Farben erschien. Dann legten wir die Grenzen eines Würfels auf die Ebene hin, das ergab uns sechs Quadrate in verschiedenen Farben. Durch die Verschiedenheit der Farben der einzelnen Sei­ten ergaben sich uns die drei verschiedenen Dimensionen im zwei­dimensionalen Raum. Wir hatten dreierlei Farben, und damit hat­ten wir die drei Dimensionen repräsentiert.

Wir haben uns dann vorgestellt, daß wir ein Würfelquadrat in die dritte Dimension hinüberleiten so, wie wenn wir es durch einen farbigen Nebel hinüberleiteten und es auf der anderen Seite wieder erscheint. Wir stellten uns dabei vor, daß wir Durchgangs-Quadrate haben, so daß durch diese Quadrate die Würfelquadrate sich hindurchbewegen und sich dadurch [mit der Farbe des Durchgangs-Quadrates] tingieren. So haben wir versucht, uns den [dreidimensionalen] Würfel [vermöge einer zweidimensionalen Farbendarstellung] vorzustellen. [Für die eindimensionale Darstel­lung der] Flächen haben wir also zwei Grenzfarben und [für die zweidimensionale Darstellung des] Würfels drei Farben. [Um ein vierdimensionales Raumgebilde im dreidimensionalen Raum ab­zubilden, müssen wir] dann eine vierte Grenzfarbe hinzunehmen.

Nun müssen wir uns in der gleichen Weise vorstellen, daß ein Würfel, der, analog wie unser Quadrat, zwei verschiedene Farben hat als Grenzseiten, drei verschiedene Farben hat in seinen Grenz­flächen. Und schließlich bewegt sich jeder Würfel durch einen anderen Würfel, der die entsprechende vierte Farbe hat. Dabei

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lassen wir ihn also verschwinden in der vierten Farbendimension. Wir lassen also nach der Analogie von Hinton die jeweiligen Grenz-Würfel durch die neue [vierte] Farbe hindurchgehen, die dann auf der anderen Seite wieder erscheinen, auftauchen in ihrer [ursprünglichen] eigenen Farbe.

#Bild s. 64

Nun will ich Ihnen eine andere Analogie geben und zunächst die drei Dimensionen wieder auf zwei reduzieren, so daß wir [an­schließend] imstande sein werden, vier Dimensionen auf drei zu reduzieren. Dazu müssen wir uns das folgende vorstellen. Der Würfel kann an seinen Grenzflächen zusammengesetzt werden aus seinen sechs Grenz-Quadraten; statt aber nun, wie neulich, die Ausbreitung hintereinander [zusammenhängend] vorzunehmen, wird sie jetzt auf eine andere Weise geschehen. Ich werde auch diese Figur hinzeichnen (Figur 31). Sie sehen, wir haben jetzt auf diese Weise den Würfel ausgebreitet in zwei Systeme, deren jedes in der Ebene liegt und aus je drei Quadraten besteht. Nun müssen wir uns klar werden darüber, wie diese verschiedenen Gebiete lie­gen werden, wenn wir den Würfel wirklich zusammensetzen. Ich bitte Sie, sich das folgende klar zu machen. Wenn ich nun den Würfel aus diesen sechs Quadraten wieder zusammensetzen will, so muß ich die beiden Abteilungen so übereinanderlegen, daß Quadrat 6 über Quadrat 5 zu liegen kommt. Wenn auf diese Weise Quadrat 5 unten zu liegen kommt, muß ich die Quadrate 1

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und 2 hochklappen, die Quadrate 3 und 4 dagegen nach unten hinunterklappen (Figur 32). Dabei bekommen wir also gewisse korrespondierende Linien, die sich gegenseitig decken. Die in der Figur mit gleicher Farbe [hier in gleicher Strichqualität und in gleicher Strichzahl] markierten Linien werden zusammenfallen. Das, was hier in der Ebene, im zweidimensionalen Raum, liegt, fällt in gewisser Weise zusammen, wenn ich in den dreidimensio­nalen Raum übergehe.

#Bild s. 65

Das Quadrat besteht aus vier Seiten, der Würfel aus sechs Quadraten, und das vierdimensionale Gebiet müßte dann aus acht Würfeln bestehen.29 Dieses vierdimensionale Gebiet nennen wir [nach Hinton] Tessarakt. Nun handelt es sich dariim, daß diese acht Würfel nicht wiederum einfach zu einem Würfel zusammen­gesetzt werden dürfen, sondern daß immer einer [dieser acht Würfel] in entsprechender Weise durch die vierte Dimension durchgehen müßte.

Will ich nun dasselbe mit dem Tessarakt machen, was ich eben mit dem Würfel getan habe, so muß ich dasselbe Gesetz einhalten. Es handelt sich darum, Analogien zu finden des Dreidimensiona­len zum Zweidimensionalen und dann des Vierdimensionalen zum Dreidimensionalen. Wie ich nun hier zwei Systeme von [je drei] Quadraten erhielt, so ergibt sich beim Tessarakt dasselbe mit [zwei Systemen von je vier] Würfeln, wenn ich ein vierdimen­sionales Tessarakt in den dreidimensionalen Raum abfalte. Das System von acht Würfeln ist sehr geistreich ausgedacht. Dieses Gebilde wird dann so aussehen (Figur 33).

Dabei sind jedesmal diese vier Würfel im dreidimensionalen Raum genau so zu nehmen, wie diese Quadrate im zweidimensionalen

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#Bild s. 66a

Raum. Sie müssen sich nur genau anschauen, was ich hier gemacht habe. Bei dem Abklappen des Würfels in den zweidimen­sionalen Raum ergab sich ein System von sechs Quadraten; bei der entsprechenden Prozedur am Tessarakt erhalten wir ein System von acht Würfeln (Figur 34). Wir haben die Betrachtung für den dreidimensionalen Raum auf den vierdimensionalen Raum über­geführt. [Dem Hochklappen und Zusammenfügen der Quadrate im dreidimensionalen Raum entspricht das Hochklappen und Zusammenfügen der Würfel im vierdimensionalen Raum.] Bei dem abgeklappten Würfel ergaben sich [in der zweidimensionalen Ebene] verschiedene korrespondierende Linien, die sich beim spä­teren Wiederhochklappen deckten. Ein gleiches findet statt mit den Flächen unserer einzelnen Würfel des Tessaraktes. [Beim ab­geklappten Tessarakt im dreidimensionalen Raum ergeben sich bei den entsprechenden Würfeln korrespondierende Flächen.] Es würde also etwa beim Tessarakt die obere horizontale Fläche des

#Bild s. 66b

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Würfels 1 - durch Beobachtung [Vermittlung] der vierten Dimen­sion - mit der vorderen Fläche des Würfels 5 zusammenfallen.

In gleicher Weise fällt die rechte Fläche des Würfels 1 mit dem vorderen Quadrat des Würfels 4, und ebenso das linke Quadrat des Würfels 1 mit dem vorderen Quadrat des Würfels 3 [sowie das untere Quadrat des Würfels 1 mit dem vorderen Quadrat des Würfels 6] zusammen. [Ganz Entsprechendes gilt für die übrigen Würfelflächen.] Es bleibt übrig der von den sechs anderen einge­schlossene Würfel 7.34

Sie sehen, daß es sich hier wieder darum handelt, Analogien zu finden zwischen der dritten und vierten Dimension. Ebenso wie ein von vier Quadraten eingeschlossenes fünftes Quadrat - wie wir dies an der entsprechenden Figur des vorigen Vortrages gese­hen haben (Figur 29) - dem nur zweidimensional schauenden Wesen unsichtbar bleibt, so ist dies hier mit dem siebenten Würfel der Fall: er bleibt dem dreidimensionalen Auge verborgen. Diesem siebenten Würfel entspricht beim Tessarakt ein achter Würfel, der, da wir hier einen vierdimensionalen Körper haben, als Gegenstück zum siebenten in der vierten Dimension liegt.

Es laufen alle Analogien darauf hinaus, uns vorzubereiten auf die vierte Dimension. Es zwingt uns nichts, [innerhalb der bloßen Raumesanschauung] zu den gewöhnlichen Dimensionen die ande­ren Dimensionen [hinzuzufügen]. Im Anschluß an Hinton könn­ten wir uns auch hier Farben hinzudenken und uns Würfel so zusammengefügt denken, daß die entsprechenden Farben zusam­menkommen. Es ist auf eine andere Weise [als durch solche Ana­logien] kaum möglich, eine Anleitung zu geben, wie man sich ein vierdimensionales Gebilde zu denken hat.

Nun möchte ich noch auf eine andere Weise [der Darstellung vierdimensionaler Körper im dreidimensionalen Raum] zu spre­chen kommen, die Ihnen vielleicht auch noch die Möglichkeit geben wird, das besser einzusehen, um was es sich hier eigentlich handelt. Dieses hier ist ein Oktaeder, das von acht Dreiecken be­grenzt ist, wobei die Seitenflächen in stumpfen Winkeln aneinan­derstoßen (Figur 35).

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#Bild s. 68a

Wenn Sie sich dieses Gebilde hier vorstellen, so bitte ich Sie, mit mir in Gedanken folgende Prozedur vorzunehmen. Sie sehen, hier ist immer eine Fläche von einer anderen geschnitten. Hier zum Beispiel in AB stoßen zwei Seitenfiächen zusammen, und hier in EB stoßen zwei zusammen. Der ganze Unterschied zwischen Oktaeder und Würfel liegt im Schnittwinkel der Seitenflächen. Wenn sich Flächen so wie beim Würfel [rechtwinklig] schneiden, so entsteht ein Würfel. Wenn sie sich aber so schneiden wie hier [stumpf], so entsteht ein Oktaeder. Es handelt sich darum, daß wir Flächen unter den verschiedensten Winkeln sich schneiden lassen, dann bekommen wir die verschiedensten Raumgebilde.35

#Bild s. 68b

Denken Sie sich nun, wir könnten hier dieselben Flächen des Oktaeders auch in anderer Weise zum Schneiden bringen. Denken Sie sich diese Fläche hier, zum Beispiel AEB, nach allen Seiten fortgesetzt, und diese untere hier, BCF, auch (Figur 36). Dann

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ebenso die rückwärts liegenden ADF und EDC. So müssen sich dann diese Flächen ebenfalls schneiden, und zwar schneiden sie sich hier doppelt symmetrisch. Wenn Sie diese Flächen in dieser Weise verlängern, so fallen [vier der ursprünglichen Grenzflächen] fort: ABF, EBC und nach rückwärts EAD und DCF. Von acht Flächen bleiben also vier übrig. Und die vier, die dann bleiben, die geben dieses Tetraeder, das man auch die Hälfte eines Oktaeders nennt. Es ist deshalb die Hälfte eines Oktaeders, weil es die Hälfte der Flächen des Oktaeders zum Schnitt bringt. Es ist also nicht so, daß man das Oktaeder in der Mitte zerschneidet. [Bringt man die übrigen vier Flächen des Oktaeders zum Schnitt, so entsteht eben­falls ein Tetraeder, das mit dem ersten Tetraeder zusammen genau das Oktaeder als gemeinsames Schnittgebilde besitzt.] In der Ste­reometrie [geometrischen Kristallographie] bezeichnet man nicht das als die Hälfte, was halbiert wird, sondern das, was durch die Halbierung der [Anzahl der] Flächen entsteht. Beim Oktaeder ist das ganz leicht vorzustellen.36

Wenn Sie sich den Würfel in derselben Weise halbiert denken, wenn Sie sich also hier eine Fläche mit der entsprechenden andern sich schneiden lassen, so bekommen Sie immer wieder einen Würfel. Die Hälfte eines Würfels ist wieder ein Würfel. Daraus möchte ich einen wichtigen Schluß ziehen, will aber dazu noch vorher etwas anderes zu Hilfe nehmen.37

Hier habe ich einen Rhombenzwölfflächner [Rhombendodeka­eder] (Figur 37>. Sie sehen, daß die Flächen unter gewissen Win­keln aneinandergrenzen. Es ist nun hier zu gleicher Zeit ein Sy­stem von vier Drähten zu sehen, welche ich Achsendrähte nennen möchte, und die zueinander gegenläufig sind, [das heißt gewisse einander gegenüberliegende Ecken des Rhombendodekaeders mit­einander verbinden, also Diagonalen sind]. Diese Drähte stellen nun in einer ähnlichen Weise ein System von Achsen dar, wie Sie es sich vorstellten, daß am Würfel ein System von Achsen ist.38

Den Würfel bekommt man, wenn man bei einem System von drei aufeinander senkrecht stehenden Achsen dadurch Schnittflä­chen hervorbringt, daß in jeder dieser Achsen Stauungen eintreten.

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#Bild s. 70a

Läßt män die Achsen unter anderen Winkeln sich schneiden, so bekommt man ein anderes Raumgebilde. Das Rhombendodeka­eder hat Achsen, die sich unter anderen als rechten Winkeln schneiden.39

Der Würfel gibt halbiert [wieder] sich selbst. Dies trifft aber nur beim Würfel zu. Das Rhombendodekaeder, in seinen halben Flächen zum Schnitt gebracht, gibt ebenfalls ein anderes Raum­gebilde.40

#Bild s. 70b

Nehmen wir nun das Verhältnis des Oktaeders zum Tetraeder. Und zwar will ich Ihnen sagen, was da gemeint ist. Das tritt klar hervor, wenn wir allmählich das Oktaeder in das Tetraeder über­gehen lassen. Nehmen wir zu diesem Zwecke ein Tetraeder, dem wir, wie an einer Spitze angedeutet, die Ecken abschneiden (Figur 38). Setzen wir dies fort, bis die Schnittflächen sich an den Kanten des Tetraeders begegnen; dann bleibt übrig das angedeutete Oktaeder.

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So bekommen wir aus einem Raumgebilde, das durch vier Flächen begrenzt ist, ein achtseitiges Gebilde, wenn wir unter entsprechenden Winkeln die Ecken abschneiden.

#Bild s. 71

Dasselbe, was ich hier mit dem Tetraeder gemacht habe, können Sie wiederiim nicht mit dem Würfel machen.41 Der Würfel hat ganz besondere Eigenschaften, nämlich, daß er das Gegenstück ist zum dreidimensionalen Raum. Denken Sie sich den gesamten Welten-raum so gegliedert, daß er drei aufeinander senkrecht stehende Achsen hat. Wenn Sie zu diesen drei Achsen senkrecht stehende Flächen haben, so bekommen Sie unter allen Umständen einen Würfel (Figur 39). Man sagt deshalb, wenn man mit dem Würfel den theoretischen Würfel bezeichnen will, der Würfel sei überhaupt das Gegenstück zum dreidimensionalen Raum. So wie das Tetraeder das Gegenstück ist zum Oktaeder, wenn ich die Seiten des Okta­eders zu bestimmten Schnitten bringe, so ist der einzelne Würfel das Gegenstück zum ganzen Raum.42 Wenn Sie sich den ganzen Raum als positiv denken, so ist der Würfel negativ. Der Würfel ist zum ganzen Raum polar. Der Raum hat im physischen Würfel sein ihm eigentlich korrespondierendes Gebilde.

Nehmen Sie einmal jetzt an, ich würde den [dreidimensionalen] Raum nicht durch zweidimensionale Ebenen begrenzen, sondern ich würde ihn so begrenzen, daß ich ihn durch sechs Kugeln be­grenzen lasse [also durch dreidimensionale Gebilde].

Ich begrenze zunächst den zweidimensionalen Raum dadurch, daß ich vier ineinandergehende Kreise [also zweidimensionale

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Gebilde] habe. Sie können sich nun vorstellen, daß diese vier Kreise immer größer und größer werden [indem der Radius immer länger wird und der Mittelpunkt sich immer weiter entfernt]; dann werden sie mit der Zeit alle in eine gerade Linie übergehen (Figur 40). Sie bekommen dann vier sich schneidende Geraden, und statt der vier Kreise ein Quadrat.

#Bild s. 72

Denken Sie sich nun statt der Kreise Kugeln, und zwar sechs, so daß sie eine Art von Maulbeere bilden (Figur 41). Wenn Sie sich mit den Kugeln dasselbe denken wie mit den Kreisen, daß sie immer größere Durchmesser bekommen, so werden diese sechs Kugeln zuletzt ebenso die Begrenzungsflächen eines Würfels wer­den, wie die vier Kreise zu Begrenzungslinien eines Quadrates wurden.

Der Würfel ist jetzt dadurch entstanden, daß wir sechs Kugeln hatten, die flach geworden sind. Es ist also der Würfel nichts an­deres als der Spezialfall für sechs ineinandergreifende Kugeln -ebenso wie das Quadrat nichts anderes ist als der Spezialfall für vier ineinandergreifende Kreise.

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#Bild s. 73

Wenn Sie sich klar sind, daß Sie sich diese sechs Kugeln so vorzustellen haben, daß sie, in die Ebene gebracht, unseren frühe­ren Quadraten entsprechen, wenn Sie sich ein absolut rundes Gebilde übergehend denken in ein gerades, so bekommen Sie die einfachste Raumform. Der Würfel kann vorgestellt werden als die Verflachung von sechs ineinandergeschobenen Kugeln.

Sie können von einem Punkt eines Kreises sagen, daß er durch die zweite Dimension hindurchgehen muß, wenn er zu einem anderen [Punkt des Kreises] kommen will. Haben Sie aber den Kreis so groß werden lassen, daß er eine gerade Linie bildet, dann kann jeder Punkt des Kreises zu jedem anderen Punkt des Kreises kommen durch die erste Dimension.

Wir betrachten ein Quadrat begrenzt von Gebilden, welches jedes zwei Dimensionen hat. Solange jedes von den vier Grenz­gebilden ein Kreis ist, ist es also zweidimensional. Jedes Grenz-gebilde, wenn es eine Gerade geworden ist, ist eindimensional.

Jede Grenzfläche eines Würfels ist aus einem dreidimensionalen Gebilde so entstanden, daß jeder der sechs Grenzkugeln eine Di­mension weggenommen wurde. Eine solche Grenzfläche ist also dadurch entstanden, daß [bei ihr] die dritte Dimension auf zwei reduziert, sozusagen zurückgebogen worden ist. Sie hat also eine Dimension eingebüßt. So ist die zweite Dimension entstanden durch Einbüßung der Tiefen-Dimension. Man könnte also jede

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Raumesdimension in ihrer Entstehung so vorstellen, daß sie eine entsprechende höhere eingebüßt hat.

Wie wir ein dreidimensionales Gebilde mit zweidimensionalen Grenzen erhalten, wenn wir dreidimensionale Grenzgebilde auf zweidimensionale reduzieren, so müssen Sie daraus schließen, daß wir, wenn wir den dreidimensionalen Raum betrachten, wir eine jede Richtung als verflacht uns zu denken haben, und zwar ver­flacht aus einem unendlichen Kreis; so daß Sie, wenn Sie in der einen Richtung fortschreiten könnten, Sie aus der anderen zurück­kommen würden. So ist eine jede [gewöhnliche] Raumdimension dadurch entstanden, daß sie die entsprechende andere [Dimen­sion] verloren hat. In unserem dreidimensionalen Raum steckt ein dreiachsiges System. Es sind drei aufeinander senkrecht stehende Achsen, welche die entsprechenden anderen Dimensionen einge­büßt haben und dadurch flach geworden sind.

Sie bekommen also den dreidimensionalen Raum, wenn Sie eine jede [der drei] Achsen-Richtungen geradebiegen. Wenn man um-gekehrt vorgeht, so könnte jeder Raumteil wieder in sich ge­krümmt werden. Dann würde [folgende Gedankenreihe] entste­hen: Krümmen Sie das eindimensionale Gebilde, so bekommen Sie ein zweidimensionales; durch Krümmen des zweidimensionalen Gebildes bekommen Sie ein dreidimensionales. Krümmen Sie end­lich ein dreidimensionales Gebilde, so bekommen Sie ein vierdi­mensionales Gebilde, so daß das Vierdimensionale auch vorgestellt werden kann als ein in sich gekrümmtes Dreidimensionales.43

Und damit komme ich von dem Toten zum Lebendigen. Durch dieses Krümmen können Sie den Übergang vom Toten zum Le­bendigen finden. Der vierdimensionale Raum ist [beim Übergang ins Dreidimensionale] so spezialisiert, daß er flach geworden ist. Der Tod ist [für das menschliche Bewußtsein] nichts anderes als das Biegen des Dreidimensionalen in das Vierdimensionale. [Für den physischen Leib für sich genommen ist es umgekehrt: Der Tod ist eine Verflachung des Vierdimensionalen in das Dreidimen­sionale.]

SECHSTER VORTRAG Berlin, 7. Juni 1905

#G324a-1995-SE075 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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SECHSTER VORTRAG

Berlin, 7. Juni 1905

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Ich möchte heute möglichst die Vorträge über die vierte Raumdi­mension zum Abschluß bringen, obwohl ich heute noch eingehen­der ein kompliziertes System vorführen möchte. Ich müßte nach Hinton Ihnen noch viele Modelle anführen; ich kann Sie deshalb nur auf die drei ausführlichen und geistvollen Bücher verweisen.44 Wer nicht den Willen hat, sich durch Analogien in der Weise ein Bild zu machen, wie wir es in den vergangenen Vorträgen gehört haben, kann sich natürlich keine Vorstellung vom vierdimensiona­len Raum machen. Es handelt sich um eine neue Art der Gedan­kenbildung.

Ich will Ihnen eine wirkliche Abbildung [Parallelprojektion] des Tessaraktes verschaffen. Sie wissen, wir hatten im zweidimen­sionalen Raum das Quadrat, das von vier Seiten begrenzt ist. Dies ist der dreidimensionale Würfel, der durch sechs Quadrate be­grenzt ist (Figur 42).

#Bild s. 75

Im vierdimensionalen Raum haben wir das Tessarakt. Ein Tes­sarakt ist von acht Würfeln begrenzt. Die Projektion eines Tessar­aktes [in den dreidimensionalen Raum] besteht folglich aus acht ineinandergeschobenen Würfeln. Wir haben gesehen, wie im drei­dimensionalen Raum die [entsprechenden acht] Würfel miteinan­der verschlungen werden können. Heute will ich Ihnen eine [an­dere] Art Projektion des Tessaraktes machen.45

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Sie können sich vorstellen, daß der Würfel, wenn er gegen das Licht gehalten wird, einen Schatten auf die Tafel wirft. Diese seine Schattenfigur können wir mit Kreide festhalten (Figur 43). Sie sehen, es kommt dabei ein Sechseck heraus. Nun denken Sie sich einmal diesen Würfel durchsichtig, so würden Sie zu beachten haben, daß in der sechseckigen Figur die drei vorderen Würfelsei­ten und die drei hinteren Würfelseiten in dieselbe Fläche hinein­fallen.

#Bild s. 76a

Damit wir nun eine Projektion bekommen können, die wir auf das Tessarakt anwenden können, bitte ich Sie sich zu denken, daß der Würfel so vor Ihnen steht, daß der vordere Punkt A den hin­teren Punkt C zudeckt. Das alles würde Ihnen, wenn Sie sich die dritte Dimension fortdenken, wieder einen sechseckigen Schatten geben. Ich will Ihnen dafür die Figur hinzeichnen (Figur 44).

#Bild s. 76b

Den Würfel so gedacht, würden Sie hier die drei vorderen Flä­chen sehen; die anderen Flächen würden dahinter liegen. Die Flä­chen des Würfels erscheinen Ihnen dabei verkürzt und die Winkel nicht mehr als rechte. So sehen Sie den Würfel so abgebildet, daß

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er für den Flächenanblick ein reguläres Sechseck ergibt. So haben wir im zweidimensionalen Raum eine Abbildung eines dreidimen­sionalen Würfels bekommen. Da durch die Projektion die Kanten verkürzt und die Winkel verändert werden, müssen wir uns also die [Projektion der] sechs Grenz-Quadrate des Würfels als ver­schobene Quadrate, als Rhomben vorstellen.46

Dieselbe Geschichte, die ich mit einem dreidimensionalen Würfel machte, den ich in die Ebene hineinprojizierte, diese Pro­zedur wollen wir mit einem vierdimensionalen Raumgebilde ma­chen, das wir also in den dreidimensionalen Raum hineinlegen müssen. Wir müssen also das aus acht Würfeln zusammengesetzte Gebilde, das Tessarakt, [durch Parallelprojektion] in die dritte Dimension hineinbringen. Wir haben bei dem Würfel drei sichtba­re und drei unsichtbare Kanten bekommen, die alle in den Raum hineingehen und in Wirklichkeit nicht in der [Projektions]fläche drinnenliegen. Denken Sie sich nun einen Würfel so verschoben, daß daraus ein Rhombenwürfel wird.47 Nehmen Sie acht dieser Gebilde, so haben Sie die Möglichkeit, die acht [Grenz-]Würfel des Tessaraktes so zusammenzulegen, daß sie zusammengescho­ben [die] acht [doppelt überdeckten] Rhomben-Würfel dieses Raumgebildes [des Rhombendodekaeders] ergeben (Figur 45).

#Bild s. 77

Nun haben Sie hier eine Achse mehr [als beim dreidimensiona­len Würfel]. Ein vierdimensionales Raumgebilde hat dementspre­chend natürlich vier Achsen. Wenn wir es uns also zusammenschieben,

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so bleiben immer noch vier Achsen übrig. Es stecken dabei in dieser Projektion acht [zusammengeschobene] Würfel, die sich darin als Rhombenwürfel darstellen. Das Rhombendodeka­eder ist ein [symmetrisches] Abbild oder Schattenbild des Tessar­aktes im dreidimensionalen Raum.48

Wir sind [zu diesen Beziehungen] durch eine Analogie gekom­men, die aber vollständig stimmt: ebenso wie wir eine Projektion des Würfels in die Fläche bekommen haben, ebenso kann man tatsächlich das Tessarakt im dreidimensionalen Raum durch eine Projektion darstellen. Sie verhält sich ebenso wie das Schattenbild des Würfels zum Würfel selbst. Ich glaube, das ist ganz gut zu verstehen.

Nun möchte ich gleich an das großartigste Bild anknüpfen, das je dafür gegeben worden ist, nämlich an Plato und Schopenhauer und das Gleichnis mit der Höhle.49

Plato sagt: Man denke sich einmal in einer Höhle Menschen sitzen, und zwar sind sie alle so gefesselt, daß sie den Kopf nicht drehen und nur nach der gegenüberliegenden Wand schauen kön­nen. Hinter ihnen befinden sich Menschen, die die verschiedensten Gegenstände vorübertragen. Diese Menschen und diese Gegen­stände sind dreidimensional. Alle diese [gefesselten] Menschen starren also auf die Wand und sehen nur das, was als Schattenbild [von den Gegenständen] auf die Wand geworfen wird. So würden Sie alles, was hier im Zimmer ist, nur als Schatten an der gegen­überliegenden Wand als zweidimensionale Bilder wieder sehen.

Nun sagt Plato: So ist es überhaupt in der Welt. In Wahrheit sitzen die Menschen in der Höhle. Nun sind die Menschen selbst und alles übrige vierdimensional; aber was die Menschen davon sehen, sind nur Bilder im dreidimensionalen Raum.50

So stellen sich alle Dinge dar, die wir überhaupt sehen. Gemäß Plato sind wir darauf angewiesen, nicht die wirklichen Dinge, sondern die dreidimensionalen Schattenbilder zu sehen. Meine Hand sehe ich nur als Schattenbild, sie ist in Wahrheit vierdimen­sional, und alles, was die Menschen davon sehen, ist ebenso das Abbild davon, wie das, was ich Ihnen eben als Abbild des Tessar­aktes

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gezeigt habe. So suchte Plato schon damals klarzumachen, daß die Körper, die wir kennen, eigentlich vierdimensional sind, und daß wir von ihnen nur Schattenbilder im dreidimensionalen Raum sehen. Und das ist nicht ganz willkürlich. Dafür will ich Ihnen gleich die Gründe anführen.

Von vornherein kann natürlich jeder sagen, das sei eine bloße Spekulation. Wie können wir uns überhaupt eine Vorstellung davon machen, daß diese Dinge, die dort an der Wand erscheinen, eine Realität haben? Denken Sie sich einmal, Sie sitzen hier in einer Reihe, und Sie sitzen ganz starr. Denken Sie sich jetzt aber, daß die Dinge sich plötzlich anfangen zu bewegen. Sie werden unmöglich sich sagen können, daß die Bilder auf der Wand sich bewegen kön­nen, ohne daß aus der zweiten Dimension herausgegangen wird. Wenn sich dort etwas bewegt, so deutet das darauf hin, daß außer­halb der Wand, an dem wirklichen Objekt, etwas geschehen sein muß, damit es sich überhaupt bewegt. Das sagen Sie sich. [Wenn man sich vorstellt, daß] die Objekte im dreidimensionalen Raum nebeneinander vorbeigehen können, wäre dies mit ihren zweidi­mensionalen Schattenbildern nicht möglich, falls man sich dieselben substantiell, das heißt undurchdringlich denkt. Wenn sich jene Bil­der, substantiell gedacht, nebeneinander vorbei bewegen wollten, so müßten sie aus der zweiten Dimension hinausgehen.

Solange alles in Ruhe ist auf der Wand, habe ich keine Veranlas­sung, auf irgendein Geschehen außerhalb der Wand, außerhalb des Raumes der zweidimensionalen Schattenbilder, zu schließen. Im Augenblick aber, wo die Geschichte anfängt sich zu bewegen, muß ich untersuchen, woher die Bewegung kommt. Und Sie sagen sich, daß die Veränderung nur von einer Bewegung außerhalb der Wand herstammen kann, nur kommen kann aus der Bewegung innerhalb einer dritten Dimension. Die Veränderung hat uns also gesagt, daß es außer einer zweiten noch eine dritte Dimension gibt.

Was bloßes Bild ist, hat auch eine gewisse Realität, besitzt ganz bestimmte Eigenschaften, unterscheidet sich aber wesentlich von dem wirklichen Gegenstande. Sie werden nicht ableugnen können, daß auch das Spiegelbild ein bloßes Bild ist. Sie sehen im Spiegel

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sich, und Sie sind außerdem auch noch da. Ist nun [nicht noch] ein drittes [das heißt ein wirksames Wesen] da, so könnten Sie tat­sächlich nicht wissen, was Sie sind. Aber das Spiegelbild macht dieselben Bewegungen, die das Original macht; das Bild ist abhän­gig von dem wirklichen Gegenstande, dem Wesen; es hat selbst keine Fähigkeit [sich zu bewegen]. Es kann also unterschieden werden zwischen Bild und Wesen dadurch, daß nur ein Wesen aus sich selbst heraus Bewegung, Veränderung zustande bringen kann. Von den Schattenbildern auf der Wand werde ich gewahr, daß sie sich selbst nicht bewegen können, sie also keine Wesen sein kön­nen. Ich muß aus ihnen herausgehen, wenn ich zu den Wesen kommen will.

Wenden Sie das nun auf die Welt überhaupt an. Die Welt ist dreidimensional. Nehmen Sie diese dreidimensionale Welt einmal für sich, so wie sie ist; fassen Sie sie in Gedanken ganz [für sich selbst], und Sie werden finden, daß sie starr bleibt. Sie bleibt noch dreidimensional, auch wenn Sie die Welt in einem bestimmten Zeitpunkte sich plötzlich eingefroren denken. Es gibt aber nicht in zwei Zeitpunkten ein und dieselbe Welt. Die Welt ist in den auf­einanderfolgenden Zeitpunkten durchaus verschieden. Denken Sie sich, daß diese Zeitpunkte fortfielen, so daß das bleibt, was da ist. Ohne die Zeit geschähe gar keine Veränderung mit der Welt. Die Welt bliebe eine dreidimensionale auch dann, wenn sie gar keine Veränderung durchmachte. Die Bilder auf der Wand bleiben auch zweidimensional. Aber die Veränderung deutet auf eine dritte Di­mension hin. Daß sich die Welt fortwährend ändert, und daß sie auch ohne Veränderung dreidimensional bleibt, deutet darauf hin, daß wir die Veränderung in einer vierten Dimension suchen müs­sen. Den Grund, die Ursache der Veränderung, die Tätigkeit müssen wir außerhalb der dritten Dimension suchen, und damit haben Sie die vierte der Dimensionen zunächst einmal erschlossen. Damit haben Sie aber auch die Rechtfertigung für das Bild Platos. So fassen wir die ganze dreidimensionale Welt auf als die Schatten-projektion einer vierdimensionalen Welt. Es fragt sich nur, wie wir diese vierte Dimension [in Wirklichkeit] zu nehmen haben.

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Sehen Sie, wir haben die eine Vorstellung uns natürlich klar zu machen, daß es unmöglich ist, daß die vierte Dimension [unmittel­bar] in die dritte hineinfällt. Das geht nicht. Die vierte Dimension kann nicht in die dritte hineinfallen. Ich möchte Ihnen einmal jetzt zeigen, wie man sozusagen darüber einen Begriff bekommen kann, wie man über die dritte Dimension hinauskommt. Wenn Sie sich einmal vorstellen, daß wir einen Kreis haben - ich habe schon letzthin eine ähnliche Vorstellung wachzurufen versucht51 - wenn Sie sich diesen Kreis immer größer und größer werdend denken, so wird ein Stück dieses Kreises immer flacher und flacher, und dadurch, daß der Durchmesser des Kreises zuletzt ganz groß wird, geht der Kreis endlich über in eine gerade Linie. Die Linie hat eine Dimension, der Kreis aber hat zwei Dimensionen. Wie bekommen Sie nun wieder aus einer Dimension eine zweite? Durch Krüm­mung einer geraden Linie erhalten Sie wieder einen Kreis.

Wenn Sie sich nun die Kreisfläche in den Raum hineingekrümmt denken, so bekommen Sie erst mal eine Schale, und wenn Sie dies noch weiter machen, eine Kugel. So bekommt eine Linie durch Krümmung eine zweite Dimension und eine Fläche durch Krüm­mung eine dritte Dimension. Wenn Sie nun einen Würfel noch krümmen könnten, so müßte er in die vierte Dimension hineinge­krümmt werden, und Sie hätten das [sphärische] Tessarakt.52

Die Kugel können Sie auffassen als ein gekrümmtes zweidimen­sionales Raumgebilde. Die Kugel, die in der Natur auftritt, ist die Zelle, das kleinste Lebewesen. Die Zelle begrenzt sich kugelig. Das ist der Unterschied zwischen dem Lebendigen und dem Leblosen. Das Mineral tritt als Kristall immer von ebenen Flächen begrenzt auf; das Leben ist begrenzt von kugeligen Flächen, aufgebaut aus Zellen. Das heißt, so wie ein Kristall aufgebaut ist aus geradegebo­genen Kugeln, das heißt Ebenen, so ist das Leben aufgebaut aus Zellen, also aus zusammengekrümmten Kugeln. Der Unterschied zwischen Lebendigem und Totem liegt in der Art und Weise der Begrenzung. Das Oktaeder ist begrenzt von acht Dreiecken. Wenn wir uns die acht Seiten aus Kugeln zusammengesetzt den­ken, so würden wir ein achtgliedriges Lebendiges erhalten.

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Wenn Sie gleichsam das dreidimensionale Gebilde, den Würfel, nochmals krümmen, so bekommen Sie ein vierdimensionales Ge­bilde, das sphärische Tessarakt. Krümmen Sie aber den ganzen Raum, so erhalten Sie etwas, was sich zum dreidimensionalen Raum so verhält, wie sich die Kugel zur Ebene verhält.53

Wie nun der Würfel als dreidimensionales Gebilde von Ebenen begrenzt ist, so ist überhaupt jeder Kristall von Ebenen begrenzt. Das Wesentliche eines Kristalles ist die Zusammenfügung aus [fla­chen] Grenz-Ebenen. Das Wesentliche des Lebendigen ist die Zu­sammenfügung aus gekrümmten Flächen, aus Zellen. Die Zusam­menfügung eines noch Höheren würde ein solches Gebilde sein, dessen einzelne Grenzen vierdimensional sein würden. Ein dreidi­mensionales Gebilde ist begrenzt von zweidimensionalen Gebil­den. Ein vierdimensionales Wesen, das heißt ein lebendiges We­sen, ist begrenzt von dreidimensionalen Wesen, von Kugeln und Zellen. Ein fünfdimensionales Wesen ist selbst begrenzt von vier­dimensionalen Wesen, von sphärischen Tessarakten. Daraus sehen Sie, daß wir aufsteigen müssen von dreidimensionalen zu vierdi­mensionalen, und dann zu fünfdimensionalen Wesen.

Wir müssen uns nur fragen: Was muß eintreten bei einem Wesen, das vierdimensional ist ?54 Es muß dabei innerhalb der drit­ten Dimension eine Veränderung eintreten. Mit anderen Worten:

Hängen Sie hier an die Wand Bilder, so sind diese zweidimensio­nal, sie bleiben im allgemeinen starr. Haben Sie aber Bilder, die sich in der zweiten Dimension bewegen, verändern, so müssen Sie schließen, daß die Ursache dieser Bewegung nur außerhalb der Wandfläche liegen kann, daß also die dritte Raumdimension die Veränderung angibt. Finden Sie Veränderungen innerhalb der dritten Raumesdimension selbst, so müssen Sie schließen, daß eine vierte Dimension zugrunde liegt, und damit kommen wir zu den Wesen, die eine Veränderung innerhalb ihrer drei Raumdimensio­nen durchmachen.

Es ist nicht wahr, daß wir eine Pflanze ganz erkannt haben, wenn wir sie nur in ihren drei Dimensionen erkannt haben. Eine Pflanze verändert sich fortwährend, und diese Veränderung ist ein

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wesentliches, ein höheres Merkmal derselben. Der Würfel bleibt; er ändert seine Form nur, wenn Sie ihn zerschlagen. Ein Pflanze ändert ihre Form selbst, das heißt, es gibt etwas, was die Ursache dieser Veränderung ist und was außerhalb der dritten Dimension liegt und Ausdruck der vierten Dimension ist. Was ist das?

Sehen Sie, wenn Sie diesen Würfel jetzt haben und ihn abzeich­nen, so würden Sie sich vergeblich bemühen, wenn Sie ihn in ver­schiedenen Momenten anders zeichnen wollten; er wird immer derselbe bleiben. Wenn Sie die Pflanze abzeichnen, und Sie ver­gleichen nach drei Wochen das Bild mit Ihrem Modell, so hat es sich verändert. Diese Analogie stimmt also vollständig. Alles Le­bende weist auf ein Höheres hin, worin es sein wahres Wesen hat, und der Ausdruck für dieses Höhere ist die Zeit. Die Zeit ist der symptomatische Ausdruck, die Erscheinung der Lebendigkeit [aufgefaßt als vierte Dimension] in den drei Dimensionen des physischen Raumes. Mit anderen Worten: Alle Wesen, für die die Zeit eine innere Bedeutung hat, sind Abbilder von vierdimensio­nalen Wesen. Dieser Würfel ist nach drei oder sechs Jahren immer noch derselbe. Der Lilienkeim ändert sich. Denn für ihn hat die Zeit eine reale Bedeutung. Daher ist das, was wir in der Lilie se­hen, nur die dreidimensionale Abbildung des vierdimensionalen Lilienwesens. Die Zeit ist also ein Abbild, eine Projektion der vierten Dimension, der organischen Lebendigkeit, in die drei Raumdimensionen der physischen Welt.

Um sich klarzumachen, wie sich eine folgende Dimension zu der vorhergehenden verhält, bitte ich Sie, sich dieses zu denken:

Der Würfel hat drei Dimensionen; wenn Sie sich die dritte verge­genwärtigen, so müssen Sie sich sagen, daß sie auf der zweiten senkrecht steht und die zweite senkrecht auf der ersten steht. Die drei Dimensionen zeichnen sich dadurch aus, daß sie senkrecht aufeinander stehen. Wir können uns aber noch eine andere Vor­stellung machen, wie die dritte Dimension aus der folgenden [vier­ten Dimension] entsteht. Denken Sie sich, Sie würden den Würfel verändern, indem Sie die Grenzflächen farbig machen und diese Farben dann [in bestimmter Weise, wie bei Hinton] verändern.

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Eine solche Veränderung läßt sich in der Tat durchführen, und sie entspricht ganz genau der Veränderung, die ein dreidimensionales Wesen erleidet, wenn es in die vierte Dimension hinübergeht, sich durch die Zeit entwickelt. Wenn Sie ein vierdimensionales Wesen in irgendeinem Punkte durchschneiden, so heißt das, daß Sie ihm die vierte Dimension nehmen, sie vernichten. Wenn Sie das bei einer Pflanze tun, so machen Sie ganz genau dasselbe, als wenn Sie von der Pflanze einen Abdruck machen, einen Gipsabguß. Das haben Sie dadurch festgehalten, daß Sie die vierte Dimension, die Zeit, vernichteten. Dann bekommen Sie ein dreidimensionales Gebilde. Wenn bei irgendeinem dreidimensionalen Wesen die vierte Dimension, die Zeit, eine wesentliche Bedeutung hat, so handelt es sich um ein lebendiges Wesen.

Nun kommen wir in die fünfte Dimension hinein. Da können Sie sich sagen, Sie müssen wiederum eine Grenze haben, die senk­recht auf der vierten Dimension steht. Von der vierten Dimension haben wir gesehen, daß sie in ähnlicher Beziehung zur dritten Dimension steht, wie die dritte zur zweiten. Von der fünften kann man sich nicht gleich ein solches Bild machen. Aber eine ungefäh­re Vorstellung können Sie sich wieder durch eine Analogie schaf­fen. Wie entsteht überhaupt eine Dimension? Wenn Sie einfach eine Linie ziehen, wird niemals eine weitere Dimension entstehen, wenn Sie die Linie nur in einer Richtung fortschieben würden. Erst durch die Vorstellung, daß Sie zwei einander entgegenkom­mende Kräfterichtungen haben, die sich dann in einem Punkte stauen, erst durch den Ausdruck der Stauung haben Sie eine neue Dimension. Wir müssen also die neue Dimension als eine neue Stauungslinie [zweier Kräfteströmungen] auffassen können, und uns die eine Dimension das eine Mal von rechts, das andere Mal von links kommend denken, als positiv und negativ. Ich fasse also eine Dimension [als in sich] polaren [Kräftestrom] auf, so daß sie eine positive und eine negative Dimension[skomponente] hat, und die Neutralisation [dieser polaren Kräftekomponenten], das ist die neue Dimension.

Von da ausgehend wollen wir uns eine Vorstellung von der

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fünften Dimension schaffen. Da werden wir uns vorzustellen ha­ben, daß die vierte Dimension, die wir als Zeit ausgedrückt gefun­den haben, sich in positiver und negativer Weise verhält. Nehmen Sie nun zwei Wesen, für die die Zeit eine Bedeutung hat, und denken Sie sich zwei solche Wesen miteinander in Kollision gera­ten. Dann muß etwas als Ergebnis erscheinen, ähnlich wie wir früher von einer Stauung von [entgegengesetzten] Kräften geredet haben; und was da als Resultat auftritt, wenn zwei vierdimensio­nale Wesen miteinander in Beziehung treten, das ist ihre fünfte Dimension. Diese fünfte Dimension ergibt sich als Resultat, als Folge eines Austausches [einer Neutralisation polarer Kräftewir­kungen], indem zwei Lebewesen durch ihr gegenseitiges Aufein­anderwirken etwas hervorbringen, was sie nicht außen [in den drei gewöhnlichen Raumdimensionen miteinander gemeinsam] haben, auch nicht in [der vierten Dimension,] der Zeit, gemeinsam haben, sondern völlig außerhalb dieser [bisher besprochenen Dimensio­nen oder] Grenzen haben. Das ist das, was wir Mitgefühl [oder Empfindung] nennen, wodurch ein Wesen von dem andern weiß, also die Erkenntnis des [seelisch-geistigen] Innern eines anderen Wesens. Niemals könnte ein Wesen von dem anderen Wesen et­was wissen außerhalb der Zeit [und des Raumes], wenn Sie nicht noch eine höhere, fünfte Dimension hinzufügten, [also in die Welt der] Empfindung [einträten]. Natürlich ist hier die Empfindung nur als Projektion, als Ausdruck [der fünften Dimension] in der physischen Welt [zu verstehen].

Die sechste Dimension in derselben Weise zu entwickeln, wür­de zu schwer werden, daher will ich sie nur angeben. [Versuchten wir so fortzuschreiten, so würde sich als Ausdruck der sechsten Dimension etwas entwickeln lassen, das,] in die dreidimensionale physische Welt hereingelegt, Selbstbewußtsein ist.

Der Mensch ist als dreidimensionales Wesen ein solches, das mit den anderen dreidimensionalen Wesen seine Bildlichkeit ge­meinschaftlich hat. Die Pflanze hat dazu noch die vierte Dimen­sion. Aus diesem Grunde werden Sie auch niemals das letzte [eigentliche] Wesen der Pflanze innerhalb der drei Dimensionen

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des Raumes finden, sondern Sie müßten von der Pflanze aufstei­gen zu einer vierten Raumdimension [zur Astralsphäre]. Wollten Sie aber gar ein Wesen begreifen, das Empfindung hat, so müßten Sie zur fünften Dimension [zum unteren Devachan, zur Rupa­Sphäre] aufsteigen; und wollten Sie ein Wesen begreifen, das Selbstbewußtsein hat, einen Menschen, so müßten Sie bis zur sechsten Dimension [zum oberen Devachan, zur Arupa-Sphäre] aufsteigen. So ist der Mensch, wie er gegenwärtig vor uns steht, in der Tat ein sechsdimensionales Wesen. Dasjenige, was hier Emp­findung oder Mitgefühl, beziehungsweise Selbstbewußtsein ge­nannt wird, ist eine Projektion der fünften, beziehungsweise sech­sten Dimension in den gewöhnlichen dreidimensionalen Raum. In diese geistigen Sphären ragt der Mensch, wenn auch in der Haupt­sache unbewußt, hinein; erst dort kann er tatsächlich in dem letzt-angedeuteten Sinne erlebt werden. Dieses sechsdimensionale We­sen kann nur dadurch zu einer Vorstellung selbst der höheren Welten kommen, wenn es versucht, sich des eigentlich Charakte­ristischen der niederen Dimensionen zu entledigen.

Nur andeuten kann ich Ihnen den Grund, warum der Mensch die Welt für nur dreidimensional hält, weil er nämlich in seiner Vorstellung eben darauf angelegt ist, in der Welt nur ein Spiegel­bild von Höherem zu sehen. Vor einem Spiegel sehen Sie auch nur ein Spiegelbild von sich selbst. So sind in der Tat die drei Dimen­sionen unseres physischen Raumes Spiegelungen, materielle Ab­bilder von drei höheren, ursächlich schöpferischen Dimensionen. Unsere materielle Welt hat demnach ihr polares [geistiges] Gegen­bild in der Gruppe der drei nächsthöheren Dimensionen, also in denen der vierten, fünften und sechsten Dimension. Und in ähn­lichem Sinne verhalten sich auch die jenseits dieser Gruppe von Dimensionen liegenden, nur zu ahnenden geistigen Welten, polar zu denen der vierten bis sechsten Dimension.

Wenn Sie Wasser haben, und Sie lassen das Wasser gefrieren, so ist in beiden Fällen dieselbe Substanz da; in der Form aber unter­scheiden sie sich ganz wesentlich. Einen ähnlichen Prozeß können Sie sich für die drei höheren Dimensionen des Menschen vorstellen.

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Wenn Sie sich den Menschen als bloß geistiges Wesen denken, dann müssen Sie sich denken, daß er nur die drei höheren Dimen­sionen - Selbstbewußtsein, Gefühl und Zeit - hat, und diese drei Dimensionen spiegeln sich in der physischen Welt in deren drei gewöhnlichen Dimensionen.

Der Yogi [Geheimschüler] muß, wenn er zu einer Erkenntnis der höheren Welten aufrücken will, die Spiegelbilder nach und nach durch die Wirklichkeit ersetzen. Wenn er zum Beispiel eine Pflanze betrachtet, so muß er sich daran gewöhnen, eben die hö­heren Dimensionen allmählich anstelle der niederen zu setzen. Betrachtet er eine Pflanze, und ist er imstande, bei einer Pflanze von einer Raumdimension abzusehen, von einer Raumdimension zu abstrahieren, und sich dafür zunächst einmal eine entsprechen­de der höheren Dimensionen vorzustellen, also die Zeit, dann er­hält er tatsächlich eine Vorstellung davon, was ein zweidimensio­nales, ioi Bewegung begriffenes Wesen ist. Damit dieses Wesen nicht nur ein bloßes Bild ist, sondern etwas, was einer Wirklich­keit entspricht, muß der Yogi noch folgendes machen. Wenn er nämlich von der dritten Dimension absieht und die vierte hinzu­fügt, so würde er nur etwas Imaginäres erhalten. Durch folgende Hilfsvorstellung [kann man sich aber weiterhelfen]: Wenn wir uns von einem lebenden Wesen eine kinematographische Darstellung machen, so nehmen wir den ursprünglich dreidimensionalen Vor­gängen die dritte Dimension weg, fügen aber durch die Szenenfol­ge der Bilder die [Dimension der] Zeit hinzu. Wenn wir dann zu dieser [bewegten] Vorstellung noch die Empfindung hinzufügen, so vollziehen wir eine ähnliche Prozedur, wie ich sie Ihnen früher als Abkrümmen eines dreidimensionalen Gebildes in die vierte Dimension hinein beschrieben habe. Durch diesen Prozeß bekom­men Sie dann ein vierdimensionales Gebilde, jetzt aber ein solches, das zwei von unseren Raumdimensionen hat, aber außerdem noch zwei höhere, nämlich Zeit und Empfindung. Solche Wesen gibt es in der Tat, und diese Wesen - und damit komme ich zu einem realen Schluß der ganzen Betrachtung -, diese Wesen möchte ich Ihnen nennen.

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Denken Sie sich zwei Raumdimensionen, also eine Fläche, und diese Fläche begabt mit Bewegung. Nun denken Sie sich abgebo­gen als Empfindung ein empfindendes Wesen, das dann eine zwei­dimensionale Fläche vor sich herschiebt. Ein solches Wesen muß anders wirken und sich sehr unterscheiden von einem dreidimen­sionalen Wesen unseres Raumes. Dieses Flächenwesen, das wir uns auf diese Weise konstruiert haben, ist nach einer Richtung unabgeschlossen, völlig offen, es bietet Ihnen einen zweidimensio­nalen Anblick; Sie können nicht um es herum, es kommt auf Sie zu. Das ist ein Leuchtwesen, und das Leuchtwesen ist nichts an­deres als die Unabgeschlossenheit nach einer Richtung.

Durch ein solches Wesen lernen die Eingeweihten dann andere Wesen kennen, die sie beschreiben als die göttlichen Boten, die ihnen in Feuerflammen nahen. Die Beschreibung vom Sinai, als dem Moses die zehn Gebote gegeben worden sind,55 heißt nichts anderes, als daß sich ihm in der Tat ein Wesen nähern konnte, das für ihn wahrnehmbar diese Abmessungen hatte. Es wirkte auf ihn wie ein Mensch, dem man die dritte Raumdimension fortgenom­men hatte, es wirkte in der Empfindung und in der Zeit.

Diese abstrakten Bilder in den religiösen Urkunden sind nicht nur äußere Sinnbilder, sondern gewaltige Wirklichkeiten, die der Mensch kennenlernen kann, wenn er das sich anzueignen imstande ist, was wir durch Analogien uns klarzumachen versuchten. Je mehr Sie sich solchen Betrachtungen von Analogien fleißig und energisch hingeben, emsig sich hineinvertiefen, desto mehr wirken Sie wirklich auf Ihren Geist, und um so mehr wirken diese [Be­trachtungen] in uns und lösen höhere Fähigkeiten aus. [Dies ist etwa der Fall bei der Auseinandersetzung mit] der Analogie des Verhältnisses des Würfels zum Sechseck und des Tessarakts zum Rhombendodekaeder. Letzteres stellt eine Projektion des Tessar­aktes in die dreidimensionale physische Welt dar. Wenn Sie sich diese Figuren als für sich lebend veranschaulichen, wenn Sie aus der Projektion des Würfels - dem Sechseck - den Würfel heraus-wachsen lassen, und ebenso aus der Projektion des Tessaraktes [dem Rhombendodekaeder] den Tessarakt selbst enstehen lassen,

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dann schaffen Sie sich dadurch in Ihrem niederen Mentalkörper die Möglichkeit und die Fähigkeit, das aufzufassen, was ich Ihnen eben als Gebilde beschrieben habe. Und wenn Sie, mit anderen Worten, nicht nur mir gefolgt sind, sondern diese Prozedur leben­dig durchgemacht haben, wie der Yogi beim wachen Bewußtsein, dann werden Sie merken, daß Ihnen in Ihren Träumen so etwas auftreten wird, das in Wirklichkeit ein vierdimensionales Gebilde ist, und dann ist es nicht mehr weit, es herüberzuholen in das wache Bewußtsein, und Sie können dann bei jedem vierdimensio­nalen Wesen die vierte Dimension sehen.

Die astrale Sphäre ist die vierte Dimension.

Devachan bis Rupa ist die fünfte Dimension.

Devachan bis Arupa ist die sechste Dimension.56

Diese drei Welten, die physische, astralische und himmlische [devachanische], umschließen sechs Dimensionen. Die noch höhe­ren Welten verhalten sich vollständig polar zu diesen.

#Bild s. 89

DER VIERDIMENSIONALE RAUM Berlin, 7. November 1905

#G324a-1995-SE090 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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DER VIERDIMENSIONALE RAUM

Berlin, 7. November 1905

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Unser gewöhnlicher Raum hat drei Dimensionen: Länge, Breite und Höhe. Eine Linie ist in einer Dimension ausgedehnt, sie hat nur Länge. Die Tafel ist eine Fläche, hat also zwei Dimensionen:

Länge und Breite. Ein Körper dehnt sich nach drei Dimensionen aus. Wie entsteht nun ein Körper aus drei Dimensionen?

Stellen Sie sich ein Gebilde vor, das gar keine Dimensionalität hat, das ist der Punkt. Er hat null Dimensionen. Wenn ein Punkt sich bewegt und eine Richtung einhält, so entsteht eine gerade Linie, ein eindimensionales Gebilde. Wenn Sie sich die Linie wei­terbewegt denken, so entsteht eine Fläche mit Länge und Breite. Wenn Sie schließlich die Fläche sich bewegt denken, so beschreibt sie ein dreidimensionales Gebilde. Auf diesselbe Weise können wir aber nicht mehr aus dem dreidimensionalen Körper [durch Bewegung] ein vierdimensionales Gebilde, eine vierte Dimension erzeugen. Wir müssen versuchen, uns bildlich vorzustellen, wie wir zum Begriff einer vierten Dimension kommen können. [Ge­wisse] Mathematiker [und Naturwissenschaftler] haben sich ver­sucht gefühlt, die geistige Welt mit unserer sinnlichen Welt in Einklang zu bringen [, indem sie die geistige Welt in einen vier­dimensionalen Raum hineinversetzten], so zum Beispiel Zöllner.57

#Bild s. 90

Denken Sie sich einen Kreis. Er ist nach allen Seiten hin in der Ebene geschlossen. Wenn jemand verlangt, daß eine Münze von

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außerhalb des Kreises in den Kreis hineinkommen soll, müssen wir die Kreislinie überschreiten (Figur 46). Falls Sie aber die Kreislinie nicht berühren wollen, so müssen Sie die Münze [in den Raum] heben und dann hineinlegen. Sie müssen dabei notwendi­gerweise aus der zweiten in die dritte Dimension gehen. Falls wir eine Münze in einen Würfel [oder in eine Kugel] hineinzaubern wollten, so müßten wir [aus der dritten Dimension heraus und] durch die vierte Dimension hindurchgehen.58

Als ich in diesem Leben zu erfassen anfing, was der Raum eigentlich ist, war es, als ich anfing, neuere [synthetische projekti­ve] Geometrie zu studieren. Da begriff ich, was es für eine Bedeu­tung hat, wenn man von einem Kreise in eine Linie übergeht (Fi­gur 47). Im intimsten Denken der Seele eröffnet sich die Welt.59

#Bild s. 91

Denken wir uns nun einen Kreis. Wenn wir die Kreislinie ver­folgen, können wir auf ihr herum gehen und zu dem ursprüngli­chen Punkte zurückkehren. Denken wir uns nun den Kreis immer größer und größer werdend [wobei wir eine Tangentenlinie fest­halten]. Dabei muß er zuletzt in eine gerade Linie übergehen, da er sich immer mehr verflacht. [Wenn ich die sich vergrößernden Kreise durchlaufe, so gehe ich immer auf der einen Seite] hinunter [und komme dann auf der anderen Seite wieder] herauf und zurück

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zum Ausgangspunkt. [Bewege ich mich schließlich auf der geraden Linie etwa nach rechts bis ins Unendliche, so] muß ich von der anderen [linken] Seite von der Unendlichkeit wieder zu­rückkehren, da die gerade Linie sich [bezüglich der Anordnung ihrer Punkte] wie ein Kreis verhält. Daraus sehen wir, daß der Raum keinen Abschluß hat [im selben Sinne, wie die gerade Linie keinen Abschluß hat, das heißt, die Anordnung ihrer Punkte ist dieselbe wie bei einem in sich geschlossenen Kreis. Entsprechend muß man sich den unendlich ausgedehnten Raum als in sich ge­schlossen denken, so wie die Oberfläche einer Kugel in sich ge­schlossen ist]. Damit haben Sie den unendlichen Raum dargestellt [im Sinne] eines Kreises, [oder] einer Kugel. Dieser Begriff führt uns dazu, den Raum vorzustellen in seiner Wirklichkeit.60

Wenn ich mir nun vorstelle, daß ich nicht einfach wesenlos [ins Unendliche] fortgehe, um dann [unverändert von der anderen Sei­te] zurückzukehren, sondern mir denke, ich habe hier ein aus­strahlendes Licht, so wird dieses [von einem ruhenden Punkt auf der Linie aus gesehen] immer schwächer, indem ich [mit dem Licht] fortgehe, und immer stärker, wenn ich [aus dem Unend­lichen mit dem Licht wieder] zurückkehre. Und denken wir, daß dieses Licht nicht nur positiv wirkt, sondern, indem es hier sich [wieder] nähert von der anderen Seite, desto stärker leuchtet, so haben Sie [hier die Qualitäten] positiv und negativ.

Bei allen Naturwirkungen finden Sie diese zwei Pole, die nichts anderes darstellen, als die entgegengesetzten Wirkungen des Rau­mes. Daraus bekommen Sie den Begriff, daß der Raum etwas Kraftvolles ist, und daß die Kräfte, die darin wirken, nichts ande­res sind als der Ausfluß der Kraft selbst. Dann werden wir nicht zweifeln können, daß sich innerhalb unseres dreidimensionalen Raumes eine Kraft finden könnte, die von innen wirkt. Sie werden sich klar werden, daß alles, was im Raume auftritt, auf wirklichen Verhältnissen im Raume beruht.

Denken wir zwei Dimensionen miteinander verschlungen, dann hätten wir diese zwei in Beziehung gebracht. Wenn Sie zwei [ge­schlossene] Ringe miteinander verschlingen wollen, müssen Sie

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den einen aufdröseln, um den anderen hineinzubringen. Ich werde mir nun aber die innere Mannigfaltigkeit des Raumes bezeugen, indem ich dieses Gebilde [ein rechteckiges Papierband] zweimal um sich selbst verschlinge [das heißt, das eine Ende festhalte und das andere Ende um 3600 verdrehe und dann die beiden Enden zusammenhalte]. Ich hefte das Papierband fest mit Stecknadeln zusammen und zerschneide es in der Mitte. Jetzt hängt das eine Band ganz fest in dem anderen drinnen. Vorher war es nur ein Band. Ich habe also hier durch bloße Bandverschlingungen inner­halb der drei Dimensionen dasselbe erzeugt, was ich sonst [nur] durch Hinausgehen in die [vierte] Dimension erreichen kann 61

So etwas ist keine Spielerei, sondern Wirklichkeit. Wenn wir hier die Sonne haben, und hier die Erdbahn um die Sonne, und hier die Mondbahn um die Erde (Figur 48), so müssen wir uns vorstellen, daß sich die Erde um die Sonne bewegt und deshalb die Mondbahn und die Erdbahn genauso verschlungen sind [wie un­sere zwei Papierbänder]. Nun hat sich der Mond [im Laufe der Erdenentwicklung] von der Erde abgezweigt. Das ist eine innere Abzweigung, die auf dieselbe Art vor sich gegangen ist [wie die Verschlingung unserer zwei Papierbänder zustande gekommen ist]. [Durch eine solche Betrachtungsweise] wird der Raum in sich lebendig.

#Bild s. 93

Betrachten Sie nun ein Quadrat. Denken Sie es sich so [durch den Raum] bewegt, daß es einen Würfel bildet. Dann muß es ill sich selbst vorwärtsschreiten.

Ein Würfel ist aus sechs Quadraten zusammengesetzt, sie bil­den zusammen die Oberfläche des Würfels. Um den Würfel [in

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übersichtlicher Weise] zusammenzufügen, lege ich die sechs Qua­drate zunächst nebeneinander [in eine Ebene] (Figur 49). Ich krie­ge den Würfel wieder, wenn ich diese Quadrate aufstülpe. Das sechste muß ich dann oben drauf legen, indem ich durch die dritte Dimension hindurchgehe. Dadurch habe ich nun den Würfel aus­einandergelegt in zwei Dimensionen. Ich habe verwandelt ein dreidimensionales Gebilde durch Auseinanderlegen in ein zwei­dimensionales.

#Bild s. 94a

Denken Sie sich nun, daß die Grenzen eines Würfels Quadrate sind. Habe ich hier einen dreidimensionalen Würfel, so ist er be­grenzt von zweidimensionalen Quadraten. Nehmen wir einmal bloß ein einziges Quadrat. Es ist zweidimensional und wird be­grenzt von vier eindimensionalen Linien. Ich kann die vier Linien in eine einzige Dimension ausbreiten (Figur 50). Was in der einen Dimension erscheint, werde ich nun rot [ausgezogene Linie] ma­len und die andere Dimension blau [punktierte Linie] streichen. Jetzt kann ich, statt Länge und Breite zu sagen, von der roten und der blauen Dimension sprechen.

#Bild s. 94b

Aus sechs Quadraten kann ich den Würfel wieder zusammen­setzen. Ich gehe also jetzt über von der Zahl vier [der Anzahl der

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Seitenlinien des Quadrates] zur Zahl sechs [der Anzahl der Seiten­flächen des Würfels]. Gehe ich noch einen Schritt weiter, so kom­me ich von der Zahl sechs [der Anzahl der Seitenflächen des Würfels] zur Zahl acht [der Anzahl «Seitenwürfel» eines vierdi­mensionalen Gebildes]. Ich ordne nun die acht Würfel so an, daß dadurch im dreidimensionalen Raume das entsprechende Gebilde entsteht zu dem früher [aus sechs Quadraten aufgebauten Gebil­de] in der zweidimensionalen Fläche (Figur 51).

#Bild s. 95

Denken Sie sich, ich würde imstande sein, dieses Gebilde so umzustülpen, daß ich es richtig aufdrehe und so zusammenfüge, daß ich mit dem achten Würfel das ganze Gebilde zudecke, dann kriege ich aus den acht Würfeln ein vierdimensionales Gebilde in einem vierdimensionalen Raum. Dieses Gebilde heißt [nach Hin­ton] das Tessarakt. Es hat als sein Grenzgebilde acht Würfel, ganz entsprechend wie der gewöhnliche Würfel als sein Grenzgebilde sechs Quadrate hat. Das [vierdimensionale] Tessarakt ist also von [acht] dreidimensionalen Würfeln begrenzt.

Denken Sie sich ein Wesen, das nur in zwei Dimensionen sehen kann, und dieses Wesen würde nun die auseinandergelegten Qua­drate anschauen, es würde nur die Quadrate 1, 2, 3, 4 und 6 sehen, nie aber das schraffierte Quadrat 5 in der Mitte (Figur 52). Ganz entsprechend geht es Ihnen mit dem vierdimensionalen Gebilde.

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[Da Sie nur dreidimensionale Objekte sehen können, so] können Sie den verborgenen Würfel in der Mitte nicht sehen.

#Bild s. 96a

Denken Sie sich nun den Würfel so auf die Tafel gezeichnet [so daß als Umriß ein regelmäßiges Sechseck entsteht]. Das andere ist hinten verborgen. Dies ist eine Art Schattenbild, eine Projektion des Würfels in den zweidimensionalen Raum (Figur 53). Dieses zweidimensionale Schattenbild eines dreidimensionalen Würfels besteht aus Rhomben, aus schiefen Vierecken [Parallelogramme]. Denken Sie sich den Würfel aus Draht hergestellt, so würden Sie auch die hinteren Rhomben-Vierecke sehen können. Sie haben hier also in der Projektion sechs ineinandergeschobene Rhomben­Vierecke. Auf diese Weise können Sie den ganzen Würfel hinein­werfen in den zweidimensionalen Raum.

#Bild s. 96b

Denken Sie sich nun unser Tessarakt gebildet im vierdimensio­nalen Raum. Wenn Sie dieses Gebilde in den dreidimensionalen Raum hineinwerfen, so müssen Sie vier [sich gegenseitig nicht durchdringende rhombisch] verschobene schiefe Würfel [Parallel­epipede] kriegen. Einer dieser rhombisch verschobenen Würfel müßte so gezeichnet werden (Figur 54).

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#Bild s. 97a

Acht solche verschobenen Rhomben-Würfel müßten [aber] in­einandergesteckt werden, damit man im dreidimensionalen Raum [ein vollständiges] dreidimensionales Bild des vierdimensionalen Tessaraktes erhält. Damit können wir also das [vollständige] drei­dimensionale Schattenbild eines solchen Tessaraktes darstellen mit Hilfe von acht [geeignet] ineinander geschobenen Rhomben-Wür­feln. [Als Raumgebilde ergibt sich dabei ein Rhombendodekaeder mit vier Raumdiagonalen (Figur 55). So wie bei der Rhomben-Darstellung des Würfels je drei unmittelbar benachtbarte Rhom­ben gegenseitig verschoben ineinander zu liegen kommen, man also von den sechs Würfelflächen nur drei in der Projektion sieht, so erscheinen auch bei der Rhombendodekaeder-Darstellung des Tessaraktes nur vier sich nicht gegenseitig durchdringende Rhom­ben-Würfel als Projektionen der acht Grenz-Würfel, da je vier der unmittelbar benachbarten Rhomben-Würfel die übrigen vier voll­kommen überdecken.62]

#Bild s. 97b

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Den dreidimensionalen Schatten eines vierdimensionalen Kör­pers können wir also konstruieren, wenn auch nicht das Tessarakt selbst. Im selben Sinne sind wir der Schatten von vierdimensiona­len Wesen. So muß der Mensch, wenn er vom Physischen zum Astralen steigt, sein Vorstellungsvermögen ausbilden. Denken wir uns ein zweidimensionales Wesen, das sich [intensiv und wieder­holt] bemüht, ein solches [dreidimensionales] Schattenbild recht lebhaft vorzustellen. Wenn es sich dann dem Traum überläßt, so quellen dann (...).

Wenn Sie sich aufbauen im Geiste das Verhältnis der dritten zur vierten Dimension, so arbeiten in Ihnen die Kräfte, die Sie in den [wirklichen, nicht den mathematischen] vierdimensionalen Raum hineinschauen lassen.

Wir werden immer ohnmächtig sein in der höheren Welt, wenn wir uns nicht hier [in der Welt des gewöhnlichen Bewußtseins] die Fähigkeiten [des Sehens in der höheren Welt] erwerben werden. So wie der Mensch im Mutter leib die Augen zum Sehen in der phy­sisch-sinnlichen Welt ausbildet, so muß der Mensch im Mutterleib der Erde [übersinnliche] Organe ausbilden, dann wird er in der höheren Welt [als Sehender] geboren. Die Ausbildung der Augen im Mutterleib ist ein [erhellendes] Beispiel [für diesen Prozeß].

Der Würfel müßte aus den Dimensionen Länge, Breite und Höhe aufgebaut werden. Das Tessarakt müßte ich aufbauen aus den Di­mensionen Länge, Breite, Höhe und einer vierten Dimension.

Indem die Pflanze wächst, durchbricht sie den dreidimensiona­len Raum. Jedes Wesen, das in der Zeit lebt, durchbricht die drei [gewöhnlichen] Dimensionen. Die Zeit ist die vierte Dimension. Sie steckt unsichtbar in den drei Dimensionen des gewöhnlichen Raumes darinnen. Sie können sie aber nur durch hellseherische Kraft wahrnehmen.

Ein bewegter Punkt erzeugt eine Linie; bewegt sich eine Linie, so entsteht eine Fläche; und bewegt sich ein Fläche, so ensteht der dreidimensionale Körper. Lassen wir nun den dreidimensionalen Raum sich bewegen, so haben wir Wachstum [und Entwicklung]. Sie haben dadurch den vierdimensionalen Raum, die Zeit [hineinprojiziert

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in den dreidimensionalen Raum als Bewegung, Wachs­tum, Entwicklung].

[Die geometrische Betrachtung zum Aufbau der drei gewöhn­lichen Dimensionen] finden Sie fortgesetzt im wirklichen Leben. Die Zeit steht senkrecht auf den drei Dimensionen, sie ist die vier­te, sie wächst. Wenn Sie die Zeit in sich lebendig machen, entsteht die Empfindung. Vermehren Sie die Zeit in sich, bewegen Sie sie in sich selbst, so haben Sie das empfindende Tierwesen, das in Wahrheit fünf Dimensionen hat. Das Menschenwesen hat in Wahrheit sechs Dimensionen.

Wir haben vier Dimensionen im Ätherbereich [Astralplan], fünf Dimensionen im Astralbereich [unteres Devachan] und sechs Di­mensionen im [oberen] Devachan.

So quellen Ihnen die [geistigen] Mannigfaltigkeiten auf. Das Devachan als Schatten in den Astralraum geworfen, gibt uns den Astralkörper, der Astralraum als Schatten in den Ätherraum ge­worfen, gibt uns den Ätherkörper, und so weiter.

Die Zeit geht nach einer Seite, das ist das Absterben der Natur, und nach der anderen ist es das Wiederaufleben. Die zwei Punkte, wo sie ineinander übergehen, das sind Geburt und Tod.

Die Zukunft kommt uns fortwährend entgegen. Wenn das Le­ben bloß nach einer Richtung ginge, würde nie etwas Neues ent­stehen. Der Mensch hat auch Genie - das ist seine Zukunft, seine Intuitionen, die ihm entgegenströmen. Die verarbeitete Vergan­genheit ist [der von der anderen Seite herkommende Strom; sie bestimmt] das Wesen [, wie es bisher geworden ist].

ÜBER DEN MEHRDIMENSIONALEN RAUM Berlin, 22. Oktober 1908

#G324a-1995-SE100 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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ÜBER DEN MEHRDIMENSIONALEN RAUM

Berlin, 22. Oktober 1908

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Der Gegenstand, der uns heute beschäftigen soll, wird uns man­cherlei Schwierigkeiten machen. Betrachten Sie den Vortrag als eine Episode; er wird ja auf Wunsch gehalten. Wenn man den Gegenstand nur formal in seiner Tiefe erfassen will, so sind einige mathematische Vorkenntnisse nötig. Wenn man ihn aber in seiner Realität erfassen will, so muß man schon sehr tief eindringen in den Okkultismus. Wir können also heute nur sehr oberflächlich davon reden, nur eine Anregung geben für diesen oder jenen.

Es ist sehr schwierig, überhaupt über die Mehrdimensionalität zu sprechen, weil man sich, wenn man in der Vorstellung sich eine Anschauung von dem machen will, was mehr als drei Dimensio­nen sind, sich da in abstrakten Gebieten zu ergehen hat, und da müssen die Begriffe sehr präzise und streng gefaßt werden, sonst kommt man ins Bodenlose. Und dahin sind ja auch viele Freunde und Feinde gekommen.

Der Begriff des mehrdimensionalen Raumes ist ja der Mathe­matikerwelt gar nicht so fremd, als man gewöhnlich glaubt.63 Es gibt in Mathematikerkreisen schon ein Rechnen mit einer mehrdi­mensionalen Rechnungsart. Natürlich kann der Mathematiker nur in einem sehr begrenzten Sinn von diesem Raum sprechen, er kann nur die Möglichkeit erörtern. Ob er wirklich ist, kann nur der feststellen, der in einen mehrdimensionalen Raum hineinschauen kann. Hier haben wir es schon mit lauter Begriffen zu tun, die, wenn man sie nur genau faßt, wirklich uns Klarheit verschafffen über den Raumbegriff.

Was ist der Raum? Man sagt gewöhnlich: Um mich herum ist Raum, ich gehe im Raum herum - und so weiter. Wer eine deut­lichere Vorstellung haben will, der muß schon auf einige Abstrak­tionen eingehen. Wir nennen den Raum, in dem wir uns bewegen, dreidimensional. Er hat eine Ausdehnung nach Höhe und Tiefe, nach rechts und links, nach vorne und hinten, er hat Länge, Breite

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und Höhe. Wenn wir Körper betrachten, so sind diese Körper für uns in diesem dreidimensionalen Raum ausgedehnt, sie haben für uns eine gewisse Länge, eine gewisse Breite und Höhe.

Wir müssen uns aber mit den Einzelheiten des Raumbegriffes beschäftigen, wenn wir zu einem genaueren Begriff kommen wol­len. Sehen wir auf den einfachsten Körper, den Würfel. Er zeigt uns am deutlichsten, was Länge, Breite und Höhe sind. Wir finden eine Grundfläche des Würfels, die in der Länge und Breite sich gleich ist. Bewegen wir die Grundfläche in die Höhe, gerade so weit, wie die Grundfläche breit und lang ist, so bekommen Sie den Würfel, der also ein dreidimensionales Gebilde ist. An dem Würfel können wir am klarsten uns unterrichten über die Einzelheiten eines dreidimensionalen Gebildes. Wir untersuchen die Grenzen des Würfels. Diese werden überall gebildet von Flächen, die von gleich langen Seiten begrenzt werden. Sechs solcher Flächen sind vorhanden.

Was ist eine Fläche? Schon hier wird der straucheln, der nicht zu ganz scharfen Abstraktionen fähig ist. Man kann zum Beispiel die Grenzen nicht von einem Wachswürfel als feine Wachsschicht abschneiden. Man bekäme dann ja immer noch eine Schicht von gewisser Dicke, erhielte also einen Körper. Auf diese Weise kom­men wir nie zur Grenze des Würfels. Die wirkliche Grenze hat nur Länge und Breite, keine Höhe. Die Dicke ist gestrichen. Wir kommen also zu dem formelhaften Satze: Die Fläche ist die Gren­ze [eines dreidimensionalen Gebildes], bei der eine Dimension fortfällt.

Was ist nun die Grenze der Fläche, zum Beispiel des Quadrats? Hier müssen wir wieder die äußerste Abstraktion nehmen. [Die Grenze einer Fläche] ist eine Linie, die nur eine Dimension, die Länge, hat. Die Breite ist gestrichen. Was ist die Grenze der Linie? Es ist der Punkt, er hat gar keine Dimension. Man bekommt also jedesmal die Grenze eines Gebildes, indem man eine Dimension fortläßt.

Also könnte man sich sagen, und das ist auch der Gedanken-gang, den viele Mathematiker gegangen sind, besonders auch Riemann,64

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der hier das Gediegenste geleistet hat: Wir nehmen den Punkt, der gar keine, die Linie, die eine, die Fläche, die zwei, den Körper, der drei Dimensionen hat. Nun fragten sich die Mathema­tiker: Könnte es nicht so sein, daß man rein formal sagen könnte, man kann noch eine vierte Dimension hinzufügen? Dann müßte der [dreidimensionale] Körper die Grenze des vierdimensionalen Gebildes sein, wie die Fläche die Grenze des Körpers, die Linie die Grenze der Fläche und der Punkt die Grenze der Linie ist. Natürlich kommt der Mathematiker dann noch weiter zu fünf-, sechs- und siebendimensionalen Gebilden und so weiter. Wir ha­ben [sogar beliebige] n-dimensionale Gebilde [wo n eine positive ganze Zahl ist].

Nun kommt schon eine Unklarheit in die Sache, wenn wir sa­gen: Der Punkt hat gar keine, die Linie hat eine, die Fläche zwei, der Körper drei Dimensionen. Wir können nun einen solchen Körper, zum Beispiel einen Würfel, aus Wachs, Silber, Gold und so weiter machen. Sie sind der Materie nach verschieden. Wir machen sie gleich groß, dann nehmen sie alle den selben Raum ein. Lassen Sie nun alle Materie fort, so bleibt nur ein bestimmter Raumteil, der das Raumbild des Körpers ist, übrig. Diese Raum-teile sind [alle untereinander] gleich, aus welchem Stoff der Würfel auch bestand. Diese Raumteile haben auch Länge, Breite und Höhe. Wir können uns nun diese Würfel unendlich ausgedehnt denken und kommen so zu einem unendlich ausgedehnten drei­dimensionalen Raum. Der [materielle] Körper ist ja nur ein Teil davon.

Es fragt sich nun, ob wir ohne weiteres solche begrifflichen Erwägungen, die wir, vom Raume ausgehend, machen, ausdehnen können auf höhere Wirklichkeiten. Der Mathematiker rechnet bei diesen Erwägungen eigentlich nur, und zwar mit Zahlen. Nun fragt es sich, ob man das überhaupt darf. Ich will Ihnen zeigen, eine wie große Verwirrung schon entstehen kann, wenn man mit den Raumgrößen zahlenmäßig rechnet. Warum? Ich brauche Ih­nen nur eines zu sagen: Denken Sie sich, Sie haben hier eine qua­dratische Figur. Ich kann diese Figur, diese Fläche, nach beiden

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Seiten immer breiter machen und komme so zu einer Fläche, die sich unbegrenzt zwischen zwei Linien ausdehnt (Figur 56).

#Bild s. 103a

Diese Fläche ist doch unendlich groß, ist also ~. Jetzt denken Sie sich jemand, der höre, der Flächenraum zwischen diesen bei­den Linien ist unendlich [groß]. Da denkt er sich natürlich die Unendlichkeit. Sprechen Sie nun zu ihm von der Unendlichkeit, so kann er sich unter Umständen ganz falsche Vorstellungen da­von bilden. Denken Sie sich, ich nehme jetzt noch unten [zu jedem Quadrat je eines dazu, also eine weitere Quadratreihe von] unend­lich vielen Quadraten, so erhalte ich eine [andere] Unendlichkeit, die genau doppelt so groß ist, wie die erstere (Figur 57). Es ergibt sich also ~ = 2. ~.

Auf dieselbe Weise könnte ich bekommen: ~ = 3. ~

Sie können überhaupt, wenn Sie mit Zahlen rechnen, ebensogut die Unendlichkeit benutzen wie eine Endlichkeit. So wahr [es ist, daß] der Raum schon im ersten Falle unendlich war, ebenso wahr ist es, daß er nachher 2 ~, 3. ~ und so weiter ist. Wir rechnen hier also zahlenmäßig.

#Bild s. 103b

Wir sehen, der [sich an die zahlenmäßige Erfassung anschlie­ßende] Begriff der Unendlichkeit des Raumes gibt uns gar keine Möglichkeit, hier tiefer [in die höheren Wirklichkeiten] ein­zudringen. Zahlen haben eigentlich gar keine Beziehung zum Rau­me, verhalten sich ganz neutral zu ihm, wie Erbsen oder irgendwelche

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anderen Gegenstände. Sie wissen ja nun, daß sich durch Rechnen an der Realität nichts ändert. Hat jemand drei Erbsen, so kann er daran durch die Multiplikation nichts ändern, wenn er auch richtig rechnet. [Die Rechnung] 3.3 = 9 gibt noch . keine neun Erbsen. Eine bloße Überlegung ändert hier nichts, und Rechnen ist eine bloße Überlegung. Ebenso wie die drei Erbsen zurückbleiben, [man in Wirklichkeit keine neun Erbsen erzeugt,] wenn auch richtig multipliziert wird, so muß der dreidimensionale Raum ebenso zurückbleiben, wenn der Mathematiker auch rech­net: zwei-, drei-, vier-, fünfdimensionaler Raum. Sie werden füh­len, daß eine solche mathematische Überlegung etwas sehr Beste­chendes hat. Diese Überlegung beweist aber nur, daß der Mathe­matiker zwar mit einem solchen mehrdimensionalen Raum rech­nen könnte; [ob es aber einen mehrdimensionalen Raum tatsäch­lich gibt, das heißt,] über die Gültigkeit eines solchen Begriffes [für die Wirklichkeit] kann er nichts ausmachen. Das wollen wir uns hier in aller Strenge klarmachen.

Jetzt wollen wir noch einige andere Überlegungen ins Auge fassen, die von Mathematikerseite sehr scharfsinnig, könnte man sagen, gemacht worden sind. Wir Menschen denken, hören, fühlen und so weiter im dreidimensionalen Raum. Denken wir uns ein­mal, daß es Wesen gäbe, die nur im zweidimensionalen Raum wahrnehmen könnten, die so organisiert wären, daß sie immer nur in der Fläche bleiben müssen, daß sie nicht aus der zweiten Di­mension herauskommen könnten. Solche Wesen sind durchaus denkbar: sie können sich nur nach rechts und links [und nach hinten und vorne] bewegen [und wahrnehmen] und haben keine Ahnung davon, was oben und unten sich befindet.65

Nun könnte es dem Menschen in seinem dreidimensionalen Raum auch so gehen. Er könnte nur für die drei Dimensionen organisiert sein, so daß er die vierte Dimension nur nicht wahr­nehmen könnte, die aber für ihn sich ebenso hinzu ergibt, wie für die anderen die dritte sich hinzu ergibt. Nun sagen die Mathema­tiker, das ist durchaus denkmöglich, den Menschen als solches Wesen zu denken. Nun könnte man aber wieder sagen, das ist nun

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auch nur so eine Auslegung. Man könnte das gewiß sagen. Aber hier muß man doch wieder etwas genauer zu Werke gehen. So einfach wie im ersten Falle [mit der zahlenmäßigen Erfassung der Unendlichkeit des Raumes] liegt die Sache hier doch nicht. Ich gebe absichtlich heute nur ganz einfache Erörterungen.

Es ist mit dieser Schlußfolgerung nicht so, wie mit der ersten rein formalen [rechnerischen] Erwägung. Wir kommen hier zu einem Punkte, wo wir einhaken können. Es ist richtig, daß es ein Wesen geben kann, das nur wahrnehmen kann, was in der Fläche sich bewegt, das keine Ahnung hat, daß es oben oder unten noch etwas gibt. Nun denken Sie sich einmal folgendes: Denken Sie sich, innerhalb der Fläche wird für das Wesen ein Punkt sichtbar, der natürlich wahrnehmbar ist, weil er in der Fläche sich befindet. Bewegt der Punkt sich nur in der Fläche, so bleibt er sichtbar, bewegt er sich aber aus der Fläche heraus, so wird er unsichtbar. Er wäre verschwunden für das Flächenwesen. Denken wir nun, der Punkt tauchte nachher wieder auf, werde also wieder sichtbar, verschwände dann wieder und so weiter. Verfolgen kann das Wesen den [aus der Fläche herausgehenden] Punkt nicht, aber sagen kann sich das Wesen: der Punkt ist inzwischen irgendwo gewesen, wo ich nicht hinschauen kann. Das Flächenwesen könnte nun ein zweifaches tun. Versetzen wir uns einmal in die Seele dieses Flächenwesens. Es könnte einmal sagen: Es gibt eine dritte Dimension, in die der Gegenstand untergetaucht ist, dann ist er nachher wieder aufgetaucht. - Oder es könnte auch sagen: Das sind ganz dumme Wesen, die von einer dritten Dimension spre­chen, der Gegenstand ist [in jedem Falle] immer verschwunden, untergegangen und [jedesmal] wieder neu entstanden. - Man müß­te dann doch sagen: Das Wesen sündigt gegen den Verstand. Wenn es also nicht ein fortwährendes Verschwinden und Neuent­stehen annehmen will, muß sich das Wesen doch sagen: Der Ge­genstand ist irgendwo untergetaucht, verschwunden, wo ich nicht hineinschauen kann.

Ein Komet, wenn er verschwindet, geht durch den vierdimen­sionalen Raum.66

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Wir sehen hier, was wir zu der mathematischen Betrachtung hinzufügen müssen. Es müßte sich im Felde unserer Beobachtun­gen etwas finden, was immer auftaucht und wieder verschwindet. Dazu braucht man gar nicht hellsehend zu sein. Wäre das Flächen-wesen hellsehend, so brauchte es ja nicht [bloß] zu schließen, es wüßte ja aus der Erfahrung, daß es eine dritte Dimension gibt. Ebenso ist es für den Menschen. Solange er nicht hellsehend ist, müßte er sich sagen: Ich bleibe in den drei Dimensionen; sobald ich aber etwas beobachte, das von Zeit zu Zeit verschwindet und wieder auftaucht, so bin ich berechtigt zu sagen: hier gibt es eine vierte Dimension.

Alles, was bisher gesagt worden ist, ist so unangreifbar wie nur irgend möglich. Und die Bestätigung ist so einfach, daß es dem Menschen in seinem heutigen verblendeten Zustande gar nicht einfallen wird, das zuzugeben. Die Antwort auf die Frage: Gibt es so etwas, was immer verschwindet und wieder auftaucht? - ist so leicht. Denken Sie einmal, es taucht eine Freude in Ihnen auf, und dann verschwindet sie wieder. Es ist unmöglich, daß irgend je­mand, der nicht hellsehend ist, sie noch wahrnehmen wird. Nun taucht dieselbe Empfindung durch irgendein Ereignis wieder auf. Nun könnten Sie, genau wie das Flächenwesen, sich in verschiede­ner Weise verhalten. Entweder [Sie sagen sich,] die Empfindung ist verschwunden irgendwohin, wo ich sie nicht verfolgen kann, oder aber [Sie vertreten die Ansicht, daß] die Empfindung vergeht und immer wieder neu entsteht.

Es ist nun aber einmal wahr: jeder ins Unbewußte hinge­schwundene Gedanke ist ein Beweis dafür, daß etwas verschwin­det und [dann] wieder auftaucht. Gegen alles dies ist höchstens folgendes einzuwenden. Wenn Sie sich bemühen, gegen einen sol­chen Ihnen schon plausiblen Gedanken alles einzuwenden, was von einer materialistischen Anschauung eingewendet werden könnte, so tun Sie ganz recht. Ich will hier einmal den allerspitz­findigsten Einwand machen, alle anderen [Einwände] sind sehr leicht zu widerlegen. Man sagt sich zum Beispiel: alles wird auf rein materialistische Weise erklärt. Nun will ich Ihnen zeigen, daß

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ganz gut innerhalb der materiellen Vorgänge etwas verschwinden kann, was nachher wieder auftaucht. Stellen Sie sich einmal vor, irgendein Dampfkolben wirkt, stößt immer nach derselben Rich­tung hin. Er ist als fortschreitender Kolben wahrnehmbar, solange die Kraft wirkt. Nehmen wir nun an, ich setze entgegen einen ganz gleichen, [aber] entgegengesetzt wirkenden Kolben. Dann hebt sich die Bewegung auf, es tritt Stillstand ein. Hier verschwin­det also tatsächlich die Bewegung.

Ganz entsprechend könnte man hier sagen: Für mich ist die Empfindung von Freude nichts anderes, als daß sich etwa im Gehirn Moleküle bewegen. Solange diese Bewegung stattfindet, empfinde ich diese Freude. Nehmen wir nun an, irgend etwas anderes bewirkt im Gehirn eine entgegengesetzte Bewegung der Moleküle, so verschwindet die Freude. Nicht wahr, es könnte je­mand, der nicht sehr weit ginge mit seinen Erwägungen, hierin schon einen ganz bedeutungsvollen Einwand [gegen unsere obigen Überlegungen] finden. Aber sehen wir uns einmal an, wie es mit diesem Einwand eigentlich steht. Also genau wie eine [Kolben-] Bewegung durch die entgegengesetzte [Kolbenbewegung] ver­schwindet, so soll die [der] Empfindung [zugrundeliegende Mole­külbewegung] durch die entgegengesetzte [Molekülbewegung] ausgelöscht werden. Was geschieht nun, wenn eine Bewegung des Kolbens die andere auslöscht? Dann verschwinden eben beide Bewegungen. Die zweite Bewegung verschwindet auch sofort. Die zweite Bewegung kann die erste gar nicht auslöschen, ohne daß sie sich [dabei] selbst auslöscht. [Es resultiert ein totaler Stillstand, keinerlei Bewegung bleibt übrig.] Ja, dann kann aber niemals eine [neue] Empfindung die [schon vorhandene] Empfindung auslö­schen [ohne selbst zugrunde zu gehen]. Also könnte niemals ir­gendeine Empfindung, die in meinem Bewiißtsein ist, eine ande­re auslöschen [ohne dabei sich selbst auszulöschen]. Es ist also eine ganz falsche Annahme, daß [überhaupt] eine Empfindung eine andere auslöschen könnte. [Wenn das nämlich der Fall wäre, bliebe keine Empfindung übrig, es träte ein total empfindungs­loser Zustand ein.]

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Jetzt könnte höchstens noch gesagt werden, daß die erste Emp­findung durch die zweite ins Unterbewußtsein gedrängt wird. Aber dann gibt man eben zu, daß etwas besteht, was sich unserer [unmittelbaren] Beobachtung entzieht.

Wir haben heute gar nicht Rücksicht genommen auf irgendwel­che hellseherische Beobachtungen, sondern nur von rein mathe­matischen Vorstellungen gesprochen. Da wir nun die Möglichkeit einer solchen vierdimensionalen Welt zugegeben haben, so fragen wir uns: Gibt es eine Möglichkeit, so etwas [Vierdimensionales] zu beobachten, ohne daß man hellsehend ist? - Ja, wir müssen dazu aber eine Art Projektion zu Hilfe nehmen. Wenn Sie ein Flächen-stück haben, so können Sie es so drehen, daß das Schattenbild zur Linie wird. Ebenso können Sie von einer Linie als Schattenbild einen Punkt bekommen. Für einen [dreidimensionalen] Körper ist das Schattenbild eine [zweidimensionale] Fläche. Ebenso kann man sagen: Also ist es durchaus natürlich, wenn wir uns klar dar­über sind, daß es eine vierte Dimension gibt, daß wir sagen: [Drei­dimensionale] Körper sind Schattenbilder vierdimensionaler Ge­bilde.

#Bild s. 108

Hier sind wir [nun wieder] auf rein geometrische Weise zur Vorstellung [eines vierdimensionalen Raumes] gekommen. [Mit Hilfe der Geometrie] ist dies aber auch noch auf andere Weise möglich. Denken Sie sich ein Quadrat, das ja zwei Dimensionen hat. Denken Sie sich die vier [es begrenzenden] Linien nebenein­andergelegt [, das heißt abgewickelt], so haben Sie [die Grenzge­bilde] eines zweidimensionalen Gebildes in eine Dimension aus­einandergelegt (Figur 58). Gehen wir weiter. Denken Sie, wir ha­ben eine Linie. Gehen wir ebenso vor wie bei dem Quadrat, so können wir Sie auch auseinanderlegen, und zwar in zwei Punkte [und haben damit die Grenzen eines eindimensionalen Gebildes in

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null Dimensionen auseinandergelegt]. Einen Würfel können Sie sich auch auseinanderlegen, und zwar in sechs Quadrate (Figur 59). Da haben wir also den Würfel hinsichtlich seiner Grenzen in Flächen auseinandergelegt, so daß wir sagen können: Eine Linie wird in zwei Punkte, eine Fläche in vier Linien, ein Würfel in sechs Flächen auseinandergelegt. Wir haben hier die Zahlenfolge zwei, vier, sechs.

# Bild s. 109a

Jetzt nehmen wir acht Würfel. Genau wie [die obigen Abwick­lungen jedesmal aus] auseinandergelegten Grenzen bestehen, so bilden hier die acht Würfel das Grenzgebilde des vierdimensiona­len Körpers (Figur 60). Die [Abwicklung dieser] Grenzen bildet ein Doppelkreuz, das, können wir sagen, die Grenzen des regel­mäßigen [vierdimensionalen] Körpers angibt. [Dieser Körper, ein vierdimensionaler Würfel, wird nach Hinton Tessarakt genannt.]

#Bild s. 109b

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Wir können uns also eine Vorstellung bilden von den Grenzen dieses Körpers, des Tessarakts. Wir haben hier dieselbe Vorstel­lung von dem vierdimensionalen Körper, wie das zweidimensio­nale Wesen sie haben könnte von einem Würfel, zum Beispiel durch Auseinanderlegen [das heißt Abwicklung] der Grenzen,

FRAGENBEANTWORTUNG Berlin, 1. November 1904

#G324a-1995-SE119 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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FRAGENBEANTWORTUNG

Berlin, 1. November 1904

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Herr Schouten stellt einige Fragen über die vierte Dimension.

Ich habe vor, über die vierte Dimension einen Vortrag zu hal­ten und möchte dann in Anknüpfung an die Ausführungen des Herrn Schouten auch hier versuchen, eine Anschauung dieser vierten Dimension herbeizuführen. Es wird besser sein, wenn ich dann anknüpfend an das unmittelbare Experiment über die vierte Dimension spreche.1

#SE324a-120

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 2. September 1906

#TX

Frage über die Arbeit des Ich.

Es gibt eine Arbeit am Astralleib, am Ätherleib und am physi­schen Leib. Am Astralleib arbeitet jeder Mensch; alle sittliche Erziehung ist Arbeit am Astralleib. Selbst wenn der Mensch mit seiner Einweihung, mit der okkulten Schulung beginnt, hat er noch viel an seinem Astralleib zu arbeiten. Was bei der Einwei­hung beginnt, ist ein stärkeres Arbeiten am Ätherleib [durch die Pflege des] ästhetischen Genusses und der Religion. Bewußt arbei­tet der Eingeweihte am Ätherleib.

Das Astralbewußtsein ist vierdimensional in einer gewissen Beziehung. Um sich eine annähernde Vorstellung davon zu ma­chen, sei folgendes gesagt: Was tot ist, hat die Tendenz, in seinen drei Dimensionen zu bleiben. Dasjenige, was lebt, geht fortwäh­rend über die drei Dimensionen hinaus. Das Wachsende hat in seinen drei Dimensionen durch seine Bewegung die vierte darin­nen. Bewegt sich etwas im Kreis [und wird der Kreis dabei immer größer], so kommt man endlich doch zu einer geraden Linie (Fi­gur 61). Wir würden aber mit [der Bewegung entlang] dieser Linie nicht mehr zu unserem Ausgangspunkt zurückkommen [können], weil unser Raum dreidimensional ist. Auf dem Astralraum, da kommt man dann zurück, weil der Astralraum von allen Seiten geschlossen ist. Es gibt keine Möglichkeit, dort ins Unendliche zu gehen.2

Der physische Raum ist für die vierte Dimension offen. Höhe und Breite sind zwei Dimensionen, die dritte Dimension ist das Herausheben und Hereinbringen in die vierte [Dimension].3 Eine andere Geometrie herrscht auf dem Astralraum.

#SE324a-121

#Bild s. 121

#SE324a-122

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Nürnberg, 28. Juni1908

#TX

Frage: Da die Zeit einen Anfang genommen, liegt die Annahme nahe, daß der Raum auch begrenzt ist. Wie verhält es sich damit?

Das ist eine sehr schwere Frage, weil bei den meisten Menschen heute die Elemente, die zum Verständnis dieser Beantwortung nötig sind, nicht entwickelt sein können. Es ist zu sagen, daß man die Antwort einfach als Mitteilung nehmen muß; es wird schon die Zeit kommen, wo der Mensch das ganz verstehen wird. Der Raum der physischen Welt mit seinen drei Dimensionen, Ist, wenn er von dem Menschen [bloß] gedacht wird, ein sehr illusorischer Begriff. Man denkt sich ja gewöhnlich, daß der Raum irgendwie mit Brettern verschlagen, begrenzt sein müßte, oder, daß man ihn ins Unendliche gehend denken muß.

Diese zwei Begriffe [die Unendlichkeit und die Endlichkeit oder Begrenztheit des Raumes] hat Kant aufgestellt und hat ge­zeigt, daß man etwas für und etwas wider diese zwei Begriffe vorbringen kann.4

Man kann aber nicht so einfach urteilen. Da ja alles Materielle im Raume ist, und alles Materielle eine Verdichtung im Geiste ist, so wird schon klar, daß man über den Raum nur Klarheit haben kann, wenn man von der gewöhnlichen physischen Welt ins Astrale aufrückt.

Damit ist etwas sehr Sonderbares verbunden, was unsere Ma­thematiker, die keine Hellseher sind, schon geahnt haben. Näm­lich: denken wir uns eine Gerade im Raum, so erscheint es, als würde diese Gerade, wenn man sie in unserem Raume zieht, nach beiden Richtungen hin, nach jeder der beiden Richtungen hin ins Unendliche gehen. Sobald man diese Linie ins Astrale verfolgt, so würde man sehen, daß sie im Astralen gekrümmt ist, und daß man, wenn man nach der einen Seite hin fortläuft, auf der anderen wie­der zurückkommt, so wie wenn man einen Kreis durchläuft.5

#SE324a-123

Wenn man den Kreis immer größer macht, so wird die Zeit, die man zum Durchlaufen braucht, die zum Durchlaufen nötig ist, immer größer werden; endlich wird ein Stück des Kreises schon nahekommen einer Geraden, wenn man einen solchen Riesenkreis durchlaufen wollte. Und so findet man, daß es doch ein sehr Geringes ist von der sehr flachen Kreislinie bis zur Geraden.

Im physischen Plan ist es unmöglich, wieder zurückzukom­men; im Astralischen würde man auf der anderen Seite wirklich wieder zurückkommen, weil nämlich der Raum, insofern er in seinen Richtungen im Physischen gerade ist, im Astralen ge­krümmt ist, und man hat also mit ganz anderen Raumverhältnis­sen es zu tun, wenn man ins Astralische kommt.6

Es erweist sich so, daß man sagen kann: Es ist der Raum also nicht das illusorische Gebilde, sondern er ist eine in sich geschlos­sene Sphäre.7 Und das, was dem Menschen erscheint als der phy­sische Raum, ist nur eine Art (...) und ein Abdruck für den in sich geschlossenen Raum.

So kann man also nicht sagen, daß der Raum irgendwo mit Brettern verschlagen ist, sondern: der Raum ist in sich geschlossen; denn man kommt immer wieder zum Ausgangspunkt zurück.

#SE324a-124

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Düsseldorf, 21. April 1909

#TX

Frage: Hat man sich die geistigen Hierarchien mit dem Begriff der Räumlich­keit vorzustellen, da doch bei ihnen von Herrschaftsgebieten gesprochen wird?

Vom Menschen können wir sagen, es lebt sich die Wesenheit die­ses Menschen innerhalb des Raumes aus. Den Raum selber muß man sich aber, okkult gedacht, auch als etwas schaffend Erzeugtes vorstellen. Diese Erschaffung liegt vor den Arbeiten und Wirkun­gen der höchsten Hierarchien; wir werden den Raum also voraus­setzen dürfen. Nicht räumlich vorstellen aber dürfen wir uns die höchste Trinität, denn der Raum ist auch ihr Erzeugnis. Die [gei­stigen] Wesenheiten haben wir uns aber ohne den Raum vorzu­stellen; der Raum ist etwas Geschaffenes. Aber die Wirkungen der Hierarchien in unserer Welt sind räumlich begrenzt, wie die des Menschen. Das, was innerhalb des Raumes sich bewegt, sind die anderen Hierarchien.

Frage: Ist die Zeit anwendbar auf geistige Vorgänge?

Gewiß; aber die höchsten geistigen Vorgänge beim Menschen füh­ren zu dem Begriff, daß sie zeitlos verlaufen. Die Tätigkeiten der Hierarchien sind zeitlos. - Von Zeit-Entstehen ist schwer zu re­den: in dem Worte «entstehen» ist schon der Begriff der Zeit ent­halten; man müßte eher sagen: das Wesen der Zeit - und darüber ist nicht so leicht zu sprechen. Es gäbe keine Zeit, wenn alle Wesen auf gleicher Entwickelungsstufe stehen würden. Durch das Zusammenwirken einer Summe niederer und einer Summe höhe­rer Wesen entsteht Zeit. Im Zeitlosen sind verschiedene Entwicke­lungsgrade möglich; durch ihr Zusammenspiel wird Zeit möglich.

Frage: Was ist der Raum?

Man muß sich die Trinität vorstellen ohne den Raum, denn das

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Erzeugnis dieser Trinität ist schon der Raum. Er ist als solcher etwas Geschaffenes. Er gehört unserer Welt an.

Der Raum hat erst eine Bedeutung für dasjenige, was sich in­nerhalb des Erdendaseins entwickelt. Zwischen Geburt und Tod ist der Mensch in Raum und Zeit abgeschlossen vom Geistigen, gerade so, wie der Wurm unter der Erde.

Zeit - die höchsten Zustände des Menschen sind zeitlos. Über den Begriff der Zeitentstehung, über das Wesen der Zeit über­haupt ist nicht leich zu sprechen. Subtile Dinge kommen da in Betracht. Zeit hat erst eine Bedeutung seit der Lostrennung des alten Mondes von der Sonne. Alles Äußere ist im Raum, alles Innerliche verläuft in der Zeit. Beide grenzen uns ein.

Es gäbe keine Zeit, wenn alle Wesen in der Welt auf gleicher Entwicklunsstufe stünden. In der Zeitlosigkeit kann man sich Entwicklungsgrade gleicher Art denken. Dadurch, daß sie ver­schieden werden, entsteht der Begriff der Zeit und dadurch, daß viele Entwicklungsgrade zusammenspielen.

Entwicklung ist auch bei der Gottheit vorhanden. Beim Fort­gang der Entwicklung entwickelt sich sogar der Begriff der Ent­wicklung selber.

#SE324a-126

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Düsseldorf, 22. April 1909

#TX

Man kann eine Vorstellung vom dreidimensionalen Raum haben. In der Platonischen Schule ist ein wichtiger Lehrsatz: Gott geome-trisiert.8 Geometrische Grundbegriffe wecken hellseherische Fä­higkeiten.9 In der Geometrie der Lage wird bewiesen, daß überall im Umkreis derselbe Punkt ist: der unendlich ferne Punkt rechts ist derselbe wie der Ausgangspunkt links. Das heißt: letzten Endes ist die Welt eine Kugel, man kommt an den Ausgangspunkt zu-rück.10 Wenn ich geometrische Lehrsätze nehme, gehen sie über in Grenzbegriffe.11 Der dreidimensionale Raum erreicht seinen Punkt wieder. Deshalb wirkt im Astralen Punkt A auf Punkt B ohne Verbindung.12

Man führt den Materialismus in die Theosophie ein, wenn man, um ins Geistige zu gelangen, annimmt, daß die Materie immer dünner und dünner wird. Dadurch kommt man nicht ins Geistige, sondern durch solche Vorstellungen wie Punkt A - Punkt B kommt man auf Vorstellungen der vierten Dimension.

Als Beispiel können wir uns die Gallwespe13 mit der dünnen Taille denken (Figur 63>, wenn die [physische] Verbindung in der Mitte nicht da wäre und die zwei Teile bewegten sich miteinander, nur durch [astrale] Wirkung verbunden. Dehnen Sie den Begriff aus: Viele Wirkungsgebiete (Figur 64) im mehrdimensionalen Raum.

#Bild s. 126

#SE324a-127

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Berlin, 2. November 1910

#TX

Die Formulierung der Frage ist nicht erhalten.

Die Pflanze hat vier Dimensionen; in der Richtung der vierten Dimension wirkt von unten nach oben eine Kraft, die der Schwer­kraft entgegengesetzt ist; dadurch können die Säfte in der Pflanze emporsteigen. Die Blätter verhalten sich gleichgültig in bezug auf die zwei horizontalen Richtungen; dieses, kombiniert mit der auf­steigenden Richtung, gibt die spiralige Anordnung der Blätter. Bei der Pflanze wird also die Richtung nach unten, diejenige der Schwerkraft, aufgehoben durch die vierte Dimension. [Dadurch kann sich die Pflanze in einer Raumesrichtung frei bewegen.]

[Das Tier hat fünf Dimensionen. Dabei sind die vierte und die fünfte Dimension zwei der übrigen Dimensionen entgegenge­setzt.] Beim Tier sind [demzufolge] zwei Dimensionen aufgeho­ben, daher kann es sich in zwei Richtungen frei bewegen.

[Der Mensch ist ein sechsdimensionales Wesen. Dabei sind die vierte bis sechste Dimension den übrigen drei Dimensionen entge­gengesetzt. Folglich sind bei ihm drei Dimensionen aufgehoben.] Der Mensch hat [folglich] drei [Raum-]Dimensionen, er kann sich in drei Richtungen bewegen.14

#SE324a-128

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Basel, 1. Oktober 1911

#TX

Frage: Was ist Elektrizität?

Elektrizität ist Licht in untermateriellem Zustand. Da ist das Licht in der schwersten Weise zusammengepreßt. Dem Licht muß man auch Innerlichkeit zusprechen, es ist in jedem Punkte es selbst. Wärme kann sich in drei Richtungen des Raumes ausdehnen, beim Licht müssen wir von einer vierten sprechen. Es ist vierfach aus­gedehnt; es hat Innerlichkeit als viertes.15

#SE324a-129

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

München, 25. November 1912

#TX

Frage: Ist auf geisteswissenschaftlichem Wege etwas über die vierte und höhere Dimensionen erreicht worden?

Dies ist nicht leicht zum Verständnis zu bringen. Der Mensch geht aus von dem, was er weiß aus der physisch-sinnlichen Welt, und darin hat der Raum seine drei Dimensionen. Der Mathematiker bildet sich, wenigstens theoretisch, Vorstellungen über eine vierte und höhere Dimensionen, indem er Vorstellungen vom dreidi­mensionalen Raum analytisch erweitern kann, durch veränderliche Größen, - und dadurch zunächst im mathematischen Denken von höheren Mannigfaltigkeiten sprechen kann.16

Wenn jemand vertraut ist mit diesen Sachen, das heißt, wer mit dem Herzen dabei ist, und zugleich mit der Mathematik vertraut, für den ergibt sich vieles. Es sei hingewiesen auf Simony in Wien.17

Zunächst ist das nur in der Vorstellung; die Anschauung kommt, wenn man eben in die geistige Welt eintritt. Da besteht die reale Notwendigkeit, sich gleich in mehr als drei Dimensionen hineinzufinden. Denn alles, was bildhaft vorgestellt wird, also noch mit dem inneren Charakteristikum der drei Dimensionen, das ist nichts anderes als ein Spiegelbild der eigenen Seelenvorgän­ge. Denn in den höheren Welten sind ganz andere Raumverhält­nisse, wenn man sie überhaupt noch Raumverhältnisse nennen will.

Ebenso in bezug auf die Zeit. Das sollten vor allem diejenigen berücksichtigen, welche immer sagen - und man erlebt ja solche vortrefflichen Einwände gar viele, welche immer sagen: Was gibt denn eine Sicherheit, daß dies nicht alles Halluzinationen sind, was da behauptet wird?

Daß man überhaupt auf dem Gebiet der Geisteswissenschaft mit Dingen arbeitet, die ganz etwas anderes sind als Halluzinatio­nen, das wird nicht berücksichtigt. Diese Frage gibt Gelegenheit,

#SE324a-130

das im Vortrage Gesagte zu ergänzen - denn man kann natürlich darin nicht alles sagen, und der Vortrag hat heute schon sehr lange gedauert -, nämlich: hinzuweisen auf die Umänderung, welche die Dinge in bezug auf Zeit und Raum erfahren, wenn sie in die gei­stige Welt kommen.

Wenn die Bilder, die man hinuntergeschickt hat in den Orkus gleichsam, wenn diese wieder zurückkommen, so hat das, was da zurückkommt, dann überhaupt nur einen Sinn, wenn man es mehrdimensional anspricht. Das ist einem dann aber so natürlich und selbstverständlich wie das Dreidimensionale in der sinnlichen Welt. Darum paßt eben die gewöhnliche Geometrie nicht für die Dinge der geistigen Welt.

Für die Mathematiker muß gesagt werden, daß die Spekulatio­nen über die vierte Dimension anfangen, dann realen Wert zu haben. Gewöhnlich [werden höherdimensionale Räume] aber nur als Verallgemeinerung [des dreidimensionalen euklidischen An­schauungsraumes erschlossen, und] nicht aus der Realität heraus [entwickelt], der diese [erschlossenen Räume] nicht ganz entspre­chen. Man muß dann eigentlich eine noch bessere Mathematik haben, wenn man etwa rechnen wollte in den Dingen, mit denen der Geistesforscher zu tun hat.

Aber hier auf diese Frage ist eben doch mit Ja zu antworten. Korrelationen zu einer übersinnlichen Welt, auch Unendlichkeits­vorstellungen, die in der Mathematik herrschen, werden zur Wirk­lichkeit, nämlich Dinge aus dem Grenzgebiet der Mathematik. Zum Beispiel weiß ich aus eigener Erfahrung, daß ich wie ein plötzliches Aufleuchten Einsicht in eine außerordentlich wichtige Eigenschaft des Astralraumes damals hatte, als ich - vor jetzt vie­len Jahren - auf der Hochschule mit neuerer [synthetischer pro­jektiver] Geometrie, wie man sie damals kannte, und analytischer Mechanik beschäftigt war.18

Verhältnis zum Begriff, daß der unendliche Fernpunkt links identisch ist mit dem unendlichen Fernpunkt rechts auf einer unendlich [ausgedehnten] Geraden. Daß eine Gerade [bezüglich der Anordnung ihrer Punkte] in Wirklichkeit ein Kreis ist, - daß,

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wenn man nur nicht die Puste verliert und genügend lange der Geraden entlangläuft, man wieder auf der anderen Seite zurück­kommt.19

Dieses kann man nur einsehen, aber [man sollte] nicht Schlüsse daraus ziehen; Schlüsse führen zu nichts in der geistigen For­schung. Man muß die Dinge auf sich wirken lassen, das führt in die Erkenntnis der übersinnlichen Welt.

Wie überhaupt das Mathematische nicht überschätzt werden soll, wenn es sich um die übersinnliche Welt handelt. Zwar nützt das Mathematische nur formal, es ist keine Möglichkeit, zur Rea­lität zu kommen; aber das Mathematische kann eingesehen werden bloß durch Kräfte innerhalb der Seele selber und gilt für jeden anderen Menschen. Dies hat sie mit der Geisteswissenschaft ge­meinsam.

#SE324a-132

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Berlin, 13. Februar 1913

#TX

Frage: Stützt sich der Goldene Schnitt auf okkulte Gesetze?

Der Goldene Schnitt stützt sich, da er auf der Wirkung dessen beruht, was im Raume da ist, auf ein okkultes Gesetz, von dem Goethe20 sagte, daß das Verborgenste das Offenbarste ist, und umgekehrt, nämlich das Gesetz, das mit unserer menschlichen Konstitution innig zusammenhängt: das Gesetz der Wiederholung und der variierten Wiederholung.21

Man sehe zum Beispiel die Buddha-Literatur an, da ist immer dasselbe wiederholt, nur ein wenig variiert Das darf man nicht weglassen, denn es kommt nicht nur auf den Inhalt an.22

Bei dem Goldenen Schnitt [handelt es sich] nicht nur [um] eine Wiederholung bloß, sondern [um] ein Wiederfinden innerhalb der Sache selber, da man eigentlich nur drei Glieder hat.23 Dieses In-sich-geschlossen-Sein einer Wiederholung, die aber nicht in sich selbst gestaltet ist, das ist der Grund, warum der Goldene Schnitt so sympathisch auf uns wirkt.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Berlin, 27. November 1913

#TX

Frage: Hat der Mensch zwischen Tod und neuer Geburt die selbe Empfin­dung von der Zeit wie der verkörperte Mensch?

Darauf wird in meinem Vortrag vom 19. März [1914] über das Thema «Zwischen Tod und Wiedergeburt des Menschen» einiges zu sagen sein.24 Für heute kann gesagt werden: Das Leben nach dem Tode bedeutet ein Hinausgehen aus den Verhältnissen der sinnlich-physischen Welt und ein Hineinkommen in ganz andere Raumes- und Zeitverhältnisse.

In der Relativitätstheorie25 beginnt man ja jetzt schon andere Zeitbegriffe zu entwickeln. Es kann gesagt werden: Von den Fak­toren in der Bewegungsformel kann man nur dadurch übergehen in die Verhältnisse der geistigen Welt, daß man sie verwendet in der Form:

s

c=

t

Denn s und t sind so, wie man sie kennt, etwas, was zu der sinnlichen Welt als solcher gehört, während c, oder v gleich veloci­tas, eigentlich ein Faktor ist, der zu dem Gebiete des inneren Er-lebens gehört, sogar bei einem anorganischen Körper. So daß man, wenn man die Zeit in der geistigen Welt zu begreifen begehrt, zuerst sprechen muß von einem Quantum Geschwindigkeit, das das betreffende Wesen hat, und dann kann man als Außenstehen­der durch Vergleichen etwas herausbekommen über das Verhältnis der Zeit. So kann man zum Beispiel finden, durch eine Art Ver­gleich, daß in dem Kamaloka-Leben die Geschwindigkeit dreimal so groß ist. [Durch solche Untersuchungen] bekommt man einen Eindruck, wie das Verhältnis ist zu der Zeit im geistigen und im sinnlichen Leben.

Es herrschen in der geistigen Welt andere Zeit-Prinzipien, die

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gegenüber denjenigen der sinnlichen Welt innerlich-veränderlich sind. Die Zeit, die man dort erlebt, ist abhängig von den inneren Entwickelungsvorgängen und ist daher nicht eindeutig mathema­tisch zu vergleichen mit einem Zeitraum in der physischen Welt.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 1919

#TX

Die Formulierung der Frage ist nicht erhalten.

Die Mathematik ist die abstrahierte Summe der im Raum wirken­den Kräfte. Wenn man sagt: die mathematischen Sätze gelten apriorisch, so beruht das darauf, daß der Mensch in denselben Kraftlinien darinnen ist wie die anderen Wesen und daß er abstra­hieren kann von allem andern, was nicht Raumes - etc. Schema ist.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 7. März 1920

#TX

Erste Frage: Ist das Gesetz der absoluten Lichtausbreitung richtig?

Zweite Frage: Liegt der von Einstein angenommenen Relativität der Zeit eine Realität zugrunde?

Ob das Licht sich im absoluten Raum mit derselben konstanten Geschwindigkeit fortpflanzt, das wäre Ihre erste Voraussetzung gewesen.

Nun, nicht wahr, wir können nicht gut überhaupt sprechen von der Fortpflanzung des Lichtes im absoluten Raum, weil es keinen absoluten Raum gibt. Was haben wir denn eigentlich für eine Grundlage, vom absoluten Raum zu sprechen? Sie sagten mit Recht: Sie nehmen die Fortpflanzung des Lichtes unendlich groß an und leiten die tatsächliche Fortpflanzung des Lichtes vom Widerstand des Mediums ab.

Nun frage ich Sie: Ist es nach Ihrer Ansicht überhaupt möglich, in demselben Sinne von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes zu sprechen wie von der Fortpflanzungsgeschwindigkeit irgendeines anderen Körpers?

Hermann von Baravalle: Ganz gewiß nicht.

In dem Augenblick, wo man nicht das Licht hypothetisch mit irgendeinem anderen Körper identifiziert, sind Sie ja nicht imstan­de, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes überhaupt in der gleichen Weise zu messen wie die eines anderen Körpers. Denn nehmen wir an: Wenn ein gewöhnlicher Körper, ein mate­rieller Körper, mit einer gewissen Geschwindigkeit durch den Raum fliegt, so ist er in einem Zeitaugenblick an einem bestimm­ten Orte, und die ganze Meßmethode beruht darauf, daß ich zur Messung der Geschwindigkeit ins Auge fasse den Unterschied der Ortsentfernung von dem Ausgangspunkte in zwei aufeinanderfolgenden

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Zeitpunkten. Diese Meßmethode ist nur so lange möglich, als tatsächlich vollständig der sich bewegende materielle Körper den Linienraum verläßt, auf dem er sich weiterbewegt. Nehmen wir an, er verläßt ihn nicht, sondern er läßt eine Spur zurück. In dem Augenblick ist es unmöglich, diese Meßmethode anzuwen­den, denn da habe ich keine Möglichkeit - wenn also der Raum, den der Körper durchmessen hat, nicht von ihm verlassen wird, sondern angefüllt bleibt liniengemäß -, dann habe ich keine Mög­lichkeit, diese Meßmethode durchzuführen. Nicht aus dem Grun­de, weil man nicht die Unterschiede messen kann, sondern weil fortdauernd die nachschiebende Geschwindigkeit modifiziert das­jenige, was weitergeschoben ist; und ich habe keine Möglichkeit mehr, meine gewöhnliche Meßmethode dann anzuwenden, wenn ich es nicht mit einer Materie, die den Ort hinter sich verläßt, zu tun habe, sondern mit einer Entität, die den Ort nicht vollständig verläßt, sondern Spuren zurückläßt. So daß wir in demselben Sin­ne von einem Fortgang der Lichtgeschwindigkeit nicht sprechen können, denn wir können nicht [in derselben Weise wie beim ma­teriellen Körper] die Formel aufstellen vom Unterschiede der Ortsdifferenz, der ja eine Grundlage gibt für die Geschwindigkeit.

Auf diese Weise kommt man dazu, in die Notwendigkeit ver­setzt zu sein, daß man überhaupt nicht mehr bei der Ausbreitung des Lichtes von etwas anderem sprechen kann, als eigentlich von der Geschwindigkeit des äußersten Lichtniveaus. Spricht man aber von der Geschwindigkeit des Lichtniveaus, dann wäre man genö­tigt, bei der Messung der Geschwindigkeit des Lichtes fortwäh­rend zurückzugehen auf den Ursprung der Lichtverbreitung. Man würde zum Beispiel bei der Sonne in die Notwendigkeit versetzt sein, an den Ursprung der Lichtverbreitung zu gehen. Man müßte anfangen mit der Messung, wo die Lichtverbreitung angefangen hat, und man müßte eine hypothetische Voraussetzung machen, daß sich das Licht immer mehr und mehr fortpflanze. Dies ist [aber] auch nicht gerechtfertigt, denn in dem Augenblick, wo die Niveaufläche, in der sich das Licht ausbreitet, nicht einfach immer größer und größer wird, sondern einem gewissen Elastizitätsgesetz

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unterliegt [in der Art], daß, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht hat, sie wieder in sich zurückkehrt, dann habe ich es nicht zu tun mit einem einfachen Sichausbreiten des Lichtes, sondern mit einem solchen [In-sich-Zurückkehren] in dieselben Bahnen, mit einem Wiederzurückkehren des Lichtes. Ich habe es also fort­dauernd nicht bloß zu tun an einem Orte, den ich nun annehme in einem lichterfüllten Raum, mit etwas, was sich von einem Punkte [aus] bis zu einem anderen hin ausbreitet, sondern mit einem Begegnen zweier Entitäten, von denen die eine vom Zen­trum, die andere von der Peripherie her kommt, so daß ich nicht anders kann, als die Grundfrage aufzustellen: Habe ich es denn, wenn ich die Lichtausbreitung ins Auge fasse, zu tun überhaupt mit Geschwindigkeiten im gewöhnlichen Sinne?

Ich weiß nicht, ob ich verstanden worden bin.

Ich habe es nicht zu tun mit Geschwindigkeitsausbreitungen im gewöhnlichen Sinne, und ich muß eigentlich, indem ich von ge­wöhnlichen Geschwindigkeiten zu Lichtgeschwindigkeiten über-gehe, Formeln finden, welche eventuell ausgehen von den Elasti­zitätsformeln, von einem System, wenn ich es bildlich ausdrücken will, durch materielle Bewegung, wie sich gegenseitig zueinander elastisch verhaltende Raumteile in einem geschlossenen elastischen System, das eine bestimmte Sphärengrenze hat, [verhalten].26

Ich darf also eigentlich nicht diese [gewöhnliche] Formel benüt­zen, wenn ich zum Licht übergehen will. Ich sehe daher den einen Fehler, der bei Einstein zugrunde liegt, darin, daß er die gewöhn­lichen mechanischen Formeln - denn solche sind es doch - auf die Ausbreitung des Lichtes anwendet und hypothetisch voraussetzt, daß das sich ausbreitende Licht gemessen werden kann wie ir­gendein anderer durch den Raum fliegender [materieller] Körper.27 Er berücksichtigt nicht, daß das sich ausbreitende Licht keine fortfliegenden [materiellen] Weltteilchen sind, sondern etwas, wo et­was im Raume geschieht, wo eine Spur zurückgelassen wird mit dem Effekte des Leuchtens, so daß ich, wenn ich messe (... Zeich­nung>, [nicht] einfach [so] zu messen habe, [wie] wenn der Körper bis hierher kommt und nichts zurückläßt. Wenn das Licht sich

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aber ausbreitet, ist eine fortwährende Spur hier, und ich kann nicht sprechen davon, daß es sich mit einer bestimmten Geschwin­digkeit fortpflanzt, sondern nur die Niveaufläche [pflanzt sich fort]. Das ist es, worauf es ankommt. Ich habe es also zu tun mit einer gewissen Entität in dem Raume, die einmal in Anspruch genommen ist von dem Sichausbreitenden.

Und dann der andere Fehler - er hängt eigentlich mit dem [er­sten Fehler] zusammen -, ich sehe ihn darin, daß Einstein einfach die Prinzipien, die anwendbar sind auf ein mechanisches System sich zueinander bewegender Punkte, anwendet auf das ganze Weltsystem. Dabei ist außer acht gelassen, daß das ganze Welt­system nicht sein könnte ein bloßes System, das man bekommt, wenn man summiert mechanische Vorgänge. Wenn das Welt­system zum Beispiel ein Organismus wäre, so dürfte ich nicht mechanische Vorgänge annehmen. Wenn ich einen mechanischen Vorgang in meiner Hand vor sich gehen lasse, wird er im wesent­lichen nicht bloß von dem geschlossenen mechanischen System bestimmt, sondern es wird gleich die Reaktion des ganzen Orga­nismus beginnen. Es ist die Frage, ob ich, wenn ich übergehe zu den Lichtbewegungen, ohne weiteres die eine Formel für die an­dere benutzen darf; ob nicht da auftritt eben die Reaktion des ganzen Weltsystems. Und ein Weltsystem ohne Licht kann ich noch weniger denken, ohne daß da auftritt die Reaktion des gan­zen Weltsystems, die wesentlich anders verläuft, als die Geschwin­digkeiten in einem mechanischen geschlossenen System.28

Mir scheint, daß dies [die] zwei prinzipiellen Fehler [sind], die Einstein macht. Ich habe mich nur vorübergehend mit der Ein­steinschen Theorie beschäftigt; wir wissen ja alle, daß durchaus mathematische Ableitungen [zusammen]stimmen können mit em­pirischen Resultaten. Also das [Zusammen-]Stimmen zum Bei­spiel vorbeigegangenen Sternenlichtes an der Sonne [mit den theo­retischen Voraussagen], das würde eine endgültige Verifikation der Einsteinschen Theorie nicht sein.29

Weil diese beiden prinzipiellen Dinge aber zugrunde liegen, kommt es, daß Einstein eben zu einer so paradoxen, abstrakten

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Denkweise Immer kommt. Es ist geradezu schon etwas ähnlich wie das Beispiel, das Sie vorhin angewendet haben aus Wilhelm Busch, wo die Hand mit Wucht ausholt und man ein bißchen das Gefühl hat, man kriegt eine Ohrfeige. Es ist schon so etwas, wenn Einstein ableitet seine Gedanken, von der Art und Weise, was geschehen würde, wenn zum Beispiel eine Uhr mit Lichtge­schwindigkeit fortfliegt und wieder zurückkommt.30 Eine Uhr, die mit Lichtgeschwindigkeit fortfliegt und wieder zurückkommt -ich möchte wissen, ob das ein realer Gedanke ist. Einen solchen Gedanken kann ich nicht vollziehen, weil in dem Augenblick, wo ich mir das denke, - nun, komme ich darauf, was dann aus der Uhr wird? Ich kann den Gedanken absolut nicht vollziehen.31 Wenn man mit seinen Gedanken in der Realität drinnenzubleiben gewohnt ist, kann man solche Gedanken nicht vollziehen. Und an den Stellen, wo Einstein auf solche Gedanken kommt, zeigt es sich bei ihm, daß er auf so prinzipiellen Fehlern fußt, wie diejenigen. die ich jetzt besprochen habe.

Das ist es, was ich zunächst bemerken möchte. Jetzt würde es sich handeln um die Zeit. Es wäre notwendig, beim Licht damit zu beginnen, nicht gewöhnliche mechanische Gleichungen, sondern elastische Gleichungen auszuschreiben und zugrunde zu legen. Es würde auch aus der Elastizitätslehre zu nehmen sein, was notwen­dig ist. Da kommen wir natürlich dahin, daß wir jede Ausbreitung überhaupt, die eine Niveaufläche bildet, niemals so zu denken haben - da komme ich zu etwas, was ich nur als Tatsache mitteilen kann -, daß es irgendwo möglich ist, daß sich eine Entität ausbrei­tet und man sagen könnte, sie breitet sich ins Unendliche aus. Es kommt immer eine gewisse Sphäre, wo die Sache zurückprallt. So daß ich eigentlich niemals sagen dürfte gegenüber der Realität:

Hier ist die Sonne, und es breitet sich das Licht von der Sonne aus und verschwindet ins Unendliche. So ist es niemals, sondern es kommt an einer Grenze an, wo die sich ausbreitende Elastizitäts­kraft erschöpft ist, und wo das in sich selber zurückkehrt. Es gibt kein solches unendliches System, das sich decken würde mit dem Begriff der Ausbreitung und sich dann im Wesenlosen zerstreute.

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Jede sich ausbreitende Entität kommt an eine Grenze, an der sie umkehrt, ich möchte sagen, annähernd nach dem Gesetz der ela­stischen Körper. Nirgends, wenn man vom Licht spricht, hat man es zu tun mit etwas, was sich ausbreitet nach allen Seiten. Wir haben immer etwas, was man vergleichen könnte mit stehenden Wellen. Hier muß man die Formel suchen, nicht also in der ge­wöhnlichen Mechanik.32

Dann wäre noch dieses: die Zeit selbst. Nicht wahr, die Zeit macht nicht diese ganzen Verwandlungen durch. Es ist überhaupt so, daß [hier im mechanischen Bereich] die Zeit als solche keine Realität ist. Wenn Sie die ganz allereinfachste Formel

s = c* t

nehmen, so handelt es sich darum, daß ich ja nach dem gewöhn­lichen Gesetz der Multiplikation für dieses s nichts anderes her­auskriegen kann, als dasjenige, was wesenhaft identisch mit dem c ist, sonst müßte der Raum s identisch mit der Zeit sein. Und es wäre das ja unmöglich. So kann ich ja in dieser Formel nur den Raum irgendwie mit dem c mathematisch identisch denken.

Nicht wahr, ich kann nicht Äpfel mit Birnen multiplizieren. Es kann nur das eine in dem anderen drinnensein. Die Zeit kann in den mathematischen Formeln überhaupt nichts anderes sein als eine Zahl. Nicht das Reelle der Zeit ist eine Zahl, sondern es kann die Zeit in einer solchen Formel nichts anderes sein als eine Zahl. Nur wenn ich voraussetze, daß ich es mit einer ungenannten Zahl zu tun habe, kann die Formel so geschrieben werden.33

Etwas anderes ist [die Formel

s

c= -

t

Hier habe ich einen Raum [s] von [einer] bestimmten Größe, die mir angegeben wird [relativ zur] Größe der Zahl t. Daraus bekomme ich die Geschwindigkeit [c]. Es ist nun der eigentlichen

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Realität, sagte ich, ganz gleichgültig, ob ich nun Atome oder Moleküle oder Materie von bestimmten, wahrnehmbaren Raumgrößen, mir vorstelle. So daß ich das, was ich im empirischen Felde vor mir habe, mir [in Wirklichkeit] so zu denken habe, daß es immer eine bestimmte Geschwindigkeit hat - alles andere sind Abstraktionen. Die Zeit ist etwas, was ich gewonnen habe aus dem Divisor, und der Weg ist zunächst etwas, was ich gewonnen habe als Dividend. Aber das sind Abstraktionen. Das Reale drinnen ist

- das gilt nur für mechanische Systeme - die bei jedem Körper vorhandene immanente Geschwindigkeit. Wenn der Physiker zum Beispiel aus sonstigen Gründen die Atomhypothese annehmen dürfte, dürfte er nicht annehmen, daß Atome ohne immanente Geschwindigkeit existieren. Die Geschwindigkeit ist eine wirk­liche Realität.34

Man muß also sagen: Die Zeit als solche ist eigentlich etwas, was wir aus den Vorgängen abstrahieren. Sie ist wirklich eine Ab­straktion aus den Vorgängen. Wir dürften als Realitäten dessen, was wir vor uns haben, nur die Geschwindigkeit selbst ansehen.

Wenn wir dieses ganz durchschauen, dann können wir aller­dings nicht mehr anders, als dasjenige, was ich als Zeit bezeichne, gewissermaßen als an den Erscheinungen auftretend uns vorstel­len. Dann wird es allerdings ein Mitwirkendes in den Erscheinun­gen, und da dürfen wir nicht absehen von dieser relativen Reali­tät.35 Dieser Faktor, den ich selber herausabstrahiert habe, ist aber etwas, was mitwirkt so, daß man dadurch einen gewissen realen Grundbegriff bekommt, sagen wir für dasjenige, was uns entge­gentritt aus der Lebensdauer eines Organismus. Die Lebensdauer eines Organismus kann ich nicht bloß messen an Äußerem, son­dern es ist hier der Verlauf immanent. Wenn ich den Organismus habe, gehört zu diesem Organismus als ihm immanent eine gewis­se Lebensdauer einfach dazu. Diese gehört zum ganzen Verlauf des organischen Prozesses und folgt aus ihm.

[Ganz entsprechend verhält es sich mit der Raumgröße eines Organismus.] Es handelt sich nicht darum, daß ich diese Länge an etwas anderem messe, sondern es ist diese Länge dem Organismus

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[ebenso] immanent. Der konforme Begriff ist der, daß solche Be­griffe nicht [so] gelten können, wie sie [gewöhnlicherweise] hypo­thetisch angenommen werden. Der Mensch ist aber von einer bestimmten Größe. Nun nehme ich [einmal hypothetisch] Men­schen an, die sehr klein sind in unserem gewöhnlichen Welten­system.

Für alles übrige ist es gleichgültig, wie ich die relative Größe des Menschen zu anderen [Dingen] annehme. [Dies gilt aber nicht für den Menschen selbst, denn] der Mensch hat in sich immanent eine bestimmte Größe. Das ist etwas, worauf es ankommt. Der Mensch kann nicht in beliebiger Weise größer oder kleiner sein. Ich versündige mich mit meiner Auffassung gegen das ganze Weltsystem, wenn ich solche Erwägungen mache. Zum Beispiel [gibt es] ganz bestimmte Naturdenker [die fragen sich]: Wie wäre [das Leben] in einem Weltsystem, das im Verhältnis zum unsrigen unendlich klein oder [unendlich] groß ist? - Das ist Unsinn. Es gibt eine innere Notwendigkeit, daß die wirklichen Dinge, denen wir gegenüberstehen, auch eine bestimmte Raumgröße haben. So haben sie auch eine bestimmte Zeitenspanne.

Und damit komme ich dazu, daß im Grunde jede Entität, die überhaupt betrachtet werden darf wie eine Totalität, eigentlich ihre Zeit in sich trägt. Ein Stückchen [eines] unorganischen Kör­pers kann ich für sich betrachten, ein Blatt nicht, weil es nur einen Bestand hat am Baum. Ich muß also Rücksicht nehmen bei meiner Betrachtung darauf, was ein in sich geschlossenes totales System ist, was eine Totalität ist. Jede Totalität aber, die ich so betrachte, hat die Zeit als etwas Immanentes in sich. So daß ich eigentlich nicht viel übrig haben kann für die abstrakte Zeit, die noch außer jedem Ding ist und [neben] der jedem Ding oder Verlauf imma­nenten Zeit existiert. Wenn ich die Zeit, die von Anfang bis Ende gehen soll, ins Auge fasse, kommt es mir gerade so vor, wie wenn jemand den abstrakten Begriff für das einzelne Pferd bildet. Die einzelnen Pferde sind in der äußeren Raumrealität da, aber um den Begriff zu bekommen, muß ich ihm etwas anderes noch zuschrei­ben. So ist es auch mit der Zeit. Die Frage: Ist die Zeit in sich

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veränderlich oder nicht? - hat keinen wirklichen Inhalt, weil jedes Totalsystem in seinem immanenten Sein seine [eigene] Zeit hat, und seinen [eigenen] Geschwindigkeitsverlauf. Der Geschwindig­keitsverlauf des Unorganischen oder des Lebensprozesses führt zurück auf diese immanente Zeit.

Daher möchte ich eigentlich lieber als eine Relativitätstheorie, die immer voraussetzt, daß man das eine Koordinatenachsen­system auf das andere beziehen kann, eine Absolutitätstheorie be­gründen, die davon ausgeht, überall zu erforschen, wo Totalsyste­me sind, von denen man sprechen darf, wie man sprechen darf von der Totalität eines Organismus. Man kann nicht sprechen von der Totalität der Silurperiode bei der Erde, sondern da muß man die Silurperiode mit einer anderen [erdgeschichtlichen Periode] zu einem Totalitätssystem zusammenfassen. Ebensowenig kann ich von einem Menschenkopf sprechen als von einer Totalität, da ge­hört das andere dazu.

In der Geologie beschreiben wir [je] eine Periode [für sich ge­nommen] nach der anderen, als wenn sie so eine Wirklichkeit wäre. Sie ist es nicht. Sie ist nur eine Wirklichkeit mit dem Ganzen der Erde, und zwar so, wie ein Organismus eine Wirklichkeit ist, wo ich nicht eines herausreißen darf. Es käme vielmehr darauf an, statt unsere Vorgänge zu beziehen auf Koordinatenachsensysteme, sie auf ihre eigene innere Wirklichkeit zu beziehen, dann würden wir zu Totalitätssystemen kommen. Und dann würden wir müs­sen zu einer Art von Monadismus zurückkommen. Wir würden überwinden diese Relativitätstheorie und würden zur Absoluti­tätstheorie kommen.

Wir würden dann wirklich sehen, daß die Einstein-Theorie ei­gentlich wirklich der letzte Ausdruck dieses abstrakten Strebens ist. Einstein bewegt sich wirklich ganz in Abstraktionen. Manch­mal sind sie nicht auszuhalten, diese Abstraktionen. So zum Bei­spiel, wenn auch bei ganz elementaren Dingen heute einfach die Voraussetzung gemacht wird: Wie wirkt der Schall, wenn ich mich selber mit Schallgeschwindigkeit fortbewege? - Ja, wenn ich das tue, so höre ich natürlich niemals wirklich Töne, weil der Schall

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immer mit mir fortläuft. Aber für jemanden, der real denkt, der in Totalitäten denkt, ist so ein Begriff nicht durchführbar, weil ein hörendes Wesen sich nicht bewegen kann mit Schallgeschwindig­keit, es würde zerschellen. Es sind keine Begriffe, die in der realen Beobachtung der Welt wurzeln.36

Und so ist es auch, wenn ich frage: Ist die Zeit in sich selber verwandelbar oder nicht? Natürlich, die abstrakte Zeit, die absolute Zeit, die würde gar keine Möglichkeit geben, Veränderungen in ihr zu konstatieren nach der Art und Weise, wie ich sie a priori denke, aber wenn ich von Veränderungen in der Zeit spreche, muß ich die Wirklichkeit der Zeit erfassen. Aber das kann ich nicht, wenn ich nicht das immanente Gebundensein der Zeitverläufean die Total-systeme, die in der Welt vorhanden sind, in Betracht ziehe.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 7. März 1920

#TX

Frage: Die Einsteinsche Theorie ergibt, daß in einem Kilogramm Masse eine ungeheure Energie aufgespeichert ist, und es scheint, daß durch Auflösung, also Vergeistigung, der Materie eine neue Kraftquelle erschlossen werden könnte.

An sich sind diese Dinge ja mit dem Teil der Einstein-Theorie, den wir heute behandelt haben, nicht unmittelbar zusammenhän­gend.37 Und man kann durchaus sagen: Hinter diesen Sachen steckt sehr viel, aufzusuchen die Kraft, die man bekommt, wenn man Masse zersplittert. Da handelt es sich dann darum - das Theoretische bietet ja keine besonderen Schwierigkeiten -, ob man diese Kraft technisch ausnützen kann. Und da würde es darauf ankommen, ob man diese Riesenkräfte, wenn man sie bloßlegt, verwerten kann. Denn wenn der Motor, durch den man sie ver­werten will, sogleich durch die Energie dieser Kräfte zersplittert wird, kann man sie nicht verwerten. Es handelt sich darum, daß man die Möglichkeit gewinne, diese Energien auch in mechani­schen Maschinensystemen zu verwerten. Dann ist erst der Weg gefunden.

Rein theoretisch gedacht, brauchen wir, wenn wir die höchste Strahlungsenergie - oder eine hohe Strahlungsenergie - irgend­einer Materie bloßlegen können, um sie verwerten zu können in einem mechanischen System, eine Materie, die einen Widerstand leistet gegen diese Energie. Die Möglichkeit, diese Energie frei­zumachen, ist vorhanden, sie liegt näher, als die Energie auszu­nützen.

Frage: Ob man dazu gelangen könnte, überhaupt die Masse auszuschalten, so daß alles Energie ist, daß alles nur Strahlung ist.38

Es ist in gewisser Weise auszuschalten bei dem, was in den [Gas­entladungs-]Röhren (...) [geschieht]. [Es handelt sich] nur mehr [um] strömende Elektrizität (...). Es ist eigentlich nur Geschwindigkeit

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[vorhanden], und [in] die Rechnungen gehen wir nur durch Geschwindigkeit ein.39

Die Sache ist nur diese, ob denn, wenn ich die Formel [E mc 2] aufschreibe, in der Energie und Masse gleichzeitig vorkommen, dabei genügend berücksichtigt ist, daß die Masse als solche etwas anderes ist als die Energie; ob ich nur wiederum ganz abstrakt zwei Dinge, die eigentlich eins sind, trenne. Es handelt sich darum, ob eine Berechtigung zu dieser Formel vorliegt.40

Das könnte ja nichts anderes sein, als tatsächlich lediglich eine Potentialenergie. Die Einstein-Formel [E = mc 2] mit Masse und Energie wäre [dann] nur eine Maskierung der alten Formel [für die potentielle Energie].41

Frage: Kann man nicht den Ausgangspunkt finden, [indem man] von p . s ausgeht ?42

Da entsteht die Schwierigkeit bloß dadurch, daß ich, wenn ich zwei Glieder eines Größensystems miteinander auf irgend etwas beziehe, was dem [anderen] Größensystem angehört - also zum Beispiel die Zeit, die zwei Menschen zu einer Arbeit brauchen, beziehe auf etwas, was mir angegeben wird durch die Ereignisse des Sonnenunterganges -, also zwei Glieder [des einen Größensy­stems] auf etwas beziehe, was in ein [anderes] Größensystem ge­hört, dann nimmt dieser Vorgang im ganzen System sehr leicht den Charakter an - weil ich ihn tatsächlich anwenden kann auf alle Glieder dieses Systems -, als wenn er etwas wäre, was nicht einem System angehört, sondern für sich gelten könnte.

Sie dürfen nicht voraussetzen, daß dasjenige, was eine Raum-abstraktion des Sonnensystems ist, auch in einem anderen System gültig ist. Sie können zum Beispiel [folgendes] schön ausrechnen:

Wenn Sie heute konstatieren würden die Veränderungen des menschlichen Herzens von fünf zu fünf Jahren, so können Sie für einen Menschen jetzt sagen: sein Herzzustand ist der und der und vor fünf Jahren war er so und so. - Dann können Sie, indem Sie dies rein rechnerisch fortsetzen, fragen: Wie war der Herzzustand

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vor hundertfünfzig Jahren? Wie wird er in dreihundert Jahren sein?

So rechnen unsere Astronomen, indem sie von der gegenwär­tigen Verfassung der Erde ausgehen, die Zeitgrößen einsetzen und nachher weitere schöne Dinge ausrechnen, die aber so wenig stimmen zu den Dingen der Erde heute, wie stimmen würde der so ausgerechnete Herzzustand vor dreihundert Jahren zu dern heutigen.

Man vergißt eben immer wieder, daß das, was für die immanen­te Zeit [eines Prozesses] gültig ist, aufgehört hat [eine Bedeutung zu haben, wenn der Prozeß zu Ende ist]. Ich kann also nicht über den Organismus [als aktuell lebendiges Totalsystem] hinausgehen Das Totalsystem ist dasjenige, was mir erlaubt, mit meinen Begrif­fen innerhalb des Systems stehen zu bleiben. Das wird sofort durchbrochen, wenn ich über die Totalsysteme hinausgehe. Der Schein [der Gültigkeit] wird dadurch hervorgerufen, daß wir uns gewöhnt haben, auf Größensysteme [im Sinne von Totalsystemen] uns zu beziehen, und dann diese Dinge, die für [solche] Größen-Systeme gelten, verabsolutieren.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 11. März 1920

#TX

Erste Frage: Kann der hier vorgebrachte Versuch, das Überimaginäre durch punktbeziehungen auf krummen Flächen, respektive Mannigfaltigkeiten zu definieren, als ein wirklichkeitsgemäßer bezeichnet werden?

Zweite Frage: Ist es möglich, zu lebendiger Anschauung des Imaginären zu kommen, beziehungsweise liegen wirkliche Entitäten dem Imaginären zu­grunde?

Dritte Frage: Nach welchen Richtungen verlangt die moderne Mathematik, insbesondere in formaler Hinsicht, einen Ausbau im Sinne der Geisteswis­senschaft?

Ja, da möchte ich zunächst von der zweiten Frage ausgehen. Die Antwort darauf ist nicht so ganz leicht zu geben. Aus dem Grunde nicht, weil man gerade dann, wenn man diese Antwort zu formulie­ren versucht, sehr stark aus dem Gebiet des Anschaulichen hinaus­kommen muß. Man hat schon gesehen, als ich in diesen Tagen auf eine Frage von Herrn Dr. Müller geantwortet habe,43 daß ich nötig hatte, um überhaupt für einen mathematischen Fall ein anschauli­ches Korrelat zu geben, zu zeigen, wie dieses Anschauungskorrelat liegt beim Übergang von einem Röhrenknochen zu einem Kopf-knochen. Dennoch ist es ein ganz Anschauliches noch.44 Man kann wenigstens da [noch] die Objekte in Anschauung vor sich haben, wenn auch in einem Übergang des einen Objektes in das andere.

Wenn man das Imaginäre als geistige Realität anschauen will, so ergibt sich einem das folgende.45 Man hat nötig, wie ich ja gerade bei diesen physikalischen Betrachtungen46 gezeigt habe, überzuge­hen von dem Positiven zum Negativen, wenn man überhaupt über gewisse Beziehungen der sogenannten ponderablen Materie zu dem sogenannten Imponderablen wirklichkeitsgemäße Vorstel­lungen gewinnen will. Nun liegen aber selbst bei Versinnlichun­gen schon sehr gewöhnlicher Gebiete Notwendigkeiten vor, die zeigen, wie man über die gewöhnlichen, landläufigen symboli­schen Zeichnereien hinauskommen muß.

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Ich will nur das folgende erwähnen. Man kann ja zum Beispiel, wenn man das gewöhnliche Spektrum, wenn es gradlinig gewor­den ist, zeichnet, eine gerade Linie zeichnen von dem Rot durch das Grün zu dem Violett.47 Man wird aber nicht alles, was in Be­tracht kommt, in der Symbolisierung drinnen haben, wenn man es so zeichnet, sondern man wird erst dann alles drinnen haben, wenn man, um das Rot zu symbolisieren, eine Kurve zeichnet, etwa so in dieser Ebene verlaufend (... Zeichnung), und um das Violett zu erreichen, nun in die Tafel hineingeht und hinübergeht; so daß von oben angesehen sich das Rot gewissermaßen ergeben würde vor dem Violett liegend. Ich müßte hinausrücken und mit dem Violett zurückrücken. Dadurch würde ich eine Charakteri­stik bekommen dafür, daß das Violett in das Chemische hinein-geht, das Rot nach der Wärme hinausgeht.48 Ich bin also genötigt, die gerade Linie hier schon zu erweitern, so daß die gewöhnliche Zeichnung, die ich mache, schon eine Projektion desjenigen ist, was ich eigentlich zeichnen sollte.

Man ist nun tatsächlich, wenn man klar werden will über ge­wisse Dinge, die sich einfach in der höheren Wirklichkeit, wenn ich so sagen soll, ergeben, genötigt, nun nicht nur zu gehen aus dem Positiv-Materiellen zum negativen Materiellen, sondern man ist ebensowenig befriedigt, wenn man das tut, wie man befriedigt sein kann, wenn man hier in der geraden Linie vom Rot durch das Grün ins Violett fortschreitet. Denken Sie sich nun darüber den Kreis gezeichnet, so haben Sie, indem Sie genötigt sind, von dem­selben Punkte - der jetzt hier liegt, hierherzugehen, und dann hierher - nicht mehr nach dem[selben] Punkte zurückzukommen, sondern Sie sind genötigt, spiralig hier fortzuschreiten. Ebenso sind Sie genötigt, wenn Sie aus dem Räumlichen in das Nicht-räumliche durch Symbolisierung des Positiven zum Negativen hinübergehen, vorwärts zu schreiten noch von dem, was die höhe­re Gattung vom Räumlichen und Nichträumlichen wäre.

Also nehmen wir an, gerade wie es sonst von zwei verschiede­nen Arten eine Zusammenfassung geben könnte, die beide enthält, so könnten wir uns vorstellen, daß es etwas gibt, was räumlich

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und nichträumlich ist. Dazu muß ein Drittes gesucht werden. Und wenn man nun wirklich eingeht im Gebiet der höheren Wirklich­keit auf das Physisch-Wirkliche, und man bezeichnet das Phy­sisch-Wirkliche mit dem positiven Vorzeichen, so ist man genö­tigt, einfach das Ätherische, das wirkliche Ätherische, wobei man aus dem Räumlichen hinauskommt, also in das Geistige schon hineinkommt, mit dem negativen Vorzeichen zu versehen.49 Will man aber ins Astrale gehen, so kommt man nicht zurecht mit dem Räumlichen und Unräumlichen, sondern man muß eben zum Dritten gehen, das sich zu dem Positiven und Negativen genau so verhält, wie in der formalen Mathematik das Imaginäre zu dem Positiven und Negativen. Und man würde sogar genötigt sein, wenn man von dem Astralen zur wahren Entität des Ich übergeht, genötigt sein, einen Begriff aufzuschreiben, der überimaginär wäre im Verhältnis zum Begriff des Imaginären. Deshalb war mir im­mer so unsympathisch die Antipathie gegenüber dem Überimagi­nären, weil beim Aufsteigen zum Ich man den Begriff wirklich nötig hat.50 Es ist nicht möglich, ihn auszulassen - es handelt sich nur darum, ob man ihn in der rechten Weise anwendet, wenn man im rein Formalen der Mathematik bleibt -, wenn man so richtig vorgeht mit den mathematischen Formulierungen, daß man nicht aus dem Wirklichen herauskommt.

Ich habe heute mit jemandem, der mir begegnete, ein solches Problem besprochen, welches auch auf dem arithmetischen Gebie­te sehr deutlich zeigt, daß man etwas haben kann in mathemati­scher Behandlung, was außerordentlich schwer seine Beziehung zu der Realität herstellen kann, das ist das Wahrscheinlichkeits­problem. Ich kann im Versicherungswesen ausrechnen, wann einer stirbt, soweit es gilt für die Menge. Ich kann mich danach genau richten bei der Menge. Ich kann aber unmöglich daraus den Schluß ziehen, daß der betreffende Mensch genau in dern Jahr zu sterben hat, das ausgerechnet werden muß. Es fällt mir also die Realität aus meinen Berechnungen.

So ist es auch sehr häufig, daß gewisse Rechnungsergebnisse in formaler Beziehung richtig sind, aber mit dem, was wirklich ist,

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nicht [zusammen]stimmen. Und so könnte es auch sein, daß man das Formale der Mathematik manchmal zu rektifizieren hätte nach solchen Ergebnissen der überempirischen Wirklichkeit. Es ist zum Beispiel erst zu prüfen, ob es richtig ist, wenn ich a . b =0 habe, daß zu diesem Ergebnis nur gekommen werden kann, wenn einer der Faktoren Null ist. Wenn das so ist, so ist es gewiß wahr, daß man zu dern Resultat Null kommt. Aber es muß die Frage aufge­worfen werden: Könnte es nicht sein, daß auch einmal das Resul­tat Null auftritt, wenn keiner der beiden Faktoren Null wäre? Das könnte der Fall sein, wenn man durch die Realität genötigt wird, zu überimaginären Zahlen, die dann entsprechende Korrelate sind einer überempirischen Wirklichkeit, zu kommen.51

Also tatsächlich, man muß versuchen, das Reale in seiner Be­ziehung zum Imaginären, das Überimaginäre in seiner Beziehung zum Imaginären und zum Realen, klar herauszuarbeiten in der Mathematik, aber es kann sein, daß man dann sogar genötigt ist, die Rechnungsgesetze zu modifizieren. 52

Was nun die erste Frage anbetrifft, da liegt das folgende vor:

Wir können ja nur unterscheiden dasjenige, was im Menschen gewissermaßen über einem bestimmten Niveau liegt und unter einem bestimmten Niveau. Ich möchte sagen, ich erkläre es fast jedem, von dern ich nur glaube, daß er einiges Verständnis dafür haben kann, jedem, der vor die bekannte Holzgruppe in Dornach kommt: «Christus in der Mitte als Menschheitsrepräsentant, Ahri­man und Luzifer zu beiden Seiten», daß der Mensch, wie wir ihn vor uns haben, eigentlich nur vorzustellen ist dadurch, daß wir alles an ihm als einen Gleichgewichtszustand vorstellen. Auf der einen Seite ist das Übersinnliche, auf der anderen Seite das Unter-sinnliche. Das Menschenwesen stellt eigentlich immer nur den Gleichgewichtszustand zwischen dern Übersinnlichen und Unter-sinnlichen dar.

Nun hängt ja natürlich der Mensch zusammen als eine Art Mikrokosmos mit dern Makrokosmos. Daraus können Sie aber ersehen, daß ausdrückbar sein muß die Beziehung des Menschen-wesens, also jede Einzelheit im Menschenwesen, zu einem Entsprechenden

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im Makrokosmos. Ich kann die Frage aufwerfen:

Wenn ich das Untersinnliche - wenn das die Gleichgewichtsfläche wäre (... Zeichnung) - im Menschen habe, und es mir zunächst vorstelle als zusammenlaufende Kurve, und das Übersinnliche hier ist dasjenige, was der Mensch in seinem Bewußtsein hat, als aus­einanderlaufende Kurve, so bekomme ich so etwas, möchte ich sagen, was sich unten zum Knoten zusammenbildet, und oben auseinander geht. Da wäre zu gleicher Zeit nämlich dargestellt das Drinnenstehen des Menschen im Makrokosmos. Denn durch diese untere, mehr knollenartige Fläche entzieht sich der Mensch dern Makrokosmos. Durch diese Fläche, die ihre Kurve hat, die fort-während auseinandergeht, gliedert er sich ein in den Makrokos­mos. Hier ungefähr würde der Punkt seiner freien Willensent­schließung liegen. Über dern Niveau der freien Willensentschlie­ßung liegt alles dasjenige, wodurch der Mensch seine Kräfte hin­ausgehen läßt in den Makrokosmos. Unterhalb liegt dasjenige, wodurch er die Kräfte des Makrokosmos zusammenschließt, so daß er überhaupt eine bestimmte Gestalt ist.

Wenn man nun versuchen würde, aufzusuchen innerhalb des Gebietes dieser Flächenformen - es würde ja dadurch diese Kurve zustandekommen - gewisse Daten, von denen ich also eine Reihe von Daten mit x bezeichnen würde, die zum Beispiel darstellen, was an Welt-Gedanken überschaut werden kann, das hier, was an Welten-Kräften überschaut werden kann, und hier, was an Wel­ten-Bewegungen geschaut werden kann, so würde ich daraus bil­den müssen eine Funktion, wenn ich bekommen wollte dasjenige, was nun hier unten im Menschen immer dern entspricht. Ich würde eine Funktion bilden müssen von den Daten da oben und würde herausbekommen dasjenige, was da unten im Menschen dern entspricht. Ich will sagen, da brauchen wir eine Funktion von x, y und z.

Aber in dern Augenblick, wo ich Zahlen finden will für diese Zusammengehörigkeit, ist es unmöglich, sie im Gebiete jener Zah­lensysteme zu finden, die ich auf der Ebene noch haben kann. Ich muß in diesem Falle, wenn ich den übersinnlichen und den untersinnlichen

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Menschen miteinander in Verbindung bringe, zu Glei­chungen übergehen, die Zahlen in sich enthalten von solchen Sy­stemen, die auf [gekrümmten] Flächen liegen, und zwar sind es Flächen, die sogar ziemlich genau zu definieren sind, Flächen, die auf Rotations-Paraboloiden liegen müssen. Also solche Flächen, welche entstehen, wenn Kegel so rotieren, daß jeder Punkt, der rotiert, zu gleicher Zeit fortwährend seine Geschwindigkeit än­dert.53 Es sind Rotations-Paraboloide, die dadurch noch kompli­ziert sind, daß die Punkte nicht ihre starre Beziehung zueinander behalten, sondern unter gewissen Gesetzen die Punkte sich än­dern. Es sind also die Flächen, die ich da brauche, in sich lebendige Rotations-Paraboloide.

Es ist ein ungeheuer schwieriger Zusammenhang da, den bis jetzt einzelne Menschen schon vorgestellt haben, den man als eine Notwendigkeit herausfindet, mit dern sich aber erst rechnen lassen wird formal, wenn gerade, wenn ich so sagen darf, die okkulte Wissenschaft, die Geisteswissenschaft, einmal mit der Mathematik zusammenarbeiten wird, wenn dieses Zusammenarbeiten einmal möglich sein wird. Und ich sehe eigentlich in diesem Weg, den Sie uns heute dargestellt haben, allerdings einen Anfang. Und ich glaube, daß das einmünden könnte in die Beantwortung der For­derung: man solle finden die Entsprechung für dasjenige, was die Zusammengehörigkeit zugeordneter Funktionen ergibt, die sich auf Zahlensysteme beziehen, die auf zwei in einem Punkte mit ihren Spitzen sich treffenden Rotations-Paraboloiden liegen, ein solches, das nach unten zusammengeht, und ein solches, das nach oben auseinanderläuft. Es werden einfach diejenigen Zahlen zu finden sein, die auf solchen Rotations-Paraboloiden liegen, wie ich es beschrieben habe. Das entspricht auch durchaus einer Realität.

Was nun die Ausbildung der formalen Mathematik betrifft, so muß ich gestehen, daß es mir scheint, daß da ja natürlich noch recht viel zu tun ist, und daß man auch sehr viel tun kann. Aber mir kommt auch vor, daß vielleicht im Laufe des 19. Jahrhunderts

- vielleicht habe ich da aber auch unrecht, vielleicht in derjenigen Zeit, in der ich weniger die Fortschritte der formalen Mathematik

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verfolgen konnte, das ist schon eine lange Zeit her, vielleicht ist es modifiziert -, ich hatte immer das Gefühl, daß diejenigen Arbei­ten, die auf dern Gebiet der formalen Mathematik gemacht wer­den, sich furchtbar wenig kümmern darum, ob nun die Rech­nungsoperationen wirklich noch irgendwie möglich sind, ob sie nicht doch an irgendeinem Punkte rektifiziert werden müßten durch irgendeine Beziehung zu einer möglichen Wirklichkeit. Also, ob man rein formal weitergehen darf. Es ist zum Beispiel möglich zu fragen, was geschieht, wenn man multipliziert meinet­wegen eine eindimensionale Mannigfaltigkeit mit einer zwei­dimensionalen Mannigfaltigkeit. Solche Dinge kann man beant­worten, aber man muß sich doch immer fragen: Entspricht einer solchen Operation nicht nur irgendeine Wirklichkeit, sondern auch nur etwas, was man sich vorstellen kann? Und ich glaube, daß wenigstens, um auf diesem Wege auf einen grünen Zweig zu kommen, es vielleicht doch notwendig sein wird, bestimmte De­finitionen zu geben über den Begriff des Nur-Rechnungsmäßigen.

Ich habe mich vor längerer Zeit einmal damit beschäftigt, ob es zum Beispiel möglich ist, den pythagoreischen Lehrsatz, auch ohne daß man auf das Anschauliche übergeht, also rein zahlenmä­ßig ausgedrückt, zu verifizieren, arithmetisch zu beweisen.54 Es wird sich wirklich darum handeln, ob man das rein Arithmetische so streng erfassen kann, daß man nicht unwillkürlich in das Geo­metrische hinüberkommt.

Nicht wahr, wenn man rechnet mit Zahlen -, solange man unter den gewohnten Zahlen bleibt, sind es halt eben Zahlen, und man hat nicht nötig, vorn Zahlensystem auf einem bestimmten Raum-gebiet zu sprechen. Geht man aber über zu diesen anderen Zahlen, zu imaginären Zahlen, Komplexzahlen, zu Überkomplexzahlen, zu überimaginären Zahlen, dann muß man vorn höheren Raumge­biet sprechen. Sie haben ja gesehen, wie man das kann, aber eigent­lich nur dadurch, daß man aus unserem gewöhnlichen Raum her­auskommt. Und deshalb scheint es mir schon notwendig zu sein, daß vielleicht die rein formale Mathematik, bevor sie Zahlen auf­stellt, die sich nur symbolisieren lassen - es ist ja zunächst eine Art

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Symbolisieren dadurch, daß man weitere entsprechende Punkte aufträgt auf gewisse Raumgebiete -, daß man die Untersuchung vollzieht, wie solche höheren Zahlen auch vorstellbar sind ohne Zuhilfenahme der Geometrie.55 Also auch in dern Sinne, daß ich zum Beispiel eine Zahlenlinie schon darstelle, positive und nega­tive Zahlen.

Es müßte beantwortet werden: Wie ist rein elementarisch das Positive zum Negativen vorzustellen? Mir scheint - ich kann aber nichts Abschließendes geben, ich weiß nichts darüber, habe mich nicht damit beschäftigt -, die Lösung von Gauß wenig genugend, die einfach vorstellungsgemäß Unterschiede annimmt zwischen Positiv und Negativ.56 Ebenso wenig [genügend ist die Art und Weise,] wie bei Dühring das Negative [interpretiert wird], das für ihn nichts anderes ist als die Subtraktion, für die nur der Minuend fehlt.57 Ebenso ist es nach Dühring für die imaginäre Zahl V-1. Sie ist nichts anderes, als der Versuch, eine Rechnungsoperation auszuführen, die man nur andeuten kann, nicht in Wirklichkeit ausführen kann.58 So wie, wenn ich 3 habe und nichts habe, wovon ich abziehen kann, bleibt mir 3. Es ist bloß eine angedeutete Rech­nungsoperation. Aber es ist auch der Differentialquotient in dieser [Dühringschen] Auffassung nur eine angedeutete Rechnungsope­ration, was nichts anderem entspricht.59 Das scheint mir auch eine Einseitigkeit zu sein bei Dühring, und die Lösung wird wahr­scheinlich in der Mitte liegen. Aber die Lösung dieser Probleme müßte erst erfolgen, ehe man in der formalen Mathematik auf ei­nen grünen Zweig kommen wird.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 11. März 1920

#TX

Erste Frage: Die Frage ist, ob diese Art der Erfassung eine wirklichkeits­gemäße ist, und ob es vielleicht auf diesem Gebiete, indem wir auffassen die mathematischen Objekte als Zwischenglieder zwischen Urbild und Abbild -denn das, was wir auf dem einfachen geometrischen Gebiet getan haben, müßte sich auf allen Gebieten der Mathematik vornehmen lassen -, ob das vielleicht eine Grundlage sein kann zu der Rechnungsart, die zugrunde gelegt werden muß der Physik, wie sie uns in dem jetzigen Vortrag gegeben wird?

Zweite Frage: Ob das vielleicht auch ein Weg ist, um zu dem zu gelangen, zu dem wir unter der Kontrolle und Steigerung des Denkens kommen, was die überempirischen Gebiete genannt wurde?

Es liegt hier also zunächst die Frage vor, wenn ich es richtig ver­standen habe, ob man an die mathematischen Gebiete herankom­men kann dadurch, daß man sie auffaßt als ein Zwischenstadium zwischen Urbild und Abbild.60

Nun, fassen wir die mathematischen Gebiete zunächst rein gei­stig-empirisch auf; was sind sie, wenn wir zunächst hier denken wollen an räumlich-geometrische Gebiete? Oder denken Sie auch an arithmetische Gebiete?

Alexander Strakosch: An geometrische Gebiete.

Ich habe schon in diesen Tagen wie in einem Zwischensatz darauf hingedeutet, wie wir eigentlich zu den gewöhnlichen geometri­schen Gebilden kommen.61 Wir kommen eigentlich nicht auf dern Wege des Abstrahierens aus den empirischen Vorstellungen dazu, sondern zunächst sind schon die mathematisch-geometrischen Gebilde eine Art Intuition. Sie werden eigentlich geschöpft aus der Willensnatur der menschlichen Wesenheit heraus. Und indem sie daraus geschöpft werden, kann man sagen, daß der Mensch in seiner Erfahrung, indem er die mathematischen Gebilde erfaßt, eigentlich immer wenigstens Wirkensmöglichkeiten hat, Realitäts­möglichkeiten in dern mathematischen Gebiete. Sie sind damit

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auch empirisch schon eine Art von Zwischenzustand zwischen den äußeren Wirklichkeiten, die wir ja nur im Abbild haben können, und den unmittelbaren Seinsinhalten, die wir innerlich erleben. Also auch die geistig-empirische Betrachtungsweise wür­de zeigen, daß, wenn wir das Geometrische erfassen, wir dann gewissermaßen ein Zwischenstadium zwischen Urbild und Abbild haben.

Ich möchte aber auf die Konsequenz hinweisen, welcher Hin­weis nur besagen soll, daß allerdings, wenn man diesen Gedanken-gang verfolgt, man noch manches herbeizutragen haben wird zu seiner Verifizierung. Wenn die geometrisch-mathematischen Ge­biete Zwischenzustände sind zwischen Urbild und Abbild, so ist es notwendig, daß sie eine gewisse Eigenschaft haben, die die Abbilder nicht haben. Eine Eigenschaft, die allerdings mehr eine ideelle wird; allein, sie wird erst so ideell gerade in der Sphäre der Abbilder.

Nicht wahr, wenn wir ein reines Abbild haben, so ist es so, daß es ja auch kombiniert sein kann, daß es nicht nötig ist, daß es unbedingt seinem Urbild entspricht. Wenn wir ein bloßes Abbild hier plazieren, so ist es nicht nötig, daß es einem Urbilde ent­spricht. Wenn wir aber diesen Zwischenzustand haben, der schon Realität in sich aufgenommen haben würde, so würde es notwen­dig sein, daß wir für ihn müßten aufsuchen können ein bestimmtes Feld der Realität, daß wir nicht in beliebiger Weise diese Gebiete würden kombinieren können. Denn die Urbilder werden wir nie­mals lebendig kombinieren können, sondern die müßten wir in ihrem eigenen Gebiete aufsuchen, die müssen als ganz bestimmte Erfahrungen vorliegen. Wir müßten also, wenn wir dieses mittlere Gebiet, das hier genannt worden ist das Gebiet der angeschauten Gesetzmäßigkeit mathematischer Objekte, in der richtigen Weise erfassen wollen, müssen wir es erfassen auch in bezug auf seine Konstruktion als einen Zwischenzustand zwischen den absolut fixierten Urbildern und bodenlos beliebigen Abbildern. Das heißt, wir müßten die ganze Mathematik, besonders die Geometrie, in dern Sinne auffassen, daß wir sie innerlich beweglich auffassen,

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daß wir also, ich möchte sagen, sie wenigstens wie latent in der gesamten Wirklichkeit enthalten vorstellen. Wir müßten also zum Beispiel ein Dreieck nicht vorstellen als etwas, was in sich unbe­weglich ist, sondern wir müssen es so vorstellen, daß wir es etwas unter dern Begriffszusammenhang vorstellen. Was ist ein Dreieck? Ein Dreieck ist ein von geraden Linien begrenztes Gebiet, dessen Winkelsumme 1800 ist. Dann würde aber in beliebiger Weise va­riabel sein das gegenseitige Längenverhältnis der drei Seiten, und wir würden aus dieser Definition unendlich viele Dreiecke be­kommen, oder auch ein Dreieck in Fluß bekommen. Und das würde die Konsequenz dieser Anschauung sein, daß wir gewisser­maßen eine fließende Geometrie bekämen.62 Und es würde not­wendig sein, nachzuweisen, daß diese fließende Geometrie nun auch im Reiche der Natur eine gewisse Bedeutung hat. Das heißt, daß also meinetwillen das Gesetz der Kristallisation tatsächlich etwas in sich enthält, was dieser fließenden Geometrie entsprechen würde. Also eine wirklichkeitsgemäße Vorstellung liegt allerdings zugrunde, aber es ist natürlich manches noch beizutragen, um das ganze zu verdeutlichen. Außerdem mache ich noch darauf auf­merksam, daß hier eine gewisse Sache hineinspielt, die eigentlich hier berührt werden muß, wenn man es so nimmt.

Sehen Sie, man ist in der gegenwärtigen Zeit zu der Gewohn­heit gekommen, wenn man in höhere Gebiete der Wirklichkeit hinaufgehen will, zu höheren Dimensionen seine Zuflucht zu neh­men. Das war nicht immer so in dern Formalismus, der zugrunde gelegt worden ist dern okkulten Vorstellen, dern Vorstellen des Okkulten. Man ging früher so. vor, daß man sagte: Unsere ge­wöhnlichen physischen Gebilde haben wir nötig, dreidimensional vorzustellen. Die Gebilde, die dern astralen Raum angehören -also ich spreche jetzt in anderem Sinne, als ich vorhin bei Herrn Blürnel gesprochen habe, wo ich von dern physischen Leib zum Ich gegangen bin, ich möchte [hier] auf die Sphären oder Plane Rücksicht nehmen -, wenn wir also den nächsten [Astral-]Plan vorstellen, so müßte man ihn unter dern Bilde einer zweidimensio­nalen Fläche vorstellen. Wenn man den nächsten, den Rupa-Plan

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etwa vorstellen würde, würde man ihn eindimensional ausdehnen; und zum Punkt käme man, wenn man den Arupa-Plan vorstellen würde.63

Da also würde man dazu kommen, sich sagen zu können: Bei dern Gehen zu geistigeren Vorstellungen ist man genötigt, die Mannigfaltigkeiten sogar zu verringern, nicht zu vermehren; und dieser Sache unterliegt man, wenn man jetzt von oben nach unten geht, und in gewisser Beziehung tut man das, wenn man zum Beispiel folgendes versucht: Wir können ganz gut unterscheiden geistig, seelisch, leiblich. Aber wenn wir uns fragen, was ist denn im auf der Erde herumgehenden Menschen das Geistige, so müs­sen wir sagen: Dieses Geistige ist da eigentlich außerordentlich filtriert vorhanden. Gerade das abstrakte Denken ist das, was der Mensch eigentlich dern Geiste verdankt. Es ist geistig und für sich nur geneigt, das Sinnliche wahrzunehmen, aber das Mittel dieses Wahrnehmens ist eben geistig. Und gerade wenn wir dieses Gei­stige des Denkens nun herunter verfolgen ins Leibliche, dann be­kommen wir einen Ausdruck im menschlichen physischen Leibe, währenddem das umfassendere Geistige noch keinen Ausdruck im menschlichen physischen Leibe hat. So daß ich sagen kann, etwas grob gesprochen: Ein Drittel der geistigen Welt, an der der Mensch Anteil hat, hat seinen Ausdruck im menschlichen physi­schen Leibe.

Wenn ich zum Seelischen gehe, so wird es so, daß ich sagen muß:

Zwei Drittel der geistigen Welt, an der der Mensch Anteil hat, hat ihren Ausdruck im menschlichen Leibe, sind im physischen Leibe zum Ausdruck gelangt. - Und wenn ich zum physischen Leibe gehe, so muß ich sagen: Drei Drittel sind zum Ausdruck gelangt. -Also muß ich, indem ich heruntersteige von oben nach unten, beim Menschen den Fortgang vorn Urbild zum Abbild mir allerdings so denken, daß das Urbild immer leicht beim Herabsteigen von seiner Entität etwas zurückläßt. Dadurch ist gerade das wesentliche Cha­rakteristikon des Leiblichen gegeben. Wenn wir hinaufgehen, fin­den wir Neues: dasjenige, was nicht Abbild geworden ist. Wenn wir heruntergehen, tritt uns allerdings dann etwas auf, was nicht bloß

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Abbild ist, sondern wo Realität hineinspielt. Gerade so zum Bei­spiel, wenn wir unseren physischen Leib und unseren Ätherleib in der Nacht im Bett liegen lassen, wir nicht bloß Astralleib und Ich [aus dern Leibe] heraus haben, der Leib leer ist davon, sondern es kommen höhere Kräfte herein, die ihn dann während der Zeit, wo Astralleib und Ich heraus sind, beleben, so ist dann auch im Abbild etwas drinnen, was nicht allein vorn Urbild stammt, sondern erst hereinkommt, indem es Abbild wird, wenn das Abbild der Entität [Realität?] angehört.

Es entsteht dann die interessante Frage: Wie wird aus dem, was bloß phantasiegernäß kombiniertes Abbild ist, das reale Abbild? Da kommt eben dieses andere noch hinein.

Ich möchte nur noch bemerken: Wenn man zunächst zwei Dimensionen ins Auge faßt, so führt dieser Gedankengang unmit­telbar dazu, einem anderen sich zuzuwenden, der den [ersten Gedanken] erhellen kann. Wenn man zwei Dimensionen ins Auge faßt, so kann man alles dasjenige, was zweidimensionalen Gebil­den entspricht, in diese zwei Dimensionen hineinzeichnen, nicht aber das, was im [dreidimensionalen] Raume ist. Aber jeder wird mir zugeben, daß in dern Augenblick, wo ich statt perspektivisch oder dergleichen zu zeichnen, mit Farben anfange [ein Bild] anzu­legen, wo ich Farben nachahme, also Bilder von Farben gebe, ich da direkt in die Ebene hinein, dern Bilde nach, den Raum lege. So daß ich also die Frage aufwerfen kann: Dasjenige, was im Bilde die Farbe ausdrückt, liegt das in irgendeiner der drei Dimensionen des Raumes drinnen? Ist es möglich, etwas anzudeuten in den Farben, was die drei Dimensionen ersetzt, was anstelle der drei Dimensio­nen dastehen kann? Also wir können, wenn wir das Farbige über­blicken, das Farbige in einer gewissen Weise anordnen. In zwei Dimensionen kommen wir dazu, ein Bild des Dreidimensionalen zu geben. Und jedermann kann ja einsehen, daß alle blauen Farben gewissermaßen nach rückwärts rücken und alle rotgelben Farben nach vorwärts, so daß wir tatsächlich einfach in der Farbengebung selber die drei Dimensionen haben. Also wir können durch das Intensive der Farben das Extensive der drei Dimensionen zum

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Ausdruck bringen, und wir kommen da tatsächlich dazu, die Drei­dimensionalität zusammenzuquetschen; wenn wir zu den Farben übergehen, quetschen wir sie in zwei Dimensionen hinein.

Solche Betrachtungen können mit diesen auch durchaus ver­knüpft werden, um dann zu dieser flüssigen Geometrie zu kom­men, und wirklich eventuell darauf zu kommen, ob man nicht die Geometrie so erweitern kann, daß das drinnenliegt, daß man zum Beispiel, wie man kongruente Dreiecke auffaßt, das Dreieck A kongruent sein läßt mit dern Dreieck B, ob man nicht auch eine erweiterte mathematische Beziehung finden kann zwischen dem, was ich als ein rotes Dreieck in der Ebene mache und ein blaues Dreieck in der Ebene mache; ob man nicht nachdenken kann, ob es unerlaubt ist, einfach ohne weiteres in der Ebene nun auch die einfache Linienform, die ein rotes Dreieck darstellen soll, hinzu-zeichnen wie die Linienformen, die ein blaues Dreieck vorstellen sollen. Ob ich nicht ausdrücklich sagen muß: Wenn man mir er­laubt, diese Linienformen für ein rotes Dreieck zu zeichnen, dann muß ich, wenn ich sie in dieselbe Fläche zeichnen will, klein zeich­nen; einfach dadurch, daß sie Rotes darstellen wird, muß sie klein gezeichnet werden. Und dieses muß einfach deshalb, weil es blau sein soll, groß gezeichnet werden.

Es ist nun die Frage, ob es nicht auf diese Weise möglich ist, hineinzubringen in unsere Geometrie einen Intensitätsfaktor, so daß man mit Intensitäten rechnen kann. Und dann würde sich ergeben die ganze Bedeutung des Zusammenwirkens unseres lin­ken Auges mit unserem rechten Auge. Wir sehen stereoskopisch dadurch, daß die beiden Augen zusammenwirken. Das ist aber nichts anderes auf dern Gebiete des Optischen, wie wenn ich mit der linken Hand die rechte angreife. Würde ich ein Wesen sein, das niemals könnte mit einem Teil seines Organismus den anderen berühren, so würde ich keine physische Ich-Vorstellung bekom­men können. Physische Ich-Vorstellungen kann ich nur bekom­men dadurch, daß ich mit einem Teil meines Wesens den anderen berühren kann. Und im Raume mich als ein Ich fühlen kann ich nur dadurch, daß unter dern gewöhnlichen Empirischen so ein

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bißchen verborgen dasjenige ist, daß mein rechtes Sehen mein lin­kes überkreuzt. Darin liegt die Möglichkeit, in die Vorstellung, also nicht in die Realität des Ich, aber in meine Vorstellung des Ich das Richtige hineinzubringen.

Und nun denken Sie sich einmal, was es für eine Konsequenz hätte für dieses Hineinbringen des Ich [in die physische Vorstel­lung], wenn Sie Ihre Augen nicht symmetrisch gleich hätten, we­nigstens annähernd, sondern wenn Sie sie etwas verschieden hät­Len, oder vielmehr wenn Sie sie stark verschieden hätten, denn etwas verschieden sind sie ja. Wenn Sie das linke Auge zum Bei­spiel bedeutend kleiner hätten als das rechte, so daß dasjenige, was als die linken und rechten Stereoskopbilder sich darstellen wür­den, sehr verschieden wäre, so daß Sie fortwährend im linken Auge ein kleineres Bild erzeugten, und innerlich auch noch das Bestreben hätten, dieses kleine zu vergrößern, und dabei im rech­ten Auge ein großes Bild erzeugten, und dann [das rechte Auge] das umgekehrte Bestreben hätte - [nämlich dieses Bild innerlich zu verkleinern] -, Sie würden dadurch zu dern statischen Sehen, das stereoskopisch ist, hinzutragen ein lebendiges Sehen.

Das [wirkliche] lebendige Sehen müßten Sie aber erzeugen in dern Augenblick, wo Sie nur ein bißchen hinaufsteigen in die Anschauung des Imaginativen. Diese Anschauung kommt dadurch zustande, daß man gewissermaßen fortwährend das Asymmetri­sche anreiht aneinander. Deshalb war es notwendig, die Dorn­acher Mittelfigur [in der plastischen Holzgruppe], den Repräsen­tanten des Menschen, mit einer starken Asymmetrie zu zeigen, um eben dadurch zu zeigen, wie er zum Geistigen aufsteigt. So daß ich aus dern Grunde, um Ihnen eine Vorstellung zu geben, wie eigent­lich alles dasjenige, was in uns Menschen ist, zum Beispiel auch das statische stereoskopische Sehen, im Grunde genommen ein Gleichgewichtszustand ist, der fortwährend tendiert, nach der einen oder anderen Seite abzubiegen, polarisch. Und was wir als Menschen sind, das sind wir eigentlich dadurch, daß wir in jedem Augenblick unseren Gleichgewichtszustand herzustellen haben zwischen oben und unten, vorn und hinten, links und rechts.

FRAGENBEANTWORTUNG Dornach, 30. März 1920

#G324a-1995-SE164 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 30. März 1920

#TX

Frage: Wie ist eine Weiterbildung der Chemie im Sinne der Anthroposophie zu denken?

Wenn die von Dr. Kolisko gemeinte Phänomenologie vorgenom­mén wird, so muß eben gesagt werden, daß diese Frage so umfas­send noch ist, daß sie ja auch nur höchst andeutungsweise beant­wortet werden kann. Vor allen Dingen ist es nötig, daß man ein-sähe, daß man zunächst zu einer entsprechenden Phänomenologie kommen müßte. Eine Phänomenologie ist nicht eine Zusammen­stellung der bloßen Phänomene in willkürlicher Weise, oder so, wie sie sich gerade durch die wissenschaftlich angestellten Versu­che ergibt; sondern eine wirkliche Phänomenologie ist eine solche Systematisierung der Phänomene, wie es etwa versucht worden ist von Goethe in seiner «Farbenlehre».64 Es ist ein Zurückführen des Komplizierteren auf das Einfachere, bis zu jenen Grundlagen, wo einem die Grundelemente, die Grundphänomene entgegentreten.

Nun weiß ich selbstverständlich ganz gut, daß nun ganz ge-scheite Leute sagen werden: Ja, aber wenn man eine solche ge­scheite Aufstellung hat in bezug auf [den Zusammenhang von] qualitativen Phänomenen mit Urphänomenen, so ist ein solcher Aufbau durchaus nicht von vornherein zu vergleichen mit dem, wie zum Beispiel kompliziertere geometrische Zusammenhänge mathematisch zurückzuführen sind auf Axiome; denn die geome­trischen Zusammenhänge werden gewissermaßen aus reiner inne­rer Konstruktion aufgebaut. Der weitere Aufbau der Mathematik, [ausgehend von] diesen Axiomen, wird wiederum erlebt wie eine in ihrer [inneren] Notwendigkeit erschaute [Fortsetzung des ma­thematischen Prozesses], während wir [andererseits] angewiesen sind beim Aufbau der Phänomene und der Urphänomene, uns auf die Beachtung des äußeren Tatbestandes zu verlassen.

Das ist aber nicht so, [auch] wenn es Leinfach so] behauptet wird - es wird ja im weitesten Umkreise mehr oder weniger deutlich

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und klar behauptet. Daß dieses behauptet wird, ist doch nur ein Ergebnis einer unrichtigen Erkenntnistheorie. Und namentlich ist es das Ergebnis eines konfusen Durcheinanderwirbelns des Erfahrungsbegriffes mit anderen Begriffen. Und durch dieses kon­fuse Durcheinanderwirbeln des Erfahrungsbegriffes mit anderen Begriffen ergibt sich zum Beispiel das folgende.

Da wird nicht darauf gesehen, daß die Art und Weise, wie Erfahrung vorliegt, durchaus gebildet ist in bezug auf das mensch­liche Subjekt. Ich kann gar nicht den Begriff der Erfahrung bilden, ohne daß ich die Beziehung denke vom Objekt zum menschlichen Subjekt.

Und nun handelt es sich lediglich darum: Gibt es eine prinzipi­elle Unterscheidung zwischen der Art und Weise, wie ich zum Beispiel ein Goethesches Urphänomen vor mir habe, und dieses Urphänomen kompliziere zum abgeleiteten Phänomen, wo ich scheinbar angewiesen bin darauf, daß mir die äußere Erfahrung dasjenige, was ich im Urteil ausspreche, bestätigt? Gibt es einen Unterschied in diesem ganzen Verhalten des Subjekts zum Objekt gegenüber dem, wenn ich in der Mathematik konstatiere, die Sum­me der drei Winkel des Dreiecks ist 1800? Oder wenn ich den pythagoreischen Lehrsatz konstatiere in bezug auf den Erfah­rungsbegriff? Gibt es in der Tat einen Unterschied?

Daß es in bezug auf das keinen Unterschied gibt, ist sogar schon hervorgetreten in Untersuchungen immerhin ganz geistrei­cher Mathematiker des 19. Jahrhunderts und bis in unsere Tage herein, die ja, weil sie gesehen haben, daß schließlich Mathematik auch nur beruht auf einer Erfahrung - in einem Sinne, wie man von Erfahrung bei den sogenannten empirischen Naturwissen­schaften spricht -, die hinzukonstruiert haben, allerdings zunächst nur hinzukonstruiert haben, zu der euklidischen Geometrie nicht­euklidische [Geometrien].65 Und man muß da sagen: Theoretisch ist es ja zunächst durchaus möglich, geometrisch zu denken, daß die drei Winkel eines Dreiecks 3800 sind. [Allerdings muß man dabei] voraussetzen, daß der Raum ein anderes Kiümmungsmaß hat.66 In unserem gewöhnlichen Raume haben wir ein reguläres

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[euklidisches] Maß, das die Krümmung Null hat. Dadurch einfach, daß man sich vorstellen würde, daß der Raum mehr gekrümmt [das heißt, daß die Krümmung des Raumes größer als 1] ist, da­durch kommt man zu so einem Satze wie: Die Summe der drei Winkel eines Dreiecks ist größer als 1800.

[Es liegen] interessante Versuche in bezug darauf [vor, so zum Beispiel von] Oskar Simony, der dies [weitergehend] untersucht hat.67

Diese Bestrebungen zeigen, daß man schon von gewisser Seite auch für nötig gehalten hat, sich zu sagen: Auch dasjenige, was wir in mathematischen oder geometrischen Sätzen als Urteile ausspre­chen, auch das bedarf ebenso der empirischen Verifizierung wie dasjenige, was wir aussprechen in der Phänomenologie.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 31. März 1920

#TX

Frage: Die gewöhnliche Mathematik umfaßt das Feste, Flüssige und Gasför­mige in Gestalt, Oberfläche und Kraftrichtung. Wie denken Sie sich eine Mathematik des Wärmegebietes, des chemischen und Lebensgebietes?

Nun handelt es sich da wohl zunächst ja darum, daß das mathe­matische Gebiet als solches in sachgemäßer Weise ausgedehnt werden muß, wenn man höhere Gebiete, ich möchte sagen, aber nur analog mathematisch umfassen will.

Wenn man daran denkt, daß da doch ein Bedürfnis entstand im 19. Jahrhundert, die Mathematik selber zu erweitern. Ich will nur erwähnen, was da schon bei anderen Gelegenheiten erwähnt wor­den ist - ich glaube, erst gestern 68 -, daß damals das Bedürfnis aufgetreten ist, zu der euklidischen Geometrie eine nicht-euklidi­sche Geometrie hinzuzufügen; daß das Bedürfnis eingetreten ist, Rechnungen auszuführen für höhere Mannigfaltigkeiten, als wir sie gewöhnlich ausführen.69 Darinnen haben wir schon einen Hin­weis auf Erweiterungen der Mathematik. Und wir dürfen ja sagen:

Wenn wir die gewöhnliche ponderable Materie ins Auge fassen, so kommen wir nicht dahin, irgendeine sachgemäße Anwendung anderer Mannigfaltigkeiten, als der gewöhnlichen [euklidischen] drei[dimensionalen Mannigfaltigkeit], zu gebrauchen.

Es ist aber heute so wenig Neigung noch vorhanden, in eine sachgemäße Anschauung über die Gebiete der Wärme, der chemi­schen [Wirkungen] und [der] Lebenselemente einzugehen, daß die Fortsetzung der mathematischen Denkweise in diese Gebiete hin­ein heute noch wirklich etwas sehr Problematisches ist.70

Es kann zum Beispiel [bezüglich der hier vorgebrachten An­schauungen] durchaus nicht ein Gegensatz geschaffen werden zu dem Nichtkennen des Wesens der Masse, wie es von seiten der Physiker propagiert wird. [Ein Physiker ist nur konsequent, wenn er sagt:] es ist [in der Physik] nicht einzugehen etwa auch auf das Wesen, [sondern bloß auf] das Bild des Lichtes, wie es [sich] bei

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Goethe [dar]stellt. Der Physiker wird, wenn er vernünftig ist, selbstverständlich ablehnen, [innerhalb seines Gebietes] auf das Wesen der Dinge einzugehen. Allerdings [ergibt sich] dann so­gleich die Misere: der Physiker lehnt vielleicht [überhaupt] ab, auf das Wesen der Dinge einzugehen. Derjenige, der dann heute aus der gebräuchlichen physischen, physikalischen Anschauung eine Philosophie braut, der lehnt es nicht mehr [nur] ab, sondern der erklärt: man kann eben [überhaupt] nicht in das Wesen der Dinge eindringen.

Und so haben wir [heute eine sehr einseitige Anschauung von der] Erde, da wir es ja niemals zu tun haben können mit der blo­ßen Geologie in der Physik, sondern mit dem, was als Fazit sich aus einem solchen einzelnen Gebiete für die Gesamterkenntnis ergibt. So haben wir es zu tun schon mit schädlichen Konsequen­zen desjenigen, was ja eben nicht mathematisch, sondern als me­chanistische Weltanschauung sich ergeben hat allmählich im Laufe der Zeit für die Physik.

Was Goethe meint, wenn er sagt, von dem Wesen des Lichtes soll man eigentlich nicht sprechen, sondern man soll versuchen kennenzulernen die Tatsachen, die Taten und Leiden des Lichtes

- denn die geben ja eine vollständige Beschreibung des Wesens des Lichtes -, so ist [dies] durchaus nicht etwa identisch mit der [prin­zipiellen] Ablehnung der Frage nach dem Wesen des Lichtes, son­dern gerade der Hinweis darauf eben, daß eine richtige Phänome­nologie - die in dem Sinne angeordnet ist, wie das gestern bespro­chen worden ist hier 71 -, daß eine solche wirkliche Phänomenolo­gie zuletzt gerade eben ein Bild gibt von dem Wesen, das in Be­tracht kommt.72 Es gibt ja auch [die Physik] durchaus, insoweit sie Phänomenologie ist und sein will, und richtige Phänomenologie ist, soweit es das mechanistische Gebiet [betrifft] - ein Bild über das Wesen, nämlich über das Wesen der Erscheinungen.

Und so kann man schon sagen: Wenn es sich nicht um die mechanischen Erscheinungen oder um dasjenige handelt, was auch an den physikalischen Erscheinungen bloß mechanisch ist, - wenn es sich um andere Gebiete handelt als um die mechanischen, dann

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wird die mechanistische Anschauung dieser anderen Erschei­nungsgebiete hinderlich für ein Vordringen zu einem wirklichen, für den Menschen erkennbaren Wesen der Dinge. Und insoferne ist es notwendig, den radikalen Unterschied einer solchen Phäno­menologie, wie sie Goethe meint, und wie sie im Goetheanismus gepflegt werden kann, hervorzuheben [gegenüber] dem, was eben prinzipiell verzichten will, auf das Wesen der Dinge einzugehen.

Das hat gar nichts zu tun wiederum mit irgendeinem Vorzug etwa der mechanistischen Methode für den Beherrschungstrieb 73 der Natur. Denn, meine sehr verehrten Anwesenden, es ist ja selbstverständlich, daß in dem Gebiete, in dem es gerade die gro­ßen Triumphe der letzten Jahrhunderte gegeben hat - nämlich in dem technisch-mechanischen Gebiete -, daß da als Grundlage der mechanistische Teil der Naturerkenntnis eine gewisse Befriedi­gung des Beherrschungstriebes der Natur geben konnte.

Man frage aber nur, inwieferne zurückgeblieben ist dieser Be­herrschungstrieb [oder Erkenntnistrieb] der Natur auf anderen Gebieten. Gerade weil es abgelehnt worden ist, da zu einer eben-solchen Erkenntnis vorzudringen, wie es auf dem mechanistischen Gebiete angestrebt worden ist, [ist der Erkenntnisfortschritt auf diesen anderen Gebieten zurückgeblieben].

Der Unterschied des mechanistischen Gebietes und derjenigen Gebiete, die mit dem Physikalischen anfangen und dann durch das Chemische hinauf zu dem Organischen und so weiter gehen, - der Unterschied liegt nicht etwa darinnen, daß man es in diesen höhe­ren Gebieten nur mit [qualitativen] Eigenschaften oder derglei­chen zu tun hätte, sondern der Unterschied liegt darinnen, daß einfach dasjenige, was sich auf das mechanistische Gebiet, auf die mechanistische Physiologie bezieht, daß das einfach ist, [daß sich] das einfach ansehen läßt, [weil es] das Elementarste ist. In diesem Elementarsten [haben wir es] daher [da es einfach ist] zu einer gewissen Befriedigung des Beherrschungstriebes gebracht.

Dann [entsteht] aber die Frage: Wie kommen wir zu einer Be­friedigung dieses Beherrschungstriebes, wenn wir in die höheren Gebiete hinaufrücken, die nicht mehr im Mechanistischen so erfolgen?

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Und da wird schon durchaus damit gerechnet werden müssen, daß doch auch Zeiten kommen, ich möchte sagen, welche hinausgehen ein wenig in der Naturbeherrschung über das bloß mechanistische Gebiet.

Es ist auch im mechanistischen Gebiet außerordentlich leicht, die Nichtbeherrschung, die erkenntnismäßige Nichtbeherrschung der Natur - nun, ich möchte sagen [wie als] Rache der Natur, als Rache der Wirklichkeit - [zur Erfahrung zu] bringen. Wenn einer eine Brücke baut, ohne ordentliche Kenntnis der mechanistischen Gesetze für die Eisenbahn, so wird bei irgendeiner entsprechen­den Gelegenheit die Brücke zusammenbrechen und der Eisen­bahnzug über den Bahndamm hinuntersausen.

Da tritt sogleich die Reaktion gegen die falsche Beherrschung durch eine falsche Erkenntnis hervor. Wenn die Beherrschung sich beziehen muß auf etwas kompliziertere Gebiete, die aber [nun] hergenommen werden müssen nicht aus dem Quantitativen, nicht aus dem Mechanistischen, sondern die hergenommen werden müs­sen eben aus dem Vorgehen, wirklich eine Phänomenologie auszu­arbeiten, da ist vielleicht dieser Nachweis nicht immer so leicht. Man kann mit einer ziemlichen Sicherheit sagen, daß unter Umstän­den eine Brücke, wenn sie, nachdem der dritte Eisenbahnzug dar-überfährt, zusammenbricht, daß dann die Brücke mit einem man­gelnden Erkenntnistrieb aufgebaut worden ist. Aber man wird heu­te nicht leicht sich dazu entschließen, wenn dem Arzt jemand, nun, stirbt, nach derselben Weise den Zusammenhang zwischen dem Erkenntnistrieb und der Naturbeherrschung sogleich zu konstatie­ren. Man sagt weniger, daß der Arzt jemanden zu Tode kuriert hat, als daß jemand eine schlechte Brücke gebaut hat.

Kurz, man sollte etwas sparsamer sein mit diesem Betonen [der Bedeutung] des Beherrschungstriebes der Natur, rein auf Grund­lage der bekannten Tatsache hin, daß es bloß auf dem Gebiete der mechanistischen Technik dazu gekommen ist, daß eine solche Befriedigung des Beherrschungstriebes durch die mechanistische Naturanschauung möglich geworden ist.

Die anderen Naturanschauungen werden eben eine ganz andere

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Befriedigung des Beherrschungstriebes noch geben können. Ich will zum Beispiel da nur auf das hinweisen - ich glaube, ich habe schon gestern von einem anderen Gesichtspunkte aus darauf hin­gewiesen -, daß man niemals kann die Brücke schlagen von der mechanistischen Weltanschauung herüber zum Menschen; daß aber sogleich die Brücke geschlagen wird, wenn eine richtige Phä­nomenologie angewendet wird.74

Sie haben bei Goethe in seiner «Farbenlehre» nicht bloß die Darstellung der physiologischen Phänomene [und] die Darstel­lung der physischen Phänomene, sondern Sie haben eben das gan­ze Gebiet herübergeführt bis zu der sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben, wo die Erscheinung, das ganze Gebiet sogleich an den Menschen herangerückt wird.75

Und von diesem Gebiete, auf das Goethe da noch hindeutet -der sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben -, kommt man her­über, wenn man nun geisteswissenschaftlich weiterarbeitet, in das vollständige Gebiet der Menschenerkenntnis, und damit aber wie­derum in das vollständige Gebiet der Naturerkenntnis.

Und es wäre in einer gewissen Weise vielleicht gut, wenn man heute schon aufmerksam machen würde, immer wiederum, darauf, daß ja ein großer Teil desjenigen, was die Menschheit heute als Dekadenzerscheinungen innerhalb der europäischen Kultur erlebt, zusammenhängt damit, daß wir es eben nur auf der einen Seite, auf der mechanistischen Seite, zu einer Befriedigung des Beherr­schungstriebes gebracht haben. Da haben wir es ja in der Tat recht weit gebracht. Nicht nur dazu, daß wir Eisenbahnen gebaut ha­ben, Telegraphen und Telephone angelegt haben, bis wir zu der [drahtlosen und Mehrfach-]Telegraphie gekommen sind, sondern wir haben es ja in diesem Befriedigen des [mechanistischen] Be­herrschungstriebes sogar so weit gebracht, daß wir große Teile von Europa einbetoniert haben, daß wir sie zerstört haben. Wir haben es bis zur Zerstörung gebracht, bis zu einer gründlichen Befriedigung des Beherrschungstriebes.

Es ist nun so: Diese Befriedigung des Beherrschungstriebes [bis hin zur Zerstörung] - es war doch im Grunde genommen [diese

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Zerstörung] eine gradlinige Fortsetzung des reinen technischen Beherrschungstriebes; es lag in der geradlinigen Fortsetzung -, diese Dinge gehören auch zu denen, die nun gründlich ausgemerzt werden, wenn an die Stelle der ungesunden Ausdehnung der me­chanistischen Anschauung über die gesamten physikalischen Er­scheinungen das tritt, was nun nicht auslöscht einfach das wirklich Spezifische der physikalischen Erscheinungen dadurch, daß alles mit mechanistischen Vorstellungen übergossen wird, sondern wenn man in der Tat aufrückt von dem Mechanistischwerden der Vorstellungen, die auf ihrem Gebiete eben ja auch eine ganz gute Physiologie geben, zu demjenigen, was nun den physikalischen Erscheinungen spezifisch ist.

Und da muß darauf hingewiesen werden, daß gerade diese Be­trachtungsweise, die ja selbstverständlich in einer Stunde nicht bis zu ihren letzten Konsequenzen geführt werden konnte, daß diese Betrachtungsweise zu einer Erweiterung, auch des mathemati­schen Gebietes selber, führen wird, aus der entsprechenden Wirk­lichkeit heraus. Und wir müssen uns klar sein, daß gerade aus der mechanistischen Verwirrung heraus solche Dinge möglich gewor­den sind, daß über den sogenannten Äther im Grunde genommen im Laufe der letzten dreißig, vierzig, fünfzig Jahre alle möglichen Ansichten aufgestellt worden sind.

Und der vorhin in bezug auf ein anderes Gebiet erwähnte Phy­siker Planck ist es ja gewesen, der sich endlich durchgerungen hat zu der Formulierung: Wenn man über den Äther in der Physik überhaupt sprechen will, so darf man ihm jedenfalls keine materi­ellen Eigenschaften beilegen.76 Man darf ihn nicht materiell den­ken. - Dazu ist also doch die Physik gedrängt worden, dem Äther keine materiellen Eigenschaften beizulegen.

Worinnen bestehen denn eigentlich die Fehler in den Äther­Ideen, in den Äther-Begriffen? Nun, meine sehr verehrten Anwe­senden, die bestanden gar nicht darinnen, daß man zuwenig Ma­thematik getrieben hat oder irgend so etwas, sondern daß man, weil man nur von der Tendenz beseelt war, das Mathematische über das Spezifisch-Physikalische auszudehnen, falsche Mathematik

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getrieben hat, daß man in die Formeln, in denen auch die Ätherwirkungen [hinein]spielten, die Größen so einsetzte, wie man sie einsetzt für die ponderable Materie.

In dem Augenblick, wo man sich klar darüber ist, daß die Möglichkeit des Einsetzens der gewöhnlichen Größen in die ma­thematischen Formeln aufhört, wenn wir in das Äthergebiet hin­einkommen, in dem Augenblick wird auch der Trieb entstehen, eine wirkliche Erweiterung der Mathematik selber zu suchen.

Sehen Sie, man braucht nur auf das Zweifache hinzuweisen. Der Physiker Planck sagt: Wenn man über den Äther in der Phy­sik überhaupt sprechen will, so darf man ihm jedenfalls keine ma­teriellen Eigenschaften beilegen.

In der Einsteinschen Relativitätstheorie, oder überhaupt in der Relativitätstheorie, fand man sich genötigt, den Äther überhaupt zu streichen.77

Nun ist der Äther nicht zu streichen - das ist etwas, das ich jetzt nur andeuten kann -, sondern es handelt sich darum, daß wir genötigt werden, in dem Augenblicke, wo wir in unseren physika­lischen Formeln, das heißt in die mathematischen Formeln, die auf Physikalisches angewendet werden, übergehen zu dem Äther, daß wir da genötigt werden, in die Formeln die Größen negativ einzu­setzen. [Diese Größen müssen negativ eingesetzt werden,] weil wir einfach, indem wir von den positiven Materien vorrücken bis zur Nullität, auf der anderen Seite [eben so], wie wir in [der] formalen Physik von den positiven zu den negativen Größen hin-überkommen, und wir in dem Äther weder ein Nichts haben -was Einstein meint -, noch ein reines Negativum - wie Planck sagt -, das man als Etwas denken muß, sondern, weil man den Äther als etwas denken muß, was mit Eigenschaften behaftet ist, die den Eigenschaften der Materie so entgegengesetzt sind, wie die negativen Zahlen den positiven.78 Und da gewinnen schon die rei­nen Ausdehnungen des Mathematischen - man mag nun darüber streiten, was eine negative Größe ist -, da gewinnt schon, aber noch ehe man dazu kommt, über den Charakter des Negativen selber sich klar zu sein, da gewinnt schon die Ausdehnung der

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Zahlenlinie ins Negative hinein eine gewisse Bedeutung auch für die Wirklichkeit.

Ich weiß natürlich sehr gut, daß auf mathematischem Gebiet ein bedeutsamer Streit war im 19. Jahrhundert zwischen denjenigen, die etwas Qualitatives gesehen haben in dem positiven und nega­tiven Vorzeichen, während andere wiederum in den negativen Vorzeichen nur einen Subtrahenden gesehen haben, für die der negative Minuend fehlt.79 Aber darauf kommt es dabei nicht an, sondern daß wir in der Tat genötigt sein können, denselben Weg, den wir in der formalen Mathematik von dem Positiven zu dem Negativen zu machen [genötigt sind], in der Physik selber zu machen, indem [man] von den ponderablen [Wirkungen] in die ätherischen Wirkungen hinübergeht. Dann prüfe man einmal, was aus den Formeln herauskommen wird, wenn man sich entschließt, die Größen [so] zu behandeln.

Und dann wird wiederum, trotzdem in der formalen Mathema­tik wieder viel Gediegenes gearbeitet [worden ist und gearbeitet] werden kann über die Berechtigung der formalen [imaginären] Größen, daß wir einfach genötigt sind, [auch] in der Physik ima­ginäre Größen einzusetzen für die positiven und negativen Grö­ßen. Dadurch aber kommen wir zu einer Vermittlung mit den Größen des Naturdaseins.

Ich weiß gut, daß dies nur ganz flüchtig skizziert ist, nur in ein paar Worten zusammengefaßt ist; aber ich muß dennoch darauf aufmerksam machen, daß es möglich ist, daß man im Fortschritt von der ponderablen Materie bis hinauf zu dem, wo man bis zu den Lebenskräften kommt, überall genötigt ist, in die Formeln negative Größen einzusetzen, eben für die Umkehrung des mate­riellen Quantitativen überhaupt. Und daß man dann, sobald man über das Leben hinauskommt, genötigt wird, überzugehen von bloßen negativen Größen zu imaginären Größen; daß man da aber nicht bloß formale Größen hat, sondern Größen, die nun die Ei­genschaft haben, daß [sie sich] nicht mehr [auf] das [positive oder negative] Materielle, sondern [auf] das Substantielle beziehen -was also qualitativ-innerlich so sich verhält, sowohl zu dem Ätherischen

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[dem Negativ-Materiellen] wie auch zu dem Ponderablen [dem Positiv-Materiellen], wie sich die imaginäre Zahlenlinie zu den positiven und negativen Zahlen, zur realen Zahlenlinie verhält. So daß man in der Tat verbinden kann auch schon dasjenige, was man in der formalen Mathematik hat, mit gewissen Wirklichkeits­gebieten.

Es wäre sehr zu bedauern, wenn Versuche, die darauf hindeu­ten, die menschlichen Ideen nun der Wirklichkeit anzunähern, die menschlichen Ideen dahin zu bringen, in die Wirklichkeit un­terzutauchen, wenn diese an der trivialen Vorstellung scheitern würden, daß dasjenige, was eine wirklich rationelle [und nicht bloß mechanistische Physik und] Physiologie bietet, weniger den menschlichen Naturbeherrschungstrieb befriedigen würde. Es würde ihn mehr befriedigen, als die so glorifizierte Anwendung der mechanistischen Weltanschauung auf die mechanistische Technik. Diese mechanistische Technik hat gewiß der Menschheit in der Kulturentwickelung auf der einen Seite Großartiges ge­bracht. Aber diejenigen, die fortwährend davon sprechen, daß die rechnende Physik - das heißt die so rechnende Physik, wie die Physik eben bisher gerechnet hat -, daß die Physik die [bekann­ten] gloriosen Fortschritte auf dem Gebiet der Naturwissen­schaft, auf dem technischen Felde hat, sollten bedenken, daß unter Umständen auch unter diesem bloßen Hinlenken der Auf­merksamkeit auf das rein technische Gebiet gar sehr andere Ge­biete gelitten haben könnten. Und daß wir sehr gut gebrauchen könnten, um herauszukommen aus der Misere, aus der Deka­denz, in die uns hineingebracht hat die bloß technische Beherr­schung und ihre Grundlagen, die bloß mechanistische Erkennt­nis, um herauszukommen aus dieser Misere, aus dieser Deka­denz, daß uns da sehr not tun könnte gerade das Hinneigen zu einer Physiologie [und Physik], die nun wirklich nicht in dersel­ben Weise von einer Ablehnung der Erkenntnis des Wesens spre­chen kann, wie das tatsächlich gelten muß für das mechanistische Gebiet, das mechanische Gebiet, das der mechanistischen Er­kenntnis zugänglich ist.

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Ja, sehen Sie, das [mechanistische Gebiet] hat es aus dem Grun­de so leicht, auf das Wesen zu verzichten, weil dieses Wesen, ich möchte sagen, so auf der Hand liegt, weil es sich ja im Raume ausbreitet. Und es ist etwas schwieriger, in derselben Weise so weit zu kommen auf dem Gebiet des Physikalischen, wie auf dem Gebiet des Mechanistischen.

Daher das ganze Reden von dem Nicht-hinein-Kommen in das Wesen. Der Physiker hat es leicht, in einem anderen Sinne, wenn er bloß mechanistisch denken will, eine Erkenntnis des Wesens abzulehnen. Denn hinter dem, was die heutigen Formeln, so wie sie heute gebracht werden, um das [Mechanistische] mathematisch auszudrücken, gibt es kein Wesen. Das Wesen fängt erst da an, wo man nicht mehr [nur] diese Formeln anwendet, sondern in das mathematische Wesen [selbst] hineindringt.

Das nur zur Beantwortung der Frage, wie man sich das Mathe­matische ausgedehnt denken könnte über die Imponderabilität.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 15. Oktober 1920

#TX

Frage über das dritte kopernikanische Gesetz.

Meine sehr verehrten Anwesenden! Über das dritte kopernikani­sche Gesetz zu sprechen ist in Kürze nicht möglich. Ich möchte nur einige Bemerkungen über das Historische machen dabei.

Wenn Sie das Grundwerk des Kopernikus nehmen über die Umwälzung der Himmelskörper, durch das ja zuerst die alte pto­lemäische Lehre gewissermaßen erschüttert worden ist, dann fin­den Sie in diesem Grundwerk eben drei Gesetze angeführt.80 Von diesen drei Gesetzen spricht [das erste über die jährliche exzentri­sche Kreisbewegung der Erde um die Sonne,] das zweite über die Umdrehung der Erde um ihre Achse, das dritte Gesetz aber spricht über die [mit den Jahreszeiten und der Präzession zusam­menhängende] Bewegung der Erde um die Sonne. Nun ist eigent­lich im weiteren Fortgange der astronomischen Wissenschaft die­ses dritte Gesetz des Kopernikus nicht in seiner Vollständigkeit berücksichtigt worden, denn dieses dritte Gesetz des Kopernikus

- ich möchte dies nur dem Sinn nach anführen, ich müßte sonst ganz weitläufige Zeichnungen machen, es würde wirklich bis Mit­ternacht dauern, wenn wir es im einzelnen ausführen sollten -, dieses dritte Gesetz, das wurde zunächst von [den Nachfolgern des] Kopernikus eliminiert.

Kopernikus rechnete aus - zunächst aus den Erscheinungen, die ihm zu Gebote standen -, die täglichen [und die durch die Kreis-bewegung der Erde um die Sonne bewirkten] Veränderungen und sah dabei ab von den [mit den Jahreszeiten zusammenhängenden] jährlichen [sowie säkularen] Veränderungen, die er eben in sein drittes Gesetz faßte, und er sagte dann: Wenn man die täglichen [und die von der Kreisbewegung der Erde um die Sonne abhängi­gen] Veränderungen der Stellung der Erde zu den anderen Him­melskörpern nimmt, so bekommt man heraus eine gewisse Ansicht

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über die Umdrehung der Erde um die Sonne. Der stehen gegenüber andere Erscheinungen [wie die Jahreszeiten und die Präzession], welche diese Annahme der Umdrehung der Erde um die Sonne eigentlich aufheben.

Es ist bequem, zunächst - um gewissermaßen eine Art Rech­nungsmöglichkeit hineinzubringen in die Vorgänge, die sich ab­spielen zwischen der Erde und den anderen Himmelskörpern -abzusehen von jenen Veränderungen, die erst im Laufe eines Jah­res [oder in Jahrhunderten] beobachtet werden können, und die dann die täglichen [und die von der Kreisbewegung der Erde um die Sonne abhängigen] Veränderungen komplizieren. So daß ei­gentlich die Sache so ist, daß, wenn man die täglichen Veränderun­gen nach den Annahmen, die Kopernikus in seinem [ersten und] zweiten Satze macht, ausrechnet, so bekommt man die jährliche Umdrehung der Erde um die Sonne. Nimmt man dasjenige hinzu, was er in sein drittes Gesetz faßt, so führt er selber aus, ja, das wirkt geradeso, daß der Faktor, den man [gemäß dem ersten Ge­setz] immer eingerechnet hat in die Tagesbewegung, und der dann die jährlichen Bewegungen ergibt, daß der eigentlich zurückge-rechnet werden muß, so daß sich eine solche jährliche Bewegung eigentlich [fast] gar nicht ergibt.81 Dennoch wurde eigentlich die­ses dritte kopernikanische Gesetz immer unberücksichtigt gelas­sen, und man setzte die bequeme Annahme voraus, daß eben die Erde sich um ihre Achse in vierundzwanzig Stunden dreht, und dabei fortschreitet und sich im Jahreslauf um die Sonne bewegt. Das war ja allerdings eine bequeme Sache, solange man dogma­tisch bei der kopernikanischen Annahme stehenblieb von dem absoluten Stillstehen der Sonne. Aber da man ja an diesem abso­luten Stillstehen der Sonne nicht festhalten kann, so kommt natür­lich doch seit längerer Zeit schon im Grunde genommen dieses dritte kopernikanische Gesetz sehr in Betracht.82

Und nun kann ich nur resümieren - wie gesagt, die Auseinan­dersetzung, die sich ganz im einzelnen mathematisch-geometrisch darlegen läßt, die würde Stunden in Anspruch nehmen -, aber es kommt, wenn man nun wirklich das dritte kopernikanische Gesetz

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ernst nimmt, wenn man es wieder aufnimmt, so kommt nicht eine Bewegung der Erde um die Sonne zustande, sondern es geht gewissermaßen so, daß die Sonne sich bewegt, und während das zustande kommen würde, was Umdrehung der Erde um die Sonne wäre, wäre die Sonne schon davongelaufen während dieser Um­drehung. Also die Erde kann sich nicht um die Sonne drehen, sondern die Sonne wäre ihr schon davongelaufen. So daß in Wahr­heit dann zustande kommt ein Fortgehen der Sonne und ein Nachgehen der Erde und der anderen Planeten, der Sonne nach, so daß man es eigentlich zu tun hat mit einer Schraubenlinie, die sich fortbewegt und gewissermaßen an einem Punkt die Sonne [und] an einem anderen Ende die Erde wäre. Dadurch, daß man es das eine Mal mit einem solchen Visieren, Erde - Sonne, und mit einem anderen Visieren, schraubenlinienartig fortschreitend, zu tun hat, kommt der Schein der Drehung der Erde um die Sonne zustande.83 Das Interessante dabei ist eben das, daß man da im Laufe der Fortentwickelung der historischen Astronomie einfach dasjenige, worinnen Kopernikus schon weiter war, als man heute ist, daß man das dritte kopernikanische Gesetz einfach ausgelassen hat und die Astronomie ohne dieses dritte Gesetz - dieses dritte ko­pernikanische Gesetz, wonach die Erscheinungen eigentlich auf­heben dasjenige, was man zuerst errechnet hat, als jährliche Bewe­gungen der Erde um die Sonne errechnet hat -, und eine Astrono­mie ohne das aufgebaut hat, und daß man wird, um dem Koper-nikus vollständig gerecht zu werden, das wiederum einzuführen hab en.84

Eine außerordentlich große (...) hat ja die Sache aus dem Grunde nicht, weil man ja, wenn man eine wirkliche Phänomenologie auch auf die Astronomie anwenden wird, vor allem sich klar sein wird darüber, daß man - was ja Fraulein Dr. Vreede85 schon erwahnt hat -, daß man es mit Bewegungen zu tun hat, die außerordentlich kompliziert sind, und daß man in den gewöhnlichen geometrischen Konstruktionen, die man diesen Bewegungen zugrunde legt, eigent­lich immer nur [einfache geometrische] Verläufe ins Werk setzt, und dann hat man nötig, weil wiederum die Himmelskörper diesen [einfachen]

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Verläufen nicht folgen, Störungen einzuführen, so daß man immer [wieder zusätzliche] Hilfshypothesen annimmt 86 Wenn man einmal hinauskommt über diese Hilfshypothesen, wird die Astro­nomie sich ganz anders ausnehmen.

Das kann man aber nicht anders, meine sehr verehrten Anwe­senden, als indem man zu einer Naturwissenschaft vorrückt, wel­che tatsächlich den Menschen einbezieht und diejenigen Erschei­nungen, die im Menschen auftreten, wird beobachten lernen; dann wird man durch die Einbeziehung dieser Erscheinungen im Men­schen erst eine Anschauung gewinnen können über das, was ei­gentlich im Weltenraume vorgeht. Denn wir haben heute eine Naturwissenschaft, die, wie auch Dr. Unger 87 ausgeführt hat, durchaus den Menschen eigentlich herausgeworfen hat, die vom Menschen absieht; und eigentlich nur aus diesem Grunde, weil man diese wirklichkeitsfremde Naturwissenschaft hat, die mit al­lem rechnet, was außer dem Menschen ist, die aber eben gar nicht mit dem rechnet, was im Menschen vor sich geht, nur aus dem Grunde ist es möglich, daß solche Dinge wie eben die Relativitäts­theorie,88 irgendwie Boden fassen können. Denn, nicht wahr, wirklichkeitsgemäß sind diese Dinge nicht. Aber wirklichkeits­gemäß denken ist ja etwas, was sich die Menschheit wird erst wie­derum anerziehen müssen.

Sehen Sie, wenn Sie einen Stein hier liegen haben (... Zeich­nung), so können Sie den in einem gewissen Sinne - aber auch nur in einem gewissen Sinne, immer kommt es an auf die Vorausset­zung, die man macht -, man kann dieses als etwas, was ein Sein in sich hat, ansehen. Man kann sagen: Wenn man dasjenige, was man da sieht innerhalb der Grenzfläche, die den Stein umgrenzt, ins Auge faßt, so kommt man zu einer Art Anschauung über den Stein. Aber nehmen Sie an, ich habe statt des Steines eine Rose, die ich abgepflückt habe. Da habe ich nicht in demselben Sinne eine Möglichkeit, ihr Realität zuzuschreiben, wie dem Stein in seinen Grenzen; denn diese Rose kann nicht durch dasjenige, was sie da ist, als abgepflückte Rose, kann sie nicht sein. Sie muß entstehen im Zusammenhange mit etwas anderem. Daher kann man nur

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sagen: Der Stein hat innerhalb seiner Grenzen ein gewisses wirk­liches Sein; die Rose hat innerhalb der Grenzen, in der ich sie als Rose habe, kein Sein, denn sie kann nur am Rosenstock sein, und wenn ich sie vom Rosenstock abtrenne, so ist sie nicht mehr das, was sie ist, denn sie ist in einem Zustande, in dem eigentlich die Bedingungen [zum Sein] nicht mehr in ihr sind, sie kann nicht mehr bestehen.

Dieses Denken, das in die Dinge untertaucht und mit den Din­gen rechnet, dieses Denken ist etwas, was erst wiederum anerzo­gen werden muß, und erst wenn man das wieder haben wird, kann man darauf rechnen, daß auch naturgemäß solche Dinge sich wie­der ergeben, wie eine gesunde Astronomie, und daß solche Dinge unterbleiben, wie diese ganz furchtbare Abstraktion, wie sie die Relativitätstheorie darbietet. Die Relativitätstheorie ist eben eine Theorie, die im Grunde genommen mit Dingen rechnet, die ja eigentlich nicht Realitäten sind.

Wenn man die gewöhnliche Formel [s = v . t] hat, Weg ist gleich Geschwindigkeit mal Zeit, so ist das eine einleuchtende Sache. Ich kann, wenn ich eine Realität aufschreibe, [aber] nur schreiben: (...)

s

[v = -].

t

Ich kann alles dasjenige [berechnen], was in einem Realen ist, wenn man es durch die Abstraktion erfaßt. Weil ich verschiedenes [auf] abstrakte [Weise] erfassen kann, kann man dann innerhalb des Abstrakten [in mannigfaltiger Weise] rechnen. Aber man darf nicht glauben, daß dann diese Abstraktionen auch Realitäten sind. Wirklichkeiten sind eigentlich in der unorganischen Welt nur Geschwindigkeiten, und sowohl Zeit wie Raum sind nur abstrakt. Und wenn man anfängt, mit Zeit und Raum zu rechnen, ist es selbstverständlich, daß man ins Irreale hineinkommt, und wenn man im irrealen Denken sich bewegt, daß man nicht wiederum hineinkommen kann ins Reale.

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Diese Dinge hängen also zusammen ganz innig mit sehr bedeut­samen Zeitmängeln. Wir sind einmal gekommen im Laufe der neue­ren Zeit dadurch, daß die Menschheit vom Geiste ganz abgesehen hat, indem sie die Natur zu erfassen versuchte, wir sind hineinge­kommen in eine Bewegung unseres ganzen Seelischen in Abstrak­tionen. Dieses Bewegen in Abstraktionen, das ist in einem gewissen Sinne etwas außerordentlich Bequemes. Denn man hat nicht nötig, erst sich selbst zu erziehen, in die Dinge unterzutauchen. Es ist ja ganz selbstverständlich, daß es leichter ist, in Raum und Zeit zu denken, als in die Qualitäten der Dinge nun unterzutauchen und sich klar zu sein darüber, daß irgend etwas, was nun im Zusammen-hange mit einem anderen überhaupt als Reales gedacht werden darf, daß man das als Reales nun denken kann. Es ist tatsächlich so, daß, wenn man als Mensch mit einem ausgebildeten Denken, mit einer ausgebildeten Erkenntnissehnsucht nach Realität, die Eins teinschen Ausführungen oder die Einsteinsche Relativitätstheorie überhaupt liest, daß man - gewiß, Sie brauchen das nicht zu glauben, aber es ist doch so -, daß man eigentlich Qualen durchmacht, wenn man einen Realitäts sinn hat. Denn natürlich, alle diese Dinge, die da ausgeführt werden, die mathematisch ganz konsequent sind, alle diese Dinge sind im Grunde genommen gar nicht für einen, der Wirklichkeit-sinn hat, in Gedanken vollziehbar. Man soll sich doch nur einmal vorstellen, wenn man den ganzen Gedankenkomplex behält, was es für einen Sinn haben soll, daß irgend jemand, der (...) [in eine Schachtel eingebettet ist und mit hoher Geschwindigkeit eine Reise durch den Weltraum macht,] unter Verhältnissen behandelt wird, durch die er dann unter ganz andere Generationen hereinkommt [wenn er zurückkommt].89 Wenn man so etwas bedenkt, denkt man natürlich nur in Raum und Zeit. Man denkt nicht an das äußere Wesen desjenigen, mit dem man da das Gedankenexperiment aus­macht, daß das inzwischen selbstverständlich kaputtgehen muß. Das mag im Grunde genommen naiv sein für einen solchen Denker, der Relativitäts-Denker aus Fanatismus ist. Aber für die Wirklich­keit kommt das in Betracht. Und dem Menschen, der Wirklichkeit-sinn hat, dem verbietet sich [das Ausdenken] eben dieser Dinge.

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Und man kann dann nicht anders - mag es der Relativitäts-Theore­tiker noch so naiv finden -, man kann nicht anders, als so zu denken.

Wenn man also fährt zum Beispiel in einem Auto und man hat das, was man eine Panne nennt. Nehmen wir einmal an, es ist gleichgültig, ob ich denke, daß das Auto mit mir dahinsaust über die Fläche, oder ob das Auto ganz ruhig ist und die Fläche unter mir wegsaust. Ich möchte einmal wissen, wenn man nun eine Panne hat, warum - wenn das ganz gleichgültig sein sollte - war­um es just, wenn die Panne, die ja doch nur das Auto angeht, warum es just der Erde einfallen soll, wenn die Panne da ist, da nun plötzlich zu streiken wegen diesem bißchen Panne. Nicht wahr, wenn das ganz gleichgültig wäre, so würde das nicht auf die äußere Veränderung der Sache ankommen. Wie gesagt, das ist alles furchtbar naiv gedacht für einen Relativitäts-Theoretiker, aber das sind heute doch die Realitäten.90 Und derjenige, der mit seinem Denken in der Wirklichkeit lebt und nicht innerhalb einer Ab­straktion, innerhalb der man ganz konsequent denken kann, der muß auf diese Dinge aufmerksam machen.

Und so leben wir im Grunde genommen in einer theoretischen Astronomie, und ein klassisches Beispiel - es sollte ja nur als ein Beispiel angeführt werden - ist dieses Abgesehenwerden, das Bei­seiteschieben dieses dritten kopernikanischen Gesetzes, weil es eben unbequem ist, weil da eben die Arbeiten einen belehren, daß man nicht so bequem rechnen kann, wie man es tut. Was tut man denn? Ja man macht das, daß man sagt: Nun rechnet man mit den zwei kopernikanischen Gesetzen, da kommt aber doch die Ge­schichte nicht heraus, da stimmen ja die Mittagszeiten nicht. Also wird täglich eine Korrektur eingeführt, die sogenannte Besselsche Korrekturzahl.91 Wenn man das aber ernst nimmt, dann kommt eben die Notwendigkeit heraus, das dritte kopernikanische Gesetz zu berücksichtigen, das heißt, da kommt man in die Wirklichkei­ten hinein.

Es ist hier wirklich mehr zu tun darum, das Prinzipielle solcher Dinge einzusehen. Denn, sehen Sie, im Prinzipiellen leben wir eigentlich heute so darinnen, daß nach den verschiedenen Richtungen

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hin eben jene Irrwege entstehen, von denen drei auf einem bestimmten Gebiet heute abend Herr Steffen 92 ganz ausgezeichnet aufgezeigt hat. Aber diese Irrwege treten einem heute in der Rea­lität sehr stark entgegen, und sie spielen in das Leben hinein. Dasjenige, was wir uns anerzogen haben aus der irrealen mathe­matischen Denkweise, die sie ist, es hat so viel für sich, daß es geradezu, ich möchte sagen, ein Probierstein für die Genialität des Denkens nach und nach geworden ist. Es ist wirklich schon so, meine sehr verehrten Anwesenden: Hat man Wirklichkeitssinn, dann hilft einem manchmal die Genialität viel weniger, als wenn man keinen Wirklichkeitssinn hat. Denn, sehen Sie, hat man Wirk­lichkeitssinn, so muß man sich an die Realität halten. Man muß in die Dinge untertauchen, man muß mit den Dingen leben. Hat man keinen Wirklichkeitssinn, so kann man, wenn man eben nur die mathematische Formel und die mathematische Methode handhabt, in der allergeistreichsten Weise in den Raum und auch in die Zeit hineinrechnen, und man kann da zu ganz furchtbaren Abstraktio­nen aufsteigen.

Und diese Abstraktionen, die haben manchmal etwas so Ver­führerisches. Ich erinnere nur an die moderne Mengenlehre, nicht wahr, die zur Grundlage gemacht wird für die Erklärung des Unendlichen. Da haben Sie eine Auflösung des mathematischen Prinzips in sich selbst, eine Auflösung der Zahl in sich selbst, indem nicht mehr die Zahl im Sinne der gewöhnlichen Zahl nur genommen wird, sondern indem irgend eine Menge verglichen wird mit einer anderen, bei der man von der Qualität der einzel­nen Einheiten und auch von der Ordnung der einzelnen Einheiten absieht und nur eine Zuordnung vornimmt.93 Und man kommt ja dann zu der Möglichkeit, gewisse Unendlichkeitstheorien aufzu­bauen. Aber man schwimmt fortwährend in Abstraktionen. Im konkreten Wirklichen lassen sich die Dinge durchaus nicht durch­führen.

Das hat nun eine große Bedeutung, daß allmählich man ge­wöhnt worden ist, abzusehen von diesem Untertauchen ins Wirk­liche. Sehen Sie, in dieser Beziehung muß Geisteswissenschaft tatsächlich

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manches zurechtrücken. Ich habe Ihnen zwei Gegensätze angeführt. Scheinbar hat das natürlich mit der Theorie nichts zu tun, aber in Wirklichkeit sehr viel, denn bei all diesen Dingen handelt es sich viel mehr, als um eine Theorie -, die sich schon von selber korrigieren kann, wenn eine gesunde Denkungsweise da ist -, viel mehr handelt es sich um die Ausbildung eines gesun­den Denkens, eines Denkens, das nun nicht bloß logisch ist, denn das Logische gilt auch für das Mathematische, und man kann einfach mit dem Logischen in das Mathematische hineinrechnen, und dann bekommt man dabei durchaus an sich konsequente Gebilde, die aber keine Anwendung für die Wirklichkeit zu haben brauchen. Und wir sind nun so weit gekommen, daß wir in der Gegenwart geradezu zeigen können, wie die Dinge sich für dieses undisziplinierte Denken, das keinen rechten Sinn hat für die Wirk­lichkeit, doch eigentlich ausnehmen.

Da haben Sie auf der einen Seite einen Versuch, ich möchte sagen, alles zusammenzunehmen, was die heutige Wissenschaft bieten kann, in dem berühmten Buche, das ja in Tausenden und Tausenden, Zehntausenden und Zehntausenden, ich glaube, in siebzig- oder achtzigtausend Exemplaren bereits verkauft worden ist: das Spenglersche Buch «Der Untergang des Abendlandes».94 Das bedeutet ja, wie Sie wissen, vier- bis fünfmal so viele Leser, und wir wissen ja, welch ungeheuren Einfluß dieses Buch auf das heutige Denken hat, weil es ja im gewissen Sinne aus dem heutigen Denken heraus [entstanden] ist. Es ist mutvoll aufgebaut, weil es die letzten Konsequenzen dieses Denkens zieht. In diesem Buche nimmt Spengler alles, was es gibt an Astronomie, an Geschichte, an Naturwissenschaft, Kunst, Wissenschaft, alles nimmt er zusam­men, und man muß sagen, die Beweiskraft ist eine außerordentlich große. Weil Spengler wirklich so denkt, hat er den Mut, die letzte Konsequenz [aus dem] zu ziehen, wie eigentlich heute gedacht werden muß, wenn man im richtigen Sinne der heutigen Zeit Astronom, im richtigen Sinne der heutigen Zeit Botaniker, Kunst-wissenschaftler, Kunsthistoriker und so weiter ist. Da kann man eben das finden, streng bewiesen - und das ist unbedingt durch

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das Spenglersche Buch klargelegt -, ebenso streng bewiesen, daß im Beginne des dritten Jahrtausends die Zivilisation des Abendlan­des in die vollständige Barbarei eingegangen [sein wird], wie man zum Beispiel behaupten kann den zweiten Hauptsatz der mecha­nischen Wärmetheorie 95 oder irgend etwas anderes, was einem ge­wisser erscheint als die mechanische Wärmetheorie.

Das kann man schon sagen: durch dieses Buch ist das erreicht, daß man nicht bloß den Untergang des Heutigen sehen kann, sondern daß das Buch einem [zukünftige Ereignisse] so beweisen kann, wie nur irgend etwas heute wissenschaftlich bewiesen zu werden pflegt. Denn ebensogut wie die Astronomie, oder irgend etwas anderes - jedenfalls viel besser, als die Relativitätstheorie bewiesen ist -, so wird von Spengler der Untergang des Abendlan­des nach den Methoden der heutigen Wissenschaft bewiesen. Und entgehen kann man ja natürlich nur dieser Beweisführung, wenn man die anderen Faktoren sieht, die eben Spengler nicht sieht. Das sind eben diejenigen, die von dem jetzigen Zeitpunkte an in der Menschheit ganz neue Impulse aufgehen lassen, die eben aus dem Innersten des Menschen heraus geboren werden müssen, und die eben eine solche bloß auf das Gegenwartsdenken bauende Wissen­schaft nicht sehen kann.

Nun aber, wie nimmt sich dieses Spenglersche Denken aus? Spengler denkt nicht wie die Relativitätstheoretiker, Oswald Spengler denkt schon eigentlich in den Kategorien der Wirklich­keit. Aber all das, was er denkt, das paßt immer nicht zusammen. Er bildet sich Begriffe über Astronomie, über Biologie, Begriffe über Kunstentwickelung, über Architektur, über Plastik. Diese Begriffe, die passen immer nicht zusammen. Und so bekommt er eigentlich ein Begriffsgebilde, das ich mit so ineinander gezogenen, durcheinander sich stoßenden Kristallgestalten vergleichen möch­te. Das schiebt sich alles durcheinander, das zertrümmert sich ge­genseitig, und indem man das Spenglersche Buch durchnimmt, hat man, wenn man Wirklichkeitssinn hat für seine Begriffe, fortwäh­rend Begriffe, die ganz voll sind (... Zeichnung). Oswald Spengler ist ein Mensch, der denken kann, und der sich Begriffe bilden

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kann. Nur zerstören sich diese Begriffe gegenseitig, sie zerspren­gen, zerschleifen sich, zerscheren sich. Es bleibt nichts ganz, weil immer ein Begriff der Ertöter des anderen ist. Es ist eigentlich ein Furchtbares, wüstes Treiben, wenn man mit Wirklichkeitssinn dem Fortgang der Spenglerschen Vorstellungen folgt.

Also bei Oswald Spengler liegt das vor, daß er gewissermaßen einen Pol des heutigen Denkens darstellt, den Pol, der auf das hinausläuft, daß man aus allen Gebieten heraus Begriffe bildet und dann eine Einheit bildet. Die Philosophen definieren wiederum so schön im Abstrakten, daß man alle diese Begriffe, die man findet in den einzelnen Wissenschaften, sammeln soll, und daß man dann ein gewisses System bilden soll, um zu einer Spitze zu kommen. Man kommt nicht zu einer Spitze, sondern zu so etwas, was sich gegenseitig zerschellt, zersplittert, zerstört. Oswald Spengler ist schon ein viel besserer Philosoph für die heutige Wissenschaft als manch andere [Philosophen], die nur nicht den Mut haben, die Begriffe so scharf zu zeichnen, und bei denen sie sich daher nicht zerstören. Sondern, weil sie überall dasjenige, was eigentlich Ti­gerklauen sind, verwechseln mit Katzenpfoten und dergleichen, wenn sie auf die Wissenschaft hin arbeiten in der Philosophie, dadurch kommen dann jene komischen Gebilde zustande, die heute vielfach als philosophische Konsequenzen der einzelnen wissenschaftlichen Untersuchungen gelten. Also wenn man auf ernsthaftige Weise auf das, was sich ergibt, hinschaut, hat man eben da den Oswald Spengler, der, wie gesagt, in allen Wissen­schaften erfahren ist, kenntnisreich ist in allem, was man heute eigentlich als Wissenschaft so aufbringen kann aus den philosophi­schen Gebräuchen.

Auf der anderen Seite steht der andere Popularphilosoph, wenn er auch nicht so angebetet ist, der in einem besonderen Exemplar in dem Grafen Hermann Keyserling 96 vorhanden ist; der unter­scheidet sich von Oswald Spengler dadurch, daß seine Begriffe nirgends einen Inhalt haben. Während Spenglers Begriffe ganz vollsaftig sind, [sind] die Begriffe Keyserlings ganz leer. Die kön­nen sich eigentlich immer ganz gut vertragen, denn sie sind im

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Grunde eigentlich bloß ausgepreßte Worthülsen. Der einzige Ge­danke, der aber eine ausgepreßte Worthülse ist, der einzige Ge­danke ist, daß sich der Geist mit der Seele vereinigen soll.97 Die Anthroposophie greift der Graf Hermann Keyserling heftig an, indem er mir zum Beispiel auch vorwarf in der «Zukunft», ich zergliedere ja den Menschen in verschiedene Glieder, in einen Ätherleib, Empfindungsleib, Empfindungsseele und so weiter, aber der Mensch ist doch eine Einheit und wirkt als eine Einheit.98

Ja, meine sehr verehrte Anwesenden, der Gedanke [daß der Geist sich mit der Seele vereinigen soll] erscheint verflucht ge­scheit, wenn er so dasteht als eine ausgepreßte Gedankenhülse in dem letzten Werke von Hermann Keyserling. Der Gedanke ist aber nicht gescheiter als der, wenn einer sagt: ja, ein Anzug, der ist doch eine Einheit, es geht nicht an, daß man einen Anzug in Weste, Hose und Stiefel und so weiter teilt, das ist ja alles eine Einheit, und deshalb darf auch mir der Schneider nicht den Rock extra machen und das Beinkleid, und ich soll auch noch zum Schuster gehen, daß er mir die Stiefel dazu macht - das ist ja alles eine Einheit. Am Menschen sind ja alle diese Dinge selbstverständ­lich eine Einheit. Aber wenn man der Meinung ist, daß nun das ganze durcheinander genäht werden soll, daß irgendein Klei­dungsstück entstehen soll, das nun aus Rock und Hose und wahr­scheinlich auch noch aus Stiefeln und so weiter [besteht, dann macht das einfach keinen Sinn, auch wenn aus einem abstrakten] Idealismus [heraus] der Graf Hermann Keyserling [daraus eine] Einheit machen will (...).

Das ist nun der andere Pol, meine sehr verehrten Anwesenden. Auf der einen Seite der Oswald Spengler mit Begriffen, die sich überall verwüsten gegenseitig, auf der anderen Seite der Keyser­ling mit seinen absolut leeren Begriffen, in denen nichts drinnen ist, so daß man, wenn man Spengler durchliest, Qualen durch-macht, wenn man Wirklichkeitsgeist hat, wenn man dieses Stoßen und dieses Quetschen der Begriffe, dieses Ineinanderschieben mit­macht. Das macht man durchaus mit, namentlich wenn man künstlerischen Sinn hat. Es ist ein durchaus unkünstlerisches Gebilde,

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dieses Oswald Spenglersche Buch. Bei dem Keyserlingschen Buch, da liest man eine Seite, da hört man auf, denn man kriegt keine Luft; sie sind nämlich luftleer, diese Begriffe.99 Man will etwas denken, aber es ist nichts darinnen, es wird nur Wort an Wort, Satz an Satz gereiht, und die Leute können das furchtbar leicht verstehen, und sie finden sich gerade in solche Dinge außer­ordentlich behaglich hinein, insbesondere, wenn ihnen solche im­potenten Undenker dann auch noch sagen: Ja, an dem, was an Tatsachen die Geisteswissenschaft konstatiert, da mag etwas Wah­res sein, das kann ich aber nicht prüfen, ich will daher es nicht annehmen, ich bin eben durchaus kein Mensch, der Intuitionen hat - und so weiter.100

Selbstverständlich, das läßt sich den Leuten besonders schmie­ren, besonders bei denen, die es auch nicht können, denen ist natürlich einer, der das auch nicht prüfen kann, wesentlich lieber, besonders im heutigen Zeitalter, als einer, bei dem sie sich erst heranranken müssen. Die Schreibereien insbesondere in bezug auf Kunst sind haarsträubend, aber dies findet heute ein großes Publi­kum. Das ist etwas, was ich noch sagen wollte.

Nun werden Sie vielleicht auch schon ein Gefühl gewonnen haben, meine sehr verehrten Anwesenden, wenn ich Ihnen anführe dasjenige, was in dem Goetheschen Satz steckt: «Das Was beden­ke, mehr bedenke Wie».101 Sehen Sie, beim Spengler können Sie das Was bedenken, denn er bringt viel Was. Aber Goethe wußte, es kommt bei einer Weltanschauung darauf an, daß man bei einem gewissen Wie in dem Zusammenordnen, Organisieren, Harmoni­sieren, in dem möglichen inneren Organisieren der Vorstellungen, das Ganze der Weltanschauung sieht. Daher kann man sagen beim Spengler: das Was bedenke. Er bedenkt es so, wie man es beden­ken muß; aber das Wie bedenkt er gar nicht. Goethe fordert vor allen Dingen das Bedenken des Wie, die Ausgestaltung. Bei Her­mann Keyserling könnte man zurufen: Nun ja, ein scheinbares Wie hat er, aber es steckt kein Was darinnen; da ist es auch wie­derum etwas schimmelig mit dem Wie, nicht wahr ?

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Stuttgart, 15. Januar 1921

#TX

Frage über die Notwendigkeit der anthroposophischen Einstellung. Warum muß man beim Einstein-Problem plötzlich mit umgekehrten Vorzeichen arbeiten, da wo man vom Ponderablen zum Äther übergeht?

Das ist naturlich ganz ohne anthroposophische Einstellung zu machen, indem man einfach die Dinge so macht, wie auf zahlrei­chen anderen Gebieten der Wissenschaft auch: Man studiert die Phänomene. Ich habe gezeigt, wie man unbefangen die Phänome­ne der sogenannten Wärmelehre betrachtet in einem Kursus, den ich vor einigen Monaten vor einer kleineren Anzahl von Zuhörern hier gehalten habe.102 Dann handelt es sich darum, daß man dasje­nige, was sich für die Phänomene darbietet, versucht in mathema­tischen Formeln auszudrücken.

Es ist ja das Eigentümliche mit einem solchen Ausdrücken in mathematischen Formeln, daß es nur dann richtig ist, wenn es dem Vorgang, den man dann beobachten kann, entspricht; wenn gewis­sermaßen dasjenige, was sich aus der mathematischen Formel her­aus ergibt, in der Wirklichkeit zutrifft, wenn es verifiziert werden kann durch die Wirklichkeit. Wenn Sie in einem abgeschlossenen Raum erwärmtes, unter Druck stehendes Gas haben, und die Phä­nomene, die da entstehen, begreifen wollen, so werden Sie sehr gekünstelt die Formeln von Clausius und andere Formeln zwar anwenden können,103 aber Sie werden sehen - das wird auch heute zugegeben -, wie die Tatsachen mit den Formeln nicht überein­stimmen.104

Bei der Theorie von Einstein ergibt sich das Merkwürdige, daß zunächst Experimente vorliegen. Diese Experimente werden aufge­baut, weil man gewisse Theorien voraussetzt. Die Experimente be­stätigen diese Theorie nicht, und man baut dann eine andere Theorie auf, die nur auf gedachten Experimenten eigentlich beruht.105

Dagegen, wenn Sie den Versuch machen, einfach die Erschei­nungen der Wärme so zu behandeln, daß Sie dafür in die Formeln

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einsetzen entsprechende positive und negative Vorzeichen, je nachdem Sie es zu tun haben mit leitender oder strahlender Wär­me, dann werden Sie diese Formeln verifiziert finden durch die Wirklichkeit.106

Allerdings, wenn man zu anderen Imponderabilien übergeht, dann kann man nicht stehenbleiben beim bloßen Negativ-Setzen, sondern dann muß man zum Negativ-Setzen hinzufügen andere Verhältnisse. Man muß gewissermaßen sich vorstellen eine Kraft, die im Ponderablen wirkt in radialer Richtung. Und dasjenige, was dem Gebiet des Ätherischen angehört, als von der Peripherie her-kommend; aber doch mit negativen Vorzeichen, nur in [einer] Kreisfläche wirkend. Und so muß man, indem man zu anderen [Im-]Ponderabilien geht, die betreffende Größe anders einsetzen, dann wird man finden, daß man zu Formeln kommt, die sich durch die Erscheinungen verifizieren lassen.

Das ist der Weg, der von jedem gegangen werden kann, auch wenn er sich nicht anthroposophisch einstellt.

Aber etwas anderes möchte ich dabei betonen: Glauben Sie nicht, daß diejenigen Dinge, die ich Ihnen in diesen vier Vorträgen erzählt habe, Ihnen so erzählt worden sind, weil ich mich anthro­posophisch eingestellt habe, sondern weil sie so sind. Und dasje­nige, was anthroposophische Einstellung ist, das folgt nur daraus, daß man sachgemäß die Dinge übersieht. Die anthroposophische Einstellung geht nicht den Dingen voran, sondern sie folgt hinter­her nach. Man will unbefangen die Dinge erkennen und verstehen, und dann kann die anthroposophische Einstellung erfolgen. Es wäre schlimm um das, was ich gesagt habe, bestellt, wenn man von vorurteilsvoller Einstellung ausgehen müßte. Nein, darum handelt es sich gar nicht, sondern darum handelt es sich, streng empirisch die Phänomene zu verfolgen. Die anthroposophische Einstellung muß dann das letzte sein; wenn ich auch durchaus nicht etwas anderes behaupten möchte, als daß sie trotzdem immer das beste sein kann.

[Nach Ausführungen über andere Fragen sagt Rudolf Steiner zum Schluß:]

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Ich kann nur immer wieder betonen, daß es wirklich nicht im Sinne irgendeiner Sektiererei oder irgendeines Dilettantismus ist, was hier in Stuttgart als anthroposophisch orientierte Geisteswis­senschaft sich geltend machen will, sondern das, wenn das auch mit noch so schwachen Kräften heute erst angestrebt werden kann, was angestrebt werden will, das ist echte, wahre Wissen­schaftlichkeit. Und je mehr man in diesem Sinne Geisteswissen­schaft prüfen wird, desto mehr wird man erkennen, daß sie durch­aus jeder wissenschaftlichen Prüfungsmethode gewachsen ist.

Geisteswissenschaft wird durchaus nicht mit solchen Mißver­ständnissen überhäuft, wie sie heute überhäuft wird, aus wirkli­cher Wissenschaftlichkeit heraus, sondern ihre Gegner bekämpfen sie wahrhaftig nicht, weil sie zu wissenschaftlich sind, sondern -man gehe der Sache nach - weil sie zu wenig wissenschaftlich sind.107

Aber wir brauchen in der Zukunft nicht ein Versiegen, sondern ein Steigern, einen echten wahren Fortschritt der Wissenschaft­lichkeit, und das kann zuletzt doch nur ein solcher Fortschritt sein, der nicht nur ins Materielle, sondern auch ins Geistige ganz exakt hineinführt.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 7. April 1921

#TX

Frage: Es ist gesagt, die drei Dimensionen des Raumes wären nicht gleich in ihrer Struktur. Wo liegt der Unterschied?

Es ist jedenfalls der Satz in dieser Weise niemals gefaßt worden:

Die drei Dimensionen des Raumes seien «nicht gleich in ihrer Struktur»,108 sondern dasjenige, auf das wahrscheinlich hier hinge­wiesen ist, ist das folgende. Wir haben zunächst den mathemati­schen Raum, den Raum, den wir uns so vorstellen - wenn wir uns überhaupt eine exakte Vorstellung davon machen -, daß wir uns drei aufeinander senkrecht stehende Dimensionsrichtungen vor­stellen, den wir uns also etwa definieren durch die drei aufeinan­der senkrecht stehenden Koordinatenachsen.

So wie wir gewöhnlich mathematisch diesen Raum betrachten, ist eine absolute Gleichbehandlung der drei Dimensionen vorhan­den. Wir machen so sehr keinen Unterschied zwischen den Dimen­sionen oben-unten, rechts-links, vorne-rückwärts, daß wir uns eventuell sogar diese drei Dimensionen als vertauschbar denken können. Es kommt schließlich beim bloßen mathematischen Raum gar nicht darauf an, ob wir, wenn wir die x-Achse und die z-Achse aufeinander senkrecht stehend, und die y-Achse darauf wieder senkrecht stehend haben, nun die Ebene, auf der die y-Achse steht, oder ob wir diese Achse selbst «horizontal» oder «vertikal» nennen oder dergleichen. Ebenso kümmern wir uns bei diesem Raum sozu­sagen nicht um seine Begrenztheit. Nicht etwa, daß wir ihn gren­zenlos vorstellten. Bis zu dieser Vorstellung steigt man ja gewöhn­lich nicht auf, sondern man stellt ihn so vor, daß man sich um seine Grenzen nicht kümmert, vielmehr stillschweigend die Annahme macht, man könne von jedem Punkte - sagen wir zum Beispiel der x-Richtung - ausgehen und ein weiteres Stück an dasjenige, was man bereits nach der x-Richtung abgemessen hat, dazufügen, zu diesem wieder ein Stück und so weiter, und man würde niemals veranlaßt sein, irgendwo ans Ende zu kommen.

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Gegen diese im Sinne der euklidischen Geometrie liegende Vor- stellung vom Raume ist schon von seiten der Metageometrie.109 im Laufe des 19. Jahrhunderts manches aufgestellt worden. Ich will nur daran erinnern, wie zum Beispiel Riemann 110 unterschieden hat zwischen der «Unbegrenztheit» des Raumes und der «Unend­lichkeit» des Raumes. Und zunächst ist auch für das rein begriff­liche Vorstellen gar keine Nötigung vorhanden, den Begriff der «Unbegrenztheit» und den der «Unendlichkeit» als identisch an­zunehmen. Nehmen Sie zum Beispiel eine Kugeloberfläche. Wenn Sie auf eine Kugeloberfläche zeichnen, so werden Sie finden, daß Sie nirgends an eine Raumgrenze kommen, durch die Sie gewisser­maßen im Fortführen Ihrer Zeichnung gehindert werden können. Sie werden gewiß weiterzeichnen, in Ihre letzte Zeichnung wieder hineinfahren; aber Sie werden niemals, wenn Sie auf der Kugel­oberfläche bleiben, genötigt sein, sich durch eine Grenze im Zeichnen aufhalten zu lassen. So daß Sie sich also sagen können:

Die Kugeloberfläche ist in bezug auf meine Fähigkeit, darauf zu zeichnen, unbegrenzt. - Aber niemand wird deshalb behaupten, daß die Kugeloberfläche unendlich ist. Also man kann unterschei­den, rein begrifflich, zwischen der Unbegrenztheit und der Un­endlichkeit.

Das kann nun unter gewissen mathematischen Voraussetzun­gen auch auf den Raum ausgedehnt werden, kann so auf den Raum ausgedehnt werden, daß man sich vorstellt: Wenn ich in der x- oder y-Achse eine Strecke dazusetze, und dann wieder eine und so weiter, und da niemals gehindert werde, immer weitere Strek­ken anzusetzen, so könnte die Eigenschaft des Raumes zwar für seine Unbegrenztheit sprechen, aber nicht für die Unendlichkeit des Raumes. Es brauchte trotz dieser Tatsache, daß ich immer neue Stücke anstückeln kann, der Raum durchaus nicht unendlich zu sein, er könnte unbegrenzt sein. Also diese beiden Begriffe müssen auseinandergehalten werden. So daß man also annehmen könnte, daß der Raum, dann, wenn er zwar unbegrenzt, aber nicht unendlich wäre, in derselben Weise, als Raum aber jetzt, eine in­nerliche Krümmung hätte, daß er also in irgendeiner Weise ebenso

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in sich wiederum zurückkehren würde, wie eine Kugeloberfläche in sich zurückkehrt.

Gewisse Vorstellungen der neueren Metageometrie rechnen durchaus mit solchen Annahmen. Niemand kann eigentlich sagen, daß gegen solche Annahmen sich sonderlich viel einwenden läßt; denn, wie gesagt, es gibt gar keine Möglichkeit, aus dem, was wir am Raume erfahren, etwa seine Unendlichkeit in irgendeiner Wei­se abzuleiten. Er könnte ganz gut in sich gekrümmt sein und dann endlich sein.

Ich kann diesen Gedankengang natürlich nicht ausführen, denn er ist fast der durchgehende Gedankengang der ganzen neueren Metageometrie. Sie finden aber in Abhandlungen von Riemann, Gauß110 und so weiter, die ja leicht erhältlich sind, genügend An­haltspunkte, um, wenn Sie auf solche mathematischen Vorstellun­gen Wert legen, auf sie einzugehen.

Das ist also zunächst von der rein mathematischen Seite her das, was in den, ich möchte sagen starren, nach allen Seiten neu­tralen Raum der euklidischen Geometrie Einwände hineinge­bracht hat, die eben nur abgeleitet waren aus der «Unbegrenzt­heit». Aber dasjenige, auf das in der Frage hingedeutet wird, wur­zelt noch in etwas anderem. Nämlich darinnen, daß der Raum, mit dem wir zunächst rechnen und der uns zum Beispiel in der ana­lytischen Geometrie vorliegt, wenn wir uns eben mit den drei aufeinander senkrecht stehenden Koordinatenachsen zu tun ma­chen, daß der Raum zunächst ein Abstraktum ist, eine Abstrakti­on. Und eine Abstraktion - aus was? Das ist die Frage, die noch zuerst aufgeworfen werden muß.

Es handelt sich darum, ob man bei dieser Abstraktion «Raum» stehenzubleiben hat, oder ob das nicht der Fall ist. Hat man bei dieser Abstraktion des Raumes stehenzubleiben? Ist das der einzi­ge Raum, von dem man sprechen kann? Besser gesagt: Ist dieser abstrakte Begriff des Raumes der einzige, von dem man berechtig­terweise sprechen kann, dann kann man eigentlich nur das eine einwenden, dasjenige, was eben in der Riemannschen 111 oder einer anderen Metageometrie genügend eingewendet wird.

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Die Sache liegt ja so, daß zum Beispiel die Kantschen Raum-definitionen durchaus auf dem ganz abstrakten Raumbegriff, bei dem man sich um Unbegrenztheit der Unendlichkeit zunächst nicht kümmert, aufgestellt sind, und daß dann im Laufe des 19. Jahrhundert auch innerlich, in bezug auf seinen Vorstellungs­gehalt, dieser Raumbegriff eben von der Mathematik erschüttert worden ist.112 Es kann keine Rede davon sein, daß etwa die Kant­schen Definitionen auch noch gelten würden für einen Raum, der zwar nicht unendlich, aber unbegrenzt ist. Überhaupt würde da noch manches im weiteren Verlaufe der «Kritik der reinen Ver­nunft», die Paralogismenlehre zum Beispiel, ins Wanken kommen, wenn man eben genötigt wäre, überzugehen zu dem Begriff des unbegrenzten, in sich gekrümmten Raumes.113

Ich weiß ja, daß für das gewöhnliche Vorstellen dieser Begriff des gekrümmten Raumes Schwierigkeiten macht. Allein vom rein mathematisch-geometrischen Standpunkte aus läßt sich gegen das, was da angenommen ist, nichts anderes einwenden, als daß man sich eben in einem zunächst ganz wirklichkeitsfernen Gebiet der reinen Abstraktion bewegt. Und wer genauer zusieht, wird finden, daß in den Ableitungen moderner Metageometrie im Grunde ge­nommen ein merkwürdiger Circulus liegt. Es ist dieser, daß man zunächst ausgeht von dem Vorstellen der euklidischen Geometrie, die sich also nicht kümmert um eine Begrenztheit des Raumes. Daraus bekommt man dann gewisse abgeleitete Vorstellungen, also sagen wir Vorstellungen, die sich eben auf so etwas wie eine Kugelfläche beziehen. Und dann kann man wiederum, indem man mit den Formen, die sich da ergeben, gewisse Relegierungen oder Umdeutungen vornimmt, von da aus Interpretationen des Raumes machen. Man sagt alles eigentlich unter Voraussetzung der eukli­dischen Koordinatengeometrie. Man bekommt unter dieser Vor­aussetzung ein gewisses Krümmungsmaß heraus. Man kommt bis zu den Ableitungen. Alles durchaus mit den Vorstellungen der euklidischen Geometrie. Dann aber wendet man sozusagen um. Man benützt nun diese Vorstellungen, die sich erst mit Hilfe der euklidischen Geometrie ergeben können, also zum Beispiel das

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Krümmungsmaß, um nun wiederum zu einer anderen Vorstellung zu kommen, die zu einer Relegierung führen und für das von den krummen Formen Gewonnene eben wiederum eine Deutung er­geben kann.114 Im Grunde genommen bewegt man sich da in einem wirklichkeitsfremden Gebiet, indem man Abstraktionen aus Abstraktionen herausholt. Berechtigt wäre die Sache nur dann, wenn empirische Tatbestände notwendig machten, sich mit dem, was man durch so etwas herausbekommt, nach den Vorstellungen dieser Tatbestände zu richten.

Es handelt sich also darum: Wo liegt das Erfahrungsgemäße für dasjenige, was die Abstraktion «Raum» eigentlich ist? Denn der Raum als solcher, wie er bei Euklid 115 vorgestellt wird, ist eine Ab­straktion. Worinnen liegt das, was erlebbar, was wahrnehmbar ist?

Da müssen wir zunachst sagen: Wir müssen von der menschli­chen Erfahrung des Raumes ausgehen. Der Mensch, hineingestellt in die Welt, nimmt durch seine eigene Tätigkeit der Erfahrung eigentlich nur eine Raumdimension wahr, und das ist die Tiefen-dimension. Dieses Wahrnehmen, dieses erarbeitete Wahrnehmen der Tiefendimension durch den Menschen beruht auf einem Be­wußtseinsvorgang, der sehr häufig nicht beachtet wird. Allein die­ses erarbeitete Wahrnehmen ist doch etwas ganz anderes als die Vorstellung des Ebenenmäßigen, die Vorstellung der Ausdehnung in zwei Dimensionen. Wenn wir mit unseren beiden Augen, also mit unserem Totalgesicht in die Welt sehen, so wissen wir nie etwas davon, daß diese zwei Dimensionen durch eine eigene Tä­tigkeit, durch ein Sich-mit-der-Seele-Betätigen zustande kommen. Sie sind sozusagen da als zwei Dimensionen. Während die dritte Dimension - wenn auch durchaus dies Tätige gewöhnlich nicht ins Bewußtsein heraufgehoben wird - durch eine solche gewisse Betätigung zustande kommt. Wir müssen uns eigentlich erst das Wissen, die Erkenntnis darüber erarbeiten, wie tief im Raume darinnen, wie weit entfernt von uns irgendein Gebilde liegt. Die Ausdehnung der Fläche, die erarbeiten wir uns nicht, die ist durch die Anschauung gegeben. Aber durch unsere zwei Augen erarbei­ten wir uns tatsächlich die Tiefendimension. So daß die Art und

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Weise, wie wir die Tiefendimension erleben, zwar hart an der Grenze des Bewußten und des Unbewußten liegt; aber wer gelernt hat, auf solche Sachen seine Aufmerksamkeit zu richten, der weiß, daß die halb unbewußt oder drittels unbewußt, nirgends [ganz] bewußt zustande kommende Tätigkeit der Abschätzung der Tie­fendimension viel mehr einer Verstandestätigkeit, überhaupt einer aktiven Seelentätigkeit ähnlich ist als all dasjenige, was nur in der Ebene angeschaut wird.

Es ist also die eine Dimension des dreidimensionalen Raumes schon für unser gegenständliches Bewußtsein tätig erobert. Und wir können nicht anders sagen als: Indem wir die Stellung des aufrechten Menschen betrachten, ist damit etwas gegeben in bezug auf die Tiefendimension - vorne-rückwärts -, was nicht ver­tauschbar ist mit einer anderen Dimension. Denn einfach dadurch, daß der Mensch in der Welt dasteht und in einer gewissen Weise sich betätigend diese Dimension erlebt, ist das, was er da erlebt, nicht mit irgendeiner anderen Richtung vertauschbar. Für den ein­zelnen Menschen ist diese Tiefendimension etwas, was mit einer anderen Dimension nicht vertauschbar ist. Es ist durchaus auch so, daß das Erfassen der Zweidimensionalität - also das oben-unten, rechts-links, natürlich auch wenn es vor uns ist - auch an andere Hirnpartien gebunden ist, da es im Sehvorgang, also im sinnlichen Anschauungsvorgang drinnen liegt; während mit Bezug auf die Lokalisation im Hirn das Zustandekommen der dritten Dimension durchaus jenen Zentren naheliegt, die für die Verstan­destätigkeit in Betracht zu ziehen sind. Also hier sehen wir schon, daß beim Zustandekommen dieser dritten Dimension sogar in bezug auf das Erleben ein wesentlicher Unterschied ist gegenüber den zwei anderen Dimensionen.

Steigen wir dann aber auf bis zur Imagination, dann kommen wir überhaupt heraus aus dem, was wir da in der dritten Dimen­sion erleben: Wir gehen in der Imagination eigentlich zur zwei­dimensionalen Vorstellung über. Und wir haben uns jetzt - aller­dings ebenso leise angedeutet wie das Erarbeiten der dritten Dimension im gegenständlichen Vorstellen - auch die andere

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Vorstellung, die Vorstellung des Rechts-Links, noch zu erarbeiten; so daß da wiederum ein bestimmtes Erlebnis liegt im Rechts­Links. Und endlich, wenn wir zur Inspiration aufsteigen, so gilt dasselbe für das Oben-Unten.116

Für das gewöhnliche Vorstellen, das an unser Nerven-Sinnes-system gebunden ist, erarbeiten wir uns die dritte Dimension. Wenn wir uns aber mit Ausschaltung der gewöhnlichen Tätigkeit des Nerven-Sinnessystems direkt ans rhythmische System wenden

- was in einer gewissen Beziehung beim Aufsteigen zur Imagina­tion stattfindet, es ist das nicht ganz genau gesprochen, aber das tut für jetzt nichts -, dann haben wir das Erleben der zweiten Dimension. Und das Erleben der ersten Dimension haben wir, wenn wir zur Inspiration aufsteigen, das heißt, wenn wir vorrük­ken bis zu dem dritten Glied der menschlichen Organisation.

So erweist sich dasjenige, was wir im abstrakten Raume vor uns haben, als genau, weil wir ja alles, was wir uns in der Mathematik erobern, aus uns selbst herausholen. Was sich in der Mathematik ergibt als der dreifache Raum, das ist eigentlich etwas, was wir aus uns selbst heraus haben. Steigen wir aber in uns hinunter durch die übersinnlichen Vorstellung, so ergibt sich nicht der abstrakte Raum mit seinen drei gleich gültigen Dimensionen, sondern es ergeben sich drei verschiedene Wertigkeiten für die drei verschie­denen Dimensionen: vorne-hinten, rechts-links, oben-unten; sie sind nicht miteinander vertauschbar.117

Daraus folgt noch ein anderes: Wenn diese drei nicht mitein­ander vertauschbar sind, ist auch nicht nötig, sie sich mit der glei­chen Intensität vorzustellen. Das ist das wesentliche des euklidi­schen Raumes, daß wir die x-, y-, z-Achse - es ist das ja voraus­zusetzen für jede Berechnung eines Geometrischen - mit gleicher Intensität vorstellen.

Wenn wir die x-, y-, z-Achse uns vorhalten, so müssen wir -wenn wir bei dem bleiben wollen, was uns unsere Gleichungen sagen in der analytischen Geometrie, aber eine innere Intensität der drei Achsen annehmen - diese Intensität gleichwertig vorstel­len. Wenn wir etwas die x-Achse elastisch vergrößern würden mit

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einer gewissen Intensität, so müßten sich die y- und z-Achsen mit gleicher Intensität vergrößern. Das heißt, wenn ich dasjenige, was ich ausdehne, nun intensiv fasse, so ist die Kraft des Ausdehnens, wenn ich so sagen darf, für die x-, y-, z-Achse, also für die drei Dimensionen des euklidischen Raumes, gleich. Deshalb möchte ich - den Begriff Raum in dieser Weise natürlich anwendend -diesen Raum den starren Raum nennen.

Nun, das ist nicht mehr der Fall, wenn wir den realen Raum nehmen, von dem dieser starre Raum eine Abstraktion ist, wenn wir den Raum nehmen, der auf die Weise gewonnen ist, daß er eben aus dem Menschen herausgeholt ist. Dann können wir nicht mehr davon sprechen, daß diese drei Ausdehnungsintensitäten gleich sind. Sondern im wesentlichen ist die Intensität abhängig von dem, was sich am Menschen vorfindet: Des Menschen Grö­ßenverhältnisse sind durchaus das Ergebnis der Raumausdeh­nungsintensitäten. Und wir müssen zum Beispiel, wenn wir das Oben-Unten der y-Achse nennen, uns diese mit einer größeren Ausdehnungsintensität vorstellen als zum Beispiel die x-Achse, die entsprechen würde dem Rechts-Links. Wenn wir nach einem for­melhaften Ausdruck für diesen realen Raum suchen, wenn wir also wiederum, was da real gemeint ist, formelhaft ausdrücken würden - also wiederum Abstraktion; wir müssen uns nur bewußt bleiben, daß diese Abstraktion eben eine Abstraktion ist -, bekä­men wir dann ein dreiachsiges Ellipsoid.

Nun liegt aber auch die Veranlassung vor, diesen dreiachsigen Raum, in dem das übersinnliche Vorstellen leben muß, in seinen drei ganz verschiedenen Ausdehnungsmöglichkeiten so vorzustel­len, daß wir mit dem realen x-, y-, z-Achsenerleben, das uns mit unserem physischen Körper gegeben ist, diesen Raum auch als dasjenige erkennen, was dann gleichzeitig das Wirkungsverhältnis der in diesem Raum befindlichen Weltenkörper zum Ausdruck bringt.

Wenn wir uns das vorstellen, so müssen wir in einer gewissen Weise bedenken, daß auch alles, was wir uns da draußen in diesem dreidimensionalen Weltenraume denken, nach verschiedenen

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Richtungen hin nicht einfach mit gleicher Ausdehnungsintensität der x-, y-, z-Achse zu denken ist, wie das bei dem euklidischen Raum der Falle ist, sondern wir müssen uns denken, daß der Weltenraum an sich eine Konfiguration hat, die auch durch ein dreiachsiges Ellipsoid vorzustellen wäre. Und dafür spricht durch­aus die Anordnung gewisser Sterne. Man nennt gewöhnlich unser Milchstraßensystem eine Linse und so weiter. Es ist durchaus nicht möglich, es sich als eine Kugelfläche vorzustellen; wir müs­sen es uns in einer anderen Weise vorstellen, wenn wir schon bei einer rein physischen Tatsache bleiben.

Sie sehen gerade bei der Behandlung des Raumes, wie wenig naturgemäß das neuere Denken ist. In den älteren Zeiten, den äl­teren Kulturen, hat sich niemand einer solchen Vorstellung hinge­geben, wie es die des starren Raumes geworden ist. Man kann noch nicht einmal sagen, daß in der euklidischen Geometrie schon eine klare Vorstellung von diesem starren Raume mit den drei gleichen Ausdehnungsintensitäten, auch den drei aufeinander senkrecht stehenden Linien, vorlag. Sondern erst, als man anfing den Raum Euklids rechnend zu behandeln - indem eben das Abstrahieren in der neueren Zeit ein wesentlicher Grundzug des Denkens geworden ist -, ist eigentlich diese abstrakte Vorstellung des Raumes entstanden.118 In älteren Zeiten hatte man durchaus ähnliche Erkenntnisse, wie ich sie jetzt eben wiederum aus der Natur des übersinnlichen Erkennens heraus entwickelt habe. Sie können daraus ersehen, daß Dinge, auf die man heute so unendlich stark baut, die man als Selbstverständlichkeit betrachtet, im Grun­de genommen eine solche Bedeutung nur aus dem Grunde haben, weil sie in einer wirklichkeitsfremden Sphäre spielen. Der Raum, mit dem man heute rechnet, ist eine Abstraktion; er spielt durch­aus in einer wirklichkeitsfremden Sphäre. Er ist abstrahiert von Erfahrungen, von denen wir allerdings durch reales Erleben wis­sen können. Aber man begnügt sich heute vielfach mit dem, was Abstraktionen sind. In unserer Zeit, wo man so viel auf Empirie pocht, beruft man sich am alleröftesten auf Abstraktionen. Und man merkt es nicht. Man glaubt, sich in der Wirklichkeit mit den

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Dingen zu bewegen. Aber Sie sehen, wie sehr unsere Vorstellun­gen in dieser Beziehung der Rektifizierung bedürfen.

Der Geistesforscher frägt bei jeder Vorstellung nicht bloß, ob sie logisch ist. Logisch ist durchaus der Riemannsche Raum auch, obwohl er in gewisser Beziehung nur eine Dependance des eukli­dischen Raumes ist; aber aus dem Grunde ist er im Vorstellen eigentlich doch nicht zu vollziehen, weil man zu ihm kommt mit einem ganz abstrakten Denken, indem man auf Grund einer Schlußfolgerung, zu der man gekommen ist, gewissermaßen mit seinem ganzen Denken umkippt.119 Der Geistesforscher frägt beim Vorstellen nicht bloß, ob es logisch ist, sondern ob es auch wirk­lichkeitsgemäß ist. Das ist für ihn das Entscheidende, eine Vorstel­lung anzunehmen oder nicht. Erst dann nimmt er eine Vorstellung an, wenn diese Vorstellung wirklichkeitsgemäß ist.

Und dieses Wirklichkeitsgemäßsein wird als Kriterium gegeben sein, wenn man überhaupt einmal sachgemäß auf solche Vorstel­lung eingehen wird, welches die Berechtigung zum Beispiel von so etwas wie die Relativitätstheorie ist. Sie ist für sich, möchte ich sagen, weil sie sich nur innerhalb des Gebietes der logischen Ab­straktion erfaßt, so logisch, wie nur irgend etwas logisch sein kann. Es kann schon nichts logischer sein als die Relativitätstheo­rie! Aber die andere Frage ist diese, ob ihre Vorstellungen voll­ziehbar sind. Und da brauchen Sie nur die Vorstellungen, die dort als analoge aufgeführt werden, anzusehen, so werden Sie finden:

Das sind eigentlich ganz wirklichkeitsfremde Vorstellungen, mit denen nur so herumgeworfen wird. Das sei nur zum Versinnlichen da -, sagt man zuvor. Aber es ist eben doch nicht nur zur Versinn­bildlichung da. Sonst würde wiederum die ganze Prozedur in der Luft hängen.120

Das also möchte ich sagen über das, worauf sich die Frage bezieht. Sie sehen, es ist nicht möglich, Fragen, die auf solche Gebiete hingehen, so ganz leicht zu beantworten.

FRAGENBEANTWORTUNG Dornach, 26. August 1921

#G324a-1995-SE203 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 26. August 1921

#TX

Frage: Ob man es so verstehen soll, daß die Sonne in einer Spirale durch den Raum fortschreitet, und daß die Erde nachher kommt in einer Spirale, also nicht rundherum um die Sonne sich bewegt?

Es ist verhältnismäßig leicht möglich innerhalb einer längeren Vortragsreihe dasjenige, auf das hier angespielt ist, genauer ausein­anderzusetzen; es ist aber fast unmöglich, dasjenige zum Verständ­nis zu bringen, was da zugrunde liegt, wenn es sich darum handeln soll, einiges auf eine Fragestellung hin in wenigen Worten zu sa­gen. Die Antwort auf diese Frage kann ja zunächst natürlich so gegeben werden, daß man einfach die Ergebnisse der geisteswis­senschaftlichen Forschung in wenigen Worten zusammenfaßt, und dann hat man etwa das folgende zu sagen.121

Dasjenige, was sich herausstellt, das ist zunächst dieses, daß, wenn der Mensch von irgendeinem Gesichtspunkte aus aus den beobachteten Ergebnissen Schlüsse zieht auf die Verhältnisse im Kosmos, so sind die Ergebnisse solcher Schlüsse ja immer nur einseitig. Einseitig waren die Konklusionen des ptolemäischen Weltsystems und [diejenigen aus] anderen [Weltsystemen], ein­seitig sind auch die Konklusionen des kopernikanischen Welt-systems. Denn es werden immer Bewegungsverhältnisse, die man beurteilt von einem [bestimmten] Standpunkte aus, in Wirklich­keit durch solche Bewegungen, die man von diesem einen Stand­punkt aus überhaupt nicht beurteilen kann, ergänzt oder ver­ändert.

Nachdem ich dieses vorsichtigerweise vorausgesetzt habe, möchte ich Sie bitten, ein zunächst für weitere Anschauungen brauchbares Ergebnis der Geisteswissenschaft über das Verhältnis der Erdenbewegung zur Sonnenbewegung hinzunehmen. Das ist so, daß man sich vorzustellen hat, die Sonne bewegt sich in einer Kurve durch den Weltraum. Diese Kurve, genügend weit verfolgt, stellt sich als eine komplizierte Spiralform heraus. Wenn ich die

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Verhältnisse einfach zeichne, einfacher als sie sich zunächst dar­stellen, so würde ich folgende Form der Sonnenbahn bekommen (Figur 65a).

#Bild s. 204a

Die Erde bewegt sich nun in derselben Bahn, und zwar läuft sie hinter der Sonne nach. Wenn Sie nun die verschiedenen möglichen Stellungen der Erde zur Sonne betrachten, so werden Sie sehen, bei dem hier Gezeichneten würde ein Beschauer nach rechts blik­ken müssen, um die Sonne zu sehen.

#Bild s. 204b

Ich werde eine andere mögliche Stellüng zeichnen (Figur 65b). Die Pfeile geben die Blickrichtung. Man sieht das eine Mal die Sonne so hin, das andere Mal die Sonne so hin. Wenn Sie sich das in der entsprechenden Weise innerlich modellieren, so werden Sie leicht begreifen, daß dieses Nachlaufen der Erde [hinter] der Son­ne dadurch gewissermaßen das eine Mal von der einen, das andere Mal von der anderen Seite sich ausnimmt wie eine Bahn der Erde um die Sonne in einem Kreise oder in einer Ellipse.

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Während man es also zu tun hat mit einem Nachlaufen der Erde um die Sonne, wird dieses [noch weiter] differenziert durch gewisse Verhältnisse, deren Auseinandersetzung stundenlang in Anspruch nehmen würde. In Wahrheit dreht sich eigentlich bloß die Blickrichtung.

Wie gesagt, was ich Ihnen hier zusammenfasse, ist Ergebnis langwieriger geisteswissenschaftlicher Untersuchungen und kom­pliziert sich ja noch, wenn man andere Verhältnisse hinzunimmt, denn man muß sich klar sein darüber, wenn man überhaupt immer mehr und mehr überblickt von den Sonnenverhältnissen, so ver­schwimmt allmählich dasjenige, was sich sonst leicht und bequem mit einigen Linien aufzeichnen läßt, so wie man es für die Schul-buben mit dem kopernikaischen System macht, da verschwimmt [alles] allmählich in ein immer Komplizierteres und Komplizierte­res. Die Linien gehen über in etwas, was man überhaupt nicht mehr zeichnen kann, sondern was aus dem Räumlichen dann überhaupt herausfällt.122 Das vom Standpunkte der Geisteswissen­schaft.

Vom Standpunkte der [natur]wissenschaftlichen Entwicklung möchte ich bemerken, daß dasjenige, was heute den Menschen [an dem oben entwickelten Forschungsresultat] so frappiert, eigent­lich durchaus schon im Kopernikanismus drinnenliegt. Nur ver­hält sich die Sache so: Kopernikus selbst hat drei Sätze aufgestellt, den einen, der dazu führt, anzuerkennen die Bewegung der Erde um ihre Achse; den zweiten, der dazu führt, anzuerkennen die Bewegung der Erde um die Sonne, und den dritten, der dazu führt, sich diese Bewegung der Erde um die Sonne nur als eine ideelle, als eine vorläufig angenommene zu denken und in Wirk­lichkeit diese Bewegung aber nicht anzuerkennen, sondern eben das Verhältnis der Erde zur Sonne als ein Feststehendes anzu­nehmen.123

Dieser dritte Satz des Kopernikus zeigt also, daß Kopernikus in Wirklichkeit davon überzeugt war, daß die zweite Bewegung, die Umdrehung der Erde um die Sonne, nur eine aus Bequemlichkeit für gewisse Rechnungen angenommene ist, daß er also gar nicht

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denkt, sie als eine Wirklichkeit anzuerkennen. Diesen dritten Satz läßt man also heute überall weg, kümmert sich nicht um ihn, und dadurch denkt man sich nach Kopernikus das ganze Weltgebäude so aufgebaut, wie es nur nach den zwei ersten Sätzen ist. In dem Augenblicke, wo man den Kopernikanismus wirklich studieren würde, würde man zu dieser Annahme auch aus der Rechnungs-astronomie heraus kommen, die zur Annahme dieses [dritten Gesetzes] führen würde.124 Sie sehen, wie eigentlich wissenschaft­liche Entwickelung oftmals ist.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Den Haag, 12. April 1922

#TX

Frage über den mehrdimensionalen Raum.

Nicht wahr, wenn ich das gewöhnliche Koordinatenachsensystem habe, so habe ich den dreidimensionalen Raum charakterisiert. Nun geht man ja - wir wollen es nur schematisch besprechen - aus gewissen algebraischen Voraussetzungen heraus weiter, indem man denselben Prozeß, der von der Ebene in den dreidimensiona­len Raum hineinführt, abstrakt fortsetzt, und man kommt da in die vierte Dimension, in die fünfte und so weiter hinein, in einen n-dimensionalen Raum. Und es ist dann sogar möglich, sagen wir, Körper zu konstruieren - Hinton hat das getan -, den Tessarakt zu konstruieren, aber das ist ja kein wirklicher Körper, sondern die Projizierung des wirklichen Tessarakts in den dreidimensiona­len Raum hinein.125

Nun ist die Sache so: Rein theoretisch-abstrakt ist ja natürlich gegen solche Ableitungen nichts einzuwenden. Man kann theore­tisch auch übergehen, sagen wir, von dem dreidimensionalen Raum zur vierten Dimension in der Zeit, wenn man dabei iriner­halb der Rechnungsformeln so verfährt, daß man den Sprung be­rücksichtigt, der ja doch vollzogen wird - denn es ist ja doch ein anderes, wenn man übergeht von der ersten in die zweite Dimen­sion und in die dritte Raumesdimension, als wenn man in Zeit übergeht. Aber wenn man das verfeinert, (...) dann kann man in die Zeit übergehen. So bekommt man einen abstrakten vierdimen­sionalen Raum. Wenn man abstrakt bleibt, kann man das so lange machen, als man im rein Intellektualistischen stecken bleibt, solan­ge man nicht genötigt ist, die Sachen anschaulich zu verfolgen. Dann aber hat man es zu tun mit einem Problem, das, während der rein abstrakte Gedankengang in einen regressus in infinitum führt, anschaulich zu einem Elastizitätsproblem wird. Wir könn­ten auch beim Pendel zunächst denken, es schlage immerfort weiter

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aus. Aber im Dynamischen werden wir einen Schwingungszu­stand bekommen. So ist es in Wirklichkeit. Wenn man in die ima­ginative Anschauung hinaufkommt, so kann man einfach den Pro­zeß nicht mehr vollziehen in infinitum, daß man eine vierte und so weiter Dimension annimmt. Dann ist man genötigt, wenn ich die erste Dimension + a, die zweite + b, die dritte + c bezeichne, wenn ich den realen Raum nehme, nicht die vierte + d zu schreiben, sondern durch die Natur der Sache bin ich genötigt, - c zu schrei­ben. So daß die vierte Dimension einfach Stück für Stück die dritte aufhebt und es bleiben nur zwei übrig. Statt vier bekomme ich also am Ende des Prozesses zwei Dimensionen. Und so bin ich auch genötigt, wenn ich die fünfte annehme, - b zu setzen, und bei der sechsten - a. Das heißt, ich komme zum Punkt zurück.126 Die Ela­stizität hat zurückgeschlagen in den Ausgangspunkt. Und das ist nicht wiederum etwas, was zum Beispiel nur in der Imagination vorliegt, also ein subjektives Experiment ist, sondern das realisiert sich dann in der Art, wie ich es vorgestern dargestellt habe.127

#Bild s. 208

Man hat es wirklich zu tun, solange man, sagen wir, hier die Erde hat und die Wurzel der Pflanze ins Auge faßt, man hat es zu tun mit einer besonderen Ausbildung der Schwerkraft. Da steht man drin­nen in der gewöhnlichen Raumes-Dimensionalität. Will man aber die Form der Blüte erklären, dann kommt man damit nicht aus. Dann muß man, statt den Koordinatenanfangspunkt zu nehmen, den unendlichen Raum nehmen, der ja nur die andere Form ist für

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den Punkt. Und dann kommt man dazu, statt hinauszugehen zen­trifugal, zentripetal hineinzugehen (Figur 66a). Man kommt zu die­ser Wellenfläche. Statt daß die Sache versprüht, drückt es von außen herein, und man bekommt dann jene Bewegungen, die gleitende oder schabende Bewegungen sind oder Druckbewegungen, bei de­nen man falsch gehen würde, wenn man Koordinatenachsen vom Koordinatenmittelpunkt aus nehmen würde, sondern man muß die unendliche Sphäre als Koordinatenmittelpunkt nehmen und dann lauter nach dem Zentrum hingehende Koordinaten.128 Also, man bekommt das auch qualitativ gegensätzliche Koordinatenachsen­system, sobald man ins Ätherische kommt. Daß man das nicht be­rücksichtigt, das ist der Fehler bei der gewöhnlichen Äthertheorie. Hierin liegt die Schwierigkeit der Definition des Äthers. Bald sieht man ihn als flüssig, bald als Gas an. Da liegt der Fehler vor, daß man ausgeht von dem Koordinatensystem, das vom Mittelpunkt aus gesehen ist. Sobald man aber in den Äther kommt, muß man die Sphäre nehmen, und das gesamte System statt von innen nach außen, umgekehrt konstruieren.

Die Dinge werden, wenn sie mathematisch verfolgt werden und ins Physikalische hinüberkommen, interessant, und manches wür­de gerade zur Lösung von Grenzproblemen auch noch beigetra­gen werden können, wenn man einmal diese Theorien, die hier anfangen sehr real zu werden, ausbilden würde. Allein, dafür ist noch furchtbar wenig Verständnis vorhanden. Ich habe zum Bei­spiel einmal in einer mathematischen Universitätsgesellschaft einen Vortrag gehalten, wo ich versuchte, an diese Dinge heranzu­führen.129

#Bild s. 209

#SE324a-210

Ich habe ausgeführt, daß, wenn man hier die Asymptoten einer Hyperbel hat und hier die Hyperbeläste, man sich dasjenige, was man sich hier rechts vorzustellen hat, und zwar auseinandersprü­hend, hier links vorzustellen hat zusammensprühend, so daß eine völlige Umkehr stattfindet (Figur 66b). Diese Dinge führen all­mählich hinein in eine konkretere Behandlung des Raumes. Aber man findet dafür heute wenig Verständnis. Man findet vielfach sogar bei reinen Analytikern eine gewisse Abneigung gegen die synthetische Geometrie. Und diese neuere synthetische Geometrie ist einmal der Weg, aus dem rein formalen Mathematischen her­auszukommen zu dem Problem, wo man das Empirische fassen muß. Solange man mit der bloßen analytischen Geometrie rechnet, kommt man nicht an die Gebiete der Wirklichkeit heran. Da hat man nur die Endpunkte der Koordinaten ausgebildet, den geome­trischen Ort der Koordinaten und so weiter. Bleibt man beim Konstruieren beim Linearen und bei Kreisen, dann steht man in Linien darinnen, ist aber genötigt, eine gewisse Anschaulichkeit zu Hilfe zu nehmen. Das ist das, was synthetische Geometrie so wohltätig macht, um herauszukommen aus dem Formalen und zu zeigen, wie man das Mathematische in der Natur darinnen zu denken hat.130

Frage über die Relativitätstheorie

Die Diskussion über die Relativitätstheorie 131 kann nicht zu Ende gehen; solange man sich streng auf den Standpunkt des dreidimen­sionalen Raumes als Zuschauer des Weltgeschehens stellt, so lange kann keine Rede davon sein, daß man die Relativitätstheorie wi­derlegen kann. Also in bezug auf den Anschauungsraum gibt es keine Widerlegung der Relativitätstheorie. Denn für die Anschau­ung ist es selbstverständlich ganz gleichgültig, ob die Kugel sich abplattet oder der gesamte Raum sich ausdehnt in der Richtung nach einwärts, nach der die Kugel sich abplattet. Also so lange man es zu tun hat mit der Anschauung des dreidimensionalen Raumes, ist die Einsteinsche Relativitätstheorie absolut richtig. Und historisch ist die Einsteinsche Relativitätstheorie aufgetreten

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in dem Moment der Menschheitsentwicklung, der Wissenschafts­entwicklung, in dem man eben dazu gekommen ist, rein räumlich zu denken, das heißt auszugehen vom euklidischen Raum und von diesem aus weiterzudenken, auch im Sinne der nichteuklidischen Räume oder im Sinne der Relativitätstheorie. Also eine Widerle­gung, dic sich innerhalb des dreidimensionalen Raumes ergeben würde, gibt es für die Einsteinsche Theorie nicht.

#Bild s. 211

Erst dann beginnt die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, wenn man den Übergang findet in das ätherische Gebiet; wenn Sie übergehen von dem physischen Leibe, dem dreidimensionalen Raumesleibe, zu dem Ätherleibe. Dann haben Sie den Ätherleib nicht gebildet in zentrifugaler Richtung, sondern in zentripetaler Richtung. Und dann leben Sie mit dem Ätherleib innerhalb des gesamten Raumes, des Totalraumes. Dann nehmen Sie, wenn Sie zum Beispiel einmal in sich wahrnehmen eine Entfernung zwi­schen dem Punkt A und dem Punkt B, wenn Sie das als Ihr Erleb­nis haben, dann nehmen Sie die Entfernung von A bis B das eine Mal als diese und das andere Mal als diese wahr (Figur 67a). Wenn Sie das in sich haben, dann können Sie sagen: in dem Augenblicke, wo ich es in mir habe, das eine Mal und das andere Mal, dann muß sich entweder der eine oder der andere Punkt bewegt haben abso­lut, aber ich muß in der Totalität des Raumes darinnenstehen. Dann beginnt erst die Möglichkeit der Diskussion. Deshalb bin ich überzeugt davon, daß alle Diskussionen, die heute nach gelten­den Begriffen über die Relativitätstheorie verlaufen, zuletzt immer so endigen werden, daß man sagen kann: Nun ja, woher wissen Sie das? Dagegen in dem Momente, wo man auch zu solchen Dingen

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übergeht, wo sich schon Absolutheiten ergeben, nämlich zum in­neren Anschauen, da beginnt die Sache so zu werden, daß man sagen muß: Gerade an solchen Dingen wie der Relativitätstheorie zeigt sich, daß wir angekommen sind an demjenigen, was Nietz­sche genannt hat den Zuschauerstandpunkt. Der ist in der Relati­vitätstheorie bis zum äußersten Extrem gebildet. Und wer diesen Standpunkt einnimmt, für den gilt einfach die Relativitätstheorie. Da ist nichts einzuwenden dagegen. Dagegen kann sie durch­kreuzt werden. In Stuttgart hat ein fanatischer Relativitätstheore­tiker den Leuten klar gemacht, wie es einerlei ist, ob ich eine Be­wegung hin oder eine Bewegung her mache. Wenn ich eine Zünd­holzschachtel habe und ein Streichhölzchen, das eine Mal fahre ich mit dem Hölzchen über die Schachtel, das andere Mal bewege ich die Schachtel über das Hölzchen. Ganz selbstverständlich, da ist die Relativitätstheorie absolut richtig. Ich hätte nur gern dem Herrn zugerufen: Bitte, nageln Sie die Schachtel einmal an die Wand an und machen Sie nun die Sache!

Das ändert nichts an der Gültigkeit der Relativitätstheorie. Es zeigt nur: wie man vom zweidimensionalen Raum in die Tiefendi­mension gehen kann, so kann man überall in der Welt hineingehen ins Geistige, und dann hört die Gültigkeit der Relativitätstheorie auf, erst dann. Also deshalb sagte ich: Die Diskussionen über die Relativitätstheorie haben immer die Tendenz in sich, in infinitum auszulaufen, weil vom reinen Beobachtungsstandpunkt aus nichts einzuwenden ist. Man kann immer Gegenargumente gegenüber andern Gegenargumenten aufbringen.

Wenn Sie in der reinen Zuschauerwelt stehen bleiben, da stehen Sie eigentlich immer als Beobachter außerhalb des Beobachteten und Sie haben einen Radikalschnitt zu machen zwischen Subjekt und Objekt. In dem Augenblick,wo Sie hinaufkommen zu höhe­rer Erkenntnis, hört ja diese Subjektivität und Objektivität auf. Man kann schon noch etwas anderes sagen. Es ist nur nicht mög­lich, in einer solchen Fragebeantwortung alles zu sagen. Aber we­nigstens das Folgende möchte ich noch zur Anregung vorbringen:

So lange man in der Zuschauerwelt. der Raumeswelt bleibt, ist die

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Relativitätstheorie als solche nicht zu widerlegen. Gelangt man hinaus aus der Zuschauerwelt, so gelangt man erst in Welten hin­ein, wo wir nicht bloß Zuschauer sind, sondern wo es Miterleben gibt, zum Beispiel Schmerz. Und in dem Augenblick, wo Sie den Übergang finden von der bloßen Relation - daß es innerhalb von Relationen nur eine Relativitätstheorie geben kann, ist begreif­lich -, wo Sie zu Wesenhaftigkeiten kommen, also zum innerli­chen Erleben fortschreiten, in dem Augenblick des Schmerzes zum Beispiel hört die Möglichkeit auf, darüber zu spekulieren, ob relativ oder nicht. Also deshalb können Sie nicht Widersprüche konstruieren und dann sagen: Wenn ein Widerspruch da ist, ist keine Wirklichkeit da. Im Leben sind eben Widersprüche real, weil die Entitäten des Lebens verschiedenen Sphären angehören, die ineinanderfließen. In dem Augenblick, wo Sie zur Wirklichkeit übergehen, dürfen Sie nicht mehr sagen: Wenn ich einen Wider­spruch statuiere, muß ich ihn auflösen. Wenn er real ist, kann ich ihn nicht auflösen. Es handelt sich also tatsächlich darum, daß in der Welt der Relationen die Relativitätstheorie selbstverständlich herauskommen mußte. Und wenn es sich nur darum handelte, den reinen Zuschauerstandpunkt festzuhalten, dann würde gegen die Relativitätstheorie nichts einzuwenden sein. In dem Augenblick aber, wo man in Wesenhaftigkeiten hineinkommt, in Schmerz und Freude, läßt sie sich nicht mehr halten.

Frage: Was meint Herr Dr. Steiner, wenn er sagt, daß der physische Leib ein Raumleib ist, der Bildekräfteleib ein Zeitleib? Der physische Leib lebt doch auch in der Zeit, indem er aufwächst und zerfällt.

Ja, das ist nur ungenau gedacht, wenn ich so sagen darf. Um dieses auf ein genaues Denken zurückzuführen, müßten Sie erst eine Analyse des Zeitbegriffes einmal vornehmen. Bedenken Sie nur:

Wie die gewöhnlich gemeinte Wirklichkeit vor uns steht, ist ja Raum und Zeit ineinander verwoben. Man kann solche Dinge erst dann denken, wenn man auseinanderhält Raum und Zeit. Im ge­wöhnlichen gegenständlichen Erkennen haben Sie ja die Zeit über­haupt nicht gegeben. Sie messen ja die Zeit durch lauter Raumgrößen,

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und Veränderungen in den Raumgrößen sind die Erken­nungsmittel für dasjenige, was dann als Zeit gilt. Denken Sie sich doch nur eine andere Zeitmessung. Sie messen sonst immer die Zeit nach dem Raum. Das ist nicht der Fall in dem Augenblick, wo Sie zum wirklichen Erleben der Zeit übergehen. Das tun die Menschen zumeist unbewußt. Eigentlich wird das Denken durch die imaginative Erkenntnis ins Bewußtsein heraufgehoben. Ein wirklich zeitliches Erleben aber haben Sie, wenn Sie zum Beispiel, sagen wir, am 12. April 1922 um 4 Uhr 4 Minuten und soundso­viel Sekunden ihr Seelenleben nehmen.

Wenn Sie dieses Ihr Seelenleben in diesem Augenblick nehmen, so hat es einen zeitlichen Querschnitt. Sie können nicht davon sprechen, daß da irgendein Raumesquerschnitt innerhalb dieses zeitlichen Querschnittes ist. Innerhalb dieses zeitlichen Quer-schnittes liegt nun aber Ihre ganze zunächst irdische Vergangen­heit drinnen, und Sie müssen, wenn Sie schematisch zeichnen wollen, wenn das der Strom Ihres Erlebens ist von a nach b, den Querschnitt A bis B zeichnen (Figur 67b).

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Sie können nicht anders, als Ihr gesamtes Erleben in diesen Quer­schnitt hinein verlegen, und dennoch gibt es darin eine Perspekti­ve. Sie können sagen, zeitlich weiter zurückliegende Erlebnisse bilden sich in geringerer Intensität ab als zeitlich nähere. Das

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wirkt aber alles in dem einen Querschnitt drinnen. So daß Sie andere Beziehungen herausbekommen, wenn Sie die Zeit wirklich analysieren. Die Zeit können wir überhaupt nur zu einer Vorstel­lung erheben, wenn wir nicht die Analyse nehmen, die wir in der Physik gewohnt sind, nach Raum-Erkenntnismitteln, sondern nur, indem wir auf unser Seelenleben selbst reflektieren. In Ihrem Seelenleben stecken Sie aber, wenn Sie auch nur abstrakte Gedan­ken haben, in dem Zeitleib drinnen. Das ist das Wichtige, daß man nun wirklich diesen Zeitleib als einen Organismus aufzufassen in der Lage ist. Sehen Sie, wenn Sie irgendwelche Indispositionen, sagen wir durch diese oder jene Verdauungsstörung, im Magen verspüren, so können Sie unter Umständen sehen, daß auch ganz andere Gebiete Ihres Raumesorganismus dadurch in Mitleiden­schaft gezogen werden. Der Raumesorganismus ist so, daß die einzelnen Gebiete räumlich voneinander abhängig sind.

Beim Zeitorganismus ist das so, daß, trotzdem wir ein Später und ein Früher haben, Später und Früher in organischer Weise zusammenhängen. Ich drücke das manchmal so aus, daß ich sage:

Nehmen wir an, wir haben einen sehr alten Menschen. Wir finden, wenn solch ein alter Mensch zu jüngeren Leuten, zum Beispiel zu Kindern spricht, daß sein Zusprechen an den Kindern abprallt, daß seine Worte gar nichts für die Kinder sind. Und wir finden einen anderen Menschen. Wenn der zu Kindern spricht, ist es et­was ganz anderes. Seine Worte fließen von selbst in die kindlichen Seelen ein. Wenn Sie nun studieren - man studiert nur diese Dinge nicht, weil man sehr selten den ganzen Menschen ins Auge faßt, man hält sozusagen nicht so lange mit der Aufmerksamkeit still, daß man zum Beispiel das beobachtet -, worauf das Segnende der Kraft eines älteren Mannes oder einer alten Frau beruht, so muß man manchmal zurückgehen in die erste Kindheit. Soweit dehnt man die Beobachtung heute nicht aus. Das muß die Anthroposo­phie machen. Da gehen Sie zurück und werden finden: Wer im Alter segnen kann, wer im Alter diese eigentümliche geistige Kraft in sich hat, daß seine Worte wie Segen in jugendliche Menschen einfließen, der hat in der Jugend beten gelernt. Ich drücke das

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bildlich so aus: Gefaltete Hände in der Jugend werden zu segnen­den Händen im Alter.132

Da haben Sie einen Zusammenhang zwischen demjenigen, was als Einfluß auf andere Menschen im späteren Alter wirkt und was in der ersten Kindheit, sagen wir, an frommen Gefühlen und der­gleichen in dem Leben vorhanden war. Da ist ein organischer Zu­sammenhang zwischen dem Früheren und dem Späteren. Und nur wenn man den ganzen Menschen kennt, sieht man, wie er unend­lich viele solcher Zusammenhänge hat. Heute stecken wir eben mit unserem ganzen Leben außerhalb dieser Wirklichkeit. Wir bilden uns ein, daß wir ganz strotzen von Wirklichkeit, aber wir sind Abstraktlinge in unserer Lebenskultur. Wir achten nicht auf die wahre Wirklichkeit. So achten wir zum Beispiel auf solche Dinge nicht. Wir achten auch nicht darauf, daß wir, wenn wir einem Kinde etwas beibringen, möglichst vermeiden müssen, namentlich im Volksschulalter, ihm scharfkonturierte Begriffe zu geben. Die sind wirklich so für das spätere Alter, als wenn man die Glieder einschnüren würde und sie nicht größer wachsen ließe. Was wir dem Kinde überliefern, muß ein Organismus sein, muß beweglich sein. Da kommen Sie nun allmählich an das heran, was ich mit einem Organismus meine. Natürlich, vollständig ist es nur mög­lich innerhalb der Imagination. Aber man kommt trotzdem zu einer Vorstellung von einem Organismus, wenn man sich nur klar darüber ist, daß eben dasjenige, was im Menschen zeitlich verläuft, sich nicht bezieht auf den Raumesorganismus, sondern auf den Zeitorganismus.

Nun sehen Sie, daß in der Zeit eine Realität liegt. Sie können es wiederum aus der Mathematik heraus entnehmen. Da hat es ein­mal eine ganz nette Diskussion gegeben. Ich glaube, Ostwald 133 war es, der darauf aufmerksam gemacht hat - also kein Anhänger der Geisteswissenschaft, sondern ein Mensch, der nur nicht gerade Materialist ist -, daß die organischen Prozesse, die in der Zeit verlaufen, nicht mit dem mechanischen Prozeß umkehrbar sind. Nun ist es aber so, daß man mit der gewöhnlichen Rechnung überhaupt an die Zeitprozesse gar nicht herankommt. Sie bleiben

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mit der gewöhnlichen Rechnung eigentlich immer außerhalb der Zeitprozesse. Sie verfolgen nicht die Prozesse als solche. Wenn Sie zum Beispiel in einer Formel für die Mondfinsternis negative Größen einsetzen, so kriegen Sie die weiter zurückliegenden Din­ge, aber Sie bewegen sich nicht mit den Dingen weg. Sie bewegen sich nur in der Raumessphäre. Und so bekommt man auch nur einen richtigen Begriff von dem, was eigentlich physischer Leib des Menschen ist, wenn man trennen kann vom Zeitlichen das Räumliche. Beim Menschen ist es von fundamentaler Bedeutung, weil man überhaupt zu keinem Verständnis kommt, wenn man nicht weiß, daß bei ihm alles Zeitliche als Entität für sich verläuft, und das Räumliche von dem Zeitlichen als von etwas Dynami­schem beherrscht wird, während bei einer Maschine das Zeitliche nur eine Funktion ist desjenigen, was räumlich wirkt. Das ist der Unterschied. Beim Menschen ist das Zeitliche ein Reales, während beim Mechanismus das Zeitliche nur eine Funktion des Raumes ist. Darauf kommt es zuletzt hinaus.

Frage: Einstein sagt, daß das raum-zeitliche Kontinuum ein vierdimensiona­les ist. Wenn ich Herrn Dr. Steiner gut verstanden habe, sagt er, daß das Vierdimensionale zum Zweidimensionalen wird, indem die vierte Dimension eine negative dritte ist. Ist dies nun so aufzufassen, daß die imaginative Welt mit dem Einsteinschen Kontinuum in Beziehung steht? Wenn ich in der Art der äußeren Wissenschaft denke, muß ich sagen, daß ein solcher Raum eine Ebene ist, und so würde dann die imaginative Welt eine ganz bestimmte Ebene im dreidimensionalen Raum sein, die zwar nicht gerade und im Raum ruhend zu sein braucht, aber doch in jedem bestimmten Augenblick nach zuweisen sein soll. Dies ist wahrscheinlich nicht anthroposophisch gedacht, aber ich möchte gern wissen, wie die Anthroposophie sich hierüber aus­spricht.

Es ist eigentlich mit Ausnahme einiger Bemerkungen ganz anthro­posophisch gedacht, was der Fragesteller aufgeschrieben hat. Ich möchte Folgendes darüber sagen: Es ist durchaus richtig, daß, wenn man realiter, also nicht abstrakt von den drei Dimensionen übergehen will in die vierte, man diese vierte mit negativen Vor­zeichen setzen muß, das heißt, der Übergang in die vierte vernich­tet einfach die dritte, hebt sie auf, wie die Schuld das Vermögen

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aufhebt. Anders ist es nicht zu denken. Nur wenn man eben in abstracto forteilt, kann man zu dem regressus in infinitum kom­men, der eigentlich immer weitere und weitere Dimensionen an­nimmt. Aber das ist ein abstraktes Fortarbeiten, nicht ein Hin-schauen auf die Dinge. Kommt man in die imaginative Welt hin­ein, so hat man es durchaus zu tun mit einer Ebene-Welt, wenn man überhaupt sich der Ausdrücke bedienen will, die man aus der Geometrie hernimmt. Man hat es zu tun mit der Zeitebene-Welt. Die hat die Eigentümlichkeit, daß eigentlich aufhört die Möglich­keit, sie nun wiederum auf die dritte Raumesdimension zurückzu­beziehen. Das ist schwer vorzustellen, aber Sie haben schon ein Analogon dafür in der synthetischen Geometrie. Diese ist ja genö­tigt, die Grenze des Dreidimensionalen, wenn ich also das Dreidi­mensionale begrenze, als Fläche zu denken, aber nicht als Kugel­fläche, sondern als Ebene. Also die synthetische Geometrie nimmt ja an, daß der dreidimensionale Raum von einer Ebene begrenzt ist. Da kommen Sie also zunächst, wenigstens für die Grenze des Dreidimensionalen, selbst auf eine Ebene, die Sie wiederum, wenn Sie sie in ihren Grenzen denken, nicht als einen Kreis, sondern als eine Gerade denken müssen, und zwar kommen Sie an eine Gera­de, die nicht zwei, sondern nur einen Endpunkt hat.134 Sie kom­men zu der Notwendigkeit, mit dem Denken die Anschauung nicht voll decken zu können, trotzdem es konsequent ist, von einer Ebene als der Grenze des dreidimensionalen Raumes zu sprechen, von einer Geraden als der Grenze einer Ebene zu spre­chen, nicht von einem Kreis, und von einem unendlich fernen Punkt zu sprechen, der die Gerade begrenzt. Das sind reale Vor­stellungen für die synthetische Geometrie. Sie spielt in das hin­über, was in der imaginativen Welt Anschauung wird. Nur, wenn man sagt, die imaginative Welt liegt auf einer Ebene, hat man es nicht damit zu tun, daß man diese Ebene zurückbeziehen kann auf den dreidimensionalen Raum durch Koordinaten, sondern sie ist aus den drei Dimensionen herausgehoben und sie ist ebenso ir­gendwo wie überall. Das ist schwer vorzustellen, und zwar aus dem Grunde, weil man gewöhnt ist, im Dreidimensionalen sich

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vorzustellen. Aber die imaginative Welt liegt nicht im Dreidimen­sionalen. Daher sind auch die Definitionen des Dreidimensionalen nicht mehr anwendbar auf sie. Wir haben nur ein Analogon für die imaginative Welt wiederum in der Kunst, und zwar dann, wenn wir die Malerei aus der Farbe heraus üben. Wenn wir das tun, arbeiten wir ja auf der Fläche, der Ebene, und wenn wir auch auf einer gekrümmten Fläche arbeiten, so hat die Krümmung der Flä­che ihren Ursprung nicht eigentlich in der Malerei, sondern in anderen Verhältnissen. Wir arbeiten eigentlich in der Ebene, und da haben wir jetzt nicht nur die Möglichkeit der zeichnerischen Perspektive - die Perspektive kommt ja, wie Sie vielleicht wissen, erst sehr spät auf in der Malerei, erst vor ein paar Jahrhunderten,135 das ist ja eine neue Sache, daß wir in Perspektive malen, ist ein Korrelat für den Raum -, aber wir haben die innere Perspektive für die Farbe.136 In Dornach ist nach solchen Grundsätzen gemalt worden. Aus der Empfindung heraus, nicht aus dem Gedanken, aus der Farbe ergibt sich, wenn Gelb auftritt, daß einem das ent­gegenkommt und voll einem entgegenkommt in seiner Wirkung, daß es beginnt, aggressiv gegen einen zu werden. Dagegen, wenn man Blau malt, entfernt es sich. Es ist auf derselben Fläche. Sie haben also, indem Sie nur die zweidimensionale Ausdehnung zur Verfügung haben, doch die Möglichkeit, dasselbe auszudrücken, was sonst in der Dreidimensionalität sich realisieren läßt. Das ist das, was ich nur zur Veranschaulichung geben möchte, denn die imaginative Welt ist doch etwas anderes als die malerische Welt.

Trotzdem die Sache sehr anthroposophisch gedacht ist, kann man doch nicht so ohne weiteres sagen, daß die imaginative Welt mit dem Einsteinschen Kontinuum in Beziehung steht. Das Ein­steinsche Kontinuum beruht eben auf Abstraktion, nicht auf An­schauung. Und es ist eben nach Analogie der anderen drei Dimen­sionen in dem Sinne vierte Dimension, wie man es eben dann nicht annehmen kann, wenn man vorzieht, von der gegenständlichen Erkenntnis, die im dreidimensionalen Raum abläuft, zur realen übersinnlichen Erkenntnis überzugehen, die sich in der Imagina­tion zunächst ergibt, und die, wenn sie durch den Raum ausgedrückt

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werden soll, nur so ausgedrückt werden kann, daß man die dritte Dimension eben durch ihre eigene Negation verschwinden läßt. In der Realität nimmt sich das dann so aus, daß - ich werde jetzt etwas sagen, was manchen sehr gewagt erscheinen wird, aber es ist eine Erfahrung - wenn Sie in der gegenständlichen Welt mit gesundem Menschenverstand sich bewegen, Sie nur dann orien­tiert sind, wenn Sie in den drei Dimensionen orientiert sind. Sie haben die erste Dimension, die in Ihrer eigenen aufrechten Stel­lung liegt, die zweite in der Links-rechts-Dimension, die dritte, die Sie beim Visieren haben. In diesen drei Dimensionen leben Sie gar nicht darin, wenn Sie in der imaginativen Welt sind, in der Imagination sind. Da leben Sie selbst in den zwei Dimensionen. Sollte ich dies lokalisieren, so müßte ich einen Schnitt machen durch den Menschen senkrecht durch. Es ist da, bei der Imagina­tion, nur möglich, zu reden von Oben- und Unten-, Rechts- und Links-Dimension. Nur tragen Sie sie mit, wenn Sie gehen. So kann ich nicht sagen, daß ich sie im Raume auf ein Koordinatenachsen­System beziehen kann. Ich kann sie nicht definieren nach der euklidischen Geometrie. Aber sie wird real im Anschauen. Es hat keinen Sinn, von imaginativer Welt redend, von drei Dimensionen zu sprechen, sondern man muß sich klar darüber sein, daß man es zu tun hat mit einem Erleben der Zweidimensionalität, und die können Sie nicht erleben in der gegenständlichen Welt. Zwei Di­mensionen werden real in der imaginativen Welt, eine in der inspi­rierten. Alle Inspirationen bewegen sich in vertikaler Richtung, wenn man sie überhaupt lokalisieren will. Die Intuition ist punk­tual, aber wiederum nicht auf ein Koordinatenachsen-System zu beziehen. Ich darf da nicht zurückgehen in den euklidischen Raum.

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#TI

FRAGENBEANTWORTUNG

Dornach, 29. Dezember 1922

#TX

Sie konnten aus dem Vortrag entnehmen, daß ein Unterschied gemacht werden kann zwischen dem Tastraum und dem Sehraum. Nun bietet gerade dieser Unterschied, der gemacht werden kann zwischen dem Tastraum und dem Sehraum, die Anregung, daß wir nicht stehenbleiben brauchen bei der Betrachtung des Mathemati­schen auf der einen Seite und des Körperlichen auf der anderen Seite. Denn es bleibt ja schon so, wie Sie meinen Vorträgen ent­nehmen können,137 daß Mathematik das Erzeugnis des menschli­chen Geistes oder des Menschen überhaupt ist, und daß, je mehr Sie sich in diejenigen Gebiete hineinbegeben, welche rein mathe­matisch sind, welche abgegrenzt mathematisch sind, daß Sie um so weniger dazu kommen, die Wirklichkeit abzufangen; daher sehen Sie auch diese Schwierigkeit, die ja immer wieder auftaucht, wenn in der neueren Zeit man mit dem Mathematischen die Wirklichkeit abfangen will.

Sie sehen zum Beispiel den Übergang der unendlichen Kugel in der projektiven Geometrie in die Ebene und werden kaum mit den gewöhnlichen Wirklichkeitsvorstellungen, die der Mensch aus dem empirischen Verhalten zur Welt hat, zusammenkommen mit diesem Eckpunkt der projektiven Geometrie.138 Das, was sich als Aufgabe ergibt, und woran intensiv von denen gearbeitet werden müßte, die die Vorbildung haben - und das sind nicht wenige -, das ist das folgende. Es ist das, daß wir versuchen müssen, aus den mathematischen Vorstellungen heraus die Wirklichkeit abzufan­gen,139 und zwar auf ganz konkreten Gebieten, und darüber will ich Ihnen Andeutungen machen, die Aufstellung eines Problems. Die Lösung kann nur gelingen, wenn die Mathematiker sich auf die Hosen setzen - verzeihen Sie den Ausdruck. Die Problemstel­lung ist die folgende.

Versuchen Sie einmal, das, was Ihnen hier theoretisch entwik­kelt worden ist als Tastraum, so zu behandeln, daß Sie ja das ganze

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Tasterlebnis einreihen müsssen für das Erderleben des Menschen

- und mit dem hat man es ja zu tun -, daß Sie das ganze Tast­erlebnis, also auch die Dimensionalität, die in ihm steckt, einreihen müssen in die Schwerkraft-Verhältnisse. Der Mensch steht inner­halb der Gravitation drinnen und Sie bekommen aus den verschie­denen peripherischen Richtungen, die Sie im Tastraum annehmen können, dann mit zentripetaler Orientierung die Möglichkeit, Differentialgleichungen zu bilden, welche für den Tastraum nach dem Prinzip behandelt werden müssen, wie man in der ana­lytischen Geometrie [und analytischen Mechanik] Gleichungen für die zwangsläufigen Bewegungen behandelt.140 Dann bekom­men Sie die Möglichkeit, diese Gleichungen zu integrieren und Sie bekommen bestimmte Integrale also für das, was im Tastraum erlebt wird, bestimmte Integrale, während Sie mit den Differen­tialen immer aus der Wirklichkeit herauskommen, denn aus ihr entfernen Sie sich mit den Differentialen immer.

Wenn Sie diese Differentiale integrieren, bekommen Sie die Schemata, von denen ich drüben im Bau sprach.141 Wenn Sie für diese Integrale wieder [die] Wirklichkeit abfangen wollen, müssen Sie es eben machen, wie ich [in dem genannten Vortrag] andeutete. Sie müssen sich mit den Integralgleichungen bewegen innerhalb des Gebietes des wirklichen Tastens, wobei sich Ihnen ergeben wird, daß die Vertikaldimension sich für das Tasten mit einer bestimmten Differenzierung ergibt, so daß Sie, wenn Sie bei dieser Gleichung die Veränderliche mit x bezeichnen, Sie dem x ein Vorzeichen geben müßten, zum Beispiel +. Sie bekommen dann die Möglichkeit, Integrale aufzustellen für die Erlebnisse des Ta­straumes. Ich will sie schematisch nennen:

#Bild s. 222

Wir würden Integrale bekommen für die Erlebnisse des Tast­raumes.

Nun gehen wir zum Sehraum und wenden das gleiche Prinzip an. Wir bilden uns wieder Differentialgleichungen und werden

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diese Gleichungen wieder behandeln müssen so, wie man in der analytischen Geometrie [und analytischen Mechanik] nach dem Prinzip zwangsläufiger Bewegungen Differentialgleichungen be­handelt, und man wird sehen, daß, wenn man integriert, man sehr ähnliche Integrale bekommt, aber solche, die, wenn ich in Rück­sicht gezogen habe, daß früher die x-Variable positiv war, muß ich sie jetzt negativ denken, und wenn ich dann die Integrierung in dieser Weise behandle, bekomme ich in der Tat ein Resultat her­aus - das wäre mit allen Schikanen durchzuführen -, ich bekomme ein Resultat, wodurch ich andere Integrale bekomme:

#Bild s. 223

Aber wenn ich die beiden voneinander subtrahiere, bekomme ich annähernd Null. Sie heben sich [annähernd] auf. Also, wenn ich integriere für den Sehraum, bekomme ich solche Integrale, welche diejenigen für den Tastraum aufheben. Und die Integrale für den Tastraum werden mich sehr erinnern, nur werden sie aus­führlicher sein, an alle Formeln, die ich brauche für Verhältnisse, die sich beziehen auf die analytische Geometrie oder überhaupt auf das Mechanische, nur daß in das Mechanische die Gravitation einbezogen sein muß.

Ich bekomme Integrale für den Sehraum, die mir sehr brauch­bar erscheinen werden, wenn ich nur wirklich das, was am Sehen räumlich ist, einmal ordentlich mathematisch betrachte. Denn das geschieht ja immer so, daß man, ausgehend vom Trivialen, Kon­struktionen aufstellt über das Sehen und nicht das betrachtet, daß, wenn man den Sehraum ins Auge faßt, man rechnen muß mit der zwangsläufig vertikalen Bewegung, daß das Sehen immer in die Zwangsläufigkeit entgegengesetzt der Gravitation gezwungen wird.142

Wenn man das betrachtet, habe ich auf der einen Seite die Möglichkeit, die Integrale auf die Mechanik zu beziehen und auf der anderen Seite die Möglichkeit, die Integrale auf die Optik zu beziehen. Wir bekommen also die Mechanik und die Optik und so

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weiter in brauchbaren, die Wirklichkeit umfassenden Integralen.

Nun ist es nicht ganz richtig, daß die Differenz der Integrale Null ergibt, sondern sie ergibt eigentlich etwas, was ein Differen­tial ist. Ich müßte also nicht Null hinschreiben, sondern

#Bild s. 224

und wenn ich mir die Möglichkeit schaffe, durch wiederholtes Aufsuchen von solchen Integralen und Differenzbilden nun Diffe­rentialgleichungen entsprechend diesem dx zu bekommen, werde ich dann sehen, daß wenn ich hier dx als positiv und hier als negativ nehme, ich hier dx im mathematischen Sinne als imaginär bezeichnen muß.143

Wenn ich aber jetzt die Differentialgleichung, die ich bekomme, integriere, werde ich ein überraschendes Resultat erleben. Sie wer­den das erleben, wenn Sie das Problem richtig ausführen. Sie be­kommen nämlich die akustischen Gleichungen und dadurch die Akustik. Sie haben mit der Mathematik ein innerlich Wirkliches abgefangen. Sie haben gelernt, wie man vertikal nach unten eigent­lich die Mechanik schreiben muß, vertikal nach oben das Sehen -Licht ist gleich negative Gravitation -, so wie man horizontal hören muß in Wirklichkeit, und Sie werden dadurch, wenn Sie diese Betrachtungen anstellen, nicht bloß Diskrepanzen betrach­ten: die Mathematik auf der einen Seite, die Physik auf der ande­ren Seite - durch die Lagrangeschen Gleichungen 144 -, so werden Sie sehen, daß man da eine ebenso fruchtbare Arbeit leisten kann auf dem mathematisch-physikalischen Gebiete, wie ich es vorher für das phylogenetische Gebiet 145 angedeutet habe.

In dieser Richtung, aber nicht durch bloßes deskriptives Be­trachten, sondern Erarbeiten, liegt eigentlich das, was auszuma­chen ist zwischen der Naturwissenschaft der Gegenwart und der Anthroposophie. Man wird zeigen müssen, daß man mit dem Rechnen in ganz konkreten Wirklichkeiten drinnensteckt.

HINWEISE Zu dieser Ausgabe

#G324a-1995-SE225 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

HINWEISE

Zu dieser Ausgabe

#TX

Mathematische Überlegungen zu mehrdimensionalen Räumen finden sich schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts. In das Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit gelangten diese erst durch die Verknüpfung spiritistischer Experimente mit der Frage nach der Existenz eines vierdimensionalen Rau­mes. Leicht lesbare, teilweise in romanhafter Form verfaßte Einführungen in die Geometrie vierdimensionaler Gebilde verhalfen den damit zusammen­hängenden Problemen zu einer weiten Verbreitung.

Den ersten Teil der vorliegenden Ausgabe bildet eine Reihe von Vorträgen Rudolf Steiners über das damals in der Kulturwelt vieldiskutierte Problem der Realexistenz einer vierten Dimension. Dieses Thema beschäftigte insbe­sondere Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft schon seit den achtziger und neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit Berichten über spiritistische Experimente, die von zum Teil renommierten Wissen­schaftlern (Zöllner u. a.) mit mehr oder weniger seriösen Medien durchge­führt wurden. Steiner geht auf diese spiritistische Komponente jedoch nicht ein, sondern entwickelt das Thema der vierten und höheren Dimensionen von ganz grundsätzlichen Gesichtspunkten aus. Einen großen Raum nehmen Ausführungen zur Geometrie vierdimensionaler Körper ein. Dies dient in erster Linie als vorbereitende Schulung zur Erarbeitung geistiger Erkenntnis­se. Ob solche mathematischen Begriffsbildungen wirklichkeitsgemäß sind, kann nur durch die Methoden der Geisteswissenschaft entschieden werden. Steiner stellt dar, wie man sich eine vierte, fünfte und sechste Dimension und deren Projektion in die physische Welt von diesem Gesichtspunkt aus zu denken hat.

Die genauen Entstehungsumstände der in diesem Band zusammengefaß­ten Vorträge sind nicht bekannt. Man kann jedoch davon ausgehen, daß aus theosophischen Kreisen an Rudolf Steiner die Anfrage herangetragen wurde, zum Problem der vierten Dimension Stellung zu nehmen. Die daraulhin für Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft gehaltenen Vorträge richteten sich also nicht an ein speziell wissenschaftlich oder mathematisch geschultes Fachpublikum, gleichwohl aber an eine interessierte Zuhörerschaft.

Im etwas umfangreicheren zweiten Teil sind Fragenbeantwortungen zu­sammengestellt, die sich alle um das Verhältnis von mathematischen Begriffs-und Vorstellungsbildern zur geistigen Wirklichkeit drehen. Wichtige Themen sind hier außer dem Problem der Dimensionen des Raumes die projektive Geometrie (insbesondere der Übergang eines Kreises in eine projektive Gerade), die Lichtgeschwindigkeit, fließende Geometrie zwischen Urbild und Abbild, positive und negative Zahlen, imaginäre und überimaginäre Zahlen, das dritte kopernikanische Gesetz, sowie insbesondere die Relativi­tätstheorie Einsteins.

#SE324a-226

Bei den Fragenbeantwortungen aus den zwanziger Jahren ist die Situation bezüglich des Problems der Existenz vierdimensionaler Räume insofern anders geworden, als in der Zwischenzeit bestimmte vierdimensionale geo­metrische Begriffsbildungen eine «seriöse> physikalische Interpretation durch die geometrische Auffassung der Einsteinschen Relativitätstheorie und Gravitationstheorie erhalten hatten (vierdimensionales Raum-Zeit- Kontinu­um). Außerdem konnte jetzt Rudolf Steiner dieses Problem vor einem zumindest teilweise wissenschaftlichen Publikum entwickeln. Aus seinen Darstellungen geht jedoch hervor, daß die geisteswissenschaftlichen Ge­sichtspunkte zur Betrachtung des Dimensionsproblems im wesentlichen die gleichen geblieben sind.

Die Vorträge und Fragenbeantwortungen sind sowohl von allgemein­anthroposophischem wie von fachspezifischem Interesse, da Steiner in ele­mentarer Weise auf tieferliegende Zusammenhänge aufmerksam macht. Ins­besondere jedoch enthalten sie für wissenschaftlich gesinnte Menschen mannigfaltige Forschungsanregungen.

Zum Problem des mehrdimensionalen Raumes und verwandten Themen siehe auch die Aufsätze und vom Herausgeber dieses Bandes zusammenge­tragenen und kommentierten Materialien aus dem Archiv der Rudolf Steiner­Nachlaßverwaltung, publiziert in der Schriftenreihe Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, «Rudolf Steiner und der mehrdimen­sionale Raum», Dornach 1995.

Textgrundlagen

Bei den hier gesammelten Notizen aus Vorträgen und Fragenbeantwortungen Rudolf Steiners handelt es sich nicht um wörtliche Mitschriften. Die überlie­ferten Nachschriften von verschiedenen Teilnehmern sind entweder bloße Zusammenfassungen der Vortragsinhalte oder mehr oder weniger fragmenta­rische Protokolle. Die Originalstenogramme liegen nur von den wenigen Notizen Franz Seilers vor sowie von den Vorträgen, die Helene Finckh mitgeschrieben hat.

Es wurde versucht, aus den in ihrer Qualität sehr unterschiedlichen Notizen einen flüssig lesbaren Text zu erarbeiten. Dabei waren Eingriffe in Grammatik und Wortstellung nicht zu vermeiden. Da man ohnehin nicht davon ausgehen kann, daß in diesen Nachschriften ein authentischer Wort­laut Rudolf Steiners vorliegt, wurde diese Bearbeitung nicht im einzelnen vermerkt, zumal der Sinnzusammenhang nicht verändert wurde. Die Bearbei­tung des Herausgebers im laufenden Text und in den Hinweisen ist durch folgende Zeichen kenntlich gemacht:

[ J Ergänzungen des Herausgebers.

[...] Auslassungen des Herausgebers

(...) Lücken in der Nachschrift.

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(... Zeichnung) Hinweis auf nicbt erhaltene Zeichnung.

(Figur 1) Hinweis auf Zeichnung im Text

Hinweis des Herausgebers zu den Vorträgen und Fragen­beantwortungen

Abbott [1884] Jahreszahlen in eckigen Klammern nach Autorennamen in den Hinweisen verweisen auf in der Bibliograpbie angeführte Literatur.

Die Nachschriften im einzelnen stammen von folgenden Persönlichkeiten:

Vorträge

Berlin 24. März 1905 Marie von Sivers (Steiner)

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 31. März 1905 Marie von Sivers

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 17. Mai 1905 Walter Vegelahn

Franz Seiler

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 24. Mai 1905 Walter Vegelahn

Franz Seiler

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 31. Mai 1905 Walter Vegelahn

Franz Seiler

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 7. Juni 1905 Walter Vegelahn

Jakob Mühlethaler

Bertha Lehmann (Reebstein)

Berlin 7. Nov. 1905 Marie von Sivers (Steiner)

Berlin 22. Okt. 1908 Clara Michels

Fragenbeantwortun gen

Berlin 1. Nov. 1904 Franz Seiler

Stuttgart 2. Sept. 1906 Alice Kinkel

Nürnberg 28. Juni 1908 Camilla Wandrey

Dornach 30. März 1920 Helene Finckh

Dornach 31. März 1920 Helene Finckh

Dornach 15. Okt. 1920 Helene Finckh

Dornach 7. April 1921 Helene Finckh

Dornach 26. Aug. 1921 Helene Finckh

Den Haag 12. April 1922 Hedda Hummel

Die Herkunft der übrigen Nachschriften ist nicht bekannt.

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Zeicbnun gen im Text: Die Skizzen der Figuren, die Rudolf Steiner während der Vorträge an die Wandtafel zeichnete, sind nur in der Form erhalten, wie sie von den Nachschreibern wiedergegeben worden sind. Die konstruktive Ausführung der Zeichnungen für den vorliegenden Band ist von Renatus Ziegler.

Die Titel der Vorträge sind aus den Nachschriften übernommen.

Der Titel des Bandes stammt vom Herausgeber.

Nachweis früherer Veröffentlichungen:

Quellen

GA Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Dornach: Rudolf Steiner Verlag. Die dort erschienenen Bände sind jeweils mit der Bibliographie-Nummer versehen.

MS Mathematische Sendungen der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum (herausgegeben von Elisabeth Vreede), Nr.1 (1930) bis Nr.14 (1932).

RT Rudolf Stein er, Texte zur Relativitätstheorie (herausgegeben von Wim Viersen), Dornach: Mathematisch-Astronomische Sektion am Goe­theanum 1982 (Mathematisch-Astronomische Blätter - Neue Folge, Band 10).

LK Peter Gschwind, Der lineare Komplex - eine überimaginäre Zahl. Dornach: Mathematisch-Astronomische Sektion am Goetheanum 1977 (Mathematisch-Astronomische Blätter - Neue Folge, Band 4). 2. Auf­lage: Dornach, Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goe­theanum 1991.

Vorträge

Berlin 17. Mai 1905 MS, Nr.3, 5.1-9

17. Mai 1905 MS, Nr.3, S.7-8

Berlin 24. Mai 1905 MS, Nr.3, S.9-17

Berlin 31. Mai 1905 MS, Nr.4, S.1-8

Berlin 7. Juni 1905 MS, Nr.4, S.8-20

Fragenbeantwortungen

Stuttgart 2. Sept. 1906 GA 95 (1990, S.150)

Düsseldorf 21. April 1909 GA 110 (1991, S.150)

Düsseldorf 22. April 1909 GA 110 (1991, S. 186 f.)

Basel 1. Okt. 1911 GA 130 (1987, S. 103)

#SE324a-229

Berlin 27. Nov. 1913 RT, S.69

Stuttgart 1919 GA 320 (1987, S. 192f.)

Stuttgart 7. März 1920 MS, Nr.5, S. 1-10

RT, S. 30-39

Stuttgart 7. März 1920 RT, S. 66-68

Stuttgart 11. März 1920 MS, Nr.5, S. 10-18

LK, 1977: S. 14-17, 111-117

LK, 1991: S. 3-5, 84-87

Stuttgart 11. März 1920 MS, Nr.5, S. 18-25

Stuttgart 15. Januar 1921 MS, Nr.6, S. 20-21

RT, S. 64-66

Gegenwart, 14. Jahrgang,

1952/53, Heft 8, S. 314-315

Dornach 7. April 1921 GA 76 (1977, S. 141-152)

Den Haag 12. April 1922 GA 82 (1957, S. 152-163>, teilweise zu

GA 82 (1994, S. 228-236)

Dornach 29. Dez. 1922 MS, Nr.6, S. 1-5

HINWEISE ZU DEN VORTRÄGEN Berlin, 24. März 1905

#G324a-1995-SE230 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

HINWEISE ZU DEN VORTRÄGEN

Berlin, 24. März 1905

#TX

1János (Johann) Bólyai (1802-1860), ungarischer Mathematiker. Beschäftigte sich mit dem Parallelenproblem und gehört zusammen mit CarI Friedrich Gauß und Nikolai Iwanowitsch Lohatschewski (1792-1856) zu den Entdeckern der hyper­bolischen nichteuklidischen Geometrie. Seine diesbezügliche Arbeit, seine einzi­ge Publikation, erschien 1832 als Anhang («Appendix») eines Lehrbuches der Mathematik aus der Feder seines Vaters, Farkas (Wolfgang) Bolyai (1775-1856). Zu den beiden Bolyais siehe Stäckel [1913].

Carl Friedrich Gauß (1777-1855), Mathematiker und Physiker in Göttingen.

Beschäftigte sich schon früh mit dem Parallelenproblem und kam für sich zum

Schluß, daß es eine nichteuklidische Geometrie geben müsse. Darüber hat er aber

zeitlebens nichts publiziert. Siehe dazu Reichardt [1976].

Bernhard Riemann (1826-1866), Mathematiker in Göttingen. Entdeckte als er­ster die elliptische nichteuklidische Geometrie. Sein Habilitationsvortrag Üher die Hypothesen, welche der Geometrie zu Grunde liegen [1867], der unter ande­rem die G'undlagen für eine Erweiterung der Differentialgeoinetrie für verallge­meinerte Maßbestimmungen sowie für die Theorie n-diinensionaler Räume (Mannigfaltigkeiten) enthält, impulsierte die damals beginnende Erforschung höherdimensionaler Räume in entscheidender Weise. Riemann unterschied als erster zwischen der Unhegrenztheit und der Unendlichkeit des Raumes. Jene ist Ausdruck der Ausdehnungsverhältnisse, das heißt der allgemeinen geometri­schen Struktur (Topologie) des Raumes, diese eine Folge der Maßverhältnisse (Metrik). Diese Unterscheidung führte zur klaren Differenzierung zwischen Differentialgeometrie und Topologie. Siehe dazu Scholz [1980].

2 Darauf macht schon Immanuel Kant, Prolegomena [1783], § 13, aufmerksam:

«Was kann wohl meiner Hand oder- meinem Ohre ähnlicher, und in allen Stük­ken gleicher sein, als ihr Bild im Spiegel? Und dennoch kann ich eine solche Hand, als im Spiegel gesehen wird, nicht an die Stelle ihres Urbildes setzen; denn wenn dieses eine rechte Hand war, so ist jene im Spiegel eine linke, und das Bild des rechten Ohres ist ein linkes, das nimmermehr die Stelle des ersteren vertreten kann. Nun sind hier keine innre Unterschiede, die irgend ein Verstand nur den­ken könnte; und dennoch sind die Unterschiede innerlich, so weit die Sinne lehren, denn die linke Hand kann mit der rechten, ohnerachtet aller beiderseiti­gen Gleichheit und Ähnlichkeit, doch nicht zwischen denselben Grenzen einge­schlossen sein (sie können nicht kongruieren), der Handschuh der einen Hand kann nicht auf der anderen gebraucht werden.« (Siehe auch Kant, Lehendige Krafte [17461, §§ 9-11, und Gegenden im Raum [1768]). Kant nahm diese Tat­sache als Beweis dafür, daß der Mensch nur sinnliche Anschauungen, das heißt Erscheinungen der Dinge, auffassen könne und nicht die Dinge, wie sie an sich selbst sind. - Für eine Analyse der Kantschen Raumanschauung hinsichtlich des Dimensionsproblems siehe Zöllner, Wirkungen in die Ferne [1878a], S.220-227.

3 Achsengespiegelte Figuren in einer Ebene können durch räumliche Drehungen um die Spiegelachse kontinuierlich ineinander übergeführt werden. Ist F eine Figur in der Ebene und F' die an der Achse a gespiegelte Figur, so geht F durch

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eine räumliche Drehung um a in F' über. In Figur 68 finden sich einige Stadien dieser Drehung in Normalprojektion auf die Ebene. Als ehene Figur interpre­tiert, handelt es sich bei dieser Transformation um eine orthogonale Affinität mit Achse a. (Im Sinne der projektiven Geometrie ist dies eine Perspektivität mit Achse a und Zentrum A auf der Ferngeraden der Ebene.)

#Bild s. 231

In der Projektion auf die Ebene geht die durch den R aum gedrehte Figiir durch die Achse a hindurch; sie verliert dabei in diesem Ubergangsstadium scheinbar eine Dimension, da in diesem Moment die Figur parallel zur Projektionsrichtung wird. Man beachte, daß die Ränder von F und F' nur dann durch Drehoperatio­nen innerhalb der Ebene (das heißt Drehungen um Punkte in der Ebene) inein-ander übergeführt werden können, wenn sie in Strecken zerlegt werden, die um die entsprechenden Punkte auf der Achse a gedreht werden.

Ganz analog können zwei dreidimensionale geometrische Körper, F und F', die bezüglich einer Ebene a spiegelsymmetrisch sind, durch eine (dreidimensio­nale) räumliche orthogonale Affinität mit Affinitätsebene a kontinuierlich inein­ander übergeführt werden (Figur 69). Diese Transformation kann als orthogona­le Projektion einer vierdimensionalen euklidischen Drehung um die Ebene a in den dreidimensionalen Raum interpretiert werden. In dieser Projektion geht das dreidimensionale Objekt F durch die zweidimensionale Ebene a hindurch und verliert in diesem Übergangsstadium scheinbar eine Dimension.

Zerlegt man die Oberfläche von F in die jeweiligen Flächenstücke, so können diese Teile durch entsprechende Achsen in a so gedreht werden, daß daraus die Oberfläche der Figur F' entsteht.

August Ferdinand Möbius (1 790-1 868) scheint der erste Mathematiker gewesen zu sein, der aufgrund dieser Analogie zwischen ebenen und räumlichen Spiege-lungen an die Möglichkeit eines vierdimensionalen Raumes dachte, in welchem

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#Bild s. 232

sich dreidimensionale spiegelsymmetrische Körper durch eine kontinuierliche Transformation zur Deckung bringen lassen (siehe Möbius, Barycentrischer Calcul [1827], § 140, Anmerkung). Er verwarf aber diese Idee als «undenkbar« und verfolgte sie nicht weiter.

4 Das Vorhandensein zweier Augen ermöglicht die Tiefenwahrnehmung; siehe

dazu die hier gedruckte Fragenbeantwortung Rudolf Steiners vom 11. März 1920

(Fragen von A. Strakosch). Zur Bedeutung der Eigenaktivität für die Wahrneh­mung der Tiefendimension siehe die Fragenbeantwortung vom 7. April 1921

(GA 76); siehe auch Hinweis 17.

5 (Johann Karl) Friedrich Zöllner (1834-1882), Astrophysiker in Leipzig. Gilt als einer der Gründungsväter der Astrophysik; grundlegende experimentelle und theoretische Beiträge zur Photometrie und Spektroskopie. Seine Theorie der Struktur von Kometen wurde richtunsgweisend für alle späteren Untersuchun­gen. Sein Buch Über die Natur der Gometen; Beiträge zur Geschichte und Theo­rie der Erkenntnis [1886] enthält, wie übrigens fast alle seine Abhandlungen, weitreichende Ausführungen philosophischer und historischer Natur sowie kri­tische und polemische Auseinandersetzungen mit dem zeitgenössischen Wissen­schaftsbetrieb.

Im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen über die Principien einer elec­trodynamischen Theorie der Materie [1876], Über Wirkungen in die Ferne [1878a] und Über die Natur der Cometen [1886] beschäftigt sich Zöllner mit den neueren Untersuchungen zur nichteuklidischen und mehrdimensionalen Geome­trie. Er vermutet schon Anfang der 70er Jahre, daß für das Verständnis gewisser physikalischer Erscheinungen ein gekrümmter Raum oder eine vierte Dimension zu Hilfe genommen werden müsse. Um 1875 beginnt sich Zöllner außerdem mit dem Spiritismus auseinanderzusetzen, angeregt durch die Forschungen des Chemikers

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und Physikers William Crookes (1832-1919). Zöllner entwickelt die Ansicht, daß die Existenz spiritistischer Phänomene durch die Annahme eines vierdimensionalen Raumes erklärt werden könne, ja daß erstere die Tatsächlich­keit (und nicht bloße Denkbarkeit) des letzteren beweisen (Zöllner [1878a], S. 273ff.). Wenig später beginnt Zöllner mit eigenen Untersuchungen spiritistischer Phänomene (siehe dazu [1878b], S. 725ff., [1878c], S. 330ff., und insbesondere [1878d]).

Für eine Übersicht zu Zöllners spiritistischen Experimenten siehe Luttenber­ger [1977]; für eine zeitgenössische Analyse von Zöllner siehe etwa Simony,

Spiritistische Manifestationen [1884], und zum Spiritismus im allgemeinen Hart­

mann, Geisterhypothese [1891] und Spiritismus [1898]; zur Geschichte des Spiri­

tismus aus Steiners Gesichtspunkten siehe die Vorträge vom 1. Februar und 30.

Mai 1904 (GA 52) sowie die Vorträge vom 10. bis 25. Oktober 1915 in GA 254.

Zöllner dachte sich die Kantschen «Dinge an sich» als reale vierdimensionale

Objekte, die sich in unseren Anschauungsraum hinein als dreidimensionale

Körper projizieren. Einen Beleg für diese Ansicht fand er in der Existenz drei­

dimensionaler spiegelsymmetrischer Körper, die zwar mathematisch kongruent

sind, aber nicht kontinuierlich ineinander übergeführt werden können (siehe

dazu Hinweis 3): »In der That, es muß der Raum, in welchem die uns sichtbare

Welt widerspruchsfrei erklärbar sein soll, mindestens vier Dimensionen besitzen,

indem ohne diese Eigenschaft die thatsächliche Existenz symmetrischer Körper

niemals auf ein Gesetz zuiückführbar ist [...].» (Zöllner [1878a], S. 248) Als ein

Vorläufer seiner Anschauungen konnte Zöllner Kant in Anspruch nehmen (siehe

dazu Hinweis 2).

Zöllner schildert in dem letztgenannten Aufsatz einige Besonderheiten des

Übergangs von der dritten in die vierte Dimension, die er sowohl seinen theo­

retischen Überlegungen wie seinen spiritistischen Experimenten zugrunde legt.

Er beginnt mit einer Diskussion von Knoten im dreidimensionalen Raum und

macht darauf aufmerksam, daß diese nur aufgelöst werden können, wenn «vor­

übergehend die Theile des Fadens aus dem dreidimensionalen Raume für Wesen

von gleicher Dimensionalität verschwinden müssen [siehe dazu Hinweis 15]. Das

Gleiche würde der Fall sein, wenn ein Körper aus einem allseitig umichlossenen

Raume von drei Dimensionen vermittelst einer in der vierten Dimension ausge­

führten Bewegung daraus entfernt und nach außerhalb dieses materiell um­

schlossenen Raumes transportirt würde. Das Gesetz der sogenannten Undurch­

dringlichkeit der Materie im dreidimensionalen Raum würde demgemäß schein­

bar aufgehoben werden können, und zwar in vollkommen analoger Weise, wie

wir einen in der Ebene verschiebbaren und von einer geschlossenen ebenen Curve

eingeschlossenen Körper durch Emporheben über die Grenze jener Curve trans­

portiren können, ohne dieselbe zu berühren.« (Zöllner [1878a], S. 276) Siehe

dazu Hinweis 6.

6 Auf jeden Punkt einer zweidimensionalen Fläche kann ein Lot gefällt werden.

Bewegt sich ein Punkt P ausgehend von der Fläche auf diesem Lot, so entfernt

er sich von allen Punkten der Fläche, ohne daß sich an seiner senkrechten Pro­

jektion M auf die Fläche etwas ändert. Ist dieser Punkt der Mittelpunkt M eines

Kreises, so hat der aus der Fläche hinauswandernde Punkt P zu allen Punkten

der Kreisperipherie immer denselben, stetig größer werdenen Abstand. Läßt man

den Punkt P auf dem Lot soweit wandern, bis sein Abstand vom Mittelpunkt M

des Kreises größer wird als der Radius des Kreises, und dreht dann das Lot in

die Kreisebene hinein, so ist auf diese Weise der Punkt P kontinuierlich aus dem .Kreis hinausgewandert, ohne daß er die Kreisperipherie durchschnitten hätte.

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Ganz entsprechend kann ein Punkt P, der sich innerhalb einer Kugel befindet, kontinuierlich aus dem Kugelinnern hinauswandern, ohne die Oberfläche der Kugel zu durchstoßen, sobald man den vierdimensionalen Raum zu Hilfe nimmt. Denn man kann von jedem Punkt des dreidimensionalen Raumes auf einer Geraden lotrecht in den vierdimensionalen Raum hinauswandern, ohne dabei irgendeinen Punkt des ersteren Raumes zu treffen. Bewegt man nun auf diese Weise den Mittelpunkt M einer Kugel im dreidimensionalen Raum aus diesem Raum hinaus, so entfernt sich dieser Punkt gleichmäßig von allen Punk­ten der Kugeloberfläche, das heißt, er hat zu allen Punkten derselben fortwäh­rend denselben Abstand. Sobald die Enifernung vom Ausgangspunkt M größer wird als der Radius der Kugel, so befindet sich der Punkt außerhalb der Kugel; dies kann sichtbar gemacht werdei', indem die entsprechende Gerade in den dreidimensionalen Raum hineingedreht wird.

7 Arthur Schopenhauer (1788-1869): «,Die Welt ist meine Vorstellung>: - dies ist eine Wahrheit, welche in Beziehung auf jedes lebende und erkennende Wesen gilt [...]«, Die Welt ali Wille und Vorstellung I, § 1 [1894], S. 29.

8 Dieses Beispiel wird auch in dem Buch R Steiners, Die Philosophie der Freiheit (GA 4), angeführt: Kapitel VI, «Die menschliche Individualität», S. 106. Siehe auch den Vortrag vom 14. Januar 1921 (GA 323, S. 252).

9 Auf diese Schwierigkeiten geht R Steiner in dem Buch Die Philosophie der Fret­heit (GA 4), Kapitel IV, «Die Welt als Wahrnehmung», sowie in den Einleitun­gen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schr'ften (GA 1), Kapitel IX, «Goethes Erkenntnistheorie», und Kapitel XVI.2, »Das Urphänomen», genauer ein.

10 Diesen Vergleich zieht R Steiner auch im Vortrag vom 8. November 1908 (GA

108) heran. Dort wird zugleich das Verhältnis von Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung und Begriff näher untersucht.

11 Dies gilt strenggenommen nur für den Übergang eines Kreises in eine Gerade im Rahmen der euklidischen Geometrie. In der projektiven Geometrie fällt der Kreis im Grenzfall mit der festbleibenden Tangente und gleichzeitig mit der unendlich fernen Geraden zusammen (siehe dazu Locher [1937], Kapitel 4, ins­besondere S. 69f.). Erst in der durch die Hinzunahme der unendlich fernen Ge­raden zur projektiven Ebene ergänzten euklidischen Ebene ist ein Durchgang durch das Unendliche möglich (siehe dazu auch Ziegler [1992], Kapitel III).

12 Diese Tatsache knüpft unmittelbar an den geometrischen Sachverhalt an: Das Durchsehreiten der Unendlichkeit ist nur möglich, wenn der Bereich der eukli­dischen Geometrie verlassen wird (siehe dazu Hinweis 11). Mit anderen Worten, der sinnlich vorgestellte Punkt der einen Seite geht nicht in den sinnlich vorge­stellten Punkt der anderen Seite über. Was diese beiden sinnlich vorstellbaren Bereiche der Geraden über das Unendliche hindurch verbindet, ist ihre nur im Denken zu erfassende Gesetzmäßigkeit, was sie trennt, ihre vorgestellte Punkt erfüllung.

13 Das Bild von Petschaft, Siegellack und Siegelabdruck verwendet R Steiner wie­derholt im Zusammenhang mit erkenntniswissenschaftlichen Erwägungen, die das Verhältnis der objektiven Außenwelt zum individuellen Bewußtsein des Erkennenden betreffen. Entscheidend ist bei diesem Bild, daß auch im physisch-sinnlichen Bereiche die Übertragung einer Form nicht an die Übertragung eines

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Stoffes gebunden ist. Siehe dazu etwa die Aufsätze Philosophie und Anthroposo­phie (GA 35), und Die psychologischen Grundli' gen und die erkenntnistheoreti­sche Stellung der Anthroposophie (GA 35), S. 138.

14 Oskar Simony (1852-1915), Mathematiker und Naturwissenschaftler in Wien. Sohn des Alpenforschers und Geographen Friedrich Simony (1812-1896). Von 1880 bis 1913 Professor an der Wiener Hochschule für Bodenkultur. Seine ma­thematischen Arbeiten bewegen sich vor allem auf dem Gebiet der Zahlentheorie und der empirisch-experimentellen Topologie von Knoten und zweidimensiona­len Flächenstücken im dreidimensionalen Raum (siehe dazu Müller [1931] und [1951)). Die Modelle, von denen Steiner spricht, sind zum Teil in Simonys Abhandlungen abgebildet.

Simonys frühe Beschäftigung mit der Topologie entzündete sich an seiner Auseinandersetzung mit den spiritistischen Experimenten F. Zöllners (siehe Hinweis 5). Er sah sich dadurch veranlaßt, sich mit dem Raumproblem zu be­schäftigen, wie es durch die Entdeckung der nichteuklidischen sowie der mehr­dimensionalen Geometrie aufgeworfen worden war. Seine Untersuchungen reichten bis in physiologische und erkenntnistheoretische Erwägungen hinein (siehe Simony [1883], [1884] und [1886]). Er war sich klar, daß der empirische und der ideal-mathematische Raum nicht miteinander verwechselt werden dür­fen. Als Mathematiker war ihm die Denkbarkeit eines vierdimensionalen Raumes kein Problem. Der These Zöllners, daß sämtliche Gegenstände des dreidimensio­nalen Raumes Projektionsphänomene von (sinnlich nicht wahrnehmbaren) vier­dimensionalen Objekten seien, konnte er aber nicht zustimmen. Es war ihm aber nicht darum zu tun, die Tatsächlichkeit spiritistischer Phänomene pauschal ab­zuleugnen. Vielmehr plädierte er, wie auch Zöllner, für eine wissenschaftlich exakte Untersuchung derselben. Er stellte Überlegungen an, wie die von Zöllner berichteten spiritistischen Phänomene mit den traditionellen Mitteln der Physik und Physiologie begründet werden, oder zumindest, wie sie mit diesen ohne Widerspruch in Übereinstimmung gebracht werden können (Simony, Spiritisti­sehe Man£festationen [1884]). Es war ihm wichtig zu zeigen, daß zur Erklärung dieser Phänomene der dreidimensionale empirische Raum nicht verlassen werden muß. Er wies darauf hin, daß Zöllners Hypothese von der Existenz eines vier­dimensionalen Raumes im Widerspruch mit der gewöhnlichen Raumerfahrung steht. Denn falls diese Hypothese richtig ist, wären die Körper des gewöhnlichen dreidimensionalen physikalischen Raumes Schattengebilde, an denen wir beliebi­ge Veränderungen vollführen könnten, ohne einen unmittelbaren Zugriff zum Urbild zu haben (Simony [1881b], § 6, und [1884], S. 20f.). Wie am Beispiel der Schattenprojektion eines dreidimensionalen Körpers auf eine Fläche eingesehen werden kann, ist aber eine Veränderung des Schattens ohne unmittelbaren Zu-griff zum schattenwerfenden Gegenstand nicht möglich.

Simony wollte mit seinen topologischen Experimenten die Natur des drei­dimensionalen empirischen Raumes, im Gegensatz zu einem gekrümmten oder sonstwie mathematisch-idealen Raum, studieren: «[...] die hier untersuchten Er­scheinungen, da sie unserem Sinnenraume angehören, [können] nur in eine em­pirische Geometrie eingeordnet werden [...], ohne mit der Lehre von den soge­nannten höheren Mannigfaltigkeiten an und für sich in irgend eine Beziehung zu treten. Uberdies hat der von mir gewählte Entwicklungsgang auch die Gründe ersichtlich gemacht, aus welchen ich bei der Untersuchung der verschiedenen Schnitte erster und zweiter Art, um von jeder denkbaren Hypothese über die Natur unseres Sinnenraumes unabhängig zu bleiben. weder die Hilfsmittel der

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analytischen Geometrie noch jene der Infinitesimalrechnung benützt habe.»

([1883], S. 963f.)

Was Simony mathematisch besonders interessierte, war das Zustandekommen von Verknotungen von verdrehten, ringförmig oder auch kreuzförmig geschlos­senen, aber unverknoteten Flächenstücken; er zeigte, daß solche Flächen so zerschnitten werden können, daß sie einerseits ihre Geschlossenheit nicht verlie­ren und andererseits bei geeigneten Voraussetzungen eine Verknotung auftritt (Simony [1880], [1881a], [1881b]). Das bekannteste und einfachste Beispiel dieser Art wird von Rudolf Steiner im Vortrag erwähnt: das um 720» verdrehte, ring­förmig geschlossene Band.

15 Im vierdimensionalen Raum gibt es keine Verknotungen, das heißt, jeder Knoten in einer geschlossenen Schnur oder in einem geschlossenen Band (Flächenstrei­fen) kann ohne Zerschneidung der Schnur oder des Bandes durch bloße Verzer­rung aufgelöst werden.

Felix Klein (1848-1925) scheint der erste Mathematiker gewesen zu sein, der auf diesen Tatbestand Anfang der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts aufmerksam wurde. Nach einem Bericht Zöllners [1878a], S. 276, unterhielt sich Klein mit ihm während einer wissenschaftlichen Tagung über dieses Problem, kurz bevor Klein seine Abhandlung [1876], in der er auf dieses Thema nebenbei zu sprechen kommt, veröffentlichte. Klein berichtet ebenfalls von dieser Begegnung und ist der Ansicht, daß er dadurch Zöllner zu seiner These von der Existenz des vier­dimensionalen Raumes und dessen Bedeutung für die Erklärung spiritistischer Erscheinungen veranlaßt habe (Klein [1926], S. 169f.). Während Klein [1876], S. 478, bloß auf den allgemeinen Tatbestand aufmerksam macht, führt Hoppe [1879] die Auflösung eines einfachen dreidimensionalen Knotens im vierdimen­sionalen Raum an einem analytisch gefaßten Beispiel konkret durch (siehe dazu auch Durége [1880] und Hoppe [1880]).

Zöllner, Wirkungen in die Ferne [1878a], S. 272-274, argumentiert mit Hilfe einer Analogie, um die Auflösbarkeit von Knoten im vierdimensionalen Raum zu demonstrieren. Er betrachtet zunächst die Auflösung eines zweidimensiona­len Knotens in einer geschlossenen Kurve (Figur 70): Ohne Aufschneiden kann die Überkreuzung innerhalb der Ebene nicht aufgelöst werden. Durch die Dre­hung eines Kurvenstücks um eine Gerade der Ebene durch den dreidimensiona­len Raum hindurch kann aber die Auflösung jeder Uberkreuzung ohne Zer­schneiden der Kurve bewerkstelligt werden.

#Bild s. 236

«Überträgt man diese Betrachtungen durch Analogie auf einen Knoten im Rau­me von drei Dimensionen, so sieht man leicht, daß sowohl die Schürzung als

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Lösung eines solchen Knotens nur durch Operationen ausgeführt werden könne, bei welchen die Elemente des Fadens eine Curve doppelter Krümmung beschrei­ben müssen.» Ohne Aufschneiden läßt sich dieser Knoten im dreidimensionalen Raum nicht auflösen. «Gäbe es aber unter uns Wesen, welche durch ihren Willen vierdimensionale Bewegungen materieller Körper auszuführen vermöchten, so würden dieselben im Stande sein, derartige Knoten viel schneller zu schürzen und zu lösen, und zwar durch eine Operation, welche der oben bei einem zwei­dimensionalen Knoten beschriebenen vollkommen analog ist. [...] Ich selbst wurde zu den obigen Betrachtungen über die Verschlingung eines biegsamen Fadens in verschiedenen Räumen durch mündliche Unterhaltungen mit Herrn Dr. Felix Klein, Professor der Mathematik in München, angeregt.

Es ist klar, daß bei den oben angedeuteten Operationen vorübergehend die Theile des Fadens aus dem dreidimensionalen Raume für Wesen von gleicher Dimensionalität verschwinden müssen.« (Zöllner [1878a], S. 273-276)

Die Auflösung eines Knotens im dreidimensionalen Raum kann tatsächlich immer dann vollzogen werden, wenn Selbstüberschneidungen zugelassen oder der vierdimensionale Raum hinzugezogen wird. Denn mit Hilfe des letzteren läßt sich das Ergebnis einer Selbitüberschneidung auch ohne Selbstüberschnei­dung erzielen (siehe Seifert/Threlfall [1934], S. 3, 315). Man braucht dazu bloß ein geeignet geformtes Kurvenstück in einer Ebene nt um eine Ebene ß durch den vierdimensionalen Raum hindurch zu drehen (Figur 71).

#Bild s. 237a

16 Die Verdrehung eines zylindrischen Bandes (Figur 72) um 360 ergibt eine Flä­che (Figur 73), die zur ersteren im vierdimensionalen Raum äquivalent ist. Mit anderen Worten, Verdrehungen um ganzzahlige Vielfache von 360 lassen sich im vierdimensionalen Raum auflösen (siehe weiter unten). Simony war sich ver­mutlich dieses Tatbestandes bewußt, obwohl er es in seinen topologischen Schriften nicht explizit erwähnt, da es ihm ja gerade um die Besonderheiten des empirischen dreidimensionalen Raumes ging.

#Bild s. 237b

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Die Äquivalenz des unverdrehten zylindrischen Bandes mit einem um 3600 ver­drehten Band im vierdimensionalen Raum ergibt sich aus der Tatsache, daß diese beiden Bänder durch je zwei sich nicht schneidende Randkurven charakterisiert sind. Im letzteren Fall sind diese ineinander verknotet, im ersteren nicht. Diese Verknotung läßt sich nun im vierdimensionalen Raum ohne Seibstüberschnei­dung auflösen. Dadurch entsteht aus dem verdrehten ein unverdrehtes Band (sie­he Ubergang von Figur 73 zu 74).

#Bild s. 238a

Man beachte, daß dieselbe Überlegung für ein um 1800 verdrehtes zylindrisches Band, das sogenannte Möbiusband (Figur 75) nicht durchgeführt werden kann. Diese Fläche hat nur eine Randkurve und kann in keiner Weise (auch nicht über den vierdimensionalen Raum) kontinuierlich und ohne Aufschneiden in ein unverdrehtes Band transformiert werden. (Dies hängt mit der Nichtorientierbar­keit dieser Fläche zusammen; siehe dazu Seifert/Threlfall [1934], § 2. Das Möbi­usband wurde zum ersten Mal von Möbius F18651, § 11, beschrieben.)

#Bild s. 238b

17 Geometrisch kann das (statische) Sehen in der Ebene oder im Raum als Zentral-projektion der Gegenstände der Ebene beziehungsweise des Raumes auf eine Linie beziehungsweise auf einer Fläche aufgefaßt werden. Einem Wesen in einem dreidimensionalen Raum mit einem solchen Sehvermögen erschienen dann alle Gegenstände in ihren Projektionen auf einer Fläche. Von der dritten Dimension hätte dieses Wesen nur dann einen unmittelbaren Eindruck, wenn es dynamisch sehen könnte, das heißt, wenn sein Sehapparat zwei Projektionseinrichtungen zusammen mit der entsprechenden Akkomodationsmöglichkeit enthält. Andern­falls könnte es zwar die dritte Dimension erschließen (wie dies Einäugige auf­grund ihrer mannigfaltigen Erfahrungen und Vergleichsmöglichkeiten tun), aber nicht erleben. Die Tatsächlichkeit des dreidimensionalen dynamischen Sehens beim Menschen ist ein Hinweis auf seine «vierdimensionale Natur», die er aller­dings nicht unmittelbar (sinnlich) wahrnehmen, sondern zunächst ebenso nur erschließen kann.

Charles Howard Hinton (1853-1907) kommt aufgrund geometrischer und physikalischer Uberlegungen ebenfalls zur Ansicht, daß der Mensch ein vier-oder höherdimensionales Wesen sein muß. «Man kann dafür halten, daß [die Tatsache der] Symmetrie in irgendeiner Dimension Ausdruck einer Tätigkeit in

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einer höheren Dimension ist. Sehen wir uns lebendige Wesen at,, so gibt es Hinweise sowohl in ihrer Strukt'ir [bilaterale Symmetrie] wie in ihren verschie­denen Arten von Tätigkeiten auf ein Etwas, das von außerhalb in die anorgani­sche Welt hineinkommt.» (Hinton, The Fourth Dimension [1904], S. 78; Uber­setzung: R Ziegler.)

Berlin, 31. März 1905

18 Charles Howard Hinton (1853-1907), Mathematiker und Schriftsteller. Ein star­ker Einfluß auf Hinton ging von dessen Vater James Hinton (1822-1875) aus. Dieser war Chirurg und schrieb unter anderem einige Aufsätze über die Kunst des Denkens (art of thinking, thought-artistry), in denen er jede Art von künst­licher Beschränkung des Denkens (und Erfahrens) durch religiöse, soziale oder rechtliche Verhaltensmaßregeln ablehnte. Durch den Kontakt von Mary Everest Boole (1832-1916), der Witwe des Logikers und Mathematikers George Boole (1815-1864), mit den Eltern von Hinton lernte Howard Hinton seine spätere Frau kennen, Mary Ellen Boole, eine Tochter von George und Mary Everest Boole. Hinton studierte in Oxford Mathematik, unterrichtete an verschiedenen Institutionen, verließ 1886 England und übersiedelte nach Japan, wo er bis 1891 blieb, um dann den Rest seines Lebens in den USA zu verbringen.

Hintons Suche nach Gewißheit brachte ihn um 1875 in eine schwere Krise. Er verfiel auf die Idee, daß nur die Anordnung von Körpern im Raum zu einem absolut sicheren Wissen führen könne. Er begann sich mit Vorstellungs- und Denkübungen zur Anordnung eines in Teilwürfel unterteilten Würfels zu be­schäftigen. Dabei war er bestrebt, sich von allen durch das Subjekt bedingten Beschränkungen (wie die Auffassung von oben und unten) zu befreien (siehe Hinton [1886], «Casting Out the Self», S. 205-229). Dabei stieß er auf das Pro­blem spiegelsymmetrisch angeordneter Unterteilungen zweier Würfel und fragte sich, ob sich nicht auch diese Tatsache als vom Subjekt bedingt erweisen könne. Während der Untersuchung dieser Frage stieß er auf eine Abhandlung von Friedrich Zöllner über den vierdimensionalen Raum [1878e], die in dem von William Crookes (1832-1919) herausgegebenen Quarterly Journal of Science er­schien. Dort entwickelte Zöllner in aller Kürze seine Experimente und Ansichten zur Wirklichkeit der vierten Dimension. Der Chemiker und Physiker Crookes gehört zusammen mit Zöllner zu denjenigen an Universitäten etablierten For­schern, die sich dem Spiritismus mit naturwissenschaftlichen Methoden nähern wollten - allerdings mit wenig Erfolg.

Hinton beschäftigte sich von nun an während seines gesamten Lebens mit dem Problem der vierten Dimension. Seine Werke konzentrieren sich um die Popu­larisierung des vierdimensionalen Raumes, insbesondere der Erübung von Fähig­keiten zur yorstellung dieses Raumes. Dazu untersuchte er auf mannigfache Weise den Ubergang von der zweiten in die dritte Dimension, um eine solide Grundlage für die Darstellung der vierten Dimension im dreidimensionalen Anschauungsraum vorzubereiten. Insbesondere entwickelte er einen methodi­schen Weg zur konsequenten Erübung der dreidimensionalen Raumanschauung und war zeitweilig der Ansicht, daß man sich in derselben Weise eine (nichtsinn­liche) Anschauung des vierdimensionalen Raumes verschaffen könne (siehe dazu Hinton, A New Era of Thought [1900] und The Fourth Dimension [19041). Hinton vertrat die Ansicht, daß die Welt materiell eine vierdimensionale Ausdehnung

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habe. Er versuchte dies durch verschiedene psychologische und physi­kalische Überlegungen zu beweisen. Damit stieß er sowohl bei den Materialisten, die nur den dreidimensionalen Anschauungsraum akzeptierten, sowie bei den Spiritualisten, welche die vierte Dimension rein geistiger Natur aufgefaßt haben wollten, auf Widerstand (siehe dazu Ballard [1980]).

Hinton war ein kontroverser, aber vom Laienpublikum geschätzter und viel­gelesener Autor, insbesondere in den Kreisen der Theosophen und der künstle­rischen Avantgarde (siehe dazu Henderson [1983], [1985] und [1988]). Von aka­demischen Kreisen wurde er ignoriert oder abgelehnt.

19 Siehe dazu die entsprechenden Ausführungen im vorangehenden Vortrag.

20 Siehe Rudolf Steiner, Die Geheimwissenachaft im Umriß (GA 13), Kapitel «Die Weltentwickelung und der Mensch».

21 Es läßt sich nicht so ohne weiteres rekonstruieren, was mit dieser Analogie Überlegung gemeint ist. Bei Hinton jedenfalls konnte nichts gefunden werden, was diesem Gedankengang entspricht. Hinton verwendet zwar ebenfalls Farben, um den Übergang von der zweiten in die dritte Dimension und insbesondere von der dritten in die vierte Dimension zu illustrieren, aber in ganz anderer Weise. Seine diesbezüglichen Überlegungen werden vor allem im hier gedruckten Vor­trag vom 24. Mai 1905 von Steiner referiert.

Die geometrische Grundlage der an dieser Stelle vorgebrachten Überlegungen ist folgende: Eine in der Mitte geteilte Strecke kann zum Quadrat ergänzt wer­den, indem man in den beiden Teilstrecken je zwei Quadrate zusammenstoßen läßt. Daraus ergibt sich ein in vier kleinere Quadrate aufgeteiltes größeres Qua­drat (Figur 16). Daraus kann ein in acht kleinere Würfel gegliederter Würfel hergestellt werden, indem man an den vier Teilquadraten je zwei Würfel anein­anderstoßen läßt (Figur 17). Das entsprechende vierdimensionale Gebilde, der vierdimensionale Würfel, ergibt sich, wenn die acht Teilwürfel des dreidimensio­nalen Würfels als gemeinsame «Grenzräume» je zweier vierdimensionaler Würfel aufgefaßt werden. Dadurch erscheint der vierdimensionale Würfel gegliedert in 16 Teilwürfel.

Berlin, 17. Mai 1905

22 Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Jan Arnoldus Schouten (1883-1971), holländischer Mathematiker aus Delft.

Im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung befindet sich ein Brief von Schouten an Steiner. Der auf die vorliegenden Vorträge bezügliche Teil lautet:

DeIft 1. Dezember 1905 / Sehr geehrter Herr Doktor, / als ich im Juli dieses Jahres zur Heimat zurückkehrte und mich hei Ihnen verabachieden wollte waren Sie leider schon verreist, und so kam es daß sich die Modelle welche Sie hei Ihrem Vortrag gebrauchten noch in Ihrem Besitz befinden. Da es nun meine Absicht ist hier einige Vorträge über vierte Dimension zu halten möchte ich Sie freundlichst bitten mir die Modelle zusenden zu wollen. Die Vorträge sind u.a. auch für einige Logen bestimmt worunter die Delfter Lage welche kürzlich gegründet wurde. [...] / Hochachtunavoll /J. A. Schouten 1 M. T .S.

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Nach einem Studium der Elektrotechnik an der Technische Hogeschool in Delft übte Schouten für einige Jahre seinen Beruf in Rotterdam und Berlin aus. Um die spezielle Relativitätstheorie verstehen zu können, befaßte er sich im Selbststu­dium mit Mathematik und schrieb die Arbeit Grundlagen der Vektor- und Af­finoranalysis [1914], die er als Dissertation in Delft einreichte. Gleich darauf wurde er in Delft zum Professor ernannt und blieb dort bis 1943.

Das genannte Buch von Schouten [1914] befindet sich mit einer persönlichen Widmung des Verfassers in der Bibliothek Rudolf Steiners. Die Mutter von Schauten, H. Schauten (1849-19?), war Mitglied der theosaphischen und später der anthroposophischen Gesellschaft. Der einzige bisher gefundene weitere Hin­weis auf Schautens Verhältnis zu Rudolf Steiner findet sich in einem Brief seiner Mutter an Steiner vom 4. März 1913, der sich ebenfalls im oben genannten Archiv befindet. In diesem Brief heißt es unter anderem:

Ich hatte die ganz bestimmte Zuversicht, daß mein Sohn, nachdem er in diesen Tagen seine Mitgliedschaft in der T G. aufgeben will, Mitglied der Anthr. G. werden würde. Vorläufig meint er es noch nicht mit gutem Gewissen tun zu können, weil er dem Studium nicht mehr hat folgen könne. Er sagte mir, daß er von allem, was er im Leben unternähme, ein ernstes Studium mache, und da er augenblicklich nach zu tief in seinem eigenen Studium stände, welches ihn ja so in Anspruch nimmt, daß er kaum an die Luft geht, so könne er sich vorläufig noch nicht wieder mit dem Studium der Theos. befassen. Die ersten Verhandlun­gen seines Werkes gehen jetzt an die König. Akademie, außer seiner Privatarbeit hält er wöchentlich einen Vortrag über Mathematik in DeIft, einen in Rotterdam über Elektrizität, und gerade in der Woche, wo Sie im Haag sind, ist er im philosophischen Verein Amsterdam gefragt worden, einen Vortrag über seine ideellen Begriffe der Mathematik zu halten. Gottlob sind sowohl bei ihm sowie bei seiner Frau die Wahrheiten von Reinkarnation und Karma eingefleischt. Den öffentlichen Vorträgen werden sie gerne beiwohnen, und meinte mein Sohn auch, daß manche seiner Gollegen hingehen würden, wenn das Thema sie anziehen würde. Hoffentlich findet sich die Gelegenheit, daß mein Sohn Sie begrüßen kann.

Die erste Arbeit Schautens in den Versla gen en Mededeelin gen der Koninglijke Akademie van Wetenschappen erschien 1917 im Band 26; eine Arbeit in den Verhandelin gen der Koninghjke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam läßt sich erst 1918 im Band 12 nachweisen.

23 Kronas (nicht zu verwechseln mit Chronos, die Zeit) ist ein Sohn des Uranas und der Gaia. Er heiratete seine Schwester Rhea, welche die Töchter Hestia, Demeter, Hera und die Söhne Paseidon und Zeus gebar. Kranos verschlang alle bis auf Zeus, den Rhea ihrer Mutter Gaia anvertraute. (Siehe Kérenyi, Die My­thologie der Griechen [1966], Band I, Kapitel I, Abschnitt 1 und 2.)

24 Johann Wolfgang Goethe (1749-1832). Unterhaltungen deutscher Ausgewander­ten, Das Märchen: «Indessen sagte der goldene König zum Manne [mit der Lampe]: «Wieviel Geheimnisse weißt du?' - ,Drei', versetzte der Alte. ,Welches ist das Wichtigste?' fragte der silberne König. «Das offenbare', versetzte der Alte.» (Hamburger Ausgabe, München 1981, Band 6, S. 216)

25 Plato (427-347 v. Chr.). Timaios 36b-37a. Siehe dazu R. Steiner, Das Christen­tum als mystische Tatsache (GA 8), S. 65f.

Berlin, 24. Mai 1905

#G324a-1995-SE242 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

Berlin, 24. Mai 1905

#TX

26 Hinton hat im Verlaufe seines Lebens nicht nur eine, sondern viele verschiedene Methoden zur Darstellung des vierdimensionalen Raumes im dreidimensionalen Anschauungsraum entwickelt und allgemeinverständlich dargestellt. Sein Ver­dienst liegt dabei mehr in der populären Darstellung als in der originären mathe­matischen Leistung. Siehe die im Literaturverzeichnis genannten Schriften von Hinton.

27 Hinton hat mit verschiedenen Färbungssystemen und Farbverteilungen gearbei­tet. Dabei ging es ihm um die zweidimensionale Repräsentation dreidimensiona­ler Körper als Vorbereitung zur dreidimensionalen Repräsentation vierdimensio­naler Körper (siehe dazu Hinton, A New Era of Thought [1900], Teil II, Kapitel 1 bis IV und VII, sowie The Fourth Dimension [1904], Kapitel XI bis XIII). Steiner scheint hier an eine stark vereinfachte Version eines dieser Systeme an­zuknüpfen.

Ob Steiner mit der Farbgebung auf spezifische Besonderheiten der jeweiligen Dimensionen hinweisen wollte, geht aus dem Vortragszusammenhang nicht her­vor, ist aber eher unwahrscheinlich. Hier gibt es auch erhebliche Differenzen zwischen den verschiedenen Nachschriften und Übertragungen, die vermutlich auf die unterschiedliche Verwendbarkeit von Farben (etwa weiß) auf einer schwarzen Tafel und auf weißem Papier zurückzuführen sind.

28 Diese Modelle befinden sich nicht in Steiners Nachlaß. Sie sind vermutlich nach einem entsprechenden Schreiben J. A. Schoutens an denselben zurückgesandt worden (siehe dazu Hinweis 22>.

29 Aus der Bewegung eines Quadrates mit vier Seiten im dreidimensionalen Raum kann ein Würfel mit sechs Grenzflächen erzeugt werden; diese sechs Flächen setzen sich zusammen aus dem Anfangs- und Endquadrat sowie den vier durch die Bewegung der Seiten erzeugten Quadraten. Dies kann sofort abgelesen wer­den anhand einer Parallelprojektion dieser Bewegung in eine Ebene, das heißt in einen zweidimensionalen Raum (siehe Figur 88). - Ebenso entsteht durch die Bewegung eines Würfels mit sechs Flächen im vierdimensionalen Raum ein Gebilde mit acht Grenzwürfeln, nämlich dem Anfangs- und Endwürfel sowie den sechs durch die Bewegung der Seiten erzeugten Würfeln. Dies läßt sich leicht ablesen anhand einer Parallelprojektion dieser Bewegung in den dreidi­mensionalen Raum (siehe Figur 90).

30 Der Ausdruck Tessarakt scheint für die analoge Figur zum Würfel im vierdimen­sionalen Raum von Hinton geprägt worden zu sei. Es findet sich in seinen Schriften auch die Schreibweise Tesserakt.

31 Fast dieselben Überlegungen (mit identischen Figuren) finden sich in Hinton, The Fourth Dimension [19041, Kapitel XII.

32 Goethe, Faust, Erster Teil, 4. Szene, Studierzimmer, Vers 2065ff.:

Mephistopheles:

Wir breiten nur den Mantel aus,

Der soll uns durch die Lüfte tragen.

Du nimmst bei diesem kühnen Schritt

Nur keinen großen Bündel mit.

Ein bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde,

Hebt uns behend von dieser Erde.

#SE324a-243

Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;

Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!

33 Moses, Erstes Buch, Kapitel 1,2. Siehe dazu R. Steiner, Die Geheimnisse der bibli­schen Schöpfungsgeschichte (GA 122), insbesondere Vortrag vom 20. August 1910.

Berlin, 31. Mai 1905

34 Die hier beschriebene Situation entspricht der Figur 76 im Falle der Abklappung des Würfels in eine Ebene:

#Bild s. 243a

Die Quadrate 5 und 6 liegen dabei «übereinander», was in der Ebene nicht unmittelbar zum Ausdruck gebracht werden kann. Die obere Seite vom Quadrat 2, die untere Seite vom Quadrat 4, sowie die rechte beziehungsweise linke Seite vom Quadrat 3 beziehungsweise 1 müssen mit den Seiten des Quadrats 6 iden­tifiziert werden.

Ganz entsprechend liegen die Würfel 7 und 8 «ineinander» und können im drei­dimensionalen Raum nicht unmittelbar unterschieden werden. Die obere bezie­hungsweise untere Seite der Würfel 5 beziehungsweise 6, die linke beziehungswei­se rechte Seite der Würfel 3 beziehungsweise 4, sowie die vordere beziehungswei­se hintere Seite der Würfel 1 beziehungsweise 2 müssen alle mit den Seitenquadra­ten des Würfels 8 identifiziert werden. - Für den Würfel läßt sich die Identifika­tion der Seiten des 6. Quadrates mit seinen benachbarten Quadraten an der ge­wöhnlichen Abklappung oder Abwicklung besser verfolgen (Figur 77).

#Bild s. 243b

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Die entsprechende Situation für das Tessarakt, wo die Seitenflächen des 8. Würfels mit den entsprechenden Seitenflächen benachbarter Würfel identifiziert werden muß, ist in Figur 78 dargestellt.

#Bild s. 244a

35 Bei den fünf regelmäßigen konvexen Polyedern Würfel, Tetraeder, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder sind jeweils die Schnittwinkel der Flächen in den Kanten untereinander gleich. Der jeweilige Schnittwinkel ist charakteristisch für das entsprechende Polyeder.

Regelmäßige Polyeder werden begrenzt durch gleichartige regelmäßige Vielek­ke derart, daß an allen Ecken und Kanten dieselben geometrischen Verhältnisse vorliegen. Es genügt deshalb, an einer Polyedereeke zu untersuchen, wie viele Vielecke dort zusammenstoßen können. Daraus ergibt sich eine vollständige Übersicht aller möglichen Typen solcher Polyeder. Beginnen wir mit regelmäßi­gen Dreiecken (Figur 79). Zwei regelmäßige Dreiecke lassen sich noch nicht zu einer Polyederecke zusammenschließen. Bei drei Dreiecken erhält man eine Tetraederecke, bei vier Dreiecken eine Oktaederecke, und bei fünf Dreiecken eine Ikosaederecke. Sechs Dreiecke liegen flach in der Ebene und können keine Polyederecke bilden.

Aus drei regelmäßigen Vierecken, das heißt Quadraten, ergibt sich eine Wür­felecke; vier Quadrate liegen bereits wieder flach in der Ebene.

#Bild s. 244b

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Aus drei Fünfecken ergibt sich eine Dodekaederecke. Vier Fünfecke überschnei­den sich bereits (Figur 80).

#Bild s. 245

Drei Sechsecke liegen wieder flach in einer Ebene, und drei Siebenecke über­schneiden sich. Es kann also tatsächlich nicht mehr als die bereits genannten fünf regelmäßigen Polyeder geben.

36 Rudolf Steiner bezieht sich hier auf ein in der geometrischen Kristallographie übliches Verfahren. Die sieben Kristallklassen beruhen auf den Symmetrien der sieben möglichen kristallographischen Achsensysteme. Die entsprechenden Symmetriegruppen, die alle Symmetrieelemente einer Klasse repräsentieren, nennt man die Holoedrien. Die zu diesen Symmmetriegruppen gehörigen Poly­eder nennt man die holoedrischen Formen oder Vollflächner. Dabei handelt es sich um solche einfachen Vielflächner, die durch sämtliche einem Kristallsystem zugehörigen Symmetrieoperatoren in sich übergeführt werden können. Die he­miedrischen Formen oder Halbflächner sind Polyeder mit halb so vielen Flächen wie die jeweiligen holoedrischen Formen; sie entstehen aus diesen durch Flä­chenreduktion, das heißt durch das Hervortreten und Verschwiitden gewisser Flächen. Die Symmetriegruppe der Hemieder ist entsprechend reduziert (Unter-gruppe der Holoedrie vom Index 2). In diesem Sinne ist das Tetraeder die he­miedrische (halbflächige) Variation des Oktaeders.

Die Kristallographen führten auch noch Viertelflächner ein (tetardoedrische Formen), das heißt Flächenformen mit einem Viertel der Flächen der dazugehö­rigen holoedrischen Formen und entsprechend reduzierter Symmetriegruppe (Untergruppe der Holoedrie vom Index 4). Siehe dazu Hochstetter/Bisching [1868], S. 20ff., Schoute [1905], S. 190ff., Niggli [1924], S. 70ff., 129ff.

37 Im Würfel schneiden sich alle Flächen paarweise in rechten Winkeln. Welche Auswahl von Flächen man auch trifft, es entsteht wieder ein Gebilde mit Flä­chenwinkeln von 90. Allerdings läßt sich durch eine Flächenreduktion aus dem Würfel kein geschlossenes Polyeder mehr gewinnen.

38 Mit Achsen des Würfels sind hier die drei senkrecht aufeinander stehenden Rich­tungen durch den Würfelmittelpunkt gemeint, auf denen die Würfelflächen paar­weise senkrecht stehen. Diese Achsen sind zugleich die Achsen der drei Zonen des Würfels (Figur 81). Unter einer Zone (oder einem Zonenverband> versteht man eine Menge von mindestens drei Flächen, die zu einer Geraden, der Zonen-achse, parallel sind.

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#Bild s. 246a

Ein Rhombendodekaeder kann leicht mit Hilfe eines Würfels konstruiert wer­den: Man lege in einen Würfel alles sechs Diagonalebenen, welche Paare von gegenüberliegenden Kanten verbinden (Figur 82). Dann spiegle man die so im Innern des Würfels entstehenden sechs Pyramiden heraus (Figur 83). Die im Vortrag genannten vier «Achsen» sind diejenigen Diagonalen des Rhomben­dodekaeders. welche mit den Würfeldiagonalen dieses Würfels zusammenfallen.

#Bild s. 246b

Ei handelt sich bei diesen vier Achsen genau um die vier Zonenachsen des Rhombendodekaederi, das heißt diejenigen vier Achsen, zu denen je sechs Flä­chen dieses Körpers parallel sind. Diese vier Gruppen mit je sechs Ebenen nennt man die Zonenverbände des Rhombendodekaeders.

Ein Rhombendodekaeder ist kein regelmäßiges Polyeder, da die Ecken unter­einander nicht gleichartig sind. An den aus den Würfelecken hervorgehenden Rhombendodekaederecken stoßen drei Flächen und an den übrigen Ecken vier Flächen aneinander. Die Zonenachsen gehen durch diejenigen Eckpunkte, an denen drei Flächen zusammenstoßen.

Man beachte, das die hier eingeführten «Achsen» des Rhombendodekaeders eine bestimmte Auswahl aus den sieben möglichen Diagonalen (Verbindungs­geraden gegenüberliegender Eckpunkte) darstellen.

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#Bild s. 247a

Zur zeichnerischen Darstellung: Das Rhombendodekaeder wird hier, wie schon die anderen geometrischen Gebilde, in einer schiefen Parallelprojektion dargestellt, da dies den Bedingungen des Freihandzeichnens an der Tafel am ehesten entspricht. Die leichten Verzerrungen der folgenden Figuren müssen dementsprechend in Kauf genommen werden.

39 Auch das Rhombendodekaeder hat Achsen, zu denen die Flächen senkrecht ste­hen. Dreht man nämlich die vier Zonenachsen des Rhombendodekaeders um 45« um die senkrechte Achse des zugrundeliegenden Würfels und hält dabei das

#Bild s. 247b

Rhombendodekaeder fest, so treffen diese Achsen die Mitten von acht Flächen des Rhombendodekaeders. Der aus diesen Flächen gebildete Körper, ein Okta­eder, besteht dann genau aus denjenigen vier Paaren von Flächen, die senkrecht auf den (um 45 gedrehten) vier Zonenachsen des Rhombendodekaeders stehen (Figur 85). Ergänzt man diese vier Achsen durch die gleichfalls um 45« gedrehten zwei horizontalen Würfelachsen (siehe vorige Hinweis), so erhält man ein Sy­stem von sechs «Achsen», die alle Flächen des Rhombendodekaeders senltrecht treffen.

40 Die Halbierung der Flächen führt beim Würfel zu keinen neuen Flächenwinkeln. Das Rhombendodekaeder läßt sich auf verschieden Weisen «halbieren» (Figur 86 und 87). Falls dabei ein geschlossenes Polyeder entsteht, so handelt es sich um ein schiefes Parallelepiped.

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#Bild s. 248

41 Dies gilt unter der Voraussetzung, daß die Schnitte des Tetraeders beziehungs­weise des Würfels parallel zu schon vorhandenen Flächen geführt werden. Schneidet man etwa bei einem Würfel die Ecken so ab, daß die Schnittflächen senkrecht zu den Raumdiagonalen liegen, so entsteht erst ein Kuboktaeder und schließlich ein Oktaeder.

42 Siehe dazu auch den Vortrag vom 31. März 1905. - Welche Auswahl aus den sechs Flächen, die einen Würfel begrenzen, auch getroffen wird, es ergibt sich bei

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Ausdehnung der Grenzflächen über den ganzen Raum immer ein «Körper», der sich ins Unendliche erstreckt. Wählt man insbesondere aus den sechs Flächen drei paarweise aufeinander senkrecht stehende aus, so ergibt sich ein geometri­sches Gebilde mit drei aufeinander senkrecht stehenden Achsen zusammen mit den entsprechenden Verbindungsebenen. Ein solches System kann als Repräsen­tant des dreidimensionalen euklidischen Raumes aufgefaßt werden; es ist zu­gleich die geometrische Grundlage jedes euklidischen oder cartesischen Koordi­natensystems (Achsenkreuz, Dreibein).

43 Die Darstellung scheint hier und im folgenden sehr verkürzt zu sein, sodaß verschiedene Gesichtspunkte ineinander geschoben erscheinen. Die Reihe Qua­drat, Würfel, Tessarakt kann ergänzt werden durch eine Reihe von Gebilden, die nicht gerade oder flache, sondern gekrümmte Begrenzungen haben. Dadurch erhält man Gebilde, die als gekrümmte Quadrate, gekrümmte Würfel und als gekrümmte Tessarakte bezeichnet werden können. Bei diesen Gebilden haben die Begrenzungen diesselbe Dimension wie das Gebilde selbst.

Der Kreis, die zweidimensionale Sphäre und die dreidimensionale Sphäre sind topologisch äquivalent zu den Begrenzungigebilden des Quadrates, des Würfels beziehungsweise des Tessaraktes. Die Kreisfläche, die zweidimensionale Vollku­gel und die dreidimensionale Vollkugel sind topologisch äquivalent zur Quadrat. fläche, zum Würfel beziehungsweise zum Tessarakt.

Andererseits erhält man durch geeignetes Krümmen einer eindimensionalen Strecke ein zweidimensionales Kurvenstück, insbesondere ein Kreissegment, durch Krümmen einer Kreisfläche ein dreidimensionales Gebilde, eine Kugel-schale, und durch Krümmen einer Vollkugel ein vierdimensionales Gebilde, ins­besondere einen Teil einer vierdimensionalen Kugel.

Auf diese Weise läßt sich ein Kreis zusammensetzen aus zwei gekrümmten Strecken, die an ihren Endpunkten zusammengeklebt werden, und eine zweidi­mensionale Sphäre im dreidimensionalen Raum läßt sich zusammensetzen aus zwei gekrümmten Kreisflächen, die an ihren Rändern zusammengeklebt werden. Entsprechend erhält man eine dreidimensionale Sphäre im vierdimensionalen Raum, indem man zwei gekrümmte Vollkugeln an ihren Oberflächen (= zweidi­mensionale Sphären) zusammenklebt. Diese dreidimensionale Sphäre verhält sich zum Raum wie die zweidimensionale Sphäre (= gewöhnliche Kugeloberfläche) zur Ebene.

Berlin, 7. Juni 1905

44 Gemeint sind hier vermutlich die Bücher Hintons, Scientific Ronsanees [1886], A New Era of Thought [1900] und The Fourth Dimension [1904].

45 In der im fünften Vortrag vom 31. Mai 1905 entwickelten Darstellung des Tes­saraktes handelt es sich nicht im engeren Sinne um eine Projektion, sondern um eine Abwicklung. Im folgenden wird Steiner eine orthogonale Parallelprojektion des Tessaraktes in den dreidimensionalen Raum konstruieren. Die Projektions­richtung ist dabei die einer Körperdiagonalen.

46 Ist der Würfel als Kantengerüst gegeben, so ergeben sich als Resultat einer schie­fen Parallelprojektion auf eine Ebene im allgemeinen zwei zueinander parallel verschobene Quadrate zusammen mit den Verbindungsgeraden entsprechender Ecken (Figur 88: Schiefe Parallelprojektion des Würfels).

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#Bild s. 250a

Wird die Projektionsrichtung so gewählt, daß sie durch die Raumdiagonale A ,C geht, so fallen die Ecken A' und C zusammen, und es entsteht ein schiefes Sechs­eck mit Diagonalen. Die Abbilder der sechs einzelnen Seitenflächen des Würfels lassen sich aus diesem Sechseck so rekonstruieren, daß man alle möglichen Par­allelogramme aus der gegebenen Linienstruktur bildet. Je eines dieser Parallelo gramme üherschneidet sich dabei mit je zwei anderen. Insgesamt wird die Fläche des Sechsecks von allen Flächen des Würfels doppelt überdeckt. Ist die Projek­tionsrichtung senkrecht zur Projektionsebene, so entsteht als Abbild des Würfels ein regelmäßiges Sechseck (Figur 89: Orthogonale Parallelprojektionen des Würfels).

#Bild s. 250b

Man beachte, daß sich in den drei Diagonalen des Sechsecks auch die drei (Zo­nen-)Achsen des Würfels abbilden. Die zu diesen Achsen gehörigen Zonenver­bände, das heißt die zu je einer dieser drei Achsen parallen vier Flächen des Würfels, erscheinen als je vier Parallelogramme (oder Rhomben), die mit einer dieser Achsen eine Seite gemeinsam haben.

47 Weiter oben bezeichnete Steiner verschobene oder schiefe Quadrate als Rhomben; dies sind Parallelogramme mit gleich langen Seiten. Entsprechend sind Rhomhen­würfel schiefe Würfel, das heißt Parallelepipede mit gleich langen Seiten.

48 Ist das Tessarakt als Kantengerüst gegeben, so ergibt sich als Resultat einer Par­allelprojektion in den dreidimensionalen Raum im allgemeinen zwei zueinander parallel verschobene Würfel zusammen mit den Verbindungsgeraden entspre­chender Ecken (Figur 90: Schiefe Parallelprojektionen des Tessaraktes).

Wird die Projektionsrichtung so gewählt, daß sie durch die Diagonale A ,C geht, so fallen die Eckpunkte A' und C zusammen, und es ergibt sich ein Rhom­bendodekaeder mit vier Diagonalen. Die Abbilder der acht Kantenwürfel des

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#Bild s. 251

Tessaraktes lassen sich bei der ersten Figur leicht auffinden: Es sind alle mögli­chen Parallelepipede, die durch Kombination der Kanten aus dem gegebenen Gerüst gebildet werden können. Es handelt sich dabei um den ursprünglichen und den verschobenen Würfel sowie die sechs Parallelepipede mit je einer Fläche aus dem ursprünglichen und einer aus dem verschobenen Würfel. Diese Situation ändert sich nicht grundlegend beim Übergang zum Rhombendodekaeder, nur daß jetzt alle »Rhombenwürfel» (Parallelepipede) so ineinander verschoben sind, daß sie den Innenraum des Rhombendodekaeders genau zweimal ausfüllen. Dabei überlagert sich ein Parallelepiped mit jeweils drei anderen.

Die durch die Projektion des Tessaraktes entstehenden vier Diagonalen des Rhombendodekaeders sind die Zonenachsen der vier Flächenverbände (aus je sechs Seitenflächen) des Rhombendodekaeders. Ein solcher Flächenverband be­steht aus allen sechs zu einer Zonenachse parallelen Flächen. (Man beachte, daß beim Rhombendodekaeder die Zonenachsen nicht durch die Flächenmitten ge­hen wie beim Würfel, sondern durch Ecken.)

Diese vier Achsen sind aber zugleich die Projektion der vier im vierdimensio­nalen Raum aufeinander senkrecht stehenden Achsen des Tessaraktes. Die drei Achsen des Würfels gehen durch die Seitenflächenmitten dieses Körpers; ent­sprechend (analog) gehen die Achsen des Tessaraktes durch die Mitten der Sei­ten""ürfel des Tessaraktes. Bei der Parallelprojektion geht die Mitte eines Wür­fels in die Mitte des entsprechenden Parallelepipedes über. Wie man durch eine Untersuchung aller acht Parallelepipede im Rhombendodekaeder feststellen kann, gehen die vier Achsen genau durch die Mitten dieser Parallelepipede.

Wie beim Würfel die drei aufeinander senkrecht stehenden Achsen zugleich Zonenachsen von drei Flächenverbänden mit je vier Flächen sind, so sind die vier Achsen des Tessaraktes Zonenachsen von vier Zellenverbänden mit je sechs Zellen (= Seitenwürfel des Tessaraktes). Im Rhombendodekaeder lassen sich diese zu einer Achse gehörigen Zellen leicht auffinden: es sind alle diejenigen sechs Parallelepipede, die mit einer Achse genau eine Seite gemeinsam haben.

49 Plato, Der Staat, 7. Buch, 514a-518c. - Wo Schopenhauer dieses Gleichnis be­handelt, konnte bisher nicht ermittelt werden.

50 Auf diese Interpretation von Platos Höhlengleichnis macht auch schon Zöllner aufmerksam in seinem Aufsatz Über Wirkungen in die Ferne [1878a], S. 260ff

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51 Siehe den Vortrag vom 24. März 1905.

52 Mit [sphärischem] Tessarakt scheint an dieser Stelle nicht der vierdimensionale Würfel im engeren Sinne, sondern die dazu topologisch äquivalente dreidimen­sionale Sphäre im vierdimensionalen Raum gemeint zu sein. Diese entsteht aus einer geeigneten Verkrümmung und Verklebung zweier Vollkugeln des dreidi­mensionalen Raumes. Siehe dazu Hinweis 43 zum Vortrag vom 31. Mai 1905.

53 Siehe dazu die Hinweise 43 und 52.

54 Für den folgenden Text dieses Vortrages wurden auch die im Aufsatz von Haase [1916] zitierten Bruchstücke von Nachschriften aus Steiners Vortrag vom 7. Juni 1905 herbeigezogen. Dies führte zu einigen sinngemäßen Ergänzungen.

55 Moses, Zweites Buch, Kapitel 19, sowie Kapitel 33 und 34.

56 In der theosophischen Literatur hat man die drei oberen Regionen des Geister-landes die Arupa-Regionen genannt, im Gegensatz zu den vier unteren, welche Rupa-Regionen heißen. (Siehe dazu die Hinweise der Herausgeber in R. Steiner, Die Grundelemente der Esoterik (GA 93a), S. 281ff.) Über die sieben Regionen des Geisterlandes siehe R. Steiner, Theosophie (GA 9), «Das Geisterland».

Zum Dimensionsproblem im Zusammenhang mit den Planen oder Regionen der geistigen Welt siehe auch den Vortrag vom 17. Mai 1905, die Fragenbeant­wortung vom 11. März 1920 (Fragen von A. Strakosch), die Fragenbeantwortun-gen vom 7. April 1921 (GA 76) und 12. April 1922 (GA 82), und die Vorträge vom 19., 20., 22., und 26. August 1923 (GA 227).

Berlin, 7. November 1905

57 Siehe dazu die Vorträge vom 24. und 31. März 1905 und die dazugehörigen Hinweise.

58 Siehe dazu Hinweis 6 zum Vortrag vom 24. März 1905.

59 Siehe R. Steiner, Mein Lebensgang (GA 28), Kapitel III, S. 63f., sowie Damit der Mensch ganz Mensch werde. Die Bedeutung der Anthroposophie im Geistesleben der Gegenwart (GA 82), Vortrag vom 8. April 1922: «Die Stellung der Anthro­posophie in den Wissenschaften«.

60 Rudolf Steiner bezieht sich hier auf die Ergänzung des euklidischen Raumes durch dessen Fernebene (oder absolute Ebene), wodurch ein projektiver Raum entsteht. Ein projektiver Raum hat keinerlei Fern- oder Grenzelemente, er ist in sich geschlossen, das heißt, man kann in jeder Richtung ins «Unendliche» hin­ausgehen und kommt ohne weiteres von der anderen Seite wieder zurück.

61 Siehe dazu die Ausführungen im Vortrag vom 24. März 1905 und die dazugehö­rigen Hinweise.

62 Siehe dazu die Ausführungen am Anfang des Vortrages vom 7. Juni1905 und die dazugehörigen Hinweise.

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Berlin, 22. Oktober 1908

63 Die ersten mathematischen Untersuchungen zum Problem eines vierdimensiona­len Raumes stammen schon aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Siehe dazu Manning, Geometry of Four Dimensions [1914], «Introduetion».

64 R. Steiner bezieht sich hier auf die Untersuchungen Riemanns zur Geometrie n dimensionaler Mannigfaltigkeiten. Siehe dazu Hinweis 1 zum Vortrag vom 24. März 1905.

65 Siehe dazu die in ihrer Zeit bekannten und populären Schriften: Abbott, Flatland [1884], Hinton, Scientific Romances [1886], Kapitel »A plane world» (S.129-159) und Hinton, An Episode of Flatland [1907].

66 Siehe dazu den Vortrag Rudolf Steiners vom 10. April 1912 (GA 136). - Die Vermutung, daß diese Aussage auch ein Hinweis auf eine Ansicht Zöllners ist, ließ sieh nicht bestätigen. Zöllners Kometentheorie (siehe vor allem Zöllner [1886]) ist vielmehr die Grundlage und der Ausgangspunkt moderner konventio­neller Kometentheorien geworden. Es ließ sieh kein Hinweis finden, daß Zöllner seine Kometentheorien in einen Zusammenhang mit seinen spiritistischen Ideen zum vierdimensionalen Raum gebracht hat.

HINWEISE ZU DEN FRAGENBEANTWORTUNGEN Berlin 1. November 1904

#G324a-1995-SE254 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

HINWEISE ZU DEN FRAGENBEANTWORTUNGEN

Berlin 1. November 1904

#TX

Fragenbeantwortung nach einem Vortrag im Berliner Zweig über «Das Christentum» (noch nicht in der Gesamtausgabe publiziert).

1 Jan Arnoldus Schouten (1883-1971). Siehe Hinweis 22 zum Vortrag vom 17. Mai

1905. - Diese Frage ist ein Hinweis darauf, daß das Problem der vierten Dimen­sion auch im unmittelbaren Umkreis von Rudolf Steiner aktuell war, und er mit seinen Vorträgen zum Thema der vierten Dimension vor allem die damit zusam­menhängenden geisteswissenschaftlichen Fragen behandeln wollte.

Stuttgart, 2. September 1906

Fragenbeantwortung während des Vortragszyklus «Vor dem Tore der Theosophie»,

GA 95.

3 Mit Raum meint Rudolf Steiner offenbar den gewöhnlichen, durch die Gesetze der euklidischen Geometrie charakterisierten Anschauungsraum Für diesen ist die Unendlichkeit (bei Einbettung in den projektiven Raum die Fernebene) eine unüberwindliche Grenze. Für den astralen Raum ist das nach Steiner nicht der Fall. Er hat eine dem projektiven Raum verwandte Struktur. Es gibt dort keine Grenze, keine unerreichbare Unendlichkeit. Der projektive Raum ist in sich geschlossen: man kann in allen Richtungen von einem festen Ausgangspunkt hinauswandern und gelangt schließlich wieder zum Ausgangspunkt zurück.

3 Es läßt sich nicht genau rekonstruieren, was mit diesem Satz gemeint ist. Auf­grund der überlieferten Zeichnung (Figur 62) könnte es sich um ein Bruchstück einer Ausführung etwa folgenden Inhalts handeln: In der zweiten Dimension läßt sich ein zweidimensionaler Gegenstand innerhalb eines Kreises nicht aus diesem herausholen, ohne dessen Grenze zu überschreiten. Nimmt man die drit­te Dimension zu Hilfe, so läßt sich dies ohne weiteres bewerkstelligen. Hingegen kann im dreidimensionalen Raum ein Gegenstand innerhalb einer Sphäre nicht aus dieser herausgeholt werden, ohne diese Sphäre zu durchstoßen. Mit Hilfe der vierten Dimension ist dies dagegen möglich. (Siehe dazu die Ausführungen im und die Hinweise zum Vortrag vom 24. März 1905.)

Nürnberg, 28. Juni 1908

Fragenbeantwortung während des Vortragszyklus «Die Apokalypse des Johannes»,

GA 104

4 Kant, Prolegomena zu einer jeden künfitgen Metaphysik [1783], »Kosmologische Ideen», § 50-53; Kritik der reinen Vernunft [1787], «Die Antinomien der reinen Vernunft, Erster Widerstreit der transzendentalen Ideen», B 454 ff. Kant zeigt, daß sowohl Argumente für wie gegen die Unendlichkeit des Raumes angeführt werden können. Für ihn liegt die Ursache dieses Widerspruchs in der impliziten

#SE324a-255

Annahme, daß der Raum und die Gegenstände des Raumes als absolute Gege­benheiten, als objektive Gesetze von Dingen an sich genommen werden. Würden sie aufgefaßt als das, was sie, nach Kant, sind, nämlich bloß Vorstellungen (An­schauungsformen beziehungsweise Erscheinungen) der Dinge an sich, so löst sich der «Widerstreit der Ideen» auf.

5 Rudolf Steiner bezieht sich hier auf die Entdeckung der projektiven Erweiterung der euklidischen Geometrie Anfang des 19. Jahrhunderts. Die euklidische Gera­de verliert sich nach beiden Seiten hin ins Unendliche; für sie ist die Richtung nach links und die Richtung nach rechts durch die Unendlichkeit (Fernpunkt) getrennt. Die projektive Gerade hat keine solche Grenze, sie ist bezüglich der Anordnung ihrer Punkte in sich geschlossen wie ein Kreis.

6 Es läßt sich aus dem erhaltenen Text nicht mehr genau rekonstruieren, ob Steiner den Raumverhältnissen im Astralen eine tatsächliche geometrische Krümmung zuordnen will. Der in sich geschlossenen projektiven Geraden kommt jedenfalls keine Krümmung zu. Vielleicht möchte Steiner hier nur auf die strukturelle Verwandtschaft aufmerksam machen, die zwischen dem Verhalten der Punkte auf einer projektiven Geraden und auf einer Krcislinie besteht.

7 Auch hier braucht Rudolf Steiner vermutlich den Ausdruck «Sphäre» nur, um auf die Geschlossenheit des astralen Raumes im Sinne eines projektiven Raumes aufmerksam zu machen. Im topologischen Sinne ist weder die projektive Ebene einer zweidimensionalen Sphäre noch der projektive Raum einer dreidimensio­nalen Sphäre äquivalent.

Düsseldorf 21. April 1909

Zwei Fragenbeantwortungen im Anschluß an den Vortragszyklus «Geistige Hier­archien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt», GA 110.

Düsseldorf 22. April 1909

Aus der Fragenbeantwortung im Anschluß an den Vortragszyklus »Geistige Hierar­chien und ihre Widerspiegelung in der physischen Welt», GA 110.

8 Diese Aussage ist bei Plato nicht nachweisbar. Sie stammt aus den von Plutareh überlieferten Tischgesprächen, die einen Teil der Moralia bilden. Einer der Teil­nehmer des Gesprächs sagt dort: «Gott geometrisiert fortwährend - falls diese Aussage tatsächlich Plato zugeschrieben werden kann». Plutareh fügt hinzu:

»Diese Aussage steht in keiner von Plato's Schriften, ist aber genugsam bezeugt und in Harmonie mit seinem Charakter.» (Plutareh, Moralia, Quaestiones con­vivales, Buch VIII, Frage 2; Stephanus 718c)

9 Siehe dazu das Autoreferat von Rudolf Steiner, «Mathematik und Okkultismus» (1904) in Philosophie und Anthroposophie (GA 35).

10 Siehe dazu die Hinweise zu der Fragenbeantwortung vom 2. September 1906 und 28. Juni 1908. - Der Ausdruck «Geometrie der Lage» ist eine heute veraltete

Bezeichnung für die synthetische projektive Geometrie. -

#SE324a-256

11 Vom Gesichtspunkt der projektiven Geometrie aus erscheinen alle Sätze der euklidischen Geometrie, die bloß die Lage und Anordnung von Punkten, Gera­den und Ebenen betreffen (also nicht irgendwelche Maßverhältnisse) als Spe­zialfälle oder Grenzfälle allgemeiner projektiver Sätze.

12 Zwei Punkte A und B einer projektiven Geraden g gliedern diese in zwei Seg­mente (Figur 91); in einem davon liegt der Fernpunkt der Geraden g. Beide

Segmente sind im Rahmen der projektiven Geometrie Verbindungen der Punkte

A und B. Für die euklidische Geometrie ist dagegen nur dasjenige Segment eine

Verbindung von A und B, das den Fernpunkt der Geraden g nicht enthält.

#Bild s. 256

13 Gallwespe: Daß einzelne Teile eines Ganzen auch dann Wirkungen aufeinander ausüben können, wenn sie keine räumliche Einheit bilden, hat Rudolf Steiner in ähnlicher Weise auch in folgenden Vorträgen ausgeführt: Berlin, 22. Oktober 1906 (in GA 96, S. 181f.), und Dornach, 22. März 1922 (in GA 222, S. 103 ff.). Innerhalb der Fachliteratur läßt sich unter den zahlreichen Unterarten der Fa­milie der Gallwespen keine Wespenart feststellen, die der Beschreibung Rudolf Steiners entsprechen würde. Dagegen findet sich die stielartig verlängerte Ver­bindung zwischen Kopf und Hinterleib bei mehreren Arten der Familie Grab-wespen, insbesondere bei der Unterart Sandwespe. Möglicherweise liegt hier ein Hörfehler des Mitschreibers vor.

Berlin, 2. November 1910

Notizen von einer Fragenbeantwortung während des Vortragszyklus' «Psychosophze» in »Anthroposophie - Psychosophie - Pneumatosophie«, GA 115.

14 Die sinngemäßen Ergänzungen in []stützen sich auf den Vortrag vom 7. Juni 1905, sowie die Fragenbeantwortung im Anschluß an den Vortrag vom 17. Mai 1905.

Basel, 1. Oktober 1911

Notizen von einer Fragenbeantwortung nach dem Mitgliedeivortrag über »Die Äthe­risation des Blutes. Das Eingreifen des ätherischen Christus in die Erdenentwicke­lung», in »Das esoterische Christentum und die geistige Führung der Menschheit».

GA 130, S. 103.

15 Zum Verhältnis von Licht und Wärme siehe die Vorträge in Geisteswissenschafi­liche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter naturwissenschafilicher Kurs: Die Warme auf der Grenze positiver und negativer Materialität (CA 321), sowie hier weiter unten die Fragenbeantwortungen vom 11. und 31. März 1920 und vom 15. Januar 1921

#SE324a-257

München, 25. November 1912

Fragenbeantwortung nach einem öffentlichen Vortrag über «Wahrheiten der Geistes-forschung». Dieser Vortrag wurde veröffentlicht in der Zeitschrift Mensch und Welt; Blätter für Anthroposophie, 20. Jahrgang, 1968, Heft 5, S. 167-177. Er ist noch nicht in der CA erschienen.

16 Rudolf Steiner bezieht sich hier auf die mehrfach von ihm erwähnten Untersu­chungen von Bernhard Riemann (1816-1866). Siehe dazu den Hinweis 1 zum Vortrag vom 24. März 1905.

17 Oskar Simony (1852-1915). Siehe dazu den Vortrag vom 24. März 1905 und den Hinweis 14.

18 Siehe dazu Rudolf Steiner, Mein Lebeosgang (CA 28), Kapitel III, S. 63f.

19 Siehe dazu die vorangehenden Fragenbeantwortungen und die dazugehörigen Hinweise.

Berlin, 13. Februar 1913

Notizen von einer Fragenbeantwortung nach einem öffentlichen Vortrag im Architek­tenhaus über «Lionardos geistige Größe am Wendepunkt zur neueren Zeit», CA 62.

20 Goethe, Das Märchen (siehe den Hinweis 24 zum Vortrag vom 17. Mai 1905).

21 Zum okkulten Gesetz der Wiederholung und der variierten Wiederholung im allgemeinen siehe Rudolf Steiner, Die Gebeimwissenschaft im Umriß (CA 13), Kapitel «Die Weltentwickelung und der Mensch». Zum Gesetz der Wiederho­!ung als elementares Prinzip des Ätherischen siehe etwa den Vortrag vom 21. Oktober 1908 (CA 107). Dort illustriert Steiner dieses Prinzip insbesondere am Wachstum einer Pflanze und weist auf die variierte Wiederholung beim Prozeß der fortgesetzten Blattbildung hin.

22 Über Wiederholungen in Budellias Reden und deren Bedeutung spricht Rudolf Steiner auch in den Vorträgen vom 18. September 1912 (CA 139), sowie vom 27. September 1921, nachmittags (in CA 343).

23 Unter dem Einfluß von Piero della Francesca (1410-1492) und Leonardo da Vind (1452-1519) schrieb Fra Luca Pacioli (ca. 1445-1517) die Studie Divina proportione (Venedig 1509). Dabei verwendet er Zeichnungen nach Vorlagen seines Freundes Leonardo. Damit wird zum ersten Mal die ausführliche Unter­suchung der mathematischen und ästhetischen Eigenschaften des Goldenen Schnittes in den Mittelpunkt eines Werkes gestellt.

Der Goldene Schnitt (sectio aurea), auch stetige Teilung genannt, ergibt sich aus der Aufgabe, eine Strecke durch einen Punkt so in zwei Teile zu gliedern, daß der kleinere Teil sich zum größeren Teil so verhält, wie der größere Teil zur ganzen Strecke. Man kann zeigen: Wenn man eine Strecke fortgesetzt im Golde­nen Schnitt teilt, so ergibt sich eine Folge von Strecken, bei der je zwei benach­barte Glieder auch im Verhältnis des Goldenen Schnittes stehen. Daraus erklärt sich der Ausdruck stetige Teilung.

Als weitergehender Hinweis auf das Prinzip der Wiederholung und der vari­ierten Wiederholung im Zusammenhang des Goldenen Schnittes sei noch auf das

#SE324a-258

Auftauchen des Teilungsverhältnisses des Goldenen Schnittes bei regulären Ket­tenbrüchen verwiesen. Im weiteren sind die Nähezungsbrüche dieses Kettenbru­ches die Quotienten aufeinanderfolgender Glieder der Folge der Fibonacci-Zah­len 1, 1, 2, 3, 5, 8 die bei der Blattanordnung von Pflanzen (Phyllotaxis) eine große Rolle spielen. (Siehe dazu Cozeter [1981], Kapitel 11.)

Berlin, 27. November 1913

Fragenbeantwortung nach einem öffentlichen Vortrag, gehalten in Berlin im Architek­tenhaus über das Thema «Vom Tode», in GA 63.

24 Vortrag vom 19. März 1914 «Zwischen Tod und Wiedergeburt des Menschen» (in GA 63).

25 Siehe dazu und zum folgenden die Fragenbeantwortung vom 7. März 1920 und die entsprechenden Hinweise.

Stuttgart, 1919

Handschriftliche Notiz Rudolf Steiners zu einer von Georg Herberg gestellten Frage.

Das Faksimile der Handschrift Rudolf Steiners ist abgedruckt in dem Band »Geistes­w,ssenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik, Erster Narurwissenschaftli-eher Kurs», GA 320, Dornach 1987, S. 192.

Georg Herberg (1876-1963), einer der ersten Dr. Ing. in Deutschland, seit 1913 selb­ständiger beratender Ingenieur für Kraft- und Wärmewirtschaft in Stuttgart.

Stuttgart, 7. März 1920

Fragenbeantwortungen während des Vortragszyklus «Geisteswissenschaftliche Impul­se zur Entwickelung der Physik. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs», GA 321. Fragen von Hermann von Baravalle nach seinem Vortrage «Über die Relativitätstheo­rie» am 7. März 1920 in Stuttgart.

Hermann von Baravalle (1898-1973), Mathematik- und Physiklehrer an der ersten Waldorfschule in Stuttgart. - Eine Nachschrift des Vortrages von Baravalle ist bisher nicht nachweisbar.

26 In der theoretischen Physik des 19. Jahrhunderts wurden verschiedene Theorien zur Erklärung optischer Phänomene aufgestellt, die alle auf der Annahme eines physikalischen, quasimateriellen Äthers beruhen. Als theoretisches Hilfsmittel bediente man sich unter anderem der Elastizitätitheorie. Später verdrängte die elektromagnetische Lichttheorie von lames Clark Mazwell (1831-1879) zusam­men mit dem negativen Ausgang des Ätherdriftexperimentes (1881 ff.) von Albert Michelson (1852-1931) und Edward Morley (1838-1923) die Vorstellung eines quasimateriellen Äthers, ohne ihn dadurch vollkommen aus der Physik zu ver­drängen. (Siehe zur Entwicklung und zum Stellenwert von Äthertheorien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Whittaker [1951-53].)

#SE324a-259

Arnold Sommerfeld (1868-1951) diskutiert in Band II seiner Vorlesungen über theoretische Physik [1944], § 15, ein auf einem quasielastischen Körper beruhen­des Äthermodell, das auf Untersuchungen von James Maccullagb (1809-1847) zurückgeht (siehe dazu auch Klein [1926], S. 231f. und 243). Sommerfeld zeigt, daß die Bewegungsgleichungen dieses Kötpers die Form der Mazwell-Gleichun­gen der Elektrodynamik für den leeren Raum annehmen.

Friedrich Dustmann [1991] zeigt, daß dieses Äthermodell in mehrfacher Hin­sicht mit dem übereinstimmt, was Steiner hier und an anderen Stellen von einer Lichttheorie fordert. Darüber hinaus liegt diesem quasielastischen Äthermodell ein spezieller antisymmetrischer Spannungstenior zugrunde, der, geometrisch gesehen, einen linearen Komplex repräsentiert. Dadurch ergibt sich eine Brücke zur Theorie hyperkomplexer Zahlen, von denen Steiner in der Fragenbeantwor­tung vom 11. März 1920 (Strakosch) spricht (siehe dazu vor allem Gichwind [1991], insbesondere Abschnitt 8.5, und [1986], S. 158-61).

Ob sich Steiner hier indirekt auf Arbeiten zur mechanisch-elastischen Licht-theorie bezieht und an eine geeignete Erweiterung oder Ergänzung solcher Theorien aus seiner Zeit gedacht hat, läßt sich nicht mehr rekonstruieren.

Man muß jedenfalls im Auge behalten, daß seine Hinweise zur Umgestaltung oder Neuformulierung einer mathematisch-physikalischen Athertheorie nicht bloß im Rahmen einer rein materiell-phyiikalischen Erscheinungiweise des Lichtes zu denken sind (siehe dazu die Fragenbeanwortung vom 11. März 1920 [Blümel], 31. März 1920 und 15. Januar 1921 mit den entsprechenden Hinweise). Von diesem Gesichtspunkt aus handelt es sich hier und im folgenden nicht um eine Kritik der physikalischen Grundlagen der speziellen Relativitätstheorie Ein-steins, sondern um einen Aufruf, die Gesichtspunkte der Physik in geeigneter Weise durch Methoden und Begriffe der anthroposophischen Geisteswissen­schaft zu erweitern (siehe dazu den Vortrag vom 6. Januar 1923 in GA 326).

Ähnlich lautende Äußerungen Steiners zum elastischen Zurückschwingen des

Lichtes finden sich im Vortrag vom 6. Dezember 1919 (GA 194), in der Lehrer-

konferenz vom 25. September 1919 (GA 300a) und im Vortrag vom 16. Februar

1924 (GA 235). - Ähnliche Aussagen über das Verhalten der physikalischen

Energie finden sich in der Fragenbeantwortung vom 12. November 1917 (GA

73, S. 157ff.).

27 Albert Einstein (1879-1955), Physiker in Zürich, Berlin und Princeton; Begrün­der der speziellen Relativitätstheorie und der allgemeinen Gravitationitheorie.

Die einzige Stelle, wo sich Steiner in seinem schriftlichen Werk zur speziellen Relativitätstheorie geäußert hat, findet sich in den Rätseln der Philosophie (GA 18), S. 590-93. Dieser Stelle kommt für die Beurteilung aller in Vorträgen und Fragenbeantwortungen ausgeführten Gedanken Steiners zur Relativitätstheorie eine grundlegende Bedeutung zu. Um den Hauptgesichtspunkt Steiners gegen­über der Relativitätstheorie deutlich zu machen, soll sie deshalb hier vollständig zitiert werden:

«Eine neue Gedankenrichtung ist angeregt worden durch die Umwandlung grundlegender physikalischer Begriffe, die Einstein (1879-1955) versucht hat. Dieser Versuch ist auch für die Weltanschauungsentwickelung von Bedeutung. Die Physik verfolgte bisher die ihr vorliegenden Erscheinungen so, daß sie sie in dem leeren dreidimensionalen Raum angeordnet und in der eindimensionalen Zeit verlaufend dachte. Der Raum und die Zeit waren dabei als außer den Din­gen und Vorgängen angenommen. Sie waren gewissermaßen für sich bestehende, in sich starre Größen. Für die Dinge wurden im Raume die Entfernungen, für

#SE324a-260

die Vorgänge die Zeitdauer gemessen. Entfernung und Dauer gehörten, nach dieser Anschauung dem Raum und der Zeit, nicht den Dingen und Vorgängen an. Dem tritt nun die von Einstein eingeleitete Relativitätstheorie entgegen. Für sie ist die Entfernung zweier Dinge etwas, das diesen Dingen selbst zugehört. Wie ein Ding sonstige Eigenschaften hat, so hat es auch diese, von irgend einem zweiten Dinge eine bestimmte Entfernung zu haben. Außer diesen Beziehungen zueinander, die sich die Dinge durch ihr Wesen geben, ist nirgends etwas wie ein Raum vorhanden. Die Annahme eines Raumes macht eine für diesen Raum ge­dachte Geometrie möglich. Diese Geometrie kann dann auf die Dingwelt ange­wendet werden. Sie kommt in der bloßen Gedankenwelt zustande. Die Dinge müssen sich ihr fügen. Man kann sagen, den gedanklich vorder Beobachtung der Dinge festgestellten Gesetzen müssen die Verhältnisse der Welt folgen. Im Sinne der Relativitätstheorie wird diese Geometrie entthront. Vorhanden sind nur Dinge, und diese stehen untereinander in Verhältnissen, die sich als geometrisch darstellen. Die Geometrie wird ein Teil der Physik. Dann aber kann man nicht mehr davon sprechen, daß sich ihre Gesetze vor der Beobachtung der Dinge feststellen lassen. Kein Ding hat irgend einen Ort im Raume, sondern nur Ent­fernungen im Verhältnis zu anderen Dingen.

Ein gleiches wird für die Zeit angenommen. Kein Vorgang ist in einem Zeit­punkte; sondern er geschieht in einer Zeitentfernung von einem andern Vorgang. So aber fließen Zeitentfernungen der Dinge im Verhältnis zueinander und Raumentfernungen als gleichartig ineinander. Die Zeit wird eine vierte Dimen­sion, die den drei Raumdimensionen gleichartig ist. Ein Vorgang an einem Dinge kann nur bestimmt werden als das, was in einer Zeitentfernung und Raument­fernung von anderen Vorgängen geschieht. Die Bewegung eines Dinges wird etwas, was nur im Verhältnis zu anderen Dingen gedacht werden kann.

Man erwartet, daß nur diese Anschauung einwandfreie Erklärungen gewisser physikalischer Vorgänge liefern werde, während solche Vorgänge bei Annahme eines für sich bestehenden Raumes und einer für sich bestehenden Zeit zu wider­spruchsvollen Gedanken führen.

Bedenkt man, daß für viele Denker bisher nur das als Wissenschaft von der Natur galt, was sich mathematisch darstellen läßt, so liegt in dieser Relativitäts­theorie nichts geringeres als die Nichtigkeitserklärung einer jeglichen wirklichen Wissenschaft über die Natur. Denn das Wissenschaftliche der Mathematik wurde gerade darin gesehen, daß sie unabhängig von der Naturbeobachtung die Gesetze des Raumes und der Zeit feststellen konnte. Demgegenüber sollen nun die Na­turdinge und Naturvorgänge selbst die Raum- und Zeitverhältnisse feststellen. Sie sollen das Mathematische liefern. Das einzig Sichere wird an ihre Unsicher­heit abgegeben.

Nach dieser Anschauung wird aus dem Verhältnis des Menschen zur Natur jeder Gedanke an ein Wesenhaftes, das in sich selber sich seine Bestimmung im Sein gibt, ausgeschlossen. Alles ist nur im Verhältnis zu anderem.

Insoferne der Mensch sich innerhalb der Naturdinge und Naturvorgänge be­trachtet, wird er den Folgerungen dieser Relativitätstheorie nicht entgehen kön­nen. - Will er aber, wie es das Erleben des eigenen Wesens notwendig macht, sich nicht in bloße Relativitäten wie in einer seelischen Ohnmacht verlieren, so wird er das fortan nicht im Bereiche der Natur suchen dürfen, sondern in der Erhebung über die Natur, im Reiche des Geistes.

Der Relativitätstheorie für die physische Welt wird man nicht entkommen; man wird aber eben dadurch in Geist-Erkenntnis getrieben werden. In dem Erweisen der Notwendigkeit einer Geist-Erkenntnis, die unabhängig von der

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Naturbeobachtung auf geistigen Wegen gesucht wird, liegt das Bedeutsame der

Relativitätstheorie. Daß sie so zu denken nötigt, macht ihren Wert innerhalb der

Weltanschauungsentwickelung aus.»

Siehe zu den in dieser Fragenbeantwortung angesprochenen spezifischen Pro­blemen der Relativitätstheorie Unger [1967], Kapitel VIII, und Gschwind [1986] sowie die dort angegebene Literatur. Im letzteren Buch kommen insbesondere die Kapitel «Das Problem der Gleichzeitigkeit», «Zur speziellen Relativitäts­theorie» und «Zur Phänomenologie in Licht- und Elektrizitätslehre« in Betracht. (Siehe auch die Ergänzungen zu diesem Hinweis in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, Dornach 1995, S. 4f.)

Rudolf Steiner hat wiederholt über die Relativitätstheorie gesprochen, wobei es ihm auf eine deutliche Unterscheidung von spezieller Relativitätstheorie und allgemeiner Gravitationstheorie (von Einstein auch allgemeine Relativitätstheorie genannt) offenbar nicht ankam. Im folgenden sind, ohne Anspruch auf Vollstän­digkeit, Vdrträge und Fragenbeantwortungen (FB) angeführt, in denen die Rela­tivitätstheorie (RT) diskutiert oder erwähnt wird.

Vortrag Jahr GA Seite Stichworte

27. November 1913 324a FB RT, Geschwindigkeit

1914 18 590-3 Einstein, RT, Raum, Zeit

20. August 1915 164 251-67 Geschwindigkeit, Flammarion

(Lumen), Einstein, Minkowski,

Planck, Poincaré

15. April 1916 65 657-8 Ätherbegriff (Planck), Schwer­

kraft

21. August 1916 170 178-81 RT, Einstein, Lorentz

7. August 1917 176 239 RT, Einstein

29. August 1919 294 121-3 Schwerkraft, RT, Einstein

25. September 1919 300a 92-3 RT, Einstein, Lorentz

1. März 1920 321 20-2 Einstein, RT, Lichtablenkung

3. März 1920 321 57 Einstein, RT, vierte Dimension

7. März 1920 324a FB (Baravalle) Lichtgeschwindigkeit, RT, Ein­

stein, Lichtablenkung

7. März 1920 324a FB (Herberg) Masse-Energie-Gleichung,

Einstein

24. März 1920 73a Sonderausg. Einstein, Lorentz,

1950, 12-3 Masse/Energie

27. März 1920 73a Sonderausg. RT, Äther,Lichtgeschwindig­

1950, 45-51 keit, Einstein, Mie, Nordström

31. März 1920 324a FB Ätherbegriff (Planck), RT.

imponderable Materie

18. April 1920 201 90-1 Einstein, RT

24. April 1920 201 129-31 RT, Schwerkraft, Einstein

1. Mai 1920 201 163 RT, Merkurtheorie

15. Mai 1920 201 233 Einstein, RT, Gravitation

22. September 1920 300a 233 Einstein (erwähnt)

15. Oktober 1920 324a FB RT, Geschwindigkeit, Einstein

15. Januar 1921 324a FB RT, Einstein (erwähnt)

7. April 1921 76/324aFB RT, Logik (erwähnt)

12. April 1921 313 30 Äther, Einstein (erwähnt)

#SE324a-262

27. Juni 1921 250f.

28. Juni 1921 205 42-3, 51 Einstein, RT

S. Juli 1921 205 l50-l Einstein, RT, Logik

7. August 1921 206 110 Einstein, RT (erwähnt)

14. Oktober 1921 339 74 Einstein, RT (erwähnt)

15. Oktober 1921 207 168-9 RT (erwähnt)

4. November 1921 208 137 Einstein RT (erwähnt)

31. Dezember 1921 209 186 Einstein (erwähnt)

15. März 1922 300b 77 Einstein (erwähnt)

12. April 1922 82/324aFB RT, Einstein, Absolutheiten

27. Dezember 1922 326 68 RT, Newton (erwähnt)

2. Januar 1923 326 113 RT (erwähnt)

28. Juli 1923 228 25-30 RT, Einstein, Licht

29. Juli 1923 228 52-3 RT, Einstein, Schwerkraft

29. Juli 1923 291 209-10 RT, Einstein, Schwerkraft

15. September 1923 291 126-7 RT, Einstein

16. November 1923 319 FB, 141 RT, Qualitäten

2. Januar 1924 316 25 RT (erwähnt)

20. Februar 1924 352 FB, 152 Einstein, RT

27. Februar 1924 352 175-91 Einstein, RT, Kopernikus,

Astronomie

1. März 1924 235 84-5 RT (erwähnt)

16. April 1924 309 64 RT, Einstein (erwähnt)

30. April 1924 300c 159-60 RT

17. Mai 1924 353 248 RT (erwähnt>, Astronomie

20. Juli 1924 310 75-6 RT, Einstein, Schall

22. Juli 1924 310 116 RT (erwähnt)

19. Aug'ist 1924 311 120-1 RT, Einstein

28. Hier wird deutlich, daß Rudolf Steiners Kritik von Einsteins Überlegungen nicht deren rein physikalischen Kern betrifft, sondern deren Übertragung auf Zusam­menhänge und Lebensgebiete, die nicht mehr der Physik im Sinne einer Wissen­schaft des Anorganischen allein zuzurechnen sind.

29. Auf die Initiative des britischen Astronomen und Astrophysikers Arthur Ed­dington (1882-1944) wurde eine experimentelle Prüfung der Vorhersage Ein-steins vorgenommen, daß Lichtstrahlen durch Gravitationsfelder beeinflußt wer­den (Gravitationsaberration). Die Überprüfung sollte anhand der Veränderung von Fixsternorten in der Nähe der Sonne während einer Sonnenfinsternis statt­finden. Zwei britische Expeditionen (eine zur Westküite Afrikas, die andere nach Nordbrasilien) erhielten den Auftrag, während der Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919 die Sonnenumgebung zu photographieren und mit den bekannten Sternorten zu vergleichen. Das Ergebnis wurde am 6. November 1919 veröffent­licht und als Triumph der Theorie Einsteins verkündet. Die Ablenkung betrug am Sonnenrand, wie von Einsteins Theorie vorhergesagt, etwa 1.75 Bogensekun­den. Damals erhoben sich sofort Zweifel, ob die Genauigkeit der gefundenen Abweichungen für eine völlige Sicherung von Einsteins Theorie hinreichend waren.

Steiners Einwand bezieht sich möglicherweise nicht auf diese den damaligen meßteehnischen Methoden anhaftenden Unsicherheiten (die durch spätere Wiederholungen

#SE324a-263

dieses und anderer Experimente überholt wurden), sondern auf das mehr prinzipielle Problem, ob durch noch so präzise quantitative experimentelle Bestätigungen eines theoretischen mathematischen Modells dessen Wirklich­keitsgemäßheit oder Wahrheit mit hinreichender Gewißheit verbürgt werden könne.

In seinen Anmerkungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (Ge schichte der Farbenlehre Erster Teil Sechste Abteilung Newtons Personlieh keit) schreibt Steiner zu diesem Problem »Die mathematischen Urteile sind wie alle andern, die Ergebnisse gewisser Voraussetzungen die angenommen werden müssen. Nur wenn diese Voraussetzungen in richtiger Weise auf die Erfahrung angewendet werden, dann muß die letztere auch den Schlußfolgerungen entspre ehen. Umgekehrt aber darf nicht geschlossen werden Eine Tatsache der Erfah rung kann ganz gut mit mathematischen Schlußfolgerungen zu denen man ge kommen ist, übereinstimmen, und doch konnen in der Wirklichkeit andere Voraussetzungen bestehen, als sie die mathematische Naturforschung macht. Wenn zum Beispiel die Lichterseheinungen der Interferenz und Beugung mit den Folgerungen der Undulationitheorie stimmen, so braucht die letztere des­halb durchaus noch nicht richtig zu sein. Es ist überhaupt eine ganz falsche Voraussetzung, daß eine Hypothese richtig sein muß, wenn sich die Tatsachen der Erfahrung aus ihr erklären lassen. Dieselben Wirkungen können auch ver­schiedenen Ursachen entstammen, und es ist notwendig, die Berechtigung der angenommenen Voraussetzungen unmittelbar zu erweisen, nicht auf dem Um­wege durch die Bestätigung vermittelst der Folgen.» (Goethes Naturwissen­schafiliche Schrzften, herausgegeben vnn Rudolf Steiner, 4. Band, GA ld, S. 335.)

30 Siehe Einstein, Das Relativitätsprinzis [1911], S. 12f.:

»Am drolligsten wird die Sache, wenn man sieh folgendes ausgeführt denkt: man gibt dieser Uhr eine sehr große Geschwindigkeit (nahezu gleich c) und läßt sie in gleichförmiger Bewegung weiterfliegen und gibt ihr dann, nachdem sie eine große Strecke durchflogen hat, einen Impuls in entgegengesetzter Richtung, so daß sie wieder an die Ursprungsitelle, von der sie abgeschleudert worden ist, zurückommt. Es stellt sich dann heraus, daß sich die Zeigerstellung dieser Uhr, während ihrer ganzen Reise, fast nicht geändert hat, während eine unterdessen am Orte des Abichleuderns in ruhendem Zustande verbliebene Uhr von genau gleicher Beschaffenheit ihre Zeigerstellung sehr wesentlich geändert hat. Man muß hinzufügen, daß das, was für diese Uhr gilt, welche wir als einen einfachen Repräsentanten alles physikalischen Geschehens eingeführt haben, auch gilt für ein in sich abgeschlossenes physikalisches System irgendwelcher anderer Be­schaffenheit. Wenn wir z. B. einen lebenden Organismus in eine Schachtel hin­einbrächten und ihn dieselbe Hin- und Herbewegung ausführen ließen wie vor­her die Uhr, so könnte man es erreichen, daß dieser Organismus nach einem beliebig langen Fluge beliebig wenig geändert wieder an seinen ursprünglichen Ort zurüekkehrt, während ganz entsprechend beschaffene Organismen, welche an den ursprünglichen Orten ruhend geblieben sind, bereits längst neuen Gene­rationen Platz gemacht haben. Für den bewegten Organismus war die lange Zeit der Reise nur ein Augenblick, falls die Bewegung annähernd mit Lichtgeschwin­digkeit erfolgte! Dies ist eine unabweisbare Konsequenz der von uns zugrunde gelegten Prinzipien, die die Erfahrung uns aufdrängt. [...]

Von den physikalisch wichtigen Folgerungen der Relativitätstheorie muß die folgende erwähnt werden. Wir haben vorhin gesehen, daß eine bewegte Uhr nach

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der Relativitätstheorie langsamer läuft als dieselbe Uhr im ruhenden Zustande. Wohl dürfte es für immer ausgeschlossen bleiben, daß wir dieses durch Experi­mente mit einer Taschenuhr verifizieren werden, weil die Geschwindigkeiten, die wir einer solchen mitteilen können, gegen die Lichtgeschwindigkeit verschwin­dend klein sind. Aber die Natur bietet uns Objekte dar, welche durchaus den Cha­rakter von Uhren haben und außerordentlich rasch bewegt werden können. Es sind dies die Spektrallinien aussendenden Atome, denen wir mittelst des elektri­schen Feldes Geschwindigkeiten von mehreren tausend Kilometern mitteilen kön­nen (Kanalstrahlen). Es ist nach der Theorie zu erwarten, daß die Schwingungsfre­quenzen dieser Atome durch deren Bewegung in genau derjenigen Weise beein­flußt erscheinen, wie dies für die bewegten Ulsren abzuleiten ist.»

Hier zeigt sich deutlich, daß Einstein seine zunächst auf rein physikalischen Überlegungen beruhenden Theorien ohne weitere Bedenken auch auf nicht mehr allein der Physik zugehörige Objekte ausdehnt. Damit behauptet er implizit, daß die Relativitätstheorie keine bloß physikalische Systeme im engeren Sinne um­fassende Theorie ist, sondern daß ihr der Kosmos in seiner Ganzheit zugrunde­liegt. In dieser wenig differenzierten Betrachtungsweise liegt in erster Linie der Grund von Steiners harten Vorwürfen gegen die Abstraktheit und Wirklichkeits­fremdheit von Einsteins Denken.

Daß Einstein tatsächlich keinen wesentlichen Unterschied zwischen den ver­schiedenen Wirklichkcitsgebieten zugeben wollte, zeigt folgender zeitgenössi­scher Erlebnisbericht des Physikers und eifrigen Popularisators der Einstein-sehen Relativitätstheorie, Rudolf Lämmel (1879-1971), in seinem Buch Die Grundlagen der Relativitätstheorie [1921]: «Als die merkwürdigste Folge der neuen Vorstellungen [der Relativitätstheorie] wird allgemein fölgendes betrach­tet: bewegte Längen sind für den ruhenden Beobachter kürzer als für den mit-bewegten. Ebenso erscheint der Ablauf der Zeit für einen >ruhenden> Beobachter langsamer als für einen mit der Uhr mitbewegten [...]. Wenn wir heute eine Expedition von der Erde wegschicken, die mit halber Lichtgeschwindigkeit in den Weltraum hinaussaust, so sollte danach folgendes eintreten: kehrt die Expe­dition nach 11 ,/2-jähriger Abwesenheit (mit gleicher Geschwindigkeit) zurück, so stellen die Teilnehmer fest, daß sie genau zehn Jahre unterwegs gewesen seien! [...] Die Fragen: >wie lang ist diese Strecke> und >wie [ange dauert diese Zeit> sind also nicht mehr überhaupt zu beantworten, sondern nur noch in bezug auf gewisse Beobachter, also relativ. Und diese Erkenntnis ist nicht eine bloße philosophische Bemerkung, sondern ein rechnurigsmäßig feststehender Zusars­menhang.

In seinen Züricher Vorträgen [in der Physikalischen Gesellschaft und in der Naturforschenden Gesellschafi] hat Einstein an das obige Beispiel der Reisedauer angeknüpft; er hat gefolgert, daß demnach die Reisegesellschaft unter Umstän­den ihre frühen Zeitgenossen als Greise wiedertreffen würde, während sie selber nur wenige Jahre unterwegs gewesen sein könnte. Dem opponierte der Verfasser. Der Schluß sei für Maßstäbe und Uhren, nicht aber für lebendige Wesen gezo­gen. Einstein aber erwiderte: Alle Vorgänge im Blut, in den Nerven usw. sind letzten Endes periodische Schwingungen, also Bewegungen. Für jegliche Bewe­gung aber gilt das Relativitätsprinzip; also ist die Folgerung wegen des ungleich schnellen Alterns zulässig? » (S. 84f.)

Zur Debatte um die Relativitätstheorie in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahr­hunderts siehe die gründliche Studie von Hentschel [1990].

#SE324a-265

31 Es handelt sich hier um das später unter der Bezeichnung «Uhren-Paradoxon» oder «Zwillings-Paradoxon» bekannt gewordene Problem. Siehe dazu die Paral­lelstelle in der Fragenbeantwortung vom 15. Oktober 1920.

32 Siehe dazu den Hinweis 26 zur Äthertheorie.

33 Siehe dazu die ausführliche Darstellung im Vortrag vom 20. August 1915 (GA

164). - Wird die Gleichung s = c . t als Größengleichung interpretiert, so ist es unumgänglich, daß t eine andere Dimension hat als s und c; jedenfalls ist t sicher nicht dimensionslos. Das wird Steiner auch nicht gemeint haben, denn dies er­gäbe im Rahmen des Dimensionskalküls der Physik keinen Sinn. Steiner geht es nicht um eine Korrektur des Dimensionskalküls, sondern um das Problem der Realität der in der Physik auftauchenden Rechengrößen und -operationen. In diesem Sinne kommt der Größe t keine Realität zu, auch wenn sie in den For­meln mit NotwendJgkeit mit einer bestimmten Dimension auftaucht. Die »Zeit» t ist nicht ein dimensionsloser Faktor, sondern ein realitätsloser Faktor, eine reine, realitätslose Zahl.

34 Zur Geschwindigkeit als Realität siehe die folgenden Parallelstellen: Fragenbeant­wortung vom 27. November 1913, Vorträge vom 20. August 1915 (GA 164), 6. Dezember 1919 (GA 194), 27. Dezember 1919 und 2. Januar 1920 (GA 320), Fra­genbeantwortung vom 15. Oktober 1920, Vortrag vom 6. Januar 1923 (GA 326).

35 Siehe dazu Rudolf Steiner, Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Scbrzften (GA 1), Kapitel XVI.2, «Das Urphänomen».

36 Gemeint ist hier die ungeschützte Bewegung in der Luft (und nicht im Flugzeug

oder in ähnlichen Gefährten). Siehe dazu die Parallelstellen in den Vorträgen vom

7. August 1917 (GA 176), 25. September 1919 (GA 300a), 27. Juni 1921 (GA 250f.),

28. Juni 1921 (GA 205), 30. April 1924 (GA 300c), 20. Juli 1924 (GA 310).

Stuttgart 7. März 1920 Fragenheantwortung während des Vortragszyklus "Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik"

#G324a-1995-SE265 Die verite Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

Stuttgart 7. März 1920

Fragenheantwortung während des Vortragszyklus « Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs», GA 321. Fragen von Georg Herherg

37 Das Datum dieser Fragenbeantwortung ist anhand der vorhandenen Dokumente im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung nicht mit Sicherheit festzustel­len. Die Datierung von Hans Schmidt (Das vortragswerk Rudolf Steiners, Dorn-ach 1978, 2. erweiterte Auflage, S.319) auf den 13. März 1920 ist unwahrschein­lich, da weder im Vortrag Rudolf Steiners vom 13. März 1920 (GA 321) noch in der Fragenbeantwortung nach einem Vortrag von Eugen Kolisko über «Hypo­thesenfreie Chemie» am selben Tage von der Relativitätstheorie die Rede war. Die Art der Anknüpfung Steiners legt nahe, die vorliegende Fragenbeantwor­tung auf den 7. März zu datieren, im Anschluß an die Fragenbeantworung nach dem Vortrag von Hermann von Baravalle «Über die Relativitätstheorie» vom 7. März 1920.

38 In der Nachschrift der Fragestellung steht anstatt «Strahlung» der Ausdruck «Drehung», was in diesem Zusammenhang keinen rekonstruierbaren Sinn ergibt.

#SE324a-266

39 Es handelt sich hier um das Phänomen der Elektrizitätsleitung in verdünnten Gasen, meist kurz als Gasentladung bezeichnet. Insbesondere ist hier von Ka­thodenstrahlen die Rede, das heißt von einem Strom gerichtet fliegender Elektro­nen, der durch eine zwischen der Anode und der Kathode einer evakuierten Röhre angelegte Spannung induziert wird. Die Ausführungen Steiners stimmen mit den Standardüberlegungen der Physiker zusammen.

Die den einzelnen Elekronen (mit der Ladung e) des Elektronenstroms durch das elektrische Feld mit der Spannung U erteilte kinetische Energie

1

- mv2 = eU

2

spielt bei allen Berechnungen im Zusammenhang mit Gasentladungen eine be­stimmende Rolle. Außerdem hängt die Kraft K der Ablenkung einer Ladung e in einem Magnetfeld B von der Geschwindigkeit v ab (Lorentz-Kraft):

K = evB.

Zur Gasentladung siehe auch den Vortrag vom 2. Januar 1920 (GA 320).

40 Einsteins Formel E = mc2 stellt die Proportionalität von Energie und träger Masse fest. Sie ist oft als das wichtigste Ergebnis der speziellen Relativitätstheo­rie bezeichnet worden. Wie für andere physikalische Grundgleichungen gibt es auch für die Formel E = mc2 keinen eigentlichen Beweis, höchstens gewisse Rechtfertigungen (siehe unten). Dementsprechend wird diese Formel der relati­vistischen Physik im Sinne eines Postulates zugrunde gelegt.

Nach Einstein [1917], § 15, hat ein mit der Geschwindigkeit v bewegter Kör­per der Ruhemasse m die kinetische Energie (c = Lichtgeschwindigkeit)

# Bild s. 266

Ist v « c, so bleibt im nichtrelativistischen Grenzfall v/c - 0 der Ausdruck mc2

+ 1/2 mv2 übrig. Die Ruheenergie mc2 muß also zur gewöhnlichen kinetischen Energie 1/2 mv2 hinzugerechnet werden, falls die nichtrelativistische Mechanik sich als Grenzfall v/c - 0 aus der relativistischen Mechanik ergeben soll. An der nichtrelativistischen Mechanik ändert sich dadurch nichts, weil mc2 eine unver­änderliche Konstante ist, die lediglich Einfluß auf den nur konventionell festge­legten Nullpunkt der Energieskala hat.

41 An dieser Stelle steht in der Nachschrift « . . Masse und Energie waren nur eine Maskierung der alten Formel

p.g.Energie.»

#SE324a-267

Der Sinn dieser Formel, falls sie richtig überliefert worden ist, ist nicht mehr rekonstruierbar. Wahrscheinlich ist hier die Formel für die potentielle Energie U eines Körpers mit der Masse m im Gravitationsfeld gemeint:

U = mgz,

wo g die Gravitationskonstante und z die z-Koordinate bezeichnet. Tatsächlich ergibt sich aus den in Hinweis 40 angeführten Überlegungen, daß E = mc2 die Rolle einer Art potentiellen Energie (Ruheenergie) spielt, die jedoch für die Rechnungen der nichtrelativistischen Mechanik ohne direkte Bedeutung ist.

42 Wird p im Sinne von potentia als Kraft gedeutet, so repräsentiert die Formel A «p.s

die Arbeit A einer unveränderlichen Kraft p längs des Weges s.

Stuttgart, 11. März 1920

Fragenbeantwortung während des Vortragszyklus »Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs«, GA 321. Fragen von Ernst Blümel nach seinem Vortrage «Über das Imaginäre und den Begriff des Unendlichen und Unmöglichen» am 11. März 1920.

Ernst Blümel (1884-1952), Mathematik-Lehrer an der Fortbildungsschule am Goe­theanum in Dornach und an der ersten Waldotfschule in Stuttgart. - Eine Nachsehrift des Vortrages von Blümel ist bis jetzt nicht nachweisbar.

43 Frage des Herrn Müller: Ernst Müller (1880-1954), Mathematiker, Schriftsteller, Gelehrter des Hebräischen und der Kabbala, hatte eine Vortrag gehalten über «Methoden der Mathematik» am S. März 1920 in Stuttgart. - Es ist bisher weder eine Nachschrift des Vortrages von Müller noch eine Nachsehrift der Fragenbe­antwortung Steiners nachweisbar.

44 Zur Metamorphose des Röhrenkriochens zum Kopfknochen siehe auch die Vor-träge vom 1. September 1919 (GA 293) und 10. April 1920 (GA 201) sowie vom 1., 10., 11., 15. und 17. Januar 1921 (GA 323).

45 Zur Realität der imaginären Zahlen siehe auch die Vorträge vom 12. März 1920 (GA 321) und 18. Januar 1921 (GA 323).

46 Rudolf Steiner, Geisteswissenschaftliche Impulse zu Entwickelung der Physik. Zweiter Naturwissenschaftlicher Kurs; Die Wärme auf der Grenze positiver und negativer Materialität (GA 321). Siehe insbesondere die Vorträge vom 10. und 11. März 1920.

47 Siehe zum folgenden die Vorträge vom 12. und 14. März 1920 (GA 321). - Eine Materialsammlung zu einem Versuch zur Biegung des Spektrums mit Hilfe eines starken Magneten findet sich in den Beiträgen zur Rudolf Steiner Gesamtausga­be, Heft 95/96, 1987.

48 Textvariante: «... das Rot nach der Lage hinausgeht.»

#SE324a-268

49 Siehe dazu die Ausführungen über Äther und Gegenraum in den Vorträgen vom

8., 15. und 18. Januar 1921 (GA 323) sowie die Fragenbeantwortung vom 7, April 1921 (GA 76), die Vorträge vom 8. und 9. April 1922 (GA 82) und die Fragenbeantwortung vom 12. April 1922 (GA 82).

50 Über ein entsprechendes persönliches Erlebnis während einer Vorlesung an der Universität Wien berichtet Rudolf Steiner im Vortrag vom 11. Mai 1917 (GA 174b). Leo Königsberger (1837-1921), ein damals bekannter Mathematiker, lehn­te nach dem Bericht Steiners hyperkompleze Zahlen ab, da sie zu Nullteilern führen (siehe dazu Hinweis 59). - Ebenso wie die komplezen Zahlen sich nur langsam durchsetzen konnten, wurden auch die überimaginären oder hyperkom­plexen Zahlen von den Mathematikern nur zögernd anerkannt. Die Auseinan­dersetzung, auf welche Steiner anspielt, hat ihren Hintergrund unter anderem auch in dem Gegensatz zwischen den Vertretern des auf William Rowan Hamil­ton (1805-1865) zurückgehenden Quaternionenkalküls und der Vektoranalysis, wie sie von Oliver Heaviside (1850-1925) und Josiah Gibhs (1839-1903) entwik­kelt wurde. Wegen der mit dem Ausbau der Vektoranalysis einhergehenden Fortschritte in der theoretischen Physik, gewann diese im Anwendungsbereich zunächst die Oberhand. Im Zuge des Ausbaus der abstrakten Algebra wurden aber etwa in derselben Zeit auch verschiedenen Systeme hyperkomplexer Zahlen entwickelt und klassifiziert.

Zur genannten Auseinandersetzung siehe Schouten [1914], Einleitung, sowie Crowe [1967]; zur Geschichte der Entdeckung und Ausarbeitung hyperkomple­zer Zahlensysteme siehe Van der Waerden [1985] und zur Mathematik hyper­komplexer Zahlen Ebbinghaus et al. [1988], Teil B. In der modernen theoreti­schen Physik finden diese und andere verallgemeinerte Zahlensysteme mannig­fache Anwendung (siehe dazu Gschwind [1991] und die dort angegebene Lite­ratur).

51 Rudolf Steiner wurde nach seinem Bericht im Vortrag vom 11. Mai 1917 (GA

174b) in einer Vorlesung von Leo Königsberger (1837-1921) auf das mathemati­sche Problem von Nullteilern aufmerksam. Nullteiler sind verallgemeinerte Zah­len, für die das Produkt Null ergibt, ohne daß die Faktoren gleich Null sind. Königsberger erwähnt dieses Problem in der ersten Vorlesung seiner Vorlesun­gen über die Tbeorie der elliptisechen Funktionen [1874], S. 10-12, und schreibt dort bezüglich der Existenz hyperkomplezer Zahlen: »Sollen nun Größen dieser Art eine Einführung in die reine Arithmetik gestatten, so muß die Rechnung mit ihnen nach den für die bereits behandelten Zahlen aufgestellen Rechnungsregeln

- indem wir die Gültigkeit gemeinsamer Rechnungsrcgeln für alle arithmetischen Größen als eine nothwendig zu erfüllende Bedingung festhalten - zu Resultaten führen, welche nicht den für reelle und complexe imaginäre Zahlen gefundenen Hauptsätzen der Arithmetik widersprechen, und es müssen somit auch zwei Zahlen derselben Gattung, nach den Regeln für mehrgliedrige Ausdrücke mit einander multiplicirt, eine Zahl derselben Gattung liefern, welche nicht ver­schwinden kann, wenn nicht einer der Factoren Null wird.»

Im folgenden wird konkret gezeigt, daß das Produkt zweier solcher hyper­komplexer Zahlen tatsächlich verschwinden kann, ohne daß einer der Faktoren Null sein muß, «was jedoch der für reelle Zahlen bestehenden Grundregel wi­derstreitet, daß ein Produkt nur dann den Werth Null annimmt, wenn einer der Factoren verschwindet.»

Später erhielt Steiner von Oskar Simony die mit einer persönlichen Widmung versehene Schrift »Über zwei universelle Verallgemeinerungen der algebraischen

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Grundoperationen» [1885]. Simony diskutiert das Problem der Existenz von Nullteilern gleich zu Beginn dieser Schrift, die der konkreten Konstruktion von zwei Systemen hyperkomplexer Zahlen gewidmet ist, wovon das eine Nullteiler enthält ([1885], § S. (Siehe auch die Ergänzung zu diesem Hinweis in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, Dornach 1995, S. 5.)

Das Steiner vom Verfasser mit einer persönlichen Widmung überreichte Buch Schouten [1914] enthält ebenfalls eine Einführung in hyperkomplexe Zahlensy­steme (hier assoziative Systeme genannt); Nullteiler werden erwähnt auf S. 15.

52 Siehe dazu die Untersuchungen von Gschwind [1991] und die dort angegebene weiterführende Literatur.

53 In der maschinensehriftlichen Nachsehrift steht an dieser Stelle «Rotations-Par­allelepopoden», ein in der Mathematik nicht bekannter Ausdruck. Es muß sich entweder um einen Hörfehler oder einen Übertragungsfehler handeln. Daß es sich um den Ausdruck »Parallelepipedon» (Paralellflächner, Parallelepided) han­deln könnte, ist aus dem Textzusammenhang eher unwahrscheinlich. In allen im Archiv erhaltenen Nachsehriften ist der Ausdruck «Parallelepopoden» durchge­strichen und handschriftlich ersetzt durch «Parabolide».

Rotations-Paraboloide sind Flächen, die durch Rotation einer Parabel um ihre Symmetrieachse entstehen. Bei dieser Interpretation ergibt sich das Problem, wie eine solche Fläche mit rotierenden Kegeln in einen Zusammenhang gebracht werden könnte. Ohne auf dieses Problem näher einzugehen, hat sich Gschwind [1991] aus guten Gründen für diese Version entschieden und davon ausgehend wichtige und fruchtbare Folgerungen gezogen. Insbesondere konnte ein Zusam­menhang solcher Flächenformen mit hyperkomplezen Zahlen hergestellt wer­den. (Siehe dazu die ausführliche Ergänzung zu diesem Hinweis in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, Dornach 1995, S. 5-7.)

54 Vermutlich bezieht Rudolf Steiner sich hier auf das zahlentheoretische Problem der Erfüllbarkeit der Gleichung a2 + b2 = c2 durch ganze Zahlen a, b, e. Man nennt solche Zahlen pythagoreische Tripel. Algorithmische Verfahren zum Auf­finden sämtlicher Lösungen dieser Gleichung, das heißt aller möglichen pytha­goreischen Tripel, waren schon seit der Antike bekannt.

55 Rudolf Steiners Forderung nach einer von der Geometrie unabhängigen Begrün-dung der Arithmetik und Algebra wurde schon Ende des 19. Jahrhunderts in Angriff genommen. Die Tendenz zur Arithmetisierung der Mathematik ging zeitweise so weit, daß sie die Geometrie zu verdrängen drohte. Eine strenge Begründung der Analysis und Algebra (einschließlich Zahlenlehre) unabhängig von der Geometrie gehört zu den wichtigsten mathematischen Errungenschaften vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Dies war zunächst eine rein innermathemati­sehe Angelegenheit, und es dauerte noch einen gewissen Zeitraum, bis diese Entwicklung auch Einzug in Lehrbücher und die Mathematikdidaktik hielt.

56 Carl Friedriech Gauß (1777-1855), Mathematiker in Göttingen. Für Gauß waren die negativen Zahlen relativ zu den positiven Zahlen erklärt im Sinne eines Gegensatzes. Seine allgemeinen Ansichten darüber führt er aus in Theoria resi­duorum biquadratieorum [1831]. Dort heißt es auf S. 175 f.: »Positive und nega­tive Zahlen können nur da eine Anwendung finden, wo das gezählte ein Entge­gengesetztes hat, was mit ihm vereinigt gedacht der Vernichtung gleich zu stellen ist. Genau besehen findet diese Voraussetzung nur da statt, wo nicht Substanzen (für sich denkbare Gegenstände) sondern Relationen zwischen je zweien Gegenständen

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das gezählte sind. Postulirt wird dabei, daß diese Gegenstände auf eine bestimmte Art in eine Reihe geordnet sind, z. B. A, B, C, D und dass die Relation des A zu B als der Relation des B zu C u.s.w. gleich betrachtet werden kann. Hier gehört nun zum Begriff der Entgegensetzung nichts weiter als der Umtauscch der Glieder der Relation, so dass wenn die Relation (oder der Über­gang) von A zu B als +1 gilt, die Relation von B zu A durch -1 dargestellt werden muß. Insofern also eine solche Reihe auf beiden Seiten unbegrenzt ist, repräsentiert jede reelle ganze Zahl die Relation eines beliebig als Anfang ge­wählten Gliedes zu einem bestimmten Gliede der Reihe.» - Siehe dazu die Dis­kussion in Kowol [1990], S. 88 ff.

57 Eugen Dühring (1833-1921), Philosoph und nationalökonomischer Schriftstel­ler. Siehe insbesondere das zusammen mit seinem Sohn Ulrich verfaßte Buch E. und U. Dühring [1884]. Dort findet sich auch eine scharfe Kritik der Gaußschen Bestimmung des Negativen. Es wird insbesondere der Aspekt des Negativen als unausgeführte Subtraktion als der allein wesentliche hingestellt, woraus sich erst derjenige des Gegensatzes ergebe. So heißt es [1884], S. 16: »Das isolirt Negative hat aber seine entscheidende Eigenthümlichkeit darin, daß es aus einem Rech­nungszusammenhange hervorgeht, in welchem eine Subtraction nicht vollzogen werden kann, und außerdem auf einen solchen hinweist, in welchem die Subtrac­tion ausführbar ist. Diese beiden Rechnungszusammenhänge oder, wenn man will, diese beiden Theile eines allgemeinen Rechnungszusammenhanges sind sorgfältig zu unterscheiden.« - Siehe zum Vergleich der Gaußschen mit der Dühringschen Auffassung des Negativen Kowol [1990], S. 88ff.

58 Zur Dühringschen Auffassung des Imaginären siehe E. und U. Dühring [1884], Kapitel 2, 3, 4 und 13. Eine Diskussion dieser Darstellungen im Verhältnis zu anderen Ansätzen findet man in Kowol [1990], S. 118f. und 122f.

59 Siehe E. und U. Dühring [1884], Kapitel 4, 12, 14, 15.

Stuttgart, 11. März 1920

Fragenbeantwortung während des Vortragszyklus « Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter naturwissenschaftlicher Kurs» (GA 321). Fra­gen von Alexander Strakosch nach seinem Vortrag über «Die mathematischen Gebilde als Zwischenglied zwischen Urbild und Abbild« am 11. März 1920 in Stuttgart.

Alezander Strakoscch (1879-1958), Eisenbahningenieur, Lehrer an der ersten Waldorf­schule in Stuttgart. - Eine Nachschrift seines Vortrages ist bisher nicht nachweisbar.

60 Zum Verhältnis von Urbild und Abbild im Zusammenhang der Mathematik sie­he auch den Aufsatz von Rudolf Steiner, «Mathematik und Okkultismus» in Pchilosopchie und Antchroposopchie (GA 35).

61 Vortrag vom S. März 1920 (GA 321). Über die Schöpfung der geometrisch-mathematischen Anschauungen aus der Willensnatur des Menschen siehe auch die Vorträge vom 3. Januar 1920 (GA 320), 29. September 1920 (GA 322), 16. März 1921 (GA 324), 26. Dezember 1922 (GA 326).

62 Über fließend-bewegliche Geometrie siehe auch den Vortrag vom 20. Januar

1914 (GA 151).

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63 Über den Zusammenhang der Plane oder Regionen der geistigen Welt mit den

höheren Dimensionen siehe auch die Vorträge vom 17. Mai und 7. Juni 1905,

sowie die Fragenbeantwortungen vom 7. April 1921 (GA 76) und 12. April 1922

(GA 82) und die Vorträge vom 19., 20., 22. und 26. August 1923 (GA 227).

Ernst Blümel (1884-1952), Mathematiker und Lehrer. Siehe Renatus Ziegler, No­tizen zur Biographie des Mathematikers und Lehrers Ernst BlümeL Dornach 1995. (Arbeitshefte der Mathematisch-Astronomischen Sektion am Goetheanum, Kleine Reihe, Heft 1.)

Dornach, 30. März 1920

Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von Eugen Kolisko über «Anthroposophie und Chemie« während der Hochschultagung «Anthroposophie und Fachwissenschaf­ten» vom 21. März bis 7. April 1920 am Goetheanum in Dornach.

Eugen Kalisko (1893-1939), Arzt, Lehrer an der ersten Waldorfschule in Stuttgart. -Eine Nachschrift von Koliskos Vortrag ist bisher nicht nachweisbar. Siehe dazu den kurzen Tagungsbericht in der Zeitschrift Dreigliederung des sozialen Organismus, 1. Jahrgang 1919/1920, Nr.45,

64 Goethe, Zur Farbenlehre [1810] sowie Der Versuch als Ve"mittler von Objekt und Subjekt [1823]. Siehe dazu Rudolf Steiner, Einleitungen zu Goethes Natur-wissenschaftlichen Schriften (GA 1), Kapitel X und XVI, Grundlinien einer Er­kenntnistcheorie der Goetheschen Weltanschauung (GA 2), Kapitel 15, Goethes Weltanschauung (GA 6), Kapitel «Die Erscheinungen der Farbenwelt».

65 Die Entdeckung nichteuklidischer Geometrien hat gezeigt, daß die euklidische

Geometrie nicht die einzige denkmögliche Geometrie ist. Dadurch wurde die

Frage, welche Art von Geometrie auf den Erfahrungsraum zutrifft, zu einem

Erkenntnisproblem der Naturwissenschaft. - Siehe zur Tragweite der Entdek­kung nichteuklidischer Geometrien auch die Vorträge vom 26. August 1910 (GA

125), 20. Oktober 1910 (GA 60), 3. Januar 1920 (GA 320), 27. März 1920 (GA

73a), 1. und 7. Januar 1921 (GA 323), S. April 1921 (GA 76).

Zur bewußtseinsgeschichtlichen Bedeutung der Entdeckung der nichteuklidi­schen Geometrie siehe Ziegler [1987], und zur Geschichte ihrer Entdeckung sie­he etwa Bonola/Liebmann [1919], Klein [1926], Kapitel 4, und Reichardt [1976]. Zum Verhältnis von Axiom, Urphänomen und Erfahrung, siehe Ziegler [1992], Kapitel VII und VIII.

66 In der elliptischen Geometrie ist im Sinne der Riemannschen Geometrie (Rie­mann [1867]) das Krümmungsmaß der Metrik größer als 1 und die Winkelsum­me eines Dreiecks immer größer als 180«. In der hyperbolischen Geometrie iSt das Krümmungsmaß der Metrik kleiner als 1 und die Winkelsumme eines Drei­ecks immer kleiner als 180«.

Der Zusammenhang von Räumen oder Mannigfaltigkeiten konstanter Krüm­mung mit nichteuklidischen Geometrien wurde von Eugenio Beltrami (1835-1900) und Bernhard Riemann (1826-1866) entdeckt. Im Gegensatz zur euklidi­schen Geometrie (Satz von Pythagoras) ist die Metrik eines solchen Raumes durch eine Funktion der Koordinaten bestimmt, die im allgemeinen nicht mehr eine Summe von Quadraten ist. Siehe dazu Klein [1927], Kapitel 3C, und Scholz [1980], Kapitel III.

67 Siehe Simony [1881b], § 5, [1883] und [1886].

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Dornach, 31. März 1920

Fragenbeantwortung nach dem Vortrag von Karl Stockmeyer über «Anthroposophie und Physik« während der Hochschultagung »Anthroposophie und Fachwissenschaf­ten« vom 21. März bis 7. April 1920 am Goetheanum in Dornach.

Ernst August Karl Stockmeyer (l886-l963), Lehrer an der ersten Waldorfschule in

Stuttgart. - Eine Nachschrift von Stockmeyers Vortrag ist bisher nicht nachweisbar.

Siehe dazu den kurzen Tagungsbericht in der Zeitschrift Dreigliederung des sozialen

Organismus, 1. Jahrgang 1919/1920, Nr.45.

68 Siehe die Fragenbeantwortung vom 30. März 1920 und die Vorträge vom 27. März 1920 (GA 73a) und 3. Januar 1920 (GA 320).

69 Stellvertretend sei hier auf den von Steiner mehrfach erwähnten Bernhard Rie­mann (1826-1866) hingewiesen. Siehe dazu den Hinweis 1 über Bolyai, Gauß und Riemann zum Vortrag vom 24. März 1905.

70 Siehe dazu den Anfang der Fragenbeantwortung vom 11. März 1920 (Fragen von E. Blümel) und die entsprechenden Hinweise.

71 Siehe dazu die Fragenbeantwortung vom 30. März 1920.

72 Goethe, Zur Farbenlehre [1810], «Vorwort«. Dort heißt es gleich zu Beginn:

»Ob man nicht, indem von den Farben gesprochen werden soll, vor allen Dingen des Lichtes zu erwähnen habe, ist eine ganz natürliche Frage, auf die wir jedoch nur kurz und aufrichtig erwidern: es scheine bedenklich, da bisher schon so viel und mancherlei von dem Lichte gesagt worden, das Gesagte zu wiederholen oder das oft Wiederholte zu vermehren.

Denn eigentlich unternehmen wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszu­drücken. Wirkungen werden wir gewahr, und eine vollständige Geschichte die­ser Wirkungen umfaßte wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges. Vergebens be­mühen wir uns, den Charakter eines Menschen zu schildern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Thaten zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten.

Die Farben sind Thaten des Lichts, Thaten und Leiden. In diesem Sinne kön­nen wir von denselben Aufschlüsse über das Licht erwarten. Farben und Licht stehen zwar untereinander in dem genauesten Verhältnis, aber wir mussen uns beide als der ganzen Natur angehörig denken; denn sie ist es ganz, die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will.»

73 Hier und im folgenden steht in der maschinensehriftlichen Stenogrammübertra­gung «Beharrungstrieb». Es muß aber sinngemäß «Beherrschungstrieb» oder «Erkenntnistrieb« heißen.

74 Siehe dazu die Fragenbeantwortung vom 30. März 1920 sowie den Vortrag vom

30. März 1920 (GA 312).

75 Goethe, Zur Farbenlehre [1810], Sechste Abteilung: «Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe», § 758-920.

76 Maz Planck (1858-1947), theoretischer Physiker in München, Kiel und Berlin. -Die Hypothese eines quasimateriellen Äthers als Medium für Lichtprozesse und elektrische Phänomene geht in seinen Wurzeln bis auf Isaac Newton (l642-1727)

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und René Descartes (1596-1650) zurück. Diese qualitative Art von Äther hatte die Funktion, Prozesse zu deuten, deren genaueren Mechanismus man noch nicht durchschaute. Die charakteristische Eigenschaft der Äther-Hypothesen des 19. Jahrhunderts ist ihre Quantifizierbarkeit und damit die Möglichkeit einer konkreten Einbindung in die mathematischen Theorien physikalischer Phäno­mene. - Siehe dazu auch den Anfang der Fragenbeantwortung vom 7. März 1920 und die entsprechenden Hinweise.

Wörtlich ließ sich die von Steiner angegebene Formulierung Plancks nicht finden. Planck betont aber in [1910]: »Wenigstens glaube ich in Physikerkreisen keinem ernsthafen Widerspruch zu begegnen, wenn ich zusammenfassend sage, daß die Voraussetzung der genauen Gültigkeit der einfachen Maxwell-Hertz­sehen Differentialgleichungen für die elektrodynamischen Vorgänge im reinen Äther die Möglichkeit ihrer mechanischen Erklärung ausschließt» (S.37). Und weiter unten heißt es: «Ebenso kann man gewiß mit Recht behaupten, daß der erste Schritt zur Entdeckung des [Einsteinschen] Prinzips der Relativität zu­sammmenfällt mit der Frage: Welche Beziehungen müssen zwischen den Natur-kräften bestehen, wenn es unmöglich sein soll, an dem Lichtäther irgendwelche stoffliche Eigenschaften nachzuweisen? Wenn also die Lichtwellen sich, ohne überhaupt an einem materiellen Träger zu haften, durch den Raum fortpflanzen? Dann würde natürlich die Geschwindigkeit eines bewegten Körpers in bezug auf den Lichtäther gar nicht definierbar, geschweige denn meßbar sein.

Ich brauche nicht hervorzuheben, daß mit dieser Anschauung die mechanische Naturanschauung schlechterdings unvereinbar ist. Wer daher die mechanische Naturanschauung als ein Postulat der physikalischen Denkweise ansieht, wird sich mit der Relativitätstheorie nie befreunden können. Wer aber freier urteilt, wird zunächst fragen, wohin jenes Prinzip uns führt» (S.39).

77 Siehe dazu die Fragenbeantwortung vom 7. März 1920 und die entsprechenden Hinweise.

78 Siehe dazu und zum folgenden die Fragenbeantwortungen vom 11. März 1920 (Blümel) und 15. Januar 1921 mit den entsprechenden Hinweisen.

79 Einige Andeutungen über den Streit um den Begriff der negativen Zahlen finden sich am Ende der Fragenbeantwortung vom 11. März 1920 (Blümel). Siehe dazu Kowol [1990], Kapitel IV.B.

Dornach, 15. Oktober 1920

Fragenbeantwortung anläßlich einer «Konversation über Geisteswissenschaft» wäh­rend der «Anthroposophischen Hochsehulkurse» vom 26. September bis 16. Oktober 1920 am Goetheanum in Dornach

Die einleitenden Vorträge Rudolf Steiners zum «Anthroposophischen Hochichul­kurs« vom 27. September bis 3. Oktober 1920 über Grenzen der Naturerkenntnis sind erschienen in GA 322. Viele Vorträge anderer Teilnehmer erschienen in gedruckter Form in Aenigmatiscches aus Kunst und Wissenschaft (Anthroposophische Hochsehul­kurse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Goetheanum in Dornach vom 26. September bis 16. Oktober 1920, Band 1 und II), Stuttgart, Der Kommende Tag-Verlag 1922 (Goetheanum Bücherei), sowie in Kultur und Erziehung (Anthroposo­phische Hochsehulkurse der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Goetheanum

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in Dornach vom 26. September bis 16. Oktober 1920, Band III), Stuttgart, Der Kom­mende Tag-Verlag 1921 (Goetheanum Bücherei). - Siehe dazu die Ankündigung des «Anthroposophischen Hochsehulkurses» mit dem detaillierten Programm in der Zeit­schrift Dreigliederung des sozialen Organismus, 2. Jahrgang 1920/1921, Nr.9. Berich­te über diese Tagung von Alexander Strakosch und Günther Wachsmuth finden sich in derselben Zeitschrift in den Nummern 15, 16 und 18.

80 Das Planetensystem nach Claudius Ptolemäus (ca. 100-170) ist in seiner Grund­struktur das klassisch-geozentrische mit der ruhenden Erde im Mittelpunkt. Im einzelnen nimmt Ptolemaus in seinem Hauptwerk Almagest zur exakten Erklä­rung der Planetenbewegungen eine komplizierte Konstruktion von ineinander gesehachtelten Kreisen an (siehe dazu Ptolemäus [1962]; Ziegler [1976]; Teich-mann [1983], Kapitel 3.2; Van der Waerden [1988], Kapitel XIX). Vom Gesichts­punkt der Erzeugung von Planetenbahnen mittels kombinierter Kreisbewegun­gen ändert sieh beim Übergang vom geozentrischen-ptolemäischen zum helio­zentrischen-kopernikanisehen System nichts Entscheidendes, außer daß eben Sonne und Erde miteinander «vertauscht» werden, was einer einfachen geome­trischen Transformation entspricht. Im weiteren argumentieren sowohl Ptolemä­us wie Kopernikus im wesentlichen kinematiseh (Steiner würde «phoronomiseh« gesagt haben), das heißt ohne Rücksicht auf Kräfteverhältnisse. (Siehe dazu Vreede [1980], «Über das kopernikanisehe System», S. 349-359; Teichmann [1983], Kapitel 3; Neugebauer [1983], Abschnitt 40.)

Nikolaus Kopernikus (1473-1543) gliedert in seinem Hauptwerk De revolutio­nibus orbium coelestium von 1543 im Ersten Buch, Kapitel 11, die Bewegung der Erde in drei Komponenten (siehe Kopernikus [1879], S. 28ff. oder [1990], S. 139ff.). Die erste Bewegung ist die tägliche Umdrehung der Erde um ihre Achse, die zweite Bewegung ist die Bewegung der Erde in einem exzentrischen Bahn-kreis um die Sonne, und die dritte Bewegung ist die «Bewegung in Deklination«. In der Formulierung von Kopernikus sieht das so aus:

«Da also so viele und so gewichtige den Planeten entnommene Zeugnisse für die Beweglichkeit der Erde sprechen: so wollen wir nun eben diese Bewegung im Allgemeinen darlegen, insofern durch dieselbe, gleich wie an einer Hypothese, die Erscheinungen nachgewiesen werden. Man muß dieselbe überhaupt als eine dreifache annehmen: die erste, von der wir gesagt haben, daß sie von den Grie­chen Nychtbemerinon [tag-nächtlich] genannt wird, ist der eigentliche Kreislauf von Tag und Nacht, der um die Erdachse von Westen nach Osten ebenso vor sich geht, wie man bisher geglaubt hat, daß die Welt sieh im entgegengesetzten Sinne bewege, und welcher Kreislauf den Nachtgleichenkreis (Aquator) be­schreibt, den Einige den Taggleichenkreis nennen, indem sie die Bezeichnung der Griechen nachahmen, bei denen der Isemerinos [gleich-täglich] heißt. Die zweite ist die jährliche Bewegung des Mittelpunktes [der Erde] mit dem sich auf den­selben Beziehenden, welche, wie gesagt, den Tierkreis um die Sonne ebenfalls von Westen nach Osten, das heißt rechtläufig, zwischen Venus und Mars durch­läuft. Hierdurch geschieht es, daß, wie wir sagten, die Sonne selbst in ähnlicher Bewegung den Tierkreis zu durchlaufen scheint, wie wenn zum Beispiel der Mittelpunkt der Erde durch Steinbock, Wassermann und so weiter geht, die Sonne durch Krebs, Löwe und so weiter zu gehen scheint. - Man muß sieh vorstellen, daß der Äquator und die Achse der Erde gegen die Ebene des Kreises, welcher durch die Mitte der Zeichen geht, eine veränderliche Neigung haben. Weil, wenn sie in unveränderlicher Neigung verharrten, und nur der Bewegung

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des Mittelpunktes [der Erde] einfach folgten, keine Ungleichheit der Tage und Nächte erscheinen würde, sondern immer entweder Solstitium [Sommersonnen­wende], oder der kürzeste Tag, oder Nachtgleiche, entweder Sommer, oder Winter, oder was sonst für eine und dieselbe sieh gleiche Jahreszeit stattfinden müßte. Es folgt also die dritte Bewegung der Deklination, ebenfalls im jährlichen Kreislaufe, aber rückläufig, das heißt entgegengesetzt der Bewegung des Mittel-punktes [der Erde]. Und so kommt es durch beide, einander fast gleiche und entgegengesetzte Bewegungen, daß die Achse der Erde, und also auch der Äqua­tor, als der größte Parallelkreis, fast nach derselben Himmelsgegend gerichtet bleiben, gleich als ob sie unbeweglich wären, während die Sonne, wegen der Bewegung, mit welcher der Mittelpunkt der Erde fortrückt, durch die Schiefe des Tierkreises sieh zu bewegen scheint; nicht anders, als ob eben dieser Mittel­punkt der Erde der Mittelpunkt der Welt wäre, wofern man sich nur erinnert, daß die Entfernung der Sonne von der Erde an der Fixsternsphäre unser Wahr­nehmungsvermögen bereits überschritten hat.» (Kopernikus [1879], S. 28f.)

Bei Rudolf Steiner scheinen gegenüber Kopernikus' De revolutionibus die ersten beiden Gesetze miteinander vertauscht zu sein. In dieser Reihenfolge dis­kutiert aber Kopernikus seine drei Bewegungen der Erde in De hypothesibus motuum coelestium a se constitutus commentariolus aus dem Jahre 1514, auch kurz Commentariolus genannt (siehe dazu Kopernikus [1948], S. 12ff. oder [1990], S. 9ff.).

Wir halten uns im folgenden an die von Steiner herangezogene Anordnung der drei Gesetze:

Kopernikanisehe Bewegungen:

1. Jährliche Bewegung der Erde auf einem exzentrischen Bahnkreis um die Sonne;

2. Tägliche Drehung der Erde um ihre Achse;

3. Bewegung in Deklination: Kegelbewegung der Erdachse entgegengesetzt der Drehung um die Sonne.

81 Wenn man von der zweiten und dritten Bewegung absieht, und nur die erste Bewegung betrachtet, so handelt es sieh dabei im geometrisch-kinematisehen Sinne um eine Rotation der Erde um die Sonne. Inbesondere bleibt dabei die Achse der Erde nicht zu sieh parallel - außer in dem Spezialfall, wenn die Achse parallel zur Rotationsachse ist, was hier nicht der Fall ist -, sondern beschreibt, bezogen auf den Erdmittelpunkt, einen Kegel. Mit anderen Worten: der Schnitt­punkt der verlängerten Erdachse mit dem Lot auf die Bahnebene der Erde durch die exzentrisch liegende Sonne ist ein Fixpunkt dieser Bewegung. Existierte nur diese Bewegung, so gäbe es keinen Jahreszeitenwechsel, da dann die Erde immer dieselbe Stellung zur Sonne hätte.

Folglich mußte Kopernikus eine weitere Bewegung einführen, um einerseits dem tatsächlichen Jahreszeitenwechsel sowie andererseits der Präzession (Ver­schiebung des Frühlingipunktes) gerecht zu werden. Hierzu diente seine «Bewe­gung in Deklination« oder die dritte kopernikanische Bewegung in der Formu­lierung Rudolf Steiners, Sie besteht aus einer jährlichen Drehung der Erdachse in entgegengesetztem Sinne zu ihrem Umlauf um die Sonne. Dabei wird die durch die zweite Bewegung erzeugte Rotation der Erdachse rückgängig gemacht und zusätzlich der geringe Überschuß erzeugt, welcher der Präzession gerecht wird.

82 Spätestens seit der im Jahre 1783 erfolgten Entdeckung der Eigenbewegung der Sonne in Richtung des Sternbildes Herkules (Apex-Bewegung genannt) durch

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William Herschel (1738-1822) war eine fortschreitende Bewegung der Sonne bekannt (siehe dazu Wolf [1891-93], § 292).

83 Rudolf Steiner hat öfters über eine räumliche schrauben- oder spiralenförmige Bewegung der Erde in Zusammenhang mit der Sonnenbewegung, bei der die Erde der Sorme in gewisser Weise nachläuft, gesprochen, so etwa auch in den Vorträgen vom 24. und 31. März 1905. Beginnend mit dem Vortrag vom 1. September 1906 (GA 95) verknüpft Steiner die Darstellung des Problems der Sonnen-Erden-Bewegung öfters mit einem Hinweis auf die dritte kopernikani­sche Bewegung. Später, ab 1916, kommt dann der Aspekt einer fortschreitenden lemniskatischen Bewegungsqualität hinzu.: (Zur allgemeinen Orientierung über dieses Problem sei auf Vreede [1980], «Über das kopernikanische System«, S. 349ff. verwiesen.)

Im folgenden sind die meisten Vorträge und Fragenbeantwortungen (FB), in denen Steiner über das Problem der Sonnen-Erden-Bewegung, insbesondere über die dritte kopernikanische Bewegung (3. Kopernikus), die Besselschen Korrekturen (Bessel), und/oder das Problem der spiralförmigen oder lemniska­tischen (««) Sonnen-Erden-Bewegung spricht, angeführt. Besonders wichtige und ausführliche Darstellungen sind diejenigen vom 1. Oktober 1916 (GA 171), 10. April 1920 (GA 201), 2. und 17. Januar 1921 (GA 323).

Vortrag Jahr GA Bemerkungen zum Inhalt

24. März 1905 324a Schraubenlinic

31. März 1905 324a Schraubenlinic

1. September 1906 95 3. Kopernikus

16. September 1907 101 (auch in GA 284/85) 3. Kopernikus

29. April 1908 98 3. Kopernikus, Schraubenlinie

7. November 1910 124

21. März 1913 145 Blutkreislauf und Herz

S. Mai 1915 159 Schraubenlinie

13. Juli 1914 286 Blutkreislauf und Herz

20. August 1916 272 3. Kopernikus

1. Oktober 1916 171 ~

28. Mai 1918 181 3. Kopernikus, Bessel

4. September 1919 295 3. Kopernikus, Bessel

25. September 1919 300a 3. Kopernikus, Bessel

26. September 1919 300a Spirale

28. September 1919 192 3. Kopernikus, Bessel

3. Oktober 1919 261 3. Kopernikus, Bessel

3. Oktober 1919 191 3. Kopernikus, Bessel

10. April 1920 201 fortschreitende Spirale

11. April 1920 201 Blutkreislauf und Herz

18. April 1920 201 ~, 3. Kopernikus

1. Mai 1920 201 Bessel, fortschreitende Lemniskate

2. Mai 1920 201 fortschreitende Lemniskate

15. Oktober 1920 324a FB, 3. Kopernikus, Bessel

2. Januar 1921 323 3. Kopernikus

11. Januar 1921 323 ~, Schleifenlinie

12. Januar 1921 323 ~, lemniskatische Planetenbahnen

17. Januar 1921 323 Rotationslemniskate, Bessel

18. Januar 1921 323 ~

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26. August 1921 324a FB, 3. Kopernikus

8. Oktober 1921 343 3. Kopernikus

S. Januar 1923 220 3. Kopernikus

S. Mai 1924 349 3. Kopernikus

Es wurden bisher verschiedentlich Versuche unternommen, diese verstreuten Angaben Rudolf Steiners zu einer in sich konsequenten Interpretation zu verei­nigen. Zu einer alle Aspekte umgreifenden Auffassung ist es bisher nicht gekom­men. Siehe dazu insbesondere, in chronologischer Reihenfolge: Locher [1942], Hagemann [1966], Kaiser [1966], Schmidt [1966], Vetter [1967], Van Bemmelen [1967], Unger [1981], Bauer [1981] und [1988], Hemming/Pinkall [1983], Har­dorp [1983], Junge [1983], Rudnicki [1984], Adams [1989] (Kapitel 4), Van­scheidt [1992].

84 Durch die seit Newton üblich gewordene mechanische Interpretation des Plane­tensystems wird die Annahme einer separaten dritten kopernikanischen Bewe­gung «überflüssig». Wird nämlich die Erde als (fast) symmetrischer Kreisel im Gravitationsfeld der Sonne aufgefaßt, so bleibt gemäß dem Gesetz der Erhaltung des Drehimpulses L die Richtung der Rotationsachse (= Erdachse) im wesentli­chen raumfest.

Für Kopernikus hätte eine solche physikalische Interpretation natürlich fern-gelegen. Es gibt in seiner Nachfolge aber nur noch sehr wenige Autoren, welche die Vernachläßigung der dritten kopernikanischen Bewegung bedauerten oder gar für gravierend hielten. Siehe dazu die aufschlußreiche Hinweis Nr.36 von C. L. Menzzer zum Ersten Buch von De revolutionibus, Kapitel 11: «Beweis von der dreifachen Bewegung der Erde» (Kopernikus [1879], Anhang S. 28-31). Ru­dolf Steiner weist in diesem Zusammenhang am 25. September 1919 (GA 300a) auch auf die Publikationen des Dichters und Schriftstellers Johannes Schlaf (1862-1941) hin. Siehe insbesondere Schlaf [1914] und [1919], die sich beide in Steiners Bibliothek befinden, das erstere mit einer persönlichen Widmung des Verfassers an Rudolf Steiner.

85 Elisabeth Vreede (1879-1943), Mathematikerin und Astronomin, ab 1924 erste Leiterin der Mathematisch-Astronomischen Sektion der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum in Dornach. - Während des «Anthroposo­phischen Hochsehulkurses« hielt Elisabeth Vreede am 13. und 14. Oktober 1920 zwei Vorträge mit dem Thema «Die Berechtigung der Mathematik in der Astro­nomie und ihre Grenzen» [1922].

86 Vreede [1922], S. 138ff. und 160f. Siehe dazu auch den Hinweis 91 zu Bessel.

87 Carl Unger (1878-1929), Fabrikant, Ingenieur, Philosoph. - Während des »An­throposophischen Hochsehulkurses« hielt Carl Unger vom 11. bis 16. Oktober 1920 sechs Vorträge mit dem Thema «Rudolf Steiners Werk» [1921]. Siehe dazu das Referat dieser Vorträge von Willy Storrer in Unger [1921], insbesondere Abschnitt III und IV.

88 Zur Relativitätstheorie und den folgenden Ausführungen siehe die Fragenbeant­wortung vom 7. März 1920 mit den entsprechenden Hinweise sowie die Fragen­beantwortungen vom 31. März 1920 und 15. Januar 1921.

89 Siehe dazu den Hinweis 30 zur Fragenbeantwortung vom 7. März 1920 zitierte Stelle aus Einstein [1911]. Es handelt sich um ein Problem, das später unter der

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Bezeichnung «Zwillingsparadoxon» oder «Uhrenparadoxon» bekannt wurde. Dessen Interpretation ist bis heute kontrovers. Dies hängt unter anderem mit der Bedeutung des Zeitbegriffes in der Physik zusammen, insbesondere mit der In­terpretation der »Eigenzeit« eines physikalischen Systems im Rahmen der Rela­tivitätstheorie. Siehe dazu zum Beispiel Gschwind [1986] und die dort angege­bene Literatur.

90 Das spezielle Relativitätsprinzip besagt nach Einstein [1917], § 18, daß die allge­meinen physikalischen Naturgesetze für zwei sich gleichförmig bewegende Be­zugssysteme (Inertialsysteme) formal identisch sind. Es wird dabei natürlich vorausgesetzt, daß es Inertialsysteme überhaupt gibt. In den populären Beispie­len, die der elementaren Mechanik entnommen sind, sind zumeist diese Bedin­gungen nicht streng erfüllt, so daß diese Beispiele schon vom physikalischen Gesichtspunkt aus nicht wirklichkeitsgemäß sind.

So ist etwa sowohl das Bezugssystem «Erde« ein beschleunigtes System (wie jedes rotierende System) wie auch das Bezugssystem «Auto«. Ein gleichförmig bewegtes Auto vollführt wegen der Überwindung des Reibungswiderstandes in jedem Falle eine beschleunigte Bewegung (und bleibt wegen der Abnutzung auch nicht unveränderlich) - um so mehr, wenn es eine Panne hat und sich die Ge­schwindigkeit verringert. Ähnliche Überlegungen können für das immer wieder herangezogene Beispiel vom Zug und dem Bahndamm angestellt werden.

Die einzigen, auch im physikalischen Sinne realistischen Beispiele für relativi­stisches Verhalten stammen aus der atomaren oder subatomaren Physik, worauf auch Einstein in seinem Vortrag [1911] aufmerksam macht. Dieser Phänomenbe­reich kann aber nach Steiner ohne eine Erweiterung durch die anthroposophi­sehe Geisteswissenschaft nicht in seiner vollen Wirklichkeit erfaßt werden (siehe dazu die Vorträge im Ersten und Zweiten naturwissenschaftlichen Kurs, GA 320 und GA 321).

91 Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846), Astronom, Geodät und Mathematiker in Königsberg. - Bessel hat fundamentale Beiträge zur astronomischen Beobach­tungstechnik geleistet. Diese betreffen sowohl die Verbesserung der Instrumente, die systematische Analyse von Instrumenten- und Beobachtungsfehlern sowie die sorgfältige Reduktion der Beobachtungen.

Die unmittelbar gemessene Position eines Sternes muß sowohl von Instrumen­tenfehlern wie vom Einfluß der Erdatmosphäre (Refraktion) befreit werden. Im weiteren müssen diese Positionen, um einen objektiven, mit anderen Messungen vergleichbaren Standardwert zu erhalten, auf einen gemeinsamen Zeitpunkt (Epoche) zurückgerechnet werden und sodann die Effekte der Erdbewegung sowie des Beobachtungsortes in Rechnung gestellt werden. Dafür war die genaue Kenntnis der Präzession, der Nutation (durch den Mond erzwungene kleine Schwingung der Erdachse) sowie der täglichen, jährlichen und säkularen Aber­ration (durch die endliche Geschwindigkeit des Lichtes und der Bewegung der Erde hervorgerufene scheinbare Ortsveränderung von Sternen) notwendig.

Bessels Auswertung (Reduktion) der von James Bradley (1693-1762) am Ob­servatorium in Greenwich erstellten Positionen von 3222 Sternen wurden zum Meilenstein der beobachtenden Astronomie. Damit standen zum ersten Mal exakt verläßliche Stempositionen zur Verfügung. Bessel veröffentlichte seine Resultate in den Werken Fundamenta astronomiae pro anno 1755 deducta ex observationibus viri ineomparabilis James Bradley in specula astronomica greno­vicensi per annos 1750-1762 institutis (Königsberg, 1818) sowie Tabulae Regiomontanae

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reduetionum observationum astronomicum ab anno 1750 usque ad annum 1850 computatae (Königsberg, 1830).

Bei den damit zusammenhängenden Untersuchungen kam Bessel sowohl zu einer verbesserten Bestimmung der Eigenbewegung der Fizsterne sowie zum ersten Mal zur Bestimmung einzelner Fixsternparallaxen. Diese Parallazen bilde­ten den ersten astronomischen Nachweis der jährlichen Bewegung der Erde (siehe dazu und zu anderen Nachweisen dieser Bewegung Teichmann [1983], Kapitel 3.4).

Die sogenannten Besselsechen Reduktionsformeln für Sternkoordinaten betref­fen insbesondere die jährlichen und säkularen Einflüsse der Präzession und

Nutation (siehe dazu Schmidt [1967], Wolf [1890-93], § 609 und § 613 und zum

Beispiel das astronomische Jahrbuch Tche Astronomical Almanac, 1981ff., S.

B22ff.).

92 Albert Steffen (1884-1963), Dichter, ab 1924 erster Leiter der Sektion für Schöne Wissenschaften der Freien Hochschule für Geisteswissenschaften am Goethe­anum in Dornach. - Während des «Anthroposophischen Hochsehulkurses» hielt Steffen am 14. und 15. Oktober 1920 zwei Vorträge mit dem Thema »Die Krisis im Leben des Künstlers und die Geisteswissenschaft». Steffen hat das Autoreferat die­ser Vorträge veröffentlicht in der Sammlung Die Krisis im Leben des Künstlers [1922]. Siehe darin insbesondere den gleichnamigen Aufsatz, Teil II, S. 31ff.

93 Die Mengenlehre wurde von dem Mathematiker Georg Cantor (1845-1918) fast im Alleingang begründet. Rudolf Steiner erhielt von Cantor ein mit persönlicher Widmung und handschriftlichen Korrekturen versehenes Exemplar der Lehre vom Transfiniten [1890]. Als Definition einer Menge gibt Cantor in einer Ab­handlung aus dem Jahre 1884 folgendes an: «Unter einer oder Menge' verstehe ich nämlich allgemein jedes Viele, welches sich als Eines den­ken läßt, das heißt jeden Inbegriff bestimmter Elemente, welcher durch ein Gesetz zu einem Ganzen verbunden werden kann, und ich glaube hiermit etwas zu definieren, was verwandt ist mit dem Platonischen eidos oder idea [...].« (Cantor [1932], S. 204, Anmerkung).

Rudolf Steiners Ausführungen beziehen sich auf Cantors Untersuchungen zu verschiedenen Stufen des Unendlichen. An der Basis dieser Untersuchungen steht die folgende von Steiner dem Sinne nach zitierte Definition: «Unter Mäch­tigkeit oder Kardinalzahl einer Menge M (die aus wohlunterschiedenen, begriff­lich getrennten Elementen m, m', . . . besteht und insofern bestimmt und abge­grenzt ist) verstehe ich den Allgemeinbegriff oder Gattungsbegriff (universale), welchen man erhält, indem man bei der Menge sowohl von der Beschaffenheit ihrer Elemente, wie auch von allen Beziehungen, welche die Elemente, sei es unter einander, sei es zu anderen Dingen haben, also im besondern auch von der Ordnung, welche unter den Elementen herrschen mag, abstrahiert und nur auf das reflektiert, was allen Mengen gemeinsam ist, die mit M äquivalent sind. Ich nenne aber zwei Mengen M und N äquivalent, wenn sie sich gegenseitig eindeu­tig Element für Element einander zuordnen lassen.» (Cantom [1890], S. 23f. oder [1932], S. 387.) - Siehe dazu den Aufsatz «Georg Cantor und Rudolf Steiner» in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, Dornach 1995.

94 Oswald Spengler (1880-1936), erst Mathematiklehrer, dann freier Schriftsteller. -Von Spenglers Hauptwerk, Der Untergang des Abendlandes, erschien der erste

Band Gestalt und Wirklichkeit in einer ersten Auflage 1918 und erreichte bereits

1920 die 23.-32. Auflage und damit das 37.-50. Tausend. Der zweite Band Welthistorische

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Perspektiven erschien 1922 (l.-l5., 16-30. und 31.-43. Auflage [51.-70. Tausend]), hatte aber nicht mehr eine so weitreichende Wirkung wie der erste Band.

95 Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik beruht auf dem von Robert Clausius (1822-1888) zum ersten Mal formulierten Begriff der Entropie. Er lautet: die Entropie strebt bei jedem realen thermodynamischen Prozeß in einem nach au­ßen geschlossenen physikalischen System einem Maximum zu. Ein Beweis dieses Hauptsatzes kann im Rahmen der Physik nur bedeuten, daß man ihn auf andere unbeweisbare Annahmen oder Postulate zurückführt. So nimmt in der auf James Clark Mazwell (1831-1879) und Ludwig Bokzmann (1844-1906) zurückgehen-den statistischen kinetischen Gastheorie der zweite Hauptsatz die Form eines beweisbaren Theorems an (sogenanntes H-Theorem von Boltzmann), ausgehend von der Hypothese der vollständigen molekularen Unordnung.

96 Graf Hermann Keyserling (1880-1946), Philosoph und Schriftsteller, Mitbegrün­der und wissenschaftlicher Leiter der «Schule der Weisheit. (Gesellschaft für freie Philosophie) in Darmstadt. - Siehe etwa die Werke Das Reisetagebuch eines Philosophen [1919a], Der Weg der Vollendung; Des Grafen Hernsann Keyserling philosophisches Schaffen [1919b] und Philosophie als Kunst [1920].

97 Keyserling, Philosophie als Kunst [1920], S. 293: «Die Schule der Weisheit muß ein Drittes werden neben Kirche (das Wort im weitesten akonfessionellen Sinn verstanden) und Universität. Zu jener stände sie im Verhältnis, daß sie gleich ihr, den ganzen Menschen zu bilden, seine Seele zu spiritualisieren trachtete, über­dies aber eine Synthesis anstrebte zwischen Seelenleben und selbständig-vollbe­wußtem Geist, so daß nicht Glaube die letzte Instanz bezeichnete, auch nicht abstraktes Wissen, sondern Glaube, Wissen und Leben zu eins würden in leben­diger höherer Bewußtseinseinheit. Zu dieser stände sie im Verhältnis einer Krö­nung. Einer Krönung, insofern sie zur Aufgabe hätte, das in der Hochschule gewonnene Wissen einer Lebenssynthese einzuverleiben, die sich die äußerste abstrakte Erkenntnis organisch einzugliedern vermöchte und den bloß >Können-den> dergestalt zum >Seienden> umschüfe.»

98 Es handelt sich hier vermutlich um einen Hinweis auf die wöchentlich erschie­nene Zeitschrift Die Zukunft, herausgegeben von Maximilian Harden (Band 1 bis 118, l. Jahrgang 1892 bis 30. Jahrgang 1922). - Der erwähnte Aufsatz von Hermann Keyserling konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

99 Siehe dazu die Auseinandersetzungen um Keyserling in den Nummern 20 bis 25 der Zeitschrift Dreigliederung des sozialen Organismus, 2. Jahrgang 1920/1921, insbesondere das Referat von Ernst Uehli (1875-1959) über den Vortrag von Rudolf Steiner vom 16. November 1920 in Stuttgart in den Nummern 21 und 22. Weiteres zu Keyserling findet sich auch im Vortrag vom 26. August 1921 in der Zeitschrift Gegenwart, 15. Jahrgang, 1953/54, Heft 2, S. 49-64.

100 Die Quelle dieser Aussage von Keyserling konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

101 Goethe, Faust, Zweiter Teil, Zweiter Akt, Zweite Szene: Laboratorium. Homun­culus sagt zum zurückbleibenden Wagner (Vers 6989ff.):

Entfalte du die alten Pergamente,

Nach Vorschrift sammle Lebenselemente

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Und füge sie mit Vorsicht eins ans andre,

Das Was bedenke, mehr bedenke Wie!

Indessen ich ein Stückchen Welt durchwandre,

Entdeck ich wohl das Tüpfchen auf das i.

HINWEISE Stuttgart, 15. Januar 1921

#G324a-1995-SE281 Die vierte Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

HINWEISE

Stuttgart, 15. Januar 1921

#TX

Fragenbeantwortung im Anschluß an 4 Vorträge für Akademiker über die Beziehun­gen der Geisteswissenschaft zu den einzelnen Fachwissenschaften.

Die vier Vorträge des Zyklus «Proben über die Beziehungen der Geisteswissenschaft zu den einzelnen Fachwissenschaften» (Stuttgart, 11. bis 15. Januar 1921) sind zum ersten Mal veröffentlicht in der Zeitschrift Gegenwart, 14. Jahrgang 1952/53. Vortrag vom 11.Januar 1921: Heft 2,S. 49-67; Vortrag vom 12. Januar 1921: Heft 3,5.97-118; Vortrag vom 14. Januar 1921: Heft 4/5, S.145-167; Vortrag vom 15. Januar 1921: Heft 6, S.225-236 und Heft 7, S.257-268; Fragenbeantwortung vom 15. Januar 1921: Heft

8, S.305-317. Die Veröffentlichung dieser Vorträge ist vorgesehen für GA 73a. - Siehe dazu den Tagungsbericht von Eugen Kolisko (1893-1939) in der Zeitschrift Dreiglie­derung des sozialen Organismus, 2. Jahrgang 1920/1921, Nr.31: S.4-5, Nr.32: 5.5 und Nr.33: S.4.

102 Geisteswissenschaftliche Impulse zur Entwickelung der Physik. Zweiter natur­wissenschaftlicher Kurs. Wärmelehre (GA 321), Stuttgart 1. bis 14. März 1920.

103 Rudolf Clausius (1822-1888), Physiker in Berlin, Zürich, Würzburg und Bonn. Clausius gehört zusammen mit Ludwig Boltzmann (1844-1906) und James Clark Mazwell (1831-1879) zu den Begründern der modernen Thermodynamik auf der Basis der kinetischen Gastheorie und statistischen Mechanik. Seine Ab­handlungen zur Wärmetheorie sind zusammengefaßt in Die mechanische Wär­metheorie [1876-91]. - Siehe dazu auch die Vorträge vom 1. und 11. März 1920 (GA 321).

104 Auf von verschiedenen Autoren geäußerte Bedenken gegenüber dem mechani­schen Ansatz bezüglich der Thermodynamik weisen die Herausgeber des Zwei­ten naturwissenschaftlichen Kurses (GA 321) hin (siehe den Vortrag vom 1. März 1920, Hinweis zu S.26 auf S. 222 ff.). Man kann hinzufügen, daß vor der Entdeckung der Quantenmechanik und Quantenstatistik die verschiedenen An­sätze für das mechanistische Modell der molekularen Struktur der Materie sich nicht in durchgehende Übereinstimmung mit experimentellen Befunden, insbe­sondere mit den Ergebnissen der Spektroskopie, bringen ließen. Siehe dazu Harman [1982], Kapitel V und VI.

105 Das Ätherdrift-Experiment von Michelson und Morley (1881ff.) sollte die rela­tive Geschwindigkeit der Erde gegenüber dem als ruhend angenommenen qua­simateriellen physikalischen Äther feststellen. Der Ausgang des äußerst präzise durchgeführten Experimentes war negativ. Dadurch waren alle auf der Annahme eines absolut ruhenden Äthers basierenden Theorien des Lichtes und der Elek­trizität zumindest in Frage gestellt. Eine theoretische Erklärung dieses Befundes wurde unabhängig von Hendrik Antoon Lorentz (1853-1928) und George Fran­cis Fitzgerald (1851-1901) entwickelt. Die in diesem Zusammenhang aufgestell­ten Formeln (zum Beispiel die Lorentz-Kontraktion) konnte Alhert Einstein

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(1879-1955) wenig später aus den Grundannahmen seiner speziellen Relativitäts­theorie (Relativitätsprinzip, absolute Konstanz der Lichtgeschwindigkeit) ablei­ten, wobei er sich sowohl zur Ableitung wie zur Illustration seiner Theorie auf eine Reihe von Gedankenexperimenten stützte.

106 Siehe zu den Formeln für leitende und strahlende Wärme und zu den folgenden Ausführungen die Vorträge vom 12. März 1920 (GA 321) und 8. Januar 1921 (GA 323). - Eine Diskussion der entsprechenden Gleichungen mit Mitteln der modernen Mathematik findet man in Dustmann/Pinkall [1992].

107 Siehe dazu zum Beispiel Rudolf Steiner, Von Seelenrätseln (GA 21), Kapitel «Max Dessoir über Anthroposophie» sowie die Auseinandersetzungen um Her­mann Keyserling am Ende der vorangehenden Fragenbeantwortung vom 15. Oktober 1920.

Dornach, 7. April 1921

Fragenbeantwortung (Disputation) während des «Zweiten Anthroposophischen Hochschulkurses« am Goetheanum in Dornach vom 3. bis 10. April 1921.

Die Vorträge Rudolf Steiners über «Anthroposophie und Fachwissenschaften» sind zusammen mit den Fragenbeantwortungen (Disputationen) gedruckt in Die hefruch­tende Wirkung der Anthroposophie auf die Fachwissenschaften (GA 76). - Berichte über den zweiten anthroposophischen Hochschulkurs von Willy Stokar finden sich in der Zeitschrift Dreigliederung des sozialen Organismus, 2. Jahrgang, 1920/21, Nr.42 und 43, sowie von Eugen Kolisko in der Zeitschrift Die Drei, 1. Jahrgang 1921/22, S. 471-478. - Siehe dazu die «Einladung zum zweiten anthroposophischen Hochschul­kursus vom 3. bis 10. April 1921 an der Freien Hochschule für Geisteswissenschaft, Goetheanum in Dornach« mit dem detaillierten Programm in der Zeitschrift Dreiglie­derung des sozialen Organismus, 2. Jahrgang, 1920/21, Nr.36.

108 Rudolf Steiner bezieht sich hier auf seinen Vortrag vom S. April 1921 (GA 76), wo von den drei Dimensionen des Raumes nur am Rande die Rede war. In den in der Zwischenzeit stattfindenden Disputationsabenden wurde das Thema die­ses Vortrages sowie das der Vorträge von Hermann von Baravalle über «Raum und Zeit« und von Ernst Blümel über «Geisteswissenschaftliche Richtlinien zur mathematischen Behandlung naturwissenschaftlicher Probleme» am S. April nicht aufgegriffen.

109 Metageometrie ist eine heute kaum mehr gebräuchliche zusammenfassende Be­zeichnung für verschiedene Typen nichteuklidiseher Geometrien. Darunter fie­len in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts insbesondere die projektive Geometrie, die hyperbolische und elliptische Geometrie, die Geometrie allgemeiner ge­krümmter Räume (Riemannsche Geometrie) sowie die Geometrie höherdimen­sionaler Räume.

110 Siehe Hinweis 1 zum Vortrag vom 24. März 1905.

111 Mit der Riemsonschen Metageometrie kann hier die sogenannte elliptische Geo­metrie gemeint sein, die von Riemann zuerst entdeckt und beschrieben wurde (sie ist eng verwandt mit der Geometrie auf der Kugeloberfläche) oder die eben­falls auf Riemann zurückgehende allgemeine Theorie gekrümmter Räume (Mannigfaltigkeiten

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mit Riemannscher Metrik), wovon die elliptische Geometrie ein Spezialfall ist (Raum mit konstanter positiver Krümmung).

112 Kant unterschied nicht zwischen der mathcmatisch-geometrischen Auffassung des Raumbegriffs und den Gesetzen des Anschauungsraumes. Er verabsolutierte die letzteren als notwendige, im Subjekt begründete Bedingungen der sinnlichen Anschauung. «Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zum Grunde liegt.» (Kritik der reinen Vernunft = KrV, B 38). «Auf diese Notwendigkeit a priori gründet sich die apodiktische Gewiß­heit aller geometrischen Grundsätze, und die Möglichkeit ihrer Konstruktion a priori.» (KrV, A 24). Daraus folgt: «Geometrie ist eine Wissenschaft, welche die Eigenschaften des Raumes synthetisch und doch a priori bestimmt.« (KrV, B 40). « [...] z.B. der Raum hat nur drei Abmessungen; dergleichen Sätze aber können nicht empirische oder Erfahrungsurteile sein, noch aus ihnen geschlossen wer­den» (KrV, B 41).

«Wie kann nun eine äußere Anschauung dem Gemüte beiwohnen, die vor den Objekten selbst vorhergeht, und in welcher der Begriff der letzteren a priori bestimmt werden kann? Offenbar nicht anders, als so fern sie bloß im Subjekte, als die formale Beschaffenheit desselben, von Objekten affiziert zu werden, und dadurch unmittelbare Vorstellung derselben d. i. Anschauung zu bekommen, ihren Sitz hat, also nur als Form des äußeren Sinnes überhaupt.« (KrV, B 41). Also gilt: «Der Raum ist nichts anderes, als nur die Form aller Erscheinungen äußerer Sinne, d. i. die subjektive Bedingung der Sinnlichkeit, unter der allein uns äußere Anschauung möglich ist» (KrV, B 42).

Damit fallen für Kant die Gesetze des Anschauungsraumes mit den überhaupt denkbaren geometrischen Prinzipien zusammen. Zur Zeit Kants waren in der Mathematik Ideen zu nichteuklidisch metrisierten oder mehr als dreidimensiona­len Räumen noch nicht aufgetaucht, insbesondere auch nicht die erst auf Rie-mann zurückgehende klare Unterscheidung topologischer und metrischer Eigen­schaften. Deshalb sah Kant auch keinen Unterschied zwischen der topologischen Eigenschaft der Unbegrenztheit und der metrischen (die Maßverhältnisse betref­fenden) Eigenschaften der Unendlichkeit. So heißt es in seinen Ausführungen zu den «Antinomien der reinen Vernunft«, wo Kant die Unauflösbarkeit gewisser Probleme proklamiert, falls sie nicht von seinem Standpunkt aus interpretiert werden: «Ebenso ist es mit der doppelten Beantwortung der Frage, wegen der Weltgröße, dem Raum nach, bewandt. Denn, ist sie unendlich und unbegrenzt, so ist sie für alle möglichen empirischen Begriffe zu groß. Ist sie endlich und begrenzt, so fragt ihr mit Recht noch: was bestimmt diese Grenze?« (KrV, B 515). Der sich an die dreidimensionale euklidische Geometrie anschließende Kantsche Raumbegriff ist nicht mehr zu vereinbaren mit den verschiedenen Raumbegriffen, wie sie durch die weitere Entwicklung der Mathematik heraus­gearbeitet wurden. Einer der ersten, der darauf deutlich, vom Standpunkt der Physik und Physiologie, aufmerksam gemacht hat, ist Hermann von Helmholtz (1821-1894). Siehe dazu seine Rede Die Thatsachen in der Wahrnehmung [1878].

113 Die Diskussion der Paralogismen (Trug- oder Fehlschlüsse) der reinen Vernunft bilden zusammen mit der Diskussion der Antinomien der reinen Vernunft die Hauptbestandteile des zweiten Buches der «Transzendentalen Dialektik» der Kri­tik der reinen Vernunft [1787]. Mit der Kritik der Paralogismen der reinen Ver­nunft bezweckt Kant eine Kritik an den Behauptungen der damaligen rationalen

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Seelenlehre (mit den Problemen der Unveränderlichkeit, der Präexistenz der Seele usw.) und nicht eine Diskussion der klassischen Fehl- oder Trugschlüsse.

»Der logische Paralogismus besteht in der Falschheit eines Vernunftschlusses der Form nach, sein Inhalt mag übrigens sein, welcher er wolle. Ein transzendentaler Paralogismus aber hat einen transzendentalen Grund: der Form nach falsch zu schließen. Auf solche Weise wird ein dergleichen Fehlschluß in der Natur der Menschenvernunft seinen Grund haben, und eine unvermeidliche, obzwar nicht unauflösliche, Illusion bei sich führen.» (KrV, B 399). Wie dann später in der Diskussion der Antinomien der reinen Vernunft, so versucht auch hier Kant bei der Besprechung von Paralogismen zu zeigen, daß sich diese nur »auflösen«, wenn man seine Ansicht zugrundelegt, daß man bloß von den Erscheinungen der Dinge an sich wissen könne und die Vernunft nach regulativen Prinzipien (sowie gemäß den Anschauungsformen des Raumes und der Zeit) diese Erscheinungen ordnen könne, jedoch keine unmittelbare Einsicht in die Konstitution der Dinge an sich möglich sei.

Das Raumproblem spielt bei der Besprechung der Paralogismen der reinen Vernunft nur am Ra-nde eine Rolle: beim vierten Paralogismus über das Verhält­nis der Seele «zu möglichen Gegenständen im Raum» (KrV, B 402).

Bei der Diskussion des Systems der kosmologischen Ideen in dem Abschnitt über die «Antinomie der reinen Vernunft» ist die Kantsche Raumauffassung dagegen von grundlegender Bedeutung.

114 Historischer Ausgangspunkt und zunächst Fundament nichteuklidischer Be­griffsbildungen (projektive Geometrie, gekrümmte und mehrdimensionale Räu­me) war selbstverständlich der dreidimensionale euklidische Raum. Insofern waren die neuen Raumformen abgeleiteter Natur, zwar nicht Spezialfälle des euklidischen Raumes, aber Erweiterungen der Auffassung des Raumbegriffs auf der Basis euklidischer Grundbegriffe. Steiners Hinweis auf einen Zirkel bezieht sich also auf die nur scheinbar erreichte Verallgemeinerung der Auffassung des Raumes, solange die entsprechenden Begriffe wesentlich vom euklidischen Aus­gangspunkt abhängen.

Die weitere Entwicklung der Mathematik hat gezeigt, daß die euklidische Basis entbehrlich ist, daß die Gesetzmäßigkeiten des Raumes stufenweise entwsk­kelt werden können, ohne spezifisch euklidische Begriffsbildungen in irgendei­ner Weise vorauszusetzen. Man geht dabei von einer koordinatenfrei definierten topologischen Mannigfaltigkeit aus, ergänzt diese durch metrische (und gegebe­nenfalls differentialgeometrische) Strukturen und kommt dadurch etwa zur eu­klidischen Geometrie als Sonderfall einer dreidimensionalen metrischen Mannig­faltigkeit. Systematisch gesehen liegt hier kein Zirkel mehr vor. Diese Sachfragen waren zur Zeit dieser Fragenbeantwortung Steiners auch in Mathematikerkreisen noch nicht endgültig geklärt. - Siehe dazu die Notizblätter Rudolf Steiners und die entsprechenden Hinweise in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr. 114/115, Dornach 1995, S. 49f.

Was die Struktur des realen Raumes betrifft, so geben die mathematischen Begriffe in jedem Falle nur mögliche Raumformen an und sind in diesem Sinne abstrakt, wirklichkeitsfremd, solange ihre Zusammenstimmung mit der Wirk­lichkeit nicht geklärt ist.

115 Die auf Euklid (um 320 bis 260 v. Chr.) zurückgehende Auffassung des Raum-begriffs findet sich in den 13 Bücher umfassenden Elementen im I. und inbesondere

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im XI. Buch. Sie orientiert sich vor allem an den Grundlagen der Stereome­trie, das heißt der Lehre von den räumlichen Körpern.

116 Zum Verhältnis von Imagination, Inspiration und Intuition zu den Dimensionen

des Raumes siehe die Vorträge vom 19. und 26. August 1923 (GA 227, S. 39-41,

161-163). Siehe auch die Vorträge vom 17. Mai 1905 (GA 324a), 16. September

1907 (GA 101, S. 189f.), 15. Januar 1921 (GA 323, S. 274-283), 8. April 1922 (GA

82), 24. Juni1922 (GA 213) sowie die Fragenbeantwortung vom 12. April 1922

(GA 82 und 324a).

117 Siehe dazu auch die Vorträge vom 9. und 10. April 1920 (GA 201), 17. März 1921 (GA 324), 26., 27. Dezember 1922 und I. Januar 1923 (GA 326). - Von einem ganz anderen Gesichtspunkt aus entwickelt Steiner die Nicht-Vertausehbarkeit der drei Dimensionen des Anschauungsraumes in dem Abschnitt «Der Goethe­sche Raumbegriff« in den Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (GA 1, S. 288-295).

118 Euklids Raumgeometrie ist noch im wesentlichen Stereometrie, das heißt Lehre von den geometrischen Eigenschaften räumlicher Körper. Der rechte Winkel, das Senkrecht-Stehen, spielen dabei ein wichtige Rolle. Der Würfel und das mit ihm zusammenhängende System dreier senkrecht aufeinanderstehender Achsen erhält jedoch durch Euklid keine Sonderstellung.

Die implizite Einführung solcher Achsen als Bezugssystem für eine algebrai­sche Behandlung von Kurven geht im wesentlichen auf Pierre de Fermat (1601-1665) und René Descartes (1596-1650) zurück. Bei beiden spielen jedoch die Koordinatenachien als selbständiges, vom diskutierten geometrischen Objekt ablösbares Gebilde, noch keine Rolle. Zudem waren die Achsen bei Fermat und Descartes in vielen Fällen schiefwinklig. Ähnliches gilt für die an diese Pioniere anknüpfende Entwicklung und Ausarbeitung der analytischen Geometrie bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Die systematische Verwendung von zwei senk­recht oder schief zueinander stehenden Richtungen als Bezugssystem für Koor­dinaten und die Diskussion algebraischer Kurven findet sich erstmalig bei Isaac Newton (1643-1727) in seiner Abhandlung Enumeratio linearum tertii ordinis (1676). Newton verwendet auch zum ersten Mal in systematischer Weise nega­tive Koordinaten, zeichnet also Kurven in allen vi«r Quadranten des Koordina­tensystems. Die analytische Geometrie des Raumes und die entsprechende Ver­wendung eines Systems von drei senkrecht aufeinander stehenden Achsenrich­tungen geht auf die systematischen Untersuchungen von Flächen durch Leon­hard Euler (1707-1783) zurück. Die definitive Formulierung der analytischen Geometrie im modernen Sinne entstand um die Wende vom 18. zum 19. Jahr­hundert durch Gaspard Monge (1746-1818) und dessen Schüler Francois Lacroiz (1765-1843), einem der erfolgreichsten mathematischen Lehrbuchautoren des 19. Jahrhunderts. Wurde bisher ein Koordinatensystem meist anhand eines gegebe­nen speziellen geometrischen Gebildes eingeführt, so wurde jetzt die analytische Geometrie zu einer Lehre von geometrischen Gebilden und deren inneren und gegenseitigen Verhältnissen im Rahmen eines vorgegebenen Koordinaten­systems. Siehe dazu das Standardwerk von Boyer [1956].

119 Siehe dazu die in Hinweis 114 diskutierte Problematik.

120 Siehe dazu insbesondere die Fragenbeantwortungen vom 7. März 1920 und die entsprechenden Hinweise, vor allem Hinweis 27.

Fragenbeantwortung (open diseussion) während des Sommerkurses (Summer Art Course) am Gortheanum in Dornach vom 21. bis 27. August 1921

#G324a-1995-SE286 Die vierte Dimension Mathematik und Wirklichkeit

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Dornach, 26. August 1921

Fragenbeantwortung (open diseussion) während des Sommerkurses (Summer Art Course) am Gortheanum in Dornach vom 21. bis 27. August 1921.

Die Autoreferate von Rudolf Steiners Vorträgen sind publiziert in den Nachrichten der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung (ab Nr.29, 1970: Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgahe), Nr.8, 1962, S. 4-20. - Das detaillierte Tagungsprogramrn wurde veröffentlicht in den Zeitschriften Dreigliederung des sozialen Organismus, 3. Jahr­gang, Nr.5, und Das Goetheanum, Band 1, 1921/1922, Nr.1. - Eine Nachsehrift der Vorträge wurde zum ersten Mal veröffentlicht in der Zeitschrift Gegenwart. Im 14. Jahrgang 1952/53 findet sich der Einführungsvortrag vom 21. August 1921 in Heft 9/ 10, S.353-363, sowie der Vortrag vom 23. August 1921 in Heft 11, S.417-428. Die Vorträge vom 24. und 26. August 1921 finden sich im 15. Jahrgang, 1953/54, Heft 1, S.4-19 und Heft 2, S. 44-63. Die Fragenbeantwortung wurde bisher nicht gedruckt.

- Die Veröffentlichung dieser Vorträge ist vorgesehen für GA 73a.

121 Siehe dazu und zum folgenden die Fragenbeantwortung vom 15. Oktober 1920 und die entsprechenden Hinweise.

122 Siehe dazu auch die Vorträge vom 2. Mai 1920 (GA 201) und 16. Januar 1921 (GA 323).

123 Rudolf Steiner verwendet hier die Reihenfolge der Gesetze, wie sie Kopernikus im ersten Buch seines Hauptwerks De revolutionihus orhium coelestium, Kapitel 11, entwickelt. Siehe dazu die Fragenbeantwortung vom 15. Oktober 1920 und die Hinweise 80 und 81.

124 Dies ist vermutlich ein Hinweis auf die von Steiner in der Fragenbeantwortung vom 15. Oktober 1920 erwähnten Besselschen Reduktionen.


Den Haag, 12. April 1922

Fragenbeantwortung am Ende eines Kurses für Akademiker, gehalten in den Haag vom 7. bis 12. April 1922.

Die von Rudolf Steiner in Den Haag vom 7. bis 12. April 1922 gehaltenen Vorträge sind publiziert in dem Band «Damit der Mensch ganz Mensch werde. Die Bedeutung der Anthroposophie im Geistesleben der Gegenwart», GA 82, Dornach 1994

125 Zu Hinton siehe Hinweis 18 zum Vortrag vom 31. März 1905 und zum Tesser­akt siehe den Vortrag vom 31. Mai 1905 und die dazugehörigen Hinweise.

126 Siehe dazu die Fragenbeantwortung vom 7. April 1922 sowie die Hinweise 116 und 117.

127 Siehe dazu die Vorträge vom 8., 9. und 10. April 1922 (GA 82).

128 Siehe dazu die ähnlichen Stellen am Ende des Vortrages vom 10. Januar 1921 (GA 323, S.199-200) sowie am Anfang des Vortrages vom 18. Januar 1921 (GA 323, S.318-320).

129 Vermutlich handelt es sich hier um den Vortrag Rudolf Steiners in der «Mathe­matischen Gesellschaft« in Basel im Wintersemester 1920/21. Näheres hierzu siehe im Aufsatz «Uber einen mathematischen Vortrag Rudolf Steiners in Basel« in Beiträge zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Nr.114/115, Dornach 1995.

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130 Siehe dazu die Parallelstelle in den Vorträgen vom 11. Januar 1921 (Gegenwart, Band 14, S.49-67, insbesondere S.65) und 5. April 1921 (GA 76).

131 Siehe dazu die Fragenbeantwortungen vom 7. März 1920 und die dazugehörigen Hinweise.

132 Siehe dazu ausführlicher: Rudolf Steiner, Metamorphosen des Seelenlebens -Pfade der Seelen erlebnisse (GA 58 und 59), Vorträge vom 28. Oktober 1909 und 17. Februar 1910.

133 Friedrich Wilhelm Ostwald (1853-1932), Chemiker, Farbenwissenschaftler, Naturphilosoph. In seinem Vortrag «Die Überwindung des wissenschaftlichen Materialismus« vom 20. September 1895, der zugleich ein Plädoyer für seine auf der Energetik beruhende Weltanschauung darstellt sowie in bewußtem Kontrast zur mechanistischen Weltanschauung von Emil du Bois-Reymond (1818-1896) steht, heißt es: «Erscheint es als ein vergebliches, bei jedem einzelnen ernsthaften Versuche schließlich gescheitertes Unternehmen, die bekannten physikalischen Erscheinungen mechanisch zu deuten, so ist der Schluß unabweisbar, daß dies um so weniger bei den unvergleichlich viel verwickelteren Erscheinungen des organischen Lebens gelingen kann. Die gleichen prinzipiellen Widersprüche machen sich auch hier geltend, und die Behauptung, alle Naturerscheinungen ließen sich in erster Linie auf mechanische zurückführen, darf nicht einmal als eine brauchbare Arbeitshypothese bezeichnet werden; sie ist ein bloßer Irrthum. Am deutlichsten tritt dieser Irrthum gegenüber der folgenden Thatsache in die Erscheinung. Die mechanistischen Gleichungen haben alle die Eigenschaft, daß sie die Vertauschung des Zeichens der Zeitgröße gestatten. Das heißt, die theo­retisch vollkommenen mechanischen Vorgänge können ebenso gut vorwärts, wie rückwärts verlaufen. In einer rein mechanischen Welt gäbe es daher kein Früher und Später im Sinne unserer Welt; es könnte der Baum wieder zum Reis und zum Samenkorn werden, der Schmetterling sich in die Raupe, der Greis in ein Kind verwandeln. Für die Thatsache, daß dies nicht stattfindet, hat die mecha­nistische Weltauffassung keine Erklärung und kann wegen der erwähnten Eigen­schaft der mechanischen Gleichungen auch keine haben. Die thatsächliche Nichtumkehrbarkeit der wirklichen Naturerscheinungen beweist also das Vor­handensein von Vorgängen, welche durch mechanische Gleichungen nicht dar­stellbar sind, und damit ist das Urtheil des wissenschaftlichen Materialismus gesprochen.« ([1895], S. 20f.)

134 Gemeint ist hier, daß die projektive Gerade nur einen (unci nicht zwei) anschau­lich unendlich ferne Punkte hat.

135 Der eigentliche Begründer der modernen Perspektive ist Filippo Brunelleschi (1377-1446), Architekt und Erbauer der Domkuppel in Florenz. Erste Förde­rung erfuhr die neue Perspektivenlehre durch den Architekten und Gelehrten Leon Battista Alberti (1401-1472) sowie durch den Maler und Mathematiker Piero della Francesca (1416-1492). Für den Kulturraum nördlich der Alpen war die Schrift Underweysung der messung mit dem zirekel und richtscheyt in linien, ebnen und gantzen corporen (1525) von Albrecht Dürer (1471-1528) von ent­scheidendem Einfluß.

136 Zur Farbenperspektive siehe den Vortrag vom 2. Juni 1923 (GA 291) und 19. April 1922 (GA 304, S. 208) sowie die Fragenbeantwortung vom 11. März 1920.

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Dornach, 29. Dezember 1922

Ergänzende Ausführungen während des Vortragszyklus «Der Entstehungsmoment der Naturwissenschaft in der Weltgeschichte und ihre seitherige Entwickelung«, GA 326. Bemerkungen zur Diskussion im Anschluß an den Vortrag von Ernst Blümel uber «Die vier Raumdimensionen im Lichte der Anthroposophie». - Vom Vortrag von Ernst Blümel (1884-1952) ist bisher keine Nachsehrift nachweisbar.

137 Vortrag vom 26., 27. und 28. Dezember 1922 (GA 326). Zum Tast- und Sehraum siehe die Vorträge vom 17. März 1921 (GA 324) und 1. Januar 1923 (GA 326).

138 Auf diesen Übergang einer Kugel in eine Ebene oder eines Kreises in eine Ge­rade hat Rudolf Steiner an verschiedenen Orten hingewiesen. Siehe die Parallel-stellen in diesem Band: Vortrag vom 24. März 1905, Fragenbeantwortungen vom 2. September 1906, 28. Juni 1908 und 25. November 1912.

139 Siehe zum «Abfangen der Wirklichkeit« im Zusammenhang mit der projektiven Geometrie die Vorträge vom 11. Januar 1921 (veröffentlicht in Gegenwart, Band 14, 1952, Heft 2, S. 49-67; vorgesehen für GA 73a), S. April 1921 (GA 76) und die Fragenbeantwortung vom 12. April 1922 (GA 324a und 82).

140 Unter zwangläufigen Bewegungen versteht man heute solche Bewegungen, die nur einen Freiheitsgrad haben, das heißt, daß sie so eingeschränkt sind, daß es nur einen freien Parameter der Bewegung gibt. - Vermutlich meint Steiner hier aber das ganz allgemeine Problem einer Bewegung mit Nebenbedingungen oder «Zwangakräften». Die Newtonsche Formulierung der Mechanik erwies sich für die Berechnung von Bewegungen unter Nebenbedingungen als unhandlich; zudem war es nicht so leicht möglich, verallgemeinerte (nicht rechtwinklige) Bewegungskoordinaten einzuführen. Beides läßt sich elegant mit Hilfe der auf einem mechanischen Variationspn.nzip beruhenden Lagrangeschen Gleichungen behandeln.

141 Siehe den Vortrag vom 27. Dezember 1922 (GA 326).

142 Siehe zur negativen Gravitation die Vorträge vom 7. und 8. Januar 1921 (GA 323).

143 Die angegebene Gleichung, falls sie überhaupt richtig überliefert worden ist, muß symbolisch-qualitativ aufgefaßt werden, das heißt als ein Hinweis auf eine erst noch auszuführende exakte mathematische Formulierung. Streng genommen müßten auch auf der rechten Seite Differentialausdrücke vorkommen, wenn es sich um eine zehte Gleichung handeln soll.

144 Joseph-Louis Lagrange (1736-1813), Mathematiker, Physiker, Astronom in Tu­rin, Berlin und Paris. - Die Ableitung, Diskussion und Anwendung der nach Lagrange benannten Gleichungen macht den Hauptbestandteil seines Werkes Mécanique Analitique (Paris, 1788) aus. Zu den Lagrangeschen Gleichungen sie­he den Hinweis 159.

145 Siehe den Vortrag vom 28. Dezember 1922 (GA 326).

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BIBLIOGRAPHIE

Abkürzungen

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[ ] Alle Jahreszahlen in eckigen Klammern nach Autorennamen verweisen auf in der Bibliographie angeführte Literatur.

GA Bibliographie-Nummer der Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Dornach: Rudolf Steiner Verlag.

* Die mit einem * bezeichneten Schriften befinden sich in der Bibliothek Rudolf Steiners im Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung in Dornach.

Benutzte biographische und bibliographiache Nachschlagewerke

Bio graphisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaf­ten. Herausgegeben von Johann Christian Poggendorff. 6 Teile in 11 Bänden. Leipzig: Barth 1863-1919. Berlin: Verlag Chemie 1925-40.

Dictionary of Scientific Bio graph y. Vol. 1-16. Edited by Charles Coulston Gillisipie. New York: Charles Scribner's Sons 1970-80.

Lexikon bedeutender Mathematiker. Herausgegeben von Siegfried Gottwald, Hans-Joachim Ilgauds, Karl-Heinz Schlote. Thun/Frankfurt (Main): Harri Deutsch 1990.

Das Wirken Rudolf Steiners 1917-1925. Berlin, Stuttgart und Dornach. Heraus gege­ben von Heinz Herbert Schöffler. Dornach: Philosophisch-Anthroposophischer Verlag am Goetheanum 1987.

Bikliographische Übersicht. Das literarische und künstlerische Werk von Rudolf Stei­ner. Herausgegeben vom Archiv der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung. (Über­sichtsbände zur Rudolf Steiner Gesamtausgabe, Erster Band). Dornach: Rudolf Steiner Verlag 1984.

Hans Schmidt, Das Vortragswerk Rudolf Steiners Verzeichnis der von Rudolf Steiner gehaltenen Vorträge, Ansprachen, Kurse und Zyklen. Dornach: Philosophisch­Anthropoaophischer Verlag am Goetheanum 1950 (2. erweiterte Auflage 1978).

In den Hinweisen zitierte Literatur

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#SE324a-298

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NAMENREGISTER

#G324a-1995-SE299 Die vierte Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

NAMENREGISTER

#TX

* = ohne Namensnennung im Text

Baravalle, Hermann von 136

Bessel, Friedrich Wilhelm 183

Blümel, Ernst 159

Bolay, János (Johann) 13

Buddha 132

Cantor, Georg 184*

Clausius, Rudolf 186, 190

Dühring, Eugen 156


Einstein, Albert 136-140, 144, 146f.,173, 182, 190, 211, 217, 219

- Relativitätstheorie 133, 144, 181f., 202, 210, 213

Euklid (euklidisch) 165, 167, 194,196f., 200f., 211, 220

Goethe, Johann Wolfgang von 47, 59, 132, 165, 169, 171, 189


Hinton, Charles Howard 25 50 56 64, 65, 75, 83, 95, 109 207 , ,

- Tessarakt 57, 66, 67, 77. 78 81 82 88, 96, 97, 98, 110 , , , ,


Kant, Immanuel 122, 196

Keyserling, Hermann 187-189,

Kolisko, Eugen 1634

Kopernikus, Nikolaus 177-179, 183, 203-206,

Kronos 35

Müller, Ernst 149

Münchhausen, Karl Friedrich Hiero­nymus, Freiherr von 19

Nietzsche, Friedrich 212


Ostwald, Friedrich Wilhelm 216

Planck, Max 172f.

Plato 48, 78, 79, 126

Ptolemäus, Claudius 177

Pythagoras (pythagoreisch) 155

Riemann, Bernhard 13, 101f., 194f., 202

Schopenhauer, Arthur 18, 78,

Schouten, Jan Arnoldus 34, 43, 54, 119

Simony, Oskar 23, 129, 166

Spengler, Oswald 185-189

Steffen, Albert 184 Gauß, Carl Friedrich 13, 156, 195

Steiner, Rudolf (Werke + Vorträge)

- Theosophie (GA 9) 45

- Vortrag vom 19.4.1914: in Geistes­

wissenschaft als Lebensgut, (GA 63) 133*

- Geisteswissenschaftliche Impulse

zur Entwickelung der Physik, II (GA 321) 190*

Stockmeyer, Ernst August Karl 167*

Strakosch, Alexander 157

Unger, Karl 180

Uranos 35

Vreede, Elisabeth 179

Zeus 35

Zöllner, Johann Karl Friedrich 17, 90

ÜBER DIE VORTRAGSNACHSCHRIFTEN Aus Rudolf Steiners Autobiographie «Mein Lebensgang» (35. Kap., 1925)

#G324a-1995-SE301 Die vierte Dimension Mathematik und Wirklichkeit

#TI

ÜBER DIE VORTRAGSNACHSCHRIFTEN

Aus Rudolf Steiners Autobiographie

«Mein Lebensgang» (35. Kap., 1925)

#TX

Es liegen nun aus meinem anthroposophischen Wirken zwei Ergebnisse vor; erstens meine vor aller Welt veröffentlichten Bücher, zweitens eine große Reihe von Kursen, die zunächst als Privatdruck gedacht und ver­käuflich nur an Mitglieder der Theosophischen (später Anthroposophi­schen) Gesellschaft sein sollten. Es waren dies Nachschriften, die bei den Vorträgen mehr oder weniger gut gemacht worden sind und die - wegen mangelnder Zeit - nicht von mir korrigiert werden konnten. Mir wäre es am liebsten gewesen, wenn mündlich gesprochenes Wort mündlich ge­sprochenes Wort geblieben wäre. Aber die Mitglieder wollten den Privat-druck der Kurse. Und so kam er zustande. Hätte ich Zeit gehabt, die Dinge zu korrigieren, so hätte vom Anfange an die Einschränkung «Nur für Mitglieder» nicht zu bestehen gebraucht. Jetzt ist sie seit mehr als einem Jahre ja fallen gelassen.

Hier in meinem «Lebensgang* ist notwendig, vor allem zu sagen, wie sich die beiden: meine veröffentlichten Bücher und diese Privatdrucke in das einfügen, was ich als Anthroposophie ausarbeitete.

Wer mein eigenes inneres Ringen und Arbeiten für das Hinstellen der Anthroposophie vor das Bewußtsein der gegenwärtigen Zeit verfolgen will, der muß das anhand der allgemein veröffentlichten Schriften tun. In ihnen setzte ich mich auch mit alle dem auseinander, was an Erkenntnis-streben in der Zeit vorhanden ist. Da ist gegeben, was sich mir in «geisti­gem Schauen» immer mehr gestaltete, was zum Gebäude der Anthroposo­phie - allerdings in vieler Hinsicht in unvollkommener Art - wurde.

Neben diese Forderung, die <> aufzubauen und dabei nur dem zu dienen, was sich ergab, wenn man Mitteilungen aus der Geist-Welt der allgemeinen Bildungswelt von heute zu übergeben hat, trat nun aber die andere, auch dem voll entgegenzukommen, was aus der Mitglied­schaft heraus als Seelenbedürfnis, als Geistessehnsucht sich offenbarte.

Da war vor allem eine starke Neigung vorhanden, die Evangelien und den Schrift-Inhalt der Bibel überhaupt in dem Lichte dargestellt zu hören, das sich als das anthroposophische ergeben hatte. Man wollte in Kursen über diese der Menschheit gegebenen Offenbarungen hören.

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Indem interne Vortragskurse im Sinne dieser Forderung gehalten wur­den, kam dazu noch ein anderes. Bei diesen Vorträgen waren nur Mitglie­der. Sie waren mit den Anfangs-Mitteilungen aus Anthroposophie be­kannt. Man konnte zu ihnen eben so sprechen, wie zu Vorgeschrittenen auf dem Gebiete der Anthroposophie. Die Haltung dieser internen Vor­träge war eine solche, wie sie eben in Schriften nicht sein konnte, die ganz für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Ich durfte in internen Kreisen in einer Art über Dinge sprechen, die ich für die öffentliche Darstellung, wenn sie für sie von Anfang an bestimmt gewesen wären, hätte anders gestalten müssen.

So liegt in der Zweiheit, den öffentlichen und den privaten Schriften, in der Tat etwas vor, das aus zwei verschiedenen Untergründen stammt. Die ganz öffentlichen Schriften sind das Ergebnis dessen, was in mir rang und arbeitete; in den Privatdrucken ringt und arbeitet die Gesellschaft mit. Ich höre auf die Schwingungen im Seelenleben der Mitgliedschaft, und in meinem lebendigen Drinnenleben in dem, was ich da höre, entsteht die Haltung der Vorträge.

Es ist nirgends auch nur in geringstem Maße etwas gesagt, was nicht reinstes Ergebnis der sich aufbauenden Anthroposophie wäre. Von irgend einer Konzession an Vorurteile oder Vorempfindungen der Mitgliedschaft kann nicht die Rede sein. Wer diese Privatdrucke liest, kann sie im voll­sten Sinne eben als das nehmen, was Anthroposophie zu sagen hat. Des­halb konnte ja auch ohne Bedenken, als die Anklagen nach dieser Rich­tung zu drängend wurden, von der Einrichtung abgegangen werden, diese Drucke nur im Kreise der Mitgliedschaft zu verbreiten. Es wird eben nur hingenommen werden müssen, daß in den von mir nicht nachgesehenen Vorlagen sich Fehlerhaftes findet.

Ein Urteil über den Inhalt eines solchen Privatdruckes wird ja aller­dings nur demjenigen zugestanden werden können, der kennt, was als Urteils-Voraussetzung angenommen wird. Und das ist für die allermeisten dieser Drucke mindestens die anthroposophische Erkenntnis des Men­schen, des Kosmos, insofern sein Wesen in der Anthroposophie darge­stellt wird, und dessen, was als «anthroposophische Geschichte» in den Mitteilungen aus der Geist-Welt sich findet.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.