GA 296

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RUDOLF STEINER

VORTRÄGE

VORTRÄGE ÜBER ERZIEHUNG

Die Erziehungsfrage als soziale Frage

Die spirituellen, kulturgeschichtlichen und sozialen
Hintergründe der Waldorfschul-Pädagogik

Sechs Vorträge, gehalten in Dornach
vom 9. bis 17 August 1919

GA 296

1997

Inhaltsverzeichnis


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ERSTER VORTRAG Dornach, 9. August 1919

Nach einer Arbeit, die tief hineinsehen ließ in dasjenige, was gegen-wärtig vorgeht in Menschengemütern, was gegenwärtig besteht an innerer Tragik der Menschheitsentwickelung, kann ich wiederum einige Tage hier an diesem Orte sein, der ja so eng verbunden ist mit jener Tätigkeit, von der wir doch glauben müssen, daß sie abgeben kann die Kraft, die heutige Tragik der Menschheit wiederum in ein hoffnungsvolleres Fahrwasser nach und nach umzuentwickeln.

Zu keiner Zeit vielleicht war eigentlich weniger Neigung vor­handen, in wahrem und echtem Sinne des Wortes die Seele zu er­heben zu den geistigen Welten, und notwendig ist es ganz besonders in dieser Zeit, die Seele zu erheben zu den geistigen Welten. Denn nur aus diesen geistigen Welten kann dasjenige kommen, was der gegenwärtigen Menschheit Kraft geben kann, weiter den Lebenspfad als ganze Menschheit zu gehen. Die Probleme, die Aufgaben, die der Gegenwart gestellt sind, von ihnen glaubt man heute in weitesten Kreisen, daß man sie lösen kann mit den Gedanken, mit den Impul­sen, welche herzunehmen sind aus dem äußerlichen menschlichen Wissen. Wie lange es noch dauern kann, bis ein genügend großer Teil der Menschheit sich zu der Uberzeugung durchringt, daß nur auf dem geistigen Wege ein wirkliches Heil zu erreichen ist, das ist heute eigentlich außerordentlich schwer zu sagen, schon aus dem Grunde, weil das Nachdenken gerade über diese Frage eigentlich nicht besonders fruchtbar ist. Aber sicher ist das andere, daß nur wird weitergeschritten werden können, wenn diese Überzeugung, daß nur aus den geistigen Welten die Rettung kommt, in einer genügend großen Anzahl von Menschen wirklich durchgedrungen ist.

Was die Menschen heute in weitesten Kreisen beschäftigt, worüber aber doch ernstlich nachzusinnen den Menschen vor allen Dingen die intellektuelle Kraft fehlt, weil die intellektuelle Kraft in der gegenwärtigen Zeit fast wie gelähmt ist bei einem großen Teil der Menschheit, das sind ja die sozialen Probleme. Und der Glaube

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herrscht, daß man diese sozialen Probleme mit dem, was man heute Wissen und Erkenntnis nennt, bewältigen könne. Man wird sie nicht bewältigen können, man wird sie niemals bewältigen können, wenn sie nicht in Angriff genommen werden vom Gesichtspunkte geistiger Erkenntnis.

Wir haben einen langen Waffenkampf durchgemacht. An diesen langen Waffenkampf wird sich anschließen ein wahrscheinlich recht lange dauernder Kampf der Menschheit überhaupt. Viele Leute haben gesagt: Dieser Waffenkampf, wie er erlebt worden ist über die zivi­lisierte Welt hin, er war das furchtbarste Ereignis dieser Art seit der Zeit, da man überhaupt von einer menschlichen Geschichte spricht. -Man kann nicht sagen, daß dieses Urteil unrichtig ist. Der Kampf, der mit diesen und jenen Mitteln auszufechten sein wird, der sich an diesen Waffenkampf anschließen wird zwischen Orient und Okzi­dent, zwischen Asien, Europa und Amerika, dieser Kampf wird wohl der größte Geisteskampf werden, welchen wiederum die Menschheit auszufechten hat. All dasjenige, was selbst durch das Christentum an Impulsen und Kräften in die Menschheit eingeflossen ist, das wird in gewaltigen, elementaren Kampfeswogen die Zivilisation überspülen.

Man kann heute, ich möchte sagen, auf eine einfache Formel bringen, worinnen der große Gegensatz liegt zwischen dem Orient und dem Okzident. Aber diese einfache Formel - nehmen Sie sie nicht einfach. Diese einfache Formel schließt ungeheure Weiten menschlicher Impulse ein. Sie wissen, ich habe in meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft» aufmerksam darauf gemacht, daß für weite Kreise der gegenwärtigen Menschheit das Geistesleben eine Ideologie geworden ist, daß dasjenige, was geistige Güter der Mensch­heit sind, Recht, Sitte, Wissenschaft, Kunst, Religion und so weiter, so angesehen wird, daß das nur der Rauch gewissermaßen ist, der aufsteigt aus der einzig wahren Wirklichkeit, aus der ökonomischen Produktionsweise, aus dem wirtschaftlichen Untergrund. Über solche Dinge habe ich ja zu Ihnen auch gesprochen, als ich vor mehreren Monaten hier von Ihnen Abschied nahm.

Ideologie - erwidern einem heute weite Kreise, wenn man von

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Geistesleben spricht; es ist alles das, was sich aus der einzigen Wirk­lichkeit, aus der ökonomischen Wirklichkeit, aus der Wirtschafts­wirklichkeit spiegelt in der menschlichen Seele, nur Ideologie. - Man hat heute viel Grund, nachzudenken darüber, was dieses Wort Ideo­logie eigentlich in der Weltkultur bedeutet. Und es bedeutet sehr viel. Man kann dieses Wort mit keinem anderen in einen näheren Zusam­menhang bringen, als mit dem Worte Maja der orientalischen Weis­heit. Maja richtig ins Abendländische übersetzt, bedeutet Ideologie. Und jede andere Übersetzung von Maja ist ungenauer als die Über­setzung mit Ideologie. So daß man sagen kann: im Grunde genau dasselbe begrifflich oder ideenhaft, was der Morgenländer sich vor­stellt bei dem Worte Maja, das stellt sich ein großer Teil der abend-ländischen Menschheit vor bei dem Worte Ideologie. Aber welch ge­waltiger Unterschied! Was denkt der Morgenländer bei dem Worte Maja? Er denkt, die äußere Sinneswelt ist die Maja, alles dasjenige, was an unsere Sinne herankommt und an den an die Sinne gebunde­nen Verstand, das ist die Maja, das ist die große Täuschung. Und die einzige Wirklichkeit ist dasjenige, was in der Seele aufsteigt. Das Seelisch-Geistige, zu dem sich der Mensch durchringt, das ist das­jenige, was Wirklichkeit ist; was im menschlichen Inneren aufquillt und aufsprießt, das ist Wirklichkeit. Das, was sich den Sinnen äußer­lich darbietet, ist Maja, ist Ideologie.

Und über einen großen Teil der abendländischen Menschheit breitet sich die andere Überzeugung aus: Die einzige Wirklichkeit ist dasjenige, was den äußeren Sinnen erscheint. Das ist die Wirklich­keit. Genau dasjenige, was der Morgenländer Maja nennt, das ist für einen großen Teil der abendländischen Menschheit die Wirklich­keit. Und was der Orientale die Wirklichkeit nennt, dasjenige, was innerlich aufsprießt, was innerlich aufquillt in der Seele, das ist für einen großen Teil der abendländischen Menschheit Ideologie, Maja. Sie sehen einen großen Gegensatz. Was der Orientale die Wirklich­keit nennt, nennt Europa und Amerika heute schon die Maja: Ideolo­gie ist dasselbe. Dasjenige, was der Abendländer mit Amerika, mit dem amerikanischen Nachwuchs, die Ideologie, die Maja nennt, das ist für den Orientalen Wirklichkeit.

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Das frißt tief in den Seelen der Menschen, das macht die Men­schen über die Erde hin zu zwei ganz verschiedenen Wesensarten. Wenn Sie überblicken dasjenige, was geschehen ist über die zivilisierte Welt, so werden Sie sich sagen, hoffentlich heute schon sagen: Im Grunde ist alles das, was gesprochen wird über Ursache und Veran­lassungen dieser Weltkatastrophe eigentlich auf der Oberfläche schwimmend, Oberflächenansicht. Dasjenige, was sich ausgeprägt hat in diesem furchtbaren Kampf, das ist etwas, was wie elementar aus unbewußten Tiefen heraufgezogen ist. Die Menschen haben daran teilgenommen, man sieht es heute ganz genau, sie wußten nicht war­um im Grunde; es ist dasjenige, was dieser Gegensatz, der noch lange nicht ausgetragen ist, an elementaren Kräften an die Oberfläche ge­schwemmt hat. So stark ist das antisoziale Element in der Gegenwart, daß die Menschheit in diese zwei wesensverschiedenen Glieder zer­fällt.

Und bringen Sie das, was ich eben gesagt habe, mit anderem in Zusammenhang, so werden Sie finden, wenn Sie nach Westen schauen, daß das Streben des Westens nach Freiheit geht - ob man diese Frei­heit versteht oder mißversteht, es kommt weniger darauf an -, das Streben geht nach Freiheit; und wie aus dunklen Untergründen der Menschenseele herauf, wühlt sich das Bedürfnis nach Freiheit.

Blicken Sie nach dem Osten: Dasjenige, was man im Westen die Freiheit nennt, für den Osten hat es eigentlich keinen rechten Sinn; es ist wie etwas, womit man überhaupt keine Begriffe, keine Empfin­dungen verbindet. Dasjenige, was man am intensivsten erlebt, über das denkt man da nicht nach. Denken Sie doch nur einmal, wie we­nig die Menschen über Naturerscheinungen nachdenken, die sie un-mittelbar im Alltag umgeben! Über das allernächst Erlebte denken die Menschen ja nicht nach. Der Orientale, indem er die ihm gemäße Wirklichkeit verfolgt, die innere Wirklichkeit, er lebt in der Frei­heit, die ihm eben werden kann nach seinen Rassen-, Volks- und Stammeseigentümlichkeiten. Er denkt nicht darüber nach. Je weiter man nach Westen blickt, desto mehr ist im Lauf der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit die Freiheit verlorengegangen: weil sie sie nicht hat, muß sie danach streben.

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Und so könnte man vieles, vieles anführen, man würde in allem finden diesen fundamentalen Gegensatz zwischen dem Westen und dein Osten. Es kündigt sich bereits an dasjenige, was vielleicht schon die nächsten Jahre bringen werden. Augenblicklich sind es nur äußere Symptome, äußere Symptome, die in Asien vorgehen, über die Europa heute noch schweigt - schweigt aus wohlverstandenen Grün­den. Daß zum Beispiel in Indien fast mehr als die Hälfte der Bevölkerung halb verhungert ist, das wird aus der Geistigkeit her­aus gerade des indischen Volkes etwas gebären, was noch ganz an­deres darstellen wird, als dasjenige, was sich in Europa abgespielt hat. Das sind äußere Symptome. Aber auch mit Bezug auf diese äußeren Symptome sind die Menschen heute in zwei wesensverschie­dene Glieder getrennt. Für den Inder bedeutet der Hunger etwas ganz anderes als für den Europäer, denn der Inder hat eine Jahrtausende alte andere seelische Entwickelung hinter sich als der Europäer. Diese Dinge, sie müssen heute scharf ins Auge gefaßt werden von dem, der etwas verstehen will von dem Gang der Menschheitsentwickelung. Wir müssen uns heute klar sein darüber, daß dasjenige, was man ge­wöhnlich die soziale Frage nennt, etwas viel Komplizierteres ist, als man gewöhnlich meint. Diese soziale Frage, sie ist ja eine Begleit­erscheinung jener Kultur, die heraufgekommen ist seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ich habe von diesem bedeutsamen Einschnitt in die Geschichte der zivilisierten Menschheit in der Mitte des 15. Jahr­hunderts immer wieder und wiederum auch zu Ihnen hier gespro­chen. Seit dieser Zeit kam allmählich herauf die neuere Färbung der Naturwissenschaft. Seit dieser Zeit kam aber auch herauf die neuere Färbung des Industrialismus. Naturwissenschaft und Industrialismus zusammen, die bedeuten dasjenige, was sich über die moderne Mensch­heit ausgegossen hat, und was der modernen Menschheit die beson­dere Richtung ihres Geistes gegeben hat.

Ich habe auch hier in der Schweiz zu Ihnen gesprochen von der besonderen Artung der Naturwissenschaft, habe Ihnen gesagt, daß ge­scheite Leute, die heute nachdenken über das, was die Naturwissen­schaft geben kann, schon sagen: Dasjenige, was die neuere Natur-anschauung überliefert, ist nicht die Welt, es ist ein Gespenst von der

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Welt. - Alles das, was die Naturforscher ausgedacht haben, und was heute populäre Bildung ist, viel mehr populäre Bildung ist als diese Menschen glauben, das ist Glaube, eigentlich Aberglaube an eine ge­spenstische Welt. Und an die Seite dieser gespenstischen Welt ist das­jenige gestellt, was aus dem modernen Industrialismus an geistiger Wirksamkeit über die Menschen gekommen ist. Der Industrialismus, man muß ihn in seiner geistigen Bedeutung einmal ins Auge fassen. Nehmen Sie dasjenige, was den Industrialismus vorzugsweise be­herrscht, die Maschine. Die Maschine unterscheidet sich von allem übrigen, mit dem es der Mensch zu tun haben kann in seinem äußeren Leben. Ich bitte Sie, betrachten Sie das Tier. Sie werden, indem Sie Ihre wissenschaftlichen oder sonstigen Erkenntnisgedanken auf das Tier anwenden - ich will gar nicht vom Menschen in dem heutigen Zusammenhang sprechen -, noch so viel über das Tier erforschen können, es bleibt immer etwas, ich möchte sagen, Göttlich-Tiefes im Tiere; Sie schöpfen es nicht aus, Sie kommen nicht dahinter. Hinter das, was Sie über das Tier denken, stellt sich immer etwas, was Ihnen unbekannt bleibt. Bei der Pflanze ist es nicht weniger. Und nehmen Sie selbst den Kristall, nehmen Sie die wunderbaren Formen der Kristallwelt, Sie werden sich sagen müssen: Gewiß, man kann das Äußerste begreifen in der Kristallwelt, in ihren Formen und so wei­ter, wenn man auf diese Sache hin geschult ist, aber es bleibt noch hinlänglich vieles von dem, was der Mensch verehren kann als das­jenige, zu dem er nicht mit dem unmittelbaren, unhellseherischen Ver­stande dringt.

Nehmen Sie die Maschine, sie ist durch und durch durchsichtig. Man weiß: die Kraft setzt so ein, der Zapfen sitzt so und so in der Öffnung drinnen, die Reibung ist eine so und so große, man kann den Nutzeffekt berechnen, wenn man die einzelnen Elemente kennt

- nichts ist hinter der Maschine, welches auffordert dazu, sich zu sagen: Da ist etwas, was nicht durchdrungen werden kann mit dem gewöhnlichen unseherischen menschlichen Verstande. Das bedeutet für den Verkehr des Menschen mit der Maschine sehr viel. Und wenn man wiederum einmal vor Tausenden und Tausenden von Menschen gestanden hat, die es mit der Maschine zu tun haben, dann weiß

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man, was in die Seelen der Menschen hineinträufelt von dieser geistig durchsichtigen Maschine, von dieser Maschine, die nichts hinter sich hat, was irgendwie vielleicht für den unseherischen Verstand nur ge­ahnt oder nicht durchschaut werden könnte. Das macht den Verkehr mit der Maschine so verheerend für den Menschen, daß die Maschine geistig-seelisch so durchsichtig ist; daß alles, was an Kräften und Kräftezusammenhängen in der Maschine ist, so wasserklar daliegt vor den menschlichen Sinnen und dem menschlichen Verstande. Das ist das, was Herz und Seele der Menschen aussaugt, was den Men­schen trocken macht, was den Menschen unmenschlich macht.

Und Naturwissenschaft und Maschine zusammen, sie bedrohen die zivilisierte Menschheit mit einem dreifachen furchtbar Zerstören­den. Denn was droht dieser modernen Menschheit, wenn sie sich nicht aufrafft, nach dem Übersinnlichen hinzuschauen? In bezug auf die Erkenntnis droht nach und nach jenes Ideal überhand zu nehmen, welches von Naturforschern schon ausgesprochen ist, indem sie gesagt haben: Man strebt an, die Natur so zu erkennen, daß diese Erkennt­nis eine astronomische ist, das heißt der Astronomie nachgebildet ist. Wenn Sie heute sehen, wie der Chemiker nachdenkt über das, was im Molekül drinnen ist, so stellt er sich vor, daß die Atome im Mo­lekül in einer gewissen Weise im Kräftezusammenhange sind (es wird gezeichnet). Das stellt er sich nach dem Muster eines kleinen Planeten- und Sonnensystems vor. Die ganze Welt astronomisch zu erklären, das wird das Ideal. Und die Astronomie selbst, was hat sie für ein Ideal? Das ganze Weltengebäude als eine Maschine anzusehen. -Dazu jenes Tun, jenes Handeln der Menschen an der Maschine!

Das sind die Dinge, die immer stärker und stärker gewirkt haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, das sind die Dinge, welche gegen­wärtig dem Menschen das eigentlich Menschliche aussaugen. Wenn die Menschen weiter nur so nachdenken würden, wie sie über die maschinenhafte Astronomie und über den Industrialismus, indem sie in ihm arbeiten, nachdenken, würden die Geister mechanisiert werden, die Seelen, sie würden schläfrig, vegetarisiert werden, und die Leiber animalisiert.

Sehen Sie nach Amerika: der Hochpunkt der Mechanisierung der

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Geister! Sehen Sie nach dem europäischen Osten, nach Rußland: jene wilden Triebe und Instinkte, die sich da ausleben, und die furchtbar sind: Animalisierung des Leibes. In der Mitte, in Europa die Schläf­rigkeit der Seele. Mechanisierung des Geistes, Vegetarisierung der Seele, Animalisierung der Leiber, das ist dasjenige, was man sich ohne Täuschung vorhalten muß.

Es ist charakteristisch, wie die Menschheit verloren hat - ich habe das hier schon einmal erwähnt -, verloren hat auf dem Wege seit der Mitte des 15. Jahrhunderts neben zwei Lebenselementen das Dritte. Eine mächtige Partei nennt sich heute «Sozialdemokratie», das heißt:

Sozialismus und Demokratie hat sie zusammengeschweißt, obwohl sie das Gegenteil voneinander sind. Aber sie hat sich sie zusammenge­schweißt, und sie hat ausgelassen das Geistige. Denn der Sozialismus kann sich nur auf das Wirtschaftliche, die Demokratie nur auf das Staatlich-Rechtliche beziehen; auf das Geistige würde sich beziehen der Individualismus. Die Freiheit, sie ist ausgelassen in dem Wort Sozialdemokratie, sonst müßte es heißen: individuelle oder individua­listische Sozialdemokratie. Dann würden alle drei Dinge als Men­schenforderung in einem solchen Schlagworte zum Ausdrucke kom­men. Aber es ist charakteristisch für die neuere Zeit, daß dieses Dritte ausgeblieben ist, daß also gewissermaßen der Geist wirklich zur Maja, zur großen Täuschung für die zivilisierte Menschheit des Westens geworden ist, Europas und seines kolonialen Nachwuchses, Amerikas. Das sind die Dinge, von denen ausgegangen werden muß, wenn man Geisteswissenschaft im Sinne einer großen Kulturfrage betrachtet. Über dasjenige, was in den Forderungen der Gegenwart lebt, kann eigentlich gar nicht diskutiert werden. Das sind historische Forderun­gen. Eine historische Forderung ist der Sozialismus, er muß nur im richtigen Sinne verstanden werden. Eine historische Forderung ist die Demokratie, eine historische Forderung ist aber auch der Libera­lismus, die Freiheit, der Individualismus, wenn auch diese letztere Forderung von der modernen Menschheit wenig bemerkt wird. Und die Menschheit wird nicht weiter mitreden können, ohne daß sie ihren sozialen Organismus im Sinne der Dreigliederung: des Sozialismus für das Wirtschaftsleben, der Demokratie für das Rechts- oder Staatsleben,

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der Freiheit oder des Individualismus für das Geistesleben einrichtet.

Das wird angesehen werden müssen als das einzige Heil, als die wirkliche Rettung der Menschheit. Aber wir werden uns nicht täu­schen dürfen darüber, daß gerade deshalb, weil dies intensive, unbe. siegliche historische Forderungen sind für die Gegenwart, sich andere Forderungen für denjenigen, der die Dinge tiefer durchblickt, auf­stellen. Die erwachsenen Menschen werden in einem sozialen Orga­nismus leben müssen, der wirtschaftlich sozial, staatlich demokratisch, geistig liberal aufgerichtet wird sein müssen.

Die große Frage für die Zukunft wird sein: Wie werden wir uns zu benehmen haben gegenüber den Kindern, wenn wir sie so er­ziehen wollen, daß sie als Erwachsene in das Soziale, das Demokra­tische, in das Liberale in umfassendstem Sinne hineinwachsen können? Und eine der allerwichtigsten der sozialen Fragen für die Zukunft, ja schon für die Gegenwart, ist einmal die Erziehungsfrage. Und auf diese Erziehungsfrage wurde gerade innerhalb der Geisteswissenschaft hingedeutet in der Weise, wie es die Menschheit der Gegenwart wird verstehen müssen, wenn sie vorwärtsdringen will. Sonst werden die sozialen Forderungen immer chaotisch bleiben, wenn nicht gesehen wird auf ihrem Grunde die gewaltigste Frage der Gegenwart:

die Erziehungsfrage. Und Sie brauchen, wenn Sie die großen Richt­linien kennenlernen wollen für dasjenige, was in der Erziehungsfrage vorliegt, nur zur Hand zu nehmen das kleine Büchelchen: «Die Er­ziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft.» Eine der wichtigsten sozialen Fragen der Gegenwart ist mit diesem Büchelchen auf die Oberfläche der Menschenbetrachtung gehoben worden: die soziale Erziehungsfrage. Lernen wird man müssen in weitesten Kreisen der modernen Menschheit dasjenige, was mit Be­zug auf die drei Epochen der Jugendentwickelung des Menschen aus der Geisteswissenschaft herausgeholt werden kann.

Sie wissen, es ist da hingewiesen darauf, wie zwischen der Ge­burt und dem 7. Jahre, dem Jahre, das den Zahnwechsel durch­schnittlich bringt, das Menschenwesen ein nachahmendes Wesen ist, wie das Menschenwesen dasjenige tut, was seine Umgebung tut. Betrachten

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Sie schließlich das Kind wirklich verständig, Sie werden überall finden: Das Kind ist ein nachahmendes Wesen, es tut das­jenige, was die Großen tun. Die große Wichtigkeit in dem Kindes­leben ist die, daß die Menschen, die in der Umgebung des Kindes sind, nur dasjenige tun, was das Kind nachahmen kann, ja, daß sie nur dasjenige denken und empfinden in der Umgebung des Kindes, was das Kind nachahmen kann. Das Kind setzt, indem es durch die Geburt ins physische Dasein eintritt, nur das fort, was es erlebt hat in der geistigen Welt vor der Empfängnis. Da lebt man ja als Men­schenwesen in den Wesen der höheren Hierarchien drinnen; da tut man alles dasjenige, was an Impulsen aus dem Wesen der höheren Hierarchien kommt. Da ist man in einem noch viel höheren Grade ein Nachahmer, weil man in einer Einheit ist mit denjenigen Wesen, die man nachahmt. Dann wird man in die physische Welt herausgesetzt. Da setzt man die Gewohnheit, eins zu sein mit der Umgebung, fort. Diese Gewohnheit erstreckt sich dann darauf, eins zu sein mit Wesen, oder nachzuahmen diejenigen Wesen, die als Menschen in der Umgebung sind und für die Erziehung zu sorgen haben, indem sie dasjenige nur tun und denken und empfinden, was das Kind nachahmen kann. Es ist um so größeres Heil für das Kind, je mehr es leben kann nicht in seiner Seele, sondern in der Seele der Umgebung, in den Seelen der Umgebung.

In der Vergangenheit konnten die Menschen, weil ihr Leben mehr ein instinktives war, auf diese Nachahmung auch instinktiv sich ver­lassen. In der Zukunft wird das nicht so sein. In der Zukunft wird achtgegeben werden müssen darauf, daß das Kind ein Nachahmer ist. In der Zukunft wird bei der Erziehung die Frage immerzu be­antwortet werden müssen: Wie gestaltet man am besten das Leben des Kindes so, daß es in der besten Weise seine Umgebung nach­ahmt? Alles das, was in der Vergangenheit geschehen ist in bezug auf dieses Nachahmen, es wird intensiver und immer intensiver, be­wußter und immer bewußter gefragt werden müssen gegen die Zu­kunft hin. Denn die Menschen werden sich eines sagen müssen: Wenn die Menschen im sozialen Organismus werden erwachsen sein sollen, so werden sie freie Menschen sein müssen. - Frei wird man nur, wenn

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man zuerst als Kind möglichst intensiver Nachahmer war. Die Kraft, die die naturgemäße Kraft des Kindes ist, sie muß intensiv ausge­bildet werden gerade für das Zeitalter, in dem der Sozialismus her­einbrechen wird. Und die Menschen werden nicht freie Wesen wer­den, trotz aller Deklamationen und trotz alles politischen Gewimmers über Freiheit, wenn die entsprechende Kraft der Nachahmung im Kindesalter nicht eingepflanzt wird. Denn was im Kindesalter in dieser Weise eingepflanzt wird, das allein kann die Grundlage für die soziale Freiheit geben.

Und Sie wissen: vom 7. Jahre bis zur Geschlechtsreife, bis zum 14., 15. Jahre lebt im Kinde die Kraft, die man nennen kann das Tun auf Autorität hin. Es kann dem Kinde kein größeres Heil widerfahren, als wenn es dasjenige, was es unternimmt, deshalb tut, weil verehrte Menschen in seiner Umgebung sagen: Das ist richtig, das soll getan werden. - Es ist nichts schlimmer für das Kind, als wenn man es zu früh vor der Geschlechtsreife an sogenanntes eigenes Ur­teil gewöhnt. Das Autoritätsfühlen zwischen dem 7. und 14. Jahre wird in der Zukunft in erhöhtem und intensiverem Maße aus-gebildet werden müssen, als es in der Vergangenheit ausgebildet war. Bewußter und bewußter wird alle Erziehung in diesen Jahren ge­leitet werden müssen im Sinne eines reinen schönen Autoritätsgefüh­les, das im Kinde erwacht; denn dasjenige, was in diesen Jahren in das Kind hineingepflanzt werden soll, es soll die Grundlage bilden für das, was die Erwachsenen im sozialen Organismus erleben sollen als das gleiche Recht der Menschen. Das gleiche Recht der Menschen wird nicht anders da sein, denn die Menschen werden nie reif wer­den als Erwachsene für das gleiche Recht der Menschen, wenn sie nicht in der Kindheit das Autoritätsgefühl eingepflanzt erhalten. In der Vergangenheit mag ein viel geringerer Grad von Autoritätsgefühl genügt haben; in der Zukunft wird er nicht genügen. Und stark wird dieses Autoritätsgefühl in das Kind hineingepflanzt werden müssen, damit die Menschen reif werden für das, was als eine ge­schichtliche Forderung gar nicht einmal diskutiert werden darf, weil es als eine geschichtliche Forderung auftritt.

Alles das, was schließlich Volksschulerziehung, Volksschulunterricht

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ist in diesem Zeitalter, alles muß so eingerichtet werden, daß die Menschen zu dieser Höhe der Anschauung, von der eben gesprochen worden ist, hinaufkommen können. Ich frage Sie nun: Wie weit ist die heutige Menschheit nicht nur, wie weit ist die heutige Lehrerbil­dung entfernt von der Einsicht in diese Dinge? Wie muß gearbeitet werden, wenn diese Einsicht Platz greifen soll? - und sie muß Platz greifen, denn nur in diesem Platz greifen kann das Heil gesucht werden.

Wenn man heute in die Länder kommt, die bereits die erste Revo­lution hinter sich haben, was erfährt man in bezug auf diese Dinge aus Programmen für sogenannte Einheitsschulen? Ja, was steht in die­sen Programmen! Für denjenigen, der Einsicht hat in die Zusammen­hänge der Menschennatur, für den sind die sozialistischen Erzie­hungsprogramme ein wahrhaftiges Schreckbild, das Furchtbarste, was man sich denken kann. Und das größte Schreckbild, das heute aus­zusinnen ist, das Furchtbarste, das vor die Menschheit hingestellt werden kann, das sind die Schulprogramme, die Lehrpläne und Lehr­gänge, und die Schulverfassung, die an den Namen Lunatscharski, den Unterrichtsminister in Rußland, sich knüpft; das ist dasjenige, was sich aufspielt in Rußland als Erziehungsprogramm, was der Mord ist alles wirklichen Sozialismus. Aber auch in anderen Gegenden Europas sind Erziehungsprogramme wahrhaft Krebsschäden, nament­lich die sozialistischen Erziehungsprogramme, denn sie gehen aus von einem schier unglaublichen Grundsatz; sie gehen aus von dem Grundsatz, daß man die Schule schon so einrichten müsse, wie unge­fähr im sozialen Organismus die Erwachsenen leben sollen. Ich habe Schulprogramme gelesen, in denen als einer der ersten Grundsätze steht: Das Rektorat soll abgeschafft werden; die Lehrer sollen auf dem Standpunkt absoluter Gleichberechtigung stehen mit den Schü­lern; es soll die ganze Schule aufgebaut sein auf Kameradschaftlich­keit. Spricht man gegen einen solchen Grundsatz heute, ich will sagen nur in Süddeutschland, wo die Dinge viel weniger weit gediehen sind als in anderen Gegenden Europas, dann wird man hingestellt als jemand, der vom sozialen Leben überhaupt nichts versteht.

Dennoch, diejenigen Menschen, die es ehrlich meinen würden mit

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dem Aufstieg der Menschen zum wirklichen sozialen Organismus, die müßten vor allen Dingen sich klar sein darüber, daß niemals ein wirklicher sozialer Organismus entstehen kann mit dem sozialistischen Erziehungsprogramm. Denn niemals, wenn der Sozialismus in der Schule eingeführt wird, kann er im Leben sein. Nur dadurch werden die Menschen reif zu einem sozial gerechten Zusammenleben, daß sie gerade in der Schulzeit auf wirkliche Autorität hin das Leben bauen. Man muß sich überall heute klar machen, wie weit entfernt das ist, was die Menschen treiben, was die Menschen sich vorstellen, daß es kommen soll von dem, was Wirklichkeitssinn ist.

Nach der Geschlechtsreife, vom 14., 15. bis zum 21. Jahr ent­wickelt sich bei dem Menschen ja nicht nur das geschlechtliche Liebes­leben, sondern es entwickelt sich dieses geschlechtliche Liebesleben nur als ein Spezialfall der allgemeinen Menschenliebe überhaupt; es ist nur ein Spezialfall der allgemeinen Menschenliebe. Und diese Kraft der allgemeinen Menschenliebe, die sollte in der Zeit, wenn die Kinder die Schule verlassen und dann in die anderen Anstalten kom­men oder in die Lehre kommen oder so etwas, da besonders gepflegt werden. Denn niemals wird diejenige Konfiguration des Wirtschafts­lebens, welche eine historische Forderung ist, durchglüht sein können von dem, von dem sie durchglüht sein soll, von Brüderlichkeit, das heißt von allgemeiner Menschenliebe, wenn nicht in diesen Jahren die allgemeine Menschenliebe entwickelt wird.

Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben, wie sie angestrebt werden muß für die Zukunft, sie wird in den Menschenseelen nur sein, wenn die Erziehung nach dem 15. Jahre so eingerichtet wird, daß gerade mit aller Bewußtheit hingearbeitet wird auf die allgemeine Menschen­liebe, wenn Weltanschauungsfragen, wenn die ganze Erziehung, die auf die sogenannte Einheitsschule folgen soll, aufgebaut wird auf Menschenliebe, überhaupt auf Liebe zur äußeren Welt.

Auf diesem dreifachen Erziehungs-Unterboden muß aufgerichtet werden das, was der Zukunft der Menschheit erblühen soll. Ohne daß man wissen wird, der physische Leib, der ein Nachahmer ist, der muß in der richtigen Weise ein Nachahmer werden, wird man in die-sen physischen Leib hineinverpflanzen nur die animalischen Triebe.

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Ohne daß man wissen wird, daß vom 7. bis 14. Jahre sich der Äther­leib besonders entwickelt, der auf Autorität hin sich entwickeln muß, wird sich im Menschen entwickeln nur die allgemeine Kulturschläf­rigkeit. Und diejenige Kraft, die notwendig werden wird für den Rechtsorganismus, sie wird nicht da sein.

Und ohne daß vom 14., 15. Jahre an die Kraft der Liebe, die an den Astralleib gebunden ist, in vernünftiger Weise in alles, was Un­terricht oder Lehre ist, hineingelegt wird, werden die Menschen nie­mals ihren astralischen Leib entwickeln können, weil sie den astra­lischen Leib nimmer zu einem freien Wesensgebilde im Menschen ge­stalten können.

Die Dinge umschlingen sich. Daher mußte ich sagen:

Nachahmung, in der richtigen Weise, entwickelt Freiheit;

Autorität - Recht,

Brüderlichkeit, Liebe - Wirtschaftsleben.

Aber auch umgekehrt ist das. Wenn nicht in der richtigen Weise die Liebe entwickelt wird, fehlt auch die Freiheit. Wenn nicht in der richtigen Weise die Nachahmung entwickelt wird, werden groß die animalischen Triebe.

Sie sehen auch, wenn man dieses Problem anfaßt, ist Geisteswis­senschaft die richtige Unterlage für dasjenige, was gerade wegen der großen historischen Forderungen, die heute über die Menschheit kom­men, zum Kulturinhalte werden muß. Ohne diesen Kulturinhalt, der nur aus der Geisteswissenschaft herausfließen kann und der über die Menschheit kommen muß, können wir fortan wirklich nicht weiter kommen.

Also die Fragen, die uns vorliegen, sie müssen in eine geistige At­mosphäre gebracht werden; das ist dasjenige, was als Überzeugung wird in die Menschenseelen einziehen müssen. Und noch einmal möchte ich es betonen: Man mag diskutieren darüber, wie lange oder wie kurz es noch dauern kann, bis eine solche Überzeugung in die Men­schenseelen eindringt; aber jedenfalls, was unbewußt von den Men­schen erstrebt wird - es ist keine Rede davon, daß es erreicht werden kann, wenn diese Überzeugung nicht in die Menschenseelen hinein-kommt. Und ich glaube, Sie sehen daraus, welcher Zusammenhang

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doch besteht zwischen dem, was in unserer Geisteswissenschaft auf den einzelnen konkreten Gebieten getrieben worden ist, und dem­jenigen, was sich aus der Not der Zeit heraus als die großen Zeit-forderungen, als die geschichtlichen Forderungen und Notwendigkei­ten der Menschheit für die Gegenwart und für die nächste Zukunft ergibt. Das lag auch dem zugrunde, wenn ich oftmals hier sagte: Gei­steswissenschaft soll im Zusammenhange betrachtet werden mit den großen geschichtlichen Aufgaben der Gegenwart. Die Menschen sind allerdings heute weit, weit weg, die Dinge so zu beurteilen, wie es hier charakterisiert worden ist. Es muß sich gewissermaßen in der Menschheit eine Spannung ergeben, eine Spannung der Unbefriedigt­heit, damit aus dem Entgegengesetzten heraus, aus dem rein materiel­len Streben, das Streben nach Spiritualität, das Streben nach Geistig­keit komme. Denn wie sollen sich die Menschen in der großen Frage, die da kommt, zurechtfinden, in der Frage, die sie dazu geführt hat, unter Maja, unter Ideologie, gerade das Entgegengesetzte zu ver­stehen?

Aber was ist herausgekommen? Sehen Sie, der Impuls, aus dem die Menschenseelen des Orients und die Menschenseelen des Okzi­dents denken, er ist ein verschiedener, faßt man ihn konkret ideell auf. Aber er hat gewissermaßen auch das Eigentümliche an sich, daß er eine gleiche Seelenstimmung über dem Orient und über dem Okzi­dent erzeugt. Diese Seelenstimmung muß man auch ins Auge fassen. Daß die Orientalen die äußere Welt als eine Maja bezeichnet haben -es ist alt. Ihre große Bedeutung hatte die mystische Auffassung von der Welt als einer Maja wahrhaftig in früheren Zeiten; sie hat sie nicht in der Gegenwart. Sie hatte sie früher. Über den Orient ist ge­kommen, weil die Weltanschauung von der Maja gewissermaßen ver­altet ist, ein gewisses passives Sich-Hingeben an diese Weltanschauung

- ein Fatalismus, ein Fatalismus, der nach Europa hereingespielt hat in der krassesten Weise im Türkentum. Fatalismus, Geschehenlassen desjenigen, was geschehen will: Passivität des menschlichen Willens.

Die abendländische Anschauung von der Maja, sie ist im Grunde genommen schon so aufgetreten, daß sie in der Atmosphäre dieses Fatalismus lebte.

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Am präzisesten kam ja heraus diese Anschauung von der Ideo­logie durch Karl Marx und Engels. Diese Anschauung von der Ideo­logie ist die moderne sozialistische Lehre - diese Anschauung, wonach alles Geistig-Seelische, das sich ergibt, aus der einzigen Wirklichkeit, aus dem ökonomischen Prozeß heraus stammt und eben eine Maja, eine Ideologie ist.

Wie trat sie auf? Sie trat schon fatalistisch in die Welt ein. Was war denn bis zur Weltkriegskatastrophe der äußere Ausdruck der sozialistischen Lehre? Der äußere Ausdruck der sozialistischen Lehre war der: Die Kapitalien sammeln sich an, konzentrieren sich, immer größere und größere Kapitalisten oder kapitalistische Gruppen ent­stehen, Trusts, Pools und so weiter; es wird sich der wirtschaftliche Prozeß ganz von selbst abspielen, immer mehr und mehr Konzentra­tion der Kapital gruppen, bis der Zeitpunkt eintritt, wo ganz von selbst die Herrschaft über das Kapital übergeht an das Proletariat. Man braucht nichts dazu zu tun, das ist ein objektiver, wirtschaftlicher, ein rein ökonomischer Prozeß: Fatalismus.

Am Punkte des Fatalismus ist der Orient angelangt. Vom Punkte des Fatalismus geht der Okzident aus, geht der Okzident aus gerade bei der Majorität der Bevölkerung. Fatalistisch ist die Majorität der Bevölkerung. Über sich ergehen lassen dasjenige, was der Weltprozeß bringen soll, das ist Prinzip des Orients geworden, das ist Prinzip des Okzidents; nur daß dasjenige, in das man sich fatalistisch ergeben will, für den Orient ein Geistiges ist, für den Okzident ist es der materielle ökonomische Prozeß. Einseitig sieht man in die Weltentwickelung des Menschen hinein. Überschaut man die heutige menschliche Welt­entwickelung, wie sie sich ergeben hat aus früheren Zuständen, dann haben wir aus dieser unserer Weltentwickelung ein geistiges Ele­ment darinnen, das aber, wie gesagt, den Menschen schon zur Ideolo­gie geworden ist. Worauf ist es aufgebaut? Es ist aufgebaut auf dem Griechentum. Dasjenige im Grunde genommen, was der tiefste Im­puls unserer Seelenverfassung ist, hat noch etwas Griechisches in sich. Daher haben wir das Gymnasium, eine Nachahmung der grie­chischen Seelenstruktur, für die Erziehung. In Griechenland war das­jenige, was solche Seelenverfassung war für den Menschen, der herangewachsen

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war bis nahe an die Geschlechtsreife, etwas Natürliches, denn das Griechentum entwickelte sich so, daß die große Masse der Menschen das arme Volk war, Sklaventum, Helotentum. Die Erobe­rer waren von anderem Blute. Die Andersbürtigen waren die Träger des geistigen Lebens, die berechtigten Träger des geistigen Lebens. Sie sehen das ganz besonders ausgedrückt in der griechischen Plastik. Sehen Sie sich einen Merkur-Kopf an - ich habe das öfter auch hier erwähnt -, mit den ganz anders stehenden Ohren, mit der ganz an­ders stehenden Nase, mit den ganz anders stehenden Augen. Die Grie­chen deuteten, indem sie den Merkur-Kopf ausarbeiteten, auf die­jenige Bevölkerung hin, die sie erobert haben, diejenige Bevölkerung, der sie überließen die äußere Handelswirtschaft. Der Arier, im Zeus-Kopf, Hera-Kopf, Athene-Kopf charakterisiert, er war derjenige, dem durch Weltenmächte der Geist verliehen war.

Ja, glauben Sie nicht, daß das, was sich da als griechische Seelen-struktur ausbreitete, etwas ist, was sich nur in der allgemeinen Seelen-verfassung zum Ausdruck bringt! Das bringt sich zum Ausdruck bis in die Wortbildung und Wortfügung der griechischen Sprache. Die griechische Sprache ist so, daß sie auf einer aristokratischen sozialen Seelenstruktur beruht. Das haben wir noch in unserem Geistesleben. Daher haben wir keine Erneuerung des Geisteslebens erlebt, als der Zeitpunkt, die Mitte des 15. Jahrhunderts heranrückte, sondern nur eine Renaissance oder eine Reformation, keine Erneuerung unseres Geisteslebens, nur eine Wiederauffrischung des Alten. Das haben wir noch in unserem Geistesleben in uns.

Wir erziehen unsere Gymnasialjugend fremd dem Leben. Bei den Griechen war es selbstverständlich, daß sie die Jugend so erzogen haben, wie unser Gymnasium erzieht, denn das war ihr Leben. Die Griechen erzogen ihre Kinder und ihre Jugend so, wie ihr Leben war; wir erziehen unsere Gymnasialjugend, wie das griechische Leben war. Deshalb ist unser Geistesleben weltenfremd geworden, deshalb wird es als Ideologie empfunden, deshalb hat es überall Gedanken, zu kurz, um das Leben zu erfassen, vor allen Dingen handelnd und tätig in das Leben einzugreifen.

Und neben diesem Elemente der Geistesbildung haben wir eine

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merkwürdige Rechtsbildung in uns. Es ist überall, auf allen Gebieten nachzuweisen, wie in der Mitte des 15. Jahrhunderts ein mächtiger Einschnitt in der neueren Menschheitsentwickelung war. Das Getreide ist heute teuer, und alles dasjenige, was aus Getreide fabriziert ist, ist heute teuer. Es ist überteuer! Forscht man nach, wann es über-billig war in europäischen Ländern, so kommt man ungefähr auf das 9., 10. Jahrhundert. Damals war es gerade so viel zu billig, als es heute zu teuer ist. Und in der Mitte des 15. Jahrhunderts hatte es einen normalen Preis.

Es ist interessant zu sehen, wie bis in den Getreidepreis hinein dieser Zeitpunkt des 15. Jahrhunderts als der große Einschnitt der Menschheit sich ergibt. Und was war die Folge, daß dazumal gerechte Getreidepreise da waren über einen großen Teil von Europa hin? Die alte Leibeigenschaft, die alte Hörigkeit hatte dazumal gerade um die Mitte des 15. Jahrhunderts teilweise angefangen aufzuhören. Da drang ein, um die beginnende Freiheit zu vernichten, das römische Recht. Und wir sind durchsetzt auf dem Gebiete des Politischen, auf dem Gebiete des Staatlichen von dem römischen Recht, wie wir in bezug auf das Geistige durchsetzt sind von griechischer Geistes- und Seelenstruktur. Wir haben nicht vermocht bis jetzt, auf dem Gebiete des Rechtes etwas anderes zu erzeugen als eine Renaissance, die Re­naissance des römischen Rechtes. Wir haben in unserem sozialen Or­ganismus die griechische Geistesstruktur, die römische Staatsstruktur.

Das Wirtschaftsleben läßt sich nicht als Renaissance gestalten. Denn man kann selbstverständlich nach römischem Rechte leben, nach griechischer Geistesstruktur die Kinder erziehen, oder die Ju­gend erziehen, aber man kann nicht das essen, was die Griechen ge­gessen haben, denn man würde nicht satt werden davon. Das Wirt­schaftsleben muß gegenwärtig sein. Und so ist denn das europäische Zivilisations-Wirtschaftsleben das dritte Element. In diesen drei Ge­bieten müssen wir, da sie chaotisch durcheinandergewürfelt sind, Ordnung schaffen. Es kann nur durch den dreigliedrigen sozialen Or­ganismus geschehen.

Höchst einseitig haben das Leute wie Marx und Engels eingesehen, indem sie erkannt haben: Es geht nicht mehr, mit demjenigen Geistesleben

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zu regieren, das vom Griechentum hergenommen ist; es geht nicht mehr, mit demjenigen Rechtsstaat zu leben, der vom römischen Recht herübergekommen ist. Bleibt uns nur das Wirtschaftsleben, haben sie gesagt. Sie haben aber überhaupt nur gedacht an das Wirt­schaftsleben. In der Zukunft, sagte Engels, dürfen nur noch Waren verwaltet und Produktionsprozesse geleitet, nicht mehr Menschen regiert werden. Das ist ebenso einseitig wie richtig - richtig, aber furchtbar einseitig.

Es muß das Wirtschaftsleben auf seinen eigenen Grund und Boden gestellt werden. Innerhalb der wirtschaftlichen Gliederung des so­zialen Organismus müssen nur Güter verwaltet und Produktionspro­zesse geleitet werden. Das muß selbständig werden. Wenn man aber aus dem sozialen Organismus herauswirft das Rechtsleben und das Geistesleben der früheren Weise, dann muß man sie in neuerer Weise begründen. Das heißt, wir brauchen dann neben dem Wirtschafts­leben, das Güter verwaltet und Produktionsprozesse leitet, wir brauchen daneben das demokratische Staatsleben, das auf die Gleichheit der Menschen gebaut wird. Wir brauchen nicht bloß Renaissance des römischen Rechtes, wir brauchen Neugeburt des Staatslebens auf der Basis der Gleichheit der Menschen. Und wir brauchen nicht nur eine Renaissance des Geisteslebens, wie sie eingetreten ist im Beginne der Neuzeit, wir brauchen eine Neugestaltung, eine Neuschöpfung des Geisteslebens. Und wir müssen uns bewußt werden, vor dieser Neu­schöpfung des Geisteslebens müssen wir stehen.

Und mit dem, was im tiefsten Sinne in der Entwickelung der neueren Menschheit lebt, hängt das zusammen, was ausgesprochen werden sollte durch die Forderung der Dreigliederung des sozialen Organismus. Das ist kein Einfall, das ist dasjenige, was herausgebo-ren ist aus dem tiefsten Bedürfnis unserer Zeit; das ist dasjenige, was im eminentesten Sinne der Gegenwart entspricht. Es gibt Leute, viele Leute, die sagen, sie verstehen das nicht, es sei schwierig, sehr schwie­rig. In Deutschland habe ich den Leuten gesagt, wenn sie immer wie­derum davon gesprochen haben, daß die Dinge schwierig zu ver­stehen sind, daß ich allerdings diese Dinge unterscheide von dem, was man gewohnt worden ist in den letzten vier bis fünf Jahren zu

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verstehen. Da hat man leicht gefunden, Dinge zu verstehen, die ich nicht verstanden habe - so sagte ich -, die Dinge mußten nur be­fohlen werden zu verstehen. Es mußte das große Hauptquartier oder eine andere Instanz befehlen, daß die Dinge zu verstehen sind, dann hat man sie sich sogar eingerammt. Man hat sie verstanden, weil es befohlen war, sie zu verstehen; jetzt kommt es darauf an, aus der freien Menschenseele heraus etwas zu verstehen. Dazu ist es nötig, daß die Seelen aufwachen; das wollen sie so wenig. Darauf kommt es aber an. Es ist nicht die Unverständigkeit der Sache, es ist der noch nicht vorhandene Wille, und der Mut, der fehlt noch, in diese Wirk­lichkeit hineinzuschauen. Es ist ganz natürlich, daß dasjenige, was aus einem ganz neuen Tone heraus zur Menschheit sprechen muß, in anderen Sätzen abgefaßt ist, als die Menschen es gewohnt sind bis jetzt. Denn wir sind von drei anderen Dingen erfaßt, als von dem­jenigen, was in dieser Dreigliederung gesprochen wird.

In dieser Dreigliederung wird eine Erneuerung des Geisteslebens gefordert so, daß die Menschen wirklich einen Zusammenhang ihres Seelischen empfinden mit dem objektiv geistigen Leben. Den haben sie nicht, die Menschen. Denn wenn die Menschen heute sprechen, so sprechen sie zum großen Teil Phrasen. Warum spricht man aber Phrasen? Phrasen spricht man dann, wenn man keinen Zusammen­hang hat mit dem, was die Phrasen bedeuten sollen. Weil den Men­schen fehlt der Zusammenhang mit dem geistigen Leben, sind ihre Worte zu Phrasen geworden.

Von Recht ist in den letzten Jahren viel gesprochen worden, von der Aufrichtung des Rechtes innerhalb der Menschheit, der zivi­lisierten Menschheit. Wie die Menschen mit Bezug auf das Recht weit entfernt sind von der Wirklichkeit, das zeigen wohl die Ereignisse der Gegenwart zur Genüge. Man hat natürlich bisher nicht um Recht, sondern nur um Macht gestritten, aber man hat vom Rechte geredet.

Und das Wirtschaftsleben: man hat keine Gedanken gehabt, um dieses Wirtschaftsleben zu umspannen, daher sind die Tatsachen von selbst abgelaufen. Das ist das Charakteristische im Wirtschaftsleben gewesen, daß die Leute produziert und produziert haben, eben so, wie ich es dazumal, im Frühjahr 1914 in Wien gesagt habe, wo ich

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dieses Produzieren ein soziales Krebsgeschwür genannt habe: pro­duziert wurde und produziert, und die Waren auf den Markt gewor­fen, und der ganze wirtschaftliche Kreislauf sollte von selber gehen, war nicht von Gedanken beherrscht. Ein chaotisches, planloses Wirt­schaftsleben; ein Rechtsleben, das nur ein Machtleben ist; ein Geistes­leben, das zur Phrase entartet ist: das ist die dreifache Gliederung, die wir im Grunde genommen gehabt haben. Aus dieser dreifachen Gliederung müssen wir heraus. Und wir kommen nur heraus, wenn wir dasjenige ernst zu nehmen verstehen, was gerade mit der Drei­gliederung gemeint ist.

Aber sehen Sie, es hängt zusammen mit dem, was im Grunde ge­nommen doch nur verstanden werden kann, wenn man auf anthro­posophisch orientierte Geisteswissenschaft zurückgeht. Es hat ver­stimmt, als ich einmal in einem öffentlichen Vortrag vor einigen Wochen einen Satz aussprach, der aber eine gründliche, wirkliche Er­kenntnis ist. Ich sagte: Die leitenden, führenden Kreise der Gegen­wart dürfen sich nicht mehr verlassen auf ihr Gehirn, das dekadent ist. Sie müssen sich aufschwingen, dasjenige zu begreifen, wozu man das Gehirn nicht braucht, wozu man den Ätherleib braucht. Denn die Gedanken, die gefaßt werden sollen in anthroposophisch orien­tierter Geisteswissenschaft, die bedürfen des Gehirnes nicht. Die leiten­den, führenden Kreise, das Bürgertum von heute, muß sich bequemen, schon wegen seiner physiologischen Entwickelung, geistiger Erkennt­nis sich hinzugeben, etwas zu pflegen, das man auch pflegen kann mit dekadenten Gehirnen.

Das Proletariat strebt herauf. Das hat ein noch unverbrauchtes Gehirn. Die Zitrone ist noch nicht ganz ausgequetscht; da kommt noch etwas im Gehirn von Atavistischem heraus. Daher versteht das Proletariat heute noch dasjenige, was im Sinne einer neueren Ord­nung der Dinge gesagt wird. Und heute liegen die Dinge so, daß im Grunde genommen das gesamte Proletariat für diese Dinge zugäng­lich wäre, nur die Führer nicht, denn die sind verbürgerlicht; die sind größere Spießer als die wirklichen Spießer. Sie haben das Spießertum übernommen, und sie haben es zu einer gewissen Höhen-kultur ausgebildet. Aber auf der anderen Seite besteht ein furchtbarer

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Gehorsam. Dieser Gehorsam, der wird erst gebrochen werden müssen. Eher gibt es auch auf diesem Gebiete kein Heil.

Sie sehen, die Dinge liegen schon einmal in der Gegenwart kom­plizierter, als man sich gewöhnlich einbildet, und sie liegen so, daß im Grunde genommen nur die Wissenschaft der Einweihung zur wirk­lichen Erfassung der sozialen Probleme der Gegenwart führen kann. Sie finden drei Begriffe: Sie finden sie auch in meinem Buche «Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft», das ich allerdings geschrieben habe nicht nur für Anthroposophen, sondern für das große Publikum. Sie fin­den da drei wichtige Begriffe im gegenwartigen sozialen Leben. Da ist der Begriff der Ware oder des Erzeugnisses, des Gutes, das man für das Wirtschaftsleben hat. Ein weiterer wichtiger Begriff ist der Begriff der Arbeit. Und ein dritter wichtiger Begriff ist der Begriff Kapital. An diesen drei Begriffen hängt im Grunde genommen das soziale Erkennen der Gegenwart.

Was haben die Menschen schon alles gesagt an sozialer Wissen­schaft, um diese drei Begriffe zu durchdringen! Wer kennt, was namentlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an National­ökonomen in der Wissenschaft heraufgekommen ist, um diese drei Begriffe Ware, Arbeit und Kapital zu durchdringen, der weiß, was geleistet worden ist an unmöglicher Wissenschaft, denn alle diese Wissenschaft reicht nicht aus. Ein niedliches Beispiel habe ich neulich einmal vorgeführt. Der berühmte Professor Lujo ßrentano, die Leuchte der nationalökonomischen Wissenschaft Mitteleuropas in der Gegenwart, hat neulich einen Artikel geschrieben, der heißt: «Der Unternehmer.» Da entwickelt er die Kennzeichen des Unterneh­mers, drei Kennzeichen des Unternehmers. Ich will nur das dritte Kennzeichen des Unternehmers im Sinne des Brentano Ihnen sagen. Dies dritte Kennzeichen ist, daß man die Produktionsmittel anwendet auf eigene Rechnung und Gefahr. Nicht wahr, der Unternehmer ist Besitzer der Produktionsmittel und unternimmt die Produktion für den Markt auf eigene Rechnung und Gefahr. Nun ist der Begriff des guten Brentano, der die Leuchte der gegenwärtigen Universi­täts-Nationalökonomie ist, so geschürzt, daß Lujo Brentano in demselben

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Artikel glücklich herausbekommt, wer noch ein Unternehmer ist außer dem Fabrikant und außer dem Betriebsunternehmer: Das ist nämlich der moderne Arbeiter. Der moderne Arbeiter ist ein Unter­nehmer, weil er ja die Produktionsmittel hat, nämlich seine eigene Arbeitskraft, und die bietet er auf dem Markte an auf eigene Rechnung und Gefahr. Der Begriff des Herrn Lujo Brentano über den Unternehmer ist so klar, daß der Arbeiter auch unter diese Un­ternehmer fällt. So gescheit, sehen Sie, ist die heutige ökonomische Wissenschaft! Es ist zum Lachen. Aber man kann sich heute nicht aufraffen zu diesem Lachen, weil noch die Universitäten die füh­renden Stellungen einnehmen in dem Geistesleben. Die Universitä­ten erzeugen aber diese Dinge auf dem Gebiete der Nationalökono­mie. Man will sich nicht gestehen, man hat nicht den Mut dazu, sich zu gestehen, daß lächerliches Zeug produziert wird auf diesem Ge­biete. Die Dinge sind eben furchtbar.

Aber diese Dinge müssen unbedingt ins Auge gefaßt werden; und gefragt muß werden: Woher kommt es denn, daß gerade über die sozialen Begriffe, die heute zur brennenden Tagesfrage werden, daß gerade über die sozialen Begriffe alle Wissenschaft nicht ausreicht? Es würde mir eine Befriedigung sein, wenn ich gerade über diese Frage Ihnen bei meinem hiesigen Aufenthalte Genaueres sagen könnte. Heute will ich nur, ich möchte sagen, wie referierend anführen, war­um das so ist.

So bloß ökonomisch der Begriff Ware auch ist, er kann nie geprägt werden mit gewöhnlicher Wissenschaft. Sie kommen zu dem Begriff von Ware nicht, wenn Sie nicht imaginative Erkenntnisse zu­grunde legen. Sie können den Begriff Ware nur begreifen, wenn Sie imaginative Erkenntnisse zugrunde legen. Und Sie können die Ar­beit im Sozialen, Ökonomischen nicht begreifen, wenn Sie nicht in­spirierte Erkenntnisse zugrunde legen. Und Sie können das Kapital nicht definieren, wenn Sie nicht intuitive Erkenntnisse zugrunde legen.

Der Begriff der Ware fordert Imagination;

der Begriff der Arbeit fordert Inspiration;

der Begriff des Kapitals fordert Intuition.

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Und werden sie nicht so formuliert, diese Begriffe, kommt immer konfuses Zeug heraus.

Daran können Sie im speziellen sehen, warum konfuses Zeug her­auskommen muß. Warum definiert Lujo Brentano den Kapital-Be­griff, der zusammenfällt mit dem Unternehmer-Begriff, so, daß der Arbeiter auch ein Kapitalist ist bei ihm, nämlich ein Unternehmer? Weil er natürlich ein sehr gescheiter Herr der Gegenwart ist, aber keine Ahnung davon hat, daß, um einen wirklichen Begriff von Ka­pital zu gewinnen, intuitive Erkenntnis notwendig ist!

Allerdings, es kommt das auf einem Umweg zustande. Die Bibel deutet etwas auf diesen Umweg, indem sie vom Kapitalismus als dem Mammonismus spricht. Da bringt sie allerdings mit einer besonderen Art von Geistigkeit das Kapital in Zusammenhang. Aber Geistigkeit kann man ja nur durch Intuition erkennen. Will man die im Kapita­lismus wirkende Geistigkeit, den Mammonismus erkennen, so braucht man Intuitionen. In der Bibel steht es schon drinnen. Aber heute brau­chen wir eben eine Welterkenntnis, die das ins Moderne heraufhebt.

Versucht muß werden, diese Dinge, die man heute noch für irgend etwas Verschrobenes halten wird, gerade sachkenntnismäßig zu durchdringen. Wirkliche Sachkenntnis auf diesem Gebiete, die wird aber überall ergeben die Notwendigkeit der Durchdringung so­zialer Anschauungen mit echter, wahrer Geisteswissenschaft. Das ist dasjenige, was dem unbefangenen Beobachter des Lebens sich heute wirklich aufdringen muß. Erinnern Sie sich nur selber, soweit Sie dort waren, an eine denkwürdige Frage, die im Bernoullianum in Basel vor meiner Abreise nach einem Vortrage gestellt worden ist, wo ein Mensch in die Diskussion die Frage einwarf: Wie kann man dahin kommen, daß Lenin Weltherrscher werde? Denn eher sähe er kein Heil, nach seiner Ansicht, bevor nicht Lenin Weltherrscher wird. -Denken Sie, was das für eine Konfusion bedeutet! Das bedeutet dieses, daß diejenigen Menschen, die sich heute am radikalsten gebärden, am reaktionärsten sind. Sozialismus wollen sie; man müßte anfan­gen vor allen Dingen die Herrschaftsverhältnisse zu sozialisieren; aber man beginnt den Sozialismus mit der universellen Wirtschafts­monarchie des Lenin! Man fängt nicht einmal an zu sozialisieren

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bei den Herrschaftsverhältnissen. So grotesk treten einem heute die Dinge entgegen! Solche Dinge bleiben wirklich denkwürdig, wenn einem gesagt wird: Lenin sollte Weltherrscher werden. Aber so ste­hen die Dinge heute. Diejenigen Menschen, die glauben, die aufge klärtesten Begriffe zu haben, die haben die verkehrtesten Begriffe; und man wird nicht zu einer Klarheit kommen auf diesem Gebiete, wenn man sich nicht einlassen wird darauf, diese Klarheit voll aus der Geisteswissenschaft aufzusuchen.

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ZWEITER VORTRAG Dornach, 10. August 1919

Will man verstehen, was anthroposophische Geisteswissenschaft als Aufgabe in der Gegenwart und nächsten Zukunft hat, dann muß man, wie wir das vor einiger Zeit und auch gestern wieder gehört haben, in Betracht ziehen, welchen Charakter die Menschheitsent­wickelung gerade seit der Mitte des 15. Jahrhunderts angenommen hat. Schließlich hängt ja alles dasjenige, was in der Gegenwart ge-schieht, davon ab, daß seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Menschheit der Antrieb lebt, sich als einzelmenschliche Individualität auf die Spitze der Persönlichkeit zu stellen, eine ganze Persönlichkeit zu werden. Solches war nicht möglich, und es war gar nicht die Auf­gabe der Menschheit in früheren Epochen unserer nachatlantischen Menschheitsentwickelung. Will man den großen Umschwung ver­stehen, in dem wir drinnen stehen, dann muß man solche Dinge noch genauer ins Auge fassen, wie die sind, die ich gestern wieder charak­terisiert habe.

Ich sagte Ihnen: Wir haben in unserem Geistesleben noch immer griechische Seelenverfassung. Die Art und Weise, wie wir unsere Ge­danken bilden, die Art und Weise, wie wir gewöhnt sind über die Welt zu denken, ist eigentlich ein Nachklang der griechischen Seelenverfassung. Und die Art und Weise, wie wir heute gewöhnt sind das Recht anzuschauen und alles dasjenige, was mit dem Rechte zu­sammenhängt, das ist ein Nachklang der römischen Seelenverfassung. Unseren Staat sehen wir ja immer noch an als dasjenige Gebilde, das im Grunde das römische Reich war. Und erst wenn man einsehen wird, wie einschlagen muß in diese chaotische Gegenwart die Dreigliederung des sozialen Organismus, wird man klar erkennen und klar wollen können.

Griechische Seelenverfassung, sie ist hauptsächlich ja dadurch be­stimmt, daß in Griechenland im eminentesten Sinne das vorhanden war, was bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts tonangebend über­haupt in der geschichtlichen Entwickelung war. Über das griechische

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Territorium hin war verbreitet eine unterworfene Bevölkerung und die Eroberer, diejenigen, die den Boden für sich in Anspruch nah­men, die aber auch, sich berufend auf ihre Blutsabstammung, die Geistigkeit des alten Griechenland bestimmten. So daß man sich gar nicht zurechtfindet in der Seelenverfassung des alten Griechenland, wenn man nicht das ins Auge faßt, daß dort es als berechtigt ange­sehen wurde, so zu denken über die sozialen Menschheitszusammen­hänge, wie es sich ergab aus der Blutseigentümlichkeit der arischen Erobererbevölkerung. Natürlich ist die Menschheit der neueren Zeit herausgewachsen über dasjenige, was da bei den Griechen zugrunde lag. Bei den Griechen war es einfach selbstverständlich, daß es Men­schen zweier Sorten gab, daß es Menschen gab, die gewissermaßen den Merkur anzubeten, und Menschen, die den Zeus anzubeten hatten. Diese zwei Menschenklassen waren streng voneinander ge­schieden. Aber man dachte über die Welt und ihre Götter so, wie das Eroberervolk durch seine Blutsabstammung denken mußte. Alles war bestimmt durch das, was sich ergeben hat im Zusammenstoßen eines eroberten und eines Eroberervolkes. Wer genauer zusieht auf dasjenige, was heute in unserer sozialen Gegenwart unter den Menschen lebt, der wird eben erkennen, daß wir zwar nach unserem Gefühl, nach dem, was unterbewußt in unseren Seelen lebt, nicht mehr zugeben diesen Aristokratismus der Weltanschauung; aber dieser Aristokra­tismus der Weltanschauung, er lebt noch in unseren Ideen, in unse­ren Begriffen, besonders dann, wenn wir durch die höhere Schule herangebildet werden. Die höhere Schule, namentlich das Gymnasium, bildet alles, was zum Unterricht gehört, so aus, wie es nur eine Re­naissance, ein Nachklang des Griechentums ist. Und erst recht die Hochschule, mit Ausnahme der technischen, der landwirtschaftlichen Hochschulen, die ja aus dem neueren Leben heraus gebildet werden mußten, die aber in ihrer äußeren Struktur leider nachgebildet wor­den sind demjenigen, was als Struktur des Hochschulwesens von Grie­chenland herübergekommen ist. Gerade wenn man hoch schätzt das Griechentum in seiner Zeit und für seine Zeit, dann muß man auf der anderen Seite sich ganz klar darüber sein, daß für unsere Zeit eine Erneuerung des Geisteslebens notwendig ist, daß für unsere Zeit immer

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unerträglicher werden wird die Führung der Menschheit durch solche Seelen, welche die Konfiguration ihrer Begriffe, die Artung ihrer Begriffe in unserer Gymnasial-Mittelschule erhalten haben. Und natürlich stecken ja in allen führenden Stellen heute noch diejenigen Leute, die ihre Begriffsbildung bekommen haben aus den Mittel-schulen, den Gymnasien. Es ist heute schon notwendig, daß man sich bekannt mache damit, daß die Zeit der großen, nicht die Zeit der kleinen Abrechnung da ist, und daß man über solche Dinge sachge­mäß denken muß, nicht festhalten kann an alten Denkgewohnheiten.

Sie wissen ja, daß dann dasjenige, was im Griechentum aus dem Blute heraus sich gebildet hat, im Römertum abstrakt geworden ist. Das habe ich hier schon einmal erwähnt. Während das griechische Sozialwesen - das man ja nicht ein Staatswesen nennen kann - ganz herausgegangen ist, heraus sich gebildet hat aus der Blutsbürtigkeit, ging dieses aus dem Blute stammende auf das Römertum ja nicht mehr über. Auf das Römertum ging über der Drang, noch so zu glie­dern, wie man in Griechenland gegliedert hat; aber man fühlte die Ursache zu dieser Gliederung nicht mehr im Blute. Und während es keinem Griechen der älteren Zeit in den Sinn gekommen wäre, daran zu zweifeln, daß es Menschen «niederer» Sorte, Menschen des er­oberten Volkes gibt, und Menschen «höherer» Sorte, Arier, war das bei den Römern nicht so. Man trug schließlich innerhalb des römi­schen Imperiums stark in sich das Bewußtsein, daß die Gliederung des sozialen Wesens übertragen worden ist durch Macht, durch Ge­walt. Sie brauchen sich nur daran zu erinnern, daß ja schließlich die Römer ihren Ursprung zurückverfolgten bis zu jener Sammlung der Räuber in der Nähe von Rom, die man zusammenberufen hat, um als Räuberbande Rom zu begründen; daß man auch nicht von zarter Muttermilch den Gründer Roms säugen ließ, sondern, wie Sie wissen, im Walde von einem Tiere säugen ließ, von einer Wölfin.

Das alles sind Dinge, die im römischen Wesen so aufgenommen worden sind, und die dazu geführt haben, daß man in Rom mehr aus abstrakten Begriffen alles gegliedert hat, was soziale Gliederung war. Daher ist von römischer Seelenverfassung ausgegangen dasjenige, was uns in bezug auf die Rechts- und Staatsbegriffe geblieben ist.

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Sehen Sie, bei solch einer Geschichte muß ich mich immer er­innern an einen alten Freund. Ich lernte ihn kennen, als er schon ziemlich alt geworden war. Er hatte nämlich in der Jugend, mit 18 Jahren, ein Mädchen lieb gewonnen, hatte sich sozusagen im stillen mit ihm verlobt, aber sie hatten beide nichts, konnten nicht hei­raten, und so warteten sie, blieben einander treu. Er war 18 Jahre alt, als er sich verlobte, und als er daran denken konnte, sich zu verhei­raten, da war er 64 Jahre alt, denn da hatte er sich erst soviel erwor­ben, daß er glauben konnte, jetzt könne er solch einen Schritt wagen. Da ging er denn in seinen Heimatort zurück, es war in der Nähe von Salzburg, und wollte dort die vor so langer Zeit Auserkorene heira­ten. Aber siehe da, die Kirche mit dem Pfarrhaus war abgebrannt, und der Taufschein war nicht mehr zu kriegen. Es war nirgends eingetragen, wo der Mann getauft worden war, und so glaubte man ihm nicht, daß er einmal geboren worden ist. Ich weiß mich noch lebhaft zu erinnern, wie sein Brief kam. Ich wohnte dazumal in der Nähe von Wiener-Neustadt, da kam sein Brief, und da sagte er in diesem Brief - er war in Wiener-Neustadt damals beschäftigt ge­wesen, aber er war in seinen Heimatort in die Nähe von Salzburg gereist -, da sagte er in diesem Brief: Ja, ich glaube doch, daß es ganz evident ist, daß ich geboren worden bin, weil ich nun einmal da bin; aber die Leute, die glauben nicht, daß ich geboren bin, weil kein Taufschein da ist!

Ich hatte auch einmal ein Gespräch mit einem Advokaten, der sagte: Ja, bei einem Prozeß ist es uns gar nicht so sehr wichtig, ob der Mensch vorhanden ist oder nicht, wir brauchen nur den Geburts­schein.

Sehen Sie, an diese Geschichten muß man sich immer wieder er­innern, denn so grotesk treten sie einem natürlich da oder dort ein­mal entgegen. Aber auch die Stimmung, die in diesen Geschichten lebt, zeigt schließlich, daß auf römisches Wesen noch unser ganzes öffentliches Leben gebaut worden war, in einem Gebiete mehr, in dem anderen Gebiete weniger. Nicht wahr, man ist Bürger in der Welt heute doch nicht dadurch, daß man Mensch geworden ist und als Mensch dasteht, sondern man ist Bürger in der Welt dadurch, daß

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man als Bürger da oder dort anerkannt und eingeschrieben ist. Diese Dinge, die sind alle zurückzuführen auf römisches Wesen. Die Bluts­bürtigkeit ist übergegangen in die Registratur.

Dies führt dazu, daß ja heute, wo diese Dinge in der Dekadenz, im Verfall sind, viele Menschen überhaupt nicht mehr wert zu sein glauben desjenigen, was sie als Mensch wert sind, sondern glauben etwas wert zu sein dadurch, daß sie in irgendeiner Beamtenhierarchie eingereiht sind, diesen oder jenen Beamtenrang haben. Man ist viel lieber etwas Unpersönliches aus den römischen Rechtsbegriffen her­aus, als eine Persönlichkeit. Nun ist in der Menschheit seit dem 15. Jahrhundert unbewußt, unterbewußt das Streben, alles auf die Spitze der Persönlichkeit zu bauen. Dies bezeugt uns, daß mit Bezug auf unser Geistesleben und mit Bezug auf unser Rechtsleben die Zeiten alt geworden sind, daß wir in bezug auf beide eine Erneuerung brauchen, eine wirkliche Erneuerung brauchen. Es hängt das zusam­men, was da als Erneuerung sich in Menschenseelen geltend machen soll, mit vielen tieferen Impulsen der Menschheitsentwickelung über­haupt.

Führen Sie noch einmal vor Ihre Seele, daß seit der Mitte des 15. Jahrhunderts die neuere Menschheitsentwickelung in bezug auf die Erkenntnis besonders erfüllt worden ist mit der naturwissenschaft­lichen Denkweise, und zwar hauptsächlich mit jener naturwissen­schaftlichen Denkweise, die auf abstrakte Naturgesetze gebaut ist, die gebaut ist auf die sinnliche Anschauung und auf die Gedanken, die man sich über diese sinnliche Anschauung macht. Etwas anderes will man nicht gelten lassen, als dasjenige, was aus der sinnlichen Anschauung kommt und dasjenige, was man sich an Gedanken über diese sinnliche Anschauung macht. Nun habe ich Sie gestern - ich habe es ja auch vor meinem letzten Weggehen hier erwähnt - wie­der aufmerksam darauf gemacht, daß es heute schon genügend viele Leute gibt, welche der rechtmäßigen Auffassung sind, daß mit einer solchen Naturanschauung, wie wir sie in der eben beschriebenen Weise uns aneignen, man nur zu einem Gespensterbild von der Natur kommt. Das was der Naturforscher als Bild von der Welt sich macht, ist ein Gespenst von der Welt, ist nicht die wirkliche Welt.

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So daß wir sagen müssen: Die Menschheit ist seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Lage, ein gespenstisches Bild von der Welt sich zu machen mit Bezug auf ihre eine Hälfte. Dahinter steckt aber für die Wissenschaft der Einweihung etwas sehr Tiefes, und dieses mussen wir uns auch einmal vor die Seele führen.

Sehen Sie, an der sinnlichen Anschauung als solcher kann man nicht herumkorrigieren; selbst ob man sie als Maja oder sonst etwas ansieht ist im Grunde genommen für eine tiefere Weltanschauung gleichgültig. An der sinnlichen Anschauung selbst kann man nicht herumkorrigieren; sie ist das, was sie ist. Eine rote Blume ist eine rote Blume; ganz gleichgültig, ob wir sie als Maja oder als eine Wirk­lichkeit ansehen, sie ist das, was sie ist. Und so ist die ganze sinn­liche Anschauung das, was sie ist. Die Diskussion beginnt erst in dem Augenblicke, wo wir uns Gedanken über diese sinnliche Anschauung machen, wo wir diese sinnliche Anschauung als dies oder jenes an­schauen, als dies oder jenes interpretieren. Da beginnt erst die Schwie­rigkeit. Und warum beginnt da die Schwierigkeit? Sie beginnt aus dem Grunde, weil die Begriffe, die wir uns seit dem 15. Jahrhun­dert als Menschen bilden müssen, andere Begriffe sind als die frühe­ren Menschheitsbegriffe. Das betrachtet man in der heutigen Ge­schichte, die eine Warum haben wir uns als Menschheit so entwickelt, daß wir seit der Mitte des 15. Jahrhunderts diese abstrakten Begriffe haben, auf die wir heute so stolz sind, in denen wir uns immer wieder und wieder bewegen? Warum entwickeln wir als ganze Menschheit diese abstrakten Begriffe? Sehen Sie, diese abstrakten Begriffe, die wir als ganze Menschheit uns bilden, die haben das eigentümliche, daß sie auf die sinnliche Welt zwar angewendet werden von uns, aber eigentlich für diese sinnliche Welt gar nicht taugen. Sie taugen nichts

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für die sinnliche Weit. Ich habe das in meinen «Rätseln der Philo­sophie» in einer solchen Weise ausgesprochen, daß ich damals sagte:

Wie der Mensch sich Erkenntnisbegriffe bildet über die Außenwelt, das ist eine Seitenströmung seiner Seelenentwickelung. Geradeso, wie wenn man sich ein Samenkorn, sagen wir, in der Erde denkt, das ist ja eigentlich von der Natur dazu bestimmt, wiederum Pflanze zu werden; viele Samenkörner aber vermahlen wir zu Mehl und essen sie als Brot. Aber das ist doch nicht im Samenkorn vorausbestimmt! Das ist eine Seitenentwickelung, wenn wir fragen: Enthält das Sa­menkorn diejenigen chemischen Bestandteile, die wir zum Aufbau un­seres Leibes brauchen? Es liegt nicht in der Natur, im Wesen des Samenkorns, des Weizens, des Roggens, uns zu nähren, sondern aus Korn neuen Weizen oder Roggen hervorzubringen. So liegt es nicht in unserer Natur, durch unsere Begriffe, die wir uns seit dem 15. Jahrhundert aneignen, die Außenwelt aufzufassen, sondern etwas anderes soll uns aus diesen Begriffen werden, wenn wir uns richtig in ihr Wesen hineinbegeben. Diese Begriffe, welche die Menschen heute seit der Mitte des 15. Jahrhunderts entwickeln, die sind näm­lich die Schattenbilder desjenigen, was wir, bevor wir herunterge-stiegen sind aus der geistigen Welt durch die Empfängnis, in der geistigen Welt erlebt haben. So daß Sie sich vorstellen können - ich

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habe schon öfter auf solche Dinge aufmerksam gemacht (es wird ge­zeichnet): da ist die Geburt oder Empfängnis, das Menschenleben geht so: wenn Sie sich das vorstellen, so sind eigentlich unsere Be­griffe, unsere Begriffskräfte, die in uns sind, die Nachklänge des­jenigen, was wir erleben vor unserer Geburt oder Empfängnis (siehe Zeichnung). Und wir mißbrauchen eigentlich unser Begriffs­system, indem wir es anwenden auf die äußere Sinneswelt.

Sehen Sie, das liegt der Goetheschen Naturauffassung zugrunde. Goethe will nicht Naturgesetze durch Begriffe ausdrücken; er will

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Urphänomene, das heißt zusammengestellte äußere Anschauungen, weil er ein Gefühl dafür hat, daß unser Begriffsvermögen nicht un­mittelbar angewendet werden kann auf die äußere Natur. Unser Be­griffsvermögen müssen wir als reines Denken ausbilden. Und bilden wir es als reines Denken aus, dann weist es uns auf unser vorgeburt­liches geistiges Dasein. Wir haben eigentlich unser heutiges eigen­tümliches Denken dazu, um unsere geistige Wesenheit, bevor wir mit einem physischen Leib umkleidet worden sind, in diesem reinen Den­ken zu erreichen. Und ehe die Menschheit nicht begreift, daß sie ihr Denken hat, um sich als Geist zu begreifen, eher ist noch nicht eigent­lich die Aufgabe des fünften nachatlantischen Zeitraumes in die Menschenseelen eingezogen. Unsere Naturwissenschaft wurde gewis­sermaßen in unser Menschheitsschicksal hineinverdrängt, damit wir bei der reinen Natur bleiben, nicht über sie spekulieren, sondern nur unsere Begriffe so verwenden, daß wir sie anschauen in der richtigen Weise, dann aber unsere Begriffe ausbilden, um zu schauen, wie wir als Geist waren, bevor wir durch Empfängnis und Geburt mit einem physischen Leib umkleidet worden sind. Die Menschen glauben heute noch, daß sie mit ihrem Begriffsvermögen bloß die äußere sinnliche Anschauung klassifizieren sollen und so weiter; sie werden erst recht tun, wenn sie die Gedanken, welche sie haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, anwenden auf die geistige Welt, in der sie waren, be­vor sie mit einem physischen Leib umkleidet worden sind.

So ist der Mensch des fünften nachatlantischen Zeitraumes selber gezwungen auf das Geistige, Vorgeburtliche hin, und so ist der Mensch noch durch etwas anderes in eine eigentümliche Situation versetzt, die er ausbilden muß, die er weiterbringen muß. Parallel geht ja der naturwissenschaftlichen Gespensteranschauung der Indu­strialismus. Ich habe auch darauf schon gestern aufmerksam ge­macht. Und das Hauptsächlichste des Industrialismus ist, daß die Maschine, der Träger des Industrialismus, geistig durchsichtig ist. Es bleibt nichts unverständlich. Ich habe Sie gestern darauf aufmerk­sam gemacht, wie am Mineral selbst noch etwas undurchsichtig bleibt; die Maschine ist ja ganz durchsichtig. Das aber hat zur Folge, daß der menschliche Wille, der sich auf die Maschine richtet, sich in

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Wahrheit nicht auf eine Realität richtet, nicht auf eine Wirklichkeit richtet. Die Maschine ist im Grunde genommen ein Schimäre für die umfassende Weltwirklichkeit. Und der Industrialismus bringt in unser Leben etwas hinein, was den Willen der Menschen sinnlos macht in einem höheren Sinne. Es wird ein tiefer Einschlag sein, wenn einmal voll hineingetragen wird in die neuere Menschheit die Überzeugung, daß die Maschine und alles, was in ihrem Gefolge als Industrialismus ist, den menschlichen Willen sinnlos macht. Wir sind heute schon auf dem Höhepunkt der Maschinenwirksamkeit angekommen, denn ein Viertel von dem, was heute auf der Erde hervorgebracht wird, wird nicht durch Menschenwillen hervorge­bracht, sondern durch Maschinenkraft - ein Viertel davon! Das be­deutet etwas Außerordentliches. Der menschliche Wille lebt nicht mehr mit Sinn hier auf der Erde.

Sehen Sie, wenn Sie so etwas wie zum Beispiel die Reden von Ra­bindranath Tagore lesen, dann müßten Sie eigentlich in diesen Reden etwas verspüren, was dem Europäer, wenn er den gewöhnlichen Euro­päer-Verstand, den gewöhnlichen Europäer-Intellekt anwendet, un­verständlich bleibt. Es herrscht ein anderer Grundton in dem, was heute der gebildete Asiate sagt, weil dem gebildeten Asiaten einfach dieses Angepaßtsein des europäischen Geistes an die Maschine etwas ganz Unverständliches ist, etwas Sinnloses ist. Für den Orientalen ist das Wirken durch die Maschine, durch den Industrialismus, etwas Sinnloses. Und etwas ebenso Sinnloses ist für den Orientalen - ob man es nun in Europa glaubt oder nicht - die im Maschinenzeitalter geborene europäische Politik. Auch damit verbindet der Orientale keinen Sinn. Da kommt es durchaus zum Ausdrucke, wenn der ge­bildete Orientale spricht, daß für ihn dieses eine Viertel des Gesche-hens - es wird ja nicht im Oriente von den alten orientalisch gebil­deten Menschen, sondern eigentlich nur von den okzidentalischen Menschen und ihren Nachahmern, den Japanern und so weiter ge­tan -, dieses eine Viertel der Arbeit der Menschen der Gegenwart als sinnlose Arbeit empfunden wird, weil der Orientale, der noch viel atavistisches Anschauungsvermögen hat, weiß, daß alles dasjenige, was der Mensch in die Maschine hineinsteckt als Arbeit, eine ganz

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bestimmte Eigentümlichkeit hat. Wenn der Mensch sein Pferd, das an den Pflug gespannt ist, durch die Ackerfurche fahren läßt, und er mit dem Pferde arbeitet, so hat diese Arbeit mit dem Pferde, wor­innen noch Naturkraft mitarbeitet, einen Sinn über die unmittelbare Gegenwart hinaus, es hat diese Arbeit einen kosmischen Sinn. Wenn die Wespe ihr Haus baut, so hat dieser Wespenbau einen kosmischen Sinn. Wenn der Mensch das Feuer anzündet, indem er den Feuer­stein schlägt, den Funken heraussprühen läßt, damit den Zünd­schwamm entzündet und dann das Feuer anzündet, steht er mit der Natur im Zusammenhange: es hat einen kosmischen Sinn. Durch den modernen Industrialismus sind wir aus diesem kosmischen Sinn her­ausgekommen. Da lebt kein kosmischer Sinn mehr, wenn wir unsere elektrischen Lichter anzünden! Da ist der kosmische Sinn heraußen. Und wenn Sie in eine moderne Fabrik hineingehen, die ganz maschi­nell gestaltet ist, dann ist das ein Loch im Kosmos, hat keine Bedeu­tung für die kosmische Entwickelung. Wenn Sie in den Wald gehen, Holz sammeln, dann hat das eine kosmische Bedeutung über die Er­denentwickelung hinaus. Wenn Sie eine moderne Fabrik anschauen mit allem, was sie enthält, so hat das keine Bedeutung über die Er­denbildung hinaus. Da hinein wird der menschliche Wille versetzt, ohne daß das einen kosmischen Sinn hat. Bedenken Sie, was das heißt. Das heißt: wir haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts eine Er­kenntnis zu entwickeln, die gespenstisch ist, die nicht an die Wirk­lichkeit herankommt. Wir führen immer mehr und mehr von jener Tätigkeit aus, zu der wir uns der Maschine bedienen; immer mehr und mehr vollführen wir aus der industriellen Tätigkeit heraus, und das, was wir an Willen hineinstecken in diese industrielle Tätigkeit, ist für die Weltentwickelung sinnlos.

Die große Frage tritt vor das Menschengemüt hin: Hat der Um­stand, daß es so ist, daß unsere Erkenntnisse gespenstisch, unser Wille sinnlos ist in großem Ausmaße, hat das für die Gesamtheit der Menschheitsentwickelung doch einen Sinn? - Ja, es hat einen Sinn, es hat einen bedeutungsvollen Sinn. Es hat den Sinn, daß wir als Mensch­heit dadurch angehalten werden sollen, über die gespenstische Er­kenntnis hinaus zu der Wirklichkeitserkenntnis zu dringen, zu jener

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Wirklichkeitserkenntnis, die nicht bei der Naturanschauung stehen bleibt, sondern in das Geistige hineindringt, das hinter der Natur ist. Solange die Menschen mit ihren Begriffen zugleich den Geist be­kommen haben, konnten sie sich gehen lassen, brauchten sie sich nicht anzustrengen, den Geist von sich aus zu erobern. Da den Menschen nur Begriffe geblieben sind in der neueren Zeit, die den Geist nicht enthalten, aber die Anlagen dazu enthalten sich zum Geiste hinauf-zuarbeiten, wie ich gesagt habe, so ist im Menschen der Antrieb vor­handen, aus der abstrakten Erkenntnis in die reale Geist-Erkenntnis hineinzudringen. Und seit wir den Industrialismus haben mit seiner Sinnlosigkeit, müssen wir einen anderen Sinn für den menschlichen Willen suchen. Und den können wir nur suchen, wenn wir uns auf­schwingen zu einer solchen Weltanschauung, die dasjenige, was sinn-los ist - nennen wir es Industrialismus - zum Sinn bringt, indem wir den Sinn aus dem Geistigen herausnehmen, indem wir uns sagen: Wir suchen uns Aufgaben, die aus dem Geiste stammen. Früher brauchte man sich nicht, weil das Wollen seine Impulse aus dem Geistigen durch Instinkt nehmen konnte, früher brauchte man sich nicht be­sonders aufzuschwingen, um aus dem Geiste heraus zu wollen. Heute ist es notwendig, daß man sich besonders anstrenge, aus dem Geiste heraus zu wollen. Und wir müssen entgegenstellen dem sinnlosen industriellen Wollen ein sinnerfülltes Aus-dem-Geiste-heraus-Wollen.

Gestern habe ich Ihnen ein Beispiel angeführt in der Art, wie wir erziehen sollen. Wir sollen erkennen, daß bis zum 7. Jahr der Mensch, weil er ja seinen physischen Leib besonders entwickelt, ein Nach­ahmer ist; wir sollen das zur Grundlage der Erziehung machen. Wir sollen vom 7. bis 14. Jahr wissen, daß wir den Menschen zu ent­wickeln haben unter dem Prinzip der Autorität, und wir sollen diese Geist-Erkenntnis, die wir gewinnen, wenn wir wissen, wie der Äther-leib vom 7. bis 14. Jahr sich entwickelt, wir sollen diese Geist-Erkennt­nis zum Impuls des Erziehungswesens machen. Und wir sollen wissen, wie der astralische Leib vom 14. bis 21. Jahr sich entwickelt, und wir sollen diese Erkenntnis zum Impuls des Erziehungswesens machen. Dann, erst dann wollen wir aus dem Geiste heraus.

Bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts haben die Menschen instink­tiv

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aus dem Geiste heraus gewollt. Wir wollen im Grunde ganz uns hineinarbeiten im äußerlichen Leben in das Maschinelle, in den Me­chanismus - sogar in der Politik, die allmählich die Staaten zu Ma­schinen gemacht hat. Wir müssen zurückstreben zu einem geistdurch­seelten Wollen. Dazu müssen wir aber aufnehmen die Idee der Geistes­wissenschaft, müssen zum Beispiel anfangen beim Erziehen so, daß wir zugrunde legen dasjenige, was wir aus der Erkenntnis der geisti­gen Welt heraus wissen, daß wir so erziehen, wie es uns anthroposo­phische Geisteswissenschaft angibt. Durch dieses stärkere, bewußtere Betonen des Wollens aus dem Geiste heraus setzen wir ein Gegenbild gegen das sinnlose Wollen des Industrialismus.

So ist uns der Industrialismus mit all seinem Menschen- und Seelenverödenden gegeben, damit wir in dieser Öde uns aufraffen dazu, aus dem Geiste heraus zu wollen. Und wir können am besten anfangen, in der Erziehung aus dem Geiste heraus zu wollen, wenn wir so erziehen, wie aus dem Geiste und seiner Erkenntnis her­aus erzogen werden soll. Vieles muß in der heutigen Zeit umgedacht werden. Dazu bedarf es aber eines sorgfältig und intim ausgebildeten inneren Wahrheitsgefühls. Wir müssen heute uns klar sein darüber, daß inneres Wahrheitsgefühl auch da, wo wir noch nicht gewohnt sind es anzuwenden, allmählich angewendet werden muß. Sehen Sie, ich glaube, es könnte heute mancher erstaunt sein, wenn man ihm sagt: Du hast recht, wenn du Raflael wegen seiner Bilder besonders verehrst; wenn du aber verlangst, die Leute sollen heute so malen wie Raffael, dann hast du unrecht. Denn nur derjenige hat ein Recht, Raffael zu bewundern, der weiß, daß der heute ein schlechter Maler ist, der so malt, wie Raffael gemalt hat: denn er malt dann nicht so, wie es aus den Impulsen unserer Zeit heraus sein muß. Man empfin­det nicht mit der Zeit mit, wenn man diese Dinge nicht so empfin­det, daß man die Aufgaben einer bestimmten Zeit jeweilig durch und durch empfindet. Es ist notwendig, daß man in unserer Zeit ein intimes, ein ganz intimes Wahrheitsgefühl nach dieser Richtung hin sich aneignet. Aber die gegenwärtige Menschheit geht auch in dieser Beziehung durch das Entgegengesetzte durch; denn man hat den Ein­druck, daß überall und überall das Wahrheitsgefühl ein Leck bekommen

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hat, nicht funktioniert, und daß man zurückschreckt heute davor, das Richtige richtig, das Falsche falsch zu nennen, daß man zurückschreckt davor, die Lüge wiederum als Lüge zu kennzeichnen. In dieser Beziehung kann man ja heute das Allerentsetzlichste erfah­ren, und die Menschen sind gleichgültig über solch Entsetzliches, das man erfahren kann! Aber darum handelt es sich, daß man zum Bei­spiel so wahr empfindet, daß man weiß: Raffaelsche Malerei gehört nicht mehr in die Gegenwart herein, muß angeschaut werden als etwas Vergangenes - und auch als etwas Vergangenes bewundert werden. Das ist in unserer Zeit ganz besonders notwendig, daß wir auf solche Dinge achten, wo aus den tiefsten Tiefen der Seele heraus der Impuls, wahr zu sein, uns einmal überkommt. Ich muß oftmals an eine schöne Stelle in Herman Grimms Lebensbeschreibung des Michelangelo den­ken, wo Herman Grimm über Michelangelos «Jüngstes Gericht» spricht. Wo er zugleich darüber spricht, wieviele solcher Bilder «Jüng­stes Gericht» gemalt worden sind in jener Zeit, wo er spricht davon, wie in jener Zeit die Menschen voll in Wirklichkeit erlebt haben die Wahrheit desjenigen, was da an die Wand gemalt worden ist. Die Menschen lebten in diesen Bildern vom «Jüngsten Gerichte» als in einer Wahrheit. Man sollte eigentlich ein solches Bild wie Michel­angelos «Jüngstes Gericht» gar nicht anschauen heute, ohne sich be­wußt zu sein, daß wir ja nicht so empfinden wie diejenigen Men­schen, für die Michelangelo dieses «Jüngste Gericht» gemalt hat, daß wir dieses Empfinden verloren haben, daß wir höchstens uns sagen: Das ist ein Bild von irgend etwas, an das wir aber nicht mehr als an eine unmittelbare Wirklichkeit glauben.

Bedenken Sie doch nur, der Mensch, der das heutige Bewußtsein hat und nicht meint, daß nun wirklich die Engel herunterkommen oder die Teufel so wirtschaften wie auf dem Bilde des Michelangelo, dieser Mensch steht doch anders vor diesem Bilde, als der Mensch jener Zeit, für die Michelangelo gemalt hat, der diese Bilder als Realitäten schaute und vor sich hatte. Gerade dann aber, wenn man sich klar ist, daß das­jenige, was der heutige Mensch vor dem «Jüngsten Gericht» des Michel­angelo empfindet, etwas Graues, etwas Abstraktes ist, gerade dann wird man innerlich aufgerufen, nachzufühlen das ganze lebendige

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Weben in den Bildern, die auf dieser Wand des «Jüngsten Gerichtes» sind. Dann wird man aufgerufen, sich zu fragen: Wie kamen denn die Menschen eines Zeitalters - Michelangelo malte allerdings nach dem Abfluten des vierten nachatlantischen Zeitraumes, aber er malte aus dem Geiste dieses vierten nachatlantischen Zeitraums heraus, stand an der Grenzscheide der beiden Zeiträume, ich habe das ein­mal in den Kunstvorträgen auseinandergesetzt -, wie kamen die Menschen dazu, solches Gewaltige in Imaginationen, in Bildern zu schauen? Diese Frage, sie tritt einem wirklich in aller Größe entgegen, gerade wenn man sich bewußt ist, wie grau dasjenige, wie unleben­dig das ist, was der heutige Mensch vor solch einem Bilde von Michel­angelo empfindet. Und dann muß man sich nach der Ursache fra­gen: Woher kommt es, daß die Menschenseelen damals das Erden-ende so anschauen konnten? Woher kam der Aufbau dieser Bilder?

Der Grund, der liegt in folgendem. In der ersten Zeit des Christen­tums, seit jener Zeit, da das Mysterium von Golgatha eingeschlagen hat in die Erdenentwickelung, der Erdenentwickelung ihren Sinn ge­geben hat, da mußte zunächst zurücktreten manches, was in der alten Weise vorhanden war, was später von der Menschheit wieder erobert werden sollte. Zu diesem gehört die Anschauung von den wiederholten Erdenleben. Wenn wir uns graphisch darstellen dieses Leben (es wird gezeichnet), so verfließt das menschliche Gesamtleben

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so: Erdenleben, Leben in der geistigen Welt; Erdenleben, Leben in der geistigen Welt und so weiter. Daß das menschliche Gesamt­leben so verfließt, das war ja Inhalt der atavistisch instinktiven Weltanschauung der alten Zeiten. Das Christentum mußte zunächst anderes im Menschen anregen als dasjenige, was man in dieser alten Weisheit geschaut hat. Welcher Mittel hat sich das Christentum zunächst bedient? Es hat das menschliche Leben nur bis zu diesem Zeitpunkt hinauf (siehe Zeichnung: Kreuz) in das menschliche Bewußtsein

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hineingeführt: das gegenwartige Erdenleben. - Das vorhergehende Leben bis zum letzten Tode hin, der Mensch aber auch vor der Ge­burt, vor der Empfängnis: nur ein Gedanke der Gottheit, nicht eine menschliche Individualität, ein Gedanke der Gottheit. Vor dem Men­schen die geistige Welt, aus der er als ein Gedanke der Gottheit hervorgeht, als eigentlicher Mensch erst beginnend mit der Geburt. Dann reihte man daran das Leben nach dem Tode. Man hat gewisser­maßen in der ersten Zeit der Entwickelung des Christentums «ver­legt» das Hinaufschauen: da Leben zwischen Tod und neuer Ge­burt, Erdenleben, dann wieder Leben zwischen Tod und neuer Ge­burt, Erdenleben und so weiter; man hat das menschliche Empfinden eingeschränkt nur hinzuschauen auf die Ursprünge des Menschen, und dann auf das Leben nach dem Tode. Das aber hat auf der ande­ren Seite das Gleichgewicht gegeben, die Bilder erzeugt von dem «Jüngsten Gericht». Diese Bilder von dem «Jüngsten Gericht» ent­standen dadurch, daß das Christentum zuerst die Präexistenzlehre, die Lehre von dem geistigen Existieren vor der Empfängnis und vor der Geburt, aus dem menschlichen Empfinden herausgetrieben hat. Heute strömt wiederum aus den Untergründen des Menschlich-Seeli­schen das Bedürfnis herauf, die wiederholten Erdenleben zu erkennen. Daher verblassen die Bilder, die nur das eine Erdenleben ins Auge fassen, und vorher und nachher die geistige Welt. Es ist das inten­sivste Bedürfnis vorhanden, die christliche Weltanschauung, wie sie in den ersten Zeiten war, zu erweitern. Das Mysterium von Golgatha hat nicht nur für diejenigen gewirkt, die ein Erdenleben annehmen, sondern das Mysterium von Golgatha ist auch gültig für diejenigen, die von den wiederholten Erdenleben wissen. Dieser Erweiterung be-darf es in der Gegenwart. Und so müssen wir uns klar sein, daß wir in diesem Zeitpunkt drinnen stehen, wo wir benützen sollen die Gespensterhaftigkeit der gewöhnlichen Begriffserkenntnis, die Sinn­losigkeit des durch Industrialismus ausgelösten Wollens zu dem Auf­schwung nach geistiger Erkenntnis und nach geistdurchsetztem Wol­len, wie ich es geschildert habe; auf der anderen Seite aber auch um das religiöse Bewußtsein zu erweitern über die wiederholten Erden-leben hinaus.

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Die ganze volle Wichtigkeit dieser Erweiterung des menschlichen Bewußtsein in der Gegenwart, die sollte sich der Mensch der Gegen­wart ganz tief, tief in die Seele schreiben. Denn davon hängt es im Grunde genommen ab, ob er wirklich versteht, in der Gegenwart zu leben und die Zukunft in richtigem Sinne vorzubereiten. Im Grunde genommen kann ja jeder auf dem Platze, auf dem er im Leben steht, die Anwendung dieser Sache machen. Und schließlich wird schon eine äußere Erkenntnis die Menschen dazu bringen, nach etwas zu ver­langen, was gegenwärtig in den unterbewußten Tiefen des Seelen­lebens sehr spielt, was aber schwer in das volle Bewußtsein herauf­klingt und herauftönt. Sehen Sie, das Auffälligste im Leben der Ge­genwart ist ja, daß heute so viele zerrissene Menschenseelen herum-gehen, Menschenseelen, die eigentlich problematisch sind, die nicht voll mit dem Leben etwas anzufangen wissen, die immer wieder und wiederum fragen: Was soll gerade ich tun, was meint das Leben gerade mit mir? - die das oder jenes angreifen und doch nicht zu ihrer Befriedigung. Immer mehr und mehr werden der Menschen, die so problematische Naturen sind. Woher kommt das? Das kommt da­von, daß dies schon ein Mangel in unserem Erziehungswesen ist. Wir bilden heute unsere Kinder so aus, daß wir nicht diejenigen Kräfte in ihnen erwecken, welche den Menschen stark für das Leben machen: Das, was den Menschen stark macht dadurch, daß er ein Nachahmer ist bis zum 7. Jahre, was ihn stark macht dadurch, daß er einer würdigen Autorität folgt bis zum 14. Jahre; daß er die Liebe in der richtigen Weise bis zum 21. Jahre entwickelt kriegt, denn später kann man es nicht mehr entwickeln. Das, was dem Men­schen fehlt dadurch, daß die Kräfte, die in bestimmten jugendlichen Lebensjahren entwickelt werden müssen, nicht erweckt werden, das macht ihn zur problematischen Natur. Das muß man nur wissen!

Deshalb mußte ich gestern sagen: Will man wirklich eine soziale Gestaltung der Zukunft, so muß man wollen diese Sache gerade durch die Erziehung des Menschen vorbereiten. Dazu ist notwendig, daß man nun wirklich in diesen Dingen nicht mit kleinen, sondern mit großen Posten rechnet. Allmählich ist unser Erziehungswesen so geworden, als ob wir gerade schreiten wollten zu dem, was ich

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gestern charakterisierte als Mechanisierung des Geistes, Vegetarisie­rung der Seele, Animalisierung der Leiber.

Wir dürfen nicht zu dem schreiten. Wir müssen die Kräfte, die in der menschlichen Kinderseele entwickelt werden können, stark entwickeln, damit der Mensch sie später holen kann aus der Ent­wickelung seiner Kindheit heraus. Heute schaut er in die Kindheit zurück, fühlt sich in die Kindheit zurück, kann nicht herausholen aus seiner Kindheit etwas, weil eben nichts entwickelt worden ist. Aber unsere Erziehungsgrundsätze müssen sich gründlich ändern, wenn wir in diesem Punkt gerade das Richtige treffen wollen! Wir müssen vor allen Dingen auf vieles sehr aufmerksam hinhorchen, was in der Gegenwart als ganz besonders gepriesen wird, als beson­ders Heilsames gepriesen wird.

So haben wir nötig, daß, ohne daß der Bogen überspannt wird, nicht durch Anstrengung, sondern durch Ökonomie der Erziehung, Konzentration bei den Kindern erreicht werden soll. Dies können wir in der Weise, wie es der heutige Mensch braucht, nur erreichen, wenn wir etwas abschaffen, was heute noch sehr beliebt ist: wenn wir den verfluchten Stundenplan in den Schulen abschaffen, dieses Mord-mittel für eine wirkliche Entwickelung der menschlichen Kräfte. Man denke nur einmal nach, was es heißt: von 7-8 Rechnen, von 8-9 Sprachlehre, von 9-10 Geographie, von 10-11 Geschichte! Alles das­jenige, was von 7-8 die Seele durchwogt hat, wird ausgelöscht von 8-9, und so weiter. In diesen Dingen ist es heute notwendig, den Sachen auf den Grund zu gehen. Wir dürfen überhaupt nicht mehr daran denken, daß Lehrfächer da sind, damit «Lehrfächer» gelehrt werden; sondern wir müssen uns klar sein: im Menschen vom 7. bis 14. Jahre müssen entwickelt werden in der richtigen Weise Denken, Fühlen und Wollen. Geographie, Rechnen, alles muß so verwendet werden, daß in der richtigen Weise Denken, Fühlen, Wollen ent­wickelt werden.

Viel spricht man in der heutigen Pädagogik davon, man soll die Individualitäten entwickeln, man soll der Natur ablauschen, welche Fähigkeiten man entwickeln soll. Alles Phrasen! - weil diese Dinge nur einen Sinn bekommen können, wenn man die Sache aus der

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Geisteswissenschaft heraus bespricht; sonst bleibt es Phrase. Es wird daher in der Zukunft notwendig sein, daß man sich sagt: Für ein bestimmtes Lebensalter ist zum Beispiel vor allen Dingen notwendig, etwas Rechnen beizubringen. Dazu muß man zwei, drei Monate ver­wenden, um an den Vormittagen Rechnen beizubringen. Nicht einen Stundenplan, der alles durcheinander enthält, sondern der Rechnen eine Zeitlang treibt - dann weitergehen. Und genau die Dinge so einstellen, daß sie eingestellt sind auf das, was die Menschennatur in einem bestimmten Zeitpunkt verlangt!

Sie sehen, welche Aufgaben eine in die Zukunft hin arbeitende Pädagogik eigentlich hat. In diesen Dingen liegen die positiven Pro­bleme, die heute den Menschen gestellt werden, die über das soziale Werden ernsthaftig nachdenken. Davon ist noch wenig Verständnis vorhanden. In Stuttgart soll nun, sich anschließend an unsere bis­herige soziale Tätigkeit, eine Schule, so weit man sie innerhalb des heutigen Schulsystems haben kann, aufgebaut werden. Herr Molt hat beschlossen, für die Kinder seiner Fabrik, der Waldorf-Astoria­Fabrik, eine solche Schule zu begründen; andere Kinder werden sich anschließen können, aber natürlich zunächst nur eine begrenzte Zahl. Man wird selbstverständlich zu rechnen haben heute noch mit den Lehrzielen, die der sogenannte Staat stellt. Man wird die Kinder bis zu diesem Jahr da und dorthin bringen müssen, man wird also Kom­promisse schließen müssen, aber man wird schon hineinmischen können in dasjenige, was der Staat nun einmal schon verlangt, weil der nun nach sozialistischen Anschauungen der ganz besonders ge-scheite Götze ist - man wird hineinmischen müssen in das, was von dieser Seite gefordert wird, dasjenige, was die wirkliche Menschen-natur verlangt. Das muß aber vor allen Dingen einmal erkannt werden. Wer denkt denn heute daran, daß der Stundenplan der Mord ist der wirklichen Erziehung des Menschen? Es gibt Leute, die denken in dieser Richtung so, daß man sagen möchte: Die Welt steht auf dem Kopf, und man muß sie wieder auf die Beine stellen; denn es gibt heute Leute, die möchten die Stunden noch abkürzen, halbstündig die Gegenstände lehren und aufeinanderfolgen lassen. Das betrachten heute manche als ein Ideal. Man soll sich nur vorstellen,

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was das für ein ungeheures Kaleidoskop gibt, hintereinander: Religion, Rechnen, Geographie, Zeichnen, Singen! Da drinnen - im Kopfe - schaut es dann aus, wie wenn die Steine in einem Kalei­doskop durcheinandergeworfen sind; nur für die Außenwelt «schaut es nach was aus», denn es ist da nicht der geringste Zusammenhang. Man will es eben durchaus nicht glauben, daß es heute notwendig ist, ins Große zu denken, nicht ins Kleine zu denken, große Gesichts­punkte, umfassende Gesichtspunkte zu haben. Man erlebt ja heute immer wieder und wiederum, daß die Leute nun sich endlich be­quemt haben, zu sagen: Ja, Revolution muß sein! Selbst ein großer Teil der Spießer glaubt heute schon an die Revolution. Ich weiß nicht, ob es gerade hier so ist, aber es gibt weite Gegenden, wo selbst ein großer Teil der Spießer an die Notwendigkeit der Revolution glaubt. Aber wenn man ihnen dann mit solchen Sachen kommt, wie sie zum Beispiel in meinem Buch «Die Kernpunkte der sozialen Frage» über die Dreigliederung stehen, sagen sie: Das verstehen wir nicht, das ist kompliziert. - Schon der Lichtenberg hat zwar gesagt:

Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenkommen und es klingt hohl, muß nicht immer gerade die Schuld an dem Buch liegen. Aber, nicht wahr, diese Dinge glauben die Leute heute nicht, weil nicht immer die Selbsterkenntnis dasjenige ist, was in den Seelen am meisten erzeugt wird. Doch man erlebt es ja auch, daß selbst schon über weite Gegenden hin die Spießer an die Revolution glauben. Aber dann sagen sie: Na ja, auf so große Sachen, auf solche Gedanken, da kann man sich nicht einlassen, du mußt uns sagen - ja, wie das Schuhe-machen sozialisiert werden soll, wie die Apotheken sozialisiert wer­den sollen, wie das und das sozialisiert wird; du sollst uns sagen, wie im revolutionierten Staate ich meine Gewürze verkaufen werde.

Man merkt dann allmählich, was die Leute eigentlich meinen mit einer solchen Sache. Sie meinen also, es müsse revolutioniert werden

- damit sind sie schon ganz einverstanden - aber so, daß alles beim alten bleibt, so daß nichts sich eigentlich verändert. Wie können wir die Welt drunter und drüber machen?, sagt mancher, aber daß sich ja nichts verändert! Und diejenigen, die in dieser Beziehung am merk­würdigsten sind, das sind gerade die sogenannten Intellektuellen. Ja,

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da kann man ganz besonders merkwürdige Erfahrungen machen. Eine Erfahrung die man immer wieder machen mußte, war, daß man zu hören bekam: Ja, drei Glieder - Universitäten autonom, das Geistesleben soll sich selbst verwalten -, wovon werden wir dann leben? Wer wird uns unsere Gehälter bezahlen, wenn uns der Staat nicht mehr unsere Gehälter bezahlt?

Aber diesen Dingen muß heute ins Auge geschaut werden. Es ist doch notwendig, daß man nicht immer wieder und wiederum über diese Dinge hinweggeht. Gerade auf dem Gebiet des Geisteslebens muß Wandel geschaffen werden.

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DRITTER VORTRAG Dornach, 11. August 1919

Was ich heute werde zu sagen haben, wird eine Art Episode sein. Ich möchte, wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe, über drei Begriffe kurz sprechen. Über drei Begriffe, welche, vollständig verstanden, zugleich bewirken das Verständnis des äußeren sozialen Lebens. Ich sage ausdrücklich: des äußeren sozialen Lebens, denn die drei Begriffe sind durchaus dem äußerlichen Zusammenwirken und Zusammen­arbeiten der Menschen entnommen. Es sind die drei Begriffe Ware, Arbeit, Kapital. Nun habe ich Ihnen bereits gesagt, daß sich die neuere Nationalökonomie aller Schattierungen vergeblich bemüht, über diese Begriffe in vollständige Klarheit zu kommen. Das war nicht möglich, seit die Menschen begonnen haben, bewußt volkswirt­schaftlich zu denken. Vor dem Beginn des fünften nachatlantischen Zeitraumes, also vor dem Zeitpunkt, der da fällt in die Mitte des 15. Jahrhunderts, kann überhaupt nicht die Rede davon sein, daß die Menschen ihre gegenseitigen sozialen Beziehungen in bewußter Weise aufgefaßt haben. Das Leben verlief mehr oder weniger unbewußt, instinktiv mit Bezug auf dasjenige, was sozial von Mensch zu Mensch spielte. Seit dieser Zeit aber mußten die Menschen, weil ja die Be­wußtseinsseele in diesem Zeitalter sich ausbildet, immer mehr und mehr bewußt nachdenken über die sozialen Beziehungen. Und so haben sich denn alle möglichen Richtungen und Anschauungen her­ausgebildet über das soziale menschliche Zusammenleben. Es beginnt das mit der Schule der Merkantilisten, dann mit der Schule der Phy­siokraten, mit Adam Smith, mit den verschiedenen utopistischen Strömungen, Proudhon, Fourrier und so weiter, bis zu der neueren Sozialdemokratie auf der einen Seite, und zu der neueren Schulnatio­nalökonomie auf der anderen Seite. Es ist interessant, die neuere so­zialdemokratische Theorie, welche fußt auf Marx, Engels und ande­ren, zu vergleichen mit der neueren Schulnationalökonomie. Die neuere Schulnationalökonomie ist ganz unproduktiv. Sie bringt über­haupt nichts hervor von Begriffen, die in das soziale Wollen einfließen

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können. Man hat nichts aus den wirren chaotischen Begriffen der modernen Schulnationalökonomie, wenn man in dieser Richtung die Frage aufwirft: Was soll in sozialer Beziehung geschehen? Denn diese Schulnationalökonomie ist ganz angefressen von Anschauungen, die überhaupt in der neueren Wissenschaft herrschen. Und Sie wissen ja, daß trotz des großen, bewundernswerten Fortschrittes der Natur­wissenschaften, der durchaus eben von der Geisteswissenschaft nicht geleugnet werden soll, die moderne Schulwissenschaft eigentlich sich bekennt zu der Ablehnung eines jeglichen, das aus dem Geiste her­vorquillt. Und so will die Nationalökonomie nur beobachten das­jenige, was im ökonomischen Leben geschieht. Aber das Beobachten desjenigen, was im ökonomischen Leben geschieht, das ist etwas fast Unmögliches in der neueren Zeit, aus dem Grunde, weil die Menschen, je mehr sie herauf sich entwickelt haben in diese neuere Zeit, über­haupt nicht mehr Gedanken gehabt haben, welche die ökonomischen Tatsachen getragen hätten. Die ökonomischen Tatsachen liefen me-chanisch von selbst dahin; die Menschen folgten ihnen nicht mit den Gedanken nach. Daher kann die Beobachtung dieser gedankenlosen Tatsachen des Weltmarktes nicht zu Gesetzen führen und hat auch nicht zu Gesetzen geführt, denn unsere Volkswirtschaft ist eine Praxis ohne Theorie, ohne Anschauung, ohne Begriffe, ohne Idee. Und unsere sozialdemokratische Bestrebung, die ist eine Theorie ohne Praxis. So genommen, wie sie ist, diese sozialistische Theorie, kann sie niemals in die Praxis umgesetzt werden; sie ist eine Theorie ohne Einsicht in die Praxis. Wir leiden gerade in der modernen Zeit dar­unter, daß wir auf der einen Seite haben das wirtschaftliche Leben, eine Praxis ohne Ideen, und auf der anderen Seite die bloße Theorie der Sozialdemokraten ohne die Möglichkeit, diese Theorie in das wirkliche Wirtschaftsleben einzuführen. Wir sind in dieser Beziehung wirklich an einem Wendepunkt der geschichtlichen Entwickelung der Menschheit angekommen. Und Sie werden es eigentlich leicht begrei­fen, weil ja soziales Leben begründet sein muß auf der Beziehung von Mensch zu Mensch, daß zugrunde liegen muß dem, was die Menschen anstreben, wenn sie soziales gerechtes Leben begründen wollen, eine gewisse Stimmung. Und sehen Sie, darum handelt es sich bei der

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Dreigliederung des sozialen Organismus, daß eine gewisse Stimmung hervorgerufen werde, eine Stimmung in zusammengehörigen sozialen Gebieten. Ohne diese Stimmung zwischen den Menschen kann das soziale Leben nicht wirklich erblühen. Und dieser Stimmung soll gerade Rechnung getragen werden durch die soziale Dreigliederung. Heute möchte ich, wie gesagt, episodisch nur auf einiges nach dieser Richtung hinweisen.

Wenn Sie sich das soziale Leben als einen Organismus denken, so müssen Sie sich ja vorstellen, daß, allerdings ins Geistig-Seelische herauf umgesetzt, diesen Organismus etwas durchströmt. Wie zum Beispiel den menschlichen und den tierischen Organismus das Blut als Träger der eingeatmeten und umgewandelten Luft, so muß den gan­zen sozialen Organismus etwas tragen, etwas durchwehen, etwas durchzirkulieren.

Hier kommen wir auf dasjenige Kapitel, welches dem gegenwär­tigen Menschen so schwer verständlich ist, weil er in seinem Gemüte sehr wenig darauf vorbereitet ist, aber welches auch verstanden wer­den muß, wenn überhaupt von einer sozialen Neugestaltung, von einem sozialen Aufbau im Ernste die Rede sein soll. Verstanden wird werden müssen, daß im sozialen Leben der Zukunft etwas davon ab­hängt, wovon sich die Menschen gegenseitig unterhalten, was die Men­schen ernst nehmen, indem sie gegenseitig ihre Ideen, ihre Empfin­dungen, ihre Gefühle austauschen. Es ist nicht gleichgültig, was un­ter den Menschen an Anschauungen lebt, wenn sie soziale Wesen wer­den wollen. Und notwendig ist es für die Zukunft, daß nicht bloß Begriffe in der allgemeinen Bildung herrschen, welche aus der Na­turwissenschaft oder aus der Industrie entnommen sind, sondern daß Begriffe herrschen, welche Grundlagen sein können für etwas Ima-ginatives. So unwahrscheinlich das dem heutigen Menschen ist, so­zialisieren wird man nicht, wenn man nicht zu gleicher Zeit den Men­schen beibringt imaginative Begriffe, das heißt Begriffe, welche das Gemüt des Menschen ganz anders gestalten, als die bloßen abstrakten Begriffe von Ursache und Wirkung, Kraft und Stoff und Materie und so weiter, die aus dem naturwissenschaftlichen Leben herkom­men. Mit diesen Begriffen, die aus dem naturwissenschaftlichen Leben

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herkommen und von denen heute alles beherrscht ist, sogar die Kunst, mit diesen Begriffen läßt sich im sozialen Leben der Zukunft nichts anfangen. Wir müssen in die Lage kommen, im sozialen Le. ben der Zukunft die Welt wiederum in Bildern zu verstehen.

Was damit gemeint ist, habe ich ja schon zu wiederholten Malen angedeutet, auch wiederum mit Bezug auf die Erziehungsfrage. Ich habe mit Bezug auf die Erziehungsfrage folgendes gesagt. Ich habe gesagt, man kann den Kindern, wenn man sich intim mit ihnen be­schäftigt, gut beibringen, sagen wir die Idee der Unsterblichkeit der Seele, indem man einfach dem Kinde zeigt eine Schmetterlingspuppe und ihm zeigt, wie die Puppe sich aufbricht und der Schmetterling aus der Puppe ausfliegt; dann macht man dem Kinde klar: Sieh ein­mal, so wie die Puppe ist, so ist dein Leib, und da drinnen lebt etwas wie ein Schmetterling, nur ist das unsichtbar. Wenn du in den Tod kommst, so fliegt auch bei dir der Schmetterling heraus in die geistige Welt. - Durch solche Vergleiche wirkt man bildlich. Aber es ist nicht bloß notwendig, daß man einen solchen Vergleich ausdenkt; da würde man eben im Sinne der naturwissenschaftlichen Weltanschau­ung handeln, wenn man ihn ausdenkt. Denn was bringen denn die Menschen aus der heutigen Zeitbildung gewöhnlich, wenn sie einen solchen Vergleich je einmal machen, ihm für eine Stimmung entgegen? Die Menschen der heutigen Zeit, wenn sie kaum erwachsen sind, sind sehr gescheit, außerordentlich gescheit. Sie bedenken gar nicht, daß man auf eine andere Weise vielleicht gescheit sein kann, als sie selbst in ihren abstrakten Begriffen sich vorstellen, daß sie gescheit sind. Es ist nämlich ganz merkwürdig, wie die Menschen mit Bezug auf diese ihre heutige Gescheitheit sind!

An einen Vortrag, den ich vor Wochen einmal gehalten habe, hat sich dann angeschlossen in einem staatswissenschaftlichen Verein der betreffenden Stadt eine Versammlung, und da hat über den Vortrag und das, was damit zusammenhing, gesprochen ein Universitätspro­fessor, also selbstverständlich ein gescheiter Mann der Gegenwart, nicht wahr. Der hat gefunden, daß die Anschauungen, die ich nicht nur in jenem Vortrage vorgebracht habe, sondern die in allen meinen Büchern stehen, infantil sind, das heißt, auf der Kindheitsstufe der

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Menschheit stehen. Sehen Sie, ich begreife ganz gut solch ein Urteil von einem gescheiten Menschen der Gegenwart; besonders begreife ich es sehr gut, wenn er gerade Universitätsprofessor ist. Ich begreife es aus dem Grunde, weil ja aus der Wissenschaft, die da gemeint ist, alles wirklich bildhafte Leben heraußen ist und daher alles, was ver­standen, oder besser gesagt nicht verstanden wird - kindlich gefun­den wird. Ja, sehen Sie, das ist eben gerade dieses eigentümliche, daß die Menschen in der heutigen Gescheitheit kommen und sagen:

Wenn wir einmal ein solches Bild anwenden wollen, wie: die unsterb­liche Seele läßt sich vergleichen mit dem Schmetterling, der aus der Puppe herausfliegt, dann sind wir die Gescheiten, wir wissen selbst­verständlich, daß das ein Bild ist, das wir gemacht haben; wir sind hinaus über dasjenige, was ein solches Bild enthält. Aber das Kind ist kindlich, für das vergleicht man, was man in Begriffen weiß, mit diesem Bilde; aber wir selber glauben nicht daran. - Das Geheim­nis besteht nur darinnen, daß dann das Kind auch nicht daran glaubt. Das Geheimnis liegt darinnen, daß das Kind nur wirklich ergriffen wird von dem Bilde, wenn man selber daran glaubt. Und dazu soll uns eben wirkliche geisteswissenschaftliche Stimmung wiederum zu­rückbringen, daß wir in der Natur nicht sehen jene gespenstischen Dinge, von denen uns die Naturwissenschaft spricht, sondern wieder­um sehen das Bildliche, das Imaginative. Dasjenige, was aus der Puppe auskriecht und in dem Schmetterling vorliegt, ist wirklich ein von der göttlichen Weltordnung in die Naturordnung hineingestelltes Bild für die Unsterblichkeit der Seele. Und es gäbe den Schmetter­ling nicht, der aus der Puppe auskriecht, wenn es nicht eine unsterb­liche Seele gäbe. Denn es kann nicht ein Bild geben - und das ist ein Bild -, wenn nicht die Wahrheit zugrunde liegt dem Bilde. Und so ist es mit der ganzen Natur. Dasjenige, was die Naturwissenschaft gibt, ist Gespenst. Der Natur selber kommt man nur bei. wenn man weiß, sie ist Bild von etwas anderem.

Und so werden sich die Menschen auch bequemen müssen, zum Beispiel das menschliche Haupt als ein Bild eines Himmelskörpers anzusehen. Das menschliche Haupt ist nicht bloß rund, so wie es ist, damit es etwa einem Kohlkopf ähnlich sehen soll, sondern das menschliche

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Haupt ist so, wie es ausgestaltet ist, eine Nachbildung eines Himmelskörpers. Bildhaft ist die ganze Natur, und hineinfinden muß man sich in diese Bildhaftigkeit, dann wird ausstrahlen in die Herzen, in die Seelen, in die Gemüter, in die Köpfe sogar, obwohl das am schwersten ist, dasjenige, was durchströmen kann den Men­schen, wenn er Bilder auffaßt. Wir werden miteinander reden müssen in dem sozialen Organismus von Dingen, die in Bildern gesprochen sind. Und diese Bilder wird man uns glauben müssen. Dann werden aus der Wissenschaft hervorgehen diejenigen Menschen, die da spre­chen können erst über das wirkliche Hineinstellen der Ware in den sozialen Organismus; denn die Ware, die erzeugt wird, entspricht dem menschlichen Bedürfnis. Keine abstrakten Begriffe können dieses menschliche Bedürfnis in seiner sozialen Wertung erfassen, sondern nur dasjenige menschliche Gemüt kann etwas darüber wissen, das durchtränkt worden ist von derjenigen Stimmung, die aus dem ima­ginativen Vorstellen kommt. Anders wird es keine Sozialisierung geben. Sie können im sozialen Organismus die richtigen Leute an­stellen, welche die Bedürfnisse feststellen: wenn Sie nicht zu gleicher Zeit eine imaginative Vorstellung hineinerziehen in den sozialen Organismus, so ist es unmöglich, eine soziale Gestaltung des sozialen Organismus herauszubekommen; das heißt, es muß von Bildern ge­redet werden. So sonderbar es dem heute sozialistisch Denkenden klingt, es sei zum Sozialisieren notwendig, daß im sozialen Organis­mus die Menschen zu den Menschen in Bildern reden, welche Imagi-nationen anregen, so muß es doch geschehen.

Das ist es, worauf es ankommt. Und dasjenige, was Ware ist, man wird es fühlend verstehen in einer Wissenschaft, in der für Bilder Verständnis ist - in keiner anderen.

In der Gesellschaft, welche die Gesellschaft der Zukunft sein soll, da wird außerdem in einer richtigen Weise herrschen müssen die Arbeit. Wie heute unter den Menschen von der Arbeit geredet wird, das ist geradezu eine Torheit, denn die Arbeit als solche hat im Grunde genommen gar nichts zu tun mit der Erzeugung der Güter. Karl Marx nennt die Ware kristallisierte Arbeitskraft. Das ist bloßer Unsinn, nichts weiter. Denn dasjenige, um was es sich handelt, wenn

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der Mensch arbeitet, das ist, daß er in einer gewissen Weise sich selbst verbraucht. Nun können Sie dieses Selbstverbrauchen bewirken ent­weder auf die eine oder auf die andere Weise. Sie können, wenn Sie gerade genügend auf einer Bank oder in Ihrem Portemonnaie haben, Sport treiben und sich bei diesem anstrengen und Ihre Arbeitskraft auf diesen Sport verwenden. Sie können aber auch Holz hacken oder irgend etwas anderes tun. Die Arbeit kann ganz die gleiche sein, wenn Sie Holz hacken oder wenn Sie Sport treiben. Nicht davon hängt es ab, wieviel Arbeitskraft Sie anwenden, sondern wozu diese Arbeits­kraft angewendet wird im sozialen Leben. Arbeitskraft an sich hat mit dem sozialen Leben nichts zu tun, insofern dieses soziale Leben Güter oder Waren erzeugen soll. Daher wird es nötig sein im drei­gliedrigen sozialen Organismus, daß ein ganz anderer Antrieb zur Ar­beit da sein muß als derjenige, Güter zu erzeugen. Die Güter müssen gewissermaßen durch die Arbeit erzeugt werden, weil die Arbeit eben auf etwas verwendet wird. Aber dasjenige, was zugrunde liegen muß, damit der Mensch arbeitet, das muß die Lust und Liebe zur Arbeit sein. Und wir kommen nicht früher zu einer sozialen Gestaltung des sozialen Organismus, als wenn wir die Methoden finden, daß der Mensch arbeiten will, daß es ihm eine Selbstverständlichkeit ist, daß er arbeitet.

Das kann in keiner anderen Gesellschaft geschehen, als in einer solchen Gesellschaft, in der Sie von inspirierten Begriffen reden. Nie­mals wird in der Zukunft so wie in der Vergangenheit, wo die Dinge instinktiv und atavistisch waren, Lust und Liebe zur Arbeit die Men­schen durchglühen, wenn Sie die Gesellschaft nicht durchdringen mit solchen Ideen, mit solchen Empfindungen, die durch Inspiration der Eingeweihten in die Welt kommen. Diese Begriffe müssen die Men­schen so tragen, daß die Menschen wissen: Wir haben den sozialen Organismus vor uns und wir müssen uns ihm widmen; das heißt, daß die Arbeit selber in ihre Seele fährt, weil sie Verständnis haben für den sozialen Organismus. Solches Verständnis werden keine anderen Menschen haben, als diejenigen, zu welchen von inspirierten Begriffen, das heißt von Geisteswissenschaft geredet wird. Das heißt, wir brauchen, damit die Arbeit wiederum erstehe unter den Menschen,

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nicht jene hohlen Begriffe, von denen heute deklamiert wird, sondern wir brauchen geistige Wissenschaften, mit denen wir die Herzen, die Seelen durchdringen. Dann wird diese geistige Wissenschaft die Her­zen, die Seelen so durchdringen, daß die Menschen Lust und Liebe zur Arbeit haben werden, und es wird sich die Arbeit hinstellen neben die Ware in einer Gesellschaft, die nicht nur von Bildern hört, durch jene, welche die Pädagogen der Gesellschaft sind, sondern die auch hört von Inspirationen und solchen Begriffen, die notwendig sind, damit m unserer komplizierten Gesellschaft die Produktionsmittel da sind, und damit der Boden in entsprechender Weise unter den Menschen wirke.

Dazu ist notwendig, daß intuitive Begriffe in dieser Gesellschaft verbreitet werden. Diese Begriffe, die Sie finden in meinem Buch «Die Kernpunkte der sozialen Frage» über das Kapital, die werden nur in einer Gesellschaft erblühen, die empfänglich ist für intuitive Begriffe. Das heißt: Es wird sich hineinstellen das Kapital in den so­zialen Organismus, wenn man wiederum zugeben wird, daß in den Menschen Intuition sein soll. Die Ware wird sich in der richtigen Weise hineinstellen, wenn man zugeben wird, daß Imagination sein soll; und die Arbeit wird sich in der richtigen Weise hineinstellen, wenn man zugeben wird, daß Inspiration sein soll.

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Wenn Sie dieses Schema nehmen, wenn Sie nicht die drei Be­griffe untereinander schreiben, sondern wenn Sie sie so schreiben, wie ich sie in dieses Schema hineingestellt habe, dann können Sie von diesem Schema, wenn Sie es mit all den Begriffen durchdringen, die

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in meinem Buche stehen über die Dreigliederung, sehr viel lernen. Denn es bestehen Beziehungen hin und her von Arbeit zu Ware, von Ware zu Kapital, indem das Kapital die Ware kauft; es beste­hen Beziehungen zwischen Arbeit und Kapital und so weiter, nur müssen Sie sie in dieser Weise anordnen, die drei Begriffe. (Siehe Schema.)

Das ist es, was wir vor allen Dingen verstehen müssen, daß es schon recht ist, wenn man davon redet, in der Zukunft müsse die Menschheit durchdringen die soziale Ordnung; daß aber es notwen­dig ist, daß diese soziale Ordnung von den Menschen selber verwirk­licht wird, indem die Menschen sich bequemen, der Wissenschaft der Eingeweihten zuzuhören von den Imaginationen, Inspirationen und Intuitionen. Es ist eine ernste Sache, denn ich sage Ihnen ja nichts Geringeres damit, als daß es ohne Geisteswissenschaft keine soziale Umgestaltung für die Zukunft gibt; aber das ist wahr. Sie werden niemals Jie Möglichkeit bekommen, die Menschen zum Verständnis zu bringen in einer solchen Weise, wie es notwendig ist in bezug auf diese Dinge wie Intuition, Imagination, Inspiration, wenn Sie zum Beispiel die Schule dem Staate überlassen. Denn was machen die Staaten aus den Schulen?

Nicht wahr, betrachten Sie etwas, was ganz eminent schulmäßig auf der einen Seite und staatsmäßig auf der andern Seite ist. Ja, ich muß Ihnen gestehen, ich finde, es ist etwas Furchtbares! Aber dieses Furchtbare bemerken die Menschen der Gegenwart nicht; dies, was es mit dem Staatsrecht zum Beispiel ist. Das Staatsrecht, es soll ja entstehen im Sinne derjenigen Lebensgewohnheiten, welche die Men­schen heute noch als das Richtige in ihre Seele aufnehmen, dadurch, daß meinetwillen Parlamente - ich will auf den Demokratismus schauen, will gar nicht einmal auf das Monarchische, sondern meinet­willen auf den Demokratismus schauen -, also dadurch, daß Par­lamente da sind, werden die staatsrechtlichen Dinge beschlossen: da macht man das Staatsrecht, da macht es jeder mündig gewordene Mensch durch seinen Vertreter, das Staatsrecht. Da werden die Dinge beschlossen, dann stehen sie in den Gesetzessammlungen. Dann kommt der Professor, der studiert die Gesetzessammlungen, und dann unterrichtet

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er dasjenige, was in den Gesetzessammlungen steht, selbstver­ständlich als Staatsrecht, denn das trägt er als Staatsrecht vor. Das heißt, der Staat nimmt ins Schlepptau die Wissenschaft gerade in diesem Punkt im eminentesten Sinn. Der Staatsrechtslehrer darf nichts anderes vortragen als dasjenige, was im Staate als Recht da ist. Man brauchte gar nicht einmal im Grunde genommen den Professor, wenn man in der Lage wäre, die staatsrechtlichen Gesetze auf Rollen zu schreiben, in irgendeinen Phonographen hineinzutun: dann könnte man auch den Phonographen aufs Katheder stellen, der brauchte ja nur das abzurasseln, was die Parlamente beschlossen haben. Das ist dann die Wissenschaft.

Das ist nur auf einem extremen Gebiete. Sehen Sie, das ist nichts Inspiriertes, denn Sie werden kaum in der Lage sein zu behaupten, daß das, was in den Parlamenten als Majoritätsbeschlüsse heute zu­standekommt, so recht inspirierte Tatsachen sind. Aber umgekehrt muß die Sache werden. Im Geistesleben drinnen, an den Universi­täten muß das Staatsrecht entstehen als Wissenschaft zunächst, rein aus der menschlichen geistigen Auffassung heraus. Nur dann kann der Staat die richtige Konfiguration bekommen, wenn die Menschen sie ihm geben. Manche Menschen glauben, die Dreigliederung will die Welt auf den Kopf stellen. 0 nein, die Welt steht auf dem Kopf, die Dreigliederung will sie nur auf die Beine stellen. Das ist dasjenige, worauf es ankommt.

Sehen Sie, es handelt sich vor allen Dingen heute, in solche Be­griffe sich hineinzufinden, sonst gehen wir entgegen der Mechanisie­rung des Geistes, der Einschläferung, das heißt Vegetarisierung der Seele und der Animalisierung, das heißt der instinktiven Gestaltung der Leiber.

Es ist sehr wichtig, sich zu durchdringen mit der Überzeugung, daß in so radikaler Weise gedacht werden muß, wenn der Zukunft irgendein Heil erblühen soll. Es ist also vor allen Dingen notwendig, daß die Menschen einsehen, daß sie den sozialen Organismus auf seine drei gesunden Glieder werden stellen müssen. Was Imagination in bezug auf Ware bedeutet, man wird es nur lernen, wenn das Wirt­schaftsleben rein herausgestaltet ist und die Menschen darauf angewiesen

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sind, das Wirtschaftsleben in Brüderlichkeit zu verwalten. Was Inspiration für die Arbeit bedeutet - daß sie Lust und Liebe zur Arbeit hervorbringt -, das wird nur dann in der Welt sein, wenn in der Tat von den Leuten, die inspiriert sind, durchdrungen wird we­nigstens dasjenige, was dann im Parlament als Gleicher zum Gleichen sich gesellt, wenn wirkliche Gleichheit herrscht, das heißt, wenn jeder geltend machen kann das, was in ihm ist. Aber das wird sehr ver­schieden sein bei dem einen und bei dem andern. Dann wird herr­schen können diese Gleichheit im Rechtsleben, und das Rechtsleben wird inspiriert werden müssen - nicht aus dem Banausentum heraus beschlossen, worauf die gewöhnliche Demokratie immer mehr und mehr hingearbeitet hat.

Und das Kapital wird nur richtig verwertet werden können im sozialen Organismus, wenn die Intuition sich erheben wird zu der Freiheit, und die Freiheit erblühen wird aus dem selbst sich ent­wickelnden Geistesleben. Dann wird herüberströmen aus dem Geistesleben

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in die Arbeit dasjenige, was herüberzuströmen hat. Es werden solche Ströme sein (siehe die Pfeile). Und diese drei Gebiete werden gerade, wenn sie so gegliedert werden, sich in der richtigen Weise durchdringen.

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Einer der ersten Vorwürfe, der mir in Deutschland gemacht wor­den ist, das war der, daß man gesagt hat: Nun will er gar noch das soziale Leben dreigliedern! Das soziale Leben muß eine Einheit sein!

- Aber die Menschen sind nur hypnotisiert von dieser Einheit, weil sie immer den Staat eben als etwas Einheitliches angesehen haben. Sie sind eingewöhnt in diese Begriffe vom einheitlichen Staat. Und derjenige, der von dieser Einheit spricht, der kornmt mir vor wie einer, der sagt: Jetzt will der gar einen Gaul haben, der auf vier Füßen steht, der Gaul muß doch eine Einheit sein, der kann doch nicht in vier Beine gegliedert sein. - Das wird natürlich keiner ver­langen. Aber ich will auch nicht den Gaul-«Staat» oder den sozialen Organismus auf ein Bein stellen, sondern auf seine gesunden drei Beine. Und wie die Gauleinheit nicht dadurch seine Einheit verliert, daß er auf vier Beinen steht, so auch der soziale Organismus dadurch nicht, daß man ihn auf seine gesunden drei Glieder stellt. Er kriegt sie gerade dadurch, seine Einheit, daß man ihn auf seine gesunden drei Glieder stellt. Die Menschen können eben heute durchaus nicht von ihren gewohnten Begriffen loskommen. Aber das ist heute das Wich­tigste, daß wir nicht bloß glauben, daß einzelne äußerliche Einrich­tungen umgewandelt werden sollen, sondern daß wir unsere Ideen, unsere Begriffe, unsere Empfindungen umgestalten müssen. Wir kön­nen schon sagen: Wir brauchen andere Köpfe auf unseren Schultern, wenn wir der Zukunft der Menschheit in heilsamer Weise entgegen­gehen wollen. Das ist notwendig, daß wir andere Köpfe auf unsere Schultern bekommen. Dahinein können sich die Men­schen so schwer gewöhnen, weil ihnen die alten Köpfe so lieb sind, diese alten Köpfe, die gewohnt sind, nur dasjenige zu denken, was seit langer Zeit zu denken sich die Menschen gewöhnt haben. Heute mussen wir in bewußter Weise umgestalten das, was in unseren See­len lebt. Und halten Sie das nicht für eine leichte Aufgabe: Gar mancher glaubt heute, daß er seine Begriffe ja schon umgewandelt hat, er merkt gar nicht, wie sie die alten geblieben sind, besonders auf dem Gebiete des Erziehungswesens. Da macht man kuriose Er­fahrungen. Man redet den Leuten von dem, was die Geisteswissen­schaft als Begriffe auf dem Gebiete der Pädagogik erzeugt. Sie können

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heute mit sehr, sehr fortgeschrittenen Lehrern, Schulinspekto­ren, -direktoren und so weiter reden, die hören Ihnen zu und sagen:

Ja, das habe ich schon lange gedacht, ja, das ist ganz meine Mei­nung. - Aber er hat in Wirklichkeit die entgegengesetzte Meinung von der, die man ihm sagt. Er hat in Wirklichkeit die entgegenge­setzte Meinung wie ich, aber er sagt die entgegengesetzte Meinung mit denselben Worten. Er sagt dieselben Worte - und hat die entge­gengesetzte Meinung! Und so gehen die Menschen heute aneinander vorbei. Die Worte haben längst den Zusammenhang mit der Geistig­keit verloren, und dieser Zusammenhang muß unbedingt wieder ge­funden werden, sonst kommen wir nicht vorwärts.

Also soziale Aufgaben liegen viel mehr im Seelischen als wir ge­wöhnlich meinen.

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VIERTER VORTRAG Dornach, 15. August 1919

Aus den letzten Betrachtungen, die wir hier angestellt haben, werden Sie ersehen haben, daß innerhalb der vielen Fragen, die die Gegenwart beschäftigen, die Erziehungsfrage die allerwichtigste ist. Wir haben ja betonen müssen, daß die ganze soziale Fragestellung in sich schließt als hauptsächlichstes Moment gerade die Erziehungsfrage. Und nach­dem ich einiges vor acht Tagen angedeutet habe über die Umgestaltung, die Umwandlung des Erziehungswesens, werden Sie es begreiflich finden, daß wiederum innerhalb der Erziehungsfrage die bedeut­samste Unterfrage die nach der Bildung der Lehrer selbst ist. Wenn man den Charakter der Zeitepoche, die verflossen ist, in genauer Ab­grenzung seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, auf sich wirken läßt, so bekommt man ja, wie Sie wissen, den Eindruck: durch die Mensch­heitsentwickelung ging hindurch in dieser Zeit die Welle der materia­listischen Prüfungen. Und wir leben in der Gegenwart in der Not­wendigkeit, aus der materialistischen Welle uns herauszuarbeiten und den Weg zum Geiste zurückzufinden; den Weg zum Geiste, der ja in älteren Kulturepochen der Menschheit bekannt war, der aber damals gegangen wurde von der Menschheit mehr oder weniger instinktiv, unbewußt, der verloren worden ist, damit die Menschheit ihn aus eigenem Antriebe, aus eigener Freiheit heraus suchen könne, und der nun bewußt, voll bewußt gesucht werden muß.

Der Übergang, durch den die Menschheit durchgehen mußte seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, ist eben das, was man nennen könnte die materialistische Prüfung der Menschheit. Läßt man den Charakter dieser materialistischen Zeit auf sich wirken und betrachtet man dann mit dem, was man dadurch einsieht, die Kulturentwickelung in den letzten drei bis vier Jahrhunderten und bis in unsere Zeit herein, dann findet man, daß am meisten ergriffen worden ist von der materia­listischen Welle, am intensivsten in Anspruch genommen worden ist von dieser materialistischen Welle gerade die Lehrerbildung. Alles übrige würde einen so nachhaltigen Eindruck nicht üben können, wie

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die Durchsetzung der pädagogisch-didaktischen Anschauung mit materialistischer Gesinnung. Man braucht nur in verständiger Weise auf Einzelheiten zu sehen in unserem gegenwärtigen Unterrichtswesen, und man wird die ganze Schwierigkeit, die für einen wirklich frucht­baren Fortschritt vorliegt, ins Auge fassen können. Bedenken Sie, daß immer wieder und wieder wiederholt wird gerade bei denjenigen Menschen, die heute glauben, besonders gut in Erziehungsfragen sprechen zu können, aller Unterricht müsse schon von der untersten Schulstufe ab anschaulich sein - was man eben so anschaulich nennt. Ich habe Sie ja öfter darauf aufmerksam gemacht, wie man zum Bei­spiel den Rechenunterricht anschaulich machen will: Rechenmaschinen stellt man in der Schule auf! Man legt einen großen Wert darauf, daß gewissermaßen das Kind schon alles anschauen könne und dann aus der Anschauung sich erst Vorstellungen aus dem eigenen Inneren seiner Seele heraus bilde. Dieser Trieb nach Anschaulichkeit im Erziehungs­wesen, er ist gewiß auf sehr vielen Gebieten der Pädagogik voll berechtigt. Aber er zwingt doch die Frage aufzuwerfen: Was wird aus dem Menschen, wenn er nur durch einen Anschauungsunterricht durchgeht? Wenn der Mensch nur durch einen Anschauungsunterricht durchgeht, dann wird er seelisch völlig ausgedörrt, dann ersterben nach und nach die inneren Triebkräfte der Seele; dann bildet sich eine Verbindung der ganzen menschlichen Wesenheit mit der anschaulichen Umgebung. Und dasjenige, was aus dem Innern der Seele sprießen sollte, das wird allmählich in der Seele ertötet. Und auf Ertötung des Seelischen geht vieles gerade wegen der Anschaulichkeit des gegen­wärtigen Unterrichts aus. Man weiß natürlich nicht, daß man die Seele ertötet, aber man ertötet sie in Wirklichkeit. Und die Folge davon ist das - ich habe das von anderen Gesichtspunkten aus schon erwähnt -, was wir an den Menschen der Gegenwart erleben. Wie viele Menschen der Gegenwart sind eigentlich problematische Naturen. Wie viele Menschen der Gegenwart wissen in reiferen Jahren nicht aus ihrem eigenen Innern herauszuholen das, was ihnen in schwie­rigen Zeiten Trost und Hoffnung bieten könnte und den verschie­denen Lagen des Lebens gewachsen zu sein. Wir sehen in der Gegen­wart viele gebrochene Naturen, und uns selber kommt es wohl in

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besonderen Augenblicken an, wie wir uns nicht zurechtfinden können.

Das alles hängt zusammen mit den Mängeln unseres Erziehungs­wesens und namentlich mit den Mängeln der Lehrerbildung. Was wäre nun für eine gedeihliche Zukunft gerade in bezug auf die Lehrer­bildung anzustreben? Sehen Sie, daß der Lehrer schließlich dasjenige weiß, was er gewöhnlich abgefragt wird bei den Prüfungen, das ist eigentlich eine untergeordnete Sache, denn da wird er ja zumeist über Dinge gefragt, die er vor den Stunden in irgendeinem Handbuch sich aufschlagen könnte, auf die er sich, wenn er sie braucht, vorbereiten könnte. Dasjenige aber, worauf bei den Prüfungen gar nicht gesehen wird, das ist die allgemeine Seelenverfassung des Lehrers, das ist das­jenige, was geistig immerfort übergehen muß von ihm auf seine Schüler. Es ist ein großer Unterschied, ob der eine Lehrer das Klassen­zimmer betritt oder der andere. Wenn der eine Lehrer durch die Tür des Klassenzimmers tritt, so fühlen die Kinder oder die Schüler eine gewisse Verwandtschaft mit der eigenen Seelenstimmung; wenn ein anderer Lehrer die Klasse betritt, fühlen die Kinder oder die Schüler oftmals eine solche Verwandtschaft gar nicht; im Gegenteil, sie fühlen eine Kluft zwischen sich und dem Lehrer, und alle möglichen Schat­tierungen von Gleichgültigkeit bis zu dem, was sich ausspricht im Komischfinden des Lehrers, in dem Spotten über den Lehrer. Alle die Nuancen, die dazwischen liegen, finden sich oftmals recht sehr zum Ruinieren des wirklichen Unterrichtes und der wirklichen Er­ziehung.

Die Frage ist daher in erster Linie brennend: Wie kann die Lehrer-bildung in die Zukunft hinein umgewandelt werden? Sie kann nicht anders umgewandelt werden als dadurch, daß der Lehrer aufnimmt in sich dasjenige, was aus der Geisteswissenschaft kommen kann an Erkenntnissen über die Natur des Menschen. Der Lehrer muß durch­drungen sein von dem Zusammenhang des Menschen mit den über­sinnlichen Welten. Er muß in der Lage sein, in dem heranwachsenden Kinde das Zeugnis dafür zu sehen, daß dieses Kind heruntergestiegen ist aus der übersinnlichen Welt durch Empfängnis oder Geburt, und daß das, was heruntergestiegen ist, sich mit dem Leib umkleidet hat, sich etwas aneignet, wozu er zu helfen hat hier in der physischen Welt,

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weil das Kind sich es nicht aneignen kann in dem Leben zwischen dem Tod und einer neuen Geburt.

Als Frage der übersinnlichen Welt an die sinnliche, so sollte eigent­lich vor dem Gemüte des Lehrenden oder Erziehenden jedes Kind stehen. Diese Frage wird man sich nicht im konkreten, im umfassenden Sinne aufwerfen können, namentlich nicht jedem einzelnen Kinde gegenüber, es sei denn, daß man die Erkenntnisse verwenden kann, die über die Natur des Menschen aus der Geisteswissenschaft kommen. Die Menschheit hat sich allmählich im Laufe der drei bis vier letzten Jahr­hunderte immer mehr und mehr angewöhnt, den Menschen zu sehen, ich möchte sagen, bloß physiologisch, bloß auf seine äußere leibliche Konstitution hin. Am schädlichsten ist diese Anschauung vom Men­schen für den Erzieher, für den Unterrichter. Daher wird vor allen Dingen notwendig sein, daß eine in der Anthroposophie sich erge­bende Anthropologie die Grundlage der Zukunftspädagogik werde. Das kann aber nicht anders geschehen als dadurch, daß der Mensch wirklich von den Gesichtspunkten aus ins Auge gefaßt wird, die wir öfter hier berührt haben, und die ihn in mancherlei Beziehung charakterisieren als ein dreigliedriges Wesen. Aber man muß sich entschließen dazu, diese Dreigliederung wirklich innerlich zu erfassen. Ich habe Sie wiederholt von den verschiedensten Gesichtspunkten aus darauf aufmerksam gemacht, wie der Mensch, so wie er vor uns steht, zerfällt in das, was er zunächst als Nerven-Sinnes-Mensch ist, was man populär so ausdrücken kann, daß man sagt: Zunächst ist der Mensch Kopfmensch, Hauptesmensch. Als zweites Glied der menschlichen Wesenheit, äußerlich betrachtet, haben wir denjenigen Menschen, in dem sich hauptsächlich die rhythmischen Vorgänge abspielen, den Brustmenschen; und dann, wie Sie ja wissen, zusammenhängend mit dem ganzen Stoffwechselsystem den Gliedmaßenmenschen, den Stoffwechselmenschen, in dem sich eben der Stoffwechsel als solcher abspielt. Dasjenige, was der Mensch als tätiges Wesen ist, das erschöpft sich äußerlich in der Bildgestalt, in der physischen Bild-gestalt des Menschen in diesen drei Gliedern der menschlichen Gesamtnatur.

Notieren wir uns einmal diese drei Glieder der menschlichen

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Gesamtnatur: Kopfmensch oder Nerven-Sinnes-Mensch, Brustmensch oder rhythmischer Mensch und dann Gliedmaßenmensch, im weitesten Sinne natürlich, oder Stoffwechselmensch.

Nun handelt es sich darum, daß man diese drei Glieder der menschlichen Natur in ihrem Unterschiede voneinander erfaßt. Das ist ja für den Menschen der Gegenwart unbequem, denn der Mensch der Gegenwart liebt schematische Einteilungen. Er möchte sich, wenn man sagt: der Mensch besteht aus Kopfmensch, Brustmensch, Glied­maßenmensch, am liebsten da einen Strich machen am Halse, was drüber ist, ist Kopfmensch. Dann möchte er sich wieder anderswo einen Strich machen, eine Linie ziehen, um den Brustmenschen zu begrenzen, und so möchte er die eingeteilten Glieder nebeneinander haben. Was sich nicht so schematisch nebeneinanderstellen läßt, dar­auf läßt sich der Mensch der Gegenwart nicht gerne ein.

Aber so ist es in der Wirklichkeit nicht; die Wirklichkeit macht nicht solche Striche. Der Mensch ist zwar über den Schultern haupt­sächlich Kopfmensch, Nerven-Sinnes-Mensch. Aber er ist nicht allein über den Schultern Nerven-Sinnes-Mensch; zum Beispiel der Gefühls­sinn, der Wärmesinn sind über den ganzen Leib ausgedehnt, so daß der Kopf über den ganzen Leib wiederum reicht. Also man kann, wenn man so sprechen will, sagen: der menschliche Kopf ist haupt­sächlich Kopf. Und die Brust ist eben weniger Kopf, aber auch noch Kopf. Die Gliedmaßen oder alles, was Stoffwechselsystem ist, sind noch weniger Kopf, aber auch Kopf. So daß man also eigentlich sagen muß: der ganze Mensch ist Kopf, nur der Kopf ist hauptsächlich Kopf. Wollte man also schematisch zeichnen, so müßte man etwa, wenn man wollte den Kopfmenschen zeichnen, ihn so zeichnen (siehe Zeich­nung, helle Schraffur).

Der Brustmensch ist wiederum nicht bloß in der Brust, er ist hauptsächlich in den Brustorganen, in den Organen, in denen sich das Herz und der Atmungsrhythmus am deutlichsten ausdrücken. Aber die Atmung setzt sich auch in den Kopf hinein fort, die Blutzirku­lation in ihrem Rhythmus setzt sich in den Kopf hinein fort und in die Gliedmaßen. So daß man sagen kann: der Mensch ist Brust aller­dings in dieser Gegend; aber er ist auch hier - zwar weniger - Brust

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(siehe Zeichnung, mittlere Schraffur) und hier - wiederum weniger Brust. Also wiederum der ganze Mensch ist Brust, aber in der Haupt-sache ist das die Brust, das der Kopf.

Und wiederum der Gliedmaßen- und Stoffwechselmensch, ja er ist schon in der Hauptsache dieses (siehe Zeichnung, dunkle Schraf­fur); aber diese Gliedmaßen setzen sich wiederum so fort, daß sie weniger sind in der Brust, und am wenigsten im Kopfe.

Also ebenso wahr, wie man sagen kann: der Kopf ist Kopf, kann man sagen: der ganze Mensch ist Kopf. Ebenso wahr, wie man sagen kann: die Brust ist Brust, kann man sagen: der ganze Mensch ist Brust und so weiter. Die Dinge schwimmen ineinander in der Wirk­lichkeit. Und unser Begreifen ist so veranlagt, daß wir gerne so neben­einanderstellen die Teile, die Glieder. Dieses zeigt uns, wie wenig wir mit Bezug auf unsere Erkenntnisvorstellungen verwandt sind der äußeren Wirklichkeit. In der äußeren Wirklichkeit schwimmen die Dinge ineinander. Und wir müssen, wenn wir auf der einen Seite trennen: Kopf-, Brust-, Stoffwechselmensch, uns bewußt sein, daß wir dann die getrennten Glieder wieder zusammendenken müssen. Wir dürfen eigentlich niemals bloß auseinanderdenken, wir müssen immer auch wieder zusammendenken. Ein denkender Mensch, der nur aus-einanderdenken

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wollte, der gleicht einem Menschen, der nur ein­atmen, nicht aber ausatmen wollte.

Damit haben Sie gleich etwas gegeben, was eintreten muß namentlich für das Denken der Lehrer der Zukunft; die müssen ganz besonders in sich aufnehmen dieses innerlich bewegliche Denken, dieses unschematische Denken. Denn nur dadurch, daß sie dieses unschematische Denken in sich aufnehmen, kommen sie mit ihrer Seele der Wirklichkeit nahe. Aber man wird der Wirklichkeit nicht nahekommen, wenn man nicht dieses Nahekommen von einem gewissen größeren Gesichtspunkte aus als Zeiterscheinung aufzufassen in der Lage ist. Man muß die Vorliebe, welche man gegen die Gegen­wart herein immer mehr entwickelt hat, sich an die Details des Lebens zu halten, wenn man Wissenschaftliches ins Auge faßt, man muß diese Vorliebe überwinden und muß dahin kommen, die Details des Lebens an die großen Lebensfragen anzuknüpfen.

Und bedeutsam wird eine Frage werden für alle Entwickelung der Geisteskultur in die Zukunft hinein: das ist die Unsterblichkeitsfrage. Man wird sich klar werden müssen darüber, wie eigentlich ein großer Teil der Menschheit diese Unsterblichkeit auffaßt, namentlich seit der Zeit, in welcher viele Menschen sogar schon bis zur Leugnung der Unsterblichkeit gekommen sind. Was lebt eigentlich in den meisten Menschen, die heute noch aus den Untergründen der gebräuchlichen Religionen heraus über Unsterblichkeit sich unterrichten wollen, was lebt in diesen Menschen? Es lebt in diesen Menschen der Drang, etwas zu wissen darüber, was mit der Seele wird, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes durchgegangen ist.

Wenn wir fragen nach dem Interesse, das die Menschen nehmen an der Unsterblichkeitsfrage, besser gesagt, an der Frage nach der Ewig­keit des menschlichen Wesenskernes, so bekommen wir keine andere Antwort, als: das hauptsächlichste Interesse an der Ewigkeit des menschlichen Wesenskernes knüpft sich eben daran: Was wird mit dem Menschen, wenn er die Pforte des Todes durchschreitet? Der Mensch ist sich bewußt: er ist ein Ich. In diesem Ich lebt sein Denken, Fühlen und Wollen. Der Gedanke ist ihm unerträglich, dieses Ich etwa vernichtet zu wissen. Daß er es durch den Tod tragen kann, und

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was mit dem Ich nach dem Tode wird, das interessiert die Menschen vor allen Dingen. Daß es so mit diesem Interesse gekommen ist, das beruht im wesentlichen darauf, daß ja die, wenigstens für uns hier zunächst in Betracht kommenden Religionssysteme, wenn sie von der Unsterblichkeit sprechen, von der Ewigkeit des menschlichen Wesens-kernes hauptsächlich im Auge haben eben die Frage: Was wird mit der Menschenseele, wenn der Mensch durch die Pforte des Todes geht?

Nun müssen Sie fühlen, daß man der Unsterblichkeitsfrage, wenn man sie so stellt, einen außerordentlich stark egoistischen Beigeschmack gibt. Es ist im Grunde genommen ein egoistischer Trieb, der dem Menschen das Interesse einflößt, zu wissen, was mit seinem Wesens­kern wird, wenn er die Pforte des Todes durchschreitet. Und würden die Menschen der Gegenwart, mehr als sie das tun, so recht Selbst­erkenntnis üben, würden sie mit sich zu Rate gehen und sich nicht so stark Illusionen hingeben, als das der Fall ist, dann würden die Menschen schon einsehen, wie stark der Egoismus mitwirkt bei dem Interesse, etwas über das Schicksal der Seele nach dem Tode zu wissen.

Diese Art der Seelenstimmung ist nun ganz besonders stark wieder­um geworden in der Zeit der materialistischen Prüfung in den letzten drei bis vier Jahrhunderten. Und man kann das, was so die Seele des Menschen wie eine innere Empfindungs- und Denkgewohnheit er­griffen hat, nicht etwa durch Theorien oder Lehren überwinden, wenn diese Theorien oder Lehren nur abstrakte Form haben. Aber die Frage muß doch aufgeworfen werden: Kann es so bleiben? Darf bei der Frage nach dem ewigen Wesenskern des Menschen nur Egoistisches in der Menschennatur sprechen?

Wenn man alles, was mit diesem Fragenkomplex zusammenhängt, ins Auge faßt, dann muß man sich sagen: Daß das so geworden ist mit der menschlichen Seelenstimmung, wie ich es eben charakterisiert habe, das rührt im wesentlichen davon her, daß von den Religionen vernachlässigt worden ist der andere Gesichtspunkt: anzuschauen den Menschen, indem er geboren wird, indem er hereinwächst in die Welt vom ersten kindlichen Schrei, in dieser wunderbaren Weise, wie sich immer mehr und mehr die Seele hineindrängt in die Körperlichkeit,

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anzuschauen den Menschen, wie da in ihm sich herauflebt das, was vorgeburtlich in der geistigen Welt gelebt hat. Wie oft wird denn heute die Frage aufgeworfen: Was setzt sich fort aus dem geistigen Gebiete, wenn der Mensch geboren wird, mit dem physischen Menschen? Danach frägt man immer wieder und wieder: Was setzt sich fort, wenn der Mensch stirbt? Danach aber frägt man wenig: Was setzt sich fort, wenn der Mensch geboren wird?

Darauf ist die Hauptaufmerksamkeit zu richten in der Zukunft. Wir müssen gewissermaßen lernen, abzulauschen dem heranwach­senden Menschen die Offenbarung des Geistig-Seelischen, wie es war vor der Geburt oder vor der Empfängnis. Wir müssen lernen, in dem heranwachsenden Kinde die Fortsetzung seines Aufenthaltes in der geistigen Welt zu sehen: dann wird unser Verhältnis zu dem ewigen Wesenskern des Menschen immer unegoistischer und unegoistischer werden. Wenn einen nämlich nicht interessiert, was sich fortsetzt mit dem physischen Leben aus der geistigen Welt heraus, sondern nur interessiert, was sich fortsetzt hinter dem Tode, dann ist man innerlich egoistisch. Es begründet in einer gewissen Weise eine unegoistische Seelenstimmung, auf dasjenige hinzuschauen, was sich aus dem Gei­stigen fortsetzt in das physische Dasein hinein.

Der Egoismus, der frägt aus dem Grunde nicht nach dieser Fort­setzung, weil er ja dessen gewiß ist, daß er da ist, der Mensch, und er ist zufrieden damit, daß er da ist. Er ist nur dessen nicht gewiß, daß er auch noch nach dem Tode da ist; daher möchte er sich das beweisen lassen. Dazu treibt ihn der Egoismus. Aber die wahre Erkenntnis wird nicht dem Menschen aus dem Egoismus heraus, auch nicht aus jenem sublimierten Egoismus, den wir jetzt eben charakterisiert haben als erzeugend das Interesse an der Fortsetzung des seelischen Daseins nach dem Tode. Und ist es denn eigentlich zu leugnen, daß die Reli­gionen gar sehr spekulieren auf diesen eben gekennzeichneten Egois­mus? Dieses Spekulieren auf den eben gekennzeichneten Egoismus, das muß überwunden werden. Und der, welcher hineinschaut in die geistige Welt, der weiß, daß diese Überwindung mit sich bringen wird nicht bloß Erkenntnisse - diese Überwindung wird mit sich bringen eine ganz andere Einstellung des Menschen zu seiner menschlichen

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Umgebung. Man wird ganz anders fühlen und empfinden mit dem kindlich heranwachsenden Menschen, wenn man immer darauf hin­schaut, wie sich fortsetzt das, was nicht mehr bleiben konnte in der geistigen Welt.

Bedenken Sie doch nur einmal, wie sehr sich eine Frage gerade von diesem Gesichtspunkte aus verschiebt. Man könnte sagen: Der Mensch war in der geistigen Welt, bevor er durch Empfängnis oder Geburt her­untergestiegen ist in die physische Welt. Da oben muß es also gewesen sein, daß er sein jeweiliges Ziel nicht mehr gefunden hat. Die geistige Welt muß ihm das nicht mehr gegeben haben, was die Seele anstrebt. Und aus der geistigen Welt heraus muß sich der Drang ergeben haben, herunterzusteigen in die physische Welt, sich mit einem Leib zu um­kleiden, um das in der physischen Welt zu suchen, was nicht mehr in der geistigen Welt gesucht werden konnte, als die Zeit nahe der Geburt zuging.

Es ist eine ungeheure Vertiefung des Lebens, wenn man den Gesichtspunkt so - aber jetzt fühlend und empfindend - zu nehmen weiß. Während der eine Gesichtspunkt, der egoistische, immerzu den Menschen dazu drängt, abstrakter und abstrakter zu werden, ins Theoretische einzulaufen, dem Kopfdenken sich zuzuneigen, wird das, was nach dem anderen, dem unegoistischen Gesichtspunkte hingeht, den Menschen immer mehr und mehr dazu drängen, die Welt in Liebe zu erkennen, und durch Liebe zu begreifen. Das ist eines der Elemente, die in der Lehrerbildung werden aufgenommen werden müssen: hin-zuschauen auf den vorgeburtlichen Menschen, nicht also nur das Rätsel des Todes zu empfinden, sondern auch zu empfinden dem Leben gegenüber das Rätsel der Geburt.

Dann aber muß gelernt werden, Anthropologie zu erhöhen zu Anthroposophie dadurch, daß man nun wirklich ein Gefühl sich aneignet für die Formen, die sich in dem dreigegliederten Menschen ausdrücken. Ich sagte schon neulich: Ja, ist denn nicht dieses Haupt des Menschen, das, was hauptsächlich Haupt ist, in einer ganz anderen Form kugelig, nur aufgesetzt dem übrigen Organismus? (siehe Zeich­nung). Und wiederum, wenn wir den Brustmenschen nehmen, wie erscheint er uns? Er erscheint uns eigentlich so, daß wir ein Stück des

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Kopfes nehmen könnten, es nun vergrößern, und hier das Rückgrat haben würden (siehe Zeichnung). Während der Kopf seinen Mittel­punkt in sich trägt, trägt der Brustmensch den Mittelpunkt sehr weit von sich weg. Und würden Sie sich das gleichsam wie einen großen Kopf denken, so würde er, dieser große Kopf, angehören etwa einem auf dem Rücken liegenden Menschen. So daß wir haben würden, wenn wir die Wirbelsäule wie einen unvollkommenen Kopf betrachten, einen horizontal liegenden Menschen, und einen vertikal stehenden Menschen.

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Noch komplizierter, so daß man gar nicht in der Lage ist, das in die Ebene zu zeichnen, wird das, wenn wir den Stoffwechselmenschen ins Auge fassen würden. Kurz, für eine Formbetrachtung, für eine Betrachtung der plastischen Form, stellen sich die drei Glieder der menschlichen Natur ganz verschieden vor. Der Kopf ist gleichsam eine Totalität, der Brustmensch ist keine Totalität, das ist ein Frag­ment; und gar erst der Stoffwechselmensch!

Nun, wodurch ist der menschliche Kopf, das menschliche Haupt, dieses in sich Abgeschlossene? Dieses in sich Abgeschlossene ist das menschliche Haupt dadurch, daß von allen Gliedern des Menschen dieses menschliche Haupt am meisten angepaßt ist der physischen Welt. So sonderbar Ihnen das scheinen mag, weil Sie ja gewohnt sind, das menschliche Haupt als das edelste Glied des Menschen zu betrachten,

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so richtig ist es doch, daß dieses menschliche Haupt am meisten angepaßt ist dem physischen Dasein. Das Haupt drückt am meisten vom physischen Dasein aus. So daß man sagen kann: Will man den physischen Leib in der Hauptsache charakterisieren, so muß man nach dem Kopfe hinschauen. In bezug auf den Kopf ist der Mensch am meisten physischer Leib. In bezug auf die Brustorgane, auf die Rhythmusorgane ist der Mensch am meisten Ätherleib; in bezug auf die Stoffwechselorgane ist der Mensch am meisten astra­lischer Leib. Und das Ich, das hat überhaupt noch nichts Deutliches in der physischen Welt ausgeprägt.

Hier sind wir bei einem Gesichtspunkte angelangt, der außer­ordentlich wichtig ist ins Auge zu fassen. Sie müssen sich diesen Gesichtspunkt so zurechtlegen, daß Sie sich sagen: Sehe ich das menschliche Haupt an, also das, was ich weiß gezeichnet habe (siehe Zeichnung Seite 72, helle Schraffur), so habe ich das Hauptsächlichste auch vom physischen Leib. Das Haupt bringt am meisten zum Aus­drucke, was im Menschen offenbar ist. Im Brustmenschen, da ist der Ätherleib mehr tätig. Im Kopf ist der Ätherleib am wenigsten tätig, in der Brust ist der Ätherleib viel mehr tätig. Daher ist physisch genommen der Brustteil des Menschen unvollkommener als der Kopf. Physisch genommen ist er unvollkommener. Und erst recht unvoll­kommen ist der Stoffwechselmensch, weil da wiederum der Ätherleib ganz wenig tätig ist und der astralische Leib am meisten tätig ist. Und wie ich oftmals betont habe: Das Ich ist ja noch das Baby, hat tioch kaum ein physisches Korrelat.

Also Sie sehen, man kann den Menschen auch so beschreiben, daß man sagt: Der Mensch besteht aus dem physischen Leib. Willst du dii die Frage beantworten: Was ist am ähnlichsten dem physischen Leib des Menschen? so lautet die Antwort: Die Kopfkugel. Der Mensch besteht aus dem Ätherleibe. Was ist am ähnlichsten dem Ätherleibe? Das Brustfragment. Der Mensch besteht aus astralischem Leib. Was ist am ähnlichsten dem astralischen Leib? Der Stoffwechselmensch. Für das Ich hat man kaum auf etwas hinzudeuten im physischen Menschen. So wird jedes der drei Glieder des Menschen, Kopf, Ner­ven-Sinnes-Mensch, der Brustmensch, der rhythmische Mensch und

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der Stoffwechselmensch zum Bilde für etwas Dahinterstehendes: der Kopf zum Bilde für den physischen Leib, die Brust zum Bilde für den Ätherleib, der Stoffwechsel zum Bilde für den astralischen Leib. Das wird man lernen müssen, nicht so zu betrachten, wie man heute den Menschen betrachtet, indem man den Leichnam in der Klinik unter­sucht, ein Stück als Gewebe oder so etwas betrachtet, gleichgültig ob es in der Brust oder im Kopfe ist. Man wird lernen müssen, sich zu sagen: Kopf-, Brust- und Stoffwechsel-Mensch stehen in verschiedenen Beziehungen zum Kosmos, drücken bildhaft verschiedenes Dahinter-stehendes aus. Das wird erweitern die heutige bloß anthropologische Betrachtungsweise ins Anthroposophische hinein. Rein physisch be-trachtet sind Brustorgane und Kopforgane gleichwertig. Ob Sie schließlich die Lunge sezieren oder das Gehirn sezieren, physisch genommen ist das eine wie das andere Materie. Geistig genommen ist dies keineswegs der Fall. Geistig genommen ist das so, daß, wenn Sie das Gehirn sezieren, Sie wirklich das ziemlich deutlich vor sich haben, was Sie sezieren. Wenn Sie die Brust sezieren, zum Beispiel die Lunge, da haben Sie das schon recht undeutlich vor sich, was Sie sezieren, denn da spielt der Ätherleib eine eminent wichtige Rolle darinnen, während der Mensch schläft.

Die Sache, die ich eben jetzt auseinandergesetzt habe, hat ihr geistiges Gegenbild. Derjenige, der etwas vorgeschritten ist durch Meditation, durch solche Übungen, wie Sie sie beschrieben finden in unserer Literatur, der kommt allmählich dazu, den Menschen wirklich dreizugliedern. Sie wissen, ich spreche von dieser Dreigliederung von einem gewissen Gesichtspunkte aus in dem Kapitel meines Buches «Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?», wo auf den Hüter der Schwelle hingedeutet wird. Aber man kann die Dreiglie­derung so auch vollziehen durch starke Konzentration auf sich selbst:

daß man nun wirklich Kopfmenschen (siehe Zeichnung, helle Schraffur), Brustmenschen (mittlere Schraffur), und Stoffwechsel-menschen (dunkle Schraffur) trennt. Dann merkt man, wodurch der Kopf dieser Kopf eigentlich ist, den wir haben. Sehen Sie, wenn Sie durch innere Konzentration den Kopf herausziehen mit seinem An-hange, herausziehen aus dem übrigen menschlichen Organismus und

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dann als wirklichen Kopf unbeeinflußt von den anderen Gliedern der Menschennatur vor sich haben, dann ist er tot, dann lebt er nicht mehr. Sie können heilseherisch unmöglich den Kopf abgliedern von dem übrigen menschlichen Organismus, ohne daß Sie ihn als Leich­nam wahrnehmen. Beim Brustmenschen können Sie das, der bleibt lebendig. Und wenn Sie den astralischen Leib abtrennen dadurch, daß Sie abtrennen den Stoffwechselmenschen, dann läuft er Ihnen davon, der astralische Mensch, dann bleibt er nicht an dem Orte, dann folgt er den kosmischen Bewegungen, denn er hat das Astralische in sich.

Und jetzt denken Sie sich einmal, Sie stehen vor einem Menschen-kinde, Sie schauen es mit solchen Erkenntnissen unbefangen und ver­nünftig an, wie ich sie eben auseinandergesetzt habe. Dann blicken Sie hin auf das menschliche Haupt: es trägt den Tod in sich; Sie blicken hin auf dasjenige, was das Haupt beeinflußt von der Brust aus:

es belebt alles. Sie blicken hin, wenn das Kind anfängt zu laufen, Sie merken: das ist der astralische Leib eigentlich, der da im Laufen drinnen tätig ist. Jetzt wird Ihnen die menschliche Wesenheit etwas innerlich Durchschaubares. Der Kopf - Leichnam; das sich aus­breitende Leben in dem Menschen stillstehend, wenn er ganz ruhig sein würde. Im Augenblick, wo er zu laufen beginnt, merken Sie sogleich: der astralische Leib ist es eigentlich, der läuft; und er kann laufen, weil dieser astralische Leib beim Laufen, beim Bewegen Stoffe verbraucht, der Stoffwechsel ist tatig in einer gewissen Weise. Das Ich, wie kann man das beobachten? Es ist eigentlich jetzt schon alles erschöpft. Wenn Sie verfolgen den Kopf-Leichnam, das Belebende des Brustmenschen, das Laufen, was bleibt noch übrig, um das Ich äußerlich anzuschauen? Ich sagte Ihnen, das Ich hat kaum ein phy­sisches Korrelat. Sie schauen das Ich nur an, wenn Sie den Menschen in seinem aufsteigenden Wachstum betrachten. Mit einem Jahr, da ist er ganz klein, mit zwei Jahren größer und so weiter. Wenn Sie ihn so größer und größer werden sehen, wenn Sie zusammenfügen das­jenige, was er in den aufeinanderfolgenden Zeiten ist, dann sehen Sie physisch das Ich an. Sie sehen das Ich niemals im Menschen, wenn Sie ihm nur gegenüberstehen, sondern das Ich sehen Sie erst dadurch, daß Sie den Menschen wachsen sehen. Würden sich die Menschen nicht

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Illusionen hingeben, sondern die Wirklichkeit sehen, dann würden sie sich klar sein darüber, daß sie in dem Menschen, der einem nur so einfach begegnet, physisch gar nicht das Ich so ohne weiteres wahr­nehmen, daß sie das Ich eigentlich nur wahrnehmen, wenn sie den Menschen in verschiedenen Lebensaltern betrachten. Wenn Sie aber einen Menschen später wiedersehen nach zwanzig Jahren, dann nehmen Sie sehr stark sein Ich wahr an der Veränderung, die mit ihm vorgegangen ist, insbesondere wenn Sie ihn vor zwanzig Jahren als Kind gesehen haben.

Nun bitte ich Sie, das, was ich gesagt habe, nicht theoretisch bloß zu durchdenken, sondern ich bitte, beleben Sie Ihre Vorstellungen und überlegen Sie sich, wenn Sie so den Menschen betrachten: Kopf -Leichnam, Brust - Belebung, Laufen des astralischen Leibes, Größer-werden durch das Ich - wie sich der ganze Mensch belebt, der vorher wie eine Wachspuppe vor Ihnen stand.

Was ist denn schließlich das, was man gewöhnlich mit seinen physischen Augen und auch mit seinem Verstande vom Menschen sieht? Eine Wachspuppe! und die belebt sich, wenn Sie das hinzufügen, was ich eben jetzt auseinandergesetzt habe!

Dazu brauchen Sie allerdings die Durchsetzung Ihrer Anschauung durch dasjenige, was Geisteswissenschaft in die Empfindungen, in die Gefühle, in das ganze Verhältnis des Menschen zur Welt hineingießen kann. Ein laufendes Kind verrät Ihnen den astralischen Leib. Und das, was in der Geste des Laufens liegt - jedes Kind läuft ja anders -, das kommt von der Konfiguration der verschiedenen astralischen Leiber her. Und dasjenige, was im Wachsen liegt, das prägt etwas vom Ich aus.

Sehen Sie, da wirkt das Karma sehr stark in den Menschen hinein. Nehmen wir ein Beispiel, das der Gegenwart nicht mehr naheliegt:

Fichte, Johann Gottlieb Fichte. Ich habe Ihnen von den verschie­densten Seiten Johann Gottlieb Fichte charakterisiert. Ich habe ihn Ihnen charakterisiert einmal als großen Philosophen, ich habe ihn Ihnen charakterisiert einmal als Bolschewisten, und so weiter, nicht wahr. Wollen wir ihn aber einmal noch von einem anderen Gesichts­punkte aus ins Auge fassen. Sie erinnern sich ja wohl, daß ich auch gezeigt habe, wie Johann Gottlieb Fichte durchaus unter die Bolschewisten

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gerechnet werden kann; nun wollen wir ihn von einem anderen Gesichtspunkte ins Auge fassen. Nehmen wir emmal an, wir stünden so auf der Straße und Fichte ginge vorüber, wir schauen ihm nach: ein nicht sehr großer Mann, stämmig. Was verrät die Art, wie er gewachsen ist? Zurückgehaltenes Wachstum. Stark aufsetzend die Füße, besonders stark die Fersen aufsetzend, so, wenn man ihm nach-schaut, geht er dahin. Das ganze Fichte-Ich ist dadrinnen. Keine Nuance dessen, was der Mann war, kann einem entgehen, wenn man ihn so anschaut mit dem durch etwas Hungern in der Jugend zurück­gehaltenen Wachstum, stämmig, den Körper zurückgehalten, stark die Fersen aufsetzend. Man hörte, wie er sprach, indem man ihn so von rückwärts bemerkte!

Sie sehen, in die Äußerlichkeiten des Lebens kann ein geistiges Element hineinkommen. Es kann allerdings nicht hineinkommen in die Äußerlichkeiten des Lebens, wenn nicht die Menschen etwas anderes, als heute noch in der Seelenverfassung ist, an Gesinnung in sich aufnehmen. Für die heutigen Menschen wäre ja das Anschauen ihrer Mitmenschen von diesem Gesichtspunkte aus eine recht böse Indiskretion. Man möchte es nicht sehr wünschen, daß das sich ver­breitete, denn die Menschen von heute sind ja zumeist so geartet durch den Materialismus, wie er sich immer mehr und mehr ausge­breitet hat, daß sie nur deshalb, weil es verboten ist, nicht Briefe auf-machen, die ihnen nicht gehören, sonst würden sie es nämlich tun. Aber bei einer solchen Menschengesinnung ist es nicht tunlich, daß mit den Menschen alles anders werde. Dennoch, die Erde hat mit der Mitte des 15. Jahrhunderts dasjenige erfüllt, was die Menschen auf andere Weise sich im Erdendasein nicht aneignen konnten, als da­durch, daß Mensch dem Menschen bis ins Physische hinein geistig entgegenkommt. Und je mehr wir der Zukunft entgegenwachsen, desto mehr müssen wir alles dasjenige, was sinnlich um uns herum ist, lernen geistig aufzufassen. Und angefangen muß das werden mit der pädagogischen Betätigung des Lehrers gegenüber dem heranwach­senden Kinde. Physiognomische Pädagogik: Wille, dieses größte Rätsel Mensch in jedem einzelnen Exemplar Mensch durch die Er­ziehung zu lösen!

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Nun können Sie fühlen, wie stark eigentlich in unserer Zeit das ist, was ich als Prüfung der Menschheit auseinandergesetzt habe. Eigentlich drängt dasjenige, was ich auseinandergesetzt habe, dahin:

immer mehr und mehr zu individualisieren, jeden Menschen als ein Wesen für sich zu betrachten. Das muß uns ja eigentlich als großes Ideal vorschweben: Keiner gleicht dem andern, jeder, jeder ist ein Wesen für sich. Würde die Erde an ihr Ziel kommen, ohne daß wir uns aneignen würden als Menschen, anzuerkennen jeden Menschen als ein Wesen für sich, die Menschheit würde auf der Erde nicht ihr Ziel erreichen. Aber wie weit sind wir heute von der Gesinnung entfernt, die nach diesem Ziele hinstrebt! Wir nivellieren ja heute die Menschen. Wir sehen die Menschen so an, daß wir sie gar nicht stark auf ihre individuellen Eigenschaften hin prüfen. Hermann Bahr, von dem ich Ihnen öfter erzählt habe, hat einmal in Berlin verraten, wie die Zeit-bildung dahin geht, gar nicht mehr zu individualisieren. Als Hermann Bahr in den neunziger Jahren eine Zeitlang in Berlin lebte und mit-machte das Berliner Gesellschaftsleben, hatte er natürlich an jedem Abend rechts eine Tischdame und links eine Tischdame neben sich, nicht wahr. Aber wenn er wiederum am nächsten Abend zwischen zwei Tischdamen saß, da konnte er höchstens aus der Einladungskarte entnehmen, daß das andere Damen waren: er schaute sie sich nämlich gar nicht so genau an, denn im Grunde genommen war die Dame von gestern und die Dame von heute ganz dasselbe. Was er von ihnen sah, war ganz dasselbe. Und die gesellschaftliche, namentlich industrielle Kultur, die macht auch äußerlich aus den Menschen gleiche, läßt die Individualitäten nicht herauskommen. Und so strebt man in der Gegenwart nach Nivellement, während das innerste Ziel des Men­schen sein muß, nach Individualisierung zu streben. Wir verdecken am meisten die Individualität in der Gegenwart und haben es am nötigsten, die Individualität aufzusuchen.

Beginnen, den inneren Seelenblick voll auf die Individualität hin­zulenken, das muß im Unterricht des Menschen kommen. In die Lehrerbildung muß die Gesinnung aufgenommen werden: Individu­alitäten in den Menschen zu finden. Das können wir nur dadurch, daß wir unsere Vorstellung vom Menschen so beleben, wie ich es dargestellt

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habe; daß wir uns wirklich bewußt werden: Es ist nicht ein Mechanismus, der sich vorwärtsbewegt, es ist der astralische Leib, der sich vorwärtsbewegt, und der den physischen Leib mitzieht. Und ver­gleichen Sie mit dem, was in Ihrer Seele entstehen kann als innerlich belebtes und sich bewegendes Bild des ganzen Menschen, vergleichen Sie damit das, was heute die gebräuchliche Wissenschaft gibt: den Homunkulus, einen richtigen Homunkulus! Die Wissenschaft sagt nichts vom Menschen, predigt nur den Homunkulus. Der wirkliche Mensch, das ist derjenige, der vor allen Dingen in die Pädagogik ein­ziehen muß. Aber er ist ganz heraußen aus der Pädagogik.

Also die Erziehungsfrage ist eine Lehrerbildungsfrage, und so lange sie nicht als das betrachtet wird, ist man nicht so weit, daß irgend Ersprießliches in der Erziehung geschehen kann. Sie sehen, alles gehört von den höheren Gesichtspunkten aus betrachtet so zusammen, daß man das eine wirklich an das andere anschließt. Heute möchte man am liebsten auch die menschlichen Tätigkeiten, innerlichen Tätigkeiten als Fächer nebeneinander ausbilden. Da lernt der Mensch Menschenkunde, dann Religion - die Dinge haben nicht viel mitein­ander zu tun. In Wahrheit grenzt, wie Sie gesehen haben, dasjenige, was man am Menschen betrachtet, an die Unsterblichkeitsfrage, an die Frage nach dem ewigen Wesen der Menschennatur. Und wir mußten die Frage nach dem ewigen Wesen der Menschennatur mit dem un­mittelbaren Anschauen des Menschen zusammenbringen. Dieses Bewegliche des seelischen Erlebens, das muß insbesondere in die Pädagogik hinein. Dann werden ganz andere innere Fähigkeiten entwickelt, als sie heute durch die Lehrerbildungsanstalten entwickelt werden. Und das ist von ganz besonderer Wichtigkeit.

Ich wollte Ihnen durch die heutige Betrachtung nahebringen, wie Geisteswissenschaft eigentlich alles durchdringen muß, und wie man ohne Geisteswissenschaft die großen sozialen Probleme der Gegen­wart nicht lösen kann.

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FÜNFTER VORTRAG Dornach, 16. August 1919

In die Betrachtungen, die wir jetzt pflegen, gehört ein immer weiteres Eingehen auf die Zeitgeschichte in dem Sinne, wie sich die Weltenkräfte einfügen in die Entwickelungsströmung der Gegenwart, und wie sie gestalten die Grundlagen unseres menschlichen Lebens. Sie haben ja aus den gestrigen Auseinandersetzungen gesehen, wie es immer notwendiger und notwendiger wird, die starren, abstrakten Begriffe, die der gegenwärtige Mensch gewohnt ist zu verwandeln in flüssige, bewegliche, lebendige Begriffe, wenn wir im Leben weiter­kommen wollen als Menschheit. Ein besonderes Licht wirft auf alle die in dieser Beziehung in Betracht kommenden Tatsachen die Be­trachtung desjenigen, was wir unter den menschlichen Seelenkräften die Intelligenz nennen. Sie wissen ja, der Mensch der Gegenwart ist auf seine Intelligenz ganz besonders stolz. Er betrachtet die Intelligenz gewissermaßen als dasjenige, das er sich im Laufe der Zeit als ein besonders Auszeichnendes errungen hat.

Wenn der Mensch der Gegenwart zurücksieht auf frühere Zeit­epochen, sieht, wie die Menschen in früheren Zeitepochen manches sich bildlich vorgestellt haben, wie sie dasjenige, was der Mensch der Gegenwart glaubt jetzt richtig zu erkennen durch seine Intelligenz, durch seine Wissenschaft, wie die Menschen früherer Entwickelungs­epochen das durch Mythen, Legenden und dergleichen zu durch­dringen versuchten, dann nennt der Mensch der Gegenwart diese frühere Geistes- und Seelenverfassung wohl kindlich. Er blickt dann zurück auf kindliche Stufen der Entwickelung und tut sich so recht etwas darauf zugute, wie er es weit gebracht hat, besonders in der Ausbildung der Intelligenz. Die heutige Auseinandersetzung möge einmal gerade der Eigentümlichkeit der menschlichen Intelligenz gewidmet sein, möge ins Auge fassen diese Seelenkraft, auf die der Mensch der Gegenwart ganz besonders stolz ist. Wenn man gegen­wärtig von Intelligenz spricht, dann hat man eben eine Seelenkraft im Auge, die man sich in einer bestimmten Weise vorstellt, und von

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der man nur denkt, daß sie so sein könne und sein müsse, wie man gewohnt worden ist, sie sich vorzustellen.

Nun, es haben Intelligenz, wenn auch Intelligenz von anderer Form, auch gehabt die Menschen früherer Entwickelungsepochen, und will man die Bedeutung der sogenannten Intelligenz für den Men­schen der Gegenwart voll kennenlernen, dann muß man schon die Frage aufwerfen: Wie sah die Intelligenz der Menschen früherer Entwickelungsepochen aus und wie hat sich diese Intelligenz der Menschheit von früheren Zeiten bis in unsere Zeiten herein allmählich verändert?

Wir wollen heute nicht weiter zurückgehen als bis zu derjenigen Zeit, die wir gewohnt worden sind, die dritte nachatlantische Zeit-periode zu nennen, die ägyptisch-chaldäische Zeit, auf die dann ge­folgt ist die griechisch-lateinische Zeit, und auf die wiederum gefolgt ist unsere Zeit. Wir wollen betrachten die besondere Eigentümlich­keit der Intelligenz bei den alten Ägyptern, Chaldäern, bei den Griechen und Römern und dann übergehen zu der Betrachtung der besonderen Art von Intelligenz, welche uns Menschen des fünften nachatlantischen Zeitraumes eigen ist. Sie sehen daraus, daß ich vor­aussetze, daß das nicht richtig ist - und es ist auch nicht richtig -, wenn man denkt, Intelligenz ist einmal Intelligenz, ist nur auf eine Art möglich; wer unsere Intelligenz hat, ist eben intelligent, wer unsere Intelligenz nicht hat, ist eben unintelligent. Das ist nicht richtig. Die Intelligenz geht Metamorphosen durch, die Intelligenz verwandelt sich. Sie war anders in der ägyptisch-chaldäischen Zeit, als sie bei uns ist. Die andersartige Intelligenz der ägyptisch-chaldäischen Zeit macht man sich am besten anschaulich, wenn man sich sagt, daß instinktiv durch seine Intelligenz der alte Ägypter, auch der alte Chaldäer die Verwandtschaft fühlte, die Verwandtschaft auffaßte, begriff, seiner eigenen menschlichen Wesenheit mit dem ganzen Kosmos.

Über dasjenige, worüber der heutige Mensch nachdenkt durch seine Intelligenz, dachten ja die ägyptisch-chaldäischen Menschen wenig oder gar nicht nach. Denn diese Art von Intelligenz hatten sie nicht. Wenn sie dachten, wenn sie ihre Intelligenz in Fluß brachten, dann lebte in dieser Intelligenz ihr Zusammenhang mit dem Kosmos.

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Der alte Ägypter, der alte Chaldäer wußte, wie er mit dem oder jenem Tierkreisbilde in Beziehung stand, er wußte, welchen Einfluß auf seine seelische, leibliche Beschaffenheit Mond, Sonne, die anderen Planeten haben. Er wußte, wie auf die menschliche Wesenheit wirkt die Aufeinanderfolge der Jahreszeiten. Das alles faßte er auf durch seine Intelligenz. Ein völlig inneres Bild bekam er von seiner Ver­wandtschaft mit dem Kosmos durch seine Intelligenz.

Diese Intelligenz verwandelte sich, als die ägyptisch-chaldäische Periode der Menschheit abgelaufen war im 8. Jahrhundert vor der Begründung des Christentums. Nach und nach wurde da die Intelli­genz etwas völlig anderes, als sie in der ägyptisch-chaldäischen Zeit war. In die Intelligenz kam nicht mehr herein vollständig, so wie es vor dem 8. vorchristlichen Jahrhundert der Fall war, das Begreifen des Zusammenhanges mit dem Kosmos. Man wußte noch von diesem Zusammenhang mit dem Kosmos, aber man wußte mehr wie in einer Art von Nachklang, wie in einer Art von Erinnerung an dasjenige, was man früher in dieser Beziehung gewußt hat; dafür aber kam her­ein in die griechische Intelligenz mehr ein Nachdenken des Menschen über sich selbst, wie er ist weniger in Beziehung auf den Kosmos, wie er ist mehr abgesehen vom Kosmos, als Erdenbewohner. Der Grieche hatte aber ein deutliches Gefühl davon, ein deutliches Empfinden davon, indem er gerade seine Intelligenz anwandte; er begriff alles dasjenige von der irdischen Welt durch diese Intelligenz, was dem Tode unterliegt.

Dieses Gefühl ist wiederum verlorengegangen mit der Entwicke­lung der Intelligenz seit der Mitte des 15. Jahrhunderts, seit dem fünften nachatlantischen Zeitraum. Der Grieche wußte, wenn er Übersinnliches verstehen wollte, da mußte er sich wenden an das Schauen, das mehr oder weniger atavistisch insbesondere in der vor-christlichen Zeit noch vorhanden war. Durch das Nachdenken, durch die Intelligenz wußte er, lernte er nur kennen diejenigen Gesetz­mäßigkeiten, diejenigen Regeln, welche zugrunde liegen all dem, was auf der Erde dem Tode unterliegt, was stirbt. Will ich das Lebendige verstehen, muß ich schauen - so sagten sich die Plato-Schüler; indem ich nur nachdenke, begreife ich bloß das Tote.

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Und in den griechischen Geheimschulen wurde über diesen Zu­sammenhang etwas ganz Bestimmtes auseinandergesetzt. Es wurde ungefähr das Folgende in den griechischen Geheimschulen über diesen Tatbestand auseinandergesetzt. Es wurde den Geheimschülern gesagt:

Alles ist geistig, auch das scheinbar Materielle hat geistige Vorgänge, geistige Gesetzmäßigkeiten zugrunde liegend. Dasjenige, was euch erscheint als Irdisch-Materielles, ist im Grunde genommen auch von geistigen Gesetzen beherrscht. Aber es gibt geistige Gesetze, denen gehört ihr insoweit an, als ihr leiblich seid. Insoferne als ihr leiblich seid und durch die Pforte des Todes tretet, wird euer Leib den mate­riellen Mächten und materiellen Kräften und Stoffen der Erde über. liefert. Aber diese materiellen Kräfte und Stoffe der Erde sind nur scheinbar materiell. Auch sie sind geistig, aber sie sind von demjenigen Geistigen durchdrungen, das euch als der Tod erscheint. Begreift ihr durch eure Intelligenz irgendwelche Gesetze, so sind es die Gesetze des Toten. Es sind die Gesetze desjenigen, welches die Gräber ent­halten, welche die Leichname aufnehmen. - Das wurde Überzeugung vieler griechischer Geheimschüler, daß die Intelligenz der Menschen nur begreifen kann dasjenige, was die Gräber aufnehmen, welche die Leichname in sich einschließen. Wollt ihr wissen - so sagte der Geheimlehrer zu den Geheimschülern -, in welchem Geistigen ihr lebt, wenn ihr hier auf der Erde lebt, oder wenn ihr mit eurer Seele leib-frei seid zwischen dem Tod und einer neuen Geburt, dann müßt ihr das Geschaute als eure Überzeugung aufnehmen. Nehmt ihr nicht das Geschaute als eure Überzeugung auf, entwickelt ihr durch eure In­telligenz Begriffe und Ideen, so begreift ihr nur dasjenige, was Geist ist der Materie, die eure Leiber aufnimmt.

Während der ägyptisch-chaldäische Mensch in seiner Intelligenz empfand und wahrnahm seine Verwandtschaft mit dem ganzen Kos­mos, nahm der griechische Mensch wahr durch seine Intelligenz das­jenige, was Grabstätten beherrscht. Auch wir nehmen durch unsere Intelligenz nur dasjenige wahr, was Grabstätten beherrscht, nur sind wir uns dessen nicht bewußt. Wir gehen deshalb - diejenigen, die das lernen sollen - in die Seziersäle, untersuchen den Leichnam und halten die Gesetzmäßigkeit des Leichnams, die wir durch unsere Intelligenz

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begreifen, für die Gesetzmäßigkeit des Menschen. Es ist aber nur die Gesetzmäßigkeit des Grabes; und dasjenige, was die Intelligenz begreift, ist die Gesetzmäßigkeit des Grabes.

Aber wiederum mit dem Übergange durch die Mitte des 15. Jahr­hunderts verändert sich neuerdings die Intelligenz, und wir stehen im Anfange dieser Veränderung, dieser Umwandlung der Intelligenz. Unsere Intelligenz geht einen gewissen Weg; heute sind wir noch sehr stark in einer solchen Entwickelung der Intelligenz darinnen, wie sie die Griechen hatten. Wir begreifen durch unsere Intelligenz dasjenige, was dem Tode unterliegt. Aber auch diese Art von Intelligenz, die das Tote begreift, verwandelt sich. Und in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden wird diese Intelligenz etwas anderes, etwas weit weit anderes werden. Sie hat heute schon eine gewisse Anlage, unsere Intelligenz. Wir werden als Menschheit einlaufen in eine Entwickelung der Intelligenz so, daß die Intelligenz wird die Neigung haben, nur das Falsche, den Irrtum, die Täuschung zu begreifen, und auszudenken nur das Böse.

Das wußten ja die Geheimschüler und wußten namentlich die Ein­geweihten seit einer gewissen Zeit, daß die menschliche Intelligenz entgegengeht ihrer Entwickelung nach dem Bösen hin, daß es immer mehr und mehr unmöglich wird, durch die bloße Intelligenz das Gute zu erkennen. Die Menschheit ist heute in diesem Übergange. Wir können sagen: Gerade noch gelingt es den Menschen, wenn sie ihre Intelligenz anstrengen und nicht in sich ganz besonders wilde In­stinkte tragen, nach dem Lichte des Guten etwas hinzuschauen. Aber diese menschliche Intelligenz wird immer mehr und mehr die Neigung bekommen, das Böse auszudenken und das Böse dem Menschen ein­zufügen im Moralischen, das Böse in der Erkenntnis, den Irrtum.

Das war mit einer der Gründe, warum die Eingeweihten sich die Männer der Sorge nannten, weil in der Tat, wenn man in dieser Ein­seitigkeit, wie ich es jetzt auseinandergesetzt habe, die Entwickelung der Menschheit betrachtet, so macht sie Sorge; Sorge gerade wegen der Entwickelung der Intelligenz. Es ist schließlich gar nicht umsonst, daß die Intelligenz dem gegenwärtigen Menschen so viel Stolz und Hochmut einflößen kann. Das ist, möchte ich sagen, der Vorgeschmack

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für das Böse-Werden der Intelligenz im fünften nachatlantischen Zeit­raum, an dessen Anfang wir stehen. Und würde der Mensch nichts anderes ausbilden als seine Intelligenz, dann würde er auf der Erde ein böses Wesen werden. Wir dürfen nicht rechnen, wenn wir mit der Zukunft der Menschheit rechnen und diese Zukunft uns als heilsam denken wollen, wir dürfen nicht rechnen auf die einseitige Ausbildung der Intelligenz. Diese Intelligenz war noch in der ägyptisch-chal­däischen Zeit etwas Gutes, diese Intelligenz ist dann dasjenige geworden, was seine Verwandtschaft eingegangen hat mit den Kräften des Todes. Diese Intelligenz wird eine Verwandtschaft eingehen mit den Kräften des Irrtums, der Täuschung und des Bösen.

Das ist etwas, worüber sich die Menschheit eigentlich keiner Illusion hingeben sollte. Die Menschheit sollte unbefangen damit rechnen, daß sie sich zu schützen hat gegen die einseitige Entwickelung der Intelligenz. Und nicht umsonst wird gerade durch anthroposo­phisch orientierte Geisteswissenschaft ein anderes hinzukommen, hin­zukommen die Aufnahme desjenigen, was durch ein erneuertes Schauen aus der geistigen Welt heraus gewonnen werden kann, was nicht durch Intelligenz begriffen werden kann, sondern nur begriffen werden kann, wenn man eingeht auf dasjenige, was die Wissenschaft der Einweihung holt aus den geistigen Welten heraus durch Schauung.

Aber ein Objektives ist dazu notwendig. Und hier tritt man vor ein tiefes Geheimnis gerade der christlich-esoterischen Entwickelung. Wäre das Mysterium von Golgatha nicht im Laufe der Erdenentwicke­lung geschehen, dann wäre es unvermeidlich, daß die Menschen nach und nach durch ihre Intelligenz böse und in den Irrtum verfallende Wesen werden müßten. Sie wissen ja, mit dem Mysterium von Gol­gatha ist nicht nur eine Lehre, eine Theorie, eine Weltanschauung, eine Religion in die Entwickelung der Menschheit eingeflossen, sondern mit dem Mysterium von Golgatha ist etwas Tatsächliches geschehen. In dem Menschen Jesus von Nazareth hat gewohnt das außerirdische Wesen, der Christus. Dadurch, daß der Christus in dem Jesus von Nazareth gewohnt hat, der Jesus von Nazareth gestorben ist, ist das Christus-Wesen übergegangen in die irdische Entwickelung, da ist das Christus -Wesen darinnen. Wir müssen uns nur bewußt sein, daß

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das eine objektive Tatsache ist, daß das eine Tatsache ist, die mit dem, was wir subjektiv erkennen, was wir subjektiv empfinden, als solches nichts zu tun hat. Wir müssen es erkennen um unseres Erkennens willen. Wir müssen es aufnehmen in unser Ethos, um dieses unseres Ethos willen. Aber der Christus ist ausgeflossen in die Menschheits­entwickelung, da ist er seitdem darinnen - was man die Auferstehung nennt - und er ist vor allen Dingen in unseren eigenen Seelenkräften. Fassen Sie nur einmal diese Tatsache in ihrer ganzen Tiefe auf!

Blicken Sie hin auf den Unterschied des Menschen, der gelebt hat vor dem Mysterium von Golgatha, und des Menschen, der lebt nach dem Mysterium von Golgatha. Gewiß, es sind immer dieselben Men­schen, denn die Seelen gehen ja durch die wiederholten Erdenleben. Aber indem wir den Menschen als Erdenmenschen betrachten, müssen wir diesen Unterschied machen zwischen dem Menschen, der vor dem Mysterium von Golgatha gelebt hat, und dem Menschen, der nach dem Mysterium von Golgatha lebt.

Sehen Sie, wenn man zu einem allgemeinen Gottes-Begriffe kommt, so ist dieser allgemeine Gottes-Begriff nicht der Christus-Begriff. Den allgemeinen Gottes-Begriff kann man bekommen, wenn man die Natur in ihren Erscheinungen verfolgt, wenn man das menschliche physische Wesen, so weit es äußerlich zu betrachten ist, verfolgt. Die Christus -Wesenheit ist so, daß man ihr nur nahekommt, wenn man im Lauf des irdischen Lebens etwas in sich selber entdeckt. Den allgemei­nen Gottes-Begriff kann man finden, indem man einfach sich sagt, man ist aus den Kräften der Welt zum Dasein gekommen. Den Christus-Begriff muß man finden in sich, indem man weiter kommt, als die Natur einen kommen läßt. Findet man, wenn man in der Welt lebt, nicht den Gottes-Begriff, dann ist dieses Nichtfinden des Gottes-Begriffes eine Art von Krankheit. Ein gesunder Mensch ist niemals wirklich atheistisch. Man muß in irgendeiner Weise leiblich oder seelisch krank sein. Diese Krankheit äußert sich oftmals eben durch nichts anderes, als daß man Atheist ist.

Christus nicht zu erkennen, ist nicht eine Krankheit, sondern ein Unglück, ist ein Versäumnis des Lebens. Dadurch, daß man sich besinnt auf das Geborenwerden aus der Natur und ihren Kräften

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heraus, kann man, wenn man mit gesunder Seele dieses Geborenwerden verfolgt, zum Gottes-Begriff kommen. Dadurch, daß man im Laufe des Lebens etwas erlebt wie eine Wiedergeburt, kann man zum Chri­stus-Begriff kommen. Die Geburt führt zu Gott, die Wiedergeburt zu Christus. Zu dieser Wiedergeburt, durch welche der Christus als Wesenheit im Menschen gefunden werden kann, konnte der Mensch vor dem Mysterium von Golgatha nicht kommen. Und das ist der Unterschied, auf den ich Sie bitte Ihr Augenmerk zu richten: daß der Mensch vor dem Mysterium von Golgatha, weil der Christus noch nicht ausgeflossen war mit seiner Wesenheit in die Menschheit, nicht zu dieser Wiedergeburt kommen konnte, nicht erkennen konnte, daß in ihm der Christus lebt. Nach dem Mysterium von Golgatha kann das der Mensch. Er kann den Funken des Christus in sich selber finden, wenn er sich anstrengt durch sein Leben.

Und in dieser Wiedergeburt, in diesem Finden des Christus­Funkens in sich, in diesem aufrichtigen und ehrlichen Sich-sagen­Können: «Nicht ich, sondern der Christus in mir», liegt die Möglich­keit, den Intellekt nicht in Täuschung und in das Böse verfallen zu lassen. Und das ist im esoterisch-christlichen Sinne der höhere Begriff der Erlösung. Wir müssen unsere Intelligenz ausbilden, denn wir können ja nicht unintelligent werden; aber wir stehen, indem wir anstreben unsere Intelligenz auszubilden, vor der Versuchung, dem Irrtum und dem Bösen zu verfallen. Wir können der Versuchung, dem Irrtum und dem Bösen zu verfallen, nur entgehen, wenn wir uns aneignen die Empfindung von dem, was das Mysterium von Golgatha in die Menschheitsentwickelung hineingebracht hat.

Es ist schon so, daß der Mensch in dem Christus-Bewußtsein, in dem Vereinigtsein mit dem Christus findet die Möglichkeit, dem Bösen, dem Irrtum zu entrinnen. Der ägyptisch-chaldäische Mensch brauchte die Wiedergeburt in Christo nicht, weil er noch die Ver­wandtschaft mit dem Kosmos durch seine naturgemäße Intelligenz fühlte. Der Grieche hatte im Grunde genommen den Ernst des Todes vor sich, wenn er seiner Intelligenz sich hingab. Jetzt lebt die Mensch­heit im Beginne eines Zeitalters, wo die Intelligenz böse werden würde, wenn die menschliche Seelenwesenheit sich nicht mit der

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Christus-Kraft durchdringen würde. Denken Sie einmal, das ist eine sehr ernste Sache. Das bezeugt, wie man nehmen muß gewisse Dinge, . die sich in unserer Zeit ankündigen, wie man daran denken muß, daß in unserer Zeit die Menschen die Anlage bekommen zum Bösen, gerade weil sie einer höheren Ausbildung ihrer Intelligenz entgegen­gehen. Es wäre natürlich eine völlig falsche Spekulation, zu glauben, daß man etwa die Intelligenz unterdrücken soll. Die Intelligenz darf nicht unterdrückt werden, aber es gehört für den Einsichtigen in der Zukunft ein gewisser Mut dazu, der Intelligenz sich hinzugeben, weil die Intelligenz die Versuchung bringt zum Bösen und zum Irrtum, und weil wir in der Durchdringung der Intelligenz mit dem Christus-Prinzip finden müssen die Möglichkeit, diese Intelligenz umzuwan­deln. Ganz und gar ahrimanisch würde die Intelligenz der Menschen, wenn das Christus -Prinzip die Seelen der Menschen nicht durch-dränge.

Sie wissen ja, wie vieles da ist, in der Entwickelung der Mensch­heit ersichtlich ist, besonders in der Gegenwart, von dem, was für den Einsichtsvollen schon zeigt, daß die Dinge sich so ankündigen, wie ich sie eben charakterisiert habe. Man denke nur, was das dritte von den Entwickelungsgliedern, die durch den Materialismus der Mensch­heit drohen, über die Menschen heute schon bringt. Sehen Sie, wenn Sie bedenken, mit wie viel Grausamkeiten die heutige Kulturent­wickelung durchsetzt ist, die sich kaum vergleichen lassen mit den Grausamkeiten barbarischer Zeitalter, dann werden Sie kaum zweifeln können, daß sich die Morgenröte für den Abstieg der Intelligenz deutlich ankündigt. Man sollte nicht in oberflächlicher Weise die sogenannten Kulturerscheinungen unseres Zeitalters betrachten, man sollte wahrhaftig nicht daran zweifeln, daß die Menschen der Gegen­wart sich aufraffen müssen zu einem wirklichen Erfassen des Christus-Impulses, wenn sie einer heilsamen Entwickelung entgegengehen wollen. Es ist zweierlei heute schon stark zu bemerken: Menschen, die sehr intelligent sind, und die einen deutlichen Hang zum Bösen haben; und es ist auf der anderen Seite zu bemerken, wie viele Men­schen unbewußt diesen Hang zum Bösen dadurch unterdrücken, nicht bekämpfen, daß sie ihre Intelligenz schlafen lassen. Schläfrigkeit der

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Seele, oder aber bei wachen Seelen ein starker Hang zum Bösen und zum Irrtum, das ist in der Gegenwart durchaus zu bemerken.

Und nun ermnern Sie sich einmal, wie ich vor meiner letzten Abreise an einem Abend hier auseinandersetzte, wie anders die Kinder seit fünf bis sechs bis sieben, acht Jahren geboren werden heute, mit einem, man möchte sagen, melancholischen Anflug über den Ge­sichtern, der deutlich zu bemerken ist für denjenigen, der so etwas bemerken kann. Und ich habe gesagt: Das rührt davon her, daß die Seelen heute nicht gern heruntergehen in die von Materialismus erfüllte Welt. Man könnte sagen: Die Seelen haben vor ihrer Geburt eine gewisse Furcht und Angst in die Welt einzutreten, in der die Intelligenz den Hang, die Neigung zum Bösen hat und in absteigender Entwickelung begriffen ist.

Das ist auch etwas, wovon ein Bewußtsein entwickelt werden muß bei denjenigen Menschen, die für die Menschenzukunft Erzieher und Unterrichter werden. Die Kinder sind heute anders, als sie waren vor Jahrzehnten. Das ergibt sich schon einer oberflächlichen Betrach­tung sehr deutlich. Man muß sie anders erziehen und anders unterrichten, als man sie vor Jahrzehnten unterrichtet hat. Man muß mit dem Bewußtsein unterrichten, daß man eigentlich bei jedem Kinde eine Rettung zu vollziehen hat, daß man jedes Kind dahin bringen muß, im Lauf des Lebens den Christus-Impuls in sich zu finden, eine Wieder­geburt in sich zu finden.

Solche Dinge, sie lebt man da, wo man sie zum Beispiel nötig hat als Lehrer, als Erzieher, nicht aus, wenn man sie einfach nur theo­retisch kennt; sie lebt man nur aus, man führt sie nur ein in die Erziehung, in das Unterrichten, wenn man in der Seele stark erfaßt ist von diesen Dingen. Von der Lehrerschaft insbesondere muß es gefordert werden, daß sie in ihrer Seele stark erfaßt wird von diesem Sorgenvollen für die Menschheit, welche Versuchung der Intellekt mit sich bringt! Der Stolz, den die gegenwärtige Menschheit auf den Intellekt entwickelt, dieser Stolz, er könnte sich schwer rächen an der Menschheit, wenn er nicht durch dasjenige abgelähmt würde, was ich eben auseinandergesetzt habe, wenn er nicht abgelähmt würde durch ein starkes, energisches Bewußtsein: das Beste in mir als Mensch dieser

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und der folgenden Inkarnationen ist, was ich in mir als den Christus­Impuls finde.

Nun muß man sich klar sein darüber, daß dieser Christus-Impuls nicht sein darf die Dogmatik irgendeiner Religionsgemeinschaft. Die Religionsgemeinschaften haben seit der Mitte des 15. Jahrhunderts in ihrer Entwickelung mehr beigetragen, den Christus-Impuls von der Menschheit zu entfernen, als ihn der Menschheit nahe zu bringen. Die Religionsgemeinschaften machen den Menschen allerlei vor; aber indem sie ihnen dies oder jenes vormachen, bringen sie sie dem Christus-Impuls nicht nahe. Notwendig ist, daß der Mensch fühlt, daß alles dasjenige, was sich ihm eröffnen und offenbaren kann in seinem Innern nach dem Mysterium von Golgatha hin, zusammen­hängt mit dem, was für die Erde durch das Mysterium von Golgatha geworden ist. Empfindet man den Sinn der Erde in dem Mysterium von Golgatha, kann man sich aufraffen dazu, sich zu sagen: Die Entwickelung der Erde wäre sinnlos, wenn die Menschen durch ihre Intelligenz dem Bösen, dem Irrtum verfallen würden. Empfindet man so den Sinn des Mysteriums von Golgatha, dann empfindet man als sinnlos die Erdenentwickelung ohne das Mysterium von Golgatha.

Damit muß man sich stark, sehr stark durchdringen, wenn man heute und in der Zukunft etwas tun will, um den Menschen zu er­ziehen, den Menschen zu unterrichten. Diese großen Gesichtspunkte müssen eingenommen werden. Aber Sie wissen auch, wie weit die Menschen der Gegenwart entfernt sind davon, diese großen Gesichts­punkte einzunehmen; daher ist nichts notwendiger, als immer wieder und wiederum nicht nur zu verweisen auf die Wichtigkeit geistes-wissenschaftlicher Lehre, sondern zu verweisen auf den Ernst, der sich unserer Seele bemächtigen soll dadurch, daß wir die entsprechen­den Tatsachen iii der Entwickelung der Menschheit durch die Geistes­wissenschaft kennenlernen. Denn nicht allein unser Wissen, unser ganzes Leben soll einen Impuls bekommen durch dasjenige, was Geisteswissenschaft ist; ohne daß man diesen Ernst fühlt, ist man nicht wirklicher Geisteswissenschafter.

Und ich bitte Sie, auf diese besondere Offenbarung aus geistes-wissenschaftlichen Unterlagen heraus gründlich zu achten: daß die

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menschliche Intelligenz, sich selbst überlassen, der Bahn des Ahri­manischen entgegenwandelt, daß sie stark für das Gute nur werden kann durch die Aufnahme des wahren Christus-Impulses. Ich glaube, daß wer den vollen Ernst dieser Wahrheit in sich aufnimmt, auch diesen Ernst hineintragen wird in das Verhältnis, das er in sich aus­bildet zu den verschiedenen Weltanschauungen und Weltanschauungs­strömungen der Gegenwart. Denn da ist viel, sehr viel zu tun.

Nicht wahr: Leute, die jetzt von verschiedenen Gegenden des Ostens von Europa kommen, erzählen zu ihrem besonderen Entsetzen von einer Tatsache, die nicht gerade für das Fortgeschrittensein auf dem Wege nach einer besonderen Zivilisation zeugt. Das, was ich meine, ist das Vorhandensein, das Erstehen der sogenannten «Flinten­weiber». Es ist das eine besondere Klasse von Menschen, die sich im Osten von Europa ausbilden, Frauen der europäischen Bevölkerung des Ostens, die verwendet werden in den gegenwärtigen revolutionären Bewegungen, wo ja immer derjenige, der nicht gerade der regierenden Partei angehört, in den Kerker oder ins Gefängnis überliefert wird, oder getötet wird nach einiger Zeit - wo der eben immer in Lebens­gefahr ist. Ausersehen in gewissen Gegenden des Ostens sind dazu besonders jüngere Frauen, die ausgerüstet werden mit den vom Kriege übriggebliebenen Flinten, und die das Amt haben, die Leute zu erschießen, die gerade die Gegner der nach oben gekommenen Regie­rung sind. Diese Flintenweiber sind angetan mit den gestohlenen Gewändern, in Putz und Tand, und haben ihre Freude daran, die Flinte zu tragen und die Leute zu erschießen und finden es mit der gegenwärtigen Menschlichkeit vereinbar, damit zu renommieren, wie sie sich aneignen, allmählich aneignen eine feine Empfindung dafür, wie das Blut von jungen Menschen spritzt, wie das Blut von älteren Menschen aussieht. Nicht wahr, wir sind schon angekommen bei ganz besonderen Gestaltungen unserer gegenwärtigen Zivilisation! Und das Institut der Flintenweiber ist ja immerhin eine Errungenschaft der Gegenwart.

Man muß auf solche Erscheinungen hinweisen. Sie sind da, um gewissermaßen die Reverse, die andere Seite des Ernstes unserer Zeit ins Auge zu fassen. Gewiß, man braucht nicht diese abscheulichen

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Auswüchse unserer sogenannten fortgeschrittenen Kultur zu kennen, um diesen Ernst, dem man sich hingeben soll in der Gegenwart, wirk­lich zu empfinden. Aus der Erkenntnis der Entwickelung der Mensch­heit selber soll uns dieser Ernst aufgehen. Man möchte wünschen, daß der Schlaf, der allmählich ergriffen hat die Menschheit der Gegen­wart, in eine Erweckung hineingeht. Diese würdigste Erweckung, die kann nur sein das Ergriffenwerden von dem Ernst der Aufgabe, die obliegt den Menschen der Gegenwart, und der Hinweis auf die Gefahren des einseitig sich selbst überlassenen, ins Ahrimanische hineinsteuernden Intellektes. Das soll der Impuls sein, der uns durch-tränkt mit diesem Ernste.

SECHSTER VORTRAG Dornach, 17. August 1919

#G296-1997-SE098 Erziehungsfrage als soziale Frage

#TI

SECHSTER VORTRAG

Dornach, 17. August 1919

#TX

Wenn ich Ihnen gestern ausgeführt habe, welches der Weg des menschlichen Intellektes, der menschlichen Intelligenz gegen die Zu­kunft hin sein wird, so beruht diese Auseinandersetzung auf ganz bestimmten Tatsachen, welche durch geisteswissenschaftliche Erkennt­nis an den Tag gefördert werden können, und von denen wir heute einige anführen wollen. Sie müssen sich, ich möchte sagen, praktisch bewußt sein: Wenn der Mensch vor Ihnen steht, so ist dieser Mensch eben durchaus dasjenige Wesen, von dem wir in der anthroposophi­schen Geisteswissenschaft sprechen. Das heißt, wir haben zunächst -Sie kennen ja diese Dinge aus meiner «Theosophie» -, dessen müssen Sie sich immer bewußt sein, ein viergliedriges Wesen vor uns. Wir haben vor uns das Ich, den sogenannten astralischen Leib, den Atherleib und den physischen Leib. Der Umstand, daß wir diese vier Glieder der menschlichen Wesenheit jedes Mal vor uns haben, wenn sozusagen der Mensch vor uns steht, das bewirkt, daß für das gewöhnliche heutige menschliche Anschauen man eigentlich nicht weiß, was man mit dem Menschen vor sich hat. Man weiß es eigentlich wirklich nicht. Man denkt: das, was man vor sich stehen sieht, den Raum erfüllend, das sei der physische Leib. Allein, was da dran physisch ist, das würde man nicht so sehen, wie man es sieht mit gewöhnlichen Augen, wenn es eben nur als physischer Leib vor uns stünde. Wir sehen dasjenige mit gewöhnlichen Augen, was als physischer Leib vor uns steht, so wie es ist, nur deshalb, weil es durchdrungen ist von Atherleib, astralischem Leib und Ich. Dasjenige, was physischer Leib ist, das ist, so sonderbar das klingen mag, auch so lange wir leben zwischen der Geburt und dem Tode, Leichnam. Und eigentlich, wenn wir einen menschlichen Leichnam vor uns haben, so haben wir in Wahrheit den physischen Leib des Menschen vor uns. Wenn Sie den Leichnam sehen, dann haben Sie den physischen Menschen, ohne daß er durchdrungen ist von Atherleib, astralischem Leib und Ich. Er ist von diesen verlassen und zeigt gewissermaßen seine wahre Wesenheit.

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Sie stellen sich selber daher nicht richtig vor, wenn Sie das, was Sie vermeinen als den physischen Leib des Menschen aufzufassen, glauben mit sich durch den Raum herumzutragen; Sie würden viel richtiger sich selber vorstellen, wenn Sie sich als Leichnam dächten und sich so begreifen würden, daß Ihr Ich, Ihr astralischer Leib, Ihr Ätherleib diesen Leichnam durch den Raum trägt.

Dieses Bewußtsein von der wahren Natur der menschlichen Wesen­heit wird für unsere Zeit immer wichtiger und wichtiger. Denn sehen Sie, so wie das heute ist im gegenwärtigen Entwickelungszyklus der Menschheit, und schon lange her, so war es nicht immer. Natürlich kann man diese Dinge, die ich jetzt erzähle, nicht durch die äußere physische Wissenschaft konstatieren, aber geisteswissenschaftliche Erkenntnis liefert eben diese Tatsache. Wenn man zurückgeht hinter das achte vorchristliche Jahrhundert, mit dem, wie Sie wissen, der vierte nachatlantische Zeitraum beginnt, dann würde man kommen, wie Sie wiederum wissen, in die ägyptisch-chaldäische Erdenperiode. Ja, da waren die menschlichen Leiber anders beschaffen, als sie heute beschaffen sind. Das, was menschliche Leiber waren, die Ihnen jetzt in den Museen als Mumien gezeigt werden, die waren in ihrer feineren Beschaffenheit wirklich nicht so beschaffen, wie der heutige mensch­liche Leib ist. Sie waren viel mehr durchsetzt von Pflanzlichkeit, sie waren nicht so vollständig Leichnam wie der heutige menschliche Leib Leichnam ist. Sie waren gewissermaßen als physischer Leib ähnlicher der Pflanzennatur, während der heutige physische Leib des Menschen

- und schon seit der griechisch-lateinischen Zeit - ähnlicher ist der mineralischen Welt. Würden wir heute durch irgendein kosmisches Wunder dieselben Leiber bekommen, welche die ägyptisch-chaldäische Bevölkerung hatte, so würden wir alle krank sein. Das würde für uns eine Krankheit bedeuten. Wir würden wuchernde Gewebe im Leibe mit herumtragen. Und manche Krankheit besteht einfach darinnen, daß der menschliche Leib atavistisch teilweise zurückgeht in Zustände, welche die normalen waren während der ägyptisch­chaldäischen Zeit. Es gibt heute geschwürige Bildungen des mensch­lichen Leibes, welche einfach davon herrühren, daß ein Stück eines Leibes bei dem oder jenem Menschen die Neigung bekommt, so zu

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werden, wie der ganze Leib bei der ägyptisch-chaldäischen Bevölke­rung war.

Nun hängt das, was ich eben gesagt habe, mit der Entwickelung der Menschheit ganz wesentlich zusammen. Wir tragen also als gegen­wärtige Menschen einen Leichnam herum. Der Ägypter noch nicht; der Agypter trug etwas Pflanzenartiges mit sich herum. Davon war eben die Folge, daß seine Erkenntnis eine andere war als unsere Erkenntnis, seine Intelligenz anders wirkte als unsere Intelligenz wirkt. Bedenken Sie jetzt ganz genau: Was eigentlich erkennt denn der Mensch mit dem, was er heute seine Wissenschaft nennt, und worauf er so ungeheuer stolz ist? Nur das Tote! Es wird ja immer in der Wissenschaft betont: Das Leben wird mit der gewöhnlichen Intelligenz nicht begriffen. Zwar glauben diese und jene Forscher, wenn sie chemisch immer weiter und weiter experimentieren, dann werde ein­mal der Zustand eintreten, daß man durch komplizierte Kombina­tionen der Atome, Moleküle und deren Wechselkräfte das Wechsel­spiel des Lebens kennenlernen werde. Dieser Zustand wird niemals eintreten. Man wird auf chemisch-physischem Wege nur das mine­ralisch Tote begreifen, das heißt, man wird so viel begreifen an dem Lebendigen, als an dem Lebendigen heute Leichnam ist.

Aber was im Menschen intelligent ist und erkennt, das ist trotz­dem dieser physische Leib, das heißt der Leichnam. Was tut denn eigentlich dieser Leichnam, den wir mit uns herumtragen? Er bringt es am weitesten in der mathematischen, geometrischen Erkenntnis. Da ist alles durchsichtig; dann wird es immer undurchsichtiger, je weiter man sich vom Mathematisch-Geometrischen entfernt. Das rührt davon her, daß der menschliche Leichnam der wirkliche Er-kenner für uns heute ist, und daß das Tote nur das Tote erkennen kann. Was Atherleib ist, was astralischer Leib ist, was Ich ist, das erkennt heute im Menschen nicht, das bleibt sozusagen im Dunkel stehen. Würde der Atherleib ebenso erkennen können, wie der phy­sische Leib das Tote erkennt, so würde der Atherleib das Lebende der Pflanzenwelt zunächst erkennen. Das war aber das eigentümliche, daß im pflanzlich-lebendigen Leib der Agypter diese Agypter die Pflanzenwelt in einer ganz anderen Weise erkannten als der gegenwärtige

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Mensch. Und manche instinktive Erkenntnis aus derPflanzen-welt, sie ist noch zurückzuführen auf die ägyptische Einsicht in das­jenige, was aus einem instinktiven Erkenntnisbewußtsein heraus der ägyptischen Kultur einverleibt worden ist. Selbst dasjenige, was heute in der Botanik für die Medizin gewußt wird, beruht vielfach noch auf Traditionen der alten ägyptischen Weisheit. Deshalb kommt es so oft dem Laienurteile dilettantisch vor, daß man sich gar zu gerne beruft auf irgendwelches Agyptische, wenn man eine ja nicht sehr wertvolle Erkenntnis heute den Menschen vermitteln will. Sie wissen ja, wie sich manche gar nicht auf richtigem Fundamente ruhende sogenannte Logen «ägyptische Logen» nennen. Das rührt aber nur davon her, weil in diesen Kreisen noch Traditionen leben von der Weisheit, die durch den ägyptischen Leib zu erlangen war. Sehen Sie, man kann sagen: Mit dem allmählichen Eintritt der Menschen in die griechisch-lateinische Zeit ist der lebendige menschliche Pflanzenleib abge­storben, denn schon im Griechentum war der lebendige Pflanzenleib abgestorben, oder starb wenigstens allmählich ab. Wir tragen schon einen sehr stark toten Leib in uns, und insbesondere ist dieses Totsein für das menschliche Haupt richtig - wie ich Ihnen ja von einem anderen Gesichtspunkte auseinandergesetzt habe, daß das menschliche Haupt überhaupt für die Wissenschaft der Eingeweihten als Leich­nam, als Totes, als fortwährend Sterbendes wahrgenommen wird. Dessen wird sich immer mehr und mehr bewußt werden die Mensch­heit: daß sie eigentlich nur mit dem Leichnam erkennt und deshalb das Tote erkennt.

Ebenso intensiv wird entstehen, je weiter wir der Zukunft ent­gegengehen, die Sehnsucht, wiederum das Lebendige zu erkennen. Aber man wird dieses Lebendige nicht durch die gewöhnliche Intelli­genz, die an den Leichnam gebunden ist, erkennen. Es wird mancher­lei notwendig sein, damit der Mensch, der verloren hat die Möglich­keit, auf lebendige Art in die Welt einzudringen, wiederum in solcher Weise in die Welt kommt. Man muß heute schon wissen, was der Mensch eigentlich alles verloren hat. Als der Mensch herüberkam aus der atlantischen Zeit in die nachatlantische Zeit, da konnte man manches nicht, was man heute kann. Sehen Sie, Sie können, jeder

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einzelne, wenn Sie sich meinen, seit einer gewissen Zeit in Ihrer Kindheit, zu sich Ich sagen. Sie sagen dieses Ich recht respektlos. Dieses Ich wurde in der Menschheitsentwickelung nicht immer so respektlos gesagt. Es gab ältere Zeiten der Menschheitsentwickelung, wenn die auch schon zum Teil verglommen waren selbst in der ägyptischen Zeit - es gab ältere Zeiten, da wurde für das, was das Ich ausdrückte, ein Name gebraucht, der, ausgesprochen, den Menschen betäubte. Daher vermied man, diesen Namen auszusprechen. Hätte die erste Bevölkerung gleich nach der atlantischen Katastrophe es erlebt, daß der bei ihnen geltende und nur den Eingeweihten bekannte Name für das Ich ausgesprochen worden wäre, die ganze Versamm­lung würde betäubt worden sein, würde umgefallen sein, so stark hätte der Name für das Ich gewirkt. Ein Nachklang dieser Tatsache ist noch vorhanden in der alten Hebräerzeit, wo man spricht von dem unaussprechlichen Namen des Gottes in der Seele, der ja nur aus­gesprochen werden durfte von Eingeweihten oder aber vor der Ge­meinde eurythmisiert wurde. Der unaussprechliche Name des Gottes, er hat seinen Ursprung in dem, was ich Ihnen eben erzählt habe. Allmählich ist dies immer mehr verlorengegangen. Dafür lähmten sich ab die tiefen Wirkungen, die von solchen Dingen ausgingen. In der ersten nachatlantischen Zeit: tiefe Wirkung von dem Ich; in der zweiten nachatlantischen Zeit: tiefe Wirkung von dem astralischen Leib; in der dritten nachatlantischen Zeit: tiefe Wirkung von dem Ätherleibe, aber nun schon eine erträgliche Wirkung, eine Wirkung, die - wie ich Ihnen gestern auseinandergesetzt habe - den Menschen in Zusammenhang bringt, in Verwandtschaft bringt mit dem Kosmos. Jetzt können wir das Ich, wir können alles mögliche aussprechen, aber die Dinge wirken nicht mehr auf uns, weil wir dasjenige, was wir von der Welt erfassen, mit unserem Leichnam erfassen. Das heißt, wir erfassen von der Welt das Tote, Mineralische. Aber wir müssen uns wiederum aufschwingen, zurückzukehren in jene Regionen, in denen wir das Lebendige erfassen. Und während der griechisch-lateinische Zeitraum vom 8. vorchristlichen Jahrhundert bis in die Mitte des 15. nachchristlichen Jahrhunderts vorzugsweise darauf angelegt war, immer mehr tote Erkenntnis für den Leichnam zu schaffen, geht bei

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uns jetzt die Intelligenz den Weg, von dem ich gestern gesprochen habe. Daher müssen wir uns aber stemmen gegen die bloße Intelligenz. Wir müssen zu der Intelligenz anderes hinzufügen.

Und da ist es charakteristisch, daß wir richtig den Weg zurück-machen müssen, daß wir jetzt im fünften nachatlantischen Zeit­raum in gewisser Beziehung das Pflanzliche erkennen, im sechsten das Tierische, im siebenten dann erst das wahrhaft Menschliche. Also es wird eine Aufgabe der Menschheit, gerade über das bloße Erkennen des Mineralischen hinauszugehen und das Pflanzliche zu erkennen.

Und jetzt, nachdem Sie dieses einsehen aus einem tieferen Zu­sammenhang heraus, bedenken Sie, welches der charakteristische Mensch ist für dieses Suchen der Pflanzenerkenntnis. Das ist Goethe. Denn indem er entgegen aller äußeren Wissenschaft vom Toten heran­gegangen ist an das Lebendige, an die Metamorphose, an das Werden der Pflanzen, war er der Mann des fünften nachatlantischen Zeitraums in seinen elementarischen Anfängen. Wenn Sie daher die kleine Ab­handlung von Goethe aus dem Jahre 1790 lesen: «Versuch, die Meta­morphose der Pflanzen zu erklären», so finden Sie gerade in dieser Abhandlung, wie Goethe allmählich versucht, die Pflanze werdend zu erfassen, nicht als Totes, Abgeschlossenes, sondern als Werdendes von Blatt zu Blatt. Da sehen Sie den Aufgang jener Erkenntnis, die gerade in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum gesucht werden sollte.

Es ist also im Goetheanismus der Grundton angegeben für das­jenige, was gesucht werden soll durch diesen fünften nachatlantischen Zeitraum. Es wird gewissermaßen die Wissenschaft im Goetheschen Sinne aufwachen müssen, vom Toten zum Lebendigen herüberzu­gehen. Das ist ja gemeint, wenn ich immer wieder und wiederum sage, wir sollen uns aneignen, aus den toten abstrakten Begriffen heraus­zukommen, in die lebendigen konkreten Begriffe hinein. Und das, was ich vorgestern und gestern gesagt habe, ist im Grunde genommen der Weg in diese lebendigen konkreten Begriffe hinein.

Nun wird das Hineinkommen in diese Begriffe, in diese Vor­stellungen nicht möglich sein, wenn wir uns nicht dazu bequemen,

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dasjenige, was wir unsere Weltanschauung und Lebensauffassung nennen, als eine Einheit auszubilden. Wir sind heute durch die beson­dere Konfiguration unserer Kultur genötigt, gewissermaßen unor­ganisch nebeneinander herlaufen zu lassen die verschiedenen Strö­mungen unserer Weltanschauung. Denken Sie nur einmal, wie unorganisch nebeneinander herlaufen oftmals die religiösen Welt­anschauungen eines Menschen und die naturwissenschaftliche Welt­anschauung. Mancher Mensch hat die eine und die andere; aber er schlägt keine Brücke. Ja, er hat eine gewisse Scheu davor, eine gewisse Angst davor, eine Brücke zu schlagen. Und das müssen wir uns schon klar machen: so kann es nicht bleiben.

Nun habe ich Sie auf eines aufmerksam gemacht während dieses meines Aufenthaltes, darauf, wie egoistisch eigentlich der Mensch heutzutage seine Weltanschauung gestaltet. Ich habe Sie auf die Tat­sache hingeführt, daß den Menschen eigentlich heute vorzugsweise interessiert das Leben der Seele nach dem Tode. Aus reinem Egoismus heraus interessiert ihn dieses Leben der Seele nach dem Tode. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir übergehen müssen zu dem Interesse des Lebens der Seele von der Geburt an, insofern dieses eine Fortsetzung ist des Lebens vor der Geburt oder vor der Empfängnis. Würden wir mit derselben Sehnsucht, mit demselben Hang und derselben Neigung die Entwickelung des Kindes betrachten, wie es hereinwächst in die Welt als Fortsetzung des vorgeburtlichen geistig-seelischen Daseins, so würde unsere Welterkenntnis einen viel unegoistischeren Charakter annehmen, als sie heute hat. Aber dieser egoistische Charakter unserer Weltanschauung hängt zusammen mit manchem anderen. Und hier komme ich auf einen Punkt, wo die Menschen der Gegenwart sich über den wirklichen Tatbestand, der zugrunde liegt, immer klarer und klarer werden müssen. In dem Zeitraume bis zu unserer Zeit hat sich einmal im Menschen vorzugsweise das Egoistische entwickelt; das Ego hat durchdrungen die Weltanschauung, das Ego hat auch durch­drungen den Willen. Darüber sollten wir uns keiner Täuschung hin­geben. Und vor allem sind egoistisch geworden die Religionsbekennt­nisse. Daß die Religionsbekenntnisse egoistisch geworden sind, können Sie ja schon an den Äußerlichkeiten erkennen. Denken Sie sich nur,

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wie die heutigen Prediger angewiesen sind, mit dem Egoismus der Menschen zu rechnen. Je mehr sie schließlich mit dem Egoismus der Menschen rechnen, den Menschen Versprechungen machen können für das Leben der Seele nach dem Tode, desto mehr erreichen sie ihren Zweck. Viel Interesse für andere Dinge ist ja im Grunde genommen in der heutigen Menschheit kaum vorhanden. Und wenig interessieren sich die Menschen für jenes geistige Weben und Leben, das sich so wunderbar nach der Geburt, beziehungsweise nach der Empfängnis, mit der Seele, die vorher in der geistigen Welt war, ankündigt.

Eine Folge davon ist die Art, wie der Mensch heute überhaupt über das Göttliche in verschiedenen Religionsbekenntnissen denkt. Daß wir einen Gott als den Höchsten vorstellen, das will ja noch nichts Be­sonderes sagen. In dieser Beziehung kommt es darauf an, daß wir durchaus alle Täuschungen hinwegräumen. Die meisten Menschen, die heute «Gott» sagen, was meinen sie denn eigentlich? Ich habe das auch schon einmal hier erwähnt. Welche Art Wesenheit ist das, was sie meinen, wenn sie von Gott sprechen? Ein Angelos ist es, ein Engel, ihr eigener Engel, den nennen sie Gott! Es ist nichts anderes! Die Menschen ahnen gerade noch, daß ein schützender Geist ihr eigenes Leben verfolgt, zu dem sehen sie auf, das nennen sie ihren Gott. Wenn sie es auch nicht Engel nennen, wenn sie es auch Gott nennen, sie meinen nur den Engel. Und das ist im Grunde genommen der Egois­mus des religiösen Bekenntnisses, daß man mit der Gottes-Idee nicht über den Engel hinauf kommt. Der Grund davon ist die Einengung der Interessen, die durch den Egoismus bewirkt ist. Diese Einengung der Interessen, wir sehen sie ja ganz deutlich hervortreten heute in unserem öffentlichen Leben.

Wonach fragen die Menschen heute viel? Fragen sie viel nach den allgemeinen Schicksalen der Menschheit? Oh, es ist in einem gewissen Sinne recht traurig, heute zu reden zu einer Menschheit über allgemeine Menschenschicksale. Man hat auch gar keinen Begriff da­von, wie es sich in dieser Beziehung schon in verhältnismäßig kurzen Zeiten geändert hat. Sehen Sie, man kann heute zu den Menschen sagen: Der Waffenkrieg, welcher in den letzten vier bis fünf Jahren die Erde überzogen hat, wird gefolgt sein von dem mächtigsten

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Geisteskampfe, der über die Erde hingeht, in dieser Gestalt früher nicht hingegangen ist, der davon herkommt, daß das Abendland Maja oder Ideologie nennt, was das Morgenland die Wirklichkeit nennt, und daß das Morgenland Wirklichkeit nennt, was das Abendland Ideologie nennt. Man kann heute die Menschheit aufmerksam machen auf dieses Schwerwiegende, und sie hat nicht einmal ein Bewußtsein davon, daß, wenn ein Gleiches vor nur hundert Jahren gesagt worden wäre, so würde dieses Gleiche vor hundert Jahren die Seelen so ergriffen haben, daß sie nicht wieder losgekommen wären davon!

Diese Änderung der Menschheit, dieses Gleichgültigwerden der Menschheit gegenüber den großen Schicksalen des Daseins, das ist die auffälligste Erscheinung. Es prallt ja alles ab von der Menschheit heute. Die umfassendsten, einschneidendsten, intensivsten Tatsachen nimmt man auf wie eine Sensation. Sie wirken nicht erschütternd genug. Und das rührt nur davon her, weil der immer stärker und stärker werdende intelligente Egoismus die Interessen der Menschen einengt. Daher können die Menschen heute noch so gut Demokratien haben, Parlamente haben - wenn sie schon zusammenkommen in den Parlamenten, die Schicksale der Menschheit wehen nicht durch diese Parlamente, denn die Leute, die zumeist in die Parlamente gewählt werden, werden nicht durchweht von dem Schicksal der Menschheit. Es wehen die egoistischen Interessen. Jeder hat sein eigenes egoisti­sches Interesse. Äußerliche schematische Ähnlichkeiten in den Inter­essen, wie sie oftmals durch den Beruf hervorgerufen werden, lassen die Menschen sich gruppieren. Und wenn die Gruppen genügend groß sind, lassen sie sie zu Majoritäten werden. Und dann gehen nicht Menschenschicksale durch die Parlamente oder durch die Menschen. vertretungen durch, sondern nur der Egoismus, multipliziert mit so und so vielen Personen. Weil das nur in den Menschen lebt, was den Egoismus betrifft, daher ist selbst das religiöse Bekenntnis in die Sphäre des Egoismus gerückt. Das religiöse Bekenntnis wird die not­wendige Auffrischung erfahren, wenn die Interessen der Menschen weiter werden, wenn sie so werden, daß der Mensch wiederum über sein persönliches Schicksal zu dem Menschheitsschicksal aufblicken kann, wenn der Mensch wiederum ergriffen wird, ganz stark

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ergriffen wird, wenn man ihm sagt: im Westen erblüht eine andere Kultur als im Osten, und in der Mitte wiederum eine andere Kultur als an den beiden Polen im Westen und im Osten; wenn man ihm sagt:

im Westen werden die großen Ziele der Menschheit gesucht - wenn sie schon gesucht werden - dadurch, daß man an mediale Menschen sich wendet und diese Menschen in eine Art von Trance bringt, sie dadurch gewissermaßen bewußt unterirdisch in Verbindung bringt mit den geistigen Welten, und dann sich von ihnen auf medialem Wege große historische Ziele sagen läßt. Das könnte man in Europa den Menschen so oft sagen - sie werden es nicht glauben, daß es wirklich Gesellschaften in amerikanisch-englischen Ländern gibt, in denen man versucht, medial veranlagte Menschen in eine Art von Trance zu bringen, um dann durch geschickt an sie gestellte Fragen herauszu­bekommen, welches die großen Schicksalsziele der Menschheit sind. Man glaubt es einem nicht, daß der Morgenländer ebenfalls über diese großen Schicksalsziele der Menschheit - jetzt nicht auf medialem Wege, sondern auf mystischem Wege - Kunde erhält. Das ist heute fast mit Händen zu greifen, denn überall sind die schönen Reden des Rabindranath Tagore zu haben, in denen man lesen kann, wie ein Morgenländer über Ziele der Menschheit im Großen denkt. Diese Reden werden zwar gelesen wie das Feuilleton von einem beliebigen Zeilenschinder, denn man unterscheidet heute wenig Zeilenschinder von Menschen mit großer Spiritualität, wie des Rabindranath Tagore. Man wird sich nicht bewußt, daß nebeneinander leben, ich möchte sagen, verschiedene Rassensubstantialitäten. Was für Mitteleuropa gilt, es ist ja von mir seit vielen Jahren in öffentlichen Vorträgen gesagt worden. Als das wurde es eben nicht genommen, als das es hätte genommen werden sollen.

Ich will damit aber nur hinweisen, daß man sich bewußt werden kann von etwas, das hinausragt über das egoistische Menschengeschick, das zusammenhängt mit dem Geschick von Menschengruppen, so daß man in konkreter Weise differenziert über die Erde hin. Erhebt man den Seelenblick zu einem solchen Erfassen und Begreifen von Men­schenschicksalen im Erdenraume, interessiert man sich intensiv für dies über das persönliche Geschick Hinausgehende, dann stimmt man

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die Seele, etwas Höheres, Wirkliches zu begreifen als den bloßen Engel: nämlich den Erzengel. Gedanken, was das Erzengelwesen be­deutet, kommen einem gar nicht, wenn man nur in den Regionen bleibt, die den egoistischen Menschen angehen. Wenn nur in den Re­gionen des egoistischen Menschen gepredigt wird, dann können die Prediger noch so viel vom Göttlichen reden, sie reden nur von dem Engel. Denn daß man es anders nennt, das ist ja nur eine Unwahrheit, das macht die Sache nicht zu dem, was sie ist. Erst wenn man beginnt, sich zu interessieren für des Menschen Geschick im Raume, dann beginnt die Seele in die Stimmung zu kommen, zum Erzengelwesen sich zu erheben

Und gehen Sie jetzt über zu noch etwas anderem. Spüren Sie in uns das, was ich in diesen Vorträgen angedeutet habe von den aufeinanderfolgenden Impulsen der Menschheitsentwickelung! Spüren Sie, daß ein großer Teil unserer führenden Menschen ausgebildet werden in den Jahren, in denen die Menschenseele einer gewissen Bieg­samkeit zugänglich ist, in den Gymnasien; in den Gymnasien, die nicht herausgeboren sind aus unserer Gegenwartskultur, sondern die, so wie sie sind, noch immer herausgeboren sind aus der Vergangen­heitskultur der griechisch-römischen, der griechisch-lateinischen Zeit. Sehen Sie, wenn diese Griechen und Lateiner dasselbe getan hätten wie wir, dann hätten sie ägyptisch-chaldäische Gymnasien eingerichtet. Das haben sie nicht getan. Sie haben ihren Lehrstoff vom unmittel­baren Leben genommen. Wir nehmen ihn vom vorhergehenden Zeit-raume, bilden danach die Menschen aus. Das hat eine große Bedeutung für die Menschen; aber wir haben diese Bedeutung nicht erkannt. Hätten wir diese Bedeutung erkannt, dann würde es innerhalb der Frauenbewegung einen Ton geben, den es nicht gegeben hat, dann hätte es innerhalb der Frauenbewegung den Ton gegeben, der so geklungen hätte: Die Männerwelt wird gerade, wenn sie ausgebildet werden soll zur besonderen Handhabung der Intelligenz, in die antiquierten Schulen geschickt. Daher wird ihr Gehirn verhärtet. Uns Frauen ist das gute Geschick zugewachsen, daß man uns in die Gymnasien nicht hat hineingelassen. Wir wollen unsere Intelligenz auf eine ursprüng­liche Note stellen, wir wollen zeigen, was man für die Gegenwart

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entwickeln kann, wenn man nicht abgestumpft wird in seiner Jugend durch die griechisch-lateinische Gymnasialbildung.

Diese Note hat es nicht gegeben. Im Gegenteil, manche Note hat dahin geklungen Die Männer sind untergekrochen unter die grie­chisch-lateinische Gymnasialbildung, kriechen wir Frauen auch hinein. Werden wir auch Gymnasiasten.

So wenig hat Verständnis Platz gegriffen in bezug auf dasjenige, was not tut. Wir sollen wissen, daß wir in unserer Gegenwart nicht für diese Gegenwart erzogen werden, sondern erzogen werden für griechisch-lateinische Kultur. Die steckt daher in unserem Leben drinnen. Man muß sie spüren. Man muß spüren, was in der Gegenwart an griechisch-lateinischer Kultur gerade bei den führenden Menschen, bei der sogenannten Intelligenz, bei den Intellektuellen waltet; das ist die eine Schicht, die bei uns ist. Sie tragen wir eigentlich in unserer ganzen geistigen Bildung in uns. Wir lesen keine Zeitung, ohne daß nicht griechisch-lateinische Bildung drinnen ist, denn wir schreiben eigentlich in griechisch-lateinischer Form, auch wenn wir in unseren Landessprachen schreiben.

Und in bezug auf unsere Rechtsanschauung, da leben wir, wie ich schon ausgeführt habe, im Römertum drinnen - wiederum etwas Antiquiertes. Da lebt im Recht das Römertum drinnen. Es führen ja manchmal die alten Landesrechte ihren Streit gegen das römische Recht, aber sie kommen nicht auf. Und das muß man wieder fühlen, wie in dem, was der Mensch Recht und Unrecht nennt im öffentlichen Leben, eine verglommene Zeit drinnen lebt.

Nur im Wirtschaftlichen leben wir eigentlich in der Gegenwart. Es will viel sagen, daß wir nur im Wirtschaftlichen in der Gegenwart leben. Daher wird sich wohl etwas sehr modifizieren. Wenn ich das in Parenthese einfügen darf: Von manchen Frauen werden natürlich die Begriffe der Gegenwart aufbewahrt - nur zum Kochen, das heißt zum Wirtschaften, und damit sind sie die eigentlichen Wesen der Gegen­wart; das andere ist etwas Antiquiertes, das wir in die Gegenwart hereintragen. Ich sage nicht, daß dies als etwas besonders Wünschens­wertes hingestellt werden soll; aber das andere ist jedenfalls nicht das Wünschenswerteste, daß man nun von der Gegenwart eben auch durch

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die Frauenseelen zurückgeht in antiquierte Kulturen. Wir haben eben, indem wir auf dasjenige schauen, was in unserer Kulturumwelt lebt, nicht nur das, was im Raume wirkt, sondern es wirken auch alte Zeiten herein. Und eignet man sich dafür eine Empfindung an, so wirkt nicht nur die Vergangenheit herein, es wirkt auch schon die Zu­kunft herein. Ja, es ist unsere Sache, daß die Zukunft hereinwirke. Denn würde nicht in jedem Menschen doch, für das Bewußtsein recht untergeordnet, eine Art Rebell gegen das Griechentum der Bildung und das Römertum des Rechtes sein, und würde da nicht Zukunft hereinleuchten, wir wären traurige Kerle, eigentlich recht traurige Kerle.

Neben dem Raume müssen wir also für das, was in unserer Kultur lebt, auch die Zeit in Betracht ziehen: dasjenige, was an Zeitgeschichte von alters her und von der Zukunft in unsere Gegenwart hereinragt. Wir müssen uns klar sein, daß wir, indem wir als Menschen der Gegen­wart leben, hereinspielend haben in diese unsere Menschenseele Ver­gangenheit und Zukunft. Wie wir hereinspielen haben indem wir Europäer sind - wie schon erwähnt - Amerika, England, Asien, China, Indien, den Osten und den Westen, weil das die beiden Pole sind, so haben wir in uns Griechenland, Rom und die Zukunft. Und indem wir uns bequemen, das letztere ins Auge zu fassen, indem wir uns bewußt werden, wie Vergangenes, Werdendes, Entstehendes in unserer Seele lebt, geht in dieser Seele wieder eine andere Stimmung auf über das über den Egoismus hinausgehende Menschenschicksal, eine andere Stimmung als durch die bloße Raumbetrachtung. Und wenn wir diese Seelenstimmung entwickeln, dann erst entwickeln wir die Möglichkeit, Begriffe zu bilden über die Sphäre der Zeitgeister, der Archai. Das heißt, wir kommen zu dem dritten Göttlichen in der Hierarchienreihe. Es ist gut, wenn sich der Mensch zunächst darauf einläßt, diese drei Hierarchien durch die Mittel, die ich eben jetzt angeführt habe, in Begriffen, in Ideen sich vorzuführen. Denn die Formgeister, die dann kommen, sind unendlich viel schwieriger zu erfassen. Aber es genügt schon für den gegenwartigen Menschen, wenn er den Versuch macht, über den Egoismus hinaus in die Sphäre des Unegoistischen zu dringen, und immer wieder und wie­derum zu dringen, sich damit zu beschäftigen, was ich jetzt charakterisiert

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habe! Insbesondere sollte - das muß ich nun wiederum be­sonders sagen - in der Lehrerbildung dieses vorkommen, was ich jetzt auseinandergesetzt habe. Der Lehrer sollte nicht losgelassen werden zu unterrichten und zu erziehen, ohne daß er einen Begriff bekommt von dem Egoismus, welcher aufstrebt zu dem nächsten Gotte, das heißt zum Engel, ohne daß er aber auch einen Begriff bekommt von den unegoistischen, schicksalbestimmenden Mächten, die im Raume über der Erde nebeneinander sind, von den Erzengel-wesen, und ohne daß er einen Begriff bekommt von dem, wie in unsere Kultur hereinragen Vergangenes und Zukünftiges, römisches Rechtswesen, griechische Geistessubstanz, und der unbestimmte Rebell der Zukunft, der uns rettet.

Aber die Menschheit ist gegenwärtig wenig geneigt, auf diese Dinge einzugehen. Vor einiger Zeit habe ich in Vorträgen immer wieder und wiederum betont, daß es zu den sozialen Aufgaben gehört, unsere Bildungsmittel für die Zeit, die der Mensch heute in Gymnasien zubringt, aus der Gegenwart zu nehmen, es so zu machen, wie es schließlich die Griechen selber gemacht haben: daß sie ihre Bildungs-stoffe aus der Gegenwart genommen haben.

Es sind - wenigstens der Zeit nach - an demselben Orte, wo ich über diese Frage immer wieder und wiederum als einer wichtigen sozialen Frage gesprochen habe - bald nachher, ich will nicht einen Kausalzusammenhang konstruieren, aber das ist ja auch gleichgültig, von symptomatischer Bedeutung ist die Sache - in allen Zeitungen des betreffenden Ortes in Massen Annoncen erschienen, worinnen für das gegenwärtige Gymnasium Propaganda gemacht wird. Ich hielt die Vorträge, in denen ich die Gymnasialbildung so charakterisierte, wie ich es Ihnen jetzt charakterisiert habe - in den Zeitungen erschienen überall Annoncen: was das Deutschtum der Gymnasialbildung seiner Jugend verdankt zur «Stärkung des nationalen Bewußtseins», «der nationalen Kraft» und so weiter, ein paar Wochen vor dem Versailler Frieden! Unterschrieben waren diese Annoncen von allen möglichen dortigen lokalen Größen aus den Schulen, aus dem Unterrichtswesen. Es ist eben so, daß immer zurückprallt dasjenige, was man heute aus den wirklich sachlichen Untergründen der Menschheitsentwickelung

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darzulegen hat. Die Menschen lassen es zurückprallen - es berührt die Tiefen der Seele nicht.

Darauf beruht aber die Schwierigkeit des Wirkens in der sozialen Frage. Denn mit jenen Oberflächlichkeiten, mit denen man gewöhnlich heute der sozialen Frage beikommen will, wird man ihr nie und nimmer beikommen. Die soziale Frage ist eine tief bedeutsame Frage, eine Frage, der man nicht beikommt, wenn man nicht in die Tiefe des Menschen- und Weltwesens hineinschauen will. Gerade an dem Umstande, daß es so ist, könnte man ja ersehen, wie notwendig gewisse Aufstellungen sind, die gerade die Dreigliederung des sozialen Organismus macht.

Aber man muß sich ein Organ erwerben für dasjenige, was in unserer Zeit notwendig ist. Auf geistigem Gebiete wird es schwer sein, dieses Organ zu erwerben; denn - ich habe es Ihnen schon einmal, glaube ich, auch hier angedeutet: die vom Staate allmählich aufge­sogene geistige Bildung im Unterrichtswesen, die hat wirklich heraus-destilliert aus den Menschen das Aktive, das tätige Streben, die hat den Menschen zum hingebungsvollen Gliede in der Staatsstruktur gemacht. Ich sagte es ja, wie ich glaube auch hier: Wie lebt denn eigentlich eine große Anzahl von Menschen? Ausnahmen selbstver­ständlich immer abgerechnet. Na, bis so zum sechsten Jahre darf der Mensch ungehindert leben, weil da die Menschheit dem Staate noch zu schmutzig ist. Den Aufgaben möchte er sich nicht hingeben, der Staat, denen man sich hingeben muß in den ersten Kinderjahren; da überläßt man von seiten des Staates noch den Menschen den außerstaatlichen Mächten. Dann aber wird der Mensch in Anspruch genommen, wird so dressiert, daß er für die Staatswirtschaft geeignet wird, daß er hineinpaßt in die Schablone, daß er aufhört, Mensch zu sein und das nun wird, was die Abstempelung des Staates gibt. Dann wird er etwas dem Staate. Er strebt danach, denn es wird ihm eingebläut; er be­kommt ja nun nicht bloß seine Verpflegung vom Staate während er arbeitet, sondern noch über die Arbeit hinaus bis zum Tode in Form der Pension. Denn was für ein Ideal ist heute für viele Menschen eine pensionsberechtigte Stellung! Dazu verfügen dann die Religions­bekenntnisse die Pensionierung über den Tod hinaus. Die Seele wird

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pensionsberechtigt; ohne daß sie etwas dazu tun soll, bekommt sie die ewige Seligkeit durch das Wirken der Kirche selber. Die sorgt dafür! Das ist allerdings unbequem, nun zu hören, daß das Heil im freien geistigen Streben liegt, das unabhängig vom Staate sein muß; daß der Staat nur ein Rechtsstaat sein soll. Ja, Pensionsberechtigung wird es ja im Rechtsstaate nicht geben! Das ist schon ein Grund für viele, ihn abzulehnen. Man merkt das immer wieder und wiederum.

Und mit Bezug auf das intimste Geistesleben, das religiöse Leben, wird allerdings die Weltanschauung der Zukunft von dem Menschen verlangen, daß er seine Unsterblichkeit sich erarbeitet, daß er seine Seele tätig sein läßt, damit sie in Tätigkeit das Göttliche, den Christus-Impuls in sich aufnimmt.

Viele, viele Briefe habe ich in meinem Leben bekommen, immer wieder von kirchlichen Leuten, die sagen, die Anthroposophie, oder wie sie es dann schon nennen, ist ja im Grunde eine schöne Sache, aber sie widerspricht dem einfachen, schlichten christlichen Bekennt­nisse, daß Christus die Seele erlöst hat, daß man in Christus selig werden kann, ohne daß die Seele etwas dazu tut. Der «schlichte Glaube des Seligwerdens durch den Christus», davon können sie nicht lassen. Die Menschen glauben, wenn sie so etwas sagen oder schreiben, besonders fromm zu sein. Egoistisch sind sie, grundegoistisch sind sie, nichts tun möchten sie in der Seele, und das Göttliche dafür sorgen lassen, daß es die Seele hübsch pensionierend hinausträgt durch die Pforte des Todes.

Das ist nicht so bequem in jener Weltanschauung, in der das Reli­giöse geschaffen werden muß gegen die Zukunft hin. Da muß man begreifen, daß man sich das Innehaben des Göttlichen in der Seele erarbeiten muß. Da wird man nicht sich bloß passiv hingeben können an die Kirchen, welche einem versprechen, die Seelen hinüberzutragen

- es ist ja jetzt abgekommen, was einmal Anstoß gegeben hat - für Geld, obwohl im geheimen das noch immer eine Rolle spielt, auch beim Seligwerden. Aber dieser Übergang zum innerlich Tätigsein, dieses Leben im Hinblicke auf die Welt, zu der man sich hinzurechnen muß, das ist dasjenige, was die Menschheit notwendig hat, und was sie noch nicht sehr liebt.

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Um uns ein Gefühl für das, was auf diesem Gebiete notwendig ist, anzueignen, müssen eben solche Dinge vor unsere Seele hintreten, wie ich sie heute wieder erwähnt habe: diese Metamorphose der Mensch­heit seit dem alten Ägyptertum, wo sogar der Körper noch mehr pflanzlicher Natur war, so daß, wenn er zurückverfällt in der Gegen­wart, er krank wird, Geschwürbildungen partiell jetzt entwickelt und so weiter, und daß wir einen Leichnam herumtragen, der eigentlicher-kennt. Durch diese Dinge eignet man sich an ein Gefühl, eine Empfin­dung für dasjenige, was der Menschheit notwendig ist: wirklich in der Richtung vorwärtszukommen, wie man gegenwärtig in der sozialen Frage vorwärtskommen muß. Wir dürfen es uns nicht mehr gestatten, so etwas wie die soziale Frage nur in möglichster Einfachheit zu betrachten.

Sehen Sie, das ist eben das außerordentlich Schwierige in der Gegenwart, und das müssen Sie sich klarmachen, dieses Schwierige, daß die Menschen mit ein paar abstrakten Sätzen über die wichtigsten Angelegenheiten des Lebens aufgeklärt sein möchten. Wenn so etwas wie «Die Kernpunkte der sozialen Frage» mehr enthält als einige abstrakte Sätze, wenn es enthält die Ergebnisse einer Lebensbeob­achtung, dann sagen die Leute, das verstehen sie nicht. Das erscheint ihnen sogar verworren. Aber das ist das Unglück der Gegenwart, daß die Menschen nicht eingehen wollen auf dasjenige, auf was sie gerade eingehen sollten. Denn nicht wahr, abstrakte Sätze, die ganz durch­sichtig sind, die beziehen sich ja auf das Tote; das Soziale soll aber das Lebendige sein. Da müssen biegsame Anschauungen, biegsame Sätze, biegsame Formen in Anwendung sein. Deshalb ist es schon notwendig, daß wir nicht nur nachdenken, wie ich schon öfter gesagt habe, über die Umwandlung einzelner Einrichtungen, sondern daß wir uns dazu bequemen, wirklich umzudenken und umzulernen mit Bezug auf das innerste Gefüge unseres Denkens und unseres Sinnens.

Das ist dasjenige, was ich Ihnen, da ich ja heute wiederum für ein paar Wochen von Ihnen Abschied nehme, vortragend zurücklassen möchte - jetzt, wo wir im Zeichen des Zusammenwirkens unserer anthroposophischen und sozialen Bewegung uns fühlen müssen. Ich möchte, daß wirklich immer mehr und mehr verstehend durchdrungen

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werde, wie anthroposophisch orientierte Geisteswissenschaft in die Seelen der Menschen einfließen muß, wenn im Sozialen irgend etwas erreicht werden soll. Und da möchte ich Ihnen eines ans Herz legen, was ich in verschiedenen Formen ja schon immer wiederholt habe: Es handelt sich wirklich darum, dasjenige, was wir in anthroposophischer Erkenntnis uns aneignen können, als wahre Richtschnur für das Wirken und Streben der Gegenwart anzuerkennen, den Mut zu haben, mit dem Anthroposophischen durchdringen zu wollen. Es ist ja dies das Schlimmste, daß die Menschen der Gegenwart so wenig den Mut haben, mit etwas, was not tut, wirklich durchdringen zu wollen. Sie lassen ihre besten Willenskräfte gewissermaßen zerbrechen; sie wollen nicht sie durchbringen, so notwendig dieses wäre.

Lernen Sie es mutvoll zu vertreten, daß diejenigen Menschen, die diesen Bau, den Repräsentanten unseres geistigen Strebens, mit Inter­esse betrachten, wohl von Ihnen aufgenommen werden; freuen Sie sich über jeden einzelnen, der nur ein bißchen Verständnis zeigt, kommen Sie ihm entgegen, aber bauen Sie gar nichts darauf, als daß Sie es entsprechend zurückweisen, wenn die Menschen mit bösem Willen oder mit dem, was heute noch häufiger ist, Unverstand der Sache entgegenkommen. Um den Mut handelt es sich, diese Dinge durchzu­bringen. Wir wollen uns so betrachten, daß wir da sind als das kleine Häuflein, das durch sein Schicksal bestimmt ist, dasjenige zu wissen, und dasjenige der Welt mitzuteilen, was ihr heute am allernötigsten ist. Mögen uns die Leute auslachen und mögen sie sagen, daß es eine Anmaßung ist das zu glauben; wahr ist es ja doch. Und dieses «wahr ist es ja doch» sich zu sagen, aber ernsthaftig, so daß es die ganze Seele erfüllt, dazu gehört eben ein innerer Mut, den wir haben müssen. Der durchdringe uns als die anthroposophische Substanz. Dann werden wir das machen, was wir machen sollen, jeder an seinem Platze. Das möchte ich heute noch ausgesprochen haben.

Es ist so, daß wir schon, ich möchte sagen herbeisehnen möchten jeden Tag, der uns näher bringt dem Wirken - das ja jetzt außerdem sehr erschwert ist - durch diesen Bau für die Welt. Das ist ja schließ­lich das einzige, dieser Bau, was mit den großen Schicksalen der Menschen auch in den Formen rechnet. Und es ist erfreulich, daß

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diesem Bau jetzt schon Aufmerksamkeit zugewendet wird. Aber ein weiteres ist für ein gedeihliches Fortwirken in der sozialen Frage noch notwendig. Das ist, daß gerade durch so etwas wie diesen Bau, in seinen stärkeren Formen als heute andere architektonische Formen sind, gewirkt werde auf die geistige Aufbesserung der Menschheits­kräfte; daß die Menschen wieder mehr zugänglich werden für das­jenige, wovon man möchte, daß die Menschen es wissen, damit es sie erhebt, nicht nur bis zum Engelhaften: bis zum Erzengelhaften, zum Zeitgeistmäßigen.

Mit diesen Worten möchte ich mich eben wiederum für ein paar Wochen von Ihnen verabschieden. Ich hoffe, daß wir in ein paar Wochen diese Betrachtungen fortsetzen können, und daß wir gerade während dieser Zeiten einer regen Wirksamkeit auch für unseren Bau selbst entgegengehen. Denn, meine lieben Freunde, es wird mit Recht betont von allen Seiten in der Welt draußen: Arbeitslust, Arbeits-bereitwilligkeit ist bei den Menschen wiederum notwendig. Die wird nicht kommen, wenn die Menschen nicht überzeugt werden von großen Zielen. Ich glaube, daß wenn die Menschen überzeugt werden können davon, daß sie durch die Dreigliederung des sozialen Organismus ein menschenwürdiges Dasein erlangen, dann fangen sie auch wiederum an zu arbeiten. Sonst streiken sie fort. Denn die Menschen gebrauchen einen solchen Antrieb, der sie in tiefster Seele ergreift in unserer gegenwärtigen Zeit. Das auf dem Gebiet der physischen Arbeit.

Aber auch nicht anders als dadurch, daß wir zeigen, wie unsere Arbeit wenigstens an einem Objekte fruchtbar wird und hinausstrahlt in die Welt, werden wir den Antrieb geben können der Menschheit geistig zu überwinden dasjenige, was bloß tot ist in unserer Zeit. Überlegen wir uns das, meine lieben Freunde, bis zu dem Zeitpunkte, wo wir hier wiederum zusammen sprechen werden. Auf Wiedersehen!

HINWEISE

#G296-1997-SE117 Erziehungsfrage als soziale Frage

#TI

HINWEISE

#TX

Werke Rudolf Steiners, welche in der Gesamtausgabe (GA) erschienen sind, werden in den Hinweisen mit Bibliographie-Nummer und Erscheinungsjahr der letzten Auflage angegeben. Siehe auch die Ubersicht am Schluß des Bandes.

Zu Seite

9 Nach einer Arbeit...: Vom 21. April bis 3. August 1919 war Rudolf Steiner seit dem Waffenstillstand zum ersten Mal in Deutschland und wirkte un­unterbrochen in öffentlichen Vorträgen und vor Arbeitern in Fabriken für die Dreigliederung des sozialen Organismus. In dieser Zeit hielt er unter an­deren in Stuttgart zwölf Vorträge über «Geisteswissenschaftliche Behandlung sozialer und pädagogischer Fragen», Bibl.-Nr. 192, GA 1964; und «Drei Vor­träge über Volkspädagogik« (11. und 18. Mai, 1. Juni1919) in Bibl.-Nr. 192; Einzelausgabe unter dem Titel «Neuorientierung des Erziehungswesens im Sinne eines freien Geisteslebens», Dornach 1972 und 1980.

In den vorliegenden sechs Vorträgen behandelt Rudolf Steiner vor den Mit­gliedern der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach das gleiche Thema wie in den zwölf Stuttgarter Vorträgen.

Nach dem Vortrag vom 17. August fuhr Rudolf Steiner nach Stuttgart zu­rück und begann am 21. August mit der «Allgemeinen Menschenkunde« und den beiden anderen Kursen «Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches« und «Seminarbesprechungen und Lehrplanvorträge« (innerhalb der Gesamtausgabe als Reihe «Menschenkunde und Erziehungskunst« I-III, Bibl.-Nr. 293-295). Durch diese Kurse bereitete er die Lehrer für die zu eröffnende Freie Waldorf­schule vor.

13 was die neuere Naturanschauung überliefert, ist ein Gespenst von der Welt:

Siehe Richard Wahle in «Über den Mechanismw des geistigen Lebens«.

17 «Die Erziehung des Kindes vom Gesichtspunkte der Geisteswissenschaft»:

Innerhalb der Gesamtausgabe in «Luzifer-Gnosis 1903-1908. Grundlegende Aufsätze zur Anthroposophie und Berichte aus der Zeitschrift «Luzifer, und «Lucifer-Gnosis», Bibl.-Nr. 34, GA 1960; als Einzelausgabe Dornach 1978.

20 Lunatscharski: Kommissar für Volksbildung in Rußland nach der Oktober­revolution 1917. Im Sinne Lunatscharskis ist die Seele des Menschen nur ein Schnittpunkt von bestimmten geistigen und sinnlichen Kraftlinien des Gesell­schaftslebens. Siehe A. Lunatscharski: «Die Kulturaufgabe der Arbeiterklasse».

28 im Frühjahr 1914 in Wien: Siehe Rudolf Steiner «Inneres Wesen des Menschen und Leben zwischen Tod und neuer Geburt» (Sechs Vorträge, Wien 9. bis 14. April 1914), Bibl.-Nr. 153, GA 1978.

42 Reden von Rebindran,'th Tagore: Siehe R. Tagore «Nationalismus» und «Der Geist Japans».

44 seit wir den Industrialismus haben mit seiner Sinnlosigkeit mußte ergänzt werden mit: für den Willen oder für das Wollen.

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47 in den Kunstvorträ gen auseinandergesetzt: Siehe Rudolf Steiner «Kunstge­schichte als Abbild innerer geistiger Impulse» (Dreizehn Vorträge, Dornach 1916-1918), Bibl.-Nr. 292, GA 1980; Vortrag vom 2. Januar 1917 «Weih­nachtsmotive aus mehreren Jahrhunderten», Einzelausgabe Dornach 1956.

51 in Stuttgart soll eine Schule aufgebaut werden: Siehe Rudolf Steiner «Die Waldorfschule und ihr Geist«. Drei Vorträge, Stuttgart 24. und 31. August 1919, Dornach 1980.

Herr Molt: Emil Molt, 1876-1936, Direktor der Waldorf-Astoria-Zigaretten­fabrik in Stuttgart. Im Zusammenhang der Bewegung für die Dreigliederung des sozialen Organismus richtete er für die Angehörigen seiner Firma Bildungs­kurse ein. Sein Wunsch, auch für die Kinder der Fabrikarbeiter eine im Sinne Rudolf Steiners geführte Schule zu haben, gab den Anlaß zur Begründung der ersten Freien Waldorfschule in Stuttgart im September des Jahres 1919.

69 Wie kann die Lehrerbildung umgewandelt werden?: Siehe die Vortragskurse Rudolf Steiners «Allgemeine Menschenkunde als Grundlage der Pädagogik», «Erziehungskunst. Methodisch-Didaktisches» und «Erziehungskunst. Seminar-besprechungen und Lehrplanvorträge», sowie die später gehaltenen öffent­lichen Vortragsreihen über Pädagogik in Basel, Dornach, Oxford, Ilkley, Bern, Amheim, Torquay (alle in Buchform innerhalb der Gesamtausgabe erschienen in Bibl.-Nrn. 293-311).

81 Ich habe Fichte von den verschiedensten Seiten charakterisiert: Siehe Rudolf Steiner «Die Rätsel der Philosophie» (Bibl.-Nm. 18, GA 1968); «Vom Men­schenrätsel» (Bibl.-Nr. 20, GA 1957); die Vorträge «Fichtes Geist mitten unter uns» (in Bibl.-Nr. 65 »Aus dem mitteleuropäischen Geistesleben», GA 1962, als Einzelausgabe Dornach 1962); «Das Volk Schillers und Fichtes» (in Bibl.­Nr.64 «Aus schicksaltragender Zeit», GA 1959).

einmal als Bolschewisten: Siehe den Vortrag vom 2. März 1919 in «Die gei­stigen Hintergründe dem sozialen Frage», Band I: «Die soziale Frage als Be­wußtseinsfrage», Bibl.-Nr. 189, GA 1980.

107 Reden des Rabindranath Tagore: Siehe Hinweis zu Seite 42.

Was für Mitteleuropa gilt, ist von mir seit vielen Jahren in öffentlichen Vor­trägen gesagt wor4en: Siehe Rudolf Steiner «Geisteswissenschaft als Lebens-gut» (Zwölf Vorträge in Berlin 1913/14) und »Aus schicksaltmagendem Zeit» (Vierzehn Vorträge in Berlin 1914/15), Bibl.-Nrn. 63 und 64, GA 1959; «West­liche und östliche Weltgegensätzlichkeit» (Zehn Vorträge in Wien 1922), Dornach 1950. 115 diesen Bau« den Repräsentanten unseres geistigen Strebens: Der in Holz er­richtete Doppelkuppelbau, an dem während des ganzen Krieges gearbeitet wurde. Dieser Bau wurde in der Silvesternacht 1922/23 durch Feuer zerstört. Siehe Rudolf Steiner »Der Baugedanke des Goetheanum», Stuttgart 1958.

Literatur

Literaturangaben zum Werk Rudolf Steiners folgen, wenn nicht anders angegeben, der Rudolf Steiner Gesamtausgabe (GA), Rudolf Steiner Verlag, Dornach/Schweiz Email: verlag@steinerverlag.com URL: www.steinerverlag.com.
Freie Werkausgaben gibt es auf steiner.wiki, bdn-steiner.ru, archive.org und im Rudolf Steiner Online Archiv.
Eine textkritische Ausgabe grundlegender Schriften Rudolf Steiners bietet die Kritische Ausgabe (SKA) (Hrsg. Christian Clement): steinerkritischeausgabe.com
Die Rudolf Steiner Ausgaben basieren auf Klartextnachschriften, die dem gesprochenen Wort Rudolf Steiners so nah wie möglich kommen.
Hilfreiche Werkzeuge zur Orientierung in Steiners Gesamtwerk sind Christian Karls kostenlos online verfügbares Handbuch zum Werk Rudolf Steiners und Urs Schwendeners Nachschlagewerk Anthroposophie unter weitestgehender Verwendung des Originalwortlautes Rudolf Steiners.